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Diener der Nacht

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Kapitel 1 - Eine Nacht im Oktober

Hallo, zusammen.
 

Hier ist wieder einmal das Myry. ^^
 

Eine neue Fanfiction ist am Start und ich hoffe, dass ich wieder ein bisschen Zuspruch von euch kriege. Worum es geht, steht ja in der Beschreibung. Alles, was ich noch dazu sagen möchte ist, dass es mir wichtig ist, euere Meinung zu erfahren. Das heißt, ich hätte doch gerne den ein oder anderen Kommi. *lieb guck*, *Bitte, bitte sag*
 

Ansonsten viel Spaß wünscht
 

Myrys
 

++++++++++
 

Diener der Nacht
 

Der Vampir stand da im Licht der Straßenlaterne und beobachtete die Kirche. Er wartete. Endlich erblickte er die Person, nach deren Gegenwart er sich gesehnt hatte. Unsicher leckte er sich über die Lippen. Sollte er es tun? Doch dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Ja, er würde es tun. Er verließ den schwachen Lichtkegel und verschmolz fast augenblicklich mit der Dunkelheit um ihn…
 

Kapitel 1

Eine Nacht im Oktober
 

Gabriel Hart war außergewöhnlich. Das behaupteten alle. Und sie hatten Recht. Viele verglichen ihn mit einem gefallenen Engel. Tatsächlich kam ihm diese Beschreibung ziemlich nahe. Er war einfach schön. Nicht sehr groß, jedoch mit einem gut gebauten, athletischen Körper gesegnet. Sein Teint schimmerte makellos weiß wie Porzellan. Sein feines Gesicht mit den durchdringenden bernsteinfarbenen Augen war umrahmt von einer Mähne schwarzen, langen, leicht gewellten Haars, welches er meist locker und lässig offen über die Schultern fallen ließ. Doch der eigentliche Grund, warum ihn die Leute als Engel bezeichneten, war seine Stimme. Sie war tief und samtig und sobald er zu singen begann, ging den Leuten bei ihrem Klang das Herz auf. Jedoch kamen nur sehr wenige von ihnen in diesen Genuss.
 

Gabriel war Frontmann der Metal-Band "Satan's Saints". Ihre Musik war zwar gut, jedoch, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Der schnelle Rhythmus des Schlagzeugs und die harten Gitarrenriffs waren nicht jedermanns Sache. Dennoch hatten sich die fünf jungen Männer der Band, Chester, Jamie, Scott, Finn und Gabriel, einen gewissen Ruf in Szeneclubs an der Ostküste der USA erarbeitet. Nichtsdestotrotz hatten sie bisher noch nicht den großen Durchbruch geschafft und es sah nicht so aus, als sollte ihnen das so bald gelingen.
 

Es war der 24. Oktober, eine kalte, regnerische Nacht, irgendwo in Gabriels Wahlheimatstadt New York. Die Jungs hatten ein erfolgreiches Konzert in einem kleinen Club in Queens hinter sich gebracht und danach kräftig getankt. Wenn der eigene Ruhm noch nicht so groß war, konnte man sich Fannähe leisten und das hatten sie ausgiebig getan. Für gewöhnlich war Gabriel eher zurückhaltend dem Alkohol gegenüber, doch heute hatte auch er eindeutig etwas zu viel erwischt. Die stickige, heiße Luft, der Lärm und die Enge im Club machten ihn schwindlig und er drängte sich an zu viel zu lauter Musik tanzenden Menschen vorbei zum Hinterausgang, um ein wenig frische Luft zu schnappen.
 

Schwer atmend lehnte er sich gegen die mit Graffiti "verzierte" Wand des Hinterhofs und schloss einen Moment die Augen, als die Mülltonnen um ihn herum anfingen, Samba zu tanzen. Er hörte den Verkehrslärm der Hauptverkehrsstraßen, einen Kater beim Liebeswerben und irgendwo, gar nicht so weit entfernt, eine Polizeisirene. Doch plötzlich vernahm er noch ein anderes Geräusch. Ein tiefes, kehliges Stöhnen. 'Könnt ihr damit nicht bis zu Hause warten?', fragte er sich leicht genervt, doch dann fiel ihm auf, dass das Stöhnen in einen unterdrückten Schrei und dann in ein Röcheln überging. Er öffnete die Augen und sah sich aufmerksam um. Um in dem dämmerigen Licht des Hinterhofs etwas erkennen zu können, kniff er die Augen zusammen.
 

Da vorne, direkt hinter dem Tor für die Lieferanten stand ein Pärchen in inniger Umarmung. Noch dazu, sofern er das beurteilen konnte, ein schwules Pärchen. Doch nur auf den ersten Blick schien es eine innige Umarmung zu sein, denn dann erkannte er, dass der junge Mann, der eben noch so lüstern gestöhnt hatte, leblos in den Armen des anderen Mannes hing, der sich an dem langen, schlanken Hals zu schaffen machte.
 

Angst durchflutete ihn. Er wurde soeben Zeuge eines Mordes! Doch noch bevor er reagieren, ja sich überhaupt bewegen konnte, fiel der Blick des zweiten Mannes auf ihn. Er ließ sein Opfer achtlos zu Boden fallen, wo es reglos liegen blieb, und kam bedrohlich auf Gabriel zu. Seine kühlen blauen Augen bohrten sich in Gabriels. Sein langer schwarzer Ledermantel wehte im Wind, ebenso wie sein kurzes, hellblondes Haar. Im nächsten Augenblick stand er so dicht vor ihm, dass Gabriel sich unweigerlich fragte, ob er eine Sekunde lang eingenickt war. Doch seltsamerweise war er sich ganz sicher, dass das nicht der Fall war.
 

Der Fremde packte ihn brutal am Hals und hob ihn ohne auch nur mit der Wimper zu zucken hoch und presste ihn an die Wand. Gabriel hatte gar keine Zeit, sich über die außergewöhnlichen Kräfte des Fremden zu wundern, denn dieser sprach ihn sofort an: "Du hast nichts gesehen, nicht wahr?" Seine Stimme klang gefährlich. Gabriel schüttelte, so gut es ihm eben möglich war, den Kopf. "Verstehe. Wie schade, dass ich dir nicht glaube", sagte der Fremde und grinste fast bösartig.
 

Gabriels Augen weiteten sich vor Angst. Er wusste, sein letztes Stündlein hatte geschlagen. "Wenn du mir versprichst, nicht zu schreien oder zu versuchen, wegzulaufen, lasse ich dich jetzt runter", raunte der Mann. Gabriel nickte, denn langsam ging ihm der Sauerstoff aus. Sofort löste sich der Griff um seinen Hals und er sackte, gierig nach Luft schnappend, in die Knie, wurde jedoch sofort wieder hochgezogen. Diesmal umfasste der stahlharte Griff jedoch seine Oberarme. "Also gut", sagte der Fremde leise und sein Gesicht war kaum eine Handbreit von Gabriels entfernt, der den Kopf in den Nacken legen musste, um den Mann anzusehen. "Du hast leider gesehen, wie ich jemanden getötet habe. Dumm für dich. Aber ich will mal nicht so sein, also gebe ich dir zwei Möglichkeiten: Erstens ich töte dich gleich und du hast alles hinter dir." Er sprach leise und eindringlich und sein Englisch war so akzentfrei, dass Gabriel sicher war, einen Ausländer vor sich zu haben. "Oder zweitens: Wir spielen ein kleines Spielchen. Du und ich." Er grinste wieder, doch diesmal eher spitzbübisch. "Ich werde dich beobachten. Sobald du anfängst, mich zu langweilen, töte ich dich. Alles klar?" Ein Nicken Gabriels folgte. "Gut. Also, was ist dir lieber? Eines steht jedoch fest: Ich töte dich. Du kannst nur entscheiden, wann und wie. Wie lautet deine Entscheidung? Jetzt oder später?"
 

Gabriels Herz schlug bis zum Hals. Er wusste, dieser Mann sagte das nicht einfach so daher, nein, er meinte es bitterernst. Er würde ihn töten. Seine Lippen zitterten. Endlose Sekunden starrte er in das Gesicht des Mannes, der ihn festhielt. Schließlich entschied er sich dafür, doch noch eine Weile leben zu wollen und sagte mit einem nicht zu verbergenden Zittern in der Stimme: "Lieber später."
 

"Sehr gut. Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest, kleines Vögelchen", antwortete der Blonde und sein Gesicht näherte sich noch ein wenig mehr. Gabriel spürte seinen warmen Atem an seinen Lippen. "Damit du es nicht vergisst…", raunte der Mann und streifte mit seinen Lippen verführerisch über Gabriels Hals bis zur Beuge, wo er begann, zu saugen. Gabriel hob die Hände an die Oberarme des Fremden und klammerte sich fest. Ihm schwanden die Sinne. Kurz bevor er das Bewusstsein verlor löste sich der Mann von ihm und ließ ihn los. Gabriel sackte in sich zusammen. "Wir sehen uns", hörte er den Mann noch sagen, dann war er verschwunden.
 

Feiner Nieselregen setzte ein und plötzlich war Gabriel unsagbar kalt. Der Schwindel, der durch den Alkohol entstanden war, war komplett verschwunden. Dafür zitterte er vor Angst und Kälte. Das konnte nur ein Traum gewesen sein. Ja, das war es. Ein Traum. In Zukunft würde er wohl besser daran tun, nicht mehr so viel zu trinken. Er kämpfte sich hoch und schleppte sich zurück in den Club.
 

Im Innern fand er sich wieder in einem Kessel von zuckenden Körpern, durch Kunstnebel und Laserlicht merkwürdig verzerrt und dröhnender Musik. Chester, der Drummer der Band, löste sich aus einem Pulk junger Frauen und kam auf ihn zu.

"Du siehst gar nicht gut aus, Mann", sagte er und musterte Gabriel kritisch. "Hast wohl zu viel gezwitschert, was?", grinste er.

"Glaub schon…", antwortete der Sänger, raffte sein Haar, das ihm über die Schultern floss, zusammen und warf es über seine rechte Schulter.

"Mann, mit was für 'ner Bordsteintussi bist du denn da draußen kollidiert?", feixte Chester.

"Hä? Was meinst du?", fragte Gabriel irritiert zurück.

"Den riesigen Knutschfleck an deinem Hals, Mann. Alter, das Ding ist der Hammer!"
 

Gabriel wurde schlagartig noch blasser, als er es ohnehin schon war, ließ Chester stehen und stürmte auf die Toilette. Dort stützte er sich auf eines der Waschbecken und drehte seinen Kopf zur Seite. Im Spiegel starrte er wie vom Donner gerührt auf den riesigsten Knutschfleck, den er je gesehen hatte. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Es war doch kein Traum gewesen! Alles war real! Der Mord, der komische Typ, der ihm versprochen hatte, ihn umzubringen, einfach alles! Ein lauter, spitzer Schrei des Entsetzens löste sich aus seiner Kehle.
 

Von dem Tag an hatte Gabriel Hart keine ruhige Minute mehr. Ständig spürte er Blicke auf sich gerichtet. Blicke aus kalten, blauen Augen. Selbst den Jungs seiner Band fiel das auf und hinter seinem Rücken sprachen sie von einer handfesten Paranoia. Dass Gabriels Angst nicht unbegründet war, sollte sich nur allzu bald als wahr herausstellen.
 

Zwei Wochen nach dem Vorfall hinter dem Club. Jérôme Saint Claire betrat nach einer anstrengenden Jagd das Treppenhaus des verwahrlosten Mietshauses in der Bronx, in dem er eine kleine Wohnung gemietet hatte.

Wieder einmal hatte er unbemerkt den Jungen beobachtet. Unbemerkt? Nun ja, vielleicht nicht ganz, denn der Kleine hatte verdammt gute Instinkte. Welches unglaubliche Glück er doch gehabt hatte an diesem schicksalhaften Abend. Der Junge, mittlerweile wusste Jérôme, dass er Gabriel hieß, hatte ihm direkt in die Augen gesehen. Und was für wunderschöne Augen das doch waren. Golden und ganz sanft mit wunderschönen, langen, dunklen Wimpern. Für gewöhnlich verliebte sich Jérôme nicht so schnell, diesmal jedoch war er einfach vom Blitz getroffen worden. Immer noch fühlte er die Wärme seiner Haut, erinnerte sich an den Duft seines Haars. Seit wann war er eigentlich so schüchtern, dass er sich nicht einmal mehr traute, ihn anzusprechen und stattdessen gezwungen war, ihn aus weiter Ferne anzusehen? Äußerst unsanft wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
 

"Mister Saint Claire, sieht man Sie auch mal wieder?", herrschte ihn der Vermieter vom unteren Absatz der Treppe an. 'Oh, bitte, sprich es nur einmal, ein einziges Mal richtig aus', dachte Jérôme, drehte sich mit einem Lächeln auf den Lippen um und sagte: "Guten Abend, Mister Jordan. Was kann ich für Sie tun?" Der kleine, dicke, zur Glatze neigende Mann wälzte sich die Treppe hinauf, bis er direkt vor ihm stand. Er reichte ihm gerade bis zur Brust.
 

"Wie wär's mit Wohnung räumen?", keifte er.

"Wohnung räumen? Ich glaube, ich verstehe nicht, Mister Jordan…", erwiderte Jérôme verwirrt und fuhr sich durch das kurze blonde Haar.

"So, Sie verstehen nicht. Na dann will ich es Ihnen mal erklären, junger Mann!", ereiferte sich Jordan. 'Junger Mann. Ha, ha. Dass ich nicht lache. So alt wie ich wirst du niemals werden, Jordan', kam es Jérôme in den Sinn.
 

Dieser fuhr mit erhobener Stimme fort: "Ich habe Ihnen in den letzten zwei Wochen mehrere Briefe geschrieben, in denen ich Sie daran erinnert habe, dass Sie nun schon drei Monate mit der Miete im Rückstand sind. Na, klingelt' s jetzt?" Unweigerlich schweiften Jérômes Gedanken zu den ungeöffneten Umschlägen, die auf seiner Kommode lagen. Wie hatte er die nur ignorieren können?
 

Anscheinend hatte Mister Jordan an seinem Gesichtsausdruck erkannt, dass er sich erinnerte, denn er legte nach: "Ich habe Ihnen im letzten Brief mitgeteilt, dass Ihre Wohnung bis heute zu räumen war. Nachdem das nicht geschehen ist, kommt morgen früh pünktlich um acht der Gerichtsvollzieher. Ich hoffe, Sie haben einen Ort, an dem Sie unterkommen können. Wenn nicht…" Er grinste höhnisch, "… haben Sie ein kleines Problem. Guten Abend, Mister Saint Claire." Damit ließ er Jérôme ratlos stehen.
 

"Scheiße, was mach ich jetzt?", schimpfte Jérôme vor sich hin und warf die Wohnungstür hinter sich zu, was die Nachbarin in der Nebenwohnung zu einer neuen Schimpfeskapade über die rücksichtslosen Nachbarn veranlasste. Es ging ihm nicht darum, dass er keine Zeit hatte, seine Möbel anderweitig unterzubringen. Die meisten hatte er sowieso vom Schrottplatz geholt und weitestgehend selbst wieder hergerichtet. Die waren ihm egal. Das Problem war, dass er innerhalb der nächsten achteinhalb Stunden einen Ort finden musste, wo er seinen Sarg unterstellen konnte. Wo sollte er hin? In dieser ganzen, gottverdammten Stadt kannte er niemanden, oder zumindest niemanden, bei dem er, ohne Schwierigkeiten zu bekommen, einen Sarg unterstellen konnte…
 

Er seufzte tief und warf sich auf sein altes, zerschlissenes Sofa. Für ein Hotel hatte er kein Geld. Außerdem, wie sah das denn aus? Ein großer, breitschultriger Kerl wie er mit einem ebenso großen, schwarzen Sarg. Das wäre ja genauso wie ein Pferd in der U-Bahn. Seine Gedanken kehrten zurück zu Gabriel. Er war ihm bereits im Club auf der Bühne aufgefallen, doch nur, weil ihm seine Stimme so gut gefallen hatte. Seine Aufmerksamkeit hatte da noch einem anderen Jungen gegolten, deshalb hatte er sich nicht weiter um den Sänger gekümmert. Doch dann, draußen im Innenhof...
 

Moment! Was hatte er zu ihm gesagt? Wenn er ihn langweilte, dann… Genau! Er würde schon dafür sorgen, dass ihn der Schöne nicht langweilte. Er würde einfach bei ihm einziehen! Breit grinsend raffte er seine wenigen Klamotten zusammen, warf sie achtlos in seinen Sarg, verschloss diesen und verließ die Wohnung. Er schloss ab und warf unten den Schlüssel zusammen mit dem Ersatzschlüssel in Mister Jordans Briefkasten. Draußen vor dem Haus drehte er sich noch einmal um und winkte der alten Bruchbude zu. Dann wandte er sich um, nahm den Sarg auf den Rücken und marschierte zur U-Bahn.
 

Es dauerte nicht lange, bis der nächste Zug kam und er stieg ein. Er stellte seine Schlafgelegenheit einfach hochkant und lehnte sich dagegen. Die Blicke, die ihm seine Mitreisenden zuwarfen, ignorierte er. Dennoch gab er ein merkwürdiges Bild ab, selbst in einer Stadt wie New York City, in welcher man doch schon einiges gesehen hatte. An der angestrebten Haltestelle stieg er aus und orientierte sich erst einmal. Er wusste, wo Gabriel wohnte, doch er war noch nie mit der U-Bahn dorthin gekommen. Schließlich entschied er sich, einfach nach oben zu gehen und zu suchen. Mit einem Grinsen der Vorfreude lud er sich die schwarze Holzkiste auf und stiefelte munter auf sein Ziel zu.
 

Gabriel lag friedlich schlafend in seinem Bett. Er hatte einen harten Tag hinter sich. Das, was er mit der Musik verdiente, bezahlte ihm zwar die Lebensmittel, nicht jedoch seine Miete, weshalb er gezwungen war, nebenbei noch als Kellner zu jobben.
 

Plötzlich wurde er unsanft aus dem Schlaf gerissen. 'Was war das denn?', dachte er verschlafen. 'Ich hab den Wecker doch ausgemacht.' Dann erklang das Geräusch wieder und er erkannte die Klingel der Wohnungstür. Wer konnte das denn so spät noch sein? Er blinzelte auf den Wecker neben seinem Bett und stellte fest, dass es halb zwei Uhr morgens war. Er schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Wieder klingelte es, diesmal aber gleich zwei Mal. "Komm ja schon…", knautschte er. Mühsam schleppte er sich zur Tür seiner Zwei-Zimmer-Wohnung, da klingelte es Sturm. 'Der hat's aber eilig', grübelte Gabriel. Er lugte durch den Türspion. Die Person kam ihm irgendwie bekannt vor. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt breit, wobei ihm auffiel, dass er die Kette nicht vorgelegt hatte. Sofort wurde die Tür aufgerissen und vor ihm stand ein großer blonder Kerl, der ihn fröhlich angrinste.
 

"Hallo und Guten Abend!", rief der Mann fröhlich. "Hör mal, ich bin aus meiner Wohnung rausgeflogen und brauche ganz dringend jemanden, bei dem ich mal ein oder zwei Nächte bleiben kann und da bist mir nur du eingefallen, ist doch in Ordnung, oder? Ich brauch auch nicht viel. Keine Nahrungsmittel, die beschaff ich mir selber, nur ein bisschen Wasser zum Waschen und einen Platz, wo ich meinen Sarg unterstellen kann. Okay?" Er hatte so schnell gesprochen, dass der verpennte Gabriel ihm nur bedingt hatte folgen können, so murmelte er nur: "Ööööhm…"

"Oh, vielen Dank. Ich wusste, dass du mich verstehst. Bist ein echter Freund", sagte der Fremde und drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung, wobei er ihm auf die Schulter klopfte.

"Wer bist' n du eigentlich?", fragte Gabriel, der nun langsam wach wurde.

"Oh, entschuldige. Hab ganz vergessen, mich vorzustellen. Jérôme Saint Claire. Freut mich sehr." Er reichte Gabriel die Hand, welche dieser mit misstrauischem Blick ergriff.

"Ich kenn dich irgendwoher…", überlegte Gabriel halblaut.

"Natürlich. Wir haben uns nach einem von deinen Konzerten kennengelernt. Macht aber nichts, wenn du dich nicht erinnerst. Das kommt schon wieder. Also…" Er klopfte auf den Sarg (Gabriels Gedanke: Sarg? Kann gar nicht sein.) neben sich. "… Wo darf ich das Schätzchen hier unterstellen? Hm. Wie wär's neben deinem Bett?" Er schenkte ihm ein nettes Lächeln. Gabriel öffnete die Tür zu seiner kleinen Abstellkammer, die bis auf das kleine Putzmittelregal leer war und deutete hinein. "Da rein", nuschelte er.

"Das ist eine Abstellkammer", stellte Jérôme fest.

"Tut mir Leid, die Präsidentensuite ist ausgebucht. Gute Nacht." Er wankte zurück in Richtung Schlafzimmer. Dort warf er sich aufs Bett und schlief sofort wieder ein, als ob nichts gewesen wäre.

"Da hilft nur hochkant…", murmelte Jérôme, doch er nahm sein Schicksal an. Immerhin hatte er ihn nicht sofort rausgeworfen.
 

Gabriel stand um acht Uhr auf und frühstückte erst einmal in Ruhe. Einen merkwürdigen Traum hatte er gehabt. Der Mörder, der ihm gedroht hatte, ihn umzubringen, hatte plötzlich mit einem Sarg vor seiner Tür gestanden und sich bei ihm einquartiert. Und das Merkwürdige dabei war, dass der Fremde ihm einen Namen genannt hatte. An den konnte er sich jedoch beim besten Willen nicht mehr erinnern.
 

Er war attraktiv gewesen. Seine blauen Augen waren gar nicht mehr kalt. Und hatte sein Gesicht beim letzten Mal schon so faszinierend ausgesehen? Er hatte feine Grübchen im Kinn und in den Mundwinkeln wenn er lächelte und hohe Wangenknochen, die seinen Gesichtszügen etwas Edles verliehen. So hatte er ihn gar nicht in Erinnerung gehabt. Süß war er gewesen. Fast wie ein kleines Kind war er ihm vorgekommen. Wirklich, ein merkwürdiger Traum. Seine Schwester würde wohl sagen, das käme von seiner neuerlichen Paranoia und dass er irgendwelche inneren Ängste hatte, die er im Schlaf mit sich ausfocht. Irgendwas in der Art. Und bei der Gelegenheit würde sie ihn wieder auf seinen miesen Energiefluss aufmerksam machen und dass sie in seiner nach den Regeln des Feng-Shui absolut furchtbar eingerichteten Wohnung auch solche Träume hätte.
 

Er wusch sich, zog sich an und verließ die Wohnung, um zur Arbeit zu gehen. Heute hatte er Nachmittagsschicht im Restaurant, was bedeutete, dass er von zwei bis acht arbeiten würde. Davor wollte er sich mit den Jungs im Studio treffen und noch ein wenig an neuen Songs basteln, doch im Moment fehlte ihm einfach die nötige Inspiration.
 

Abends kam er müde nach Hause. Er war noch kurz an dem kleinen Laden an der Ecke vorbei gegangen, um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Jetzt wollte er eigentlich nur noch eine Dusche. Doch erst einmal mussten die Einkäufe aufgeräumt werden. Er hing seine Jacke an die Garderobe, wobei ihm auffiel, dass in der Küche Licht brannte und die Tür zur Abstellkammer offen stand. Das hatte sie doch heute Morgen noch nicht getan. Und das Licht hatte er doch auch nicht brennen lassen, oder? Er wurde wohl wirklich langsam meschugge. Kopfschüttelnd ging er in die Küche und sprang gleich wieder rückwärts hinaus, wobei er seine Einkaufstüte fallen ließ.
 

"Wa… wa… Was machst du denn hier?", stotterte er. Der blonde Mann am Küchentisch stand auf und kam auf ihn zu. Plötzlich fiel ihm der Name wieder ein: Jérôme.

"Was ich hier mache?", lächelte Jérôme. "Du hast mich hier aufgenommen, schon vergessen?"

"Du bist der Kerl hinter dem Club. Du, du hast den Jungen umgebracht", stammelte Gabriel.

"Stimmt. Genau der bin ich." Er kam auf Gabriel zu.

"Und jetzt willst du mich umbringen."

"Was?" Jérôme lachte leise. "Wenn ich das wollte, hätte ich es die ganze Nacht über tun können."

"Raus aus meiner Wohnung", zischte der Sänger. Jérôme blieb stehen und schaute ihn einfach nur an. "Darf… ich es dir erklären?", fragte er flehentlich.

"Was willst du mir erklären? Du hast einen Menschen getötet und ich bin der nächste auf deiner Liste."

"Nicht im Geringsten", beschwichtigte Jérôme.

"Aber du hast gesagt…"

"Ich weiß, was ich gesagt hab. Aber glaub mir, nichts läge mir ferner, als dich umzubringen."

"Und das soll ich dir glauben?", fragte Gabriel und eine seiner schlanken schwarzen Augenbrauen rutschte ein Stück höher.

"Hör zu. Was du gesehen hast, das war… nun gut, vielleicht war es in deinen Augen Mord, aber für mich war es einfach nur Nahrungsbeschaffung. Und du musst wissen, ich vergreife mich nie an Unschuldigen", erklärte Jérôme und seine blauen Augen waren direkt auf Gabriel gerichtet.

"Du bist verrückt! Das ist es. Du bist aus einer Anstalt abgehauen, richtig?"

"Nein, bin ich nicht. Ich bin, so unglaublich das jetzt klingen mag, ein Vampir. Ein echter Vampir."

"Sag ich doch, vollkommen durchgeknallt", sagte Gabriel und seine Stimme zitterte. Wieder stieg die Angst in ihm hoch.

"Wie schaffe ich es nur, dass du mir glaubst…" Der Vampir kaute unbehaglich auf seiner Unterlippe.

"Wir sind hier im achten Stock. Wie wär's, wenn du aus dem Fenster springst und in zwei Minuten wieder unverletzt vor mir stehst?", schlug Gabriel ironisch vor.

"Gute Idee. Das mach ich!", strahlte Jérôme und öffnete das Fenster.

"Moment, warte, das war doch nicht so…", rief Gabriel ihm noch hinterher, doch Jérôme war bereits gesprungen.
 

Erschrocken rannte er ans Fenster und schaute nach unten. Dort, im Schein der Straßenlaterne erkannte er einen Blondschopf auf dem Pflaster. Doch der Blondschopf lag nicht etwa zerschmettert da, sondern er stand aufrecht. Er klopfte sich etwas Staub von der Hose und schaute nach oben. Ehe Gabriel sich versah, war er verschwunden. Zwei Minuten später klingelte es an der Wohnungstür und davor stand Jérôme. Unverletzt.

"Und, glaubst du mir jetzt?", grinste er und wirkte dabei wie ein Lausbub.
 

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So, ich hoffe, es hat bisher gefallen. Würde mich freuen, von euch zu hören.

Kapitel 2 - Ein Vampir als Mitbewohner

So, da ist es, das zweite Kapitel. Etwas lang geworden. o_Ô Na ja, ich denke, das stört euch nicht wirklich, oder? ^^
 

Viel Spaß damit.
 

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Kapitel 2

Ein Vampir als Mitbewohner
 

Gabriel ließ sich schwer schnaufend auf einen Stuhl fallen. "Gut", sagte er. "Du bist also ein Vampir. Und was willst du von mir?"

"Gute Frage. Erst einmal ein Obdach. Meine Möbel sind heute Morgen ausgeräumt worden. Ich bin sozusagen mittellos", antwortete Jérôme und ließ sich ihm gegenüber nieder.

"Erst einmal? Und was dann? Mein Blut?", fragte Gabriel ironisch und drehte sein Haar zusammen, welches er sich dann über die Schulter warf.

"Nein. Im Moment zumindest besteht keine Gefahr für dich. Da müsste schon der absolute Notstand ausbrechen. Ich sagte ja schon, ich vergreife mich nicht an Unschuldigen."

"Und was hat der Junge angestellt, um deiner Meinung nach den Tod zu verdienen?", hakte der Musiker nach.

"Na ja, er war ein Drogendealer. Hat jede Menge Zeug in seiner Schule vercheckt. Nicht das harmlose Zeug. Wirklich harte Sachen. Ach ja, und er hat ein Mädchen vergewaltigt. Die arme Kleine hat Selbstmord begangen, weil sie von ihm schwanger war. Hat ihn wenig gekümmert", erklärte der Vampir achselzuckend.

"Woher weißt du das alles? Und ist das für dich Grund genug, ihn umzubringen?", wollte Gabriel ungläubig wissen.

Jérôme seufzte. "Ich kann Gedanken lesen. Manchmal, wenn ich es will. Und vom Prinzip her nein. Aber ich muss töten um zu überleben. Das ist nun mal leider notwendig. Da such ich mir lieber die, die schon einiges auf dem Kerbholz haben. Glaub mir, es gibt solche Vampire und solche. Einige stehen zum Beispiel voll auf Jungfrauenblut. Andere wiederum beißen mit Vorliebe Kinder. Schwachsinn, wenn du mich fragst."

"Also suchst du dir das kleinere Übel aus?"

"Richtig."
 

Ein langes Schweigen trat ein. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Gabriel betrachtete Jérôme nun etwas genauer. Jetzt im Licht sah er wieder anders aus. Zuerst hatte er geglaubt, er wäre weiß wie die Wand, doch das stimmte nicht. Eigentlich hatte der Vampir einen gesünderen Teint als er selbst. Er hatte ein ziemlich kräftiges Kinn, was ihn männlicher wirken ließ. Sein Gesicht schien nicht älter als Mitte bis Ende zwanzig zu sein, doch seine Augen schienen wesentlich älter und hatten die Farbe eines klaren Sommerhimmels. Gabriel musste zu seinem eigenen Entsetzten feststellen, dass ihm auch seine sinnlichen Lippen keineswegs entgingen. Gedankenverloren starrte er auf Jérômes Mund, der sich plötzlich zu einem sanften Lächeln verzog.
 

"Zufrieden mit dem, was du siehst?", fragte er.

"Ist mir egal", antwortete Gabriel achselzuckend. "Ich bin nicht schwul."

"Das haben auch schon andere vor dir behauptet. Tatsächlich war sogar ich so frei, irgendwann mal einem Mann entgegen zu schleudern, dass ich ihm niemals in Bezug auf die körperliche Liebe zur Verfügung stehen würde", grinste sein Gegenüber.

"Hat's was genützt?"

"Nein. Er war ein blöder Arsch. Ist schon 'ne halbe Ewigkeit her. Ich hoffe, ich sehe ihn nie wieder."

"Na ja, wenn's ne halbe Ewigkeit war, ist er ja vielleicht schon tot", mutmaßte Gabriel.

"Glaub ich kaum. Er ist auch ein Vampir", erwiderte Jérôme mit matter Stimme und schob sein Haar nach hinten.
 

Gabriel hatte anscheinend an irgendeine alte Wunde gerührt, denn Jérômes Blick wurde abweisend. Der junge Mann wunderte sich ein wenig über den etwas unmodernen Haarschnitt, wenn man das, was da auf Jérômes Kopf wuchs überhaupt als solchen bezeichnen wollte. Eine Kurzhaarfrisur, die nach hinten etwas länger wurde. Wie lange er wohl schon damit herumlaufen musste?

"Gibt's denn viele von euch?", fragte er neugierig.
 

Jérôme schien froh über den Themenwechsel zu sein, denn er antwortete prompt: "Nein, eigentlich nicht. Weltweit etwa um die Hundert. Du hast also etwa ein Prozent der gesamten Weltvampirbevölkerung bei dir zu Hause."

"Und wo leben die meisten? In Transsylvanien?"

"Gott bewahre, nein. Wo genau kann man nicht so allgemein sagen. Einige hier, einige da. Das mit den Karpaten ist ein Märchen. Da gibt's auch nicht mehr als sonst irgendwo auf der Welt."

"Und du bist einer der älteren?"

"Vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Aber mal was anderes: Willst du mich verhören?"

"Nein. Ich will nur was wissen über meinen neuen Mitbewohner. Das heißt, sofern ich dich hier wohnen lasse…"

"Sofern? Das heißt, du willst mich wirklich wieder rauswerfen? In die eisige Kälte der Nacht und das ganz fürchterlich grausige Licht der Sonne? Das fände ich aber äußerst unfair und ziemlich fies von dir", sagte Jérôme und sah Gabriel mit Hundedackelbettelblick an.

"Na gut. Du darfst bleiben. Aber erst einmal nur ein paar Nächte, klar?" Bei diesen Worten sprang der Vampir freudig kreischend auf und fiel Gabriel um den Hals. "Ich danke dir", flüsterte er ihm ins Ohr. Der junge Musiker schob ihn sofort wieder von sich.

"Schon gut. Musst nicht gleich übertreiben. Nachdem du ja schon weißt, wo ich wohne, wirst du auch wissen, wer ich bin, nicht wahr? Nur zur Vollständigkeit aber noch mal: Ich bin Gabriel Hart, 25 Jahre. Beruf: Sänger und Kellner. Noch irgendwas unklar?"

"Darf ich in deinem Bett schlafen?"

"Nein."

"Och, schade. Dabei ist locker Platz für zwei."

"Mag sein, aber der zweite bist garantiert nicht du. Also, im Bad sind Handtücher, rote und blaue. Die roten sind für dich. Falls du ne Zahnbürste brauchst, die sind im Spiegelschrank. Dort ist auch Seife. Da du ja kein Einkommen hast, erwarte ich zumindest von dir, dass du die Wohnung in Ordnung hältst. Ist das ein Problem für dich?"

"Nein, Herr General."

"Gut. Wie sieht denn dein Tages- beziehungsweise Nachtablauf aus?"

"Na ja, ich stehe bei Sonnenuntergang auf und leg mich bei Sonnenaufgang hin."

"Ich fürchte, ich werde dich ein wenig in deiner Freiheit beschneiden müssen, Jérôme, du wirst dich nämlich nach mir richten müssen, wenn du hier wohnen willst. Ich gehe, sofern nicht gerade Konzerte sind oder ich Nachtschicht habe, meist um zwölf oder eins ins Bett und stehe um sieben oder acht auf. Dazwischen ist Nachtruhe. Ich wäre froh, wenn du dich daran halten würdest."

"Kein Problem."

"Was noch? Hm. Im Moment fallen mir keine weiteren Verhaltensregeln ein. Wenn mir doch noch was in den Sinn kommt, sag ich Bescheid."
 

Gabriel überlegte noch kurz, doch ihm fiel nichts mehr ein. Er besah sich das Chaos an Lebensmitteln auf dem Boden und hob gerade ein paar Äpfel hoch, als er Jérômes Arme um sich spürte. "Ich bin dir wirklich dankbar", raunte der Vampir in seinen Nacken. Der junge Mann ließ die Äpfel wieder fallen weil ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. Jérôme hatte so eine unverschämt sexy Stimme.

"Okay, noch eine Regel", sagte Gabriel laut und fest und wand sich aus Jérômes Umarmung. "Keine Annäherungsversuche." Der Vampir schaute ein wenig beleidigt drein, doch das scherte Gabriel wenig. "Wenn du hier bleiben willst, dann keine Annäherungsversuche, klar?"

"Okay. Keine Annäherungsversuche. Hab's kapiert." Sprach' s und verließ die Wohnung, um zu jagen und sich abzureagieren.
 

Gabriel atmete erleichtert aus. Sein Herz schlug so schnell, dass er erst ein paar Mal tief Luft holen musste. Hoffentlich fand Jérôme bald eine neue Bleibe. Wer wusste schon, wozu dieser Mann sonst noch fähig war?
 

Jérôme kam pünktlich um Mitternacht zurück. Gabriel war ihm dafür sehr dankbar, denn er war müde und abgekämpft und ging sofort ins Bett. Der Vampir hingegen hatte sich eine Abendzeitung aus einem Papierkorb gefischt, um sich noch ein wenig die Zeit zu vertreiben. Wie langweilig. Eigentlich hatte er gehofft, er könnte sich noch ein wenig mit seinem neuen Mitbewohner unterhalten. Er seufzte und ließ sich am Küchentisch nieder, wo er die Zeitung aufschlug und einige Berichte überflog. Richtig spannend war das nicht, doch was sollte er machen? Für ihn war es jetzt etwa zwölf Uhr mittags. Nach einer Stunde hatte er jeden noch so kleinen Fitzelbericht der Zeitung schon zweimal gelesen. Und nun? Er beschloss, sich ein wenig in der Wohnung umzusehen. Im Wohnzimmer stand eine große, altmodische Schrankwand. Diese nahm er sich nun genauer vor. Was er interessant fand waren ein paar Bücher und ein paar PS-2-Spiele.
 

Wahllos zog er eines der Bücher aus dem Regal und schaute auf den Titel. Die Bibel. Urgs. Weg damit. Mit dem Zeug hatte er seinerzeit seine Jugend verschwendet. Seine Erinnerungen schweiften zurück zu der kleinen Komturei in der Bretagne, in der er seine Jugendjahre verbracht hatte und die Zeit danach, in der er seinen Glauben verlor. Er stellte das Buch der Bücher zurück und zog ein anderes heraus. "Der Herr der Ringe". Schon besser. Vielleicht sollte er doch mal wieder was für seine literarische Bildung tun. Er hatte zwar damals schon viel von einem britischen Professor namens Tolkien gehört, dessen Geschichten so unglaublich, ja noch nie da gewesen waren, sich jedoch nie um ihn geschert.
 

Gabriels Wohnzimmer bestand aus der Schrankwand, dem Fernseher mit der Spielkonsole, einer kleinen Musikanlage und einer gemütlichen Sitzgruppe, die mit schwarzem Leder bezogen war. Auf diese ließ er sich nieder, legte die Füße hoch und begann, zu lesen. So verging die Nacht.

Als Gabriel um sieben Uhr aufstand, war Jérôme bereits in seinen Sarg zurückgekehrt und schlief selig. Er träumte von Elfen, die komischerweise alle wie Gabriel aussahen.
 

Es war nach neun als Gabriel nach Hause kam. Er schloss die Tür auf und hängte den Mantel auf, wie immer. Irgendwas war anders, doch er konnte nicht genau sagen, was es war. Erst einmal ging er ins Wohnzimmer, in welchem er durch das Glas der geschlossenen Tür einen Schatten bemerkte. Was er sah als er die Tür öffnete konnte er fast nicht glauben.
 

Jérôme hatte sich den Wischmobb geschnappt und wischte mit ihm durchs Wohnzimmer. Und nicht nur das. Er benutzte den Stiel als Mikrophon, in welches er Playback sang. Die Musik, zu der er sich, fast ein wenig wie Elvis zu seinen besten Zeiten, bewegte, drang aus dem Kopfhörer, den er in die Stereoanlage eingestöpselt hatte. Soweit Gabriel den Rhythmus erkannte, dürfte es sich um Metallica handeln. Zudem sah Jérôme mit dem Stirnband und der rosa Schürze (Moment. Rosa Schürze?!) zum Schreien komisch aus. Ebendies tat Gabriel. Er brach in schallendes Gelächter aus. Jérôme entging das nicht. Er nahm den Kopfhörer ab und schaute seinen Mitbewohner fragend an.
 

"Was machst du denn da?", prustete Gabriel.

"Na ich halte die Wohnung in Ordnung. Wie der Herr gesagt hat. Was dagegen?", muckte der Vampir auf.

"Ach was, überhaupt nicht. Übrigens: nettes Schürzchen." Er grinste frech.

Jérôme sah an sich hinab. "Die hab ich mir von deiner Nachbarin geliehen. Sehr nette alte Dame. Wollte mich gleich zum Tee einladen."

"Nette alte Dame? Die von nebenan? Mich hat sie immer nur zusammen gepfiffen."

"Tja, mein Freund, du weißt eben nicht, wie man mit jungen Damen umgeht", sagte Jérôme und legte zum ersten Mal einen schwachen französischen Akzent in seine Worte.

"Junge Damen?! Die ist mindestens achtzig", erwiderte Gabriel ungläubig.

"Vierundachtzig, wie sie mir verkündete. Und für mich ist sie jung. Abgesehen davon: Ich kann äußerst charmant sein, wenn ich will."

"Hier riecht' s gut…", stellte Gabriel fest und schnupperte.

"Ich hab dir was zum Essen bestellt", erklärte Jérôme. "Dachte, du wärst nach der Arbeit vielleicht ein wenig hungrig. Es steht in der Küche."

"Sehr nett von dir. Richtiggehend aufmerksam. Womit hab ich denn das verdient?"

"Einfach so. Und jetzt setz dich und iss. Wenn ich fertig bin mit Putzen geh ich und such mir selbst was zu beißen. Ich hoffe, du magst chinesisch."

"Klar. Ich arbeite bei einem Italiener. Da bin ich für jede Abwechslung froh", rief ihm Gabriel aus der Küche zu. "Sag mal, willst du dich zu mir setzen? Alleine ist es so langweilig."

"Meinst du das ernst?", antwortete Jérôme.

"Sicher. Komm rüber."
 

Jérôme stellte die Musik ab, zog die Schürze aus und kam zu Gabriel in die Küche. Er setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und beobachtete ihn. Er fand es faszinierend, dass dieser mit Stäbchen essen konnte. "Auch ein Stück Hühnchen?", fragte der Musiker unvermittelt und hielt ihm ein Teil hin.

"Nein, vielen Dank", lehnte Jérôme ab. "Ich kann keine normale menschliche Nahrung zu mir nehmen. Mir wird davon schlecht."

"Oh. Verstehe", meinte Gabriel und zuckte die Achseln. "Das kommt von deiner einseitigen Ernährung. Das ist ganz ungesund, weißt du?"

Jérôme kicherte. "Ja. Besonders für meine Opfer."

"Apropos. Willst du mich wirklich kalt machen so wie den Typen hinter dem Club?", fragte Gabriel wie nebenbei und schaufelte Reis in sich hinein.
 

Jérôme stützte sein Gesicht auf seine Hände. "Wir spielen ein Spiel, immer noch. Aber es besteht keine unmittelbare Gefahr für dich. Ich weiß, ich hab dir Angst gemacht. Das tut mir unheimlich Leid. Aber weißt du, ich hatte einen fürchterlichen Tag. Der Kerl, mit dem du mich gesehen hast war schon der fünfte in dieser Nacht. Die wollten sich alle nicht anbaggern lassen. Ich hatte Hunger wie blöd und ganz ehrlich: Sein Blut war ganz schön bitter. Keine Ahnung, was der genommen hat. Dann bist du plötzlich aufgetaucht und ich war doch ohnehin schon auf hundertachtzig. Normalerweise bin ich gar kein so übler Kerl. Ich hoffe, dass du dieses Gesicht von mir nie wieder sehen musst", erklärte der Vampir.
 

Gabriel sah ihn einen Moment lang schweigend an. Dann sagte er: "Ist okay. Jeder hat doch mal seine Tage. Aber eines sag ich dir: Mach das nie wieder, klar?"

"Klar. Nie wieder. Ehrenwort." Er hob zwei Finger zum Schwur.

"Kann man auf das Ehrenwort eines Vampirs viel geben?", neckte Gabriel.

"Möglicherweise nicht. Aber das eines Ritters nimmst du an, oder?"

"Du warst ein Ritter?", rief der Sänger. "Irre. Davon musst du mir unbedingt erzählen!"

Der Vampir lächelte. "Irgendwann, aber nicht heute. Das sind dunkle Erinnerungen, die ich im Moment nicht ausgraben möchte. Ich hoffe, du verstehst das."

"Oh ja. Sicher. Kein Problem. Du musst auch nicht, wenn du nicht willst", murmelte Gabriel kleinlaut.
 

Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend. Jérôme beobachtete Gabriel fasziniert. Er erinnerte ihn ein wenig an eine Katze. Seine schlanken Glieder, die er mit einer solch natürlichen Eleganz bewegte, sein seidiges schwarzes Haar und natürlich seine leuchtenden goldenen Augen. Gabriel ließ sich geschafft nach hinten sinken und hielt sich den Bauch. "Ich esse nie wieder was. Du hast hoffnungslos zu viel bestellt", stöhnte er.

"Du hättest ja nicht alles essen müssen. Es hätte bestimmt auch noch für morgen gereicht", schmunzelte der Vampir. "Übrigens", er deutete auf Gabriels Mundwinkel, "du hast da noch was…"

"Hm? Ach so. Das heb ich mir für morgen auf", erklärte der junge Mann und räkelte sich ein wenig.

"Darf ich…?", fragte Jérôme.

"Was denn?"

Der Blondschopf beugte sich zu ihm hinüber und entfernte behutsam die kleinen Reiskörnchen, wobei er mit der Daumenkuppe über Gabriels Unterlippe strich.

"Was hab ich dir zum Thema Annäherungsversuche gesagt?", wollte Gabriel wissen und schaute ihm dabei fest in die Augen.

"War das denn einer?", fragte Jérôme verschmitzt. "Also was du so alles interpretierst…"
 

War es denn einer gewesen? Oder hatte er sich etwa gewünscht, dass es einer wäre? Nein. Er fand den Vampir zwar auf irgendeine merkwürdige Art faszinierend aber doch nicht so.
 

Jérôme lächelte nur. "Ich geh dann mal auf die Jagd. Bis um eins bin ich wieder da, versprochen. Bis dann." Er räumte noch schnell den Wischmobb weg, schnappte sich den schwarzen langen Ledermantel und verschwand.
 

Der November wurde kalt. Eisig kalt. Drei Wochen lebten Jérôme und Gabriel nun schon zusammen und die Vorweihnachtszeit rückte näher. Manchmal, wenn Jérôme nichts Besseres vorhatte, begleitete er Gabriel zu seinen Auftritten. Meistens allerdings ging er seinen eigenen Geschäften nach. Seit dem Putzabend hatte Gabriel ihn nicht mehr nach seiner Vergangenheit gefragt und Jérôme hatte auch nichts mehr in der Richtung erwähnt. Eines Abends kam Gabriel früher als sonst nach Hause. Jérôme war gerade erst aufgestanden und schaute verwirrt, als sein Mitbewohner schon so bald zurück war. "Alles in Ordnung?", fragte er mit Zahnbürste im Mund.

"Ich glaub, ich hab mir 'ne Erkältung eingefangen", erklärte Gabriel. "Nichts Weltbewegendes. Aber der Chef meinte, ich sollte nach Hause gehen. Ich hab übrigens was für dich."

"Für mich?" Jérôme spuckte den Schaum aus, spülte nach und kam aus dem Bad. Die Tatsache, dass er nur schwarze Schlabberhosen und ein offenes, weißes Hemd trug, fiel Gabriel sofort auf.
 

Es war das erste Mal, dass er einen Blick auf Jérômes nackten Oberkörper erhaschen konnte. Nicht, dass er das gewollt hätte, doch sein Blick wurde automatisch angezogen. Er hatte erwähnt, dass er ein Ritter gewesen war und Gabriel glaubte ihm das, ohne zu zögern. Er war breitschultrig und gut gebaut. Ein richtiger Waschbrettbauch lugte aus dem Hemd hervor. Knapp oberhalb seiner linken Brustwarze war eine feine Narbe, doch die störte nicht im Mindesten.
 

Um sich abzulenken kramte Gabriel in seiner Tasche bis er fand wonach er gesucht hatte. "Bitteschön", sagte er und reichte Jérôme zwei Schlüssel, die an einem kleinen Ring zusammen hingen.

"Was ist das?", wollte der Vampir wissen.

"Dein Haustür- und Wohnungsschlüssel. Hab ich nachmachen lassen, damit du freier agieren kannst und nicht immer auf mich Rücksicht nehmen musst", erklärte der junge Mann mit einem Lächeln, doch dieses verblasste, als Jérôme ihn skeptisch musterte. "Warum schaust du mich so an?", fragte er.

"Du siehst gar nicht gut aus…", kam als Antwort.

"Ach was. Ist nur 'ne Erkältung, wie gesagt. Du hast ja jetzt deine Schlüssel also kann ich ins Bett gehen und mich auskurieren. Mach dir keine Gedanken."

"Nicht so voreilig", mahnte Jérôme und zog Gabriel an sich. Er legte eine seiner kühlen Hände auf dessen Stirn um die Temperatur zu fühlen.

"Hmmm. Tut gut", murmelte dieser.

"Ist ja auch kein Wunder. Du hast Fieber", antwortete der Blonde und hob den jungen Mann hoch, um ihn ins Bett zu bringen.
 

Dieser protestierte heftig. "Lass mich runter, Jérôme. Ich bin kein kleines Kind! Ich kann selber laufen!"

"No way. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich im Stich lasse, wenn du krank bist." Er legte ihn aufs Bett und sagte dann: "Du ziehst dich um und legst dich hin. Ich bin in einer halben Stunde wieder da." Damit drehte er sich um, zog sich kurz an und ging. Gabriel fragte sich, wohin er wollte, doch er tat wie ihm geheißen. Tatsächlich war Jérôme eine halbe Stunde später wieder zurück. Er kam kurz zu Gabriel und fragte: "Und, wie geht's?"

"Beschissen."

"Alles andere hätte mich gewundert. Hast du heute schon was gegessen?", fragte der Vampir besorgt

"Nein. Hatte keinen Hunger", antwortete der Sänger wahrheitsgemäß.

"Bleib einfach hier im Bett. Ich bring dir eine Schüssel mit Eiswasser und ein Tuch, damit du erst mal die Temperatur senken kannst." Das tat er auch und Gabriel war ihm für seine Aufmerksamkeit dankbar. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen, doch das Eiswasser half tatsächlich. Plötzlich hörte er ein klapperndes Geräusch aus der Küche.

"Was machst du da drüben?", rief er.

"Lass dich überraschen", kam die Antwort. 'Oh je. Der zerlegt meine Küche', dachte Gabriel, doch zu mehr war er nicht mehr fähig, denn er nickte ein.
 

Jérôme hatte eingekauft. Im Lebensmittelmarkt und in der Apotheke. Jetzt stand er ziemlich ratlos vor dem Elektroherd. 'So ein Ding hab ich noch nie benutzt. Um ehrlich zu sein hab ich seit Jahrhunderten nicht mehr gekocht. Ach, wo sind die Zeiten der offenen Kochstellen hin? Alles drauf auf den Herd und fertig.

So schwer kann das doch gar nicht sein. Nur ein paar Knöpfe. Komm schon, Jérôme. Du hast mit Sarazenen gerungen, da wirst du ja wohl noch mit einem Elektroherd klar kommen…’ Doch eine kleine Stimme in ihm sagte: "Damals kanntest du deinen Feind."

"Also gut", sagte er und schob die Ärmel hoch. "Packen wir's an." Doch das erste, das er einschaltete, war die Backröhre und er wunderte sich, warum die Platte nicht heiß wurde.
 

Geschlagene anderthalb Stunden später hatte er es endlich geschafft. Eine Suppe. Endlich. Genau so wie er es damals im Kloster gelernt hatte. Na ja. Fast genau so. Er hoffte, dass sie schmeckte, denn er wollte es nicht riskieren, sie zu kosten. Er füllte einen Teller mit dem – zu seiner eigenen Überraschung ziemlich gut riechenden – Inhalt des Topfes und trug ihn vorsichtig ins Schlafzimmer. Mit einem Lächeln stellte er fest, dass Gabriel eingeschlafen war. Er stellte den Teller auf dem Nachttisch ab und beugte sich hinunter, um seine Stirn zu fühlen. Gabriel zuckte bei der kühlen Berührung zusammen und wachte langsam auf.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken", sagte Jérôme leise.

"Schon gut. Ich hab sowieso nur gedöst", antwortete Gabriel. Seine Augen waren glasig und seine Wangen gerötet. Jérôme reichte ihm den Teller.
 

"Iss wenigstens ein bisschen davon. Ohne was im Bauch darfst du deine Medizin nicht nehmen." Gabriel nahm den Teller und den Löffel und schnupperte kurz. Er stellte fest, dass es wegen seines blockierten Geruchssinns wenig Sinn machte und probierte einfach kurz entschlossen. Jérôme saß in der Hocke neben seinem Bett und wippte aufgeregt. "Und, wie schmeckt' s?", fragte er neugierig.

"Gut. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich sagen, meine Mum hat das gekocht. Jedenfalls ist es keine Instant-Suppe."

"Stimmt. Da sind nur gute Sachen drin. Gemüse, Kräuter, etwas Salz, Pfeffer, Muskat,…", erklärte Jérôme.

"Moment. Du hast gekocht?", rief Gabriel, verschluckte sich und hustete.

"Ja. Das letzte Mal war vor über achthundert Jahren. Unglaublich, dass ich anscheinend nichts verlernt habe."

"Vor achthundert Jahren? Wie alt bist du denn?", fragte Gabriel schockiert.
 

Jérôme überlegte kurz. "Also, so genau kann ich dir das gar nicht sagen. Weißt du, ich wurde in einer Zeit geboren, in der sich noch niemand wirklich um das Geburtsjahr gekümmert hat. Ein Sommer hin oder her, wen interessiert' s? Ich müsste aber so etwa um das Jahr 1170 geboren worden sein. Plus minus ein oder zwei Jahre…"

"Dafür siehst du aber verdammt gut aus."

"Du findest ich sehe gut aus?", strahlte der Vampir.

"Na ja, wenn man bedenkt, dass du über achthundert Jahre alt bist, dann ja." In Anbetracht Jérômes enttäuschter Miene fügte er rasch hinzu: "Und sonst auch." Er löffelte seine Suppe aus und gab dem Vampir den Teller zurück. "Danke", flüsterte er, denn sein Hals tat weh.

"Keine Ursache." Sein Gegenüber stand auf, räumte den Teller weg und kam mit zwei Tabletten und einem Glas Wasser zurück. "Hier, nimm die. Die sind gegen das Fieber sagte der Apotheker."

"Du warst auch noch in der Apotheke?"

"Sicher. Du hast ja keine Medizin im Haus."

"Stimmt. Also, gib her das Zeug. Prost." Er schluckte die Tabletten und ließ sich zurück auf das Kissen sinken. "Ich glaube, ich möchte schlafen", flüsterte er noch, bevor er ins Reich der Träume wechselte.
 

Er sah so schön aus wenn er schlief, dass Jérômes Herz einen leichten Hüpfer machte. 'Du meine Güte. So hat's dich ja noch nie erwischt', grübelte er auf dem Rückweg in die Küche. Er räumte auf, wusch das Geschirr ab und wollte dann eigentlich kurz auf die Jagd gehen, als er Gabriel im Schlaf jammern hörte.
 

Vorsichtig schlich er an das Bett heran und legte die Hand auf Gabriels Stirn. Er schien förmlich zu glühen. Sein Körper zitterte und Jérôme zog die Decke etwas höher. Gabriel öffnete kurz die Augen, sah ihn, lächelte und schlief wieder ein. 'Okay, Jagd ist für heute gestrichen', entschied der Vampir, holte sich ein Buch und einen Stuhl und stellte diesen neben das Bett. Natürlich, er hätte sich auf der anderen Seite mit aufs Bett setzen können, doch er wusste, dass Gabriel mit seinen Sachen äußerst unleidlich werden konnte. Es würde ihm im Traum nicht einfallen, Jérômes Handtuch zu benutzen oder im Gegenzug ihn eines von seinen benutzen zu lassen. Dasselbe galt für seinen Lieblingssessel und natürlich sein Bett. Das war absolutes Sperrgebiet und war zur Jérômefreien Zone erklärt worden.
 

Der Vampir schlug die Beine übereinander und begann, zu lesen. Zwischendurch fühlte er Gabriels Temperatur, welche, sehr zu seiner Beunruhigung, nur sehr langsam zurückging. Kurz vor Sonnenaufgang musste er sich zurückziehen, auch wenn er es noch so ungern tat. Vorher stellte er Gabriel noch eine Thermoskanne Tee und eine Tasse hin. Mehr konnte er im Moment nicht für ihn tun.
 

Gabriel verbrachte den Tag mit einer Mischung aus Schlaf und vor sich hin dämmern. Zwischendurch trank er einen Schluck Tee oder wankte aufs Klo, doch er fiel meistens sofort wieder in Schlaf. Seit seiner Kindheit hatte es ihn nicht mehr so erwischt. Die Sonne war noch nicht einmal vollständig untergegangen, da kam Jérôme aus der Abstellkammer und sah nach ihm.
 

Als er erfuhr, dass Gabriel den ganzen Tag wieder einmal nichts gegessen hatte, wärmte er ihm kurzerhand noch etwas Suppe auf und gab ihm anschließend seine Medizin. Gabriels warmes, dankbares Lächeln entschädigte ihn für einiges, selbst für die Tatsache, dass sein Magen langsam nach Futter schrie.

In der Nacht stieg Gabriels Fieber wieder leicht an und Jérôme entschied erneut, die Jagd ausfallen zu lassen. Wenn er es wollte, konnte er jahrelang aushalten ohne zu trinken, doch die Entbehrung ging nicht ganz spurlos an ihm vorbei. Seine Hände zitterten ein wenig, als er Gabriel mit einem feuchten Tuch über Gesicht und Brust fuhr. 'Hoffentlich geht es ihm morgen wieder besser, sonst hast du ein Problem, Jérôme, mein Alter', dachte er.
 

Gabriel erwachte ziemlich früh. Draußen war es noch dunkel, doch als er auf den Wecker sah wusste er, dass es nicht mehr lang dauerte bis zum Sonnenaufgang. Er fragte sich gerade, ob Jérôme schon schlafen gegangen war, da hörte er neben sich tiefe Atemzüge. Der Vampir saß neben ihm auf einem Stuhl und schlief tief und fest.

"Jérôme…", murmelte er. Als er keine Reaktion erhielt, versuchte er es etwas lauter. "Hey, Jérôme, die Sonne geht bald auf."
 

Diesmal reagierte der Vampir. Er öffnete die Augen und blickte Gabriel ein wenig irritiert an. "Was ist?", fragte er verschlafen. Gabriel fielen die dunklen Ringe unter seinen Augen auf. Außerdem war Jérôme unglaublich blass. So, als hätte er tagelang nichts getrunken.

"Die Sonne geht in ein paar Minuten auf", wieder holte der junge Mann.

"Oh. Verstehe. Dir scheint es besser zu gehen. Siehst auch schon viel besser aus", lächelte der Blonde.

"Du aber nicht", stellte der junge Mann mit besorgter Miene fest. "Warst du die ganze Zeit über bei mir?" Jérôme nickte nur. "Oh nein. Das hättest du nicht tun müssen. Du musst Hunger haben."

"Ist nicht so schlimm", lächelte der Vampir. "Ich hab schon Schlimmeres überstanden."

Gabriel überlegte kurz. Dann krempelte er seinen Ärmel zurück und hielt seinen Arm Jérôme hin. "Trink", sagte er.

Jérôme blickte ihn verständnislos an. "Was soll das?", fragte er.

"Nun mach schon. Du hast dich nur um mich gekümmert und dabei dich selbst vernachlässigt. Ich will nicht, dass es dir meinetwegen schlecht geht. Ich sehe dir doch an, dass es so ist. Also, trink von mir. Bitte."

"Du weißt nicht, was du da von mir verlangst…", erwiderte Jérôme.

"Ich hab ja nicht gesagt, dass du mich bis auf den letzten Tropfen aussaugen sollst. Nur, dass du bis heute Nacht durchhältst. Nun mach, die Sonne geht auf."
 

Der Vampir nahm seine Hand in seine eigenen Hände und schaute ihn durchdringend an. Sie waren schwielig. Die Hände eines Kriegers, der lange Zeit ein Schwert geführt hatte, und dennoch. Seine Finger waren lang und schlank und wenn er getrunken hatte, dann waren seine Hände warm und schon fast sanft. Gabriel wusste es, denn er hatte sehr wohl bemerkt, dass der Vampir sich die ganze Zeit um ihn gekümmert hatte.
 

Jérôme führte seine Hand langsam an seine Lippen. Er warf ihm einen fragenden Blick zu und Gabriel nickte. Doch er biss nicht sofort zu. Er hauchte sanfte Küsse in Gabriels Handinnenfläche, was kleine Schauer durch dessen Körper rieseln ließ. Es war ganz klar ein Annäherungsversuch, doch es scherte Gabriel wenig. Als der Vampir die Zähne in seine Haut versenkte, kniff er kurz die Augen zusammen. Jérôme nahm nur ein paar kleine Schlucke, doch die reichten ihm vorerst. Er küsste die Wunde, die er verursacht hatte, um sie wieder zu verschließen und erhob sich dann, um seinen Sarg aufzusuchen. In der Tür drehte er sich noch einmal um. "Danke", flüsterte er.

Das Fieber war zwar gesunken, doch irgendwie war Gabriel jetzt viel heißer, als es ihm im Fieber gewesen war.
 

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Ich würd mich wieder über den ein oder anderen Kommi freuen. Bis zum nächsten Chap. *wink*

Kapitel 3 - Ritter des Glaubens

Also dann, auf zu neuen Ufern. Hier muss ich eine kleine Warnung anbringen: Es kommt Rape vor, zwar nur angedeutet, aber er kommt vor. Für zart besaitete gilt: Lest das lieber nicht.
 

Ansonsten wünsche ich, wie immer, viel Spaß. ^^
 

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Kapitel 3

Ritter des Glaubens
 

Die Adventszeit brach an. Überall in der ganzen Stadt blinkten die Lichter, dröhnte Weihnachtsmusik aus Lautsprechern, drängelten die Menschen in den Straßen.

"Ich hasse Weihnachten", maulte Jérôme. "Alle sind nur noch gehetzt und gestresst. Das beeinträchtigt die Qualität des Blutes. Außerdem ist das alles sowieso nur noch Kommerz. Die Menschen haben die Bedeutung von Weihnachten komplett vergessen."

"Nur zu wahr", stimmte Gabriel zu, schlürfte seinen Tee und wickelte sich weiter in die Decke, die er um sich geschlagen hatte. Jérôme war früher von der Jagd nach Hause gekommen und sie saßen gemütlich zusammen – soweit das mit einer ausgefallenen Heizung möglich war. Die Temperatur in der Wohnung betrug mittlerweile lauschige 15 Grad.
 

"Frierst du gar nicht?", fragte der Sänger den Vampir.

"Nein. Mir ist nicht kalt. Sobald ich getrunken habe geht's mir gut. Aber ich sag's dir noch mal: wenn du frierst, darfst du dich gerne ankuscheln. Stört mich nicht, aber Körperwärme hilft am besten."

"Na ich weiß nicht. Wie sähe das denn aus wenn ich mich an dich kuscheln würde?"

"Na und? Sieht doch keiner. Du sagtest doch, das kann bis morgen dauern bis die Heizung wieder läuft. Jetzt komm schon her", forderte Jérôme ihn auf.
 

Gabriel zog die Nase kraus, nippte noch einmal an seinem Tee und verließ schließlich seinen Sessel, um sich neben Jérôme aufs Sofa zu mümmeln. Er legte einen Teil der Decke um seinen Mitbewohner und schmiegte sich zaghaft an. Sofort spürte er die Wärme, die von dem kräftigen Körper ausging. "Na siehst du?", raunte der Vampir. "Ist doch gleich besser." Der Musiker nickte. "Erzählst du mir was aus deinem Leben?", fragte er vorsichtig.

"Aus welchem? Dem sterblichen oder dem unsterblichen?"

"Dem sterblichen. Ich möchte den Mann besser kennen lernen, an den ich mich gerade ankuschele."
 

Jérôme legte einen Arm um ihn und zog ihn ein wenig näher an sich. Gabriel störte es nicht, denn immerhin war es in den Armen des Vampirs lauschig warm.
 

"Also, wo fang ich an", überlegte Jérôme. "Na ja. Wie ich schon mal gesagt hab, wurde ich um das Jahr 1170 geboren. Genau weiß ich es nicht. Meine Eltern bezeichneten meine Geburt, oder besser die Tatsache, dass ich am Leben blieb, als ein Wunder, denn ich wurde im tiefsten Winter geboren. Mein Vater war ein Baron und wenn auch nicht unter den reichsten Männern Frankreichs, so auch nicht unter den ärmsten. Ich wuchs auf einer kleinen Burg in der Bretagne auf. Noch heute erinnere ich mich, dass es darin im Winter weitaus kälter war als im Moment hier drin. Ständig pfiff der eisige Wind vom Meer durch die Ritzen der Mauern und so was wie Glasfenster gab es noch nicht. Zwar wurden in den Gemächern der Frauen Ledertücher vor die Fenster gespannt, das brachte mir, der ich doch ein Junge war, jedoch ziemlich wenig. Da hatten meine beiden älteren Schwestern mehr Glück. Ich war das jüngste von fünf Kindern. Sofern man eine unbeschwerte Kindheit haben konnte in diesen Zeiten, hatte ich sie. Doch das änderte sich, als ich elf war.
 

Meine Eltern sahen es tatsächlich als den Willen Gottes an, dass ich den ersten Winter meines Lebens überlebt hatte und schickten mich, um Gott zu danken vermute ich, in eine Komturei der Templer, nicht weit weg von der Burg meines Vaters. Obwohl, eigentlich war das damals ziemlich üblich. Der erste Sohn erbte alles, der zweite ging zum Militär und der dritte gehörte der Kirche. Na ja, ich war der dritte. Sie hatten wohl sämtliche Ersparnisse zusammengekratzt, um mir die Ausbildung zu ermöglichen. Dort lernte ich Lesen und Schreiben, ein unheimlicher Luxus zu dieser Zeit, zudem Latein und ein wenig Englisch. Viele Tempelritter allerdings sprachen Französisch, was mir sehr gelegen kam. Ich erlernte den Umgang mit verschiedenen Kriegswaffen und den Kampf zu Pferde. Das alles machte mir weitaus mehr Spaß als das Beten oder die Gartenpflege. Dennoch gehörte auch das zu meinem Tagesablauf.
 

Tempelritter hatten seit jeher eine Doppelfunktion als Mönch sowie auch als Ritter. Sie wurden auch die Arme Ritterschaft Christi genannt. Aber ich will ja jetzt hier keine Geschichtsstunde machen.

Also, wo war ich? Ach ja. Im Orden hab ich auch so nützliche Dinge wie beispielsweise Kochen gelernt. Ich hab den Küchendienst gehasst. Oh ja, und wie. Aber er hat sich als nützlich erwiesen.
 

Als ich etwa 20 war erreichte uns der Aufruf König Philipp II. von Frankreich, dass wir uns ihm bei einem gemeinsamen Kreuzzug mit den Engländern unter Richard I., auch Löwenherz genannt, anschließen sollten. Unser primäres Ziel war Akkon. Gegen Ende des Jahres kamen wir nach Sizilien, wo wir überwinterten. Was war ich froh, dass wir das taten. Wenn du dich wochen-, ja monatelang nicht waschen kannst ist das ziemlich Ekel erregend. Aber wenn der Kerl neben dir genauso stinkt wie du selber, fällt es dir irgendwann nicht mehr auf. Zudem, wenn es sehr eng ist. Aber wenn du dann wieder frische und saubere Luft bekommst. Unvergleichlich."
 

"Nicht sehr reinlich damals, was?", bemerkte Gabriel.

Jérôme rümpfte die Nase. "Da kann ich dir nur zustimmen. Wir jedenfalls setzten unsere Reise direkt nach Palästina fort, wo wir im April ankamen, während die Engländer, diese Trottel, in einen Sturm gerieten und erst einige Wochen nach uns eintrafen."
 

"Du warst also echt ein Tempelritter?", unterbrach ihn Gabriel misstrauisch. "Und dann auch noch auf einem Kreuzzug im Heiligen Land dabei?"
 

"Genau das. Erwarte aber nicht, dass ich dir von großen Heldentaten oder so was erzähle. Auch über Schlachten und dergleichen kann ich dir wenig sagen. Weißt du, Akkon, unser Ziel, war schon seit drei Jahren belagert und die Verteidiger leisteten erbitterten Widerstand. Erst mit unserem Eintreffen und dem der Engländer kam Schwung in die Sache, allerdings nicht im Kampf Mann gegen Mann. Es war eher so, dass wir die Stadtmauern untergruben und sie somit fast zum Einsturz brachten. Zudem gruben wir den Verteidigern schlicht und ergreifend das Wasser ab. Fies, aber effektiv. Das Ganze dauerte ein paar Monate. Dann wurde uns die Stadt übergeben und es geschah etwas, das ich nie mehr vergessen werde." Sein Gesicht verfinsterte sich.
 

"Die Könige hatten Lösegeld für die Gefangenen verlangt, doch als die Zahlung nicht schnell genug erfolgte, wurden über tausend Menschen einfach öffentlich hingerichtet. Noch heute sehe ich ihre Köpfe rollen. Ich verstand diese Grausamkeit nicht. Damals hatte ich erste Zweifel an meinem Tun.
 

Daraufhin jedenfalls wurden wir in Akkon zweimal angegriffen, doch wir hatten die Mauern mittlerweile wieder instand gesetzt, wär ja auch blöd gewesen, wenn nicht, und unsere Feinde traten den Rückzug an. Wir verfolgten sie nicht und blieben, wo wir waren. Auch die Brüder meiner Komturei. Doch bald fühlte ich mich dort nicht mehr wohl. Ich wollte nach Jerusalem, wollte die Grabeskirche sehen und dort beten. Gemeinsam mit drei französischen Brüdern und einem jungen Deutschen, Hans-Otto von Berg, machte ich mich also auf den Weg in die Stadt des Herrn."
 

"Ihr wart nur zu fünft im Feindesland unterwegs? Ganz schön leichtsinnig von euch."
 

"Oh, wie wahr. Dennoch, wir waren alle jung und kräftig und vertrauten darauf, dass das Tatzenkreuz der Templer unseren Feinden im Voraus schon soviel Angst einjagen würde, dass sie es nicht wagen würden, uns anzugreifen.
 

Wie naiv wir doch waren. Wir kamen nicht sehr weit. Nur ein paar Tage später wurden wir überfallen. Ich weiß nicht, ob es nur Banditen waren oder ob es sich eventuell um einen Angriff von Assassinen handelte, fest stand jedenfalls, dass wir in einer Nacht- und Nebelaktion umkreist wurden. Ein Versuch, auszubrechen, scheiterte. So nahmen wir einen unfairen Kampf auf, denn unsere Gegner waren uns zahlenmäßig überlegen. Der Mythos, ein gut ausgerüsteter Templer könne zehn Heiden in Schach halten, ist wirklich nur ein Märchen. Wir jedenfalls hatten keine Chance. Nach einem langen, jedoch aussichtslosen Kampf standen nur noch Hans-Otto und ich, Rücken an Rücken. Dann wurde der Deutsche von einem Pfeil in den Hals getroffen, ich bekam einen in die Brust."
 

Gabriel erinnerte sich an die Narbe, die er gesehen hatte.
 

Jérôme fuhr fort: "Aber das war nicht der einzige Pfeil, der mich getroffen hatte. Schließlich brach ich zusammen. Ich dachte, ich würde in der eisigen Kälte der Wüste sterben und meinem Schöpfer gegenüber stehen. Doch ich starb nicht.
 

Ich erinnere mich nur sehr schwach an die folgende Zeit. Ich schwebte irgendwo zwischen Leben und Tod. Dennoch, als es mit meiner Gesundheit besser ging, so erinnere ich mich, tauchten immer wieder Gesichter vor mir auf. Tagsüber das eines Jungen. Er mag vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt gewesen sein, nachts das eines Mannes. Beide waren ganz klar Araber und ich fragte mich, warum sie mich gerettet hatten, schließlich war ich ihr Feind. Ich sollte es bald genug erfahren.
 

Als ich zum ersten Mal wieder zu mir kam, war es vermutlich Tag, denn an meinem Bett saß der Junge. Mir war damals nicht klar, warum er mich so feindselig anstarrte. Er gab mir zu essen und zu trinken, doch er sprach kein Wort mit mir. Ich fragte ihn nach seinem Namen, doch er gab mir keine Antwort. Tagelang sah ich nur ihn. In dem einfachen Zelt, in dem ich lag, war das jedoch eine willkommene Abwechslung. Der Mann, der in meiner Erinnerung immer wieder auftauchte, kam nicht mehr. Langsam aber sicher gewöhnte ich mich daran, dass der Junge nicht mit mir sprach, doch dann, eines Tages sagte er: "Akin." Ich wusste nicht, was er meinte, doch dann zeigte er auf sich und sagte "Akin." Ich verstand. Es war sein Name. Ich wiederum deutete auf mich und nannte ihm meinen Namen. Er versuchte, ihn auszusprechen, doch er musste es ein paar Mal versuchen.
 

Akin brachte mir langsam aber bestimmt Arabisch bei. Dabei war er ein sehr ungeduldiger Lehrer. Wenn ich etwas falsch sagte, scheute er sich nicht, mir eine Ohrfeige oder Kopfnuss zu verpassen, was Tag für Tag mehr an meinen Nerven zehrte, aber ich wusste, würde ich ihn angreifen, ich brächte ihn vermutlich um, war ich doch um einiges stärker und auch größer als er.
 

Unterdessen hatte ich festgestellt, dass ich mich bei einer Karawane befand, die nur in einer Oase Rast gemacht hatte. Offenbar, bis es mir besser ging und ich fragte mich, nicht zum ersten Mal, warum. Nachdem meine Gesundheit von Tag zu Tag besser wurde, brach die Karawane wieder auf und wir zogen durch die Wüste, Akin immer an meiner Seite. Da ich nicht wusste, wie man auf einem Kamel reitet, fuhren mein Lehrer und ich auf einem Wagen. Akin erklärte mir, dass dies die Karawane eines reichen Händlers war. Womit er handelte fragte ich ihn. Er antwortete: "Mit allem, was Geld bringt." Für mich bedeutete das im Klartext: Stoffe, Gewürze, Tongeschirr, aber, wie ich feststellen musste, auch Sklaven. Ich fragte mich, was das wohl für ein Mann sei. Irgendwann kam Akin zu mir und hatte eine Schere und ein Rasiermesser dabei. Er sagte, ich würde ungepflegt aussehen mit dem Bart und dem zotteligen, schulterlangen Haar, also wurde ich schnurstracks rasiert und mein Haar geschnitten. Dabei war er äußerst sanft, was ich ihm nie zugetraut hätte und ich fragte mich, ob er tief in seinem Inneren nicht doch ein netter Junge war.
 

Eines Abends, mein Aufbruch aus Akkon war Monate her, die Sonne war schon untergegangen, da machte ich wieder einen schwerwiegenden Fehler und Akin setzte zu einer Ohrfeige an, da holte ich aus und wollte mich wehren, denn ich hatte genug von seiner Behandlung, doch eine Stimme am Eingang des Zeltes, in dem wir rasteten, unterbrach mich: "Lass ihn in Ruhe", sagte die Stimme in einem Ton, als wäre ihr Besitzer es gewohnt, Befehle zu erteilen. Ich zog sofort die Hand zurück, doch es war Akin, der reagierte. Er verbeugte sich und sagte leise und demütig: "Verzeiht, Meister." "Geh jetzt", befahl sein Herr und Akin verschwand, nicht jedoch, ohne mir einen giftigen Blick zuzuwerfen, den ich damals nicht verstand, heute jedoch nur allzu gut deuten kann."
 

"Wer war der Mann?" Gabriel wurde ganz hibbelig. Kalt war ihm überhaupt nicht mehr.
 

"Mein schlimmster Alptraum", sagte Jérôme süffisant. "Aber im Ernst. Ohne diesen Mann wäre ich besser dran gewesen. Ich drehte mich um und da stand er. In einem weißen Kaftan. Es war der Mann, den ich so oft gesehen hatte. Er kam auf mich zu und ließ sich auf dem Kissen nieder, auf dem gerade eben noch Akin gesessen hatte. "Er hat dich gut unterrichtet?", fragte er mich.

"Ich verstehe vieles, doch noch lange nicht alles", antwortete ich.

"Vermutlich hast du viele Fragen", sagte er und schaute mir fest in die Augen. Sein Gesicht werde ich nie vergessen. Ein kantiges Gesicht, dennoch nicht hässlich. Er hatte einen fein geschnittenen Bart, ungewöhnlich in dieser Region, doch es sah gut aus. Sein Haar war schulterlang und lockig. Auf seine Frage nickte ich nur.

"Dann stelle sie mir", forderte er mich auf.

"Wer seid Ihr und warum habt Ihr mich gerettet?", fragte ich, damals noch etwas unbeholfen, doch er verstand mich.

"Man nennt mich Ibliis. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Du wurdest aus demselben Grund gerettet, aus dem dir Akin in den letzten Wochen unsere Sprache beigebracht hat. Du bist ein Sklave, Abendländer." Ibliis bedeutet nichts anderes als "Satan" und der Name passte zu ihm. Ich denke, es war eine Art Künstlername. Seinen richtigen Namen hab ich nie erfahren. Jedenfalls sprang ich damals auf und schrie ihn an: "Niemals werde ich ein Sklave sein! Ich bin ein Ritter des wahren Glaubens und werde auf gar keinen Fall einem Heiden dienen!"
 

"Setz dich wieder", befahl er mir, noch mit ruhiger Stimme, doch ich sah gar nicht ein, warum. Ich blieb einfach erhobenen Hauptes stehen. "Setz dich", wiederholte er, diesmal bestimmter, doch mein Stolz ließ es nicht zu, dass ich mich seinem Willen beugte. Er atmete tief ein. "Wenn du glaubst, du könntest dir einen Machtkampf mit mir liefern, Abendländer, dann irrst du dich. Dein Orden ist weit weg, du bist der einzige weiße Mann weit und breit. Um uns ist nur Sand und Hitze und des nachts eisige Kälte. Ich kann dich auch gerne hier zurücklassen, wenn dir das lieber ist…"

Ich sah ein, dass seine Argumente recht überzeugend waren, dennoch wollte ich mich keinesfalls wie eine Ware behandeln lassen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen überlegenen Blick auf. "Gott wird mich beschützen", behauptete ich. Da lachte er auf. "Gott? Gott kann dich hier nicht hören. Du bist im Niemandsland. Dein Gott meidet diesen Ort. Du würdest elendig verrecken und das wäre wirklich schade. Also, setz dich, damit wir wie zivilisierte Menschen miteinander reden können."
 

Als ich immer noch keine Anstalten machte, sprang er auf und drückte mich selbst nach unten auf mein Sitzkissen. Ich wunderte mich über seine ungeheuren Kräfte. Er hatte mich nicht stark berührt, dennoch ging ich in die Knie. "So. Nachdem du wieder Platz genommen hast, lass mich dir erklären, was in Zukunft deine Aufgaben sein werden", sagte er und ein fieses Lächeln umspielte seinen schmalen Mund. "Du wirst mein persönlicher Diener sein. Das heißt, du wirst mir zur Verfügung stehen wann und wie ich es will." Ich wollte protestieren, doch er hob die Hand und ich schwieg. "Deine Dienste werden nicht schwer sein und wenn du dich gut anstellst, bin ich sicher, du wirst deinen Spaß daran haben. An mir soll es nicht liegen."

"Wie meint Ihr das?", fragte ich ihn.

Seine Stimme klang so schleimig als er antwortete: "Dein Körper gehört mir. Und ich werde dich nehmen. Mein Lager ist dein Lager."

"Niemals!" Das war das einzige Wort, das ich herausbrachte.
 

"Du hast doch nicht etwas zugestimmt, oder?", unterbrach ihn Gabriel erneut. Jérômes Gesicht wurde traurig.
 

"Er grinste damals nur und sagte dann: "Ich lasse dir genau zwei Möglichkeiten: Entweder du tust es freiwillig und hast sogar noch deine Freude daran oder ich lasse dich kastrieren und nehme dich trotzdem, wobei eine Kastration in deinem Alter noch schmerzhafter ist, als in jungen Jahren. Also, wie entscheidest du dich?"
 

"Also hast du von ihm das Zwei-Möglichkeiten-Spiel?", wollte Gabriel wissen. Jérôme nickte.
 

"In dieser Nacht wurde mein Keuschheitsgelübde gebrochen. Und es tat nicht wirklich gut. Um meinen Stolz zu brechen ließ er mich so wenig Spaß daran haben wie nur irgend möglich. Schmerzen wollte er mir nicht zufügen, oh nein, er wollte ja, dass ich weiterhin mit ihm schlief. Er nahm mich einfach, ohne mich groß vorzubereiten. Fiel einfach über mich her. Natürlich, er benutzte Öl, doch das war das einzige Zugeständnis. Lust empfand ich dabei keine. Es war so demütigend."
 

Jérôme schwieg eine Weile und Gabriel drängte ihn nicht. Er legte seine Arme um die Taille des Vampirs und streichelte sanft über seinen Rücken um ihm Trost zu spenden. Dieser beruhigte sich wieder ein wenig. Dann fuhr er fort.
 

"Fünf Jahre ging das so. Mit der Zeit brachte er mir alles bei. Wie man einem Mann Lust bereiten konnte, Stellungen rauf und runter, einfach alles. Er war ungemein zärtlich wenn er wollte. Er nannte mich seinen "Prinzen des Abendlandes". Das fand er wohl romantisch, ich hingegen fand es lächerlich, doch ich hütete mich, ihm das zu sagen. Irgendwann begann ich sogar, Lust dabei zu empfinden, wenn wir es taten, doch ich schämte mich dafür. Jedes Mal wenn er gegangen war, betete ich. Das Kreuz, das ich immer getragen hatte, hatte er mir gelassen, wohl, weil er es für lächerlich hielt, doch mir gab es Halt. Wir zogen durch die Wüste von Stadt zu Stadt, doch wenn wir in den Städten waren, wurde ich in einem Wagen eingeschlossen um nicht davonlaufen und mich zu meinen Brüdern flüchten zu können.
 

Eines Nachts, er hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht und lag schwer atmend auf mir, da sagte er plötzlich: "Nun, mein Prinz. Wieder einmal hast du zwei Möglichkeiten."

'Was will er denn jetzt wieder?', fragte ich mich.

Er rollte sich von mir und stützte sich neben mir auf seinen Ellbogen. "Das war unsere beste Nacht bisher. Entweder ich töte dich jetzt gleich und du kannst deinem Gott, zu dem du immer betest, gegenüber treten als das, was du bist: Die wollüstige Hure eines Heiden, der du doch einmal ein Mann Gottes, ein Mönch warst. Oder…" Er grinste bösartig. "Oder was?", hakte ich nach. "Oder ich gebe dir das ewige Leben. Du wirst dich niemals Gott stellen müssen in deiner ganzen Unreinheit und deinem Schmutz. Entscheide dich."
 

Ich bekam Angst. Ich holte das Kreuz hervor und drückte es fest an mich. Ich wusste, was ich getan hatte, könnte selbst das Fegefeuer nicht mehr reinigen. Ich hatte eine der sieben Todsünden, die Wollust auf mich geladen, und nicht nur das. Ich war ein Mann, ein Mönch und ich hatte mich einem anderen Mann, einem Heiden hingegeben. All diese Sünden hatte ich auf mich geladen. Ich würde von einem Satan hinab gestoßen zum nächsten. Ich begann, zu schluchzen und trotz der Hitze in dem Zelt wurde mir eiskalt. In Gedanken begann ich mit dem Vaterunser, doch ich kam gerade zwei Zeilen weit. Ich konnte nicht mehr. Der Zweifel, den ich damals schon in Akkon gespürt hatte, hatte sich tief in mein Herz gefressen.
 

Ibliis spürte es. "Du hast dich entschieden", raunte er mir zu. Dann versenkte er seine Reißzähne in meinem Hals und trank mein Blut. Ich spürte, wie ich starb, doch er ließ es nicht zu. Er riss die Ader an seinem Handgelenk auf und gab mir zu trinken. Ehe ich mich versah, war ich zu einem Geschöpf der Nacht geworden. Dann ließ er mich allein. In der Kälte der Nacht weinte ich stille, heiße Tränen. Mein altes Leben war vorbei und mein neues hatte eben erst begonnen, doch ich wusste, ich hätte sterben sollen. Die Erlösung, nach der ich mich gesehnt hatte, würde ich nie mehr bekommen. Mein Weg ins Paradies war versperrt. In dieser Nacht war mein Glaube für immer zerbrochen." Für eine Weile verfiel der Vampir in Schweigen, doch schließlich, damit hatte Gabriel nicht gerechnet, sprach er weiter:
 

"Mein Elend wurde allerdings noch schlimmer. Nachdem ich erst einmal zum Vampir geworden war, war die logische Konsequenz, dass ich töten musste, um überleben zu können und das lehrte er mich gründlich. Ich fühlte mich schrecklich wenn ich getötet hatte und er ließ mich in Ruhe. Doch ich nahm meine Rache an ihm, indem ich mich ihm verweigerte. Immer wenn er kam, und versuchte, mir nahe zu kommen, wies ich ihn zurück. Das ging eine ganze Weile gut, doch dann, in einer Nacht, in der der Mond und die Sterne von Wolken verdeckt waren und ein eisiger Wind wehte, kam er zu mir und nahm mich einfach mit Gewalt.
 

Diesmal machte er sich nicht einmal die Mühe, Öl zu benutzen. Ich spürte, dass er mich verletzte als er gewaltsam in mich eindrang, spürte das Blut zwischen meinen Schenkeln, doch ich wusste, nachdem ich ein Vampir war, würden meine Wunden innerhalb kurzer Zeit heilen. Dennoch, der Schmerz zerriss mich. Niemals werde ich es vergessen. Immer und immer wieder rammte er sein Glied in mich. Ich war wie zerfetzt. Er tat es nicht nur, um Befriedigung zu erlangen, nein. Er wollte meinen Stolz brechen, mir meine Würde nehmen, wollte, dass ich ihn anflehte, aufzuhören, doch das tat ich nicht. Ebenso wenig schenkte ich ihm die Genugtuung, auch nur eine Träne zu vergießen. Nachdem er fertig war, verließ er mich ohne ein Wort zu sagen.
 

Danach verließ ich ihn. Quer durch die Wüste lief ich davon. In der nächsten Stadt versuchte ich nicht einmal, mit den Templern Kontakt aufzunehmen. Für die war ich tot, doch auch so hätte ich ihnen nicht mehr in die Augen sehen können. Ich heuerte auf einem Schiff an und kam irgendwie zurück nach Europa. Eine Weile irrte ich ziellos in Frankreich, England und anderen Ländern umher bis ich in die neue Welt kam. Aber wenn ich das jetzt auch noch erzähle, ertrinke ich noch wirklich in Depressionen."
 

"Musst du nicht", meinte Gabriel mitfühlend. "Was du mir erzählt hast, zeigt, dass du mir vertraust. Ich werde dich nicht mehr danach fragen. Es ist so schlimm, was dir angetan wurde. Ich wünschte, ich könnte es dich vergessen lassen…"

"Vielleicht werde ich es eines Tages vergessen. Aber im Moment reicht es mir, so hier mit dir zu sitzen. Weißt du, ich mag dich, Gabriel. Sehr sogar."

"Ich dich auch, irgendwie…", antwortete Gabriel und schmiegte sich an Jérômes Brust. Eine Zeit lang schwiegen sie beide.
 

Jérôme hatte geglaubt, er hätte es überwunden, doch es schien, dass er immer noch nicht darüber hinweg war. Wohl, weil er nie zuvor darüber gesprochen hatte. Hatte sich Gabriel schon so tief in sein Herz hineingebohrt, dass er ihm ohne zu zögern sein Innerstes offenbarte? Es schien so. Von Anfang an hatte es nie Geheimnisse zwischen ihnen gegeben, was das hier eindeutig von seinen bisherigen "Beziehungen" unterschied. Vielleicht war es deshalb so einfach gewesen. Eine gähnende Leere breitete sich in ihm aus, eine Traurigkeit, so tief, dass er glaubte, in ein endloses Loch zu fallen. Er brauchte jetzt Halt und… "Du, Gabriel?", fragte er vorsichtig. Dieser antwortete mit einem leisen "Hm?" "Darf ich…" Er stockte.

"Was denn?", hakte der junge Mann nach und legte den Kopf leicht nach hinten, um Jérôme ansehen zu können.

"Darf ich… dich küssen?"
 

Gabriel war verblüfft. Mit dieser Frage hätte er nicht gerechnet, doch Jérôme sah so verletzt aus und er hatte so schüchtern gefragt. Aus Gründen, die er selbst nicht ganz verstand, antwortete er einfach: "Okay."

"Okay?", wiederholte der Blondschopf fassungslos. Gabriel nickte nur und schloss erwartungsvoll die Augen.
 

Eine schier endlose Zeit schien zu vergehen, doch dann spürte er die warmen, sinnlichen Lippen des Vampirs auf seinen. Er zog erst einmal scharf den Atem ein, doch Jérôme war so zärtlich, ja fast schüchtern, dass er sich wieder entspannte. Leicht erwiderte er den sanften Druck. Jérôme zog ihn fest an sich und leckte zaghaft über seine Lippen.
 

Es hätte noch viel leidenschaftlicher werden können, hätte nicht in diesem Moment das Telefon geklingelt und den verzauberten Gabriel in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er schob Jérôme von sich und starrte ihn fassungslos an.

"Lass es einfach klingeln", schlug der Vampir vor und wollte sich wieder zu ihm hinunter beugen, doch Gabriel antwortete nur: "Nichts da", und schnappte sich das Mobiltelefon vom Tisch.
 

Als er abhob, drang ihm sofort eine nur allzu vertraute Stimme ans Ohr.

"Hallo, Brüderchen! Na, wie geht's uns denn?", fragte die fröhliche Stimme einer Frau.

"Hi, Vivi. Bei mir ist alles senkrecht und bei dir?"

"Mein Gott, du keuchst ja als hättest du einen Marathon hinter dir. Oder war das etwa eine Frau? Oh nein, ich hab doch nicht gestört, oder?" Gabriel sah ihr Gesicht förmlich vor sich. Eine Mischung aus Schock und Neugierde.

"Aber nein. Was gibt's denn so spät, Schwesterchen?"

"Oh, ich bin gerade in der Stadt und wollte wissen, ob du morgen schon was vor hast. Ich muss dir nämlich was Wichtiges sagen." Sie kicherte wie ein kleines Mädchen.

"Trifft sich gut. Ich glaube, ich muss dir auch was sagen."

"Klasse. Dann sehen wir uns, sagen wir um acht bei Tino?"

"Ja, klar. Acht ist gut. Ich hab morgen Abend frei, aber ich glaube nicht, dass es den guten Tino stört, wenn ich auch neben der Arbeitszeit rein schneie."

"Glaub ich auch. Also dann, bis morgen. Ach ja, und sieh zu, dass du mal wieder etwas positive Energie tankst bevor du kommst. Letztes Mal hast du meinen ganzen Energiefluss durcheinander gebracht mit deiner miesen Aura."

"Ist gut, ich werd' s versuchen. Bis morgen. Bye."

"Bye, Schätzchen." Sie schickte ihm noch einen Kuss durchs Telefon und legte auf.
 

"Wer war das denn?", wollte Jérôme wissen und schaute beleidigt.

"Meine Schwester", antwortete Gabriel. "Sie möchte sich mit mir treffen."

"Dann wird das für mich wohl 'ne ziemlich langweilige Nacht."

"Warum denn? Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mitkommen willst. Ich würde sie dir nämlich gerne vorstellen."

"Echt? Du willst mich deiner Schwester vorstellen? Holla, das wird ja richtig ernst zwischen uns", meinte Jérôme übermütig.

"Wo wir gerade davon reden", sagte Gabriel ernst. "Das gerade eben, dieser Kuss. So was wird nicht mehr passieren, klar? Es war eine einmalige Ausnahme, also bild' dir nichts darauf ein. Ich war nicht ganz Herr meiner Sinne."

"Ich hatte nicht den Eindruck als ob es dir nicht gefallen hätte…", grinste der Vampir.

"Wie ich schon sagte, es wird keine Gelegenheit mehr geben, das herauszufinden. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht." Er schnappte sich seine Decke und verschwand im Schlafzimmer wo er die Tür hinter sich zuknallte.

"Wollen wir wetten?", fragte Jérôme leise und grinste in sich hinein.
 

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So, ein bisschen was aus Jérômes Vergangenheit.
 

Noch eine kleine Info am Ende: Ich hab nichts gegen Muslime oder Menschen aus der arabischen Welt. (Obwohl Ibliis eigentlich kein richtiger Moslem ist... Nicht so wirklich zumindest. Der glaubt an gar nichts.) Aber in Zeiten von Krieg gegen den Terror muss man das einfach mal sagen.
 

Im Übrigen bin ich IMMER für Kommis dankbar. ^^
 

Bis zum nächsten Chap

Kapitel 4 - Räucherstäbchen und Gebäckstangen

Hallo, ihr Lieben. Da bin ich wieder. Sowas. Ihr seid ja süß. Danke für die lieben Kommis, die ich bisher gekriegt hab. ^-^ *kommisüchtig ist*
 

Tja, was soll ich noch sagen? Ich wünsch euch viel Spaß weiterhin.
 

Myrys
 

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Kapitel 4

Räucherstäbchen und Gebäckstangen
 

Gabriel war schon vor acht Uhr bei Tino. Er hatte seine dortige Stelle als Kellner nur der Tatsache zu verdanken gehabt, dass er und seine Schwester, wenn sie zusammen in New York waren, immer dort zu Abend aßen. Als Gabriel eine Stelle gebraucht hatte, hatte sich Tino sofort bereit erklärt, ihn einzustellen.
 

Vivianne erschien pünktlich um acht. Wie immer sah sie aus wie eine Mischung aus Althippie und Guru. Ihr Haar, das genauso schwarz war wie das ihres Bruders, wallte ihr bis zu den Hüften. Sie hielt es lediglich mit einem breiten blauen Band in Schach. Ihre an und für sich schöne Figur versteckte sie in schillernden, wallenden Gewändern.
 

Als sie beide noch Kinder gewesen waren hatten sie sich so ähnlich gesehen, dass man sie für Brüder, wohlgemerkt Brüder, gehalten hatte. Gabriel war immer klein und schmächtig gewesen, Vivianne immer etwas größer als er. Sie hatte sich meistens bei ihm und seinen Freunden aufgehalten. Die Mädchen der Nachbarschaft waren ihr zu sehr Tussi und Modepüppchen gewesen, weshalb sie sich an die Jungs hielt. Eine Zeit lang hatte sie sogar in der Band mitgespielt, doch das war ihr bald zu langweilig geworden. Erst als sie etwas älter wurden, prägten sich bei Vivianne Regionen aus, die sie eindeutig als weibliches Wesen erkennen ließen und Gabriel kam in den Stimmbruch. Vivianne wurde zu einer schönen Frau und er…
 

Während die anderen Jungen größer und kräftiger wurden, blieb Gabriel irgendwo bei ein Meter siebzig stehen und wuchs nicht mehr. Auch seine Muskulatur hatte er erst viel später ausgebildet, weshalb er in der Schule immer als halber Hering gegolten hatte. Dabei wäre er doch so gerne mal mit Carol, dem schönsten Mädchen der Schule, ausgegangen…
 

"Na, Brüderchen? Siehst gut aus", sagte Vivianne fröhlich und ließ sich ihm gegenüber nieder.

"Danke, du auch", antwortete Gabriel höflich.

"Mach dich nicht lächerlich. Ich sehe aus wie eine abgekämpfte Kuh. Puh, diese Tantra-Massage-Kurse sind aber auch wirklich anstrengend", stöhnte sie.

"Tantra-Massage? Das hat doch was mit Erotik zu tun, oder? Wieso hast du denn das nötig?", fragte Gabriel ironisch.

"Nun, ich hoffe, dass David dann etwas lockerer in der Hüfte wird", erklärte sie.
 

David war ihr Lebensgefährte und ein ziemlich merkwürdiges Exemplar der Sorte Mann. Gabriel bezeichnete ihn gern als "Alternativ-Jesus". David war groß, schlaksig, hatte schulterlanges, zotteliges, dunkelbraunes Haar und einen Vollbart. Seine Einstellung zum Leben war ziemlich abgehoben. Er richtete alles nach den Energieflüssen der Erde aus, oder so ähnlich. Außerdem hatte er merkwürdige Essgewohnheiten. Gabriel hatte ihn bisher immer nur Körner knabbern sehen. Meist langweilte er alle mit seinen Vorträgen, die er, wenn er überhaupt jemals redete, mit dem Eifer einer Weinbergschnecke zum Besten gab. Er hatte nicht gerade das, was man einen Reinlichkeitsfimmel nannte und war außerdem eine Niete im Bett, wie Gabriel bisweilen von Vivianne hörte. Dennoch schien sie irgendwas an dem Kerl zu finden, denn sie hielt es mittlerweile schon seit fünf Jahren mit ihm aus.
 

"Ist er immer noch so eine Lusche im Bett?", fragte Gabriel und rollte mit den Augen.

"Ach, Gabriel, ich habe dir doch schon so oft gesagt, es gibt Wichtigeres als guten Sex. Aber das wirst du wohl erst verstehen, wenn du selber verliebt bist. Übrigens, ich hab dir Räucherstäbchen mitgebracht. Dann kannst du den Energiefluss in deiner Wohnung wieder ein bisschen verbessern", erklärte sie.

Gabriel erinnerte sich an die letzte Packung, die sie ihm mitgebracht und die er noch nicht einmal angebrochen hatte. "Wonach riechen die?", fragte er.

"Sandelholz. Du wirst es mögen, denke ich. Es klärt die Gedanken."

Gabriel nahm die Packung Räucherstäbchen, die sie ihm hinhielt und steckte sie in seine Tasche. "Du wolltest mir was sagen", erinnerte er sie.

"Oh ja, richtig. Ach, da stehen ja Grissinis (Italienische Gebäckstangen, d. Aut.) auf dem Tisch. Ich liebe Grissinis." Sie schnappte sich eine der Gebäckstangen und knabberte sie auf.

"Schon bei der Vorspeise?", fragte Tino, ein hübscher Italiener in den Dreißigern, fröhlich. "Ich hatte gehofft, du würdest noch etwas von meiner hervorragenden Pasta genießen, liebe Vivianne." Er schwebte mit wiegenden Hüften auf sie zu und umarmte sie. "Schön, dass du dich mal wieder sehen lässt", flötete er.

"Sicher. Deine Pasta, natürlich. Die lasse ich mir doch nicht entgehen. Aber ich bin total geschafft und dort, wo bei anderen Leuten der Magen sitzt, habe ich bereits ein Loch."

"Dann bekommt ihr beide heute eine extragroße Portion", grinste Tino und wirbelte davon.

"Wo waren wir vorhin?", erkundigte sich Gabriel.

"Oh, das erzähle ich dir nach dem Essen. Worüber wolltest du mit mir reden?", antwortete sie mit einer Gegenfrage.

"Das wird sich von selbst ergeben, denke ich. Ich möchte dir nämlich jemanden vorstellen", gab er zurück.

"Aha. Doch nicht etwa ein Mädchen? Das ist es, nicht wahr? Mein Brüderchen hat eine Freundin", sagte sie selbstbewusst.

"Lass dich überraschen…", sagte Gabriel nur geheimnisvoll.
 

Nach dem Essen lehnte sich Vivianne im Stuhl zurück und stöhnte. "Tino ist einfach ein Gott in der Küche. Er hat wirklich die beste Pasta in ganz New York City."

"Stimmt. Nachdem wir gegessen haben, was wolltest du mir denn Wichtiges sagen?", kam Gabriel auf den Hauptgrund ihres Treffens zurück.

"Oh, stimmt ja, ich bin dir ja noch eine Antwort schuldig. Also…"

"Ah, da ist er ja", wurde sie von ihrem Bruder unterbrochen.

"ER? ER?" Vivianne blickte erst ihn überrascht an, dann wanderte ihr Blick zur Tür am anderen Ende des Restaurants. Dann sog sie überrascht den Atem ein. "Du meinst doch nicht etwa diesen großen, blonden Traumtyp, der da gerade hereinkommt, oder?" Gabriel grinste sie an. "Uh, guter Geschmack, Brüderchen. Wusste gar nicht, dass du andersrum bist, aber bei dem Kerl kann ich's verstehen. Von dem würde ich mich an deiner Stelle auch umpolen lassen." Sie seufzte.

"Ich bin nicht andersrum!", protestierte Gabriel. "Der Kerl ist mein Mitbewohner."

"Ja, ja. Schon klar", antwortete sie und schaute ihn an, als würde sie an seinem Verstand zweifeln.
 

Jérôme hatte die beiden entdeckt und kam auf sie zu. Beim Anblick seiner Bewegungen sagte Vivianne: "Rrrrrrr. Was für ein Mann. Schnapp ihn dir, Tiger, sonst tu ich es."

"Bitte, tu dir keinen Zwang an", erwiderte Gabriel lässig. "Ich steh nicht auf Kerle. Eigentlich hatte ich sogar gehofft, dass du…"
 

In diesem Moment kam Jérôme an den Tisch und sagte: "Guten Abend. Tut mir Leid, dass ich euch habe warten lassen."

"Hach, ich verzeih doch alles", himmelte Vivianne ihn an.

"Gabriel, dürfte ich erfahren, wer dieses reizende Wesen ist, das mir mit seiner Anwesenheit den Abend versüßt?", fragte Jérôme.

"Jérôme, das ist meine Schwester Vivianne, auch Vivi genannt. Vivianne, mein Mitbewohner Jérôme Saint Claire", stellte Gabriel vor.
 

Jérôme ergriff Viviannes Fingerspitzen und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. Dann schaute er ihr tief in die Augen und raunte: "Enchanté."

Vivianne schauderte beim Klang seiner Stimme. "Ich liebe Franzosen", hauchte sie aufgeregt und grinste. Jérôme lachte leise und setzte sich zwischen die beiden Geschwister.

"Ihr seht euch unglaublich ähnlich", stellte er fest.

"Na ja, wir sind Zwillinge", erklärte Gabriel. "Vivianne ist drei Minuten älter als ich."

"Tatsächlich? Es ist faszinierend. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei zweieiigen Zwillingen möglich ist", bemerkte der Vampir.
 

"Du wolltest mir was sagen, Vivi", erinnerte ihr Bruder sie erneut.

"Was hast du gesagt?", fragte Vivianne, die schwer damit beschäftigt war, Jérôme anzuhimmeln.

"Was du mir erzählen wolltest…", half ihr Gabriel auf die Sprünge.

"Ach so, das. Nun ja. Also, David und ich sind verlobt. Wir wollen im nächsten Frühjahr heiraten", erzählte sie und plötzlich strahlten ihre Augen.

Gabriels Kinnlade sackte herab. "Echt?", fragte er ungläubig.

"Ganz echt. Kann sein, dass du dann auch mal Onkel wirst", kicherte sie.

"Kann sein? Bist du etwa auch noch schwanger?", rief ihr Bruder ein wenig hysterisch.

"Noch nicht. Aber ich hoffe, dass ich es bald sein werde", erklärte sie ruhig.
 

Gabriel nickte erst, dann schüttelte er den Kopf. Dann rief er nach Tino. Als dieser angewuselt kam sagte er: "Tino, ich brauch was Hochprozentiges, sonst überleb ich den Schock nicht."

"Ein Schock? Du meine Güte. Soll ich einen Arzt holen?", fragte der Wirt besorgt.

"Nein. Ich muss mich nur volllaufen lassen, das ist alles", erklärte Gabriel.

"Ach komm schon, so schlimm ist das nun auch wieder nicht, Brüderchen", tadelte ihn Vivianne. "Ich dachte, du würdest dich für mich freuen…"

"Nun, ich weiß zwar nicht, wer dieser David ist, aber ich gratuliere", sagte Jérôme fröhlich und drückte Viviannes Hand. "Möge Gott euch mit vielen Nachkommen segnen."

"Ketzer", zischte der Musiker, woraufhin ihm der Vampir die Zunge herausstreckte.

"Was sich liebt, das neckt sich", stellte Tino grinsend fest. "Dürfte ich den Grund erfahren, warum mein bester Kellner sich die Kante geben will?"

"Vivianne will heiraten", erklärte Gabriel und verdrehte die Augen.

"Wie schön für dich!", rief Tino und fiel Vivianne um den Hals. "Ich liebe Hochzeiten. Bin ich eingeladen?"

"Ich hatte gehofft, du würdest das Buffet zaubern", sagte Vivianne fröhlich.

"Nur zu gerne, mein Schatz", antwortete Tino. "Oh, da hinten werde ich gebraucht. Ihr entschuldigt mich, meine Schätze." Sprach' s und verschwand.

"So was. Er hat Sie völlig übersehen, Monsieur Saint Claire", sagte Vivianne.

"Jérôme, bitte. Und es ist nicht so schlimm. Ich brauche nichts", lächelte der Vampir.

"Oh. Na wenn das so ist."
 

Sie unterhielten sich lange über alle möglichen und unmöglichen Themen. Jérôme stellte fest, dass Viviannes Fuß tatsächlich an seinem Bein entlangfuhr. Außerdem warf sie ihm ständig eindeutige Blicke zu, die mit steigender Weinmenge noch eindeutiger wurden. Er warf Gabriel einen giftigen Blick zu, doch dieser setzte eine ganz unschuldige Miene auf.
 

"Ach, seht mal, wie spät es schon ist!", rief sie plötzlich und sprang auf. "Ich habe David versprochen, ihn anzurufen. Ich muss leider zurück ins Hotel. Aber da fällt mir ein…" Ihr Blick wanderte wieder zu Jérôme. "Was hast du heute Abend noch vor?"

"Ähm, nichts Besonderes", gab dieser zu, fühlte sich jedoch ziemlich unwohl in seiner Haut.

"Hast du vielleicht Lust, mit mir ins Hotel zu kommen?", fragte sie mit rauchiger Stimme und ließ sich auf seinem Schoß nieder. Für Gabriel das Zeichen, dass sie eindeutig zu viel hatte.

"Davon würde ich mich sehr geehrt fühlen und sofort zustimmen, schöne Vivianne", erklärte Jérôme höflich, woraufhin sie kicherte, "wenn du dein Bruder wärst. So muss ich dir leider mitteilen, dass ich kein Interesse habe."
 

Darüber musste sie erst kurz nachdenken, doch schließlich fiel der Groschen und sie grinste breit. Sie beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: "Verstehe. Dazu musst du ihn aber noch etwas mehr abfüllen." Laut sagte sie: "So, dann geh ich eben als gebrochene Frau. Allein und abgewiesen. Die letzte Chance auf einen lohnenswerten Seitensprung ist leider nicht interessiert. Schade. Gute Nacht."

"Gute Nacht, Vivi. Schlaf gut", sagte Gabriel und nahm seine Schwester kurz in den Arm. Als sie gegangen war seufzte er tief.
 

"Diese Frau ist auf die Dauer richtig anstrengend. Sie ist eben doch das genaue Gegenteil von mir. Laut, fröhlich, aufgekratzt, extrovertiert."

"Und eindeutig sexuell an mir interessiert", fügte Jérôme hinzu.

"Sag ich doch. Das genaue Gegenteil."

"Du könntest dir ruhig eine Scheibe von ihr abschneiden", meinte der Vampir.

"Inwiefern?", wollte Gabriel wissen.

"Na ja, du bist manchmal so verschlossen wie eine Auster. Du könntest ruhig etwas extrovertierter sein. Ich glaube nicht, dass du so jemals Chancen bei jemandem haben wirst. Meiner Einschätzung nach könntest du nicht mal flirten, wenn dein Leben davon abhinge."

'So, so, mein lieber Jérôme', dachte Gabriel. 'Du denkst also, ich kann nicht flirten. Dann pass mal auf.' Er nahm eines der Grissinis und schaute den Vampir durchdringend an. "Weißt du", sagte er mit Schlafzimmerblick, "ich liebe Grissinis. Die sind so schön…" Er steckte das eine Ende in den Mund und leckte kurz daran, "…lang." Er merkte, dass Jérôme zappelig wurde.

"F- f- flirtest du mit mir?", fragte der Vampir stotternd. Er hasste es, die Kontrolle abzugeben.

"Wonach sieht's denn aus?", stellte Gabriel eine Gegenfrage, wobei er seinem Gegenüber immer noch tief in die Augen schaute.

"Genau so", antwortete Jérôme.

"Dann wird es wohl so sein, nicht wahr? Willst du das andere Ende?", fragte er mit tiefer Stimme und nahm das Grissini erneut zwischen die Lippen.
 

"Das ist so fies von dir", jammerte der Blonde. "Du weißt doch, dass ich nix essen kann, weil mir sonst übel wird."

Gabriel ließ die Gebäckstange in seinen Mundwinkel wandern. "Ist dir das eine kleine Übelkeit wert?" fragte er und biss das Ende ab. Dann leckte er sich kurz über die Lippen und steckte das Grissini wieder in den Mund.

"Wie du willst, mein Freund", raunte Jérôme und nahm das andere Ende der Stange zwischen die Lippen. Langsam knabberten sie aufeinander zu. Als Gabriel das letzte Stück abbiss, berührten sich kurz ihre Lippen, was ihm einen angenehmen Schauer durch den Körper jagte. Verführerisch leckte er noch kurz über Jérômes Lippen, den eine Gänsehaut einholte.
 

Natürlich, der Vampir hatte Gabriel reizen wollen, doch dass es dabei gleich so heiß werden würde, hätte er nicht erwartet. Er verlor sich für einen Augenblick in Gabriels goldenen Augen, die nur für ihn zu leuchten schienen.

"Oh, Mamma mia. Da steigt die Temperatur doch gleich um mehrere hundert Grad, meine Lieben", ließ sich hinter ihnen Tinos Stimme vernehmen. "Gabriel, mein Herz, wenn ich gewusst hätte, dass du einer von uns bist, ich hätte doch längst versucht, bei dir zu landen."

"Gib dir keine Mühe, Tino. Such dir lieber einen, der echt schwul ist. Ich hab diesem Franzosen, der meinte mich beleidigen zu müssen, nur gezeigt, dass ich sehr wohl zu einem spontanen Flirt fähig bin", erklärte Gabriel.

"Aber mein Schatz, das brauchst du doch gar nicht. Dein Gesicht allein reicht schon, um jeden Mann um den Finger zu wickeln, dazu musst du nicht erst die armen, unschuldigen Grissinis missbrauchen." Tino grinste frech und streichelte kurz über Gabriels Wange.
 

"Entschuldigt mich kurz, ich brauch mal eben frische Luft", erklärte Jérôme und verließ das Lokal. Unter anderem, weil ihm leicht übel war, aber nicht nur.

"Was hat der denn auf einmal?", fragte Gabriel irritiert.

"Oh, mein lieber Gabriel, ich glaube, du hast gerade zum ersten Mal einem Mann das Herz gebrochen", antwortete Tino.

"Entschuldige mich kurz", sagte der Musiker und folgte dem Vampir hinaus.

"Komm wieder, sonst zieh ich's dir vom Lohn ab", lächelte Tino hinterher.
 

Draußen stand Jérôme neben einer Laterne und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Leichter Schneefall hatte eingesetzt und die Bürgersteige bereits mit einer leichten Schicht wie aus Puderzucker überzogen. Gabriel trat von hinten an ihn heran und fragte: "Alles in Ordnung?"

"Nichts ist in Ordnung", antwortete Jérôme und blickte weiter zu den fallenden Flocken auf.

"Was ist denn los mit dir?", erkundigte sich der Musiker und legte Jérôme eine Hand auf die Schulter.

"Du hast es auch gespürt, oder?"

"Was denn gespürt? Ich verstehe nicht…"

"Das Gefühl, das dich durchströmt, wenn wir uns küssen. Du hast es gestern gespürt und heute auch und sag mir nicht, dass es nicht so ist."
 

Gabriel konnte ihm keine Antwort geben. Natürlich, ein gewisser Reiz war vorhanden, doch tiefe Gefühle? "Da war nichts", sagte er schließlich.

"Ach ja?" Jérôme fuhr zu ihm herum und hielt ihn an den Armen fest. "Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du nichts gefühlt hast."

"Ich habe nichts gefühlt", sagte Gabriel mit fester Stimme und schaute ihm dabei ebenso fest in die Augen.

"Also entweder sagst du tatsächlich die Wahrheit oder du bist ein verdammt guter Schauspieler. Egal wie, es kotzt mich an", stellte Jérôme fest, doch er ließ Gabriel los und kehrte ins Restaurant zurück. Gabriel blieb noch kurz zurück. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus und folgte dem Vampir schließlich.
 

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Tja, soweit dazu. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr lasst mir wieder ein bis zwei oder sogar drei Kommis da. *lieb guck*, *Hundedackelbettelblick aufsetz*
 

Bis zum nächsten Mal.

Kapitel 5 - Regeln sind da, um gebrochen zu werden

Hallo zusammen.
 

Dieses Kapitel ist wieder etwas kürzer. Aber dafür schneller da. Auch nicht schlecht, oder?
 

Viel Spaß dabei.
 

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Kapitel 5

Regeln sind da, um gebrochen zu werden (oder etwa nicht ^^)
 

Nach dem Vorfall bei Tino hatten sich Gabriel und Jérôme einige Tage nur angeschwiegen. Gabriel hatte in der Tat mehrere Male darüber nachgedacht, den Vampir raus zu werfen, doch er wusste, täte er das, wäre er vermutlich sein Leben los, oder noch Schlimmeres, deshalb beschloss er, das Thema ein für alle Mal zu klären. Als Jérôme von der Jagd zurückkam, wartete er bereits in der Küche auf ihn.
 

"Jérôme, wir müssen uns unterhalten", begann er und wies auf den Stuhl gegenüber.

"Alles klar. Hab mich schon gefragt, wann du damit ankommst", erwiderte dieser und ließ sich, sich unbehaglich durchs Haar fahrend, auf dem Stuhl nieder.

"Du weißt also, worum es geht?", erkundigte sich der Musiker.

"Natürlich. Der erste und einzige Grund, warum wir seit einer Woche nicht mehr miteinander reden", antwortete sein Gegenüber und sah ihm fest in die Augen.
 

Unweigerlich verlor er sich einen Augenblick in den blauen Tiefen. Überrascht, dass ihn die Augen des Vampirs so fesseln konnten, fasste er sich schließlich wieder und sagte: "Also, als du eingezogen bist, habe ich ganz klare Regeln aufgestellt, oder?" Jérôme nickte. "Und du hast zugestimmt, diese zu befolgen", fuhr er fort. Wieder ein Nicken. "Gut, also, worauf ich hinaus will: Wenn du hier bleiben willst, dann müssen wir so einiges klären, glaube ich. Vor allem, weil wir anscheinend unterschiedliche Vorstellungen von unserer "Beziehung" haben."

"Wieso glaubst du, dass die so weit auseinander gehen?", unterbrach ihn der Vampir, der sich lässig zurücklehnte und die Beine unterm Tisch ausstreckte.

"Es sieht mir eben sehr danach aus, als ob du mehr wolltest als nur eine normale Freundschaft", erklärte Gabriel. "Aber es muss dir klar sein, dass das, wenn du bei mir bleiben willst, nicht möglich ist. Ich bin nicht schwul und werde wohl nie mehr für dich empfinden können."

"Das glaubst du, allerdings warst du es doch, der bei Tino angefangen hat. Und das Mal davor hättest du auch einfach nein sagen können, was du aber nicht getan hast. Außerdem hatte ich nie das Gefühl, dass es dir nicht gefällt, wenn wir uns näher kommen. Also, wie soll ich wohl zu einer anderen Lösung kommen, als dass du auch mehr für mich empfindest?"

"Auch? Du gibst es also zu?"

"Ich gebe gar nichts zu", seufzte Jérôme. "Es stimmt, du bist ein hübscher Junge und voll mein Typ. Unter anderen Umständen hätte ich dich sofort flachgelegt, aber…"

"Aber?", hakte Gabriel nach. Die Augen des Vampirs hielten ihn gefangen wie in Trance und auf einmal konnte er nicht mehr wegsehen. Jérôme beugte sich gefährlich lächelnd zu ihm herüber.

"Ich könnte dich hier und jetzt verführen", sagte er leise.

"Glaub ich nicht", entgegnete Gabriel, doch irgendwie nicht ganz überzeugend. Was war auf einmal los mit ihm?
 

Der Vampir lehnte sich über den Tisch, vergrub seine Hand in Gabriels Haar und zwang ihn so, sich ein wenig nach vorne zu beugen. Noch ein kurzer Blick in Gabriels goldene Augen und er fühlte die weichen Lippen des jungen Mannes unter seinen. Er wusste genau, wie er ihn mit seinem Kuss in den Wahnsinn treiben konnte, selbst ohne die Zunge zu benutzen. Nach nur wenigen Augenblicken löste er sich wieder von ihm und raunte ihm zu: "Jetzt bist du bereit, mir alles zu geben. Du würdest mir deinen Körper ohne Widerrede überlassen."

"Träum weiter…", krächzte Gabriel mit verklärtem Blick. Zur Antwort senkte Jérôme erneut sein Gesicht, hielt jedoch kurz vor Gabriels Mund inne. Wie von selbst hob der junge Mann das Kinn, um näher zu kommen und noch einen Kuss zu erlangen.
 

"Siehst du?", hauchte Jérôme an Gabriels Lippen. "Du bist mein." Mit einem traurigen Lächeln setzte er sich wieder ordentlich auf seinen Stuhl und blickte den Musiker, der ihn fast ein wenig beleidigt anschaute, nachdenklich an. "Aber so will ich es nicht. Ist zwar eine feine Sache, deine Gedanken zu kontrollieren, doch es wäre nicht echt. Ich will, dass du eines Tages ohne Zwang auf mich zugehst. Ich empfinde mehr für dich, als du dir überhaupt vorstellen kannst. Die Liebe eines Vampirs ist nämlich unsterblich, weißt du? Obwohl es eine Schande ist, mir diese Chance entgehen zu lassen: Wach auf."
 

Gabriel blinzelte ein paar Mal, wobei er verwirrt dreinschaute. "Was sagtest du gerade? Ich war wohl kurz weggetreten", sagte er schließlich.

"Ich habe dir erklärt, dass ich mich beherrschen werde. Ich mag dich und deswegen werde ich nichts tun, das du nicht auch willst", erklärte der Vampir.

"Oh, gut. Heißt das, ich hab jetzt meine Ruhe vor deinen Annäherungsattacken?", fragte Gabriel.

"Attacken, ich bitte dich. Als ob ich dich jemals überfallen und zu irgendwas gezwungen hätte. Wo denkst du hin?", erwiderte der Vampir ironisch.

"Ich fass das mal als ja auf", meinte der Musiker und erhob sich. Das Gespräch war für ihn beendet, doch Jérôme fügte noch in Gedanken hinzu: 'Ich hab gesagt, ich mache nichts, das du nicht auch willst, das heißt aber nicht, dass ich dich nicht dazu bringe, es zu wollen.' Er grinste schelmisch.

"Ach so, bevor ich's vergesse!" rief ihm Gabriel aus dem Bad zu, "Ich hab morgen einen Auftritt. Kann später werden."
 

Jérôme saß im Wohnzimmer und zappte durchs Programm. Nichts, das ihn interessierte. Im Gegenteil. Das Nachtprogramm war furchtbar. "Bäh, lauter nackte Weiber", meckerte er und machte schließlich genervt den Fernseher aus. Auf dem Anrufbeantworter befand sich immer noch die Nachricht, die er bei seiner Rückkehr von der Jagd gefunden hatte. Sie war von Gabriel. Jérôme kannte sie schon auswendig, doch er vermisste die geliebte Stimme so sehr, dass er sie noch einmal abspielte. Sie lautete: "Hey, Jérôme. Anscheinend bist du noch nicht zu Hause. Also, ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich wahrscheinlich nicht vor morgen früh zu Hause bin, also mach dir keine Sorgen um mich. Bis dann. Gute Nacht noch." Der Vampir schmunzelte. Er sollte sich keine Sorgen machen. Wie niedlich. Gabriel hatte das Prädikat "Schnuffel des Monats" verdient.
 

Gut, Sorgen machte er sich keine, doch was sollte er sonst machen? Die Playstation interessierte ihn nicht wirklich. Er kam einfach nicht mit diesem dämlichen Controller klar, dazu war er zu grobmotorisch. Außerdem: Ein echtes Schwert in der Hand zu haben zog er allemal vor. Die Bücher hatte er größtenteils durch. So groß war Gabriels Vorrat an Lesefutter nun auch wieder nicht. Er räkelte sich ein wenig auf dem Sofa und überlegte, ob er sich noch mal eine Runde aufs Ohr hauen sollte. Warum eigentlich nicht? Vielleicht träumte er wenigstens was Schönes. Er hatte die Tür zur Abstellkammer schon halb geöffnet, da kam ihm ein anderer Gedanke, der ihm weitaus besser gefiel. Fies grinsend begab er sich in Gabriels Schlafzimmer und warf sich aufs Bett. 'Wenn er nicht vor morgen früh zurückkommt, hab ich ja jede Menge Zeit. Das merkt er gar nicht', dachte er und duselte augenblicklich ein.
 

Er wurde leicht wach, als er den Schlüssel im Schlüsselloch einrasten hörte. Kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet und wieder geschlossen. Er hörte, wie Gabriel seine Schuhe auszog und wie immer in eine Ecke warf. Höchste Zeit, zu verschwinden, doch irgendwie kam er nicht richtig in die Höhe. Er saß erst auf der Bettkante, als Gabriel schon vor ihm in der Tür stand. Doch sein Gesichtsausdruck war gar nicht so, wie er ihn erwartet hatte. Was war es, das er in seinen Augen sah? Leidenschaft? Lust? Das Hemd des jungen Mannes war geöffnet und rutschte ihm fast von den Schultern, als er einen Schritt weiter in den Raum trat.

"Jérôme", sagte er fast zärtlich. "Ich habe nachgedacht. Du hast Recht. Ich empfinde mehr für dich. Ich kann es einfach nicht mehr länger zurückhalten. Ich will dich. Bitte…", flehte er förmlich. Er ließ das Hemd lasziv von den Schultern gleiten und warf ihm dabei einen unerhört verführerischen Blick zu.
 

"Komm her", flüsterte Jérôme lächelnd und Gabriel gehorchte. Er griff nach oben in die dunkle Mähne des jungen Mannes und zog ihn herunter um ihn leidenschaftlich zu küssen. Gabriel gab sofort nach und öffnete seine Lippen. Jérôme machte sich sofort daran, seinen Mund zu erforschen. Der Sänger stöhnte leise, als er von ihm abließ. Skeptisch schaute er ihm in die Augen, doch sie waren klar. Jetzt gab es für ihn kein Halten mehr. Er umfing die Taille des Musikers und riss ihn zu sich aufs Bett, wo er sich auf ihn rollte. "Jetzt lass ich dich nicht mehr gehen. Gabriel, ich liebe dich", raunte er und begann erneut, ihn zu küssen. Seine Finger strichen sanft über Gabriels Hals, seine Brust, umspielten die Spitzen, die sofort hart wurden. Er ließ seine Lippen seinen Fingern folgen und Gabriel rief empört seinen Namen.
 

Empört? 'Da stimmt doch was nicht. Eigentlich müsste er stöhnen vor Lust', dachte Jérôme, doch dann hörte er erneut einen empörten Aufschrei. Er sah zu Gabriel auf und dieser sah tatsächlich äußerst übellaunig aus.
 

Bevor er sich versah hatte er fünf Finger im Gesicht und kam endgültig zu sich. Gabriel stand über ihm und bedachte ihn mit einem Blick, der ihn bei vorhandener Möglichkeit sofort getötet hätte.

"Was hast du in meinem Bett verloren?", herrschte er ihn an.

"Hä? Wieso bist du plötzlich…?", fragte Jérôme noch leicht verpeilt.

"Plötzlich ist ein gutes Stichwort. Raus hier und zwar plötzlich", befahl der Sänger.
 

Erst jetzt begann Jérôme, langsam zu begreifen. Er hatte geträumt. So ein Mist. Mit schmerzender Wange stand er auf und trollte sich an Gabriel vorbei ins Wohnzimmer, wohin ihm dieser unverzüglich folgte.

"Noch mal, was hattest du in meinem Bett verloren? Es war doch klar, dass das Jérômefreie Zone ist, oder?", fragte Gabriel wütend und baute sich mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor ihm auf.

"Mir war langweilig und der Sarg war mir zu unbequem. Schlaf du mal monatelang mehr oder weniger im Stehen", antwortete Jérôme quengelig, doch seine Sinne erwachten langsam wieder.

"Aha. Na, wenn das alles ist, warum hast du nicht die Couch benutzt?"

"War auch nicht sonderlich bequem. Außerdem hätte ich dich nicht so früh zurück erwartet", gestand der Vampir.

"Du hast vielleicht Nerven", schnaubte der junge Musiker. "Im Übrigen ist es jetzt fünf Uhr morgens. Ich spring jetzt unter die Dusche und dann leg ich mich hin", erklärte er und verschwand im Bad.
 

Jérôme blickte an sich hinab. Wie er befürchtet hatte: Ein Ständer, der sich gewaschen hatte. Er hörte, wie Gabriel das Wasser aufdrehte. Allein die Vorstellung, dass er jetzt völlig nackt unter diesem Wasserstrahl stand war nach diesem Traum zu viel für einen frustrierten Vampir, der zum letzen Mal vor etwa sechzig Jahren Sex gehabt hatte. Grinsend entledigte er sich seiner Kleidung und folgte ihm.
 

Gabriel stand unter der Dusche und genoss das Gefühl des warmen Wassers auf seiner Haut. Eigentlich hätte er ihn schlafen lassen sollen. Er hatte einfach zu süß ausgesehen, in die Decke eingemummelt, das Kissen fest umklammert. Doch Regeln sind nun mal Regeln und daran musste sich eben auch ein Jérôme Saint Claire halten. Hatte er sich das nur eingebildet oder hatte Jérôme tatsächlich "Gabriel, ich liebe dich" gemurmelt? Wenn das der Fall war, warum berauschte ihn dieser Gedanke dann so? Er wollte dessen Liebe nicht, oder? Tatsächlich hatte ihm das klärende Gespräch nicht die Erleichterung gebracht, die er erhofft hatte. Jérôme hatte Recht. Er hätte nicht ja sagen und schon gar nicht mit ihm flirten müssen. Seine eigenen Gefühle und Reaktionen verwirrten ihn. Er seifte sich gründlich ein, wobei er leise zu singen anfing. Ihm entging, wie Jérôme leise die Tür öffnete, eintrat und sie wieder hinter sich schloss. Der Auftritt war anstrengend gewesen, und dennoch, obwohl hunderte von Leuten um ihn gewesen waren, fühlte er sich danach immer irgendwie einsam. Selbst die Jungs konnten ihm nicht die Nähe geben, nach der er sich im Moment sehnte.
 

Ihm blieb der Ton im Hals stecken, als er plötzlich schwielige aber nichtsdestoweniger zärtlich streichelnde Hände auf seinem Bauch und seiner Brust fühlte, starke Arme, die ihn umfingen. Unbewusst lehnte er sich etwas zurück, legte seinen Kopf an die breite Schulter, spürte den durchtrainierten Bauch an seinem Rücken und… die Erektion an seinem Hintern. "Jérôme…?", hauchte er.

"Keine Angst, ich will einfach nur bei dir sein", raunte der Vampir in sein Haar.

"Sicher, dass es nur das ist?", neckte Gabriel.

"Absolut." Der Vampir fuhr fort, forschend über seinen Oberkörper zu streicheln. Gabriel drehte sich langsam in seinen Armen um und sah ihn aus halb geöffneten Augen an.

"Ich glaube, ich weiß ganz genau, was du jetzt brauchst", wisperte er und lehnte sich gegen die geflieste Wand. Jérôme folgte ihm lächelnd. "Bist du dir ganz sicher?", fragte er.

"Absolut. Was du brauchst ist eine…", er tastete nach dem Wasserhahn, "… Abkühlung." Er hatte sein Zielobjekt gefunden und drehte das Wasser auf eiskalt.
 

Er selbst hatte damit gerechnet, doch Jérôme hatte es, im wahrsten Sinne des Wortes, eiskalt erwischt. Prustend wich er einen Schritt zurück.

"Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole", sagte Gabriel honigsüß, "raus hier."

"Gemein", maulte Jérôme. Er hatte genau gespürt, dass der Sänger auch ziemlich einsam gewesen war. So hätten sie gemeinsam einsam sein können.

"Und es ist nicht gemein von dir, mich einfach hinterrücks zu überfallen und vor vollendete Tatsachen zu stellen, was?" Sein Blick fiel auf den Schritt des Vampirs. Die Erregung war abgeklungen, dennoch war 'er' nicht gerade das, was man klein nannte.

"Oh Mann, ich hatte seit Jahrzehnten keinen Sex mehr…", meckerte der Blondschopf.

"Dann such dir jemand anderen, an dem du deine Triebe ausleben kannst, aber bitte kompensier das nicht mit mir", konterte Gabriel.

"Aber ich will niemand anderen außer dir", gab Jérôme liebevoll lächelnd zurück und kam ihm wieder näher. Hätte Gabriel gekonnt, er wäre in der Wand hinter sich versunken.
 

Der Vampir stützte sich links und rechts von ihm ab und sah ihn lauernd an. Seine Nähe brachte Gabriel durcheinander und sein Herz schlug schneller. Was würde sein Mitbewohner tun? Doch dieser schmunzelte nur und sagte: "Keine Angst, ich hab's kapiert. Aber wenn du dich wieder einsam fühlst, dann brauchst du es mir nur zu sagen. Ich bin für dich da."

"Woher weißt du…?"

"Geheimnis", antwortete Jérôme und verließ das Bad.
 

Gabriel stieß den Atem aus. Nicht nur der Vampir hatte eine Abkühlung gebraucht. Dieser Mann hatte etwas an sich, das ihn irgendwie auf eine unheimlich perfide Art anmachte. Aber was war es? Höchste Zeit für ein Gespräch mit jemandem, der sich mit so was auskannte. Gleich nach dem Aufstehen würde er Vivi anrufen.
 

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Tja, muss ich noch groß was sagen? Wär wieder für Kommis mit Kritik dankbar. ^^ Bis zum nächsten Chap.

Kapitel 6 - Frohe Weihnachten, Jérôme

Hallo und guten Tag. ^^
 

Nachdem meinereiner Beschwerden empfangen hat, wonach die Kapitel zu kurz seien, hat sich ebenjener entschieden, das nun folgende länger zu machen.
 

Viel Spaß
 

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Kapitel 6

Frohe Weihnachten, Jérôme
 

Nach einer schlaflosen Nacht erhob sich Gabriel und tappte noch leicht verplant in die Küche, um sich Frühstück zu machen, doch siehe da: Es stand schon für ihn bereit. Jérôme hatte ihm bevor er sich in seinen Sarg zurückgezogen hatte bereits Kaffee gekocht und ein paar Käsetoasts zubereitet, welche noch leicht warm waren. Dankbar für die Aufmerksamkeit setzte er sich an den Tisch und frühstückte. Insgeheim hatte er schon fast ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber, denn der Vampir tat was er konnte, um ihm das Leben leichter zu machen. Er kochte, putzte, schippte Schnee wenn nötig, sprich, er entband Gabriel von sämtlichen hausfraulichen Pflichten. Mit dem letzten Stückchen Käsetoast und seiner halb geleerten Tasse Kaffee ging der Sänger ins Wohnzimmer, warf sich aufs Sofa und wählte die Nummer seiner Schwester. Er musste es ein paar Mal klingeln lassen bis sie sich schließlich meldete.
 

"Hallo?"

"Hey, Vivi. Ich bin's, Gabriel."

"Ach nein, da sieh mal einer an. Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?"

"Ich muss dir als Frau eine Frage stellen. Aber bitte lach nicht darüber…"

"Sicher. Was ist denn los?"

Gabriel atmete tief durch. "Vivi, ähm, was findest du an einem Mann attraktiv?"

"Hä?"

"Das war 'ne klar formulierte Frage, also hätte ich gerne eine klar formulierte Antwort, wenn's nicht allzu viele Umstände bereitet", meckerte Gabriel.

"Ich versteh schon", antwortete Vivi. "Irgend so eine Tussi hat dich abblitzen lassen und du fragst dich warum. Also, wenn du einen Rat von mir haben willst, dann würde ich sagen hör nicht auf sie. Du bist ein echt hübscher Junge und lass dir da bloß nichts anderes erzählen."

"Das ist es nicht", unterbrach ihr Bruder ihren Redeschwall.

"Nicht?", fragte sie irritiert nach, "Was denn dann?"

"Sag mir einfach die Antwort auf meine Frage: Was findest du ganz persönlich an einem Mann attraktiv?"

"Hm, schwer zu sagen… Also als erstes ganz klar die Ausstrahlung. Ein Mann ohne Ausstrahlung hat etwa so viel Charme wie ein Werbeplakat."

"Von welcher Plakatwand hast du dann David abgekratzt?", fragte Gabriel grinsend.

"Jetzt hör endlich auf, auf ihm rumzuhacken. David ist ein guter Mensch und im Übrigen strahlt er sehr viel Ruhe und Verständnis aus, aber das wirst du nie verstehen. Aber zurück zu deiner Frage. Wenn du ein konkretes Beispiel für einen Mann haben willst, den ich attraktiv finde…"

"Ich bitte darum."

"Jérôme."

"Ach ja? Und was genau?" Jetzt wurde es langsam interessant.

"Oh Mann, das müsstest sogar du sehen. Muss ich dir jetzt alles aufzählen?", fragte Vivi resigniert.

"Och, nein. Ein paar Beispiele reichen schon."

"Gut. Also da wären zuerst mal seine erstaunlichen blauen Augen. Ich weiß nicht genau warum, aber die sind absolut der Hammer. Ach ja und er hat einen Körper, anbetungswürdig. Und ist dir schon mal aufgefallen, dass er ganz tolle Lippen hat? Die möchte man eigentlich nur küssen…" Sie seufzte schwärmerisch.

"Stimmt", stimmte Gabriel leise zu und erinnerte sich an das Gefühl ebendieser Lippen auf seinen, was ihm einen wohligen Schauer durch den Körper jagte.
 

"Ach daher weht der Wind…", bemerkte Vivi. "Du hast dich in ihn verknallt, richtig?"

"Ach was, wie kommst du denn darauf? Das ist doch Unsinn", widersprach ihr Bruder.

"Etwa nicht? Also wenn nicht, fress' ich einen Besen."

"Mit Senf, Ketchup oder Mayo?"

"Essig und Öl. Klein geschnippelt als Salat."

"Au fein, schön kross. Du kannst ja ein bisschen was von Davids Vogelfutter drunter mischen, nur um den Geschmack zu verfeinern."

"Blödmann. Aber jetzt mal Schluss mit den Albernheiten. Hab ich Recht oder hab ich Recht?"

"Nein, natürlich nicht. Jérôme ist mein Mitbewohner, nicht mehr. Allerdings hab ich das Gefühl, dass auf seiner Seite eindeutig mehr ist…"

"Und das überrascht dich? Entschuldige bitte, er hat mich mit dem Argument abgewiesen, dass er mit mir schlafen würde wenn ich du wäre. Das sagt ja wohl alles."

"Das hat er gesagt? Ich erwürg ihn."
 

Vivianne kicherte. "Das hab ich jetzt nicht gehört. Aber warum eigentlich nicht? Lass dich doch mal auf ein Experiment ein. Weißt du noch, was Onkel Henry immer gesagt hat? Ein guter Schwimmer kennt beide Ufer."

"Als ob du was mit 'ner Frau anfangen würdest."

"Warum nicht? Bei mir im Salon ist zum Beispiel im Moment eine Praktikantin. Neunzehn Jahre jung und ein total hübsches Ding. Da würde sogar ich in Versuchung geraten wenn sie mit ihren Hüften an mir vorbei schwingt."

"Das sagst du jetzt nur so daher."

"Überhaupt nicht. Sag mal, hat sich Mum schon bei dir gemeldet wegen dem Neujahrsempfang?"

"Nein, noch nicht. Wird sie wohl an Heiligabend tun oder so. Wie jedes Jahr eben. Immer auf den letzten Drücker."

"Wirst du hingehen?"

"Keine Ahnung. Bis nach Boston rauf wegen einem Tag? Ich weiß nicht."

"Na ja, denk drüber nach. Ich hab keine Lust, die Häme der Nachbarn alleine zu ertragen. Du weißt doch, wenn dich die Damen nicht mit ihren Töchtern verheiraten wollen, kritteln sie mit dem größten Vergnügen an deinen Haaren herum."

"Ich überleg's mir. Aber was mach ich dann mit meinem Schoßhündchen?"

"Jérôme? Der kommt auch mal ohne dich klar, denk ich."

"Aber ausgerechnet an Neujahr? Ich weiß nicht. Er so ganz allein…"

"Und du bist doch in ihn verknallt."

"Nein, bin ich nicht."

"Oh doch. Hör mal, ich muss Schluss machen, ich hab heute ein Seminar über neue Anwendungen in der Hautpflege." Vivi war Kosmetikerin und bildete sich regelmäßig fort. "Also, man sieht sich."

"Bis dann."
 

Gabriel sank im Sofa zurück. Warum musste diese Frau eigentlich immer so direkt sein? Aber möglicherweise hatte sie gar nicht so Unrecht. Der Gedanke erschreckte ihn. Was, wenn es tatsächlich so war?
 

Jérôme wanderte ziellos durch die Nacht. Merkwürdigerweise machte ihm nicht einmal mehr das Töten Spaß. Früher war das anders gewesen. Was heißt früher? Bevor er Gabriel getroffen hatte. Das Töten war seine Ersatzbefriedigung gewesen und er hatte nichts vermisst. Tatsächlich war der Moment, in dem sie ihr Leben aushauchten einem Orgasmus nicht ganz unähnlich. Aber jetzt, da der junge Musiker in sein Leben getreten war, spürte er mehr und mehr das Verlangen nach körperlicher Nähe. Verdammt, er wollte ihn berühren, ihn küssen, unanständige Dinge mit ihm tun, doch Gabriel ließ es nicht zu.
 

Er hatte schon eine ziemliche Strecke hinter sich gebracht und war auf dem Weg zurück, da sprach ihn jemand an: "Hey, junger Mann. Der große Blonde da drüben. Komm mal her." Überrascht blickte er sich nach dem um, der ihn so respektlos ansprach und erspähte einen alten, pausbäckigen Mann mit einem grauen Bart in einem Blumenstand an der nächsten Straßenecke, der ihm freundlich zulächelte. "Meinen Sie mich?", fragte er.

"Natürlich, mein Junge. Komm mal rüber zu mir", antwortete der Alte. Jérôme konnte sich nicht helfen, irgendwie fand er ihn sympathisch. Auf eine merkwürdige Art und Weise erinnerte er ihn an den Weihnachtsmann. Selbst im tiefsten Winter hatte er seinen Blumenstand nicht abgebaut. Im Gegenteil. Er hatte ihn feierlich dekoriert und heizte die kleine Bude mit einem Heizstrahler damit das Wasser nicht einfror. Schmunzelnd ging Jérôme zu ihm.
 

"Was kann ich für Sie tun?", erkundigte sich der Vampir.

"Nichts. Die Frage ist eher, was ich für dich tun kann. Du siehst so mürrisch aus, da dachte ich, du hättest vielleicht Ärger mit deiner Lady", antwortete der Alte und grinste unter seinem grauen Bart hervor.

"Im Moment sehen sie alle mürrisch aus", erwiderte Jérôme.

"Stimmt. Alle sind im Stress", stimmte der Mann zu und nickte. "Aber ich hab den Stand hier seit vierzig Jahren und ich kann sehr wohl unterscheiden, ob jemand im Weihnachtsstress ist oder Liebeskummer hat. Wie sieht's aus? Willst du reinkommen und eine Tasse Tee mit mir trinken? Der wärmt zwar nicht so gut wie die Arme einer Frau aber immerhin."

"Das ist sehr nett, aber ich trinke keinen Tee", entschuldigte sich der Vampir.

"Macht nichts. Dann trinke ich und höre dir zu, wenn du reden willst."

"Machen Sie das immer? Ich meine, fremde Leute auf der Straße ansprechen und ihnen Tee anbieten?", fragte Jérôme leicht belustigt.

"Nein. Nur bei denen, die mir sympathisch sind. Du hast das Glück, zu denen zu gehören. Also, was ist?" Der Alte lächelte freundlich.

"Also gut", stimmte Jérôme zu. Was sollte ihm der alte Mann schon Schlechtes wollen? Außerdem würde es bestimmt gut tun, sich mal bei jemandem auszukotzen, der mit allem nichts zu tun hatte.
 

Er betrat den kleinen Stand und nahm auf dem Hocker Platz, den ihm der Alte hinschob. In der Bude roch es interessant. Eine Mischung aus Tee, Blumen und Gewürzen, vor allem Zimt. Jérôme fühlte sich sofort wohl.

"Also dann, lass mal hören", forderte der Alte ihn auf.

"Wenn Sie mir Ihren Namen verraten…"

"Nenn mich Jack. Das tun alle. Ja, ja, der gute alte Jack. Und dein Name?"

"Jérôme."

"Ah, ein Franzose. Hab mir gleich gedacht, dass an dir was Besonderes ist. Na dann, Jérôme. Lass deine Sorgen hören. Vielleicht kann dir der gute Jack einen Rat geben."

"Es ist so, dass ich… Na ja, für mich war es Liebe auf den ersten Blick", erklärte Jérôme. "Aber irgendwie ist das 'ne ziemlich einseitige Geschichte."

"Verstehe. Du willst mehr, aber sie nicht." Jack roch an seinem Tee, rümpfte die Nase und bückte sich, um zwischen Rosen und Lilien eine Flasche hervor zu ziehen. Als er sie öffnete, vernahm Jérôme ganz klar den Geruch von Rum.

"Auch 'n Schluck?", fragte der Alte und hielt ihm die Flasche hin.

"Nein, danke", lehnte er ab. Jack zuckte die Achseln und kippte einen nicht gerade geringen Schluck der braunen Flüssigkeit in seinen Tee. Dann schraubte er die Flasche wieder zu und versteckte sie zwischen den Blumenkübeln.
 

"Es frisst mich auf", fuhr Jérôme fort, nachdem ihm Jack bedeutet hatte, das zu tun. "Wir sind uns so nahe und doch so weit voneinander entfernt. Wissen Sie, Jack, wir wohnen in einer Wohnung und sind uns zwangsläufig nahe. Ich bin vor ein paar Wochen aus meiner Wohnung rausgeflogen und – sie – hat mich aufgenommen. Ich tu alles, um sie glücklich zu machen. Wenn ich ihr Lächeln sehe, dann ist das für mich der Himmel auf Erden. Aber wenn ich ihr zu nahe komme, weist sie mich zurück." Er seufzte.

"So was. Dabei bist du so ein hübscher Kerl. Schon mal dran gedacht, dass deine Lady einfach erobert und nicht überfallen werden will?"

"Erobert?", fragte Jérôme verwundert und schaute Jack verdattert an, sodass dieser kurz auflachte.

"Natürlich. Du bist jung und impulsiv. Aber das kommt bei Frauen nicht gut. Oh nein. Also, was kann man da machen? Wie wär's mit Blumen?" Er grinste.

'Aha. Jetzt verstehen wir uns, alter Gauner', dachte Jérôme.

"Nicht, dass du denkst, ich will dir was aufschwatzen oder so. Ich hab da so eine Idee. Eindrucksvoll, aber unverfänglich. Weißt du, Weihnachten steht vor der Tür. Und was heißt das?"

Jérôme blickte ihn an wie ein Eichhörnchen wenn's blitzt.

"Mistelzweige, mein Freund." Jack strahlte, doch Jérôme blickte ihn immer noch verständnislos an. "Ach, stimmt ja, du bist ja Franzose. Also, wenn ein Pärchen unter einem Mistelzweig steht, muss es sich küssen, das ist Tradition. Klar?" Er grinste breit.

"Ach Sie meinen…", ging Jérôme ein Licht auf. Er hatte sich nie groß für amerikanische Weihnachtsbräuche interessiert, aber dieser klang ganz interessant.

"Genau. Unter dem Deckmäntelchen der Tradition findet sie vielleicht sogar Gefallen daran. Und wenn nicht, dann soll es eben nicht sein. Aber ich denke, wenn du dich gut anstellst, dürfte das kein Problem sein. Presch aber nicht zu direkt vor. Keine Zunge, klar?"

"Dann muss ich aber die ganze Wohnung damit behängen…", überlegte der Vampir.

"Holla! So schwierig?", rief Jack.

"Kann man so sagen", bestätigte Jérôme.

"Armer Junge. Na dann würde ich sagen, die gehen aufs Haus." Er zog einen Bund Mistelzweige aus einem Gefäß und reichte ihn Jérôme.

"Danke", sagte dieser überrascht.

"Keine Ursache. Viel Glück, junger Jérôme. Möge dir Amor gewogen sein."
 

Jack nahm noch einen kräftigen Schluck von seinem Rum-Tee-Gemisch und entließ Jérôme in die Nacht. "Wenn du mal wieder jemanden brauchst, dann komm zu mir", gab er dem Vampir mit auf den Weg. "Und natürlich würde ich gerne wissen, wie das mit dir und deiner Lady ausgegangen ist. Wie heißt sie überhaupt?"

"Gabrielle", antwortete Jérôme und lächelte bei dem Gedanken, dass er seinen Mitbewohner gerade einer verbalen Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte.

"Bei diesem Lächeln glaub ich dir, dass es wahre Liebe ist", grübelte Jack. "Da muss es ja was werden."

"Das hoffe ich. Danke, Jack. Auf Wiedersehen."
 

Gabriel war noch nicht zu Hause, also machte sich Jérôme so schnell wie möglich daran, die Mistelzweige unter allen Türbögen, die er finden konnte, zu befestigen. Nicht einmal seine Abstellkammer ließ er aus. Auch die Lampen wurden mit kleinen Zweigen versehen. 'So, jetzt kann nichts mehr schief gehen', dachte er zufrieden.
 

Als Gabriel nach Hause kam, fiel ihm gar nicht auf, dass überall Mistelzweige herumhingen, sonst wäre er wohl vorsichtiger gewesen. Als er die Küche betrat, kam Jérôme auf ihn zu und sah ihn mit seltsamem Blick an.
 

"Jérôme, ist alles in Ordnung?", fragte er. Dieser deutete auf einen Punkt knapp über seinem Kopf und Gabriel legte diesen in den Nacken. Dann sah er ihn. Den Mistelzweig. Und er verstand Jérômes merkwürdigen Blick. "Moment mal…", stammelte er, "das ist aber jetzt nicht dein…"
 

Noch bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte ihn der Vampir in seine Arme gezogen. Als Gabriel protestieren wollte, hauchte er nur: "Tradition, Gabriel" und küsste ihn zärtlich. Gabriels Herz schlug sofort schneller und ihm wurde leicht schwindlig. Zögernd erwiderte er den Kuss.
 

Jérôme hatte einen Etappensieg errungen, doch er wollte, wie Jack gesagt hatte, nicht zu schnell lospreschen. Aus diesem Grund und weil er sich vorgenommen hatte, ihn zu "erobern", löste er sich nach kurzer Zeit wieder von dem jungen Mann.

Dieser blickte ihn verträumt an. "Also schön, dann geh ich eben nicht mehr in die Küche", hauchte er.

"Dann müsstest du die ganze Wohnung verlassen. Die Dinger sind nämlich überall", grinste Jérôme.

"Oh, wie fies, dann komm ich dir ja gar nicht mehr aus", lächelte Gabriel zurück. Merkwürdig. Es machte ihm so gar nichts mehr aus, von ihm geküsst zu werden. Vielleicht würde er sich ja doch auf das Experiment einlassen. Aber noch nicht jetzt. Irgendwann.
 

Jérôme hatte keine Gelegenheit ausgelassen und Gabriel immer wieder geküsst. Er war so glücklich, dass die Sache mit den Mistelzweigen so gut geklappt hatte, dass er am nächsten Abend wieder zu Jacks Stand ging und dem Alten freudestrahlend von seinem Erfolg erzählte.

"Sag ich doch, mein Junge", strahlte Jack. "Wenn du so weitermachst, seid ihr nächstes Jahr verheiratet."

"Das wäre zwar schön aber unwahrscheinlich", lächelte der Vampir.

"Ach was. Sag niemals nie, mein Freund", erwiderte Jack und schenkte Jérôme zur Feier des Tages eine rote Rose. "Für die Lady Gabrielle", grinste er dabei.
 

Als er nach Hause kam, war Gabriel auf dem Sofa eingeschlafen, fest in eine Decke gemummelt und sah so süß aus, dass er fast den Verstand verlor. Leise näherte er sich ihm und berührte mit der blutroten Rose vorsichtig die leicht geröteten Wangen, die Nasenspitze, die schönen Lippen. Als Gabriel nicht reagierte beugte er sich zu ihm hinab und küsste ihn. Als der junge Musiker die Augen öffnete flüsterte er: "Guten Morgen, Dornröschen. Dein Prinz ist da."
 

"Ach nein, sag an", antwortete Gabriel leicht genervt weil er aufgeweckt worden war.

"Hier, die ist für dich", sagte Jérôme und hielt ihm die Rose hin.

"Aha, jetzt kommst du schon mit roten Rosen an. Muss ich mir langsam Sorgen machen?", erkundigte sich der junge Mann skeptisch.

"Aber nein", entgegnete der Blondschopf. "Ich hab unterwegs nur einen alten Freund getroffen, der Blumen verkauft. Ich dachte du freust dich vielleicht, wenn ich dir was mitbringe."

"Dass du immer gleich übertreiben musst…", stöhnte Gabriel kopfschüttelnd.

"Du freust dich nicht", schmollte Jérôme.

"Doch, schon. Danke. Gib her, ich stell sie gleich ins Wasser."
 

Er erhob sich vom Sofa, nahm die Rose und stellte sie in der Küche in eine alte Glasflasche mangels Blumenvase. Dann kam er zurück und stellte die Blume auf den Couchtisch.

"Das waren jetzt drei…", murmelte Jérôme.

"Drei was?", fragte sein Mitbewohner nach.

"Drei Mistelzweige unter denen du durchgegangen bist. Unter zweien gleich zwei Mal. Das macht dann fünf", rechnete der Vampir.

"Oh, ein Wunder, rechnen kann er auch schon", neckte ihn der Musiker und knuffte ihn in die Seite.
 

Jérôme drehte sich weg und kicherte, denn er war kitzlig. Darin sah Gabriel seine Chance und setzte zu einer wahren Kitzelattacke an.

"Gnade!", japste der Blonde und ließ sich aufs Sofa fallen. Gabriel stürzte hinterher, platzierte sich blitzschnell auf seinem Schoß und kitzelte jede Stelle, die er erreichen konnte. Der Vampir lachte und kicherte so viel, dass er seinen Peiniger förmlich anflehte, aufzuhören.

"Du ergibst dich freiwillig?", feixte der Sänger.

"Ja, ja. Erbarmen, ich krieg keine Luft mehr", stöhnte Jérôme heftig atmend. Gabriel gab auf und legte stattdessen seinen Kopf an die breite Brust des Vampirs. Er roch gut. Genauso wie die Rose.
 

"Hey, seit wann kommst du denn freiwillig angeschmust?", fragte dieser lächelnd.

"Weiß nicht", antwortete der junge Mann. "Bin nur irgendwie fertig."

"Ach so. Na dann…" Jérôme legte seine Arme um Gabriel, der sich in dessen dicken, blauen Pullover kuschelte. Nach ein paar Minuten, die sie einfach so dagelegen hatten fiel Gabriel ein: "Ich glaube, ich schulde dir noch was." Er richtete sich auf, kroch ein Stück höher und küsste fünf Mal ganz kurz Jérômes Lippen. Der Vampir blickte ihn verwirrt an. "Du bist mir ein Rätsel, Gabriel Hart" sagte er nachdenklich.

Der junge Musiker wurde rot und erwiderte: "Du mir auch." Er schmiegte sich wieder an Jérômes Brust. "Sag mal, gab es eigentlich in den ganzen achthundert Jahren, die du nun schon auf Erden wandelst nie jemanden, den du… wie soll ich sagen, gern hattest?", wollte er wissen.
 

"Du willst wissen, ob ich verliebt war", stellte Jérôme eher fest, als dass er fragte. Gabriel nickte. "Schwer zu sagen. Kurze Liebeleien oder Affären hatte ich viele. Aber die wahre Liebe… Ich weiß nicht, ob ich das, was ich da hatte als solche bezeichnen kann. Soll ich dir davon erzählen?"

"Wenn es dir nichts ausmacht", antwortete Gabriel.
 

"Nein, eigentlich nicht", erklärte Jérôme. Er überlegte kurz, dann fuhr er fort.
 

"Wie ich schon sagte irrte ich eine Weile in Europa umher. Kurz nachdem ich zurück in Frankreich war, suchte ich die Burg meines Vaters auf. Meine Eltern waren mittlerweile gestorben und mein ältester Bruder war jetzt der Herr. Ich hatte mich immer gut mit ihm verstanden, doch ich hatte Angst, dass er die Veränderung an mir bemerken würde, deswegen wagte ich es nicht, ihm meine richtige Identität zu verraten. Für ihn war ich nur ein Arbeit suchender Ritter, der zufällig an seine Tür klopfte und um eine Anstellung bat. Du musst bedenken, er hatte mich jahrelang nicht mehr gesehen und die Brüder meiner Komturei, die mittlerweile nach Frankreich zurückgekehrt waren, hatten meiner Familie berichtet, ich sei tot. Das Risiko, dass er mich erkannte, war also gering.
 

Auf meiner alten Heimatburg jedenfalls bezauberte ich zum ersten Mal das Herz eines jungen Mannes. Nicht irgendeines Mannes. Mein Bruder war mittlerweile Vater. Kein Wunder, er war zehn Jahre älter als ich. Sein Sohn war damals siebzehn und ein sehr hübscher Junge. Natürlich hatte er keine Ahnung, dass er mein Neffe war, also verliebte er sich in den fremden Ritter, der so plötzlich in der Burg seines Vaters aufgetaucht war. Zuerst fiel es mir gar nicht weiter auf, denn ich hatte viele Geschichten zu erzählen und war immer von Zuhörern umgeben und mein Neffe bildete da keine Ausnahme.
 

Dass ich nur nachts erschien, war zwar auffällig, doch man legte es mir damals als Eigenheit aus, nachdem ich die wildesten Geschichten erzählte und auch diverse Ausreden fand. Darüber hinaus kam mir der Umstand zugute, dass ich bei bewölktem Wetter auch tagsüber unterwegs sein und dass mir die Sonne für einige wenige Minuten nichts anhaben kann. Das hatte ich der Wüste zu verdanken.
 

Aber wo war ich? Ach ja, mein Neffe. Wirklich, ein hübscher Junge. Sein Name war Pierrick. Er war immer in meiner Nähe, sogar, wenn ich einfach nur Schwertübungen machte. Er war da und beobachtete mich heimlich. Wahrscheinlich glaubte er, ich würde ihn nicht bemerken, doch eines Nachts sprach ich ihn einfach an. Was er von mir wollte fragte ich ihn und er antwortete, er wolle von mir lernen, also brachte ich ihm so einiges bei. Nicht das, was du denkst", fügte er auf Gabriels entsetzten Blick hin hinzu. "Ich meine den Umgang mit Waffen, den er zwar ohnehin schon beherrschte, zu dem ich jedoch noch etliche Verbesserungen beisteuern konnte. Es entging mir nicht, dass er dabei versuchte, mir näher zu kommen, doch ich hielt ihn auf Distanz. Ich liebte ihn, aber nicht so, wie er mich liebte. Er war mein Neffe und nicht mehr.
 

Der Winter, den ich in der Burg verbrachte, verging und langsam kamen Gerüchte auf, dass jemand auf der Burg mit dem Teufel im Bunde war, denn in den umliegenden Dörfern und sogar in der Burg selbst kam es immer wieder zu rätselhaften Todesfällen. Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, war ich dafür verantwortlich. In einer Nacht- und Nebelaktion wollte ich mich davonschleichen. Mir einfach eine neue Bleibe suchen, doch Pierrick entdeckte mich. Er wusste, warum ich floh und flehte mich an, ihm zu sagen, dass ich unschuldig sei, doch ich konnte nicht. Ich sagte ihm die Wahrheit. Natürlich nicht die ganze Wahrheit. Nur, dass ich für das alles verantwortlich war. Ich erinnere mich noch gut an seine Enttäuschung. Er brach weinend zusammen und schluchzte immer wieder: "Das kann nicht wahr sein, das kann nicht wahr sein." Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn an mich. Was hätte ich sonst tun sollen? Seine Tränen waren unerträglich für mich. Ich hauchte ein letztes 'Leb wohl' in sein Haar und wollte gehen, doch er hielt sich verzweifelt an mir fest. Bevor ich reagieren konnte küsste er mich. Es war mein erster Kuss, den ich aus aufrichtiger Liebe erhielt. Ich stieß ihn von mir und verschwand. Damals weinte ich bitterlich. Der Abschied von Ibliis war mir nicht so schwer gefallen wie der von Pierrick und ich hatte mich noch nie zuvor so einsam und verloren gefühlt. Tatsächlich sah ich ihn niemals wieder.
 

Das nächste Mal kam ich vierzig Jahre später in die Bretagne. Dennoch, ich ging zum Grab meines Vaters, meines Bruders und natürlich Pierricks. Auf seinem legte ich ein paar Blumen nieder. Dort, an den Gräbern derer, die ich geliebt hatte, wurde mir erst richtig bewusst, was ich verloren hatte, denn ich würde sie niemals wieder sehen, ganz egal, was ich tat oder nicht tat. Wie viel Zeit blieb ihnen denn auf Erden? Vierzig Jahre? Fünfzig? Dann starben sie, und ich? Ich war dazu gezwungen, zu bleiben.
 

Ich wollte sterben, deshalb blieb ich einfach solange sitzen, bis die Sonne aufging. Ich wurde von ihrem Licht verbrannt, doch irgendwann, ich kann nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, war ich wieder am Leben. Du siehst, nicht einmal die Sonne kann einen Vampir endgültig auslöschen. Ich weiß mittlerweile wie es geht, allerdings ist es für mich unmöglich, es alleine zu tun.
 

Die Jahrzehnte, Jahrhunderte vergingen wie im Flug. Ich versuchte, die Einsamkeit in meinem Herzen mit Affären zu lindern. Meine Fähigkeit, Gedanken zu kontrollieren, half mir dabei sehr. Doch meist gingen diese Affären nicht über das Körperliche hinaus. Insgeheim suchte ich nach einem Gefährten und ich wusste es. Jedes Mal, wenn ich wieder die Anziehungskraft zu einem Mann spürte, prüfte ich, vielleicht unbewusst, ob er für ein Leben in der Ewigkeit geeignet war und wenn ja, ob ich es mit ihm aushalten würde. Doch ich fand niemanden, dabei war ich viel unterwegs und traf viele Menschen.
 

Dann traf ich Frédéric. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Weißt du, ich hatte es immer verstanden, mich in die bessere Gesellschaft einzuschleichen. Auf einem Ball in Paris geschah es dann: Er stand plötzlich vor mir und war so schön, dass ich erst einmal fassungslos war. Er sah aus wie ein Engel. Langes, blondes Haar und wunderschöne grüne Augen. Bei ihm hatte ich damals ein ganz ähnliches Gefühl wie bei…" Er stockte. 'Hoppla, beinahe hättest du dich verplappert. "Wie bei dir" wolltest du sagen. Vorsicht, Vorsicht', mahnte er sich selbst. "Na ist ja egal, was für ein Gefühl ich hatte, jedenfalls hatte ich es noch nie zuvor gehabt. Und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Frédéric war der Sohn eines reichen Adeligen und genau das sollte ihm zum Verhängnis werden. Wir verbrachten eine schöne Zeit miteinander und ich war sicher: Der ist es, mit dem ich leben möchte. Er war so liebevoll und doch stark genug, mir Paroli zu bieten, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Aber es waren damals stürmische Zeiten. Was sagt dir das Jahr 1789 in Bezug auf Frankreich?"
 

"Der Ausbruch der Französischen Revolution", antwortete Gabriel nach einigem Nachdenken.
 

"Stimmt. Weißt du, Frédéric wusste damals noch nicht, wer oder besser was ich war. Ich hatte vor, es ihm in dieser einen Nacht zu sagen und ihn zu bitten, mein Gefährte zu werden, doch es sollte nicht mehr dazu kommen. Das Schloss seines Vaters war eines der ersten, das bei einem Aufstand gestürmt wurde. Als ich kam, brannte es bereits und die Aufständischen zogen sich zurück. Ich stürmte hinein um nach Überlebenden und insbesondere nach Frédéric zu suchen. Ich rief immer wieder seinen Namen, erhielt jedoch keine Antwort. Ich fand ihn schließlich im Garten. Die stumpfe Klinge eines Angreifers hatte ihn durchbohrt. Anscheinend war er heimtückisch von hinten angegriffen worden, denn er war ein guter Fechter gewesen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Er war tot und mit ihm, das dachte ich zumindest, war auch mein Herz gestorben.
 

Danach hatte ich genug vom alten Europa. Ich ging nach Amerika. Dort lernte ich 1941 einen jungen Soldaten kennen. Jason. Bei ihm war ich mir nicht so sicher, aber er wäre auch nicht die schlechteste Wahl gewesen. Rate mal, wo er stationiert war?"
 

"Keine Ahnung", antwortete Gabriel.
 

"Pearl Harbor", sagte Jérôme schlicht. "Kam beim berühmten Angriff auf ebendiesen Stützpunkt ums Leben.
 

Danach grub ich mich für vier Jahre in ein Erdloch ein, in der Hoffnung, dort zu verhungern, doch wieder einmal scheiterte auch dieser Suizidversuch kläglich. Du siehst, das Glück ist mir nicht hold. Jedes Mal, wenn ich glaubte, jemanden gefunden zu haben, wurde mir derjenige wieder entrissen. Damals schwor ich mir, nie wieder mein Herz an jemanden zu binden…" Er seufzte tief.
 

"Das tut mir so Leid, Jérôme. Ehrlich. Kein Wunder, dass du dich so an mich klammerst."

"Wenn ich dir lästig bin, dann…", begann der Vampir, doch der Sänger unterbrach ihn: "Nein, bist du nicht. Ich hab mich sogar schon richtiggehend an dich gewöhnt. Aber komm bloß nicht auf die Idee, mich als würdig zu erachten, ich hab nämlich keine Lust, Blutsauger zu spielen."

"Wie schade. Dabei wärst du so ein schöner Vampir", murrte Jérôme. Gabriel errötete. "Erzähl keinen Blödsinn. Wenn ich mir vorstelle, deine dämliche Visage mein Leben lang sehen zu müssen, noch dazu, wenn dieses Leben unsterblich ist…"

"Dann werd' ich jetzt mal dafür sorgen, dass du sie zumindest für eine kurze Zeit nicht mehr sehen musst", grinste der Blondschopf, rollte sich mit Gabriel herum und kam auf ihm zum Liegen.
 

Er senkte sein Gesicht über Gabriels und küsste ihn fordernd. Ein wenig überrascht stellt er fest, dass Gabriel den Kuss ebenso erwiderte. Er ließ erst wieder von ihm ab, als sie beide atemlos waren.
 

"Oh Mann, wenn du das nicht bald bleiben lässt, schmeiß ich dich wirklich raus", sagte der junge Mann nach Atem ringend.

"Dann hast du meine Zähne eher in deinem Hals stecken, als dir lieb ist", antwortete Jérôme mit einem zuckersüßen Lächeln, zog sich jedoch zurück. 'Immer schön langsam, du willst ihn ja nicht überfallen', dachte er.

"Arsch", zischte Gabriel.

"Oh, sehr nett, vielen Dank", beschwerte sich der Vampir.

Der Musiker brauste auf: "Da fang ich gerade an, dich sympathisch zu finden und du drohst mir gleich wieder mit dem Tod. Ich glaube, ich lass dich an Silvester doch allein zu Hause."

"Wie, an Silvester?", wollte sein Mitbewohner wissen.

"Na ja, meine Mutter wird wohl demnächst anrufen und mich einladen. Eigentlich hatte ich nicht vor, hinzufahren, aber du stellst mich echt langsam vor eine harte Entscheidung", erklärte Gabriel.

"Es tut mir Leid, Gabriel, ich tu' s nie wieder, okay?", entschuldigte sich Jérôme kleinlaut.
 

Sein Gegenüber seufzte. "Mir tut's auch Leid. Weißt du, ich bin so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt. Warum verbringen wir beide nicht einfach ein schönes, ruhiges Weihnachten miteinander, hm?"

"Du weißt, dass ich Weihnachten nichts mehr abgewinnen kann", schmunzelte Jérôme.

"Klar, weiß ich. Ich dachte da auch nicht an eine klassische Weihnachtsfeier mit Weihnachtsbaum und so", antwortete Gabriel.

"Und woran dann?", erkundigte sich der Blondschopf neugierig.

"Wirst du schon sehen…", antwortete der Sänger geheimnisvoll.
 

Gabriel hatte zwar an Heiligabend einen Auftritt, doch am ersten Weihnachtsfeiertag gingen sie zusammen auf der künstlichen Eisfläche vor dem Rockefeller Center Schlittschuh laufen. Ganz wie Gabriel erwartet hatte, hatte Jérôme die Grazie eines Trampeltiers. Er war eben doch eher Sand als Eis unter den Füßen gewohnt, doch Gabriel, der eine Zeit lang Eishockey gespielt hatte, bewegte sich leichtfüßig und flink über das glatte Weiß.
 

"Na, brauchst du Hilfe, Großer?", fragte er neckisch, als Jérôme wieder einmal um sein Gleichgewicht kämpfte, verlor und mit dem Hintern die Eisfläche polieren zu wollen schien.

"Was für eine bescheuerte Idee", maulte der Vampir.

"Jetzt stell dich nicht so an", lachte Gabriel und hielt ihm eine Hand hin, welche sein Mitbewohner ohne zu zögern ergriff. Er zog ihn hoch und nahm dann auch noch seine zweite Hand. "Bleib ganz ruhig", sagte er. "Ich zieh dich ein bisschen."

"Oh Mann, ich seh' aus wie ein Vollidiot", murmelte der Blondschopf, der unbeholfen von Gabriel, der rückwärts fuhr, übers Eis gezogen wurde.

"Wie kommst du darauf?", wollte dieser gut gelaunt wissen.

"Na schau dir doch mal an, wie die uns alle anglotzen. Vor allem die Weiber da drüben", erklärte Jérôme und strauchelte, was ihn beinahe zu Fall brachte, doch Gabriel fing ihn auf, woraufhin er ihn fest im Arm halten musste, um nicht selbst umzufallen.
 

Der Musiker warf einen Blick in die Richtung, in die der Vampir genickt hatte. Da stand eine Gruppe junger Frauen und beobachtete sie beide interessiert. Er lachte kurz auf. "Die halten uns wahrscheinlich für ein Pärchen. Ist aber auch kein Wunder, so wie wir uns benehmen. Außerdem sieht das hier gerade ziemlich verfänglich aus", sagte er.

"Na dann wollen wir ihnen mal was für ihr Geld bieten, dann haben sie was zu glotzen", erwiderte Jérôme hintergründig und ließ sich fallen, Gabriel mit sich ziehend. Dieser landete auf ihm. Für einen Augenblick verlor er sich in Jérômes blauen Augen, dann drückte ihm der Vampir ungeniert einen Kuss auf.
 

Der junge Musiker war schockiert. Im nächsten Moment flog Jérômes Kopf zur Seite als ihm Gabriel eine Ohrfeige verpasste, die jedoch durch seinen Handschuh abgeschwächt wurde. Er rappelte sich auf und verließ die Eisfläche mit knallrotem Gesicht.
 

Jérôme war kurzzeitig perplex. Dann rappelte er sich äußerst ungeschickt auf und rief hinter seinem Mitbewohner her: "Hey, Gabriel, jetzt wart doch mal!" Bums, da lag er schon wieder. "Zut!" (eine etwas nettere Form von "Scheiße") schimpfte er und kämpfte sich erneut hoch. Als auch er endlich die Bahn verlassen hatte, konnte er Gabriel nirgends entdecken. Er zog die Schlittschuhe aus, schlüpfte wieder in seine Stiefel und machte sich auf die Suche nach ihm.
 

Er fand ihn unter dem großen Weihnachtsbaum, welchen der Sänger gedankenverloren anstarrte. "Hier bist du also", sagte er leise als er sich näherte und neben ihm stehen blieb. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Gabriel. Lag es am Glanz der Lichter des Baums oder hatte er wirklich feuchte Augen? "Gabriel, alles in Ordnung?", erkundigte er sich.
 

"Warum hast du das gemacht?", flüsterte der junge Mann neben ihm ohne den Blick von dem Weihnachtsbaum zu lassen. Die Gefühle, die der Vampir in ihm auslöste, verwirrten ihn immer mehr. Ihm so nahe zu sein wie vorhin auf dem Eis erfüllte ihn mit einer merkwürdigen Wärme trotzt der Eiseskälte um sie herum.
 

Jérôme konnte nicht sofort antworten. Die Antwort war ganz einfach, doch er wollte sie ihm nicht geben. Stattdessen sagte er: "Ich wollte mir nur einen Spaß erlauben."

"Spaß?!", rief Gabriel und fuhr zu ihm herum. Was fiel diesem Idioten von einem Vampir überhaupt ein? "Du hast mich in aller Öffentlichkeit geküsst und das ist kein Spaß mehr! Spaß ist, wenn beide drüber lachen, und siehst du mich vielleicht auch nur ansatzweise schmunzeln?"

"Nein, aber… Herrgott, Gabriel ich hab's satt, mich ständig für irgendwas entschuldigen zu müssen, von dem ich überzeugt bin, dass du es auch willst!", ereiferte sich nun auch Jérôme.

"Ich lasse es geschehen, das stimmt", gab der Sänger etwas verschnupft zu, wobei eine leichte Röte sein Gesicht überzog, "aber nur dann, wenn wir unter uns sind."

"Du meinst, zu Hause ist es okay, ja?", hakte der Vampir lauernd nach.
 

Der Musiker dachte kurz nach. Langsam hatte er Gefallen an Jérômes Zärtlichkeiten gefunden und wollte sie eigentlich nicht mehr missen. Es war irgendwie komisch, doch er freute sich jedes Mal richtig, wenn er nach Hause konnte und wusste, dass dort jemand auf ihn wartete, der ihn gern hatte. Seine Einsamkeit war beim Anblick Jérômes wie weggeblasen. Doch er musste den Vampir irgendwie zügeln, sonst konnte es ganz schnell passieren, dass er Beine breit unter ihm landete und das musste er unter allen Umständen verhindern. Schließlich zuckte er die Achseln. "Von mir aus. Schließen wir einen Kompromiss. Mistelzweig hin oder her, zu Hause, das heißt innerhalb der Wohnung, darfst du, solang du dabei anständig bleibst. Einverstanden?"
 

"Wirklich? Das heißt wann immer ich will?", freute sich Jérôme mit strahlenden Augen.

"Solang es nur harmlose Küsse sind, ja. Und innerhalb der Wohnung, wie schon gesagt", bestätigte Gabriel, wobei er hoffte, nicht zu weit gegangen zu sein.

"Damit bin ich einverstanden", grinste der Vampir. Dann wandte er seinen Blick dem Weihnachtsbaum zu. "Sag mal, warum hast du eigentlich nichts mit Weihnachten am Hut?", wollte er wissen.
 

"Na ja, eigentlich mag ich Weihnachten ziemlich gerne. Ich hab nur keine Kohle, jedes Jahr zu dekorieren. Selbst für einen kleinen Baum müsste ich unheimlich sparen. Aber wenn ich an Neujahr zu meinen Eltern fahre, dann bekomm ich die volle Ladung amerikanischen Kitsch ab. Das reicht dann bis nächstes Jahr", erklärte Gabriel mit den Augen rollend und spielte dabei mit einer dicken schwarzen Haarsträhne.

"Tut mir Leid, dass ich dir kein Geschenk machen kann. Wenn du Weihnachten magst, dann gehört das doch irgendwie dazu", entschuldigte sich der Vampir. Sehr zu seiner Überraschung schenkte ihm Gabriel ein warmes Lächeln.

"Du hast mir schon was geschenkt. Das beste Geschenk, das ich seit Jahren bekommen hab", antwortete er.

"Und das wäre?", wollte Jérôme neugierig wissen.

"Ich bin nicht mehr allein. Dafür danke ich dir", erwiderte der Musiker.

"Oh, Gabriel…", flüsterte der Blondschopf. Am liebsten hätte er ihm hier und jetzt seine Gefühle offenbart, ihm einfach gesagt, wie sehr er ihn liebte, doch er wusste, täte er das, der Schöne wäre sofort wieder eingeschnappt und tierisch sauer auf ihn. Deshalb hielt er sich zurück. Unzählige Augenblicke standen sie sich gegenüber, verloren in den Augen des jeweils anderen.

"Gehen wir heim", schlug Gabriel schließlich vor. "Mir wird langsam kalt."
 

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Ich hoffe, es hat gemundet. Übrigens: Vielleicht könnte der eine oder andere so nett sein und mir hinsichtlich des Charakterdesigns auf der Startseite seine Meinung mitteilen. ^^

Kapitel 7 - Die Familie Hart

Hallo!
 

Neues Chap am Start.
 

Viel Spaß damit. ^^
 

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Kapitel 7

Die Familie Hart
 

Am zweiten Feiertag erwachte Gabriel vom Klingeln des Mobiltelefons, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Er schaute kurz auf seinen Wecker. Zehn Uhr morgens. Er hatte nicht gut geschlafen und war dementsprechend missmutig. Dennoch war seine Stimme fast schon übertrieben freundlich, als er abhob. Sofort drang ihm Tinos Stimme entgegen.
 

"Morgen, Gabriel, du Traum meiner schlaflosen Nächte, du Schönster aller Schönen, du Elf des Märchenreiches…"

"Ist ja gut, Tino, überschlag dich nicht gleich. Was ist los?", wurde er von Gabriel unterbrochen.

"Ach so, ja. Hast du heute Abend Zeit? Ich weiß schon, es ist dein freier Tag, aber es gibt ein Problem. Michael ist krank geworden und ich brauche dringend einen Kellner. Heute Abend ist volles Haus. Kannst du's einrichten?"

"Klar, kein Problem. Wann soll ich da sein?"

"So gegen sieben. Oh, du bist einfach ein Goldstück, Gabriel", freute sich der Italiener und schickte ihm, genau wie Vivi, einen Kuss durchs Telefon.
 

Jetzt, wo Gabriel einmal wach war, konnte er nicht mehr einschlafen. Er stand auf, duschte, zog sich an, aß das Frühstück, das ihm Jérôme wieder einmal gemacht hatte und ging einkaufen. (Zur Erklärung: In Amerika sind auch an Weihnachten die Geschäfte geöffnet.) Zu Hause räumte er seine Einkäufe weg und überlegte, was er tun könnte. Die Playstation 2, die er schon eine Weile nicht mehr benutzt hatte, fiel ihm ins Auge, also beschloss er, wieder einmal ein wenig zu zocken. Ehe er sich versah war es sechs Uhr. Erschrocken sprang er auf, schaltete das Gerät ab, nahm noch einen Bissen zu sich, hinterließ Jérôme, der heute anscheinend auch mal etwas länger schlief, eine Nachricht und ging.
 

Als er nach Hause kam, war er schlapp und mies drauf. Einer der Gäste hatte ihm so zu schaffen gemacht, dass er kurz davor gewesen war, ihm eine Beleidigung an den Kopf zu werfen, die ihn sogar bei dem gutmütigen Tino den Job gekostet hätte. Gott sei Dank hatte er sich noch beherrschen können. Er sah das Licht im Wohnzimmer durch die Glasscheibe fallen und war richtiggehend froh, dass Jérôme da war. Aber mit wem redete denn der Vampir da? Hatten sie etwa noch Besuch? So spät? Er betrat das Wohnzimmer und erblickte Jérôme, der, die Füße hochgelegt, munter telefonierte.
 

"Alles klar, Maggie. Ich komme gerne. Vorausgesetzt natürlich, mein Mitbewohner ist damit einverstanden. Moment, da kommt er gerade. Au revoir, Maggie." Er reichte den Hörer an Gabriel weiter. "Deine Mutter", erklärte er breit grinsend. Gabriel rollte die Augen und nahm ihm das Mobiltelefon ab.
 

"Hi, Mum", sagte er so freundlich wie möglich während er in seinem Lieblingssessel Platz nahm.

"Hallo, Schätzchen", hörte er die freundliche Stimme von Margaret Hart am anderen Ende der Leitung. "Wie geht's dir?"

"Oh, prima. Kann mich nicht beschweren."

"Das freut mich. Sag mal, Schätzchen, wo hast du nur dieses Traumexemplar von einem Mitbewohner her? Vivi hat mir schon gesagt, dass du jetzt mit einem charmanten jungen Mann zusammen wohnst, aber dass er so nett ist, hätte ich nicht gedacht", schwärmte sie.

"Aus irgendeinem Hinterhof in Queens", antwortete Gabriel wahrheitsgemäß, wobei er Jérôme mit einem giftigen Blick bedachte, dem dieser jedoch mit Unschuldsmiene begegnete.

"Als ob charmante und kultivierte junge Franzosen in Hinterhöfen herumlungern würden, also Gabriel, ich bitte dich. Treib keine Scherze mit mir", tadelte ihn seine Mutter.

"Mach ich nicht. Aber anscheinend versteht ihr euch ja schon blendend, wenn er dich Maggie nennt."

"Nun, ich habe es ihm angeboten, obwohl mir "Madame Hart" ziemlich gut gefallen hat. Ich habe ihn übrigens gleich mit eingeladen zu unserem kleinen Fest, und es wäre mir eine sehr, sehr große Freude, wenn ihr beide kommen würdet."
 

'Kleines Fest, die spinnt wohl? Das ist das Ereignis der Nachbarschaft. Sämtliche Snobs der Bostoner High Society werden da sein. Na ja, immer schön den Schein wahren, nicht wahr?', dachte Gabriel.
 

"Alles in Ordnung, Schätzchen?", fragte seine Mutter besorgt nach.

"Du willst, dass ich ihn mitbringe? Zu Champagner und Häppchen? Und dann am besten noch im Smoking? Mum, ich glaube nicht, dass das das richtige für ihn ist…", sagte er vorsichtig.

Jetzt war es an Jérôme, ihm einen giftigen Blick zu schenken, der in etwa besagte: "Warum denn nicht?"

"Aber warum denn nicht, Liebling. Ich meine, so wie er sich ausdrückt, ist er doch bestimmt den Umgang in besseren Kreisen gewohnt. Wir beide jedenfalls hatten eine ausgesprochen geistreiche Konversation."

'Das kann ich mir vorstellen. Er kann daher schwafeln wie ein Weltmeister', überlegte ihr Sohn. "Wenn du meinst, Mum. Ich werde sehen, ob es sich einrichten lässt", sagte er schließlich.

"Es wäre eine Schande wenn nicht. Schätzchen, du warst jetzt seit über einem Jahr nicht mehr bei uns. Tu deinen alten Herrschaften doch diesen einen kleinen Gefallen und lass dich bei uns sehen. Bitte, lass deinen Vater nicht schon wieder in diese Verlegenheit kommen, erklären zu müssen, warum sein einziger Sohn sich nicht die Mühe gibt, bei seinem großen Neujahrsempfang zu erscheinen", bat Margaret. Gabriel hatte genau ihr bittendes Gesicht vor Augen.
 

"Also gut, also schön. Ich komme. Und Jérôme bringe ich mit. Rechne mal nicht vor Einbruch der Nacht mit mir. Ich muss vormittags arbeiten. Bis ich bei euch bin, wird's wohl etwas dauern", räumte er ein.

"Das macht doch nichts, mein Schatz. Hauptsache, ihr kommt. Dein Zimmer steht dir zur Verfügung, wie immer. Und für Jérôme finden wir auch noch ein Plätzchen. Also, bis dann."

"Bis dann, Mum. Mach's gut und sag Dad einen schönen Gruß."
 

Er beendete das Telefonat und lehnte sich stöhnend zurück. "Danke fürs Beschwatzen, Jérôme", sagte er resigniert.

"Warum? Wolltest du etwa nicht hin?", fragte dieser mit Unschuldsblick zurück.

"Nein, eigentlich nicht. Oh Mann, was für ein Scheißtag." Er schloss die Augen.

"War wohl stressig im Restaurant", erkundigte sich Jérôme mitfühlend.

"Beschissen. Ich fühl mich körperlich wie geistig ausgelaugt. Am besten geh ich gleich ins Be… Was machst du da?", fragte er plötzlich und fuhr hoch, als er Jérômes Hände an seinen Schultern spürte.

"Du bist ganz verspannt", stellte der Vampir fest während er begann, sanft Gabriels Nacken und Schultern zu massieren.

"Himmlisch…", stöhnte dieser und ließ sich wieder etwas zurücksinken, wobei er wieder genießerisch die Augen schloss. Er spürte, wie die Anspannung in ihm langsam wich und entspannte sich vollends. Bevor er sich versah war er ins Reich der Träume entglitten. Dass Jérôme ihn ins Bett brachte, bekam er gar nicht mehr mit.
 

Am Tag vor Silvester holte Gabriel den bandeigenen Van von Scott ab, der ihn ganz spöttisch fragte, ob er wieder mal zu seinen Alten düsen wolle, was Gabriel nur mit einem genervten Nicken beantwortete. Gemeinsam mit Jérôme verfrachtete er in der Nacht den Sarg in den Van, wo der Vampir schlafen sollte bis die Sonne wieder unterging, denn dann würden sie bereits unterwegs nach Boston sein.
 

Gegen Mittag machte sich Gabriel mit dem hinten im Van schlafenden Vampir auf den Weg. Als die Sonne unterging, hatte er gerade die Staatsgrenze von Massachusetts überquert. Der Sarg im hinteren Teil wurde klappernd geöffnet und schon kletterte Jérôme über die Sitzbank nach vorne zu seinem Mitbewohner.

"Und, irgendwas verpasst?", fragte er gut gelaunt.

"Nein, nicht wirklich" antwortete Gabriel. Er hatte zu kämpfen, nicht hinterm Steuer einzuschlafen, denn die Straße führte einfach nur immer geradeaus und die Gegend war ihm schon so vertraut, dass er ihr nichts mehr abgewinnen konnte. Er warf einen kurzen Blick auf den Vampir neben sich.

"Ist es noch weit?", fragte dieser in bester Quengelkindmanier.

"Eine Weile sind wir schon noch unterwegs", antwortete Gabriel.

"Und was machen wir so lange?"

"Du kannst dich schon mal umziehen, wenn du möchtest. Dein Anzug hängt hinten in einem Kleidersack. Vielleicht ist er ein wenig eng, aber Scott war der einzige, der dir der Figur nach wenigstens einigermaßen ähnlich ist."

"Echt nett von ihm, mir seinen Zwirn zu borgen", stellte Jérôme fest.

"Allerdings. Aber ich musste auch mit Engelszungen auf ihn einreden. Hoffentlich passt er, sonst haben wir ein Problem."

"Wird umgehend probiert", sagte der Vampir und kletterte wieder nach hinten.
 

Gabriel hörte ihn wühlen. Er konnte nicht anders, als einen unauffälligen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Jérôme zog sich gerade seinen Pullover über den Kopf wobei Gabriels Blick automatisch von seinem athletischen Oberkörper angezogen wurde und er kurz den Atem anhalten musste. So viel erotische Ausstrahlung, selbst auf einen Geschlechtsgenossen, gehörte sich eigentlich verboten. Schnell wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu, doch er ertappte sich immer wieder bei flüchtigen Blicken nach hinten. Überrascht stellte er fest, dass der Anzug an Jérôme besser aussah, als er das an Scott je getan hatte. Anscheinend konnte der Vampir alles tragen. Eine beneidenswerte Eigenschaft.
 

"Und, sieht gut aus?", wollte Jérôme wissen, als er wieder nach vorne kam und sich neben Gabriel auf dem Beifahrersitz niederließ.

Gabriel warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und meinte: "Kann man lassen."

"Kann man lassen? Ist das alles, was du zu sagen hast?", ereiferte sich der Blondschopf.

"Anbetungswürdig", benutzte Gabriel Viviannes Wort.

"Warum hört sich das von dir nur so nach Beleidigung an?", fragte der Vampir rhetorisch.

"Ehrlich, du siehst gut aus. Jetzt werden sich die alten Schabracken aus der Nachbarschaft entscheiden müssen, ob sie ihre Töchter mit mir oder mit dir verheiraten wollen", erklärte der Sänger ernsthaft.

"So schlimm wird's wohl nicht werden, oder?", erkundigte sich Jérôme hoffnungsvoll.

Doch es sollte so schlimm werden.
 

Als Gabriel den Van in die Einfahrt der Villa der Harts lenkte, staunte Jérôme nicht schlecht.

"Wusste gar nicht, dass deine Eltern so reich sind, nachdem du in so 'ner kleinen Bude hockst", stellte er bewundernd fest.

"Na ja, reich ist relativ. Sagen wir sie sind so ziemlich oberer Teil der Mittelschicht. Dad ist Anwalt und Mum war mal Konzertpianistin, doch sie hat schon lange kein Konzert mehr gegeben. Wenn's nach meinem Vater gegangen wäre, würde ich jetzt Jura studieren um in seine Kanzlei einzutreten, welche ich, bitteschön, auch mal eines Tages übernehmen sollte. Aber darauf hab ich gar keine Lust. Weißt du, ich hab das College sogar mit Auszeichnung bestanden, aber… dieses ganze Spießbürgertum ist einfach nicht mein Fall, deshalb hab ich mich losgeeist und bin mit nach New York gezogen als die Jungs beschlossen, dorthin zu gehen und dort ihr Glück zu versuchen. Ist vielleicht ein Stück weit blödsinnig, aber für mich war es ein wichtiger Schritt in die Unabhängigkeit. Ich will mich nicht anpassen oder verbiegen lassen, nur weil es meinem alten Herrn so gefällt. Verstehst du das?"

"Ja, ich glaube schon. Ich bin froh, dass du deinen eigenen Kopf durchgesetzt hast. Genau diese Unnachgiebigkeit ist es, die dich so anziehend macht", antwortete der Vampir.

"Anziehend? Mein Alter findet es wohl eher abstoßend. Aber das wirst du schon noch früh genug sehen. Komm, wir sagen hallo." Er zog den Schlüssel ab und verließ das Auto. Jérôme folgte ihm.
 

"Oh, Liebling, da seid ihr ja schon!", rief ihm seine Mutter bereits von der Tür aus entgegen. Sie war in ein saphirblaues Abendkleid gehüllt und hatte ihre schulterlangen hellbraunen Haare kunstvoll hochgesteckt. Wieder einmal stellte Gabriel fest, dass sie für ihre 47 Jahre verdammt gut aussah. Schlank wie eh und je kam sie elegant auf die beiden Neuankömmlinge zugeschwebt und drückte ihren Sohn fest an sich.

"Irgendwie hast du dich verändert. Hast du mehr Krafttraining gemacht?", fragte sie.

"Hab ich", bestätigte Gabriel.

"Hm, aber dein Gesichtsausdruck ist weicher geworden, Schätzchen. Und dann dein Haar. Meine Güte, es sprießt anscheinend wie Unkraut. Du siehst schon fast aus wie eine Frau. Wenn das dein Vater sieht. Aber es ist dein Stil, damit muss er eben klar kommen. Und nun zu deinem Begleiter." Damit wandte sie sich Jérôme zu. "Jérôme, wie ich vermute?"

"So ist es. Ich konnte es kaum erwarten, Sie persönlich kennen zu lernen, Maggie", antwortete dieser und nahm, wie auch schon bei Vivi ihre Fingerspitzen und hauchte ihr einen Handkuss auf den Handrücken. Margaret Hart errötete leicht, doch sie sagte: "Formvollendet, ohne die Haut zu berühren. Sie haben Ahnung von dem was Sie tun, junger Mann."

"Die französische Galanterie, Madame. Darf ich bemerken, dass Sie ganz bezaubernd aussehen, liebe Maggie? Diese Farbe steht Ihnen ausgezeichnet. Sie passt hervorragend zu Ihren Augen." Er lächelte sein charmantestes Lächeln.
 

Gabriels Mageninhalt schien sich krampfhaft etwas frische Luft erhaschen zu wollen. Er musste zugeben, dass er ein kleines, aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen eifersüchtig auf seine Mutter war, obwohl er wusste, dass Jérôme nur höflich sein wollte.
 

"Ist schon gut, alter Charmeur", sagte er. "Heb dir noch ein paar von deinen Schmeicheleien für später auf. Du wirst sie verdammt nötig haben, also verschwende sie nicht an die erste Frau, die dir über den Weg läuft."

"Wie war das, junger Mann?", fragte seine Mutter drohend. "Verschwenden? Ich bin vielleicht nicht mehr ganz taufrisch, das mag sein, aber deswegen hört man auch in meinem Alter noch gerne Komplimente von hübschen jungen Männern."

"Ich hab nicht gesagt, dass er Unrecht hat", lenkte Gabriel ein. "Du siehst echt toll aus, Mum", fügte er mit einem versöhnlichen Lächeln bei.

"Das will ich aber auch ganz stark hoffen", meinte sie. "Na dann kommt rein. Oh, und Gabriel, Schätzchen, dein Anzug hängt in dem Schrank in deinem Zimmer. Ich habe ihn ausgelüftet und noch einmal reinigen lassen. Hoffentlich passt er noch."

"Wird er schon, keine Sorge, Mum. Wo ist Dad?"

"Oh, er kümmert sich noch um ein paar Kleinigkeiten. Zieh dich am besten um solang er noch beschäftigt ist. Mit deinem Aufzug wäre er noch weniger einverstanden als mit deiner Frisur", sagte sie und betrachtete misstrauisch die ausgeleierte Jeans, die Turnschuhe und den viel zu großen, beigefarbenen Pullover. "Ach ja, und nimm die Ohrringe raus. Du weißt, dass dein Vater sie nicht mag."

"Ja, ja", sagte er genervt. Jérôme raunte er zu: "Soviel zum Thema verbiegen." Der Vampir lächelte hintergründig.
 

Gabriel huschte die Treppe hinauf in sein altes Zimmer. Dort fand er im Schrank tatsächlich seinen Anzug, ein neues, weißes Hemd, frische Socken und, sehr zu seinem Leidwesen, auch schwarze Lackschuhe. Er zog sich um und nahm tatsächlich seine vier Ohrringe am linken Ohr, drei an der Ohrmuschel, einer im Ohrläppchen, heraus. Dann band er seine Haare straff zusammen, wobei ein dicker, kaum zu bändigender Zopf entstand. Er betrachtete sich selbst noch einmal von allen Seiten vor dem großen Spiegel, befand sich für tauglich und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Auf seinem Weg kam er am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei. Er hörte, dass sie sich unterhielten, doch es war ihm egal worüber, bis er seinen Namen hörte. Neugierig wie er war, lauschte er.
 

"Was, jetzt bringt er auch noch einen Mann mit?", wetterte sein Vater.

"Beruhig dich, Liebling", beschwichtigte seine Mutter. "Ich habe ihn eingeladen. Der junge Mann ist sein Mitbewohner. Er ist sehr charmant, weißt du?"

"Mitbewohner, ha, dass ich nicht lache. Wenn der Junge jetzt auch noch meint, plötzlich homosexuelle Neigungen zu zeigen, dann wird er enterbt", beschloss Rupert Hart.

"Aber das ist doch nicht der Fall. Ach, Bärchen, jetzt schau ihn dir doch wenigstens einmal an", bat Margaret.

"Ich erinnere mich, dass du bei einem gewissen David Rock damals genau das gleiche gesagt hast. Nur, dass es damals nicht "charmant" sondern "intelligent" war. Und selbst das bezweifle ich heute."

"Man kann David und Mister Saint Claire nicht miteinander vergleichen. Und außerdem sind Gabriel und er, wie mir Mister Saint Claire selbst versicherte, nur gute Freunde, also jetzt stell dich nicht so an, Rupert Hart."

"Aber das eine sag ich dir, Margaret: Sobald er meint, sich zur Homosexualität bekennen zu müssen, wird er enterbt", beschloss Gabriels Vater.
 

Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und Mister Hart stürmte heraus, geradewegs die Treppe hinunter, ohne auf den verdutzten Gabriel zu achten, der wie belämmert dastand. Margaret folgte kurz darauf, sie jedoch bemerkte ihren Sohn. "Keine Sorge", sagte sie. "Er pumpt sich nur wieder ein bisschen auf. Er meint es nicht so. Komm mit nach unten. Jérôme erwartet dich schon." Sie reichte ihm ihren Arm und gemeinsam gingen Sie hinunter.
 

Der Empfang wurde, wie Gabriel befürchtet hatte, schrecklich langweilig. Fast bereute er es, überhaupt gekommen zu sein. Seine einzige Freude bestand darin, zu beobachten, wie Jérôme von sämtlichen Damen und, zu seiner Überraschung, auch etlichen Herren, förmlich mit Beschlag belegt wurde. Nur waren die Beweggründe dieser Zielgruppen andere. Die Damen sahen in ihm eine gute Partie, die Herren einen interessanten Gesprächspartner.
 

Das Problem dabei war, dass er selbst wenig mit seinem Freund plaudern konnte. Aber dafür hatte er ja Vivi, die, im Gegensatz zu sonst, eine Hochsteckfrisur und ein schönes, smaragdgrünes Abendkleid trug. Und, gesprächig wie immer, David. Plötzlich bemerkte er, dass ihm Jérôme, der gerade mit der korpulenten, doch wohlhabenden Mrs. Majors von nebenan in ein Gespräch vertieft war, Hilfe suchende Blicke zuwarf. "Entschuldige mich kurz", sagte er zu Vivi und ging zu Jérôme hinüber.
 

"Ach, ja, und meine Tochter Virginia, Mister Saint Claire, die ist vielleicht eine Schönheit. Hat schon bei etlichen Misswahlen gewonnen. Und ihr größter Vorteil, Sie werden es nicht glauben: Sie spricht fließend französisch. Sie hat mir sogar schon ein paar Sätze beigebracht", erzählte Mrs. Majors gerade enthusiastisch, als sich Gabriel einmischte.

"Mrs. Majors! Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen! Es freut mich sehr, Sie wieder zu sehen", strahlte er sie an.

"Oh, Gabriel, mein Junge!", erwiderte die ältere Dame überschwänglich. "Sie werden von Jahr zu Jahr hübscher. Meine Güte, Sie wären wirklich eine besonders gute Partie für meine Tochter Victoria."

"Vielen Dank für das Kompliment, Mrs. Majors, doch ich müsste ganz kurz Ihren Gesprächspartner entführen, wenn Sie gestatten", bat Gabriel mit schelmischem Lächeln.

"Oh, sicher. Wenn Sie ihn mir wiederbringen", lächelte die Dame.

"Das werde ich, ganz bestimmt", versprach er und hakte sich bei Jérôme unter. "Komm mit raus", flüsterte er ihm zu.

Unterwegs begegneten sie einem der extra engagierten Kellner, der sie höflich fragte: "Eine Bloody Mary, die Herren?"

Jérôme erwiderte grinsend: "Wenn Sie eine Kollegin haben, die Mary heißt, dann gerne." Daraufhin trat ihm Gabriel kräftig auf den Fuß.

"Entschuldigen Sie bitte", sagte er zu dem Kellner. "Er hält sich für den geborenen Komiker."

"Sicher, Sir", bemerkte der Kellner nur mit gelassener Miene.
 

Draußen im Garten lag eine dünne Schneeschicht, auf der Gabriels und Jérômes Fußabdrücke gut zu sehen waren. Die beiden schlenderten ein wenig nebeneinander her.

"Verstehst du jetzt, warum ich nicht gerne hierher komme?", fragte Gabriel.

"Ja, so langsam schon. Du meine Güte. Ich dachte schon, die Alte quatscht mich tot", antwortete Jérôme.

"So geht's mir schon seit Jahren. Um ziemlich genau zu sein, seit ich die Highschool beendet hatte. Dabei will ich gar nichts von diesen ganzen Tussis. Ich bin mit denen aufgewachsen, ich weiß also, was ich kriegen würde."

"Hast mein vollstes Verständnis. Und mein Beileid", erklärte der Vampir.

"Wie sieht's aus, hast du Hunger?", erkundigte sich Gabriel.

"Nein. Ich hab gestern gut vorgetankt. Das hält 'ne Weile. Und zur Not hab ich ja noch dich."

"Ich will aber nicht dein Dauerblutspender werden, klar?", neckte der Musiker.

"Klar. Übrigens, du siehst echt gut aus. Ist mir schon aufgefallen, als du die Treppe runter gekommen bist. Der Anzug steht dir."

"Danke. Aber ich fühl mich nicht wohl darin. Ich bin froh, wenn ich ihn wieder ausziehen kann", gestand Gabriel.

"Darf ich dir dabei helfen?", fragte Jérôme hoffnungsvoll.

"Nein, wie kommst du darauf?", fragte der Sänger zurück.

"Schade", schmollte sein Mitbewohner. "Aber weißt du, so langsam bekomme ich doch ein bisschen Appetit."
 

Er hielt Gabriel am Arm fest und drehte ihn zu sich herum. Sanft streichelte er über den schlanken weißen Hals. Er spürte, wie sich Gabriels Atem beschleunigte und sein Herz schneller schlug. Langsam beugte er sich zu ihm hinunter um ihm einen Kuss zu stehlen.

Plötzlich wurden sie gerufen. "Jérôme, Gabriel, kommt ihr bitte rein? Es ist kurz vor Mitternacht", ließ sich Vivis Stimme vernehmen.

"Sicher, wir kommen gleich!", rief ihr Bruder ihr über die Schulter zu. Wie viel hatte sie gesehen und würde sie es jemandem erzählen?
 

Im Inneren hatten die Gäste bereits angefangen, nach unten zu zählen. Gabriel hatte Vivi zu seiner Rechten, Jérôme zu seiner Linken. "Acht, sieben, sechs, fünf…", kam es von allen, da fiel ihm auf, dass sein Schnürsenkel offen war. Er bückte sich hinunter, um die Schleife neu zu binden. "… vier, drei, zwei, eins, Frohes Neues Jahr!"
 

Jérôme war sicher gewesen, Gabriel neben sich stehen zu haben. In dem allgemeinen Freudentaumel anlässlich des neuen Jahres glaubte er, es würde nicht weiter auffallen, deswegen schnappte er sich die Person neben sich, zog sie in seine Arme und küsste sie. Um sie herum verstummte alles. Plötzlich vernahm er ein verärgertes Räuspern.
 

"Jérôme Saint Claire, könntest du mir bitter erklären, was du da machst?", fragte Gabriels Stimme. Da realisierte er, dass etwas komplett falsch lief. Er ließ von der Person in seinen Armen ab und erkannte… "Vivi!", rief er erschrocken und ließ sie los.

"Och, wie schade", schwärmte sie und sah ihn verträumt an. "Du hättest gerne noch ein wenig weitermachen können…"

"Entschuldige bitte. Ich dachte, du wärst dein Bruder", entschuldigte sich der Vampir.
 

Jetzt war Gabriel definitiv am Kochen. "Komm sofort mit", knurrte er gefährlich und packte Jérôme am Ohr, um ihn an selbigem hinaus zu schleifen.

"Au, au, au, lass los, bitte", jammerte dieser, doch es half nichts. Erst als sie in der Gartenlaube angekommen waren ließ Gabriel seinen Gefangenen los.
 

"Spinnst du?", fuhr er ihn an. "Erst küsst du meine Schwester vor versammelter Mannschaft, inklusive ihres Verlobten und dann, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, behauptest du, du wolltest eigentlich mich haben. Sag mal, tickst du noch ganz richtig?"

"Entschuldige. Ich dachte, in dem ganzen Taumel fällt' s nicht auf", antwortete Jérôme betreten.

"Von wegen. Na das neue Jahr fängt ja gut an. Wirklich, Jérôme, du bist unmöglich", seufzte der Sänger. Verärgert wandte er sich von seinem Mitbewohner ab.

"Mitternacht ist zwar vorbei, aber…", begann Jérôme, "… du kannst gerne trotzdem deinen Neujahrskuss haben."
 

"Was?", konnte Gabriel nur noch fragen, dann hatte der Vampir ihn zu sich umgedreht und seine Lippen mit einem Kuss verschlossen. "Frohes Neues Jahr, Gabriel", raunte er ihm zu, als sie sich wieder voneinander lösten.

"Dir auch, Jérôme", flüsterte Gabriel und löste sich aus Jérômes Armen. 'Oh Mann, hoffentlich hat das keiner gesehen', dachte er.
 

Am nächsten Tag kehrten sie nach New York zurück. Jérôme hatte im Van übernachtet, obwohl ihm Gabriels Mutter angeboten hatte, doch mit ihrem Sohn das Bett zu teilen, da dieses ja groß genug für zwei sei, doch er hatte abgelehnt als er den "Wage-es-ja-zu-sagen-und-du-bist-tot-Blick" Gabriels gesehen hatte.
 

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Wie immer wär ich für ein oder zwei Kommis dankbar. Aber ich denke, das macht ihr sowieso.
 

Bis zum nächsten Mal.

Kapitel 8 - Das Spiel geht weiter

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 9 - Ein neuer Anfang

Griazi midanand. Neues Kapi, selbe Story, selbe Witze. XD
 

Viel Spaß ^^
 

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Kapitel 9

Ein neuer Anfang
 

Gabriel verbrachte den größten Teil der Nacht mit Grübeln und vor sich hin dösen. Kaum, dass Jérôme die Wohnung verlassen hatte, bekam er fürchterliche Gewissensbisse. Der Vampir hatte ihm nichts Schlechtes gewollt und, ganz ehrlich, was war schon schlimm daran gewesen? Immerhin war es seine eigene Entscheidung gewesen, ihm, Gabriel, auf diese Art und Weise einen Gefallen zu tun. Und er hatte sich nicht wirklich gewehrt, höchstens symbolisch. Er fühlte sich wie das allergrößte Arschloch auf Erden.
 

Wann hatte er sich eigentlich das letzte Mal so bei jemandem fallen lassen? Nicht einmal seine letzte Freundin hatte es vermocht, solche Gefühle in ihm zu wecken. Er fühlte sich hundeelend. Er verließ das Haus bevor Jérôme zurückkam und machte sich auf den Weg zu Scott, der sich, dank der finanziellen Unterstützung seiner Eltern, ein kleines Haus mit Garage für den Van gemietet hatte, und in dessen erstem Stockwerk sich ein kleines Musikstudio befand.
 

Scott war von Gabriels Ankunft nicht gerade begeistert. "Es ist sieben Uhr morgens, Mister Hart. Normale Leute schlafen da noch…", meckerte er.

"Falsch. Normale Leute arbeiten um diese Zeit schon. Und genau das hab ich jetzt vor", erwiderte Gabriel.

"Arbeiten? Ach so, du meinst, dein Kreativtief ist vorbei, ja?", erkundigte sich Scott und ein breites Grinsen zog sich über sein mindestens seit einer Woche nicht mehr rasiertes Gesicht.

"Yep, genau das. Und jetzt lass mich bitte vorbei damit ich anfangen kann, ja?", bat der Chef der Band und zwängte sich an ihm vorbei. Scott schloss hinter ihm die Tür und folgte ihm die Treppe hinauf ins Studio, wo sich der Sänger bereits an einem kleinen Tisch niedergelassen hatte und in ein Heft kritzelte.
 

"Scheint ja richtig ernst zu sein mit deiner Kreativität, was?", fragte er.

Sein Gegenüber nickte nur, doch im Hinblick auf Scotts neugierige, schokobraune Augen erzählte er ihm schließlich von dem Casting und dem Soundtrack.
 

"Also haben wir das dem Typen zu verdanken, der bei dir wohnt, ja?", hakte sein Freund nach und zwirbelte einen Haargummi in seine braunen Locken. "Was ist das jetzt eigentlich zwischen euch? Ich meine, du nimmst ihn sogar zu deinen Eltern mit, also was soll ich denn davon halten?", fuhr er fort.

Gabriel seufzte. "Weiß auch nicht", sagte er schlicht. "Er ist einfach ein guter Freund, schätze ich."

"So, so. Nur ein guter Freund also? Der letzte Typ jedenfalls, an dem du so gehangen hast, war Brian. Und wenn ich's mir recht überlege, dann haben Brian und Jérôme so einiges gemeinsam…", überlegte der Gitarrist.
 

"Jetzt lass aber mal Brian da raus. Der hat damit gar nichts zu tun. Außerdem ist er weg und damit aus die Maus. Und Gemeinsamkeiten kann ich schon gar nicht entdecken. Was Jérôme betrifft, den lassen wir jetzt auch mal einfach unter den Tisch fallen, ja?", erwiderte der Sänger giftig.

"Schon gut, schon gut", beschwichtigte Scott. "Ich wollt' s ja nur gesagt haben. Du siehst übrigens Scheiße aus. Gibt's Ärger zwischen euch?"

"Scott, sei bitte ein Goldstück und mach mir 'ne Tasse Kaffee, ja? Und wenn du schon dabei bist, dann kannst du mir auch gleich was zu essen mitbringen. Hatte noch keinen Hunger als ich zu Hause weg bin. Bitte."

"Okay, der Herr will nicht reden. Soll mir auch Recht sein. Kaffee kommt gleich."
 

Er streckte Gabriel die Zunge raus und begab sich zurück ins Erdgeschoss, wo er in seiner kleinen Küche eine Kanne Kaffe aufsetzte. Ihr Leadsänger hatte sich verändert. Ob ihm das überhaupt auffiel? Wohl eher nicht. Er war viel ruhiger und ausgeglichener und schien mit der Welt um einiges zufriedener zu sein. Und sein Verfolgungswahn, der ihnen allen schon tierisch auf die Nerven gegangen war, war wie weggeblasen. Außerdem schien seine Mimik weicher und in seinen Augen glomm ein unbekanntes, seltsames, neues Feuer.
 

Andererseits jedoch blieb er jetzt nach ihren Auftritten nur noch selten länger als eine Stunde bei ihnen und ging dann sofort nach Hause. Dieser Franzose, den er bei sich aufgenommen hatte, übte eine ganz schöne Macht auf ihn aus. Irgendwie war er Scott und den anderen Jungs unheimlich. Jamie hatte sogar behauptet, ihm würden sich sämtliche noch so kleinen Härchen aufrichten, wenn dieser Mann in der Nähe war und Scott konnte ihm da nur zustimmen. Nicht, dass Jérôme unfreundlich wäre, nein, er war äußerst nett und witzig, doch es stimmte etwas nicht mit ihm und zwar ganz eindeutig.
 

Als Scott mit Kaffee und ein paar Sandwichs nach oben kam, saß Gabriel vor dem Keyboard und kaute in Überlegungen vertieft am Ende eines Bleistifts herum. Dann machte er noch einige kleinere Korrekturen auf dem Blatt vor sich und begann, zu spielen. Eine traurige, düstere Melodie, die etwas leicht Anklagendes hatte. 'Also doch schlechte Luft', dachte Scott, stellte den Teller und die Tasse auf dem kleinen Beistelltisch ab und lauschte Gabriels Spiel.
 

"Wunderschön", stellte er lächelnd fest, als sein Kollege geendet hatte.

"Danke. Die Melodie geht mir schon seit Wochen im Kopf rum. Ist zwar sonst nicht ganz unser Stil, aber ansonsten nicht schlecht, denke ich", erklärte Gabriel.

"Stimmt. Unser Stil ist es nicht ganz, aber es kommt gut. Ich denke nicht, dass du noch groß was anderes dazu brauchst, als deine Stimme. Du und das Keyboard, mehr ist zu dem Lied gar nicht nötig. Ich hab übrigens die Jungs zusammengerufen. Hab beschlossen, dass wir gleich mal wieder proben sollten, wenn du schon mal Zeit und Lust hast."

"Von mir aus. Ich hab in der Tat jede Menge Zeit", stimmte der Sänger zu. Er hatte beschlossen, bis zu seiner Schicht bei Tino bei Scott zu bleiben und möglichst lange zu arbeiten. Je länger er das Treffen mit Jérôme aufschieben konnte, desto besser.
 

Auch Jérôme hatte eine ruhelose Nacht hinter sich. Er war so wütend und verzweifelt, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, noch ein wenig mit seinem Opfer zu spielen, sondern es gleich und ohne zu zögern aussaugte. Doch er war auch nicht in der Stimmung, zu töten, deshalb hatte er den jungen Mann ausnahmsweise am Leben gelassen. Der hatte es gut. Morgen würde er wohl behaupten, alles wäre nur ein Alptraum gewesen. Gabriel hingegen würde sich an alles nur allzu genau erinnern.
 

Er war so ein Narr. Hatte er tatsächlich geglaubt, er könnte mehr für ihn sein? Wütend trat er gegen eine Mülltonne, die ein Stück weit davonflog und scheppernd und mit einer riesigen Delle gegen eine Wand krachte. Einige der Bewohner des Hochhauses, hinter dem er sich befand, schalteten das Licht ein und versuchten durch ihre Fenster, den Ursprung der nächtlichen Ruhestörung herauszufinden. Jérôme verbarg sich einfach in den Schatten. Eine außerordentlich nützliche Fähigkeit, vor allem, wenn man auf der Flucht war oder schlicht und einfach seine Ruhe haben wollte.
 

Wie hatte er nur so die Kontrolle über sich verlieren können? Er lehnte sich an die Wand hinter sich und hielt sein Gesicht den dicken Schneeflocken entgegen, die leise und sacht vom Himmel schwebten. 'Idiot!', schalt er sich selbst. 'Wie konntest du nur zulassen, dass es so weit kommt? Du hast ihn einfach überrumpelt und damit verletzt. Du bist so blöd. Warum verliebst du dich auch ausgerechnet in einen Hetero?'
 

Gabriel hatte ihm ganz klar gemacht, dass er ihn nicht wollte, obwohl, oder vielleicht gerade weil er sich so angestrengt hatte, ihn zu erobern. 'Wie konnte mir denn das passieren? Achthundert Jahre lang nicht eine einzige Ablehnung und dann das? Das erste Mal richtig verliebt und gleich ein solcher Misserfolg. Super, Jérôme, ganz Klasse. Jetzt kannst du nur hoffen, dass er dich nicht dauerhaft aus seinem Leben rausgeschmissen hat.' Bei dieser Vorstellung sackte sein Herz gewaltig ab.
 

Als er zurückkam, war Gabriel bereits fort. Ohne Nachricht und anscheinend auch ohne Frühstück. 'Mann, er muss ganz schön sauer auf mich sein…', dachte er und zog sich in seinen Sarg zurück. Sein Schlaf war nicht gerade erholsam, denn er wurde von all denen verfolgt, die ihm einmal etwas bedeutet hatten. Pierrick, Frédéric, Jason, ja nicht einmal Ibliis verschonte ihn mit seiner imaginären Anwesenheit, obwohl er den nicht einmal ansatzweise hatte leiden können.
 

Gabriel kam früh nach Hause. Er hatte mit den Jungs geprobt und festgestellt, dass sie noch mehr proben mussten, wenn sie tatsächlich mal den Durchbruch schaffen wollten. Das hatte er ihnen auch gesagt, doch mittlerweile bereute er es wieder, denn eigentlich, musste er sich eingestehen, waren sie gut und mit Feuereifer bei der Sache gewesen. Jetzt hatte er nicht nur Jérôme verletzt sondern auch seine ältesten und besten Freunde. Er rief bei Tino an und meldete sich krank. Es ging ihm zwar nicht wirklich schlecht, doch er kannte sich und wusste, dass er in Situationen, in denen er in ganz mieser Stimmung war, auch auf Gäste keine Rücksicht mehr nahm und seine schlechte Laune eventuell an ihnen auslassen würde.
 

Deprimiert machte er sich auf dem Sofa lang. Bis Sonnenuntergang war es noch etwas hin und er spürte langsam, dass ihm doch etliches an Schlaf fehlte, deshalb rollte er sich ein und war in wenigen Augenblicken eingeschlafen.
 

Er war zu Hause in Boston, doch es war jetzt Ende August, ein strahlend schöner Sommertag. Ein roter Kleinbus stand vor dem Haus seiner Nachbarn. Der gehörte Brian. Er stand gegen den Bus gelehnt, neben sich die Gestalt seines besten Freundes.
 

"Willst du es dir nicht doch noch mal überlegen, Brian? Ich meine, studieren kannst du doch auch hier", sagte er hoffnungsvoll.

"Nein, Gabriel. Meine Entscheidung steht fest. Ich gehe an die Westküste. Glaub mir, wenn ich hier bliebe, könnte ich mich nicht gründlich auf mein Studium konzentrieren", antwortete Brian und wandte ihm sein Gesicht zu. Sein strohblondes Haar wehte leicht im Wind und seine blauen Augen blickten mitfühlend. "Ich komm doch wieder", versprach er.

"Schreib mir, ja?", bat Gabriel und fühlte einen dicken Kloß in seinem Hals.

"Mach ich", versprach Brian, stieg in den Bus und sagte ihm Leb wohl.
 

Dann fuhr er davon. Selbst jetzt, einige Jahre später, fühlte Gabriel die Feuchtigkeit der Tränen, die über seine Wangen liefen. Damals hatten ihn die Jungs von der Band getröstet mit so coolen Sprüchen wie: "Männer weinen nicht" oder "Indianerherz kennt keinen Schmerz" und schließlich schlicht und ergreifend "Mensch, jetzt hör endlich auf, zu flennen oder du fliegst aus der Band".
 

Plötzlich war da eine warme Hand, die ihm die Tränen wegwischte. Der Traum verschwamm und er kehrte in die Wirklichkeit zurück. Vor ihm war ein Blondschopf mit durchdringenden blauen Augen. "Hätte ich gewusst, dass das alles solche Auswirkungen hat, dann hätte ich dich nicht einmal angesehen, geschweige denn angefasst", sagte Jérôme leise.
 

Gabriel blinzelte ein paar Mal und setzte sich auf. Jérôme hatte Recht, das Sofa war zum Schlafen wirklich zu unbequem. Er war komplett verspannt.

"Geht's wieder?", fragte der Vampir besorgt. Gabriel nickte. "Gut, dann geh ich jetzt", sagte der Franzose entschieden.

"Warte!", rief der Musiker und hielt seine Hand fest. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass Jérôme ihn für immer verlassen wollte. "Ich lass dich nicht gehen, ohne mich bei dir zu entschuldigen."

"Du? Wieso du? Ich bin es doch, der sich entschuldigen muss", erwiderte der Vampir, doch er setzte sich neben Gabriel aus Sofa.

"Anscheinend haben wir beide ziemlich Mist gebaut, was?", stellte Gabriel fest. "Jedenfalls wollte ich dir sagen, dass es mir Leid tut, wie ich mich gestern aufgeführt hab. Ich hab mich wie der letzte Idiot benommen. Ich kann dir selbst nicht genau sagen, warum. Wahrscheinlich war ich mit der Situation überfordert. Jedenfalls hab ich total übertrieben reagiert. Tut mir Leid, Jérôme. Verzeih mir bitte."

"Es ist nicht deine Schuld, Gabriel. Wirklich nicht, denn siehst du, hätte ich nicht angefangen, oder hätte aufgehört, als du mich darum gebeten hast, dann wäre es nie so weit gekommen. Ich bin es, der deine Vergebung braucht. Jetzt weinst du sogar wegen mir und bittest mich um Verzeihung. So weit kommt's noch, nur, weil der blöde Vampir nicht die Finger stillhalten kann", erwiderte Jérôme.

"Also erstens hab ich gar nicht wegen dir geweint", antwortete der Sänger, "und zweitens hab ich von deinen Fingern eigentlich weniger gespürt." Sein Versuch, ernst dreinzuschauen scheiterte an dem Grinsen, das sich ihm aufzwang.
 

"Was meinst du, wollen wir einfach noch mal von vorne anfangen?", schlug der Vampir vor.

"Einverstanden", stimmte Gabriel zu.

"Darf ich dich küssen?"

"Nein."

"Nur ein kleines Versöhnungsküsschen?"

"Nein."

"Warum nicht? Ich dachte, wir fangen noch mal von vorne an", schmollte Jérôme mit Hundedackelbettelblick.

"Na gut, komm schon her", lenkte der Musiker ein und drückte seinem Mitbewohner einen kleinen aber feinen Kuss auf.

"Das ging aber auch schon mal besser", meckerte dieser.

"Mehr ist im Moment nicht drin", erklärte Gabriel Schulter zuckend. "Ich brauch einfach mal ein bisschen Abstand um nachzudenken."

"Fies."

"Dein Problem. Leb damit oder lass es bleiben."

"Da ist sie wieder, meine kleine Kratzbürste. Na wenigstens wird mir mit dir nicht so schnell langweilig", lächelte Jérôme. "Ach ja", stöhnte er und erhob sich. "Dann werd' ich mal sehen, ob ich was zu beißen auftreibe."
 

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Muss ich noch groß was dazu sagen? Kommis immer erwünscht. ^^

Kapitel 10 - Der Jäger und seine Beute

Tagchen, zusammen.
 

Dieses Kapitel ist all jenen gewidmet, die, ebenso wie ich, fast vergessen haben, dass Jérôme ein Vampir ist. ^^
 

Viel Spaß damit
 

Myrys
 

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Kapitel 10

Der Jäger und seine Beute
 

Ein paar Tage später traf das Drehbuch ein, zusammen mit den Verträgen zum einen für Gabriel wegen der Rolle und zum anderen für den Soundtrack, jeweils in doppelter Ausführung. Aus dem Vertrag entnahm Gabriel, dass der Film den prägenden Titel "Noches del Sangre" trug, "Nächte des Blutes". Ganz toll. Klang sehr wie ein billiges B-Movie.
 

'Oh, Jérôme, wo hast du mich da bloß reingeritten?', dachte er und überflog die erste Seite des Drehbuchs. Die Aufstellung der Charaktere. Einer der Namen ganz oben war grün unterlegt, was wohl bedeutete, dass dies seine Rolle war. Der Knilch, den er spielen sollte, hieß prägender Weise Noir. Toller Name.
 

Er fläzte sich auf die Couch und begann, das Drehbuch durchzulesen. Vorher blätterte er es kurz durch und fand erstaunlich viel Grün. 'Mann, dieser Noir hat ja echt viel zu sagen', überlegte er. Ehe er sich versah, hatte er sich tief in die Story hineingelesen. Der Stoff war zwar nicht weltbewegend neu, jedoch glaubte er, dass der Film echt gut werden könnte, wenn der Regisseur ihn einigermaßen in Szene setzte. Bei genauerer Analyse seiner Rolle huschte ein Grinsen über sein Gesicht.
 

Er spielte den Bösen, den charismatischen Anführer der "Schwarzen Bruderschaft", gegen die sich der tragische Held zur Wehr setzen musste. Dieser erinnerte ihn doch sehr stark an Louis aus "Interview mit einem Vampir". Ständig am Hadern mit seinem Schicksal und richtig schön sauer auf den, der ihn gemacht hatte. Fast ein wenig wie Jérôme. Er grinste. Würde sich wohl keiner auch nur ansatzweise träumen lassen, dass ausgerechnet er ein lebendes Objekt der Spezies Blutsauger zu Hause hatte.
 

Alles gut und schön, doch wie spielte man eigentlich einen bösen Vampir, und das dann noch, ohne ihn allzu unsympathisch rüberkommen zu lassen? In seinen Gedanken reifte ein Plan…
 

Bei Tino war die Hölle los und Gabriel fragte sich, ob er überhaupt noch mal nach Hause kommen würde. Während einer kurzen Verschnaufpause rief er zu Hause an und hinterließ Jérôme eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, nicht aus dem Haus zu gehen, bevor er nicht zurück war.
 

Um kurz nach Mitternacht betrat er endlich seine Wohnung, doch seine Nacht war noch lange nicht vorbei, zumindest, wenn es nach ihm ging.

Jérôme saß auf dem Sofa und las in Gabriels Textbuch. Als sein Mitbewohner ins Wohnzimmer kam, sagte er: "Meine Güte, was für eine Rolle. Na ja, die werden schon wissen, warum sie ausgerechnet dich wollten…" Er legte seine Lektüre zur Seite und schaute Gabriel erwartungsvoll an. "Also, was ist es, das du mir sagen möchtest bevor ich die geheiligten Hallen unserer Unterkunft verlasse?", erkundigte er sich.
 

"Nimm mich mit", antwortete Gabriel knapp.

"Wie bitte?"

"Du hast mich schon richtig verstanden. Ich will mitkommen. Wenn ich die Rolle, die mir zugedacht ist, gut spielen soll, dann muss ich doch am lebenden Objekt üben können, oder?"

"Mag ja sein", gab Jérôme zu, "aber deswegen glaube ich nicht, dass das eine gute Idee ist…"

"Warum nicht? Ich meine, einen Vampir in Action zu sehen ist mal was ganz Neues für mich. Außerdem hab ich überhaupt keine Ahnung, wie ich an das Ganze rangehen soll. Ich brauch 'ne Inspirationsquelle und wer wäre da besser geeignet als du?"

"Ein Vampir in Action? Ich denke, du hast vergessen, wie wir uns kennen gelernt haben, mein lieber Gabriel. Aber wenn du möchtest, helfe ich deinem Gedächtnis gerne wieder auf die Sprünge." Er stand auf und kam langsam näher, wobei er sein Gegenüber mit kühlem Blick musterte. Gabriel wich instinktiv zurück, sodass er bald an der Wand des Flurs anlangte.
 

"Du willst also wissen, wie es ist, der Jäger zu sein", raunte Jérôme und stützte sich mit beiden Händen neben Gabriels Kopf an der Wand ab. "Du willst wissen, wie es ist, seine Beute in die Ecke zu drängen, sie zu umkreisen und zu umgarnen, bis sie sich freiwillig ausliefert? Du willst sehen, wie sie ihr Leben in den Fängen des Jägers aushaucht? Bist du dir absolut sicher?"
 

Er war so nah, dass Gabriel seinen Atem in seinem Gesicht spüren konnte. Er wusste, wie es war, er hatte es schon einmal gesehen, doch damals hatte er zu sehr unter Schock gestanden. Diesmal war es anders. Er war auf das vorbereitet, was da kommen mochte. Er nickte bestimmt.

"Gut, dann komm mit. Aber ich warne dich, es wird nicht leicht für dich sein", antwortete der Vampir und stieß sich von der Wand ab.
 

Ein eiskalter Wind umwehte sie, als sie das Haus verließen. "Wo gehen wir jetzt hin?", fragte Gabriel interessiert.

"Wir stürzen uns ins Nachtleben", antwortete Jérôme schlicht.
 

Obwohl es mitten unter der Woche war, war der Club, den sie soeben betreten hatten, gerammelt voll. Laute Musik dröhnte ihnen entgegen und Gabriel hatte Mühe, Jérôme zu verstehen, sodass sich dieser zu ihm hinunter beugte und ihm ins Ohr sagte: "Wart am besten an der Bar auf mich. Ich misch mich unter die Leute und geb' dir dann ein Zeichen."

"Aber ich will doch bei jeder Phase dabei sein", beschwerte sich der Musiker.

"Denkst du allen Ernstes", gab Jérôme zurück, "dass sich irgendjemand anbaggern lässt, wenn wir gleich im Doppelpack auftauchen? Das hier sind fast ausschließlich Heteros, also wird's sowieso schon schwierig genug. Außerdem dachte ich, du willst nur stiller Beobachter sein."

"Na gut, na gut. Ich warte an der Bar", lenkte Gabriel ein.
 

Insgeheim fand er die Vorstellung, wie Jérôme mit anderen flirtete sowieso nicht besonders prickelnd. Er schlenderte nachdenklich zum Tresen und bestellte sich einen Drink. Keinen sonderlich starken, nur gerade ein bisschen Alkohol, um nicht ganz nüchtern sein zu müssen. Gedankenverloren spielte er mit seinem Strohhalm und hielt nach Jérôme Ausschau.
 

Tatsächlich stach der Vampir überall heraus. Seine groß gewachsene Gestalt und der hellblonde Haarschopf waren einfach nicht zu übersehen. Wie es aussah, hatte er bereits Erfolg, denn er unterhielt sich angeregt mit einem jungen Mann, kaum älter als Gabriel, eher noch jünger. Er stand nah bei ihm, lässig gegen die Wand gelehnt und berührte ihn immer wieder wie zufällig. Der Junge lachte auf und Gabriel fühlte sich, als müsse er tausend Nadeln schlucken, die sich allesamt beharrlich in sein Herz bohrten. Angesäuert biss er in seinen Strohhalm und blies frustriert kleine Blubberblasen in sein Getränk. Dann legte Jérôme einen Arm um den Jungen und dirigierte ihn durch die Menschen auf der Tanzfläche hindurch auf den Ausgang zu. Er bedeutete Gabriel mit dem Daumen-Hoch-Zeichen, ihm zu folgen.

Der Sänger sprang wie von der Tarantel gestochen auf und hechtete hinterher.
 

Draußen schlug ihm sofort wieder der kalte Wind entgegen. Ein heiteres Lachen erklang und er erblickte seinen Mitbewohner mit seiner Beute, die um die Ecke in Richtung Hinterhof bogen. Er beeilte sich, hinterher zu kommen.

Am Ziel angekommen drehte sich Jérôme noch einmal kurz um, um sich davon zu überzeugen, dass Gabriel zwar versteckt war, jedoch trotzdem alles mitbekam.

"Was ist los?", wollte sein junger Begleiter wissen.

"Nichts", antwortete Jérôme mit einem Lächeln, von dem Gabriel sofort erkannte, dass es falsch war. "Ich wollte nur sichergehen, dass uns niemand gefolgt ist."
 

Gabriels Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sich Jérôme dem Jungen näherte, seine Hand in dessen Haar schob, ihn nahe zu sich heranzog und küsste. Nach seiner Selbsteinschätzung müssten sie etwa die Farbe von Kohle haben. Es war wohl doch keine gute Idee gewesen mitzukommen, das wurde ihm jetzt klar. 'Scheiße, Jérôme, hör auf, sonst dreh ich durch', flehte er in Gedanken.
 

Jérôme spürte ganz deutlich Gabriels Eifersucht. 'Gut so', dachte er und beschloss, noch ein wenig weiter zu gehen. "Du bist wunderschön", flüsterte er dem Jungen zu, was diesen erschauern ließ. Er spürte Gabriels Blicke wie Dolchstöße in seinem Rücken, doch das freute ihn nur auf eine unbestimmte Art und Weise. Seine Blicke und Berührungen wurden eindeutiger. Wie so oft wurde der Junge in seinem Arm zu Gabriel und sei es auch nur für wenige Augenblicke. Seine Lippen wanderten den schlanken Hals hinab bis zum Schlüsselbein während seine Hände ihn sanft streichelten.
 

Plötzlich fing er einen verzweifelten Gedanken von Gabriel auf und hielt inne: "Hör auf, bitte!" 'Also gut, Schluss mit den Spielchen', beschloss er. Er löste sich von der samtweichen Haut und schaute fest in die Augen seines Opfers. "Hör zu…", sagte er mit einer Stimme, gegen die das ewige Eis noch warm erschien, "… wenn du noch ein paar letzte Worte hast, dann sag sie jetzt, ansonsten sag der Welt Leb wohl."

Sein Gegenüber starrte ihn verwirrt an. "Was ist denn plötzlich in dich gefahren?", hauchte er.
 

"War das alles, was du zu sagen hast?", hörte Gabriel den Vampir sagen. Seine Stimme troff nur so vor Hohn und Kälte und er erinnerte sich gut daran, wie er zum ersten Mal mit ihm gesprochen hatte. Derselbe Tonfall. Nur zu deutlich sah er Jérômes Augen vor sich, so kalt wie Eis. Anscheinend hatte auch der Junge begriffen, dass es aus war, denn ein entsetzter Schrei wollte sich aus seiner Kehle winden, wurde jedoch von einem harten, lieblosen Kuss unterdrückt. Gabriel musste wegsehen. Dieses Gesicht von Jérôme mochte er gar nicht. In solchen Augenblicken war er einfach nur der grausame Killer für den er ihn am Anfang gehalten hatte. Hätte er nicht ganz genau gewusst, dass er tief in seinem Herzen ein unheimlich netter, liebevoller Kerl war, er wäre aus Angst vor ihm davon gelaufen. Abscheu und eine tiefe innere Kälte erfüllten ihn und er zitterte. Sein Herz schlug so schnell, dass er meinte, es würde im nächsten Moment zerspringen. Ein saugendes Geräusch drang an sein Ohr. Schnell presste er die Hände über seine Ohren um es nicht hören zu müssen. Im nächsten Augenblick war alles vorbei.
 

Gabriel lehnte an der Wand, die Augen zusammen gekniffen und die Hände über den Ohren. Eine sanfte Berührung an seiner Schulter ließ ihn zusammen fahren. Als er die Augen öffnete, trafen sich seine und Jérômes Blicke.
 

"Ich hab dir gesagt, dass es keine gute Idee ist, denn jetzt hast du Angst vor mir", erklärte der Vampir.

"Stimmt nicht, ich hab keine Angst", widersprach Gabriel wider besseren Wissens.

"Es scheint grausam, ja", gab Jérôme zu und fing den Blick seines Mitbewohners ein, "doch es ist notwendig, um zu überleben. Glaub nicht, dass ich seinen Schmerz nicht teile. Ich habe mit ihm gelitten, wie ich es immer tue. Was du heute Nacht gesehen hast musst du immer im Hinterkopf behalten, wenn du vor der Kamera stehst, verstanden?" Gabriel schaffte es nur, zu nicken. Tränen liefen über sein Gesicht.
 

Natürlich, er war eifersüchtig gewesen und er hatte gewusst, dass der Junge sterben würde, doch plötzlich hatte er solches Mitleid mit ihm, dass er nicht anders konnte, als um ihn zu weinen.

"Ich hab ihn nicht getötet", sagte Jérôme leise. "Hatte keine Lust dazu. Komm, wir gehen nach Hause." Er legte beschützend einen Arm um Gabriel und gemeinsam machten sie sich auf den Weg durch die Nacht.

Kapitel 11 - Servant of the night

Hallo, meine Lieben. ^^
 

In diesem Kapitel erfahrt ihr, warum die Geschichte "Diener der Nacht heißt".
 

Viel Spaß
 

Myrys
 

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Kapitel 11

Servant of the Night
 

Noch in derselben Nacht setzte sich Gabriel hin und verfasste einen ersten Entwurf für den Text seines Liedes. Er wusste jetzt auch, dass es das Thema seines eigenen Charakters Noir werden würde, was ihm eine ungeheure Hilfe war. Trotz der Müdigkeit, die ihn umfing hatte ihn der Rausch der Kreativität gepackt. (Mich übrigens nicht als ich den Schmarrn geschrieben hab, aber wenn jemand was Besseres weiß, soll er's mir sagen.) Am Ende war er ganz zufrieden mit seinem Werk. Bevor er ins Bett ging, las er es sich noch einmal kurz durch.
 

Servant of the night
 

I'm looking back on centuries,

passing me by with the speed of light.

Familiar faces I lost long ago.

I'm lost in darkness,

a servant of the night.
 

I'm hunting for blood but I'm sharing the pain

Of the one in my arms

Holding on tight

I'm lost in darkness,

a servant of the night.
 

Now I'm standing in the rain,

Crying bitter tears of despair,

Until the sun rises with cruelty shining bright

I'm lonely forever,

a servant of the night.
 

Am nächsten Morgen hatte ihm sein Lieblingsvampir bereits das Frühstück zubereitet und beobachtete ihn schweigend beim Essen. Irgendwie hatte Gabriel den Schrecken der letzten Nacht noch nicht wirklich verdaut, doch er überspielte seine aufkommenden Zweifel an der Aufrichtigkeit des Vampirs hinsichtlich der Tatsache, ihn niemals zu verletzen. Er vertraute einfach auf Jérômes Zuneigung.
 

"Weißt du, Gabriel, es ist zu blöd, dass du immer alleine essen musst und ich nur dabeistehe und zuschaue", bemerkte dieser.

"Ach ja, und wie willst du das ändern? Dein nächstes Opfer zu uns einladen und ihn dann bei Tisch aussaugen, damit wir mal gemeinsam essen können, oder was?"

"Ach was. So ein gequirlter Blödsinn. Aber da fällt mir schon was ein…" Nachdenklich legte Jérôme den Kopf zur Seite.

"Hör mal, Jérôme, ich wollte dich um was bitten…", begann Gabriel so nüchtern wie nur möglich.

"Ich tu doch alles für dich, Chéri. (zu Deutsch, für alle, die' s nicht wissen sollten: Liebling. Leute wie Gabriel zum Beispiel, sonst würde er sich tierisch darüber aufregen. Seine Zweitsprache war Spanisch.) Schieß los."
 

Gabriel überlegte. In der nächsten Zeit, so wusste er, würde er sich verstärkt aufs Textlernen konzentrieren müssen. Schließlich sollten in einem Monat schon die Dreharbeiten losgehen. Wie er wusste, würden die Innenaufnahmen an Sets in einer alten, stillgelegten Fabrikhalle gedreht werden. Außenaufnahmen, nicht sehr viele übrigens, im Central Park und alles, was sonst noch außen spielen sollte, vor einem Blue Screen. Alles ganz einfach. Insgesamt, hatte der Regisseur schon beim Casting gesagt, würden die Dreharbeiten nicht länger als maximal ein paar Monate dauern. Das Problem war, wie gesagt, der Text.
 

"Würdest du mir beim Textlernen helfen?", fragte er schließlich.

"Aber sicher! Also, ich helf dir mit Freuden!", rief Jérôme begeistert und rieb sich freudestrahlend die Hände. Er wusste genau, dass es eine Kuss-Szene gab und die wollte er unbedingt mal ausprobieren.

"Fall mir nicht gleich vom Stuhl vor Begeisterung. Ich brauch lediglich jemanden, der mich abhört und meine Szenen mit mir durchgeht. Die Jungs will ich nicht fragen, die lachen mich höchstens aus. Außerdem hast du Ahnung von der Materie und kannst mir sicher nützliche Tipps geben", antwortete Gabriel.

"Darf ich das so verstehen, dass du mich nicht mehr auf die Jagd begleiten willst, ja?", erkundigte sich der Vampir und musterte ihn skeptisch.

"Genau so. Oh Mann, dieses eine Mal hat mir vollauf gereicht", stimmte der Musiker zu und schüttelte sich bei dem Gedanken.
 

"Du hast Angst vor mir, da kannst du mir sagen, was du willst. Aber ganz ehrlich, Gabriel…", sagte Jérôme leise und lehnte sich über den Tisch zu ihm hinüber, "…ich werde dir nichts antun. Du hast mein Wort." Er legte seine Hand unter Gabriels Kinn und hob sein Gesicht ein wenig an.
 

Sofort schlug Gabriels Herz etwas schneller. Was zur Hölle war im Moment nur los mit ihm? 'Egal, Gedanken über Bord', dachte er, als er Jérômes Lippen auf seinen spürte und den Kuss umgehend erwiderte. Wie ihm auffiel war es ihr erster seit… Ja, seit sie sich versöhnt hatten. Schade eigentlich. Sie hatte ihm gefehlt, diese innere Wärme, die ihn bei Jérômes Küssen durchflutete. Seit dieser Sache mit den Mistelzweigen war er fast süchtig danach geworden. So etwas hatte noch nie irgendjemand in ihm ausgelöst.
 

Fast schon beleidigt musste er feststellen, dass sich der Vampir für seinen Geschmack viel zu früh wieder von ihm löste. Er verstand sich selbst nicht mehr. War er etwa doch schwul geworden? Nein, das konnte nicht sein. Absolut unmöglich.
 

Jérôme lächelte ihn über den Tisch hinweg an. "Du siehst aus wie ein Eichhörnchen wenn's blitzt. War's so schrecklich?", fragte er belustigt.

Gabriel schüttelte nur den Kopf.

"Du bist wirklich süß, Gabriel. So richtig zum…" Fast hätte er "Anbeißen" gesagt, es sich dann jedoch verkniffen. "… Küssen", korrigierte er schnell. "Na gut. Die Sonne geht bald auf. Ich putz mir jetzt noch die Zähne und hau mich dann aufs Ohr. Ich wünsch dir einen schönen Tag." Er stand auf und ging ins Bad.
 

Gabriel hörte Wasser laufen, das Geräusch der Zahnbürste, die über seine Zähne bürstete und schließlich die Tür der Abstellkammer. 'So langsam muss ihm doch alles wehtun vom Stehen…', überlegte er. Das würde er ändern.
 

Als er abends nach Hause kam hatte Jérôme bereits wieder für ihn gekocht. Auf dem Küchentisch stand eine Kerze inmitten von Blütenblättern. Er war überrascht, wie romantisch es wirkte.

"Setz dich", forderte der Vampir ihn auf.

"Was gibt's denn Leckeres?", fragte Gabriel. "Es riecht jedenfalls verdammt gut."

"Oh, nichts Besonderes. Ich hab mich nur nach ewiger Zeit mal wieder an "Coq au vin" versucht. Ich hoffe, es ist mir gelungen. Hab das Rezept aus dem Internet", erklärte Jérôme lässig und zog das Hühnchen aus dem Ofen. (Ja, mit dem kann er mittlerweile auch umgehen. Hat wohl die Gebrauchsanweisung gelesen. ^_^)

"Internet? Ich hab gar keinen Anschluss", stellte der Sänger fest.

"Aber ein Internetcafé um die Ecke", grinste der Vampir.

"Echt? Ist mir noch gar nicht aufgefallen…", murmelte der Musiker.
 

Jérôme hantierte mit Teller und Besteck herum und stellte schließlich eine liebevoll angerichtete Portion vor Gabriel ab. "Bon appétit", schmunzelte er. Dann ging er zum Kühlschrank und holte etwas heraus. Zum einen eine Flasche Weißwein, von der er Gabriel ein Glas reichte und zum anderen einen Plastikbecher mit rotem Inhalt.
 

"Was ist das denn?", fragte Gabriel, nichts Gutes ahnend.

"Das? Mein Abendessen", antwortete Jérôme. Er holte ein hohes Glas aus dem Schrank, warf ein paar Eiswürfel aus dem Gefrierfach hinein und kippte dann den Inhalt des Bechers in das Glas.
 

"Blut? Bist du wahnsinnig? Wo hast du das her?", rief Gabriel entsetzt.

"Na wo soll ich's schon her haben? Hab die Blutbank überfallen", gab der Vampir zurück, steckte einen Strohhalm in seinen Drink und zog genüsslich daran. "Aaah", seufzte er und setzte sich Gabriel gegenüber. "Blutgruppe A schmeckt immer noch am besten."

"Find ich leicht widerlich", stellte sein menschlicher Mitbewohner fest und rümpfte die Nase.

"Stell dir vor, es wäre Tomatensaft. 'Blut on the rocks.' Gar nicht so schlecht", bemerkte Jérôme. "Warm ist es aber trotzdem besser. Allerdings ist es ein hervorragender Jahrgang, muss ich schon sagen."

"Willst du mir jetzt auch noch erzählen, dass du aus dem Blut den Jahrgang rausschmecken kannst oder was?", erkundigte sich Gabriel skeptisch.

"Hmmm", machte Jérôme und nahm einen kleinen Schluck. "Früher 84er. Männlich, rassig, ich schätze Latino…"

"Ich fass es nicht", seufzte der Musiker. "Das schmeckst du alles raus?"

"Ja. Und ich kann lesen. Auf dem Becher stand das Geburtsjahr, die Blutgruppe und der Name." Jérôme grinste.
 

"Jérôme, wenn dieses halbe Hähnchen nicht gleich fliegen lernen soll, dann würde ich vorschlagen, du lässt so dämliche Witze", riet ihm Gabriel, doch er grinste dabei.

"Ist gut. Außerdem soll das Teil nicht fliegen sondern schmecken. Wenn du nicht bald isst, dann wird's kalt und dann hab ich mir die ganze Arbeit umsonst gemacht", antwortete Jérôme.
 

Gabriel stellte fest, dass er doch ziemlichen Hunger hatte und probierte vorsichtig. 'Lecker', bemerkte er in Gedanken und haute rein. Wenn man sich vorstellte, dass das da in Jérômes Glas tatsächlich Tomatensaft war, dann war's gar nicht so schlimm.
 

"So", sagte er nach dem Essen. "Jetzt bin ich gestärkt zum Wohnung umräumen."

"Wohnung umräumen?", fragte Jérôme entsetzt. 'Der schmeißt mich jetzt aber nicht raus, oder?', dachte er.

"Der Couchtisch fliegt raus", erklärte Gabriel, stand auf und ging ins Wohnzimmer. "Anstelle dessen hab ich beschlossen, da deinen Sarg hinzustellen."

"Meinen Sarg?", fragte der Vampir irritiert.

"Klar. Ich dachte, es wäre zu unbequem, im Stehen zu schlafen?", fragte der junge Mann mit Unschuldsmiene.

"Und dann hast du einen Sarg im Wohnzimmer stehen…", sagte der Vampir fassungslos.

"Ja. Man kann es als Exzentrik auslegen. Und wenn ich Gäste haben sollte, die mit meinem Stil nicht klarkommen, schmeiß ich halt 'ne Tischdecke drüber und stell 'nen kleinen Strauß Blumen drauf. Das geht schon", erläuterte Gabriel trocken.

"Also echt, Gabriel, du bist schon so 'ne Nummer", meinte der Blondschopf kopfschüttelnd.
 

Gemeinsam beförderten sie den alten Couchtisch die Treppe runter zum Sperrmüll der Nachbarn und richteten anschließend die große schwere Holzkiste aus.

"Sieht doch ganz gut aus", meinte Gabriel nachdenklich.

Jérôme stand nur kopfschüttelnd da. Was hätte er auch anderes tun sollen?
 

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Ich spar mir große Kommentare. Bis nächstes Mal. *wink*

Kapitel 12 - Es geht aufwärts

Meine lieben Leser,
 

hier das neue Kapitel. Ich wünsch euch viel Spaß
 

Eure
 

Myrys
 

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Kapitel 12

Es geht aufwärts
 

Es war August. Sommer. Für Jérôme die schlimmste Zeit des Jahres. Da waren die Nächte zu kurz und seine Jagddauer beschränkt. Allerdings ließen sich potenzielle Opfer im Sommer auch besser jagen. Wie dem auch sei, es war acht Uhr morgens und er war gerade in einer Tiefschlafphase, als das Handy, das er für alle Fälle mit im Sarg hatte, klingelte. Mürrisch fischte er es aus seiner Hosentasche und hob ab.
 

"Hmmmm", brummte er.

"Du wirst es nicht glauben!", schallte ihm die übermütige Stimme Gabriels entgegen.

"Was, dass du mich aufweckst, wenn ich gerade so schön träume? Doch, glaub ich dir sofort", beschwerte sich der Vampir.

"Entschuldige, aber das musste ich dir einfach sagen. Zumal du als Manager der aufstrebenden Band "Satan's Saints", als der du dich uns ja förmlich aufgedrängt hast, als erster Bescheid wissen solltest", fuhr Gabriel gut gelaunt fort.

"Also gut, dann schieß los, bevor du platzt. Was ist los?", muffelte Jérôme.

"Was für einen Tag haben wir heute?", fragte der Musiker.

"Was spielt das für eine Rolle? Echt, Gabriel, auf Spielchen hab ich keine Lust, also komm zum Punkt."

"Un-ge-fies. Aber nur damit du's weißt: Heute ist Donnerstag und das bedeutet, es gibt die neue Ausgabe vom Billboard Magazine", erklärte Gabriel schmollend ob Jérômes Desinteresse.

"Und das bedeutet…?"
 

Gabriel atmete tief durch. Dann schrie er so laut ins Telefon, dass Jérôme meinte, ihn auch noch verstehen zu können, hätte das Teil auf dem Deckel des Sargs gelegen: "Wir sind in die Charts eingestiegen! "Servant of the night" ist auf Platz 11 eingestiegen!"

"Was?! Hab ich das gerade richtig verstanden? Die CD ist gerade mal eine Woche auf dem Markt und schon Platz 11?!", hakte Jérôme ungläubig nach.

"Hmhm", machte Gabriel und Jérôme konnte ihn förmlich nicken sehen. "Und nicht nur das. In den Albumcharts steht der Soundtrack von "Noches del Sangre" bereits auf Platz 20. Ist das nicht geil? Jérôme, wir haben's geschafft! Das heißt heute Nacht wird gefeiert! Und wehe, du bist nicht da. Wir treffen uns um neun bei Tino. Ich weiß, dass du später kommst, aber das ist kein Problem. Hauptsache, du bist da. Bis dann." Er legte auf.
 

'Na klasse, ab jetzt wird an Schlaf nicht mehr zu denken sein', dachte Jérôme. 'Dann kommen demnächst Anfragen über Anfragen, noch mehr Interviews, Foto-Shootings und Lifeauftritte.' Worauf hatte er sich da eigentlich eingelassen?
 

Ursprünglich hatte er sich als Manager der Band angeboten, um mehr mit Gabriel zusammen sein zu können, der mit steigenden Karriereplänen kaum noch Zeit für ihn hatte. So langsam jedoch schien ihm alles etwas über den Kopf zu wachsen. Er hatte diese Aufgabe gewaltig unterschätzt. Langsam kam er sich vor wie ein wandelnder Terminkalender. Er erstickte in Arbeit, doch die konnte er nur verrichten, wenn es dunkel war. Anrufe beantwortete er vom Handy aus so gut es ging, doch es war einfach nervenaufreibend. Langsam kam er sich so tot vor wie er war.
 

'Ich brauch langsam ein Arbeitszimmer oder irgendwas in der Art', überlegte er. Bisher musste immer noch Gabriels Wohnzimmer herhalten, in welchem es mittlerweile ziemlich chaotisch aussah. In einer Ecke lag die Korrespondenz, in den anderen Aufnahmen von Foto-Shootings und diverser Merchandise. Mittlerweile hatte er sich auch ein Laptop angeschafft, da heutzutage viel über E-Mail lief. Noch nie in seinem ganzen - immerhin schon über achthundert Jahre dauernden – Leben hatte er so geackert, von der Zeit bei den Templern mal abgesehen.
 

Am meisten fehlte ihm jedoch Gabriel. Die Distanz zwischen ihnen war wieder beunruhigend größer geworden. Der Musiker war ständig beschäftigt. Ein Auftritt hier, dann eine Veranstaltung da. Und was wäre dann erst, wenn der Film in den Kinos anlief, was in vier Wochen der Fall sein würde? Von einer Preview zur nächsten hetzen und dann vielleicht der ganz große Durchbruch.
 

Schon ewig hatte er nicht mehr für ihn gekocht und er vermisste es. Sie unterhielten sich kaum mehr über irgendetwas anderes als Musik und die Band, sofern sie überhaupt noch miteinander redeten, denn wenn Gabriel nach Hause kam, war er so kaputt, dass er gleich ins Bett fiel und schlief wie ein Stein.
 

Hatte er damals das Richtige getan, als er ihm die Anzeige in den Pfannkuchen gesteckt hatte? Beruflich ja, aber privat? Bevor er seine Gedanken weiter vertiefen konnte, klingelte schon wieder sein Handy. Na dann, auf in den Kampf.
 

Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Der Film lief sehr erfolgreich an, was nicht zuletzt dem Soundtrack zu verdanken war. Obwohl von den Kritikern verrissen wurde er ziemlich populär. Dies war überwiegend Gabriels Verdienst. Er hatte seinen Charakter charismatisch, dramatisch, sympathisch und mit einem gewissen homosexuellen Zug versehen. Eine Mischung, die unheimlich gut ankam, selbst bei den schärfsten Kritikern.
 

Jérôme und Gabriel waren in eine größere Wohnung mit zwei Schlafzimmern gezogen. Im selben Gebäude hatten sie ein kleines Büro, von dem aus Jérôme das Management locker regeln konnte. Zumal hatte er in diesem Raum Jalousien, die er tagsüber schließen konnte, was ihm die Arbeit ungemein erleichterte.
 

Die Jungs der Band hatten erwartet, dass sie in getrennte Wohnungen ziehen würden, doch da spielte Jérôme nicht mit. Er hatte sich strickt geweigert, Gabriel zu verlassen und das war gut so gewesen, denn jetzt sahen sie sich fast gar nicht mehr außerhalb des Jobs. Jérôme hasste diesen Zustand, doch irgendwie hatte er ihn ja selbst heraufbeschworen.
 

Dennoch gab es einen freien Abend im Monat. Diese Tage sehnten sowohl Gabriel als auch Jérôme mehr als alles andere herbei, war er doch die einzige Gelegenheit, bei der sie mal ausspannen konnten. Sie hatten sich bei Tino verabredet, in Erinnerung an alte Zeiten, als der Erfolg noch weit weg war.
 

Gabriel saß schon eine halbe Stunde früher als verabredet bei Tino und plauderte mit seinem ehemaligen Arbeitgeber. Doch Tino hatte wenig Zeit und so versank der Musiker wieder in seinen Gedanken. 'Bald haben wir Jahrestag', schmunzelte er.
 

Unglaublich. Jetzt hielt er es schon fast ein ganzes Jahr mit der blonden Nervensäge aus. Und das Unglaublichste war, dass er es sich schon nicht mehr anders vorstellen konnte. Während der letzten Zeit hatte er häufig nachgedacht. Was war es eigentlich, das er für Jérôme fühlte? Hatte sich seine anfängliche Ablehnung mittlerweile in so etwas wie Liebe verwandelt? Musste wohl, denn immer, wenn er seinen Erfolgshit, der es mittlerweile auf Platz 1 geschafft hatte, sang, dachte er an ihn, ja er hatte ihn förmlich für Jérôme geschrieben. Unbewusst verglich er alles und jeden mit seinem Mitbewohner. Wenn er nicht da war, dann sehnte er sich so sehr nach ihm, dass es schon fast wehtat. Plötzlich fiel ihm ein, dass sie sich schon lange nicht mehr geküsst hatten. Bei dem Gedanken wurde er leicht rot. Vielleicht sollte er… es ihm sagen. Nein, besser doch nicht. Dazu war er einfach noch nicht sicher genug.
 

So saß er da und wartete. Und wartete. Die Zeit verging. Gut, es kam vor, dass sich der Vampir verspätete, weil gerade mal wieder kein Opfer anbiss, doch heute war er extrem spät. Und warum sagte er nicht einfach Bescheid? Genau in dem Moment klingelte Gabriels Handy.

"Gabriel, ich bin's", erklang Jérômes Stimme.

"Wo bleibst du?", fragte er sofort und klang dabei ein kleines bisschen beleidigt, was dem Vampir keineswegs entging.

"Es tut mir ganz unheimlich Leid, aber ich schaff' s wohl nicht. Weißt du, erst hat mich noch ganz kurzfristig jemand von 'ner Zeitung angerufen. Bis ich den wieder los war… Und weißt du, ich denk an nichts Böses, da meint irgend so ein Witzbold, sich direkt vor die U-Bahn werfen zu müssen und hat dabei ausgerechnet meinen Zug erwischt, dabei hatte ich noch nicht mal Zeit, mir was zu Beißen zu suchen."

"Oh Mann. Der arme Kerl. Was hat ihn wohl so fertig gemacht? Na unser Date ist jedenfalls versaut…", murmelte Gabriel.

"Sieht so aus. Moment. Sagtest du gerade Date?", erkundigte sich Jérôme überrascht.

"Weiß nicht. Hab ein echt mieses Kurzzeitgedächtnis. Und was mach ich jetzt mit dem angefangenen Abend?", wechselte der Sänger schnell das Thema.

"Du könntest ja mal deine Bandkollegen fragen was die so treiben. Wer weiß, vielleicht wird's ja ganz lustig", schlug der Vampir vor.

"Ja, gute Idee. Ich glaub, das mach ich. Wir sehen uns später, ja?"
 

Ohne ein weiteres Wort legte er auf. Komisch, aber irgendwie war er angepisst. Klar, Jérôme konnte nichts dafür, doch der einzige Abend, den sie mal für sich hatten, fiel sofort ins Wasser. Keine Sekunde später klingelte sein Handy schon wieder. Irgendwie hatte er die – absolut bescheuerte – Idee, es könnte Jérôme sein, der ihm mitteilte, ihn veräppelt zu haben um gleich darauf freudestrahlend vor ihm zu erscheinen. Doch das erwies sich als Irrtum. Es war nur Scott. Doch auch der hörte sich an, als würde er vor Freude strahlen.

"Du musst sofort kommen", sagte der Gitarrist aufgeregt.

"Und warum?", fragte Gabriel enttäuscht und merklich desinteressiert.

"Ist 'ne Überraschung. Aber du musst wirklich ganz schnell kommen, ja? Bittöööööö."

"Na gut", stimmte der Sänger schließlich zu. Immerhin hatte er nichts Besseres zu tun.
 

Eine halbe Stunde später kam er in dem Club an, in dem er sich mit den Jungs treffen wollte. Es war genau der, in dem er damals Jérôme kennen gelernt hatte. Schicksal? Sofort stürmten ihm Scott und Chester entgegen. Von Jamie und Finn war keine Spur zu sehen.
 

"Alter, wir haben voll die Hammer-Überraschung für dich!", rief ihm Chester entgegen.

"Und die wäre?", fragte ihr Bandleader gleichgültig und steckte die Hände in die Hosentaschen.

"Also, sie ist groß, blond, tolle blaue Augen…", begann Chester geheimnisvoll.

"Jérôme?", fragte Gabriel hoffnungsvoll.

"Nee, wie kommst du denn darauf?", fragte Chester entgeistert. "Jetzt überleg doch mal…"

"Hmmm, keine Ahnung."

"Aaaalso", fuhr jetzt Scott fort. "Wer war das absolut heißeste Geschoss, das uns jemals während unserer gesamten High-Schoolzeit über den Weg gelaufen ist?"
 

Da fiel es Gabriel wie Schuppen von den Augen. "Carol Dean?", fragte er überrascht. Scott und Chester nickten heftig.

"Oh ja, Mann. Der steilste Zahn aller Zeiten ist hier in diesem Club. Und sie will dich sehen", grinste Chester anzüglich.

"Oh, Klasse", bemerkte Gabriel nicht sehr enthusiastisch.

"Klingt, als wärst du enttäuscht…", meinte Scott und musterte ihn durchdringend.

"Was? Oh, nein. Nicht wirklich. Nur überrascht", antwortete der Sänger und lächelte.
 

Das Mädchen, das er in der High-School mehr als alles andere begehrt hatte, war hier und wollte ihn sehen. Nach so langer Zeit war er endlich am Ziel. Wieso freute er sich dann so wenig darüber? Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter.
 

"Gabriel? Bist du es wirklich?", hörte er eine sanfte Frauenstimme sagen. Langsam drehte er sich um und es verschlug ihm fast den Atem. Da stand sie vor ihm wie eine Göttin. Ihre langen blonden Haare wallten ihr in kleinen Kringellocken fast bis zu den Hüften. Ihre blauen Augen strahlten und ihr unheimlich faszinierender Mund zeigte ein strahlendes Lächeln. Beim Anblick ihrer Beine, die nur von einem Minirock bedeckt wurden und ihrer weiter gewachsenen Oberweite schlug Gabriels Herz doch etwas schneller.
 

"Hi, Carol", sagte er etwas verlegen. "Du bist ja 'ne richtige Schönheit geworden. Nicht, dass du das nicht schon immer gewesen wärst", fügte er rasch hinzu.

Carol lachte hell auf. "Danke. Aber du hast dich auch ganz schön raus gewachsen, mein Lieber", stellte sie fest. Irgendwie verursachte ihm ihre Stimme immer noch eine Gänsehaut.
 

"Tja, wir lassen euch dann mal alleine", meinte Chester mit einem extrabreiten Grinsen im Gesicht und hakte Scott unter, der Gabriel jedoch noch einen zweifelnden Blick zuwarf bevor er sich von seinem Kollegen wegschleifen ließ.
 

"Und, was machst du jetzt so?", fragte Gabriel um irgendwie ein Gespräch zustande zu bekommen, während er mit Carol an die Bar schlenderte und ihr einen Drink spendierte.

"Na ja, ich arbeite in einer Werbeagentur. Im Moment habe ich gerade Urlaub und dachte mir, ich könnte ja mal New York unsicher machen. Übrigens ist dein plötzlicher Ruhm das Gesprächsthema in der Nachbarschaft, kann ich dir sagen."

"Wirklich?", fragte ihr Begleiter.

"Aber ja. Sogar dein Vater scheint ganz stolz auf dich zu sein, immerhin hat er euer Band-Logo auf der Heckscheibe seines Autos", erklärte Carol.

"Dad? Das Band-Logo von "Satan's Saints" auf der Heckscheibe seines geliebten BMW? Ich glaub, ich spinne!", entfuhr es Gabriel.

"Ist aber so", gab Carol zurück und zog am Strohhalm ihres Drinks. Gabriel wurde bei dieser Geste ganz anders. (Ja, ja, Männer sind halt schwanzgesteuert. An meine Leserinnen: Haut mich jetzt nicht für den Fortgang des Ganzen.)
 

"Sag mal, was hattest du eigentlich ursprünglich heute Abend vor?", vernahm er Carols Stimme.

"Oh, ich hatte ein Date, bin aber sitzen gelassen worden", antwortete er.

"Wie schade", grinste die Frau und plötzlich war die Spitze ihres Schuhs in seinem Hosenbein. "Wärst du auch mit mir als Date einverstanden?", fragte sie mit rauchiger Stimme.

Gabriel überlegte. Warum eigentlich nicht? Seine Wohnung war nur zwei Blocks weiter. Seine und Jérômes Wohnung, wie er sich korrigieren musste. Jérôme. Was war das für ein Gefühl, das sich da in ihm einnisten wollte, wenn er an ihn dachte? Also wenn er tatsächlich schwul war, dann war das hier die definitiv beste Möglichkeit, das ein für alle Mal herauszufinden, denn wer wäre dazu besser geeignet, als die schärfste Frau, in die er jemals verliebt gewesen war? Mit einem breiten Lächeln stimmte er zu.
 

_______________
 

Gabriel lag auf seinem Bett und grübelte – was er angesichts der Situation, in der er sich gerade befand, eigentlich nicht hätte tun sollen. Carols Lippen waren soeben auf dem Weg seinen Bauch hinab um zu einem ganz bestimmten Ziel zu kommen.
 

Ihre Lippen. Warm und weich. Sie hatten sich geküsst und es hatte sich gut angefühlt aber irgendwie nicht… richtig. Warum nur? Was hier abging war doch ganz normal, also warum fühlte er sich dann so merkwürdig dabei?
 

Carol war bei seinem Hosenbund angekommen und öffnete seine Jeans um seinen kleinen Freund zu befreien, der, ungeachtet Gabriels Gedanken, seiner natürlichen Funktion bestens nachkam. Der Blick des Musikers wanderte zu ihr nach unten als sie sich über sein Glied beugte und begann, daran zu saugen.
 

Und es war genau in diesem Moment, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel, denn plötzlich hatte er da einen ganz anderen Blondschopf vor sich. Tiefblaue Augen blitzten ihn schelmisch an. Erinnerungen an leidenschaftliche, fordernde Küsse kreuzten seine Gedanken, Erinnerungen an Momente, in denen sie einfach nur zusammen dagesessen und sich festgehalten oder in denen sie zusammen gelacht oder auch mal geheult hatten (Ich weiß zwar nicht, worüber, aber irgendeinen Schnulzfilm werden sie schon zusammen angeschaut haben. Vielleicht Message in a bottle?) und die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Wie aus heiterem Himmel begann er, erst leise, dann lauter zu lachen.
 

"Was ist denn so witzig, Mister? Bisher hat sich jedenfalls noch keiner beschwert", meinte Carol angesäuert und blickte ihn vorwurfsvoll an.

"Entschuldige bitte, Carol", bat Gabriel nach Luft schnappend. "Es liegt nicht an dir", erklärte er. In ihrem Blick stand völliges Unverständnis. Er setzte sich auf und klopfte mit der flachen Hand neben sich aufs Bett um ihr zu bedeuten, sich neben ihn zu setzen, was sie mit skeptischem Blick tat.
 

"Weißt du", begann er, "seit der High-School hab ich mir nichts so sehr gewünscht wie das hier, aber jetzt, wo es so weit ist, wünschte ich, du wärst jemand anderes."

"Dein Date, das dich hat sitzen lassen, nicht wahr?", vermutete sie und er nickte zur Antwort während sich ein zartes Lächeln auf seine Lippen schlich.

"Oh Mann, dich hat's ganz schön erwischt, was?", sagte sie achselzuckend. "Tja, dumm für mich, aber bei einem so schwer verliebten Kerl kann ich wohl nichts machen."

"Es tut mir wirklich leid, Carol", entschuldigte er sich erneut. "Du bist wirklich eine wunderschöne Frau und verdammt sexy, aber…"

"Schon okay", lächelte sie. "Schaffst du das da unten alleine?", fragte sie dann frech grinsend im Hinblick auf Gabriels Schritt.

"Sicher. Hab ne große Portion Eiswürfel im Gefrierfach", antwortete er cool. Carol lachte auf.

"Sag mal, hast du was dagegen, wenn ich kurz bei dir unter die Dusche hüpfe?", fragte sie.

"Nein, mach ruhig", gab Gabriel zurück und tappte in die Küche um sich besagtes Eis zu holen.
 

Carol rief ihm aus dem Bad zu: "Sag mal, mit wem wohnst du hier eigentlich?"

"Mit einem guten Freund", antwortete er.

"Aha. Welches Badetuch darf ich benutzen?"

"Nicht das rote."

"Okay."
 

Kurz darauf erklang das Rauschen der Dusche und überdeckte ein wenig Gabriels leicht gequältes Aufstöhnen als er die Eiswürfel zum Einsatz brachte. Immerhin zeigte diese Aktion den gewünschten Erfolg. Carol kam eine halbe Stunde später aus dem Bad, frisch geduscht, frisiert und bereit für neue Schandtaten, denn für sie war die Nacht noch jung. Sie drückte Gabriel zum Abschied ein Küsschen auf die Wange und ließ ihn allein.
 

Seufzend warf er sich auf sein Bett und döste ein. Er erwachte aber keine zwanzig Minuten später, denn Jérôme kam zurück.

"Was für 'ne Nacht", stöhnte er. "Erst der U-Bahn-Jumper und jetzt labert mich unten im Foyer noch so eine Tussi an, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr loszuziehen und dann was weiß ich noch was. Meine Güte, so ein nerviges Frauenzimmer. Möchte wissen, wo die herkam."

"War sie schlank, blond und ziemlich hübsch?", fragte Gabriel und richtete sich auf. Jérôme erschien im Türrahmen von Gabriels Schlafzimmer, lehnte sich dagegen und verschränkte die Arme während er ihn misstrauisch musterte. "Ja", antwortete er nur knapp.

"Gut, dann kann ich dir sagen, dass sie von mir kam", sagte Gabriel.

"Ach ja? Und was habt ihr gemacht?", erkundigte sich der Vampir lässig. Der leicht gefährliche Unterton in seiner Stimme entging Gabriel, sonst hätte er seine nächsten Worte mit Bedacht gewählt.

"Wonach sieht's denn aus? Wir hatten wilden, hemmungslosen Sex, was sonst?", stellte er salopp fest. Er glaubte, sein Mitbewohner würde das als eines ihrer kleinen Neckspielchen auffassen.

"Und dazu kommst du mit ihr in unsere Wohnung?" Jérôme klang nun eindeutig etwas beleidigt.

"Sag mal, warum bist du plötzlich so eingeschnappt? Ist es jetzt schon verboten, alte Schulfreundinnen mitzubringen, oder was, Herr Manager?", fragte Gabriel noch beherrscht ruhig.

"Nein, ist es nicht. Kann ich ja auch schlecht machen, ist ja immerhin auch deine Wohnung. Aber du musst es mir ja nicht gleich auf die Nase binden mit wem und wie oft du's hier treibst", konterte der Vampir heftiger.
 

"Sag mal hast du sie noch alle? Wieso tickst du denn jetzt plötzlich aus? Hab ich dir irgendwas getan?", fragte Gabriel auch etwas lauter. "Außerdem geht es dich einen Scheißdreck an, was ich mache oder nicht mache. Du hast ganz Recht, ist tatsächlich zum Teil meine Wohnung, also komm mir jetzt nicht auf die Tour." Was lief hier jetzt eigentlich schon wieder falsch? Eigentlich hatte er vorgehabt, mit Jérôme über seine Gefühle zu reden und nicht sich mit ihm zu streiten.
 

Jérôme schnaufte nur schwer, wand sich um und verschwand im Bad.

'Gut, schön. Wenn du meinst, dann spiel doch die beleidigte Leberwurst', dachte der Musiker und rollte sich auf seinem Bett zusammen.

Kurze Zeit später hörte er die Badezimmertür. Jérômes Schatten erschien an der Wand, doch Gabriel sah gar nicht ein, warum er sich zu ihm umdrehen sollte und gab vor, zu schlafen.
 

"Weißt du, Gabriel, ich schätze es nicht, angelogen zu werden, schon gar nicht von dir", vernahm er die samtige Stimme des Vampirs. "Aber in diesem Fall bin ich fast froh darüber, dass das, was du mir erzählt hast, nicht der Wahrheit entspricht."

"Woher willst du das wissen?", murmelte der Sänger trotzig unter seiner Decke hervor.

"Es hätte mir sofort auffallen müssen – es riecht nicht danach", antwortete der Vampir schlicht.

"Wir haben geduscht", stellte Gabriel fest.

"Tatsache. Das trifft aber nur auf eine Person zu."

"Sie wollte zu Hause duschen."

"Falsch. Sie hat hier geduscht und ihr hattet keinen Sex."

"Und woher willst du das nun wieder wissen, Klugscheißer?" Langsam war er echt genervt von Jérôme.

"Ganz einfach: Nur ein Badetuch war nass. Es war rot. Also meines, und es würde dir im Traum nicht einfallen, das zu benutzen."
 

"Blöde Kuh. Hab ihr extra gesagt, sie soll nicht das rote nehmen", brabbelte der Musiker in seine Decke.

"Warum eigentlich nicht?", erkundigte sich Jérôme.

"Warum was nicht?", fragte Gabriel zurück und drehte sich nun doch zu ihm um.

"Na warum ihr keinen Sex hattet. Ich dachte, du stehst auf den Typ Frau."

"Geht dich nichts an", antwortete Angesprochener pampig. Er hatte keine Lust, das Thema jetzt noch zu erörtern.

"Na gut, dann eben nicht. Aber falls du drüber reden willst…", bot Jérôme an.

"Gute Nacht", wurde er von Gabriel unterbrochen.

"Gute Nacht", antwortete der Blondschopf mit einem Lächeln.
 

Einige Stunden früher, in einem weit entfernten Land saß ein hübscher junger Mann mit schulterlangen, schwarzen Haaren vor dem kleinen Plasmabildschirm seines Laptops in einem kleinen Büro und sah sich die Aufzeichnung der diesjährigen Grammy-Verleihung an. Um ihn herum standen und lagen fast schon penibel geordnet diverse Kleinigkeiten, unter anderem ein aus schwarzem Leder gebundener Terminplaner, Kugelschreiber, Notizzettel, ein Tragbares Telefon, eine schöne Grünpflanze aber auch ein etwa zwanzig Zentimeter langer Dolch. Der Mann saß in einem großen, bequemen, schwarzen Lederdrehstuhl und hatte die Hände auf einem edlen Ebenholzschreibtisch verschränkt. Die kalten, schmucklosen, weißen Wände schimmerten leicht im Licht des Bildschirms. Der Laudator ließ gerade den Sieger der Kategorie 'Song des Jahres' verlauten, als ein zweiter, älterer, lockiger Mann hinzutrat und dem ersten über die Schulter sah.
 

"Was siehst du dir da an?", fragte er.

"Oh, das interessiert dich nicht. Rock- und Popmusik", erklärte der erste.

>Satan's Saints!< kam es von dem Laudator. Auf die Bühne trat die Siegerband und der Sänger, ein schöner Mann mit langen schwarzen Haaren und faszinierenden goldenen Augen hielt eine kurze Rede, während der ältere der beiden Männer gerade sagte: "Ich will dir ja nichts vorschreiben, aber diese Musik ist das reinste Gedankengift. Also ich bleibe da lieber bei der guten alten Volksmusik. Mit diesem Gedudel kann ich nichts anfangen. Allerdings… Wenn ich mir diesen jungen Mann da ansehe… Der wäre eine kleine Sünde wert."
 

Er rieb sich nachdenklich über den leichten Bart an seinem Kinn. Der jüngere Mann verdrehte genervt die Augen. >Besonders danken möchte ich unserem Manager, denn ohne ihn wäre das alles hier nicht möglich gewesen. Vielen Dank, Jérôme<, erklang es vom Bildschirm her.
 

Plötzlich rief der Ältere: "Halt sofort das Bild an!" Dieser Befehl wurde unverzüglich befolgt. Auf dem Bildschirm war nun das Bild eines attraktiven blonden Mannes Mitte Zwanzig zu sehen. Das Gesicht des Mannes mit den glatten Haaren gefror, während über das des Bärtigen ein breites Grinsen huschte. "Da bist du also…", murmelte er.
 

An den Mann im Stuhl gerichtet sagte er mit befehlsgewohnter Stimme: "Du weißt, was du zu tun hast. Finde alles über ihn heraus, und das so schnell wie möglich." Mit einem hinterhältigen Grinsen, bei dem strahlend weiße Zähne entblößt wurden und das ein wenig an ein Raubtier erinnerte, wand er sich ab und verließ den Raum.
 

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So, liebe Leute. Ich hoffe, es hat gemundet. Bis nächstes Mal,
 

Myrys

Kapitel 13 - Unter Druck

Kapitel 13

Unter Druck
 

Der November brach trübe und regnerisch an und ein eiskalter Wind wehte. Gabriel kam spät nach Hause. Zurzeit waren er und seine Bandkollegen wieder in NY und tüftelten an einem neuen Album, weshalb er wieder etwas mehr Zeit für sich hatte. Er öffnete die Wohnungstür und rief nach Jérôme. Ein knatschiges Brummen kam aus dem Wohnzimmer, in welchem er den Vampir auf dem Sofa liegend fand. Dieser hatte einen Lappen auf seiner Stirn und dunkle Ringe unter den Augen.
 

"Was ist denn mit dir los?", fragte er besorgt. "Geht’s dir nicht gut?" Ein weiteres Knatschen kam als Antwort. "Verstehe. Soll ich dich in Ruhe lassen?"

"Nein, bleib da", antwortete Jérôme schließlich und sah ihn aus halb geöffneten Augen an. "Bin nur müde und hab Kopfschmerzen."

"Kopfschmerzen? Du bist ein Vampir, also wieso hast du Kopfschmerzen?", fragte Gabriel irritiert.

"Weiß nicht. Ist nicht wirklich so wie Kopfschmerzen, eher so wie ein unterschwelliger Druck, weißt du?", erklärte der Vampir.

"Also Migräne?", vermutete der Sänger und setzte sich neben Jérôme aufs Sofa. Ehe er sich versah hatte dieser seinen Kopf in Gabriels Schoß gelegt.

"Bedauer mich mal ein bisschen", forderte er schelmisch grinsend während er es sich bequem machte.

"Du bist so was von nervig, weißt du das?", meinte der junge Mann halb ernst, streichelte jedoch ein wenig mit den Fingerspitzen durch das weiche blonde Haar.

"Irgendwas liegt in der Luft…", murmelte Jérôme ernst. "Und es kommt näher."

"Was kommt näher? Du sprichst in Rätseln, mein Freund…"

"Keine Ahnung. Es ist so ein ungutes Gefühl. Eine Bedrohung, die unausweichlich auf uns zukommt. Ich spüre es schon seit ein paar Tagen, aber heute ist es besonders schlimm. Ich weiß nicht, was es ist, aber es bedeutet nichts Gutes", erklärte der Vampir.

"Mach dir keine Sorgen", versuchte Gabriel, ihn aufzumuntern. "Wir haben schon alles Mögliche durch gestanden. Solange wir zusammenhalten kann uns nichts und niemand was."

"Dein Wort in Gottes Ohr", meinte Jérôme sarkastisch.

"An den glaubst du doch gar nicht", grinste sein Mitbewohner.

"Stimmt", gab der Vampir zu und schloss genießerisch die Augen, denn das Kraulen von Gabriels Fingern in seinem Haar war unheimlich angenehm.
 

Plötzlich klingelte es an der Tür. Gabriel schob Jérôme von seinem Schoß woraufhin der Vampir sofort Protest einlegte. "Hey, nicht aufstehen. Lass doch einfach klingeln. Wenn's wichtig ist, kommt er schon wieder", schmollte er.

"Nichts da. Unsere Privatadresse hat niemand außer den Leuten, die es wirklich was angeht. Und die kommen nur, wenn es wichtig ist", widersprach der Musiker und ging zur Tür.
 

Als er sie öffnete erstarrte er. Vor ihm stand ein völlig Fremder. Der Mann lächelte ihn freundlich an und Gabriel fühlte sich für einen ganz kurzen Moment zu ihm hingezogen.
 

Er war groß, schlank und irgendwie attraktiv. Seine Haut wies einen südländischen Ton auf, der durch die halblangen, im Nacken zu einem kleinen Zopf gebundenen schwarzen Haare und die dunkelbraunen Augen noch unterstrichen wurde. Ein feiner, säuberlich ausrasierter Bart umrahmte seinen lächelnden Mund. Er trug einen langen schwarzen Ledermantel, ähnlich wie Jérômes und darunter einen dunkelgrauen Anzug.
 

"Guten Abend, Sir. Was kann ich für Sie tun?", fragte der Sänger nachdem er aus seiner kurzen Erstarrung erwacht war.

"Guten Abend. Ich würde gerne mit Jérôme Saint Claire sprechen. Wir sind alte Bekannte", antwortete der Fremde mit einem merkwürdigen Akzent in der angenehm tiefen Stimme.

"Moment bitte", antwortete Gabriel. Aus der Tatsache, dass er von ihrer Privatadresse wusste schloss er, dass er ihm wohl glauben konnte, doch irgendetwas hielt ihn davon ab, den Fremden einzulassen, was eigentlich normal gewesen wäre, also rief er in die Wohnung: "Jérôme, du hast Besuch!"

"Ich bin nicht da!", kam es aus dem Wohnzimmer zurück.

"Hör auf zu schmollen und beweg sofort deinen Arsch her, verstanden?", befahl Gabriel und drehte sich resigniert seufzend zu ihrem Gast um. "Entschuldigen Sie, manchmal braucht er diesen Ton."

"Ich weiß", lächelte dieser zurück.

"Tun Sie das?", fragte er skeptisch und zog eine Augenbraue hoch. Er konnte sich nicht helfen, doch bei dem Anblick vor sich klingelte irgendwas bei ihm und dieses Klingeln klang sehr nach Alarmglocken.
 

Jérôme kam aus dem Wohnzimmer und schaute an seinem Mitbewohner vorbei zur Tür. Dann zog er scharf den Atem ein und Gabriel sah sein Gesicht für einen kurzen Augenblick entgleisen bevor es ausdruckslos wurde und seine Augen wieder so kalt wie Eis blitzten. "Was willst du hier?", fragte er mit einer Stimme so kalt wie sein Blick.
 

"Na, na, begrüßt man so etwa nach so vielen Jahren alte Freunde?", tadelte ihn der Mann im Türrahmen mit einem überheblichen Lächeln.

"Alte Freunde? Dass ich nicht lache! Wir waren nie Freunde, Ibliis", gab Jérôme giftig zurück.
 

Gabriel fuhr zusammen. Wie war das möglich? "Das ist Ibliis?", fragte er ungläubig. Sein Manager nickte nur knapp zur Antwort.

"Oh, wie ich sehe hast du ihm von mir erzählt. Ich fühle mich geehrt, mein Schöner. Was hältst du davon, wenn wir uns ein wenig über die guten alten Zeiten unterhalten?" Er setzte dazu an, die Wohnung zu betreten, doch Jérôme hielt ihn auf. "Wage es nicht", zischte er. "Gabriel, gib mir bitte meinen Mantel, ja?", bat er seinen Mitbewohner, jedoch ohne den Blick von Ibliis zu lassen.
 

Gabriel reichte ihm das gewünschte Kleidungsstück nach kurzem Zögern. Jérôme schlüpfte hinein und schickte sich an, die Wohnung zu verlassen, doch er hielt ihn noch einmal kurz am Arm zurück. Die pure Verwirrung stand in dem hübschen Gesicht, doch der Vampir war nicht fähig, ihm irgendetwas zu erklären, denn er verstand selbst nicht, was gerade geschah. Er lächelte noch einmal, so hoffte er, aufmunternd und zog die Tür hinter sich zu.
 

Draußen vor dem Hintereingang durch den sie hinausgegangen waren stand eine große, schwarze Limousine. "Mein Leihwagen", erläuterte Ibliis. "Komm, wir gehen ein Stück", forderte er Jérôme auf. Dieser hatte, als sie sich von der Limousine entfernten, das Gefühl, dass sich böse Blicke wie Dolche in seinen Rücken bohrten.

"Es ist viel zu lange her…", meinte der ältere Vampir, wieder ins Arabische verfallend.

"Nicht lange genug für meinen Geschmack", antwortete Jérôme ebenfalls in Arabisch.

"Oh, du kannst es also noch", stellte der Araber überrascht fest während er den Blondschopf, der neben ihm lief, von der Seite musterte.

"Was man als Vampir gelernt hat, vergisst man nicht mehr. Das solltest du eigentlich besser wissen als ich", gab dieser pampig zurück. "Wie hast du uns gefunden?", fragte er nur so aus Neugier.

"Ich habe meine Quellen überall auf der Welt. Ich finde alles raus wenn ich will", antwortete Ibliis. Diese Antwort befriedigte Jérôme zwar nicht, doch er wusste, es war die einzige, die er bekommen würde. Er holte tief Luft, dann fragte er erneut: "Was willst du hier?", und hielt im Schritt inne.
 

Ibliis ging noch ein paar Schritte weiter, dann hielt auch er inne und antwortete ohne sich umzudrehen: "Das sollte wohl klar sein."

"Du willst mich", stellte Jérôme knapp fest.

"So ist es", bestätigte Ibliis.

"Niemals", zischte der jüngere Vampir.

"Wie willst du mich davon abhalten, dich wieder mitzunehmen?", fragte sein Schöpfer schlicht.

"Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest: Ich bin stärker geworden in den letzten achthundert Jahren. Ich bin nicht mehr der kleine Schwächling der sich von dir hat unterdrücken lassen müssen. Ich würde dich bekämpfen und wenn es das letzte wäre was ich tue."

"In der Tat, du bist stärker geworden, sowohl körperlich wie auch geistig. Es fiel mir sofort auf, dass ich nicht mehr in deine Gedanken eindringen konnte. Du hast gelernt, sie abzuschirmen. Auch deine körperlichen Stärken sind über die Maßen stark weiterentwickelt. Es wundert mich nicht im Geringsten, doch glaubst du allen Ernstes, dass nur du dich weiterentwickelt hast?" Langsam drehte er sich zu Jérôme um.
 

"Glaubst du, du kannst mich einschüchtern?", fragte Jérôme lauernd.

"Genau das. Du gehörst mir, mein kleiner Prinz des Abendlandes. Du hast mir immer gehört und wirst es auch immer tun. Du bist mein Eigentum, Jérôme. Machtlos, schwach, nur dazu da, von mir beherrscht zu werden. Außerdem erinnere ich mich nicht daran, jemals Beschwerden von dir gehört zu haben wenn wir uns geliebt haben. Im Gegenteil, klingt mir deine Stimme, die förmlich nach mehr bettelt, doch immer noch im Ohr", erklärte Ibliis mit überheblicher Miene und eiskalter Stimme. Seine Augen bohrten sich in Jérômes, doch dieser hielt seinem Blick stand.

"Ich habe dir niemals gehört. Glaubst du allen Ernstes, es gab auch nur eine Sekunde in der ich nicht an Flucht gedacht hätte? Und schließlich hab ich es ja auch geschafft", erwiderte Jérôme.

"Ich frage mich bis heute, wie genau du das bewerkstelligt hast. Bist auch tagsüber gelaufen, nicht wahr?"

"Komplett verhüllt um mich vor der Sonne zu schützen", stimmte der Franzose zu. "Aber das tut nichts zur Sache. Ich werde niemals in deine Sklaverei zurückkehren. Verschwinde aus meinem Leben und zwar endgültig."

"Es ist dir ernst, nicht wahr?", fragte Ibliis gedehnt und kam langsam auf ihn zu. Eine Weile sah er ihn nur mit forschendem Blick an, dann sagte er: "Gut, einverstanden, du brauchst nicht mitzukommen."

"Was?", fragte der Jüngere ungläubig.

"Wie ich sagte, du brauchst nicht mitzukommen. Jedoch… Es ist wirklich schade, dass ich den ganzen weiten Weg umsonst gekommen bin…" sagte der Ältere nachdenklich und rieb sich übers Kinn.

"Wie meinst du das?" erkundigte sich der Blonde, nichts Gutes ahnend.
 

"Er ist schön…", meinte Ibliis nur.

"Wer?", hakte Jérôme nach und ihm schwante Übles.

"Der Junge, mit dem du zusammen wohnst. Wie war noch gleich sein Name? Gabriel, nicht wahr? Der Name eines Erzengels. Er passt zu ihm. Wirklich, ein wunderschöner junger Mann…", antwortete der Araber schwärmerisch.

"Wage es nicht, ihm zu nahe zu kommen, Ibliis", presste Jérôme mit unterdrücktem Zorn hervor.

"Glaubst du denn wirklich, du könntest mich davon abhalten?", grinste sein Gegenüber fies. "Ach, sein Haar ist bestimmt genauso seidig wie es aussieht", schwärmte er weiter.

"Ich werde ihn nicht eine Sekunde aus den Augen lassen", sagte Jérôme, doch seine Stimme schwankte ein wenig.

"Gut, dann kannst du ja zusehen, wie ich es mit ihm tue. Wie es aussieht, hast du einmal wieder zwei Möglichkeiten. Du oder der Junge", meinte Ibliis schlicht.
 

Jérôme kämpfte mit sich. Er wusste, gegen Ibliis hatte er keine Chance, sollte es tatsächlich zu einem Kampf kommen. Nein, er konnte den Mann, den er liebte nicht einfach an ihn ausliefern, niemals.

"Also gut", sagte er schließlich. "Ich komme mit dir. Aber du wirst Gabriel kein Haar krümmen."

"Ich doch nicht", sagte Ibliis überheblich grinsend. "Ach ja, schön, dass du doch noch vernünftig geworden bist, mein Lieber. Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?"

"Geht dich nichts an", kam als Antwort zurück.

"Komm, wir gehen zurück zum Wagen", forderte der Araber ihn auf und legte einen Arm um Jérômes Schulter. Jérôme wusste, würde er aufmucken wäre Gabriel in ernster Gefahr also ließ er es geschehen.
 

Als sie wieder beim Haus ankamen stand da, lässig gegen die Limousine gelehnt, ein Mann in schwarzer Uniform. Eine Schirmmütze verdeckte sein Gesicht. Nur das Glimmen einer Zigarette ließ erahnen, wo in etwa sein Mund lag. Als er die beiden näher kommen sah, hob er das Gesicht und Jérôme erkannte ihn sofort.
 

"Akin!", rief er überrascht.

"Ja, da staunst du, was?", sagte Angesprochener cool und blies den Rauch aus. "Hätte nicht gedacht, dass ich dich je wieder sehe."

"Glaub mir, mir wär's anders auch lieber gewesen", antwortete Jérôme. "Bist noch ein Stück gewachsen seit ich dich das letzte Mal gesehen hab."

"Tja. Als du meintest, abhauen zu müssen war ich 22 Jahre alt. Zum Vampir wurde ich allerdings erst drei Jahre später."

"Seit wann rauchst du eigentlich?"

"Seit es egal ist, ob ich daran sterbe oder nicht. Ich bin tot, also ist es egal, was ich mit meinen verbliebenen inneren Organen mache", gab Akin gelassen zurück.

"Na ich jedenfalls würde dich nicht küssen wollen", bemerkte Jérôme spitz.

"Ich dich auch nicht", grinste Akin und schnippte seine Kippe weg.

"Wie ich sehe versteht ihr beide euch bestens", freute sich Ibliis. "Also dann, wir sehen uns morgen Abend", sagte er an Jérôme gewandt.
 

"Was? Morgen Abend?", rief dieser entsetzt.

"Ja. Wir fliegen mit meinem Privatjet. Also, morgen um zehn Uhr. Bis dahin solltest du alles geregelt haben", erklärte Ibliis. Dann zog er ihn an sich und drückte ihm einen harten, lieblosen Kuss auf die Lippen. Anschließend stieg er hinten in den Wagen, Akin vorne und die beiden fuhren davon.
 

Jérôme fühlte sich schwer und niedergeschlagen. Oben in der Wohnung wartete Gabriel auf ihn.

"Was wollte er?", fragte er besorgt.

"Nichts weiter. Wollte nur mal Hallo sagen", log Jérôme. Er brachte es nicht fertig, ihm die Wahrheit zu sagen.

"Warum siehst du dann so beschissen aus?", hakte der Sänger misstrauisch nach.

"Wie würdest du aussehen, wenn das Schreckgespenst deiner Alpträume plötzlich vor dir steht, nachdem du geglaubt hast, endlich alles vergessen zu haben?", antwortete Jérôme und fühlte sich schwächer denn je. Für ihn überraschend legten sich Gabriels Arme tröstend um ihn und zogen ihn fest an sich.
 

Wieso? Wieso war alles so ungerecht? Es schien, als hätte sich von Anfang an alles gegen ihn verschworen. Alles, was er jemals geliebt hatte, wurde ihm genommen. Und Gabriel liebte er mehr als alles andere. Er erwiderte die Umarmung, suchte in ihr Halt. Morgen würde es vorbei sein. Ab morgen würde er ihn nie mehr wieder sehen. Der Gedanke daran brach ihm das Herz, doch plötzlich war er irgendwie froh, Gabriel nie seine Liebe gestanden zu haben. Vielleicht war es wirklich besser, sie trennten sich als Freunde, denn sonst hätte der bevorstehende Abschied wohl auch Gabriels Herz gebrochen und das wollte er nicht. Während er den jungen Mann fest in seine Arme schloss dachte er immer nur: 'Ich liebe dich, Gabriel, doch du wirst es nie erfahren. Es tut mir Leid.' Der Schmerz in ihm war so stark, dass er überrascht spürte, wie ihm ein paar lautlose Tränen über sein Gesicht liefen.
 

Gabriel war unruhig. Jérôme hatte ihm, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, versichert, dass alles in Ordnung war und ihn am nächsten Morgen brüsk zur Arbeit geschickt. Doch es war nicht in Ordnung, ganz und gar nicht. Er kannte ihn mittlerweile gut genug um zu wissen, wenn er nicht ganz ehrlich war. Er konnte sich nicht konzentrieren, versaute alle Aufnahmen, verspielte sich an seinem Klavier bei einem Stück, das er schon ewig auswendig konnte und vergaß immer wieder seinen Text. Schließlich schickten ihn die Jungs um acht heim.
 

Als er zu Hause eintraf war Jérôme nicht da. 'Wohl auf der Jagd', dachte er. Da fiel ihm der große Koffer auf, der mitten im Flur stand, gleich neben dem Sarg. Was sollte das denn schon wieder? Doch dann dämmerte es ihm. Ibliis wollte Jérôme zurück und Jérôme würde mit ihm gehen. Nein, das durfte nicht wahr sein. Völlig fassungslos ließ er sich auf das Sofa sinken. Von wegen 'alles in Ordnung'. Der konnte was erleben wenn er heim kam.
 

Eineinhalb Stunden später hörte er Jérôme nach Hause kommen und stürmte ihm gleich im Flur entgegen. "Kannst du mir mal erklären, was das soll?", fuhr er ihn wütend an.

"Du bist schon zu Hause?", fragte Jérôme verwirrt zurück.

"Schon? Es ist halb zehn Uhr abends. Was glaubst du denn, wie lange ich in diesem dämlichen Tonstudio rumhänge? Ich komme nach Hause und was sehe ich? Du spielst 'Reise nach Jerusalem' oder was weiß ich, wohin. Hattest du vor, einfach so abzuhauen und mir nicht ein Sterbenswörtchen davon zu sagen?", schimpfte der Musiker.

"Um ehrlich zu sein, ja. Genau das hatte ich vor", gab sein Gegenüber kleinlaut zu.

"Du willst also wirklich zu ihm zurück? Zurück in die Sklaverei?", fragte Gabriel ungläubig. Wie so häufig in letzter Zeit erhielt er nur ein Nicken als Antwort. "Weißt du was, Jérôme? Du bist ein erbärmlicher Schlappschwanz wenn du dich nicht gegen ihn durchsetzen kannst", sagte er und seine Stimme zitterte. Er stand kurz davor, loszuheulen.
 

Jérôme war wie vom Blitz getroffen. Von einer Sekunde auf die andere ging es ihm auf: Gabriel liebte ihn, das war ganz klar. Was sollte er denn jetzt sagen? Dass ihn Ibliis in der Hand hatte? Dass er es nur für ihn tat? Er beschloss, einen anderen Weg einzuschlagen, obwohl er sich selbst dafür hätte ohrfeigen können. "Wer sagt denn, dass ich mich gegen ihn durchsetzen wollte?", fragte er lässig.

"Wie meinst du das?", wollte Gabriel wissen.

"Ich hab nach reiflicher Überlegung eingesehen, dass ich mich seit etwas länger als einem Jahr im Kreis drehe. Meinem Ziel komme ich jedoch nicht näher. Ich bin nett, zärtlich, rücksichtsvoll, opfere meine Zeit für dich, aber du… Weißt du, ich hab's satt, dass du mich nicht ranlässt", antwortete der Vampir mit ausdrucksloser Miene.

"Dass ich dich nicht ranlasse? Das kann nicht dein Ernst sein, Jérôme", sagte der junge Mann leise. Er fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Der Umstand, dass Jérôme nur mit ihm zusammen war, weil er ihn ins Bett bekommen wollte, war ihm nie gekommen.

"Ist mein voller Ernst", sagte Jérôme kühl.

"Aber… Ich dachte…", stotterte Gabriel.

"Was dachtest du? Etwa, dass ich dich liebe?", fragte der Vampir und klang dabei schon fast boshaft.
 

Diesmal war es an Gabriel, nur zu nicken. Jérômes nächste Worte trafen ihn wie ein Schlag. Der Vampir sagte: "Falsch gedacht." Gabriel schluchzte auf. War er blind gewesen? Hatte er sich nur getäuscht? Er sah Jérôme direkt in die Augen, erkannte darin jedoch nur Kälte und Hohn.

"Ich hab dir mal erzählt", begann der Franzose, "dass ich mich immer gut mit denen gestellt habe, auf die ich es abgesehen hatte. Gut, am Anfang hattest du keine Kohle, aber du hast mir ein Dach über dem Kopf gegeben, das war schon mal besser als nichts. Eigentlich hatte ich geglaubt, leichtes Spiel mit dir zu haben. Du hast mich vom ersten Augenblick an angemacht und ich wollte deinen Körper, aber du hast dich mir verweigert. Nur dieses eine Mal, da hatte ich dich fast soweit, aber du musstest ja wieder die Diva spielen. Jetzt reicht es mir. Ich habe lang dafür gebraucht, es einzusehen, aber ich erkenne es, wenn ein Kampf verloren ist. Ibliis kann mir geben, was ich brauche, du nicht. Deshalb gehe ich freiwillig zu ihm zurück. Sieh es ein: Das einzige was ich von dir wollte war Sex."
 

"Das ist nicht wahr. Sag mir, dass das nicht wahr ist", bettelte Gabriel und feine Tränen kullerten über seine Wangen.

"Es ist wahr", bestätigte Jérôme kühl.
 

Gabriels Knie wurden weich und gaben unter ihm nach. Unter anderen Umständen wäre Jérôme wohl sofort zu ihm gekommen und hätte ihn aufgefangen, doch diesmal blieben ihm die tröstende Wärme und der Halt der starken Arme verwehrt. "Ich bin so ein Idiot", schluchzte er. Eisige Kälte kroch in ihm hoch und füllte ihn ganz aus. Als wäre ein Damm gebrochen stürzte alles über ihm ein und er begann, hemmungslos zu weinen. Er fühlte sich so verraten, benutzt und enttäuscht. Wie hatte er sich nur in so einen Idioten verlieben können?
 

"Ach übrigens", fuhr Jérôme fort, "unser Spiel ist beendet. Du hast gewonnen, also solltest du dich freuen anstatt rumzuheulen."

Im nächsten Moment läutete es an der Tür. Akin stand davor um ihm mit seinen Sachen zu helfen. "Was hast du denn mit dem gemacht?", raunte er ihm zu als er einen Blick auf den völlig am Boden zerstörten Gabriel geworfen hatte.

"Ist nicht dein Problem. Los, fass mit an", gab Jérôme zurück und lud ihm den Sarg auf während er seinen Koffer nahm. Dann griff er in seine Manteltasche und zog einen kleinen Gegenstand heraus, den er Gabriel hinwarf. Es war sein Wohnungsschlüssel.

"Au revoir, Chéri", sagte er und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
 

Unten auf der Straße blies ihm die kalte Novemberluft ins Gesicht. Ein erneuter Regenschauer ging nieder und versteckte die Tränen in seinen Augen. Er versuchte sich einzureden, dass es besser so gewesen war. Besser, Gabriel hasste ihn und würde ihn irgendwann vergessen.

Ibliis stand vor der Limousine und wartete, dass Jérôme einstieg, dann folgte er ihm. Bevor er die Tür schloss, sagte er zu Akin: "Alles bereit?" Dieser nickte und zückte einen Dolch aus seinem Ärmel. "Gut, dann bring es zu Ende", befahl Ibliis.
 

Jérôme erkannte sofort, was das bedeutete. Panik ergriff von ihm Besitz. "Nein!", schrie er. "Akin, tu es nicht, bitte!" Er versuchte, über Ibliis hinweg zu klettern, um Akin zu erreichen, doch dieser hatte bereits die Tür geschlossen und verriegelt.
 

Minutenlang hatte er gegen die Wagentür gehämmert und immer wieder "Nein, nein, nein!" geschrien, doch es hatte nichts genützt.

"Du mühst dich umsonst ab", sagte Ibliis lässig. "Das hier ist Panzerglas und die Türen sind aus Stahl. Die kriegst du nicht auf, nicht, bevor Akin wieder aufschließt. Außerdem ist es ohnehin zu spät. Dein kleiner Engel ist tot."

"Du hast gesagt, du würdest ihm kein Haar krümmen", fuhr Jérôme ihn mit einem zornigen Funkeln in den Augen an.

"Ich habe gesagt, dass ICH es nicht tun würde. Und tatsächlich lege ich keinen Finger an ihn", erwiderte sein Erschaffer ungerührt.
 

Akin erschien wieder. Er ließ sich auf den Fahrersitz fallen und seufzte.

"Alles gut gegangen?", fragte Ibliis. Sein Diener nickte und reichte ihm den Dolch nach hinten. An ihm klebte frisches Blut. "Hat er sich gewehrt?", wollte Ibliis weiter wissen.

"Nein. Er war zu verstört. Er war nicht einmal mehr in der Lage, mich richtig anzusehen, so verweint war sein Gesicht" antwortete der junge Araber ungerührt. Langsam und bedächtig leckte Ibliis ein wenig Blut von dem Dolch ab. "Sehr süß", stellte er fest. "Das Blut eines Liebenden."

"Warum?", flüsterte Jérôme. "Warum musste er sterben?"

"Damit du keinen Grund mehr hast, wieder wegzulaufen. Solange er lebt hättest du nie aufgehört, zu versuchen, zu ihm zurückzukehren. Dazu kenne ich dich gut genug, und das musste ich verhindern. Obwohl es schade um so eine Schönheit ist."
 

Jérômes Welt stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Gabriel, sein geliebter Gabriel war tot und er selbst nicht in der Lage zu sterben. Niemals mehr würde er ihn wieder sehen. Egal, ob Ibliis ihn dabei sah oder nicht, er konnte nicht anders. Wie der Regen, der den Asphalt der Straße schwarz färbte, begann er, zu weinen.

Kapitel 14 - Die große Stunde des David R.

Hellas!
 

Tjo, ein neues Kapitelchen ist am Start ^^. Um die Tränen zu trocknen, hoffe ich.
 

Viel Spaß
 

Myrys
 

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Kapitel 14

Die große Stunde des David R.
 

Gabriel erwachte langsam. Sein Kopf dröhnte und sein Unterarm brannte. Woher seine Kopfschmerzen kamen wusste er, doch was war mit seinem Arm? Als er ihn sich näher besah, erkannte er einen langen, hellroten Streifen, der jedoch nur noch sehr blass zu sehen war. Sah aus wie ein Schnitt… Merkwürdig.

Die träge Stille in der Wohnung schien ihn fast augenblicklich zu erdrücken. Jérôme war weg, und nicht nur das. Sofort bildete sich wieder ein dicker Kloß in Gabriels Hals als er an den Abschied dachte. Langsam und noch etwas benommen richtete er sich auf. Er stand schon halb aufrecht, da hörte er das leise Rascheln. Vor ihm auf dem Boden lag eine Visitenkarte. Anscheinend hatte sie auf seinem Bauch gelegen und war nun heruntergerutscht. Er hob sie vorsichtig auf. Sie war auf goldgelbem, dickem Papier gedruckt und ziemlich schmucklos bis auf ein kleines Ornament rechts oben in der Ecke. Doch das, was darauf stand, konnte er nicht entziffern. Es war nicht nur eine andere Sprache sondern auch eine ganz andere Schrift. Der Mittelteil war gedruckt, doch es gab noch zwei kleine, handschriftliche Notizen. Eine über dem Gedruckten und eine am unteren rechten Rand.
 

Die musste dieser Typ dagelassen haben, der Jérôme mit dem Gepäck geholfen hatte. Wenn Gabriel sich nicht sehr täuschte, musste es sich bei ihm um Akin, Ibliis treuen Schatten handeln. Dieser war noch einmal kurz nach oben gekommen. Seine Schritte waren so leise gewesen, dass Gabriel ihn erst bemerkt hatte, als er direkt hinter ihm stand und ihn ansprach. Er hatte wohl die Feuerleiter benutzt und war durch ein Fenster eingestiegen.

"Liebst du ihn?" hatte er mit einem sehr starken Akzent gefragt.

Gabriel war erschrocken herumgefahren und hatte ihn angestarrt. Akin hatte zurückgestarrt und seine Frage schließlich noch einmal wiederholt. Gabriel hatte genickt und den Kopf hängen lassen. Ehe er sich versah, hatte Akin ihn niedergeschlagen.
 

Im Wohnzimmer ließ er sich müde auf sein Sofa fallen. Die Visitenkarte legte er auf den Tisch. Was sollte er jetzt tun? Noch nie zuvor in seinem Leben war er so leer gewesen. Außer vielleicht an dem Tag, als Brian fort gegangen war. Und selbst das war nicht halb so schlimm gewesen. 'Am besten in den Hudson stürzen', fuhr es ihm durch den Kopf. Oder vielleicht doch was Spektakuläreres? Von einem Hochhausdach springen? Sich eine Kugel in den Kopf jagen? Vielleicht bekam man ja auch irgendwo Gift her?
 

Jérôme hatte ihn verraten und verlassen. Er fühlte sich so mies. Dabei war er sich doch so sicher gewesen, dass ihn dieser Schuft liebte. Ob er ihn liebe hatte ihn dieser Typ gefragt. Ja, verdammt, und wie! Erneut kamen ihm vor Kummer die Tränen. Scheiße, warum musste ein gebrochenes Herz eigentlich so wehtun? Kalt. Alles in ihm und um ihn herum war einfach nur kalt. Obwohl der Vampir so abweisend zu ihm gewesen war vermisste er ihn wie verrückt. Er schlang seine Arme um sich und schlief schließlich mit Jérômes Namen auf den Lippen, leise vor sich hin gehaucht, ein.
 

'Immer noch kalt', war sein erster Gedanke als er am nächsten Morgen verkrampft auf der Couch liegend aufwachte. Er richtete sich verschlafen auf und schob sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Sofort war wieder die Leere da. Kein Jérôme. Kein Lachen mehr, keine Neckereien. Ihr übliches Geplänkel, das meistens verdammt nah am Flirten war, die zarten Berührungen, die kleinen Aufmerksamkeiten, das selbst gekochte Essen, einfach alles war weg. Sein Blick fiel auf die Visitenkarte, die immer noch auf dem Tisch lag. Ratlos drehte er sie in seiner Hand hin und her. Er brauchte jetzt jemanden, der ihm Trost spendete. Kurz entschlossen wählte er die Nummer der Auskunft und ließ sich mit dem Flughafen verbinden um einen Flug nach Boston zu buchen.
 

"Tut mir Leid, Sir, aber sämtliche Flüge in der nächsten Zeit sind schon lange ausgebucht. Sie wissen doch, Thanksgiving steht vor der Tür. Da wollen alle zu ihren Familien", sagte die freundliche Dame von der Flughafenauskunft.

"Ich verstehe. Danke für ihre Bemühungen", antwortete er. Er verabschiedete sich und legte auf. So ein Mist aber auch. Da blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als mit dem Auto zu fahren. Mittlerweile hatte er sich einen eigenen fahrbaren Untersatz beschafft. Jérôme wollte unbedingt einen Geländewagen haben, Gabriel einen Sportwagen. Nach ewigem Hin und Her hatten sie keines von beiden genommen sondern einen BMW. Nicht zu groß, nicht zu klein. Genau in der Mitte eben. Das schwarze, auf beiden Seiten mit grünen Flammen verzierte Geschoss stand nun in der Tiefgarage ihres Wohnhauses und wartete darauf, ausgefahren zu werden. Schnell ramschte er ein paar Sachen zusammen und verließ die Wohnung. Die Karte hatte er unbewusst wieder eingesteckt.
 

Die Zeit verging so langsam. Er hatte das Radio an, weil er in der Eile keine CDs mitgenommen hatte. Verdammt, bestand denn heutzutage jedes zweite Lied aus Herzschmerz? Oder kam ihm das nur so vor, weil er sich selbst so beschissen fühlte? Egal, jedenfalls war es nicht auszuhalten. Gerade wollte er das Radio ausschalten, als der Jingle für die Nachrichten kam. Na ja, wenigstens die konnte er ja noch anhören.
 

Gleich bei der ersten Nachricht trat er voll auf die Bremse und geriet fast ein wenig ins Schleudern, doch er konnte seinen Wagen noch einigermaßen sicher an die Seite lenken und abstellen. Gott sei Dank waren keine anderen Autofahrer unterwegs gewesen.
 

"Nach noch unbestätigten Angaben wurde der berühmte Sänger Gabriel Hart heute Morgen tot in seiner Wohnung aufgefunden. Ein unbekannter Zeuge sagte aus, Hart sei mit einem Messer oder einem ähnlichen Gegenstand von hinten niedergestochen worden. Von Harts Management erfolgte bisher noch keine Stellungnahme, was den Gerüchten, dass sein Manager, der französischstämmige Jérôme Saint Claire, etwas mit der Sache zu tun haben könne, weitere Nahrung gibt. Eine offizielle Bestätigung seitens der Polizei liegt bisher noch nicht vor. Wir werden Sie über den Fall auf dem Laufenden halten."
 

'Tot? Ich bin doch nicht tot. Was für ein Idiot verbreitet denn so einen Unsinn?', fragte sich Gabriel unwillkürlich. Dabei fiel ihm auf, dass sein Handy praktischerweise zu Hause lag. 'Und Jérôme hat damit gar nichts zu tun. Jérôme…' Schon wieder schweiften seine Gedanken zu seinem Vampir. Seinem Vampir? Jetzt drehte er wirklich langsam durch. Kopfschüttelnd lenkte er sein Auto wieder auf die Straße und legte den letzten Rest des Weges nach Boston ereignislos zurück.
 

Endlich, die Tür von Vivis Haus. Langsam stieg er die paar Stufen hinauf und klingelte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und ein mit dunklem Zottelhaar und Gesichtspullover bedeckter Kopf erschien.

"Ich sehe Gespenster", erklang Davids leise, sonore Stimme.

"Nein, tust du nicht, David. Ist Vivi da?", antwortete Gabriel.

"Tut mir Leid, Gabriel, aber sie ist auf einem…", begann David, wurde jedoch von Gabriel unterbrochen.

"Sag jetzt bloß nicht irgendeinem Hokuspokus Seminar." Er funkelte seinen zukünftigen Schwager zornig an.

"Doch, ganz genau das", erwiderte David gelassen. Seine braunen Augen hinter der altmodischen Hornbrille musterten Gabriel skeptisch. "Ich will dich nicht beleidigen, Gabriel, aber hat dir heute schon mal jemand gesagt, dass du zum heulen aussiehst?", fragte er ernst. "Oh, bitte, das war keine Aufforderung…", stammelte er hilflos, als Gabriels Lippen begannen zu zittern und sich seine Augen mit Wasser füllten.

"Komm rein", forderte er ihn schließlich auf, was Gabriel zögernd tat.

"Weißt du was? Ich mach dir erst mal einen schönen Mate-Tee, dann kommst du gleich wieder auf andere Gedanken", schlug David vor und dirigierte ihn ins Wohnzimmer, wo er ihn aufs Sofa setzte, nur um sofort in der Küche zu verschwinden. Kurz darauf kam er wieder mit einer Tasse Tee, die er vor Gabriel abstellte.

"Weißt du, Gabriel, ich bin zwar nicht deine Schwester, aber wenn du drüber reden willst, dann…"

Weiter kam er nicht, denn Gabriel warf sich ihm hemmungslos schluchzend um den Hals.
 

Das war einfach zu viel. Erst wurde er für tot erklärt, dann war Vivi nicht da und der einzige, den er als Trostspender bekam, war der Mann, den er als Bigfoot für Arme bezeichnet hatte, als er ihm das erste Mal begegnet war. Herrlich. Konnte es noch schlimmer kommen? Aber immerhin war der besser als nichts.

Erst hatte er geglaubt, David würde ihn wegstoßen, doch dann spürte er warme, vorsichtige Hände auf seinem Rücken, die ihn sanft streichelten. Eine unglaubliche Ruhe und Geborgenheit ging von dem Mann aus und plötzlich verstand er, warum Vivi ihn liebte. Er spürte, wie er sanft gewiegt wurde, als sein Körper immer wieder vom Schluchzen erbebte und zitterte. Eine ganze Weile saßen sie so da, dann brach David das Schweigen: "Dein Tee wird kalt", sagte er mit träger Stimme.

Daraufhin musste Gabriel unwillkürlich kichern. "Oh Mann, solche Kekse können nur von dir kommen, David", sagte er.

"Kekse zum Tee? Oh, da hab ich jede Menge wenn du magst", antwortete David. "Dinkelkekse, Haferkekse…"

Gabriel lachte auf, obwohl ihm gleichzeitig immer noch zum Heulen zumute war.

"Was ist denn nun los?", fragte David ernstlich verwirrt. "Erst heulst du und dann lachst du, obwohl du immer noch heulst. Bist eben doch der Bruder deiner Schwester."

"Tschuldigung", murmelte der Sänger verlegen.

"Na gut, dann schieß doch mal los", forderte David ihn auf.

Also erzählte er ihm, was in den letzten Tagen vorgefallen war, allerdings mit Variation.

"Also hat dich Jérôme wegen seinem Ex-Lover verlassen, der ihn nur ausgenutzt hat und das nur, weil er keinen Sex von dir gekriegt hat", fasste sein Schwager in spe das Ganze noch einmal zusammen.

"Sieht so aus", murmelte Gabriel.

"Und dann der Kerl, der zu dir gekommen ist und dich niedergeschlagen hat. Heute Morgen heißt es dann, du wärst tot. Mein Boss hat schon ein paar Mal bei mir angerufen und versucht, mit meiner Hilfe war herauszufinden. Ganz komische Sache… Aber du hast gesagt, er hat eine Visitenkarte dagelassen. Lass mich die mal sehen" bat der Journalist.

"Hier." Gabriel holte das goldgelbe Stück Papier aus seiner Tasche.

David betrachtete die Karte einige Augenblicke und studierte den Text. Dann rief er aus: "Donnerwetter!"

"Was denn? Sag bloß, du kannst das lesen?", fragte der Musiker überrascht.

"Natürlich. Bei meiner Zeitung bin ich doch Korrespondent für den Nahen Osten, da muss ich doch wenigstens die Sprache beherrschen, oder?"

"Und was steht da?" Gabriels Neugier stieg fast ins Unermessliche.

"Das gedruckte hier ist eine Adresse in Dubai. Und zwar im besten Viertel der Stadt. Wer immer es war, der Jérôme mitgenommen hat, der hat Kohle und das nicht zu knapp", erklärte David.

"Und das Handschriftliche?"

"Also das obere da bedeutet 'Er dich auch.' Irgendwie macht das für mich keinen Sinn. Das da unten ist ein Name. Es bedeutet 'Akin'. Kannst du was damit anfangen?" Fragend sah er den Bruder seiner Freundin an. Dieser schien wie weggetreten.

"Er liebt mich…", flüsterte er.

"Wer? Würdest du mich mal bitte aufklären?", verlangte David.

"Jérôme. Der, der zu mir kam, war Akin, ein Diener von Jérômes Ex. Jérôme hat mir von ihm erzählt. Als er zu mir kam hat er mir, bevor er mir eins übergezogen hat, die Frage gestellt, ob ich Jérôme liebe. Ich hab 'Ja' gesagt. 'Er dich auch' bedeutet, dass Jérôme mich auch liebt."

"Und daran hast du gezweifelt?", fragte David ungläubig.

"Hab ich dir ja gerade erzählt", moserte Gabriel.

"Warum hast du das eigentlich geglaubt? War ja offensichtlich, dass ihr beide total ineinander verknallt seid. Ich meine, so wie ihr euch geküsst habt…"

"Was? Wir wurden beobachtet?", rief der Sänger entsetzt.

"Zufällig. Eigentlich wollte ich Jérôme nur mal ganz höflich fragen, warum er meine zukünftige Frau geküsst hat, aber dann hab ich euch in der Laube gesehen. Nachdem ich eins und eins zusammenzählen kann war mir sofort klar, was da gespielt wird."

"Du hast aber niemandem was erzählt, oder?"

"Nein. Ich hab nur mit Vivi drüber gesprochen, und die schien, ehrlich gesagt, auch nicht gerade überrascht."

"Also glaubst du auch, dass er mich…", fragte Gabriel hoffnungsvoll.

"Sicher. Ich glaube, er hat dir das alles nur gesagt, damit ihm und vielleicht auch dir der Abschied leichter fällt. Vielleicht wurde er auch dazu gezwungen, so was zu sagen. Wäre immerhin möglich, oder? Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir ihn zurückbekommen."

"Zurückbekommen? Wie denn?"

"Gabriel, steh auf, du sitzt auf der Leitung", brummte David. "Hätte dieser Akin nicht gewollt, dass du kommst und Jérôme wieder mitnimmst, hätte er dir wohl kaum die Karte dagelassen, oder?"

"Stimmt. Aber wie soll ich denn nach Dubai kommen? Und wenn ich da bin, wie geht's dann weiter? Ich kenne mich da nicht aus, weder bei Land noch bei Leuten…"

"Willst du kneifen?" David nahm seine Brille ab und starrte seinen Fast-Schwager vorwurfsvoll an.

"Nein. Ich hab nur…"

"… Angst, richtig?", vermutete David mit einem sanften Lächeln. Auf Gabriels Nicken hin sagte er: "Hab ich mir gedacht. Aber keine Sorge, ich weiß schon, was zu tun ist." Er angelte nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer. Nach einiger Wartezeit sagte er: "Mike? Hi, hier ist David… Ja… Nein… Hör mal, ich hab eine Super-Story. Es geht um eine Entführung… Wer entführt wurde? Jemand wichtiges aus der Unterhaltungsindustrie… Nein, sie haben nicht Hugh Heffner entführt… Warum mich das interessiert? Ganz einfach: Es gibt Verbindungen in den Nahen Osten. In die höchsten Kreise… JA, wenn ich's dir doch sage, Herrgott… Ja, genau das. Ach ja, und ich brauche zwei Tickets… Weil mich mein Informant begleiten wird, darum… Ja, alles klar. Also dann heute Abend um sechs. Gut. Bist ein Schatz, Mike."

Gabriel blickte ihn nur verständnislos an. "Was war das denn jetzt?", fragte er.

"Ganz einfach: Du und ich, wir beide fliegen noch heute Nachmittag nach Dubai und holen deinen Schatz zurück", erklärte David und seine Augen leuchteten vor Freude.

"Aber so wie sich das anhörte nur unter dem Vorwand, dass für dich eine Story raus springt…", meinte der Musiker misstrauisch.

"Ach komm schon, Schwägerchen, vertrau mir doch einfach, ja? Wär nicht die erste Story, die sich als Ente herausstellt. Allerdings wird es meine erste", erklärte der Journalist grinsend.

"Und das geht wirklich in Ordnung?"

"Na klar. Wir fliegen auf Kosten der Boston Times. (Weiß gar nicht, ob's die gibt. Wenn ja, sorry, dass ich den Namen missbrauche.) Läuft alles auf Spesen. Gar kein Problem, sofern du deinen Pass hast."

"Na klar. Seit wir mit der Band international unterwegs sind hab ich den immer dabei", antwortete Gabriel.

"Gut, dann ab nach Dubai!", rief David.
 

Gabriel war verblüfft. Er hätte nie gedacht, dass er Gott einmal für David Rock dankbar sein würde. So saßen sie tatsächlich einige Stunden später in einem Flugzeug, das sie nach Dubai bringen würde.

Während des Flugs musste Gabriel fast nur noch an Jérôme denken. Wie es ihm jetzt wohl ging?
 

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Tja, Tränen getrocknet, Spannung bleibt. Bin ein fieses Schreiberlein.

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Also starten wir die JRA (Jérôme-Rettungs-Aktion)

Kapitel 15 - 1001 Nacht oder knapp darunter

Kapitel 15

1001 Nacht oder knapp darunter
 

Sie erreichten Dubai nach schier endlosen Stunden im Flugzeug, inklusive Umsteigen in Europa. Die Sonne hatte sich gerade über den Horizont erhoben und der Tag schien verdammt heiß zu werden.

"Tja, ich hätte dich vielleicht warnen sollen, dass es hier im November locker bis zu 35 Grad haben kann…", bemerkte David, der Gabriel dabei beobachtete wie er sich aus seiner Lederjacke schälte.

"Ich hab, ehrlich gesagt, schon mit so was gerechnet", gab dieser zu, "doch dass es schon morgens früh so warm sein würde hätte ich nicht gedacht."

"Also, fahren wir erst mal ins Hotel", schlug David vor und rief ein Taxi. Ihr weniges Gepäck verstauten sie im Kofferraum und stiegen ein.

"Und, willst du es gleich versuchen oder dich erst ein wenig von der Reise erholen?", erkundigte er sich, während er seinen zukünftigen Schwager musterte, der nervös mit einer seiner Haarsträhnen spielte. In dieser Angewohnheit war er seiner Schwester doch wieder unheimlich ähnlich.

"Nein. Besser erst nach Sonnenuntergang", antwortete Gabriel.

"Gut. Ist auch besser für dich. Zum einen ist es nicht mehr so warm und zum zweiten kannst du bis dahin noch ein bisschen schlafen", gab David zurück.

"Nein, kann ich nicht. Bin viel zu nervös. Außerdem hab ich im Flugzeug geschlafen", sagte der Musiker.

"Ja, drei Stunden und das nur oberflächlich. Ist gar nicht gut für deine Gesundheit, mein Lieber", gab der Journalist zu bedenken.

"Ist mir egal. Ich will Jérôme finden und dann weg hier. Hätte nie gedacht, dass ich wegen dem Kerl mal so einen Stress haben würde. Kommt ja nicht jeden Tag vor, dass ich nur wegen ihm um die halbe Welt fliege. Wobei ich immer noch nicht verstehe, warum Akin mir diesen Hinweis gegeben hat."

"Hast du denn überhaupt eine Ahnung, wer dieser Akin genau ist?", wollte David neugierig wissen.

"Na ja, er ist, wie ich schon sagte, ein Diener von Jérômes Ex. Soweit ich weiß hat er ihm Arabisch beigebracht und sich ein bisschen um ihn gekümmert."

"Jérôme spricht arabisch?", fragte Vivis Freund überrascht.

"Ja. Ich hab sie miteinander reden hören. Hörte sich ganz klar nach arabisch an."

"Faszinierend. Du hast mir übrigens immer noch nicht gesagt, wie der Kerl eigentlich heißt", bemerkte David.

"Welcher?"

"Jérômes Ex."

"Das weiß er glaub ich selber nicht so genau. Er nannte ihn immer Ibliis." In diesem Augenblick machte der Fahrer einen kleinen Schlenker.

"Alles in Ordnung?", wollte David wissen. Der Fahrer nickte nur kurz.

"Hmmm. Ein ungewöhnlicher Name. In etwa die Entsprechung unseres Luzifers", überlegte der Journalist. "Ziemlich vermessen, sich so nennen zu lassen."

"Jérôme meinte, der Name passe zu ihm. Ich hoffe, ich muss es nicht herausfinden."
 

Die weitere Fahrt über unterhielten sie sich über dieses und jenes, doch Gabriel wurde immer schweigsamer und David ließ ihn in Ruhe. Als sie am Hotel hielten hielt sie der Fahrer noch kurz vor dem Aussteigen auf, indem er sich umdrehte und sie ansprach.

"Entschuldigen Sie bitte", sagte er in einwandfreiem Englisch, "aber ich konnte nicht umhin zu hören, dass Sie diesen Namen benutzten. Es gibt hier in der Stadt tatsächlich einen Mann, einen sehr, sehr mächtigen Mann, der von seinen Feinden Ibliis genannt wird. Einer der reichsten der Stadt. Er hat seine Finger in allen möglichen Arten von Geschäften, doch man sieht ihn so gut wie nie, denn er ist ebenso reich wie menschenscheu."

"Und wo liegt das Problem?", erkundigte sich David.

"Sehen Sie, das ist so…", druckste der Fahrer ein wenig herum, doch dann gab er sich einen Ruck und fuhr fort, "dieser Mann hat einen sehr schlechten Ruf, doch niemand wagt es, das laut zu äußern.

Wissen Sie, oft geht bei Nacht ein außergewöhnlich schöner junger Mann in den Straßen umher. Er spricht schöne Jünglinge an und verhandelt mit ihnen. Worüber genau, das weiß niemand, ebenso wenig, wohin sie gehen. Es ist nur so, dass, wenn sie mit ihm gehen, dann…" Er seufzte schwer. "Dann werden sie nie wieder lebend gesehen. Tage später werden ihre Leichen an den Strand gespült oder in irgendwelchen verlassenen Ecken gefunden. Einige von ihnen wiesen Merkmale, na ja, sexueller Natur auf. Einer von ihnen hatte eine Visitenkarte bei sich. Es war eine des Mannes, den sie Ibliis nennen, doch ihm konnte bisher nichts nachgewiesen werden.

Es heißt, dieser junge Mann der durch die Straßen zieht sei der Adjutant des Teufels, der ihn aussendet, um junge Männer zu holen, denen er die Seele aussaugen kann. Halten Sie mich nicht für verrückt, aber ich rate ihnen, sich nicht mit ihm anzulegen."

"Wie ist der richtige Name dieses Mannes?", wollte Gabriel wissen.

"Das ist es ja. Niemand weiß es so genau. Offiziell heißt er Al-Kharj, doch dass das sein richtiger Name ist, ist unwahrscheinlich", antwortete der Fahrer.

"Warum?", fragte der Sänger nach.

"Weil Kharj eine Stadt ist, die es seit Jahrhunderten nicht mehr gibt. Nur noch Ruinen sind von ihr übrig", erklärte David.

"Sie wissen gut Bescheid, mein Herr. Deshalb, bitte, halten Sie sich an meinen Rat. Lassen Sie sich nicht mit diesem Mann ein. Gerade wegen ihm." Beim letzten Satz blickte er Gabriel durchdringend an, welchem bei diesem Blick eine Gänsehaut über den Rücken lief.

"Danke für Ihre Warnung. Wir werden uns daran halten", antwortete David und verließ das Taxi. Gabriel folgte ihm Sekunden später. Sie holten ihr Gepäck aus dem Kofferraum und sahen dann dem Wagen nach, der langsam anfuhr und dann den Weg Richtung Hauptstraße einschlug.

"Was meinst du, klingt ziemlich nach abergläubischem Gewäsch, was?", fragte David ironisch. "Oder die haben jetzt hier auch schon einen Paten wie Don Corleone? Gabriel?"

Gabriel antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen ohne selbst für verrückt gehalten zu werden? Dass Ibliis sowie auch Akin und Jérôme Vampire waren und dass vermutlich alles, was der Fahrer gesagt hatte, der Wahrheit entsprach?
 

Gabriel hing den ganzen Tag im Hotel herum. Einerseits ließ ihn der Jetlag keine Ruhe finden, andererseits war er aufgeregt. Selbst wenn er Ibliis Domizil fand hieß das noch lange nicht, dass er ohne weiteres hinein kam. Und dann ging es ja weiter damit, wie er Jérôme finden sollte. Und wenn er ihn gefunden hatte, was dann?
 

Nach Einbruch der Nacht rief David ein Taxi, das sie zur Adresse auf der Visitenkarte brachte. Unterwegs fragte sich Gabriel, ob Jérôme wohl auch so oft an ihn dachte wie er es tat.
 

Tatsächlich dachte Jérôme ständig an Gabriel. Vier Tage waren es gewesen seit sie sich voneinander verabschiedet hatten. Eigentlich, das musste Jérôme zugeben, bevor er Gabriel abserviert hatte. Das kam der Wahrheit beträchtlich näher. Noch näher wäre er ihr gekommen, hätte er behauptet, Ibliis hätte ihn einfach geklaut und Gabriel dann umgebracht, doch das wollte er immer noch nicht wahrhaben.

Gabriel war tot. Die Nachricht, man habe ihn tot in seiner Wohnung gefunden, hatte für ziemliches Aufsehen gesorgt. Und jetzt wurde auch noch er damit in Verbindung gebracht. 'Eigentlich ist es deine Schuld', erinnerte er sich selbst. 'Du hättest kämpfen sollen, oder zumindest irgendwas tun.'
 

"Bist du in Gedanken schon wieder bei ihm?", fragte Ibliis resigniert und ließ von ihm ab. Jérôme gab keine Antwort. Er hatte beschlossen, dass dieser Mistkerl möglichst wenig Freude an ihm haben sollte.

"Ist das deine persönliche kleine Rache, ja?", meinte der Araber rhetorisch. "Du lässt dich von mir nehmen, aber auch nicht mehr als das. Jetzt weiß ich, wie es sein muss, es mit einer Gummipuppe zu tun." Er verdrehte die Augen. "Wann hast du zuletzt getrunken?" In seiner Stimme klang echte Besorgnis mit, doch Jérôme hörte sie nicht.

"Du könntest wenigstens so höflich sein, mir zu antworten", sagte der ältere Vampir immer noch freundlich, doch er erhielt keine Antwort.

"Verdammt, Jérôme, wenn du nicht innerhalb von drei Sekunden was sagst, dann…", fuhr er auf.

"Was, dann?", fragte Jérôme leise. "Womit willst du mich noch bedrohen? Es gibt nichts, was du mir nicht schon angetan hast. Ob jetzt oder vor achthundert Jahren, was spielt das für eine Rolle? Mach, was du willst, es ist mir egal."

"Ich könnte dich töten", schlug Ibliis leicht schmunzelnd vor.

Jérôme seufzte. "Na los, dann tu' s doch", antwortete er nur. Er setzte sich auf und verließ das große Bett, in dem er auch schon in den letzten Nächten gelegen hatte und zog sich an.

"Jérôme", sagte Ibliis bedrohlich. "Ich habe dir nicht erlaubt, zu gehen."

Angesprochener zuckte nur die Achseln und wollte das Zimmer verlassen. Im nächsten Augenblick wurde er zurück gehalten und alles um ihn versank in Dunkelheit.
 

Das Haus, vor dem Gabriel und David standen, war riesig. Irgendwie erinnerte es Gabriel an einen Palast aus 1001 Nacht. Wäre nicht das kleine Wärterhäuschen gewesen, man hätte glauben können, in ein Märchen versetzt zu sein. Zögernd trat er auf die Kabine zu, als ihm schon ein breitschultriger Wachmann entgegen kam, der ihn aufhielt.

"Wo wollen Sie hin?", fragte er auf Arabisch. Sofort war David zur Stelle und dolmetschte. Zwischen ihm und dem Wärter entbrannte ein kleiner Disput, doch dann wandte sich der Journalist zu Gabriel um und sagte: "Hast du die Karte?"

"Sicher", antwortete dieser und zog sie aus seiner Jackentasche.

"Zeig sie ihm", forderte ihn David auf. Gabriel reichte sie dem Wärter, der sie kritisch musterte. Dann warf er einen kurzen Blick auf Gabriel und verschwand in der Kabine. Dort hob er den Hörer des Telefons ab, tippte eine Nummer ein und führte ein kurzes Gespräch, von dem jedoch nichts zu den beiden Männern durchdrang. Einige Augenblicke später kam er zurück und sagte auf englisch zu Gabriel: "Sie werden gleich abgeholt."
 

Tatsächlich erschien kurze Zeit später eine Gestalt, die mit schnellen Schritten auf das Tor zuhielt. Als sie näher kam erkannte Gabriel, um wen es sich handelte. Das hübsche Gesicht mit den großen dunklen Augen und den fein geschwungenen Lippen hatte er schon einmal gesehen. Schulterlange, pechschwarze Haare flatterten im Wind, als der junge Mann vor ihm stand und ihm fest in die Augen sah.

"Akin?", fragte er.

Der Mann nickte und winkte dem Wärter, das Tor zu öffnen. Gabriel trat ein, doch als David ihm folgen wollte, sagte Akin schlicht: "Sie nicht." Das Tor schlug zu und Gabriel fühlte sich gefangen.

"Keine Angst", beruhigte ihn Akin, "ihm passiert nichts. Ebenso wenig wie dir, wenn alles klappt."

"Was soll das ganze hier eigentlich?", fragte Gabriel verwirrt.

"Nicht jetzt, nicht hier", sagte Akin leise. "Geh in den Palmengarten und warte da auf mich. Ich muss noch etwas erledigen."

Auf den vielen verschachtelten Wegen, die zum Haus hin und von ihm weg führten schickte Ibliis Diener den Sänger nach rechts, während er selbst auf das Gebäude zuging.

"Palmengarten?", flüsterte Gabriel nur in die Dunkelheit, doch Akin schenkte ihm keine Beachtung mehr.

'Was soll's', dachte er schließlich. 'Immerhin bin ich ein Mann und als solcher finde ich meinen Weg auch so.' Als er jedoch um das Haus herum war befürchtete er, sich geirrt zu haben. Das Areal war riesig und Palmen waren so gut wie überall.

'Ein Wegweiser, ein Königreich für einen Wegweiser', dachte er und machte sich schließlich achselzuckend auf den Weg zu dem Teil des Gartens wo die meisten Palmen auf einmal standen.
 

Der Weg zog sich hin. Tatsächlich war er auf einen Teil des Gartens gestoßen, in dem besonders viele Palmen standen. In der Mitte dieses Teils, umgeben von vielen bunten Blumen, stand ein großer, aus terrakottafarbenen Steinen gebauter Brunnen, dessen Zentrum von einer großen Säule mit einer blütenförmigen Wasserschale darauf gebildet wurde. Auf dessen Rand ließ er sich nieder in der Hoffnung, richtig zu sein. Ein sanfter, warmer Wind wehte ihm ein paar Strähnen ins Gesicht. Schön war es hier. So ruhig und friedlich. Am Himmel über sich sah er Sterne leuchten und ein heller Halbmond stieg auf. So saß er eine ganze Weile und träumte ein wenig vor sich hin, als er plötzlich hinter sich Schritte hörte.
 

Erschrocken fuhr er hoch und drehte sich um. Insgeheim hatte er am ehesten mit Akin gerechnet, nicht jedoch mit dem, der vor ihm stand. Vor sich, bleich und mit leerem Blick, sah er Jérôme. Leise flüsterte er dessen Namen.
 

Einen Augenblick lang schien der Vampir durch ihn hindurch zu sehen, doch dann klärte sich sein Blick ein wenig und er lächelte traurig. Langsam kam er auf Gabriel zu und begann leise vor sich hin zu murmeln: "Ich muss träumen. Schon wieder einer dieser Träume die mich keine Ruhe finden lassen. Es muss so sein, denn wenn ich dich berühre, nur die Hand nach dir ausstrecke, verschwindest du wieder, wie immer. Wie könntest du auch hier sein, es sei denn, du wärst ein Geist, der mich verfolgt.

Es tut mir so unendlich Leid. Das Letzte, was du auf dieser Welt hören musstest war eine Lüge. Du hast Recht, mich zu verfolgen. Ich bin ein Lügner und ein Idiot. Und es ist meine Schuld, dass du mit all diesem Kummer sterben musstest. Ich wünschte, du hättest die Wahrheit erfahren…" Er war bei Gabriel angekommen und streckte vorsichtig die Hand nach ihm aus, so, als hätte er tatsächlich Angst, er würde verschwinden. Sanft berührte er das leicht zerzauste schwarze Haar.

"Was ist die Wahrheit, Jérôme?", hauchte Gabriel. In seinen Augen glitzerten Tränen.

"Ich liebe dich", antwortete dieser und beugte sich zu ihm hinunter. Ihre Lippen vereinten sich zu einem unendlich zarten Kuss.

Als sie sich voneinander lösten, berührte Jérôme vorsichtig seine Lippen mit den Fingerspitzen. "Du bist es wirklich…", sagte er ungläubig.

"Ja. Ich weiß zwar nicht, warum, aber Akin hat…", begann Gabriel, doch Jérôme legte ihm nur lächelnd einen Finger auf den Mund und sagte: "Nicht jetzt."

Er küsste ihn erneut, leidenschaftlich und wild, als gäbe es kein morgen. Zwischendurch flüsterte er immer wieder: "Ich liebe dich." Er zog ihn so fest an sich, dass Gabriel für einen Moment glaubte, Jérôme wolle ihn erdrücken, doch er erwiderte die Umarmung ebenso wie den Kuss mit derselben Intensität.
 

"Tut mir leid, wenn ich euch stören muss, aber ihr seid hier bei Weitem nicht so sicher wie ihr glaubt, und wenn ihr weiterhin aneinander klebt, kann das ziemlich ungemütlich werden. Deshalb rate ich euch, euer Geknutsche auf später zu verschieben, wenn ihr aus der Gefahrenzone seid", erklang Akins Stimme.
 

Wie vom Blitz getroffen lösten sie sich voneinander und sahen den dunkelhaarigen Vampir schuldbewusst an. Akin kam auf sie zu, machte noch den letzten Zug seiner Zigarette und drückte sie am Brunnenrand aus. "Folgt mir", forderte er sie auf. Er umrundete den Brunnen zur Hälfte und drückte anschließend in einer bestimmten Reihenfolge auf bestimmte Steine. Sofort zog sich das Wasser im Brunnen zurück und in der Säule in der Mitte öffnete sich eine geheime Tür. Durch diese trat er und bedeutete den beiden, ihm zu folgen, was sie umgehend taten.
 

Als die Tür sich hinter ihnen schloss, flammten Neonröhren auf, die einen weitreichenden Gang erhellten, der sich schräg nach unten zog und aus hell gekachelten Wänden bestand.

"Was ist das für ein Ort?", fragte Jérôme.

"Hey, in diesem Haus leben zwei Vampire, wenn es nach dem Meister ginge drei. Unsere Nahrungsquellen müssen ja irgendwie beseitigt werden, oder? Ach ja, da fällt mir was ein." Er holte eine Flasche aus seiner Jacke, die mit einer roten Flüssigkeit gefüllt war und warf sie Jérôme zu. "Ich weiß, dass du das letzte Mal in Amerika was getrunken hast." Der Blonde Vampir fing die Flasche auf und betrachtete misstrauisch den Inhalt. "Ist zwar kalt, sollte aber reichen bis du was Besseres findest. Dieser Tunnel hier reicht weit aus Ibliis Grundstück hinaus. Am anderen Ende wartet ein Wagen auf euch, der euch zum Hotel bringt, damit ihr Gabriels Sachen holen könnt und dann zum Flughafen", erklärte Akin.

"Und dann?", fragte Gabriel weiter.

"Dann wartet der Privatjet auf euch. Der bringt euch nach Hause. Im Übrigen wäre ich euch dankbar, wenn ihr dort erst mal ein wenig den Kopf unten haltet, obwohl ich sicher bin, dass ich es schaffe, den Meister in Zukunft von euch fern zu halten, aber man kann ja nie wissen", meinte Akin.

"Akin, was soll das alles? Warum hilfst du uns?", fragte Jérôme, hielt den anderen Vampir am Oberarm fest und drehte ihn zu sich um.

"Weil du eine Landplage bist, Jérôme. Ich halt es nicht noch mal so lang mit dir aus. Achthundert Jahre lang hatte ich meine Ruhe vor dir, doch dann tauchst du plötzlich wieder auf.

Das war so ein selten dummer Zufall. Normalerweise interessiert er sich nicht die Bohne für die Welt da draußen und schon gar nicht für das, was ich so in meiner Freizeit mache. Aber an diesem Abend musste er doch glatt in dem Moment kommen, in dem ich mir diese dämliche Preisverleihung angesehen hab. Und dann warst du da. Ich dachte, ich seh nicht recht. War ja klar, dass er dich zurück wollte, aber ich wollte das nicht.

Deshalb hab ich beschlossen, dass ich euch beide wieder zusammenkommen lasse. Aber glaub mir, das tue ich nicht, weil ich dich besonders gut leiden kann, sondern weil ich dich nicht umbringen kann. Du weißt ja selbst, dass ein Vampir nur von dem getötet werden kann, der ihm das ewige Leben gegeben hat. Ich hätte keine Skrupel gehabt, euch im Tode zu vereinen, glaub mir. Aber jetzt trink, sonst fällst du mir noch um." Damit riss er sich von Jérôme los und ging weiter.

"Stimmt das? Du hast vier Tage lang nichts mehr getrunken?", fragte Gabriel schockiert.

Jérôme nickte, zuckte dann die Achseln und setzte die Flasche an die Lippen. Er leerte sie mit einem Zug. Er bedankte sich bei Akin als sie wieder zu ihm aufgeschlossen hatten, doch dieser nickte nur kurz.

"Sag mal, warum hasst du mich eigentlich so sehr, hm? Ich meine, du hast jetzt achthundert Jahre lang mit ihm das Bett geteilt, also warum?", wollte Jérôme wissen.

Akin hielt im Schritt inne. "Eben nicht", presste er hervor.

"Was?", fragte der Blonde ungläubig. Akin fuhr wütend funkelnd zu ihm herum.
 

"Eben nicht. Nicht ein einziges Mal habe ich bei ihm gelegen. Er wollte mich nicht. Weißt du, ich habe es versucht. Ich habe versucht, mehr für ihn zu sein als nur sein Diener. Ich wollte, dass er mich genauso liebt wie dich, oder zumindest wie die Jungen, die ich ab und an zu ihm brachte. Selbst, wenn es nur körperliche Liebe gewesen wäre, ich hätte es akzeptiert. Aber er hat mich abgewiesen. Weißt du, wie er mich angesehen hat? Voller Mitleid. Mitleid! Das war das letzte was ich von ihm wollte. Ich wollte, dass er mich so ansieht wie dich. Immer schon, selbst, als du erst ganz kurz bei uns warst.

Kurz bevor du gefunden wurdest war ich bei ihm. Ich war damals erst fünfzehn oder sechzehn und doch wusste ich, dass ich für diesen Mann mehr empfand als für irgendjemanden sonst und genau das habe ich ihm gesagt. Ich habe zu ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Damals war er erschrocken darüber. Er schickte mich weg und damit war das Thema für ihn erledigt. Dann kamst du und alles wurde nur noch schlimmer. Nicht nur, dass er mich nicht mehr ansah, nein, er wollte auch noch, dass ich mich um dich kümmere, obwohl mir ganz klar war, warum er den ganzen Aufwand trieb. Und da fragst du mich allen Ernstes, warum ich dich hasse?"
 

"Wenn er deine Gefühle nicht wenigstens ansatzweise erwidert, warum hat er dich dann zum Vampir gemacht?", fragte Jérôme unberührt.

"Weil ich immer, immer sein treuester Diener war. Nachdem du fort warst fiel er in ein tiefes Loch. Ich war es, der ihm damals beistand und nachdem ich ihn lange genug bekniet hatte, machte er mich zum Kind der Nacht weil er wusste, dass ich ihm immer treu und ergeben sein würde, selbst wenn er mich mit Verachtung strafte. Das war der einzige Grund." Er stutzte einen Augenblick. "Sag mal, warum erzähl ich dir das eigentlich alles? Geht dich einen Scheißdreck an." Er drehte sich um und marschierte weiter.

Jérôme schmunzelte und ging weiter, doch Gabriel blieb stehen.

"Was ist?", fragte der blonde Vampir.

"Er tut mir Leid. Stell dir das vor, achthundert Jahre lang in denselben Menschen verliebt, ohne Aussicht auf Erfolg und doch immer noch bei ihm. Es muss ihn innerlich zerreißen", antwortete Gabriel.

"Stimmt. Ich weiß, wie er sich fühlen muss. Aber andererseits kann ich auch wieder nicht verstehen, wie man sich in so was wie Ibliis verlieben kann."

"Du hast ihn nie anders kennen gelernt. Du wolltest es ja auch nie. Wer weiß, vielleicht ist ja auch Ibliis irgendwo im Grunde seines Herzens gut", überlegte Gabriel weiter, "und wenn Akin schon so lange bei ihm ist, wie es den Anschein hat, dann hat er ja vielleicht eben jene Seite an ihm gesehen."

"Na, ich weiß nicht…", meinte Jérôme. Die beiden folgten Akin weiter bis zu einer Stelle, an der drei Tunnel abzweigten.

"Der linke Tunnel führt zu meinen Räumlichkeiten, der rechte zu Ibliis und der in der Mitte nach draußen, aber er verzweigt sich noch ein paar Mal. Er führt zu Vorratsräumen für die Angestellten, aber auch zur Folterkammer", erklärte Akin während sie weiter gingen.

"Ach nein, sag an. Da hat er mich gerade erst raus gelassen", meinte Jérôme ironisch.

"Was? Gerade erst? Wann war das?", fragte Akin panisch.

Vor etwa zwanzig Minuten", überlegte der Blonde.

"Shit!", schimpfte der andere Vampir und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

"Warum Shit?", fragte Gabriel.

"Ibliis hat die Angewohnheit, zu duschen wenn er jemanden gefoltert hat. Das dauert etwa zehn Minuten. Bis er wieder angezogen ist und sich auf den Weg macht fünf. Wir sitzen in der Falle."

"Warum?", fragte Gabriel.

"Unser Fluchtweg führt durch die Folterkammer. Zurück können wir nicht mehr, dazu sind wir zu weit, er würde uns sehen. Diese Tunnel sind so weit und übersichtlich, dass wir sofort auffallen, und selbst, wenn wir es in den anderen Tunnel zu meinem Zimmer schaffen würden, er würde unsere Schritte hören."

"Oh nein", haucht Gabriel.

"Egal, wir müssen es riskieren", beschloss Jérôme. "Wir versuchen, zu Akins Zimmer zu gelangen."

"Eben. Ihr seid doch Vampire und könnt schnell laufen, oder?", meinte Gabriel zuversichtlicher, als er von Jérôme auf die Arme genommen wurde, welcher mit Akin so schnell wie der Wind zurück lief.

"Das stimmt", bestätigte Akin, "nur er leider auch."
 

Sie hatten die Abzweigung fast erreicht, da sahen sie vor sich genau das, was sie nicht sehen wollten. Ibliis stand mitten im Tunnel und blickte ihnen hasserfüllt entgegen. "Sieh mal einer an, was haben wir denn da", sagte er mit zorniger Stimme.

Kapitel 16 - Verrat

Kapitel 16

Verrat
 

"Ich kann es nicht fassen. Bin ich denn hier ausschließlich von dreckigen kleinen Verrätern umgeben?", zischte Ibliis.

Bedrohlich kam er auf sie zu. Sein Blick fiel auf Gabriel, den Jérôme mittlerweile abgesetzt hatte, ihn jedoch beschützend festhielt.

"Was tust DU noch hier?", fragte er. "Akin hätte dich längst ins Jenseits befördern müssen, noch dazu, wo doch deine Todesmeldung im Fernsehen kam…"
 

"Lass die beiden in Ruhe, Zahir, die sind nicht dein Problem. Es war ein Teil meines Plans, dass du das glaubst", antwortete Akin lässig und steckte sich eine Zigarette an. "Scheint ja so, als hättest du mich erwischt."

"Was für eine kleine Schlange habe ich da nur all die Jahre in meiner Nähe geduldet und habe es nicht erkannt", stöhnte Ibliis, sich langsam zu Akin umdrehend.

"Tja, dann hättest du dieser Schlange die Giftzähne ziehen müssen bevor sie dich beißt. Selbst schuld", erwiderte der junge Mann lässig und blies dabei kleine Rauchwölkchen aus.

"Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach mit dir machen, Akin?", wollte sein Herr in einem Ton wissen, als spreche er mit einem kleinen ungezogenen Kind.

"Nun ja, die Folterkammer liegt ohnehin schon auf unserem Weg. Ich bring die beiden nur schnell raus, dann darfst du mich gerne die ganze Nacht lang vermöbeln", schlug Akin in lässigem Ton vor.

"Das hättest du wohl gerne, was? Nein, für dich weiß ich eine viel schlimmere Strafe", sagte Ibliis langsam und drohend. "Akin, du bist entlassen."

Dieser zog lässig an seiner Zigarette und blies den Rauch aus, während er dem Bärtigen fest in die Augen sah. "Weißt du, für diesen Fall habe ich vorgesorgt", sagte er schließlich. Er zog einen ordentlich gefalteten Bogen Papier aus seiner Jacke den er seinem Herrn reichte. "Ich kündige", grinste er hinterhältig.

Ibliis entfaltete den Brief und las ihn kurz durch. "Tatsache, eine Kündigung…", murmelte er etwas überrascht, doch dann schmunzelte er.

"Du kommst nicht von mir los, Akin. Achthundert Jahre lang hast du mich immer und überall hin begleitet. Ich gebe dir höchstens ein paar Monate, dann stehst du winselnd vor meiner Tür und bettelst mich an, dich wieder aufzunehmen."

"Von mir aus, rede es dir schön, Zahir. Aber ich denke, es ist eher umgekehrt. Ohne mich bringst du keinen Fuß mehr auf die Erde. Du bist alt, körperlich wie auch geistig."
 

"Gegen körperlich muss ich ganz klar Widerspruch einlegen", warf Jérôme ein, was ihm sowohl von Gabriel als auch Akin ein lautes "Klappe halten!" einbrachte. Er verstummte augenblicklich und Akin fuhr fort, als wäre er nie unterbrochen worden: "Ich glaube, die Pyramiden müssen in deiner Jugend moderne Architektur oder so was gewesen sein. Jedenfalls hast du irgendwann vor einigen Jahrhunderten aufgehört, dich weiterzuentwickeln.

Überleg doch mal. Wer schmeißt denn den Laden hier? Wer kümmert sich um die Geschäftsabschlüsse, die Buchhaltung, das Personal, ja sogar die Nahrungsbeschaffung, hm? Wer ist deine Verbindung zur Außenwelt? Ja, das bin ich. Du bist vollkommen von mir abhängig. Im Vordergrund bist es zwar du, den die Menschen fürchten, jedoch schmückst du dich mit fremden Federn. Meinen."

"Und du glaubst, du kommst damit einfach so durch?", meinte Ibliis, jedoch wirkte sein überhebliches Lächeln sehr aufgesetzt.

"Natürlich. Und ich kann dich nicht nur zurücklassen. Ich glaube, es würde gewisse Leute sehr interessieren, dass du mit den ganzen Verschwinden von jungen Männern zu tun hast. Nicht nur, dass du sie getötet hast, nein, du hast etwas getan, worauf hierzulande die Todesstrafe steht. Nicht, dass man dich damit bedrohen könnte, es wäre jedoch unheimlich interessant, das mit zu verfolgen. Sag mal, wächst dir eigentlich ein neuer Kopf wenn dir der alte abgeschlagen wird?", gab Akin cool zurück.
 

"Ich hätte dich kastrieren lassen und verkaufen sollen, aber nein, ich nehme dich auf und behandle dich wie meinen eigenen Sohn", stöhnte sein Schöpfer. "Wirklich, du hast eine sehr merkwürdige Art, mir deine, wie du es damals nanntest, "Liebe" zu zeigen. Ja, ich glaube, du sagtest, du seiest in Liebe zu mir entbrannt, nicht wahr? Pah, sehr groß, diese Liebe, muss ich schon sagen", sagte er überheblich.
 

Das nächste Geräusch war ein lautes Klatschen. Gabriel und Jérôme konnten nur dastehen und fassungslos auf die Szene starren, die sich ihnen darbot. Ibliis hielt sich völlig verdutzt dreinschauend die Wange während Akin ihn wütend und mit Zornestränen in den Augen anblitzte. "Mach keine Witze darüber", zischte er.

"Du wagst es, die Hand gegen mich, deinen Meister zu erheben?", sagte Ibliis mit einem bedrohlichen Glitzern in den Augen.

Akin schrie ihn an: "Ex-Meister. Im Übrigen: Du kannst an allem zweifeln, Zahir, an mir, an dem was ich tue aber nicht an meiner Liebe. Aber ich habe genug. Ich hab es so satt, um deine Aufmerksamkeit zu betteln wie ein Hund, und das achthundert Jahre lang. Ich rackere mich ab, kämpfe verzweifelt um jedes noch so kleine Zeichen der Zuneigung und wenn es nur ein Lächeln ist. Was hätte ich nicht alles getan für ein freundliches Wort? Ich bin dein Vertrauter, niemand kennt dich so gut wie ich und doch bleibst du mir fremd weil du es einfach nicht fertig bringst, dich mir zu öffnen. Du lässt mich nicht in dein Herz schauen, niemals." Etwas ruhiger fuhr er fort: "Das ist jetzt vorbei. Ich weiß, es wird wehtun, aber es reicht. Ich hab genug von dir. Die Vergangenheit liegt hinter mir, ich muss endlich in die Zukunft schauen und das geht nur ohne dich."

"Das sagst du nur, weil ich deinen Plan durchkreuzt habe", behauptete Ibliis.

"Nein. Über kurz oder lang wäre ich gegangen. Ich weiß nicht, vielleicht wäre ich den beiden gefolgt. Wusstest du, dass ich ein Fan von Gabriel bin und dass ich ihn niemals umgebracht hätte? Nein, das wusstest du nicht. Es hat dich nie interessiert, ich war dir so egal. Gut, ich werde lernen, dass du mir ebenso egal wirst."
 

Er drehte sich weg, doch Ibliis hielt ihn am Arm fest und drehte ihn wieder zu sich herum. "Das war es also, ja? Hast du alles gesagt, was du zu sagen hast?", fragte er. Akin nickte nur. Von Ibliis kam nur noch ein kurzes: "Gut", und im nächsten Moment verschloss er Akins Lippen mit einem Kuss.

Gabriel und Jérôme schauten sich vollkommen perplex an. "Was…?", setzte Gabriel zu einer Frage an, erhielt von Jérôme jedoch nur ein ahnungsloses Achselzucken.
 

"Was soll das?", fragte Akin mit zitternder Stimme als sich Ibliis von ihm löste. "Willst du mich etwas so überzeugen, zu bleiben?"

"Ja, irgendwie schon", gab dieser zu.

"Warum so plötzlich? Hat ja verdammt lang gedauert…"

"Das kann ich dir selbst nicht so einfach sagen. Die Erklärung wäre ziemlich langwierig", antwortete Ibliis etwas unsicher.

"Ich hab Zeit", gab Akin zurück.
 

"Wir aber nicht", schaltete sich Jérôme dazwischen. "Wir möchten euch ja nur ungern stören, aber unsereins möchte gerne nach Hause, deswegen würde ich sagen, wir gehen dann mal."

"Wer sagt, dass ich euch gehen lasse?", fragte Ibliis ernst.
 

"Zahir", meinte Akin drohend und bohrte ihm einen Finger in die Brust.

"Ich wäre der dümmste Mann der Welt, ließe ich zwei solche Schönheiten einfach ziehen." Er grinste fies. "Zusammen mit dem Kleinen hier habe ich meinen eigenen kleinen Harem."

Da löste sich Akin schnell aus seinen Armen und stellte sich zu den beiden. "Nun, dann müssen wir wohl kämpfen. Jérôme und ich zusammen sind eine starke Einheit, gegen die nicht einmal du ankommst, Zahir." Er ging in Kampfposition. "Entscheide dich: Entweder mich allein oder keinen von uns." Seine braunen Augen glitzerten gefährlich.

"Willst du das wirklich?", grinste der älteste Vampir.

"Allerdings. Ich gebe nicht auf. Nicht jetzt. Ich will dich für mich oder gar nicht. Du hast die Wahl."

Jérôme war von Akins Kampfgeist beeindruckt. Auch er stellte sich kampfbereit hin. "So sei es. Kämpfen wir um unsere Freiheit. Wenn wir es nicht schaffen, dann sterben wir bei dem Versuch."
 

Ibliis sah misstrauisch zwischen seinen beiden Geliebten hin und her. In ihren Augen strahlte eine Entschlossenheit, die er nie zuvor gesehen hatte. Er wusste, gegen einen allein würde er jederzeit gewinnen, doch zusammen wären sie fast unschlagbar. Er rang mit sich selbst. Weder wollte er den Blonden gehen lassen, noch auf die Liebe seines Lebens verzichten. Und Jérômes schöner Geliebter wäre noch ein wunderbarer Trumpf. Doch er wusste genau, dass er, der alte, etwas eingerostete Vampir, gegen die beiden Jungspunde nicht ankam. So presste er die Lippen zusammen und sagte schließlich düster: "Gut. Einverstanden. Ich gebe auf."

"Wirklich?", rief Akin überrascht.

"Du lässt uns wirklich gehen?", hakte Jérôme nach.

"Habe ich eine andere Wahl?", meinte Ibliis zähneknirschend. "Los, geht, bevor ich es mir anders überlege."

Akin musterte ihn durchdringend. "Ist das nun wirklich dein Ernst?" Seine Haltung blieb angespannt.

"Ja, verdammt. Und jetzt komm her. Ich habe beschlossen, dass du mir mehr Wert bist als ein Spielzeug, das sich sowieso niemals meinem Willen beugen wird. Obwohl es schade ist. So ein Harem mit lauter schönen Jünglingen hat doch was." Er grinste frech, wobei er Akin an sich zog. Sein Blick richtete sich auf Gabriel. "Los, nimm ihn dir und hau ab. Es sei denn, du willst ihn hier lassen." Das Grinsen war nicht aus seinem Gesicht verschwunden.
 

"Stimmt. Wer sagt, dass ich dich mitnehme?", stimmte Gabriel zu. "Bist du das überhaupt wert?"

"Was? Du willst mich nicht wirklich hier lassen, oder? Kuck doch mal, ich bin so lieb. Bitteeeee", bettelte der Blonde und riss seine blauen Augen weit auf.

"Überzeug mich. Immerhin bin ich für dich um die halbe Welt gereist und das will schon was heißen", gab Gabriel zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Okay. Ich führ den Haushalt", schlug Jérôme vor.

"Macht die Putzfrau die einmal pro Woche kommt."

"Ich koche."

"Bin auf Tour. Da versorgt mich wohl eher MacDo."

"Ähm, okay. Hm. Ich liebe dich?"

Gabriel überlegte übertrieben. "Okay, überzeugt", sagte er schließlich.

"Also dann", sagte Ibliis lächelnd. "Ich seh schon, ich kann dich ja doch nicht halten. Egal, wie viel Zeit vergeht. Du haust immer wieder ab, nicht wahr?", wandte er sich an Jérôme.

"Stimmt. Und ganz ehrlich: Du hast da jemanden im Arm, der viel besser zu dir passt als ich." Er zwinkerte Akin verschmitzt zu. "Dennoch, irgendwie würde mich deine Erklärung schon interessieren… Wozu hast du mich gebraucht, wenn du ihn doch liebst?", fügte er nachdenklich hinzu.

"Das geht dich aber gar nichts an", erklärte Gabriel tadelnd.

"Nun, nicht ganz, er ist immerhin mittelbar davon betroffen", antwortete Ibliis und fuhr fort: "Gut, dann kommt mit. Wir werden das bestimmt nicht hier im Flur besprechen." Er legte seinen Arm um Akin und bedeutete Jérôme und Gabriel, ihm zu folgen. Sie schlugen den Weg zu seinen Gemächern ein.
 

Dort führte er sie zu einem kleinen Raum, der sehr schlicht eingerichtet war. Auf dem Boden lag ein dicker, flauschiger, dunkelroter Teppich mit vielen Sitzkissen darauf. Die Fenster, die der Silhouette nach die Form von Zwiebeltürmchen hatten, waren mit leichten bunten Stoffen verhängt und in einer Ecke machte Gabriel eine Wasserpfeife aus.
 

"Setzt euch", bat Ibliis und sie leisteten seiner Aufforderung folge.

"Es ist schwierig…", begann er. "Ich habe keine rechte Ahnung, wo ich anfangen soll."

"Sag mal, Akin nannte dich vorhin bei einem anderen Namen. Er nannte dich Zahir. Ist das dein richtiger Name?", fragte Jérôme interessiert.

"Ja. Stimmt, ich habe ihn dir nie gesagt. Also, mein richtiger, vollständiger Name ist Zahir Umar Ibn Dirar Ibn Bakr Al-Kharj Ibliis. Du weißt ja, dass Ibliis nur ein Spitzname ist, nicht wahr? Jedenfalls hat nur ein Mensch auf der ganzen Welt das Recht, mich mit meinem richtigen Vornamen anzusprechen und der sitzt neben mir." Er lächelte Akin zärtlich zu, welcher augenblicklich rot wurde.
 

"Ich glaube, ich fange an dem Tag an, an dem ich Akin fand…" Er sammelte sich kurz, dann begann er, zu erzählen: "Es war zu einer Zeit, als ich mich gerade von meinem Erschaffer getrennt hatte. Wir waren viele Jahre zusammen gewesen, doch irgendwann war er meiner anscheinend überdrüssig geworden. Zu meinem Glück hatte er mich nicht völlig mittellos ziehen lassen. Er gab mir einige Kamele und ein paar Leute zur Seite. In kurzer Zeit konnte ich daraus eine ziemlich erfolgreiche Karawane aufbauen.
 

Eines Tages erreichten wir ein Dorf, das heißt, das, was noch davon übrig war. Die Häuser waren nur noch Ruinen, völlig ausgebrannt. Die Bewohner fanden wir entweder erschlagen oder verbrannt vor, sofern wir überhaupt noch etwas von ihnen fanden. Im Grunde machten wir uns keine Hoffnungen, noch Überlebende zu finden und die Menschen, mit denen ich unterwegs war, hätten auch bestimmt niemanden gefunden, doch ich, der ich bessere Sinne als alle anderen hatte, hörte plötzlich ein ganz leises Wimmern.
 

Diesem Wimmern folgte ich und sieh an, in einem kleinen Haus am Rande des Dorfes fand ich, begraben unter seiner toten Mutter, einen kleinen Jungen, kaum älter als sechs oder sieben Jahre."

"Das war ich, stimmt' s?", fragte Akin.

"Stimmt, das warst du. Du warst völlig am Ende mit deinen Kräften und doch hattest du einen solch starken Überlebensdrang, dass ich dich einfach bewundern musste. Wie es schien hattest du dort tagelang ausgehalten. Ich wusste, in dir steckte ein Kämpfer. Zugegebenermaßen dachte ich zuerst daran, was du mir einbringen würdest. Doch dann öffnetest du deine Augen. Ich war so fasziniert, dass ich nichts anderes mehr um mich herum wahrnahm. Weißt du noch, wie du mich damals genannt hast?"

Akin schüttelte den Kopf, woraufhin Ibliis lächelte. "Du hast mich Engel genannt."

"Das hab ich gemacht?", fragte Akin und errötete leicht.

"Ja. In dem Moment ging mir das Herz auf. Ich glaube, schon in dem Moment spürte ich zum ersten Mal so etwas wie Liebe zu dir. Die Liebe zu einem Sohn, versteht sich. Ich zog dich also wie meinen Sohn auf.
 

Doch je älter du wurdest, desto schwerer wurde es für mich, einen Sohn in dir zu sehen. Du wurdest erwachsen und dein Körper zu dem eines Mannes, das konnte ich nicht mehr ignorieren. Ich stellte fest, dass meine Gefühle zu dir den normalen, familiären Rahmen längst überschritten hatten. Wenn ich deine Stimme hörte, wurde mir ganz heiß und wenn ich deine Augen sah, konnte ich mich kaum noch beherrschen.
 

Damals leistete ich vor mir selbst einen Schwur. Ich schwor mir, dich, mein ein und alles, meinen reinen, unschuldigen Engel, niemals zu berühren. Dann kam die Nacht, in der du mir deine Liebe gestanden hast. Mein Gott, im ersten Moment war ich so unsagbar glücklich, ich hätte die Welt umarmen können. Doch ich wusste auch, dass ich als unreine Lebensform niemals gut genug für dich sein würde. Trotzdem hoffte ich, dass genug von dem Kämpfer in dir steckte, um dennoch das Risiko zu wagen.
 

Doch du hast aufgegeben. Das hatte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet. Meine Erwartung war, dass du nicht einfach kuschen sondern kämpfen und dich gegen mich durchsetzen würdest. Deshalb war ich damals so enttäuscht.
 

Dennoch war es schwer für mich, mich dir nicht zu nähern. Der Zufall wollte es, dass wir in der Wüste einen verletzten, jungen Templer fanden, der mich von dir ablenkte." Mit einem Lächeln wandte er sich an den Blondschopf.

"Jérôme, du warst anders. Eine, zumindest in unserem Land, exotische Schönheit mit einem starken Willen, hoher Intelligenz und ungezügeltem Temperament. Das wirkte anziehend auf mich. Ob du es glaubst oder nicht, ich habe dich geliebt und irgendwie tue ich es immer noch. Aber es war nie die Liebe, die ich Akin entgegenbrachte."
 

"Warum? Warum hast du mir das nicht früher gesagt?", fragte Akin den Tränen nahe.

"Ich hatte gehofft, dass Jérômes Kraft und Mut auf dich abfärben würden und dich dazu veranlassen würden, wenigstens einmal auf den Tisch zu hauen. Ich war richtig enttäuscht, dass du das alles über dich hast ergehen lassen, ohne dich jemals zu beschweren, die Benachteiligungen, die Demütigungen, die Tatsache, dass ich dich mit Verachtung gestraft habe. Im Grunde wollte ich nie etwas anderes als einen Partner, der mir ebenbürtig ist und ich wusste, dass du dazu in der Lage warst. Heute hast du endlich gezeigt, dass du mir die Stirn bieten kannst."

"Das war alles?", fuhr Akin auf. "Sag mal, spinnst du?" Er sprang auf und lief wütend im Zimmer auf und ab. "Ich kann doch nicht riechen, dass du willst, dass ich dir eins auf die Fresse gebe, oder? Meine Güte, du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank, Zahir", schimpfte er.
 

Dieser zuckte nur mit den Achseln. "Ich gebe ja zu, meine Technik war vielleicht nicht die beste, aber schließlich hat sie ja doch funktioniert, oder?"

"Also weißt du, ich hätte nicht unübel Lust, dir die ganzen achthundert Jahre heimzuzahlen", meckerte Akin weiter.

"Und wie willst du das machen?", grinste ihn Ibliis an.

"Da mach dir mal keine Sorgen, mir fällt schon was ein", gab der junge Mann zurück. "Vielleicht hab ich ja jeden Tag Kopfschmerzen."

"Gute Ausrede, wirklich. Also, wenn das der Fall sein sollte, was äußerst unwahrscheinlich ist, dann werde ich jeden Tag mit einem Aspirin neben deinem Bett stehen, mein Süßer", gab Ibliis verschmitzt zurück.

"Ach Mensch, Zahir, musst du aber auch auf alles eine Antwort haben?", stöhnte Akin resigniert.

"Ja. Sonst wäre ich ja nicht der Boss hier."
 

Jérôme kicherte leise. "Entschuldigt, aber ihr beide benehmt euch schon wie ein altes Ehepaar", sagte er.

"Na ja, wenn man so lange zusammen ist wie wir beide, dann ergibt sich das wohl irgendwie zwangsläufig", erklärte Akin. "Wenn ihr wollt, dann bringe ich euch jetzt nach draußen. Nachdem mein schöner Plan aufgeflogen ist, können wir jetzt ebenso gut den Haupteingang benutzen. Dort wird auch dieser Öko-Futzi warten. Wer ist das eigentlich?", wollte er wissen.

"Oh, mein Schwager. Er hat mir die Visitenkarte übersetzt und mich hierher gebracht", erklärte Gabriel.

"Ach deshalb warst du so schnell hier. Gut, wenn man solche Bekannte hat, was?", lächelte Akin und ging zu einer Tür am anderen Ende des Zimmers. "Folgt mir", forderte er sie auf. Gabriel folgte seiner Anweisung sofort, doch Jérôme blieb noch einen kurzen Moment zurück.
 

"Dann ist das jetzt wirklich das Ende?", fragte er Ibliis ernst.

"Ja. Ich gebe dir mein Wort, dass ich dich von nun an in Ruhe lassen werde. Ich wünsche dir und deinem Geliebten viel Glück", gab der Araber zur Antwort. Unvermittelt zog er den Blonden noch einmal in seine Arme und ließ bei dieser Gelegenheit einen kleinen Gegenstand in dessen Tasche fallen.

"Hey, was…?", wollte Jérôme wissen, doch Ibliis gab ihm einen sanften Abschiedskuss und hauchte: "Du wirst es noch brauchen."

"Ich glaub, ich seh' nicht Recht! Da kehrt man dir nicht einmal eine Minute den Rücken zu und du…! Argh, ich fass es nicht, Zahir!"

"Entschuldigung", murmelte Ibliis betreten und ließ Jérôme gehen.
 

Vor dem Tor verabschiedeten sie sich von Akin.

"Die Limousine holt euch gleich ab. Deine Sachen sind schon darin untergebracht, Jérôme. Insbesondere deine Schlafgelegenheit. Ihr fliegt mit dem Privatjet, wie ausgemacht", sagte er in sachlichem Ton.

"Ich wünsche dir alles Gute, Akin", sagte Jérôme und drückte den Araber kurz an sich.

"Ich dir auch", flüsterte dieser. Zu den beiden gewandt sagte er: "Ihr könnt mir schreiben, wenn ihr wollt. Meine Adresse habt ihr ja noch. Ich würde mich sehr über Post freuen."

"Das machen wir", versprach Gabriel.

David stand auf der anderen Seite des Tors und schwätzte mit dem Wärter. Dieser hatte anscheinend gerade einen sehr lustigen Witz gemacht, denn der Journalist lachte laut auf.

"Oh Mann, was für ein Tag. Jetzt sehe ich David sogar noch lachen", freute sich Gabriel.

"Da seid ihr ja!", rief ihnen David entgegen. "Und, was ist jetzt los?", fragte er neugierig.

"Erklär ich dir im Flugzeug, ja?", antwortete Gabriel mit einem zufriedenen Lächeln.

Kapitel 17 - Zu Hause

Servus, Publikum! ^^
 

Einige von euch waren wohl mit dem Verlauf des letzten Kapitels ziemlich überrascht, was? Tja, so bin ich halt.
 

Aber ich mag einfach keine Kämpfe. Deswegen gab's keinen. ^^
 

Viel Spaß beim neuen Chap
 

Myrys
 

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Kapitel 17

Zu Hause (Nanna-Gedächtnis-Kapitel)
 

Wieder einmal lag ein langer, diesmal jedoch weitaus angenehmerer Flug hinter Gabriel. Während dieser Zeit hatte er David über sämtliche Fakten aufgeklärt, nicht nur die, die er schon kannte, sondern auch die vollständige Wahrheit.

"Außergewöhnliche Sachlage", war Davids einziger Kommentar. "Und, wie wollen wir das den anderen erklären, deinen Eltern, zum Beispiel? Oder Vivi?", bemerkte er nachdenklich.

"Vivi kannst du von mir aus die Wahrheit sagen, wenn du glaubst, dass sie es versteht", antwortete Gabriel.

"Wird sicher lustig. Übrigens, Liebling, Jérôme ist erstens homosexuell, zweitens mit deinem Bruder zusammen und drittens ein Vampir. Darüber hinaus wurde er von seinem Erschaffer nach achthundert und schieß-mich-tot Jahren entführt. Der hat Jahrhunderte lang nicht mitbekommen, dass der Kerl, den er liebt, ihn auch liebt, etc, etc. Du meine Güte. Sie wird mich für Verrückt erklären." Er stöhnte leise.

"Noch verrückter als sie selbst wohl kaum", grinste der junge Musiker zurück.

"Gut, eines Tages werde ich es ihr wohl erklären, aber was ist mit deinen Eltern? Oder deinen Kollegen, ganz zu schweigen von der Öffentlichkeit, sprich, deinen Fans? Wie willst du es denen begreiflich machen, hm?"

"David, du bist doch Journalist und als solcher mit blühender Fantasie gesegnet. Denk dir was aus", forderte der Sänger ihn auf.

"Moment, ein Journalist arbeitet mit Fakten!", erhob der Schreiber Einspruch.

"Du hast doch die Fakten. Alle miteinander. Jetzt verdreh sie so, dass wir sie benutzen können", seufzte Gabriel und ließ sich in dem bequemen Sitz zurücksinken.

"Müde?", fragte David besorgt.

"Ein wenig erschöpft. Das erste, was ich machen werde, wenn ich wieder zu Hause bin, ist richtig schön viel Schlaf nachholen", antwortete der Musiker und schloss ein wenig die Augen. Zum Schlafen jedoch war er noch zu aufgewühlt. Trotz des Versuchs, endlich ein wenig zu schlafen, scheiterte er kläglich.
 

Es war wieder Nacht als sie im Big Apple landeten.

"Willst du bei uns übernachten?", fragte Gabriel seinen zukünftigen Schwager, den er mittlerweile schon ziemlich ins Herz geschlossen hatte.

"Ich denke, das wird nicht nötig sein. Ich kann in ein Hotel gehen", antwortete dieser.

"Nichts da. Wir haben dir so viele Unannehmlichkeiten bereitet, da ist es nur recht und billig, wenn du bei uns schläfst", widersprach Jérôme.

David reckte sich, schob seine Brille zurecht und dachte kurz nach. "In Ordnung", stimmte er schließlich zu.

"Abgemacht. Ist dir übrigens noch etwas eingefallen wegen unserem Problem, das ich dir im Flugzeug auseinandergesetzt habe?", wollte Gabriel wissen.

"Ja, ich denke schon. Lasst mich einfach machen. Wozu bin ich schließlich Journalist?", grinste Angesprochener.
 

Bei ihrem Haus angekommen stiegen sie aus dem Taxi, bezahlten den Fahrer, der sie, aufgrund Jérômes merkwürdigem "Mitbringsel", sprich, dem Sarg, schief ansah, betraten das Gebäude, auf dessen Rückseite ihre Wohnung lag, und nahmen den Fahrstuhl nach oben.

Dort angekommen hörten sie schon auf dem Flur laute Stimmen.

"Was ist da los?", fragte Gabriel verwirrt.

"Es sind Leute in unserer Wohnung. Zwei Frauen und einige Männer", sagte Jérôme.

"Gute Ohren, Mann", bemerkte David.

"Vampir", gab Jérôme knapp zurück.

"Das heißt, der Sarg muss weg bevor wir rein gehen", sagte der Reporter trocken.

"Richtig", stimmte Jérôme zu. In demselben Flur gab es eine kleine Putzmittelkammer. In diese verfrachteten sie Jérômes Schlafgelegenheit und Gabriel schloss, auf alles Mögliche gefasst, die Tür auf.
 

"Eines sag ich euch", war nun Finns Stimme zu hören, "Jérôme war mir schon immer unheimlich. Er hat so stechende Augen, dass ich mich immer ganz komisch fühle, wenn er mich anschaut."

Jamie stimmte dem zu: "Richtig. Man hat das Gefühl, er kann Gedanken lesen. Er ist richtig unheimlich. Sicher hat er was zu verbergen. Ist doch ziemlich wahrscheinlich, dass er Gabriel gekillt hat, oder?" Das Wimmern einer Frau war zu hören.

"So ein Blödsinn. Wo ist denn dann die Leiche?", fragte nun Scott ganz rational.

"Na die hat er weggeschafft", antwortete Jamie im Brustton der Überzeugung.

"Die Polizei sagt, es gibt keinerlei Spuren für ein Gewaltverbrechen. Und bei ihnen hat sich auch niemand gemeldet. Sie sind nur aufgrund der Radiomeldung überhaupt her gekommen. Als sie kamen, war die Wohnung ordnungsgemäß verschlossen und nichts war beschädigt, also kein gewaltsames Eindringen", erklärte Scott.

"Eben, Jérôme hatte einen Schlüssel und Gabriel hätte ihn jederzeit an sich rangelassen", wand Finn ein. Bei dieser Aussage mussten Gabriel und Jérôme breit grinsen.

"Und warum hätte er ihn umbringen sollen?", fragte Scott, nun etwas genervt klingend.

"Sie sind in Streit geraten. Wohl über Geld", mutmaßte Finn.

"Ach was. Jérôme hatte wohl noch nie so ein Leben wie jetzt. Gabriel sagte doch, er hätte in eher bescheidenen Verhältnissen gelebt. Warum sollte er die Hand beißen, die ihn füttert", warf Scott ein.

"Dann aus Eifersucht", schlug Jamie vor.

"Ihr redet so einen Unsinn, du und Finn. Worauf denn bitte?" Scott schien tatsächlich die Stimme der Vernunft zu sein.

"Auf Carol", war Jamies knappe Antwort.

"Hä?", kam daraufhin von mehreren Leuten.

"Ja hat das denn niemand mitbekommen? Seid ihr denn alle blind?", rief Jamie. "Jérôme ist doch ganz klar homo, oder? Wahrscheinlich hat er sich in den Boss verknallt und das Ganze war ein Eifersuchtsdrama, weil Gabriel ihn nicht wollte."

"Nun beruhige dich, Junge", hörte man plötzlich die Stimme von Gabriels Vater. "Ich bin sicher, es gibt für alles eine logische Erklärung."

"Und er ist doch schwul", behauptete Jamie steif und fest.

"Dann sind sie wohl auf Liebesurlaub und haben vergessen, uns darüber zu informieren, was, Jamie?", streute Scott ironisch ein.

"Ich glaube, so ganz entbehrt Jamies Schlussfolgerung nicht der Logik", mischte sich nun eine verheult klingende Vivi ein. "Ich bin mir sicher, dass Jérôme in Gabriel verliebt war. Und ich glaube auch, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte."

"Rede keinen Unsinn!", ereiferte sich Rupert Hart. "Mein Sohn ist garantiert nicht homosexuell! Und wenn, dann braucht er sich bei mir gar nicht mehr blicken zu lassen!"

"Aber Rupert, das ist doch jetzt gar nicht das Thema", beruhigte ihn Margaret Hart.

"Du hast Recht, Schatz, tut mir Leid", entschuldigte er sich ruhig.

"Warum steht sein Auto vor unserem Haus?", fragte Vivi leise. "David ist auch verschwunden. Ich bin sicher, das hängt damit zusammen. Ich habe in Davids Büro angerufen. Der Chefredakteur meinte, David wäre da an einer Sache dran, er wollte aber nichts weiter dazu sagen."

"Sehr mysteriös, das alles", sagte Gabriels Vater.

"Jérôme hat keinen Führerschein. Was, wenn Gabriel selber gefahren ist?", merkte Scott an.

"Wir werden es wohl so schnell nicht erfahren", meinte Gabriels Mutter.

"Entschuldigt mich kurz", sagte Vivi und verließ das Zimmer auf dem Weg zur Toilette.
 

Im Flur fiel ihr Blick auf ihren Bruder, den sie erst einmal völlig fassungslos anstarrte. Dann stieß sie einen überraschten Freudenschrei aus und fiel ihm überschwänglich um den Hals.

"Du lebst! Du lebst!", rief sie immer wieder. Vorsichtig legte Gabriel die Arme um sie und spürte dabei, wie ihr Körper zu zittern anfing und sie begann, erneut hemmungslos zu weinen.

Aus dem Wohnzimmer folgten nun auch die anderen Gesprächsteilnehmer. Die Band war vollzählig versammelt, zusammen mit Gabriels Eltern. Alle starrten die Neuankömmlinge mit derselben Fassungslosigkeit an, wie Vivi. Margaret schlug die Hände vor den Mund und fing, ebenso wie ihre Tochter, an zu weinen.

"Wie ist das möglich?", stammelte Jamie.

Gabriel spürte, wie sein Hemd immer feuchter wurde von Vivis Tränen und schob sie schließlich ihrem Verlobten zu, mit dem Kommentar: "Da, halt mal."

"David!", jammerte sie und umarmte ihn ebenso fest wie ihren Bruder. Im Gegensatz zu diesem jedoch drückte sie ihrem Lebensgefährten einen festen Kuss auf. Ihr Tränenstrom schien kein Ende finden zu wollen.
 

"Dürften wir dann erfahren, was eigentlich vor sich geht?", erkundigte sich Rupert Hart sachlich.

Gabriel und Jérôme sahen sich belämmert an. Sie wussten zwar, dass sich David etwas ausgedacht hatte, jedoch hatten sie keinen blassen Schimmer, was das war.

"Gerne, Rupert", antwortete David. "Aber ich denke, das besprechen wir lieber nicht hier im Flur."
 

So versammelte sich der ganze Trupp wieder im Wohnzimmer. Gabriel seufzte resigniert. So hatte er sich seine Heimkehr dann doch nicht vorgestellt. Er setzte sich neben Jérôme auf das Sofa und wartete genauso gespannt wie alle anderen auf Davids Erklärung.

"Also, wo fang ich an…", überlegte David, während sich Vivi immer noch eng an ihn schmiegte. "Nun, es begann an diesem Tag, so in etwa um die Mittagszeit, als Gabriel total durch den Wind vor unserer Tür stand. Ursprünglich wollte er zu dir, Vivi. Nachdem du aber auf diesem Seminar warst, hat er sich mir anvertraut. Die Geschichte, die er mir erzählte, war für mich ziemlich unglaublich." Er machte eine bedeutungsschwere Pause. "Er erzählte mir, er habe einen Stalker", sagte er schließlich düster.

"Ei… einen Stalker?", fragte Margaret fassungslos.

"Genau das, meine Liebe", bestätigte David. "Und dieser Verrückte hatte Jérôme bei dessen Rückkehr von einem Termin aufgelauert und ihn entführt. Das heißt, eher durch Mittelsmänner entführen lassen. Die Todesmeldung, die uns alle so verunsichert hat, hat er selbst aufgegeben als Warnung für Gabriel. Er wollte damit sagen: "Achtung, ich habe deinen Manager in meiner Gewalt und dich kriege ich auch noch." Seine Anweisung war klar. Gabriel sollte unter keinen Umständen die Polizei verständigen, was er auch nicht getan hat. Stattdessen kam er zu uns. Ich, der ich ja glücklicherweise Journalist bin, habe ihm daraufhin angeboten, Nachforschungen anzustellen. Wir hatten einen Verdacht, wer hinter dem Ganzen steckte und tatsächlich konnte ich über Informanten einiges herausfinden.

Letztendlich haben wir es geschafft, dem Stalker sogar bis ins Ausland zu folgen, deshalb waren wir so lange weg. Wir konnten ihn stellen und er wurde aus dem Verkehr gezogen."

"Aber wer war es denn?", fragte Margaret.

"Das darf ich nicht sagen, ebenso wenig, wie ich Details nennen darf. Ich kann nur soviel sagen, dass es sich um den Nachwuchs einer einflussreichen Persönlichkeit handelt. Ebenso konnten wir euch aus Rücksicht auf die Sicherheit der Geisel nicht über unsere Schritte informieren. So war es doch, nicht wahr, Gabriel?"
 

Alle Blicke richteten sich nun auf den Musiker. Doch dieser bekam das gar nicht mehr mit. Sein Kopf sank langsam auf Jérômes Schulter und noch ehe jemand etwas hätte sagen können war er auch schon eingeschlafen. Der Schlafmangel der letzten Tage hatte sich endlich bemerkbar gemacht.

"Wie die beiden mich gefunden haben, weiß ich nicht", bestätigte Jérôme. "Aber der Rest stimmt. Ich wurde entführt und David und Gabriel haben mich befreit. Das Ganze war, wie man ja an Gabriel sehen kann, verdammt anstrengend für alle von uns." Er stand vorsichtig auf und nahm den schlafenden Gabriel auf die Arme, um ihn ins Schlafzimmer zu bringen und dort behutsam ins Bett zu legen. Zur versammelten Mannschaft sagte er: "Ich glaube, es ist besser, wenn ihr geht."
 

Das taten sie auch. Vivi blieb noch kurz zurück und betrachtete ihren schlafenden Bruder. An Jérôme gewandt sagte sie: "Es ist unglaublich, was er alles auf sich genommen hat für dich. Ich denke, du hast es geschafft."

"Was habe ich geschafft?", fragte dieser.

"Er liebt dich", antwortete sie und grinste dabei. "Das wolltest du doch von Anfang an, oder?"

Jérôme antwortete nur mit einem Lächeln.

"Du siehst aus, als könntest du Schlaf und ein paar Mahlzeiten brauchen", stellte sie leicht besorgt fest.

"Stimmt. Aber keine Sorge, das hole ich nach", erwiderte Jérôme, der sich lässig durch das blonde Haar fuhr.

"Ist gut. Aber pass in Zukunft ein bisschen besser auf dich und meinen Bruder auf, ja?" Sie gab Jérôme ein Küsschen auf die Wange und verließ dann schließlich zusammen mit David die Wohnung.

Jérôme beugte sich noch einmal kurz über den Mann, den er liebte und küsste ihn sanft bevor er sich auf die Jagd begab. Ja, es war tatsächlich Zeit, dass er wieder einmal Nahrung zu sich nahm.
 

Gabriel schlief zwölf Stunden durch. Es war fast Mittag als er sich mühsam, aber nichtsdestoweniger erfrischt, aus dem Bett bewegte. Die Sonne schien durch sein Fenster und er fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr.

Doch plötzlich erfüllte ihn für eine Sekunde die Unruhe, dass er vielleicht alles nur geträumt hatte und Jérôme immer noch weg war. Schnell lief er in das Zimmer des Vampirs um nachzusehen, ob der Sarg da war.

Tatsächlich, da stand er. Schwarz und imposant wie eh und je, mitten im Zimmer. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen ging er leise auf das Ungetüm zu und streichelte fast schon zärtlich über das dunkle Holz. "Ich liebe dich", flüsterte er.

"Ich dich auch", kam es plötzlich aus dem Sarg zurück.

Verdutzt sprang er zurück. "Entschuldige", sagte er nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, "habe ich dich geweckt?"

"Nein. Ich hab gerade so eine Wach-Phase. Tust du mir einen Gefallen?", antwortete Jérôme.

"Welchen?", fragte Gabriel zurück, der es zunehmend befremdlich fand, sich mit einer Stimme aus einem Sarg zu unterhalten.

"Mach mal kurz den Deckel auf, ich kann's selber nicht, fühl mich ein bisschen zermatscht."

"Was? Draußen scheint die Sonne, du würdest verbrennen!", erhob der Musiker lautstark Protest.

"Ach was. Ein paar Sonnenstrahlen machen mir nichts aus."
 

Zögerlich öffnete Gabriel den Sargdeckel. Im ersten Moment hatte er wirklich das Gefühl, einen Toten vor sich zu sehen. Jérôme lag, blass wie immer, auf dem weißen Kissen, die Hände über der Brust gefaltet, die Augen geschlossen. Als er sie öffnete, erschrak Gabriel kurz. Sie leuchteten mit einer Intensität, die er noch nie gesehen hatte. Lag wohl am Sonnenlicht.

Ehe er sich versah hatte sich der Vampir aufgesetzt und zog ihn auf sich in den Sarg. Blitzschnell raubte er ihm einen leidenschaftlichen Kuss. "Wie fühlst du dich?", raunte der Blondschopf an Gabriels Lippen.

"Bestens. Ich hab gut geschlafen und jetzt hab ich ein wenig Hunger, aber da fällt mir schon was ein", antwortete der Sänger.

"Dann ist ja gut", gab Jérôme zurück. Er streichelte zärtlich durch Gabriels Haar, welcher sich vertrauensvoll an ihn schmiegte.

"So, genug geschmust", beschloss Jérôme, ließ Gabriel aufstehen, schnappte sich den Sargdeckel und zog ihn wieder über sich. Kurz bevor er ihn schloss sagte er noch: "Ich schlaf weiter. Gute Nacht."

"Wohl eher guten Tag", korrigierte Gabriel grinsend.

"Wie du meinst", frotzelte der Vampir durch den Deckel und schlief wieder ein.
 

'So ein komischer Kerl', dachte Gabriel als er im Bad stand und sich die Zähne putzte nachdem er sich die Haare gewaschen hatte. 'Riskiert eine tierische Verbrennung nur für einen Kuss. Aber irgendwie süß…'
 

Zur Feier seiner "Auferstehung" beschloss er, wieder einmal seinen Lieblingsitaliener aufzusuchen. Tino war so hoch erfreut, ihn unter den Lebenden zu erblicken, dass er ihm gleich um den Hals fiel.

"Ich wusste es! Du kannst gar nicht tot sein!", jubelte er.

"Stimmt. War ein schlechter Scherz von einem verrückten Fan", erklärte Gabriel.

"Na, solange er deine Platten kauft…", meinte Tino und führte Gabriel an seinen Stammplatz. Innerhalb kürzester Zeit hatte Gabriel sein Lieblingsgericht mit Extrasoße vor sich stehen. Im Lokal war nicht viel los, deshalb setzte sich Tino kurzerhand zu ihm.

"Du siehst gut aus", stellte er fest, nachdem er Gabriel eine Weile beim Essen beobachtet hatte.

"Jetzt nach dem Essen geht's mir auch wieder gut", antwortete Angesprochener.

"So war das nicht gemeint", grinste der Italiener.

"Sondern?", wollte Gabriel misstrauisch wissen.

"Ach, mein Herz, bemerkst du denn nicht mein Schmachten und Sehnen?", intonierte Tino dramatisch. "Wann wechselst du endlich auf unsere Seite, oh du wundervolles Geschöpf, du Verschwendung an die Damenwelt?"

Gabriel errötete schlagartig und fuhr sich verlegen durchs Haar. "Also, eigentlich…", begann er, doch Tino unterbrach ihn: "Sag bloß, du bist schon angekommen?"

"…"

"Ist nicht wahr!", jubelte Tino. "Na los, nun erzähl schon, ich bin doch so neugierig", verlangte er.

"Wo soll ich da anfangen?", überlegte Gabriel.

"Am besten, wann und mit wem. Aber Moment, lass mich raten: Dieser absolut schnuckelige Frenchman, nicht wahr?" Gabriel nickte nur zur Antwort. "Wundervoll. Ihr beide seid ein perfektes Paar. Und, wie weit seid ihr denn schon?", fragte der Wirt neugierig weiter.

"Noch nicht SO weit, wenn du verstehst. Nur küssen und ein bisschen streicheln", erklärte Gabriel, wobei sein Gesicht noch röter wurde.

"Ach, du bezauberndes Blümchen! Na dann wird dich Onkel Tino mal in die Geheimnisse der Liebe einweihen!", freute sich der Italiener.

"Danke, ich weiß, wie es funktioniert", unterbrach der Sänger seinen Redeschwall.

"Bist du dir da ganz sicher?", fragte Tino mit hochgezogener Augenbraue und düsterer Stimme.

"Na gut, dann lass mich eben an deinen Geheimnissen teilhaben, großer Meister", lenkte der Sänger schließlich ein.

"Also gut: Regel Nummer eins: Es gibt NIE, das heißt, absolut NIEMALS zu viel Öl. Gerade in der Anfangszeit. Glaub mir, es ist für beide Seiten nicht gerade angenehm, wenn's nicht flutscht."

"Du sprichst aus Erfahrung?"

"Exakt. Regel Nummer zwei: Du musst vollkommen entspannt sein, sonst tut's weh. Die grundlegende Voraussetzung dazu ist, dass du deinem Partner vertraust. Kapiert?"

"Schon. Aber warum zum Geier gehst du automatisch davon aus, dass ich den "weiblichen" Teil habe, hm?", fragte Gabriel flachsend.

"Für so etwas, mein Schöner, hab ich einfach einen Riecher. Außerdem, ich kenne Jérôme. Der liegt garantiert nicht unten, dazu ist er nicht der Typ", erklärte Tino überzeugt.

"Wenn du wüsstest…", brummte Gabriel in seinen nicht vorhandenen Bart.

"Was meintest du?"

"Nichts weiter. Was gibt es denn noch so mitzuteilen, Doktor Tino?"
 

Lange hatten sie sich nicht mehr unterhalten können, denn Tino hatte ja schließlich zu arbeiten, doch er hatte Gabriel noch so einiges erzählt, das dieser ziemlich nützlich fand. Also zumindest theoretisch war er, nicht zuletzt wegen seinem ehemaligen Arbeitgeber, für alles gerüstet. Jetzt mangelte es nur noch an der praktischen Umsetzung seines Wissens. Jedoch drängte sich ihm die Frage auf, ob er überhaupt schon bereit dazu war.
 

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Ihr wisst, was jetzt im nächsten Kapitel kommt, oder? Seid gewarnt. Es wird heiß. ^^
 

Bis dann. *wink*

Kapitel 18 - Mein ist die Initiative

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 19 - Nacht in London

Kapitel 19

Nacht in London
 

"Ich wusste es. Eines Tages bringe ich dich um", grinste Jérôme, als er sich aus Gabriel zurückzog.

"Also ich fühle mich im Moment ziemlich lebendig, ehrlich gesagt", erwiderte der Sänger.

"Dennoch habe ich dich gerade ein ganz kleines bisschen umgebracht", schmunzelte der Vampir.

"Wehe, du hast mich gebissen!", rief Gabriel entsetzt.

"Aber nein. Ich rede von "La petite mort." Der kleine Tod. Das ist französisch und steht für nichts anderes als…" Die Lösung flüsterte er Gabriel ins Ohr.

"Du bist so blöd", bemerkte dieser und schmiegte sich in Jérômes Arme. "Ich liebe dich trotzdem."

"Ich dich auch", gab Jérôme zur Antwort. "Und eines kannst du mir glauben, dich lasse ich nicht einfach sterben."

"Ich hab nicht vor, in nächster Zeit den Löffel abzugeben. Aber da wir gerade davon reden…", begann der Musiker, "Jérôme, ich weiß nicht, wie das mit uns weitergehen soll."

"Wie meinst du das, wie es mit uns weitergehen soll? Wir sind zusammen und lieben uns. Wenn es nach mir ginge für die Ewigkeit", gab der Vampir zurück.

"Eben das meine ich. Meine Karriere läuft super im Moment. Wir sind jetzt sogar schon in Europa berühmt. Du weißt ja selber, dass es nächste Woche ab nach England geht. Oh Gott, wie soll ich dir das bloß sagen? Also, ich kann mir nicht vorstellen, innerhalb der nächsten Zeit ein Vampir zu werden, verstehst du das? Ich meine, ich wäre nicht mehr so flexibel in meinen Arbeitszeiten. Und irgendwann würde es auffallen, dass ich mich gar nicht verändere. Spätestens in zehn Jahren oder so."

"Gabriel, was ist wirklich los? Du verschweigst mir was", unterbrach ihn Jérôme und küsste ihn sanft.

"Ich kann dich nicht anlügen, oder?", fragte er resigniert.

"Stimmt", gab ihm sein Geliebter Recht.

"Also, ich will jetzt nicht, dass sich das so anhört, als ob ich unsere Beziehung in Frage stellen wollte oder so, aber… Weißt du, es ist so schwer. Des Images wegen müssen wir unsere Liebe geheim halten. Das war die Bedingung der Jungs damit sie mich nicht rausschmeißen, und ich verstehe das. Ich meine, ein schwuler Metal-Sänger, wie sieht das denn aus? Sie haben es wohl nur deshalb akzeptiert, weil wir seit der Grundschule Freunde sind.

Und was ist, wenn wir uns auseinander leben? Wenn die Liebe nachlässt, die Erotik erkaltet. Das mag jetzt noch nicht der Fall sein, aber was ist in zehn Jahren, in zwanzig Jahren? Wenn wir uns dann trennen würden, dann möchte ich doch lieber ein Mensch sein, verstehst du?"

"Meine Güte, Gabriel! Wir sind jetzt erst seit einem halben Jahr zusammen und da denkst du schon darüber nach, ob wir uns in zehn Jahren vielleicht trennen könnten?", rief Jérôme empört und löste sich von ihm. Er kehrte ihm den Rücken zu und setzte sich an den Bettrand. "Ich liebe dich wirklich, verstehst du das? Ich möchte dich nie wieder verlieren, das meine ich völlig ernst. Ich verliebe mich nicht leichtfertig. Was ich für dich empfinde, das dauert bis in die Ewigkeit. Schau dir doch Ibliis und Akin an. Die beiden lieben sich noch nach achthundert Jahren. Warum sollte es uns anders gehen? Aber ich frage mich, ob es dir ernst mit mir ist, wenn du so redest."
 

Er klang so verletzt und Gabriel tat sofort wieder Leid, was er gesagt hatte. Besänftigend legte er seine Arme um den Vampir. "Es tut mir Leid, Jérôme. Ehrlich. Ich liebe dich doch auch und das weißt du. Alles, was ich will, ist dein Versprechen, mich noch ein paar Jahre unter den Normalsterblichen zu lassen. Ein Vampir zu werden ist eine Sache, die man nicht leichtfertig abtut. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, den Preis für ein unsterbliches Leben zu bezahlen. Deshalb bitte ich dich nur um Zeit."

"Ich verstehe, was du mir sagen willst. Es ist eine Entscheidung, die ich selbst, hätte ich die Zeit gehabt, genauer darüber nachzudenken, nie getroffen hätte. Ist gut. Du bekommst deine Zeit", antwortete Jérôme.

"Wirklich?"

"So viel du willst, allerdings bitte ich dich, damit nicht zu lange zu warten. Immerhin möchte ich ja einen schönen, jugendlichen Geliebten an meiner Seite haben", neckte der Vampir.

"Was denn? Soll das heißen, du würdest meinen gealterten Körper nicht mehr lieben? Für so oberflächlich hätte ich dich gar nicht gehalten…", schmollte Gabriel gespielt ernst.

"Ich hab's dir gerade gesagt, meine Liebe zu dir dauert ewig. Und wenn du einen Buckel, graue Haare, Tränensäcke bis zum Kinn, faulige Zähne und was weiß ich was hättest. Egal, ich liebe dich", gab der Blondschopf zurück, während er sich zu Gabriel umdrehte und ihn mit sanfter Gewalt wieder in die Laken drückte um seiner Liebe noch einmal gekonnt Ausdruck zu verleihen. (Und wie macht er das? Richtig. XD)
 

Tatsächlich war die Berühmtheit von "Satan's Saints" mittlerweile über den großen Teich geschwappt. Als Vorgruppe hatten sie nun ihre ersten Auftritte in Europa, vorerst allerdings nur in Großbritannien. Der letzte Auftritt sollte in London stattfinden.
 

Es war Anfang Mai, kurz vor Gabriels 27. Geburtstag. Sie hatten einen Tag Aufenthalt in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs, welchen sie ausgiebig nutzten. Die Jungs waren bald blau, sodass Gabriel und Jérôme beschlossen, sich abzuseilen und sich ein wenig die nächtliche Stadt anzusehen. So wanderten sie Hand in Hand die Themse entlang. Zwar zogen sie die einen oder anderen Blicke auf sich, doch es machte ihnen nichts aus. Mit fortschreitender Stunde wurden die Menschen, die ihnen begegneten seltener. Abseits des Lichts der Laternen hielt Jérôme plötzlich an und zog Gabriel in seine Arme. "Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich dich liebe und dass ich so unsagbar glücklich bin, dich gefunden zu haben?", raunte er in Gabriels Haar.

"Du hast es ein paar mal erwähnt", antwortete der Musiker und hob sein Gesicht seinem Liebsten entgegen. Dieser kam der Aufforderung sofort nach und küsste ihn leidenschaftlich.

Der leichte Nachtwind schob die Wolken zur Seite und der blasse Vollmond, der in dieser Nacht besonders groß erschien, schickte sein weißes Licht auf sie herab.
 

"Sieh mal einer an, was wir da haben…", ertönte plötzlich eine gehässige Stimme hinter ihnen. "Sieht aus, als hätten wir da ein ganz bezauberndes Pärchen."

"Oh mein Gott, das sind zwei Kerle!", kam die Antwort, diesmal von der anderen Seite.

"Verdamm mich! Schwuchteln!", rief nun wieder die erste Stimme.
 

Jérôme zog Gabriel noch fester an sich, um ihn zu beschützen, denn aus den Seitenstraßen tauchte nun eine ganze Bande auf. Soweit er richtig gezählt hatte, waren es zehn.

"Oh, Boss, den einen da kenn ich", meinte ein dritter, ein hagerer Kerl mit einer großen Nase und leuchtend roten Haaren. "Der hat in so einem Vampir-Dings mitgespielt."

Der Boss, der Mann, der zuerst gesprochen hatte, ein großer, breitschultriger Kerl mit schwarzem Kraushaar und einem Gesicht zum Davonlaufen hässlich, drehte sich zu dem Rothaarigen um. "Du immer mit deinen billigen Horrorfilmen, Harry. Du nervst, also halt die Klappe. Aber gut, wenn der Schauspieler ist, dann dürfte er wohl auch Kohle haben, was?" Seine kleinen, verschlagenen Augen richteten sich auf Gabriel und Jérôme. "Also, Jungs, dann lasst mal was rüber wachsen, wenn euch eure stinkende Haut was wert ist." Er fletschte hässliche gelbe Zähne.

"Monsieur, der einzige, der hier stinkt, dürften wohl Sie sein, und im Übrigen würde ich vorschlagen, dass Sie und Ihre Gefährten sich ganz schnell in Sicherheit bringen, denn sonst kann ich für nichts garantieren", antwortete Jérôme kühl. Sein Blick wurde wieder so kalt wie Eis.

"Mann, du drückst dich verdammt gut aus. Nützt dir aber nix. Los, rück die Kohle raus, sonst hast du ein kleines aber feines Loch im Kopf, genau so wie dein Süßer", wiederholte der Boss seine Aufforderung. Er und die Mitglieder seiner Bande zogen alle gleichzeitig ihre Waffen.

Jérôme seufzte. "Gut, wie Sie meinen. Sie wollten es ja nicht anders." Er hauchte Gabriel einen kurzen Kuss auf die Lippen und löste sich dann von ihm. "Entschuldige bitte kurz, mein Schatz."

"Ist gut, aber sei nicht allzu hart, ja?", antwortete Gabriel und lächelte.

"Hey, Alter, hier spielt die Musik", rief der Boss.

"Ist ja gut, nur keine Eile. Ihr kommt alle an die Reihe", antwortete Jérôme lässig und ließ die Finger knacken.

"Boss, der Typ gefällt mir nicht…", flüsterte Harry seinem Chef gerade noch zu, dann war es auch schon vorbei. Er ging zu Boden, als ihm Jérôme mit einem lauten Krachen das Genick brach. Gabriel war so angeekelt, dass er einfach die Augen schließen musste.

"Was bist du?", rief einer der Banditen entsetzt.

"Euer schlimmster Alptraum", antwortete Jérôme und griff den Sprecher als nächsten an.

Die blanke Panik ergriff Besitz von den Banditen und sie stoben auseinander wie die Hühner. Auch der Boss war unter seinem schwarzen Krauskopf blass geworden und suchte das Weite.

"Ich wusste es. Alles Feiglinge", meinte Jérôme abfällig und wandte sich wieder Gabriel zu. "Lass uns gehen, ja? Die Luft hier riecht zu schlecht."

"Hast Recht. Gehen wir zurück ins Hotel", stimmte ihm der Musiker zu. Sie wandten sich wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
 

Sie waren noch keine zehn Meter weit gekommen, da fiel ein Schuss. Gabriel zuckte zusammen und Jérôme fuhr herum. Der Boss stand mit der Waffe im Anschlag da. Aus der Mündung rauchte es noch leicht. Sein Blick war wutentbrannt.

"Ihr glaubt doch nicht, dass ihr meine Leute killen könnt und ich euch einfach so davonkommen lasse", sagte er.

"Na warte, du…", fing Jérôme an, doch dann brach Gabriel zusammen. Der Vampir fing ihn mit seinen Armen auf und legte ihn vorsichtig ab. Der Musiker hustete und ein wenig Blut verließ seinen Mund. Vorsichtig schob Jérôme die Teile von Gabriels schwarzer Jacke auseinander und ließ ein entsetztes Aufstöhnen hören. Die Kugel hatte ihn durchbohrt. Das weiße T-Shirt, das er trug, verfärbte sich langsam rot.

Der Boss wusste gar nicht, was mit ihm geschah, so schnell war Jérôme bei ihm und tötete ihn. Sein Kopf war um 180 Grad verdreht, als er zu Boden sank.

Sofort war er wieder bei seinem Gabriel. "Gabriel, nein. Du darfst jetzt nicht sterben", flehte er. Von Gabriel kam keine Reaktion, doch seine Augen waren vor Angst weit geöffnet. "Nein, das lasse ich nicht zu!", sagte er leise. Gabriel schaffte es nun doch und schüttelte den Kopf. "Nicht…", krächzte er.
 

Jérôme kämpfte mit sich, jedoch nur kurz. Schließlich war das hier ein Notfall. Ja, er hatte ihm das Versprechen gegeben, zu warten, und Gabriel hatte ja ganz dem Anschein nach seine Meinung nicht geändert. Doch er konnte ihn nicht gehen lassen. Nicht jetzt. Nicht noch einmal. Zu oft hatte er es nicht verhindern können. Diese Liebe würde er nicht verlieren.

"Bleib ganz ruhig…", flüsterte er ihm mit heiserer Stimme zu, bevor sich seine Zähne in den schlanken weißen Hals bohrten.

"Jérôme…", wimmerte Gabriel noch kurz. Dann starb er.
 

Und erwachte wieder zum Leben. Als Kind der Dunkelheit.
 

*******
 

"Nein, ich geh da nicht raus!", rief Gabriel, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute weiter finster in die Gegend.

"Womit hab ich das verdient?", stöhnte Jérôme.

"Ganz einfach! Du hast es getan, du blöder Arsch!", erwiderte Gabriel.

"Ich hatte keine andere Wahl, verdammt! Das war ein absoluter Notfall, das hab ich dir schon mal erklärt!", erwiderte der Vampir nun ebenfalls ziemlich gereizt. Es war nicht die erste Konversation dieser Art seit dem letzten Abend.
 

Seit er Gabriel zum Vampir gemacht hatte war der Sänger nicht mehr gut auf ihn zu sprechen.
 

Gabriels Erinnerungen an die letzte Nacht waren düster. Zu sterben war kein schönes Gefühl. Immer und immer wieder schien alles vor seinem inneren Auge vorbei zu ziehen.
 

Die Kälte durchflutete seinen Körper und er wusste, es war vorbei. Der Schuss hatte ihn nicht nur getroffen, nein, es war ein glatter Durchschuss. Ein klasse Ende für einen Mann wie ihn. Würde das jetzt in die Geschichte eingehen? Wäre cool. Auf offener Straße erschossen. Das waren seine ersten Gedanken gewesen, als ihn die Kugel getroffen hatte.
 

Er war zusammengebrochen und Jérôme hatte ihn aufgefangen. Das Gesicht des Vampirs war so traurig und verletzt gewesen. Gabriel wusste, er rang mit sich selbst. Auch er selbst trug diesen Kampf mit sich aus. Er hatte Angst zu sterben, aber andererseits… Ein unsterbliches Leben. Wollte er das wirklich? Im Prinzip war so etwas ja nicht schlecht, aber zu welchem Preis? War er wirklich bereit, ihn zu bezahlen? Er beschloss nein. Also raffte er seine letzten Kräfte zusammen und raunte: "Nicht…"
 

Doch zu spät. Jérôme raunte ihm noch etwas zu, das er nicht verstand, und versenkte seine Zähne in seinem Hals. Gabriel spürte wie das Leben aus ihm wich. Er wusste nicht mehr, wie ihm geschah. Er hörte nichts mehr, sah nichts mehr. Nur das Licht vor sich. Doch plötzlich stürzte er zurück. Etwas Warmes füllte seinen Mund. Reflexartig schluckte er und erkannte schlagartig, was es war. Blut.
 

Die Erkenntnis überwältigte ihn und er wollte aufhören, doch anscheinend wollte sein Körper etwas anderes als sein Kopf. Er konnte nicht. Fast schon gierig trank er. Doch sein Durst klang nicht ab, er wurde im Gegenteil immer stärker.
 

Der Blutstrom versiegte und er öffnete langsam die Augen. Jérôme saß vor ihm und sah einer kleinen Wunde an seiner Pulsschlagader beim Heilen zu. "Du hast es getan", seufzte Gabriel. Der Blondschopf nickte nur. Er wirkte so traurig und verloren, dass der Musiker ihn am liebsten in den Arm genommen hätte, doch eine innere Blockade hielt ihn zurück.

"Ich weiß, du wolltest es nicht", sagte Jérôme ohne ihn anzusehen.

"Also warum?", fragte Gabriel. "Es wäre in Ordnung gewesen, hättest du mich sterben lassen."

"Ja, für dich vielleicht. Aber weißt du, das wäre ziemlich egoistisch, findest du nicht?", meinte der Vampir und wandte ihm nun doch endlich das Gesicht zu. "Du hättest mich hier alleine gelassen. Genau so wie alle anderen vor dir. Sicher, für dich wäre es einfacher gewesen, zu sterben, aber was ist mit mir?"

Gabriel schwieg. Er wusste keine Antwort. Nein, das stimmte nicht ganz. Er wusste eine. Und das Schlimmste war: Jérôme hatte Recht. Er verstand ihn. Aber er hatte gehofft, auch etwas mehr Verständnis zu bekommen.

"Du musst Durst haben", stellte der Vampir fest. "Komm schon, wir suchen dir ein paar Tauben." Er stand auf und reichte Gabriel die Hand, doch dieser ergriff sie nicht sondern rappelte sich selbst hoch.
 

Eine Taube fanden sie nicht, dafür erledigte Jérôme einen Stricher und gab Gabriel von dessen Blut ab. Nur seinem Durst folgend hatte der Sänger getrunken, doch sofort hatte er es wieder bereut. Am liebsten hätte er sich übergeben, doch es war ihm unmöglich. Also beschränkte er sich darauf, Jérôme einfach zu ignorieren bis sie zurück im Hotel waren.
 

Im Hotelzimmer selbst war dann ein handfester Streit ausgebrochen. Sie hatten sich so laut gefetzt, dass die Hotelleitung persönlich gekommen war, um sie um Ruhe zu bitten, da sich schon mehrere Gäste wegen des Lärms mitten in der Nacht beschwert hatten. Und jetzt weigerte er sich erstens zu trinken und zweitens auf die Bühne zu gehen.
 

"Jetzt hör mir mal gut zu, Mr. Hart. Ich sage es dir zum letzten Mal: Es macht mir im Moment nichts aus, wenn du ein Problem mit mir hast, das klären wir später unter uns. Aber lass das nicht an deinen Freunden aus, ja? Sie haben lange und hart dafür gearbeitet um hierher zu kommen. Es ist euer letztes Konzert hier und du wirst gefälligst da raus gehen und deine Show durchziehen, klar?", befahl Jérôme und seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Es war schon eine Heidenarbeit gewesen, Gabriel überhaupt in die Konzerthalle zu bekommen, was er letztendlich nur mit seiner überlegenen Körperkraft geschafft hatte.
 

Chester, Finn, Jamie und Scott hielten sich vornehm zurück. Sie hatten zwar keine Ahnung, warum die beiden Liebenden stritten, doch es musste ganz schön gewaltig sein, denn wenn Gabriel meinte, die Diva spielen und herum zicken zu müssen, dann war es bestimmt keine Kleinigkeit.

"Vielleicht haben wir die Positionen bisher völlig falsch herum eingeschätzt und Jérôme wollte mal umdrehen…", flüsterte Chester Jamie zu.

"Du meinst, dass Gabriel bisher "oben" war?", flüsterte dieser zurück. "Kann ich mir nicht vorstellen."

"Warum nicht?", mischte sich jetzt Finn ein. "Immerhin ist er in der Band ja auch der Dominante. Wäre doch durchaus möglich, oder?"

"Sag ich doch. Und jetzt hat Jérôme einfach mal den "kleinen Franzosen" angedockt und das nimmt ihm Gabriel übel…", bestätigte Chester.

"Haltet verdammt noch mal die Klappe", raunte ihnen Scott zu. "Das geht euch überhaupt nichts an, ihr alten Waschweiber."
 

"Danke, Scott", sagte Jérôme und schaute dabei die anderen Bandmitglieder böse an. Die blickten sofort beschämt zur Seite.

Auch Gabriel hatte, dank der Fähigkeiten, die er erhalten hatte, ihr Gespräch mit angehört.

"Also gut", räumte er schließlich ein. "Wir heizen denen da draußen richtig ein", beschloss er mit entschlossener Miene. Dennoch klang er nicht hundertprozentig überzeugt. An Jérôme gewandt sagte er: "Aber das mit uns ist noch nicht vom Tisch, klar?"

"Ich werde dein Punchingball sein, mein Süßer. Von mir aus, verklopp mich die ganze Nacht", grinste der Manager.

"Ach, leck' mich doch!", zischte der Musiker.

"Würd' ich ja gerne, du lässt mich ja nicht…"

"Aaah, also da liegt der Hase im Pfeffer begraben…", sagte Chester mit einem fiesen Grinsen.

"Du bist besser ganz ruhig, sonst nehm' ich dich", raunte Gabriel ihm zu. Chester schluckte hart und trottete schließlich als letzter hinter den anderen her auf die Bühne. Dort lieferten sie dann doch ein ganz passables Abschlusskonzert ab.
 

Nach dem Auftritt kehrten sie in die Garderobe zurück. Kaum waren sie dort angekommen, da klappte Gabriel zusammen.

"Was hat er denn auf einmal?", fragte Jamie als sie ihren Frontmann auf das kleine Sofa gelegt hatten.

"Ich weiß schon, was er hat. Moment, ich bin gleich wieder da", antwortete Jérôme und verschwand kurz. Etwa fünfzehn Minuten später kam er zurück mit einem Glas, in dem sich eine rote Flüssigkeit befand.

"Was ist das?", erkundigte sich Scott.

"Tomatensaft", gab der Vampir gelassen zurück.

"Tomatensaft?!? Willst du mich verarschen?", wollte Scott zweifelnd wissen.

"Keineswegs. Pass mal auf", erwiderte Jérôme und nahm etwas von dem Inhalt in den Mund um es Gabriel einzuflößen. Keine drei Sekunden später schlug der Sänger die Augen auf.
 

"Wow, krasser Effekt, Alter", kommentierte Chester.

"Anscheinend steckt in dem Zeug mehr, als ich bisher dachte…", sinnierte Jamie.

"Tomatensaft ist doch sonst nie so intensiv rot", murmelte Scott.

"Der schon!", antwortete Jérôme leicht ungehalten. "Wir sind hier in England, Mann. Wer weiß, was die da für Farbstoffe rein panschen."

"Beta-Karotin?", schlug Finn vor.

"Beta-Karotin ist gelb, du Chemielegastheniker", klärte Scott ihn auf und verdrehte dabei die Augen.

"Ach so", muffelte Finn kleinlaut.

"Aaaaah", stöhnte Gabriel auf dem Sofa und hielt sich die Stirn. Dummheit tat manchmal ja so weh.

"Hier, trink aus", sagte Jérôme und drückte ihm das Glas in die Hand. Er murmelte leise: "Danke.", und trank. So langsam konnte er einfach nicht mehr anders.
 

Wieder einmal verfiel Gabriel in Schweigen. Schon wieder hatte er Blut getrunken. Nicht, dass er eine andere Wahl gehabt hätte, aber es schien ihm trotzdem jedes Mal, als würde sich der rote Lebenssaft in seinem Hals weigern, in die Speiseröhre zu rutschen. Im Hotelzimmer warf er sich auf sein Bett und starrte endlose Minuten lang einfach nur an die Decke.

"Scheinst dich ja beruhigt zu haben", meinte Jérôme und setzte sich neben ihn auf die Bettkante. "Können wir jetzt vernünftig miteinander reden, ohne, dass gleich wieder der Manager antanzt und uns mit einer Klage droht?"

"Ich schaff das nicht…", seufzte der Musiker.

"Ich verstehe nur zu gut, wie es dir jetzt geht, glaub mir. Mir ging es damals nicht anders. Nur mit dem Unterschied, dass mein Lehrmeister nicht für mich getötet hat. Um zu überleben musste ich selbst klar kommen. Ich versuche wirklich, dir die Anfangszeit so leicht wie möglich zu machen."

"Das weiß ich doch. Aber trotzdem komme ich einfach nicht damit klar, dass ich ab jetzt anderen Menschen ihr Leben nehmen muss um selbst zu leben. Und das Schlimmste ist, wie ich ja von dir weiß, dass ich nicht sterben kann, nicht einmal, wenn ich es versuche."

"Nun, es gäbe theoretisch eine Möglichkeit. Aber ich werde den Teufel tun und sie dir erzählen. Am Ende probierst du es noch aus. Obwohl du sowieso einen zweiten Mann dazu bräuchtest. Aber wie ich dich kenne, findest du schon jemanden. Deswegen: Vergiss es."

Jetzt drehte Gabriel ihm endlich das Gesicht zu. Seine Augen glitzerten feucht. "Es tut mir Leid", flüsterte er.

"Was tut dir Leid?", hakte Jérôme nach.

"Es ist nicht deine Schuld. Ich liebe dich, das weißt du, und mit dir zusammen sein zu können ist das Beste was mir je passiert ist. Aber es ist einfach so schwer. Ich glaube nicht, dass ich das langfristig ertragen könnte", erklärte der Sänger.

"Sieh es mal so: Du hast keine Wahl mehr. Das klingt jetzt hart, aber es ist so, also am besten ist es, du nimmst es hin wie ein Mann. Aber… Ich bin froh, dass du mir das jetzt gerade gesagt hast."

Er lächelte und beugte sich zu Gabriel hinunter. Ganz vorsichtig und behutsam küsste er ihn. Ebenso vorsichtig wurde sein Kuss erwidert.

"Soll das heißen, dass jetzt wieder Frieden herrscht?", fragte Jérôme nachdem er sich wieder von seinem Liebsten gelöst hatte.

"Ich denke schon", antwortete dieser.

"Gut. Nachdem das geklärt wäre, können wir ja zum Tagesgeschäft übergehen. Es gibt da nämlich noch gewisse Logistikprobleme und…"
 

+++++++++++++++
 

So, jetzt kommt ein kleiner Lemon, in welchem sich Gabriel ein bisschen "rächt". Allerdings tut es der Geschichte keinen Abbruch, wenn man ihn nicht kennt. Das nächste Kapitel Nummer 20 schließt nahtlos an.
 

Man liest sich. ^^

Kapitel 19.1 - Der dazugehörige Lemon

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 20 - Zurück

Kapitel 20

Zurück
 

Tatsächlich taten sich bei näherer Betrachtung ziemliche Logistikprobleme auf. Jérômes Sarg war schon lange der Glücksbringer der Band und mit ihm im Gepäck reisten sie um die Welt. Doch jetzt wurde ein zweiter für Gabriel benötigt.

"Wir schlafen einfach in einem, so wie jetzt auch schon", schlug Jérôme vor.

"Schlaumeier. Das wird auf die Dauer zu eng. Und außerdem: Dein Sarg allein erregt schon ziemliches Aufsehen. Was glaubst du denn, was das für eine Heidenarbeit war, denen vom Zoll zu erklären, dass da nichts drin ist außer höchstens einem Plastikskelett. Ich meine, es ist ja bekannt, dass wir das Teil immer dabei haben als Markenzeichen der Band. Aber ich will meinen eigenen. Und auf einem derart langen Flug steht mir der wohl auch zu, oder?", entgegnete Gabriel.

"Unser Rückflug ist aber schon heute Abend", sagte der Manager.

"Egal. So geht's jedenfalls nicht. Nicht mit mir. Wir müssen uns was anderes einfallen lassen", beharrte der Sänger.

"Mann, wenn wir uns doch nur einen Privatjet leisten könnten. Ich meine, dann wäre es egal und wir könnten ungestört schlafen, selbst, wenn wir in die Sonnenzeiten hinein fliegen", grübelte der Blonde.

"Sonst noch was? Von dem, was wir, oder besser ich, bisher verdient haben, müssen wir wohl die nächsten Jahrzehnte leben. Oder zumindest ab dem Zeitpunkt, zu dem ich meine Karriere auf Grund meiner sich nicht verändernden Äußerlichkeiten aufgeben muss. Für einen Jet haben wir kein Geld. Da müssten wir schon 'ne eigene Ölquelle haben oder so, jedenfalls müssten wir richtig in Geld schwimmen."

"So wie Ibliis", grinste Jérôme.

"Was war das gerade?", merkte Gabriel auf.

"Ich hab gesagt, so wie Ib… Moment. Denkst du dasselbe wie ich?", ging dem älteren Vampir plötzlich ein Licht auf und er grinste ebenso breit wie sein Liebster.

"Ich denke schon. Wir rufen ihn einfach an und lassen uns seinen Jet schicken. Ich bin sicher, Akin macht das nur zu gerne für uns", meinte der Musiker.

"Und die Jungs?", fiel Jérôme ein.

"Denen sagen wir, dass wir uns wieder versöhnt und beschlossen haben, hier so was wie Flitterwochen zu machen."

"Gute Idee", stimmte Jérôme zu. Er suchte in seinen Papieren eine der Visitenkarten, die ihm Akin mal vor einiger Zeit für alle Fälle geschickt hatte, hervor, und rief ihn an. Er musste einige Male dem Tuten des Freizeichens lauschen, bis sich der Araber endlich meldete.
 

"Hallo?", klang Akins Stimme verschlafen.

"Hallo, Akin, altes Haus. Schön, so frisch und munter von dir zu hören", sagte Jérôme gut gelaunt.

"Ja, du vielleicht", knurrte sein Gesprächspartner. "Hast du eine Ahnung, wie spät es hier ist?"

"Nein, ehrlich gesagt nicht. Hör mal, wir brauchen deine Hilfe", antwortete der Franzose.

"Zum ersten: Es ist um die Mittagszeit und zum zweiten: Warum?"

"Gabriel ist ein Vampir."

"Willst du mich verarschen?!?"

"Nein. War ein absoluter Notfall."

"Glückwunsch, ich erkläre euch hiermit zu… Wie soll ich sagen? Vampir und Vampir? Mann und Mann? Jedenfalls freu ich mich für euch. Aber wo liegt das Problem? Soll ich Trauzeuge machen oder was?"

"Ganz einfach. Wir sitzen hier in London fest und wissen nicht, wie wir zurück nach Amerika kommen."

"Jetzt willst du mich wirklich verarschen."

"Nicht wirklich, nein. Wir waren auf Promotiontour jenseits des großen Teichs. Ist ja jetzt auch egal. Hilfst du uns? Kriegst auch ein handsigniertes T-Shirt mit persönlicher Widmung."

"Lahmer Preis, echt jetzt. Aber gut. Weil ich Gabriel so mag und ihn ja schlecht einfach so im kalten England stehen lassen kann, sag ich einfach mal zu. In zwei Tagen nach Einbruch der Nacht, Heathrow. Kriegt ihr das hin?"

"Sollte kein Problem sein. Danke, Akin. Bist ein echtes Goldstück", bedankte sich Jérôme.

"Keine Ursache. Seht lieber zu, dass ihr eine zweite Schlafgelegenheit organisiert. Wir fliegen auf jeden Fall in den Sonnenaufgang und etwas länger."

"Ich werd' sehen, was sich tun lässt. Danke noch mal", antwortete der Blonde und legte auf. Kurzzeitig fragte er sich, was er mit "Wir" gemeint hatte.
 

Er fand es heraus, als sie zwei Tage später in den Jet stiegen. In einem der bequemen, extrabreiten Sitze saß, die Beine lässig hochgelegt, Akin. Fröhlich grinsend begrüßte er sie an Bord.

"Also dann, ich denke, wir können starten", stellte er fest. "Ich gehe den Piloten informieren."

Als er zurückkam strahlte er immer noch. "Ich freue mich, euch wieder zu sehen", sagte er und zog erst einmal Jérôme in seine Arme. Er drückte ihm links und rechts ein Küsschen auf und wandte dann seine Aufmerksamkeit Gabriel zu.

"Ich darf feststellen, dass du hervorragend aussiehst", sagte er und wiederholte die Prozedur bei dem Sänger. "Sag mal, trinkst du genug?", fragte er ihn überrascht, als ihm auffiel, wie kalt Gabriel war.

"Vielleicht nicht so viel, wie ich sollte", antwortete dieser wahrheitsgemäß. "Ich habe immer noch das Gefühl, dass es wieder hoch kommt."

"Wirklich? Ist wohl noch der Schock. So unvermittelt aus dem Leben gerissen zu werden", stimmte Akin nickend zu.

"Mag sein, ja", murmelte Gabriel, doch den wahren Grund, nämlich, dass er sich einfach nicht an dieses Leben als Untoter gewöhnen konnte, dass ihn sein Gewissen jedes Mal halb umbrachte, wollte er niemandem sagen.
 

Während des Fluges unterhielten sie sich über alles Mögliche. Akin erzählte von seinem neuen Leben als gleichberechtigter Partner und sein neues Glück. Jérôme erörterte den Hergang von Gabriels Umwandlung zum Vampir. Nur Gabriel selbst schwieg.
 

"Übrigens, Jérôme. Nachdem Zahir meinte, das mit dir sei abgeschlossen, bat er mich, den alten Speicher auszuräumen. Dabei hab ich etwas gefunden, das dir gehört." Er stand auf und öffnete einen länglichen Schrank, aus dem ihnen ein ranziger Geruch entgegen schlug.

"Was ist das?", fragte Gabriel naserümpfend, als er vor ihnen einen länglichen Gegenstand in ölgetränkten Ledertüchern auf den Tisch legte.

"Mach es auf. Ist ein kleines "Geschenk", wenn du so willst", grinste Akin geheimnisvoll und schaute Jérôme dabei fest an.

Dieser machte sich daran, den Gegenstand von seiner Umhüllung zu befreien. Langsam kam etwas Glänzendes zum Vorschein.

"Das ist doch nicht etwa…", hauchte Jérôme. Dann hatte er es ausgepackt. Es war…
 

"Ein Schwert", sagte Gabriel überrascht und fast ein wenig ehrfurchtsvoll.

"Nicht nur irgendein Schwert", antwortete Jérôme, ohne den Blick von der Waffe zu lassen. "Mein Schwert." Er ging ein Stück vom Tisch weg und führte ein paar gezielt geführte Hiebe aus. Es sah aus, als hätte er nie etwas anderes getan. "Es liegt noch genauso gut in der Hand wie früher", meinte er erstaunt.

"Es ist nicht mehr ganz original", erklärte Akin. "Der Griff musste restauriert werden. Abgesehen davon hat er es gut gepflegt. Ich hab es nur wegen dem ranzigen Geruch überhaupt erst entdeckt. Es lag in der hintersten Ecke."
 

"Er?", fragte Gabriel, während Jérôme noch ein paar Stöße und Hiebe ausführte.

"Ja. Zahir. Er hat es aufgehoben, um es Jérôme irgendwann zurück zu geben, wenn er sich seiner Loyalität sicher sein konnte und nicht mehr befürchten musste, dass er es irgendwann in seiner Brust stecken haben würde. Doch dann lief Jérôme davon. Ich denke, es hat ihn an ihn erinnert, deswegen hat er es selbst gepflegt und immer wieder mitgenommen, wohin auch immer er ging. Als ich es fand und ihm zeigte, da sagte er, dass er es ihm schicken wollte, doch wir hatten Probleme mit dem Zoll. Du weißt ja, Waffen dürfen nicht importiert werden. Schon gar nicht solche.

Als ich sagte, dass ich euch aus London holen würde, da bat mich Zahir, es mitzunehmen und wenigstens zu versuchen, es irgendwie ins Land zu schmuggeln. Ich habe eine Möglichkeit gefunden. Wir legen es in einen eurer Särge, mit einer dünnen Bleiummantelung, damit die Röntgenstrahlen es nicht finden. Wahrscheinlich wird es etwas drücken, wenn wir es unter den Stoff schieben, aber es wird gehen müssen."

"Das gibt's doch nicht!", rief Jérôme plötzlich überrascht und starrte fassungslos auf seinen Finger. Dort war ein kleiner Schnitt. "Es ist ja noch scharf!"

"Was doch regelmäßiges Nachschleifen so alles bringt, was?", grinste Akin.

"Es ist wirklich perfekt gepflegt", sagte Jérôme. "Eigentlich müsste es längst verrostet und für immer zerstört sein, nach immerhin achthundert Jahren."

"Stimmt. Ist es aber nicht. Ach übrigens, wann krieg ich mein handsigniertes T-Shirt mit persönlicher Widmung?"
 

*******
 

Als Jérôme und Gabriel aufwachten, befanden sie sich in einer Leichenhalle. Also hatte Akins Plan funktioniert. Er hatte angegeben, dass es sich bei den Personen im Sarg um Brüder handelte, die ehrenamtlich im Krisengebiet tätig gewesen waren, und die nun, nach Wochen, halb verwest, aufgefunden worden waren. Das hatte die Zöllner tatsächlich davon abgehalten, die Särge zu öffnen. Auch Jérômes Schwert hatte unbeschadet und widerstandslos seinen Weg in die USA gefunden.
 

"Mann, das Ding drückt ganz schön im Rücken", meckerte der Franzose und zog die Waffe hervor.

"Schön, dass Akin es dir mitgebracht hat", lächelte Gabriel.

"Klar. Aber nur, weil ICH ihn dafür hätte küssen können, heißt das noch lange nicht, dass das für DICH eine Aufforderung war."

"Aber ein T-Shirt war nun mal zu unpersönlich", schmollte der Sänger. "Und welcher Fan träumt denn nicht davon, seinem Star mal so nahe zu sein?"

"Trotzdem war es übertrieben", stellte Jérôme fest.

"Er hat mich geküsst, nicht umgekehrt."

"Du hast nicht mal versucht, dich zu wehren."

"Wie denn auch? Ich war einfach zu überrumpelt. Und im Übrigen küsst er gar nicht so schlecht", bemerkte der Sänger.

"Willst du mir damit irgendwas sagen? Soll ich nächstes Mal auch meine Zunge fast bis zu den Mandeln in deinen Hals stecken?"

"Hat er gar nicht."

"Hat er doch."

"Gar nicht wahr und jetzt hör auf zu meckern. Wir sollten lieber zusehen, dass wir hier rauskommen." Damit stieg Gabriel aus seinem Sarg und Jérôme tat es ihm mit bösem Blick gleich.
 

Draußen vor der Tür erschien ein Licht.

"Nachtwache", raunte Jérôme.

"Wie kommen wir hier raus, ich meine, mit den Särgen?", fragte Gabriel flüsternd.

"Gar nicht. Wir machen sie zu und lassen sie hier", antwortete Jérôme.

"Was? Wozu haben wir uns dann überhaupt die Mühe gemacht?", fragte Gabriel lauter, was Jérôme eine Hand auf seinen Mund pressen ließ.

"Schrei nicht so, du weckst ja die Toten auf. Du wolltest ja einen eigenen und Akin meinte auch, dass es besser so ist. Sonst hätte sein Plan gar nicht funktioniert. Wir besorgen uns neue."

"Memifraufenfin?"

"Genau, wenn wir draußen sind. Und jetzt Ruhe, klar?"

Gabriel nickte. Er war noch nicht so geübt darin, mit den Schatten zu verschmelzen, doch es reichte, um ungesehen zu entkommen.
 

Zu Hause in ihrer Wohnung lagen doch einige Briefe in ihrem Privatbriefkasten. Eine Sekretärin erledigte die geschäftlichen Vorgänge. Schnell sah Gabriel sie durch. Einer war von Vivi. Er öffnete ihn und setzte sich damit aufs Sofa. Er enthielt nichts wirklich Neues. Nur das PS am Ende erregte sein besonderes Interesse.
 

"PS: Brian ist zurück. Es scheint, als wäre er jetzt in New York tätig. Sein Einsatzgebiet, so nannte es seine Mutter, heißt "Saint George". Vielleicht gehst du ihn mal besuchen? Deine Vivi."
 

Gute Idee. Vielleicht könnte ja Brian endlich etwas Licht ins Dunkel bringen, das Gabriels Herz und Seele gefangen hielt.
 

So machte er sich gleich bei Anbruch der nächsten Nacht auf, um seinem alten Freund einen Besuch abzustatten.
 


 

(Jetzt bitte noch mal den Miniprolog lesen. Steht ganz am Anfang von Kapitel 1. Danke.)
 

Pater Brian Foster sank mit einem lauten Seufzen in seinen bequemen Sessel zurück und schloss für einige Sekunden die Augen. Als er sie wieder öffnete, blickte sein nächtlicher Besucher, der ihm gegenüber in einem zweiten Sessel saß, gedankenverloren ins Feuer im Kamin, ohne auch nur zu blinzeln. Drei Nächte lang war er kurz nach Einbruch der Dunkelheit zu ihm gekommen und hatte ihm seine Geschichte erzählt.

"Warum bist du zu mir gekommen?", fragte der Priester mit ernster Stimme.

"Ich wollte eine neutrale Meinung."

"Von einem katholischen Priester?", fragte der Geistliche ungläubig.

"Sag mir einfach, was ich tun soll", antwortete der Vampir und hob seinen Blick dem Pater entgegen. Seine hellen, bernsteinfarbenen Augen hatten fast dieselbe Farbe wie die Flammen.

"Willst du meinen Rat als Priester oder als Freund?"

"Wieso ist das wichtig?", fragte der Vampir überrascht und schob sein langes, schwarzes Haar nach hinten.

"Sag du's mir", gab Brian zurück.

"Als Freund", sagte der Vampir schließlich.

"Gut. Nach katholischer Sicht hätte ich dich nämlich zur Hölle geschickt", meinte Brian.

"Gut, da ist's wenigstens das ganze Jahr über schön warm", sagte sein Gast sarkastisch.

"Ich liebe deinen Humor, Gabriel. Ganz ehrlich, den hab ich am meisten vermisst", grinste der Geistliche.
 

Schweigend musterte Gabriel Hart seinen ehemals besten Freund. Jetzt wusste er, was Scott damals gemeint hatte, als er sagte, Brian und Jérôme wären sich ähnlich. Es stimmte. Die beiden hätten Brüder sein können. Das hellblonde Haar, fast dieselbe Frisur, die Augen, das Lächeln. So ähnlich und doch nicht völlig gleich.
 

"Ich mag es nicht, wenn du mich so anstarrst", bemerkte Brian.

"Oh, entschuldige. Das mochtest du schon früher nicht", bat Gabriel um Verzeihung.

"Stimmt. Weil ich Angst hatte, dass du mich irgendwann durchschauen würdest. Du hast einen sehr durchdringenden Blick und jetzt, wo du ein Wesen der Dunkelheit bist, ist es noch schlimmer."

"So? Dich durchschauen? Hattest du denn was zu verbergen, Weihrauchboy?", grinste Gabriel und dabei fielen Brian wieder die messerscharfen Reißzähne auf.

"Nenn mich nicht so. Das ist ziemlich respektlos", schmollte der Pater. "Und ja, ich hatte was zu verbergen. Den einzigen Grund, warum ich damals wegging."

"Ach ne, sag an. Was war's denn?", fragte Gabriel neugierig.

"Wenn ich dir das sage, muss ich dich in die Hölle begleiten."

"Cool, dann bin ich nicht so allein. Also, Hosen runter."
 

Aus irgendwelchen Gründen wurde Brian bei dieser Vorstellung ziemlich heiß und er errötete. "Ich war verliebt. In dich", gab er schließlich zu.

"Brian?", hauchte Gabriel fassungslos.

"Es ist wahr. Aber ich wusste, dass du in Carol verliebt warst und dass ich auf verlorenem Posten stand. Dennoch, ich hatte die Wahl zwischen meiner Liebe zu dir und meiner Liebe zu Gott."

"Hast dich ja entschieden", meinte der Vampir leicht enttäuscht.

"Ich hätte nie weggehen sollen", sagte Brian geknickt. "Vielleicht, wenn ich dir meine Liebe gestanden hätte, dann… Vielleicht wäre alles anders gelaufen. Ich könnte offen dazu stehen und du wärst nicht zur Verkörperung der Sünde geworden."

"Verkörperung der Sünde? Hast du sie noch alle? Ich meine, okay, ich hab Sex mit 'nem Kerl und bin ein gottverdammter Blutsauger, aber abgesehen davon…", beschwerte sich sein Freund.

"Verzeih. Ich kann einfach nicht aus meiner Haut. Jetzt hast du doch meine priesterliche Meinung gehört", lächelte Brian.

"Schon gut. Aber das hilft mir nicht weiter. Ich habe immer noch den Wunsch, tot zu sein. Ich kann einfach nicht damit leben, andere Menschen zu töten, nur um selbst leben zu können. Das ertrage ich nicht."

"Rein theoretisch ließe sich das arrangieren. Während meines Studiums habe ich gelernt, wie man Kreaturen wie dich ausrottet", antwortete Brian.

"Echt?"

"Ja. Die katholische Kirche weiß mehr, als du glaubst. Um genauer zu sein sind etwa vierzig Vampire namentlich bekannt und werden streng überwacht. Sie haben sich insofern mit der Kirche arrangiert, dass sie großzügig spenden, indem sie Waisenhäuser, Schulen und dergleichen finanzieren. Die Kirche sieht das als Ausgleich."
 

"Der Ablasshandel boomt, was?", sagte der Vampir mit einem gemeinen Grinsen.

"Klingt zwar komisch, ist aber so, da hast du Recht", stimmte Brian zu.

"Und du könntest mich umbringen?", erkundigte sich Gabriel.

"Theoretisch ja. Aber ich halte es da wie Jérôme. Wenn du weißt, wie es geht, dann probierst du es nur aus. Ich würde dir übrigens nicht helfen, aber es gibt genug Priester, die dir mit Freuden ein Ende bereiten würden."

"Soll heißen, ich soll einfach so weitermachen, ja?", fuhr der Sänger auf.

"Setz dich wieder", forderte Brian ihn auf, und er gehorchte widerstrebend. "Ich hab nicht gesagt", fuhr er fort, "dass du so weitermachen sollst. Du musst nur etwas tun, das dein Gewissen erleichtert."

"Spenden, spenden, spenden, richtig?" Gabriel verdreht genervt die Augen.

"Falsch. Du musst nur herausfinden, was richtig und was falsch ist. Weißt du, ich halte es da mit dem Spruch: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen verborgen."

"Soll heißen?"

"Wenn du dir sicher bist, den Mann deines Lebens gefunden zu haben, dann halt dein Glück doch einfach fest. Freu dich über das Geschenk, das du erhalten hast und nimm es an. Du bist gesegnet, Gabriel. Du hast eine tolle Stimme, eine Wahnsinns-Ausstrahlung und jemanden, der dich wirklich liebt. Ist der Preis dafür zu hoch?"

Gabriel schwieg nachdenklich. So hatte er es noch gar nicht gesehen. Plötzlich klingelte sein Handy. Er zog es aus seiner Hosentasche und ging ran.
 

Brian sah das Lächeln, das auf dem Gesicht seines Freundes erschien, als dieser hörte, was sein Gesprächspartner zu sagen hatte. Als er auflegte, sagte er: "Da hast du deine Antwort."

"Was meinst du?", fragte Gabriel verwirrt.

"Dieses Lächeln. Das ist deine Antwort. Du weißt, was du zu tun hast, nicht wahr?", lächelte Brian.

"Du meinst also, ich soll…"

"Genau das. Geh zu ihm und sei glücklich. Das ist mein Rat als Freund."
 

Er hatte Recht. Genau das war es, was er wollte. Mit dem Mann, den er liebte für immer zusammen sein. Und seine zweite große Liebe, die Musik. Die würde er pflegen, solange es ging. Und wenn er selbst nicht mehr auf der Bühne stand, konnte er immer noch Songs schreiben.

"Ich danke dir, Brian", sagte er.

"Keine Ursache. Ist ja schließlich mein Job", winkte dieser ab. Er stand auf und begleitete seinen Gast zur Tür des Pfarrhauses.

Bevor er Gabriel in die Nacht entließ, musste er ihn doch noch etwas fragen: "Was war es eigentlich, das dich so zum Lächeln gebracht hat?"

Gabriel lächelte breit. "Er hat eine neue Schlafgelegenheit für uns. Ein Spezialsarg für Menschen mit zweihundert Kilo. Er sagt, darin können wir zu zweit schlafen."
 

ENDE
 

+++++++++++++++
 

So, das war's. Diener der Nacht ist vorbei. Diese Geschichte hat mich Blut, Schweiß und Tränen gekostet, aber die vielen lieben Kommentare haben mir Kraft gegeben, das Projekt durchzuziehen.
 

Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid bei meinem nächsten Projekt wieder dabei.
 

*euch alle knuddel und ganz doll lieb hat*
 

Bis bald
 

Myrys



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Kommentare zu dieser Fanfic (219)
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Von:  m1223
2012-07-06T16:46:47+00:00 06.07.2012 18:46
auch in diesem kapitel ist der vater wieder absolut unrealistisch!
wenn er "nur" zur oberen mittelschicht bostons gehört, dann hat er niemals solch einen großen einfluss, dass er gabriel die karriere in new york versauen könnte! das würde er vermutlich noch nicht einmal in boston schaffen!!!
abgesehen davon frag ich mich, wie es sein kann, dass von gabriel verlangt wird, als jurist karriere zu machen, und es bei seiner schwester gleichzeitig "geduldet" wird, dass sie "nur" kosmetikerin ist!?! (vor allem, weil sie ja eigentlich die ältere ist und somit theoretisch eher sie die kanzlei übernehmen müsste!)
Von:  m1223
2012-07-06T16:25:10+00:00 06.07.2012 18:25
du hast in diesem kapitel einen recht auffälligen fehler:
dafür, dass der vater anwalt ist, labert er nämlich einen riesigen müll!
man kann sein kind nicht enterben, nur weil es homosexuell ist!
für eine enterbung sind weitaus gravierendere dinge nötig, als so eine "meinungsverschiedenheit" (z.b. versuchter mord o.ä.!), was dem vater (als anwalt) bekannt sein müsste!!!
Von:  Talyna
2010-10-24T08:45:06+00:00 24.10.2010 10:45
Ich hab diese FF erst kürzlich entdeckt und sie regelrecht verschlungen XD
Sie ist wirklich sehr gut und fesselnd geschrieben, so dass ich solange gelesen habe ohne eine Pause einzulegen, so nun bin ich aber fertig - müde aber glücklich XD

Ich freue mich auf weitere FF´s von dir, du bist wirklich ein guter Schreiberling

Nette Grüße
Talyna
Von:  MaiRaike
2009-09-28T15:12:12+00:00 28.09.2009 17:12
Ein Doppelbett-Sarg. Suuuper.

Eine wirklich schöne Fanfic.
Ich fand besonders Akin wirklich klasse.
Wie wäre es mit einer Fortsetzung, bei der Akin und Ibliss die Hauptpersonen sind?

Lg

Von:  Yueko
2009-06-28T11:13:10+00:00 28.06.2009 13:13
Okay.
Falls es dich interessiert, um deine FF zu lesen braucht man ca 6,5 Stunden xD
Sehr sehr schön.
Normalerseise ... bin ich in Sachen -Happy End- immer ein wenig zwiegespalten, aber DIESE FF hat einfach nichts anderes verdient als eines.

Wunderschön geworden.
Ich hab gelitten. xD

lieben gruß.
Von:  Adisa
2008-12-01T13:21:08+00:00 01.12.2008 14:21
sooo~, jetzt hab ich die story auch ma durch...
hab schön die nacht durchgemacht, damit ich das teil lesen kann. xD ...inner schule wär ich mehrmals beinah eingepennt. Ha ha! Aba iwie hab ich das zufriedene gefühl, dass es sich gelohnt hat. ^_^
Jetzt will ich ma n paar kritikpunkte loswerden! *unheilvoll augenblitz*
deine "cuts" sind toll! <//3 ich meine, du hast ein gutes gefühl, wann und wie eine szene aufhören soll und wie eine neue szene anfangen soll. ich fand, das hat die story viel abwechslungsreicher gemacht. ^^//
dann was negatives: nämlich in den dialogen, wenn ein themenwechsel ansteht, dann is das so abrupt. net unlogisch, aba da fehlt ein bezug auf den grund, warum der themenwechsel stattfindet. so'n paar worte, was die charaktere während der dialoge tun oder fühlen.
Joa... und noch was. Nämlich die Atmosphäre war zwar schön, aber net abwechslungsreich. also z.b. am anfang, als jérôme grad eingezogen ist, da fand ich, wäre hin und wieder ne düsterere atmosphäre angemessener, weil gabriel schließlich angst vor ihm hatte. oder etwa net? *zweifel, grübel* also, ich hätt vor meinem mörder schon nbissn angst. xDD
sry, wenn ich dich jetzt zu sehr kritisiert hab U_U' ,denn alles in allem war's ne übergeile story! <3
Von:  Tai-chan
2008-10-28T21:07:09+00:00 28.10.2008 22:07
Hallo^^
Super tolle Story, hat mich jetzt einige Stunden lang gefesselt. Besser als einige Bücher von berühmten Autoren die ich bisher gelesen habe xD Die wenigen winzigen Rechtschreib und Grammatik-Fehler hab ich einfach gesammelt, die darf ich sicher behalten oder? *g* Ich kann nur sagen Hut ab vor so viel Talent und vorallem Ausdauer die Geschichte zuende zu bringen (Ich wünschte ich hätte das auch, wie machst du das bloß? xD). Hoffentlich hört bzw. liest man noch viel mehr von dir.

LG Tai-Chan
Von:  Sin_Angel
2008-08-31T20:23:07+00:00 31.08.2008 22:23
hi
wirklich schöne ff
der letzte satz war einfach nur zum schießen^^
nur um brian tuts mir leid... da hat er seine liebe doch tatsächlich aus 3 gründen verloren.... carol, jer und weil er n vamp is....
zum glück ist der teufel"^^ wieder zur vernunft gekommen und jetzt mit akin zusammen^^
lg Angel
Von:  Ciura
2008-08-24T08:47:26+00:00 24.08.2008 10:47
Omfg..
also.. ähm..... *glubsch*
ich find jawohl die verwandtschaft und den vater mehr als grässlich.. *drop* maggie und vivi sind toll, aber der olle kerl ist jawohl mal mehr als... *Gesicht verzieh*
nunja XD"
jerome hat ja mal wieder ne wunderbare show abgezogen, das ist ja richtig genial *lach*
jaja~
mehr! hoffentlich wirds da langsam echt.. brenzlig? *gg*
Von:  Ciura
2008-08-24T08:45:46+00:00 24.08.2008 10:45
*lach*
ich mag blumenhändler~ *g* *neueste feststellung*
^^~ auch wenn ich am anfang so gedacht habe, naaa? ist das jetzt evtl auch nen vamp oder was? aber.. XD ist ja nicht so gewesen~
und jack hat gute tips drauf *lach*
Und gabriel wird wirklich langsam lockerer~ *sich darüber freu*
Ich mein, das mit dem Küssen klappt ja jetzt wunderbaar~ XDD
mehr~


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