Zum Inhalt der Seite

Out of Place

Eine Frage des Vertrauens
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Wer sich einmal meine One-Shot-Sammlung angesehen hat, der wird diesen Prolog bereits kennen. Er ist sowohl das Ende einer Geschichte sowie der Anfang einer Neuen und dabei bleibt es immer dieselbe.

~~~
 

|out of place

Eine Frage des Vertrauens
 

PROLOG|
 

Kai Hiwatari ging mit langsamen Schritten durch die inzwischen doch recht dunklen Gassen eines ihm unbekannten Viertels der russischen Hauptstadt. Obwohl es noch sehr früh am Abend war, sank die Sonne bereits wie ein glutroter Ball hinter die Dächer der umstehenden Häuser. Der Schnee, der die Landschaft außerhalb Moskaus wie in einen weißen Mantel hüllte, war hier auf einige matschige, graubraune Häufchen am Straßenrand zusammengeschrumpft und bot eher einen erbärmlichen Anblick.

Kai sah sich um und musste zu seinem Missvergnügen feststellen, dass, erstens, alle Häuser um ihn herum irgendwie gleich aussahen und er, zweitens, nicht die geringste Ahnung hatte wohin er ging und wie er jemals wieder zu dem Hotel zurückfinden sollte, in welchem die Bladebreakers während den Weltmeisterschaften ihr Quartier bezogen hatten. Diese gewisse Unsicherheit brachte ihn jedoch nicht dazu stehen zu bleiben, denn seine Füße schienen, im Gegenteil zu ihm selbst, ganz genau zu wissen, wohin sie ihn trugen und er war um ehrlich zu sein neugierig darauf es zu erfahren. Die Gegend kam ihm auch entfernt bekannt vor, was allerdings entweder daran liegen musste, dass sie Gestern hier vorbei gekommen waren, oder, dass er diese Häuser einmal im Fernsehen, in irgendwelchen Prospekten oder auf Postkarten gesehen hatte, denn er war niemals zuvor in Moskau gewesen. Natürlich, er kannte die russische Hauptstadt aus den Erzählungen seines Großvaters, der hier öfter einmal geschäftlich zu tun hatte, allerdings waren diese niemals besonders blumig oder interessant, denn meistens erzählte er von seinen Geschäften und mit welchen Idioten er arbeiten musste. Um ehrlich zu sein hatte Kai ihm niemals zugehört sobald Voltaire Hiwatari mit diesem Thema begonnen hatte.
 

Die Straße war still und verlassen. Wahrscheinlich sah keine Menschenseele ein, warum sie sich bei diesen Temperaturen und der anbrechenden Dunkelheit aus der warmen, gemütlichen Wohnung begeben sollte. Kai war es nur recht. Er hatte gerne seine Ruhe und war nicht gerade erpicht darauf anderen Menschen zu begegnen.
 

Plötzlich hörte er Schritte. Keine schnellen oder hastigen Schritte, eher gemächlich. Die Schritte eines anderen abendlichen Spaziergängers. Kai verlangsamte automatisch seine eigenen und sah sich unauffällig um. Ein Stück vor ihm mündete eine Seitengasse in die Seine ein und aus eben dieser Gasse trat nun eine Gestalt hervor. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Kai einen Jungen ungefähr in seinem Alter, von seiner Größe und seiner Statur. Der Junge hatte feuerrotes Haar und, soweit Kai bei dem schwachen Licht erkennen konnte, eisblaue Augen. Er trug einen langen Mantel gegen die Kälte. Als der Rothaarige Kai entdeckte, blieb er beinahe abrupt stehen und starrte ihn unverwandt an. Kai konnte nicht viel in diesem Blick erkennen, war jedoch überrascht eine Spur Überraschung zu entdecken, die sich schnell in Wut verwandelte, bis der Ausdruck gänzlich verschwand. Nach kurzem Zögern beschloss Kai den Anderen einfach zu ignoriere und ging an ihm vorbei ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen oder seine Schritte zu verlangsamen noch zu beschleunigen. Als er den Rothaarigen bereits passiert und ihm den Rücken zugewandt hatte, vernahm er mit einem Mal dessen Stimme.
 

„Es ist also wahr“, sagte er auf Russisch. „Du bist wieder da.“
 

Kai blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um. Entweder der Junge verwechselte ihn oder er wollte ihn schlichtweg ärgern. Egal was es war, Kai hatte keine Lust darauf und war versucht einfach weiterzugehen, doch etwas hielt ihn zurück. Er verspürte ein Gefühl der Vertrautheit, das genauer zu definieren er nicht vermochte und dennoch, wenn er versuchte es zu erfassen, dann entwand es sich spielend seinem Griff und verschwand.

Langsam wandte er sich um.
 

„Wer bist du?“ fragte er in dem gelangweilten, desinteressierten Ton, der seinen Teamkollegen Tyson regelmäßig auf die Palme brachte.
 

Der Andere hob lediglich eine Augenbraue und zeigte sich wenig beeindruckt. Im Gegenteil, er wirkte beinahe irritiert.
 

Dann, plötzlich, verzogen sich die Lippen des Rothaarigen zu einem schmalen leicht gequälten Grinsen.

„Findest du das witzig?“

EINS

EINS|
 

ein Jahr später…

Der Tag war grau. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und Regentropfen trommelten in einem unregelmäßigen Rhythmus auf die Pflastersteine. Die Gebäude, die wenigen Menschen mit Regenschirmen und die Autos verschwammen hinter den grauen Schleiern zu vagen Schemen.
 

Kai stieg als Letzter aus dem Zug. Er hatte es noch nie besonders gemochte von anderen Menschen angerempelt zu werden und genau das taten sie, wenn es darum ging ein öffentliches Transportmittel zu verlassen. Sie quetschten sich durch die schmalen Türen, als gäbe es kein Morgen. Absurd, aber man gewöhnte sich daran.
 

Er schulterte seine Reisetasche und ging dann mit raschen Schritten auf das beigefarbene Bahnhofsgebäude mit den großen gewölbten Fenstern zu. Im Gegensatz zu den anderen Reisenden störte ihn der Regen relativ wenig, aber selbst er war nicht besonders scharf darauf sich eine Erkältung einzufangen. Er zog sich seine Kapuze über den Kopf. Das musste vorerst reichen. Er betrat das Gebäude nicht, sondern ging in einem Bogen darum herum. Auf dem Platz vor dem Bahnhof zwängten sich japanische Gebrauchtwagen zwischen Marschrutki und klapprige Bussen. Kai erkundigte sich nach einem Bus, der zum Fährhafen fuhr und ließ sich kurz darauf in einen mit braunem Stoff überzogenen Sitz sinken.
 

Kai zog sich die Kapuze vom Kopf und strich einige trotzdem nass gewordenen Strähnen aus seiner Stirn. Er stellte seine Tasche auf dem Platz neben ihm ab und öffnete dann eine kleine Seitentasche um wenige Sekunden später einen ein wenig ramponierten Briefumschlag hervorzuziehen. Zum hundertsten Mal in den vergangenen sieben Tagen, die er auf der transsibirischen Eisenbahn verbracht hatte, entfaltete er das Stück Papier und überflog die Zeilen ein weiteres Mal.
 

Sehr geehrte Mr. Hiwatari,

wir möchten Sie gerne zu unserer japanischen Beyblade Woche vom x.x. bis zum x.x.xxxx nach Tokyo einladen. Das Programm beinhaltet vor allem öffentliche Wettbewerbe für Amateurbeyblader, die bei den professionellen internationalen Teams auf sich aufmerksam machen wollen. Weiterhin werden die Regeln für die kommenden Weltmeisterschaften sowie das Einschreibedatum bekannt gegeben. Es werden unter anderem die verschiedenen Beyblader weltweit vorgestellt und verschiedene technische Neuheiten präsentiert. Für ihre Unterkunft und ihre Anreise kommen wir gerne auf. Wir würden uns über Ihr Kommen sehr freuen und bitten um eine baldige Rückmeldung.
 

gez. Stanley Dickenson; Vorsitzender der BeyBlading Association
 

Bis dahin war der Brief an sich in Ordnung. Kai hatte ihn in jenem Postfach gefunden, dass er auf Wunsch (eher Drängen) von Mr. Dickenson unter einem falschen Namen in Moskau führte. Kai ging nicht oft dorthin um zu sehen ob es eine Nachricht gab. Außer Mr. Dickenson kannte es niemand und der hatte an sich keinen Grund Kai zu schreiben. Es diente lediglich als Möglichkeit zur Kontaktaufnahme in Notfällen und Ähnlichem, weil Kai ihm damals vor einem Jahr nicht hatte sagen wollen wohin er ging. Das hatte allerdings vor allem daran gelegen, dass er damals selbst noch keine Ahnung gehabt hatte, was er in Zukunft tun wollte, aber das wiederum hatte Mr. Dickenson nicht zu wissen brauchen. Er hätte sich nur unnötig eingemischt und Kai hatte genug Einmischung in sein Leben gehabt.
 

Tatsache war, dass Mr. Dickenson ihm anfangs tatsächlich Briefe geschickt hatte, in denen er von dem Befinden und Tun und Lassen der Bladebreakers schrieb und wie sehr sie ihn doch vermissen würden und Fragen nach seinem Befinden und seiner Adresse stellte. Kai hatte nie einen dieser Briefe beantwortet, was wohl auch der Grund dafür gewesen war, dass er das Postfach bald nur noch leer vorgefunden hatte, zumindest bis vor zwei Wochen.
 

Eigentlich hatte Kai vorgehabt die Einladung einfach ignoriert. Er hatte kein Interesse daran sich in der Öffentlichkeit zu zeigen während Boris und sein Großvater noch immer nach ihm suchten. Ganz im Gegenteil. Nicht umsonst hatte er das letzte Jahr in einer kleinen Stadt außerhalb von Moskav verbracht. Eine kleine Stadt wohl, aber nicht klein genug um als Neuankömmling aufzufallen, nicht groß genug um erkannt zu werden und weit genug von Moskav entfernt um nicht als das erkannt zu werden was er war.
 

Es war die Notiz unter dem eigentlichen Brief gewesen, die ihn dazu gebracht hatte doch zu gehen. Eine handgeschriebene Notiz auf Russisch und Kai bezweifelte stark, dass diese krakelige Schrift Mr. Dickenson gehörte. Im Gegenteil, er wusste ganz genau wessen Schrift es war.
 

Tebe bi luchshe pojavit'sja, tvoi druz'ja skazut tebe za eto spasibo.
 

Du tauchst besser auf, deine Freunde werden es dir danken.
 

Kai war nichts sicher, wer diese Notiz geschrieben hatte und vor allem, wie derjenige an den Brief gekommen war, doch er würde es wohl oder übel bald herausfinden.
 

Er hasste es auf Drohungen eingehen zu müssen und tat es so selten wie eben möglich. Deshalb hatte er beschlossen nicht mit dem Flugzeug zu fliegen. Keiner würde von ihm erwarten den Zug zu nehmen. Wenn sie am Flughafen auf ihn warten sollten, dann konnten sie warten bis sie schwarz wurden. Wenn er schon ihr Spiel spielen musste, dann wenigstens nach seinen eigenen Regeln.
 

Die Fähre nach Yokohama fuhr gegen Mittag, es blieben ihm also noch ein paar Stunden Zeit um seine weitere Vorgehensweise zu planen. Aber was gab es schon zu planen? Er hatte auf der Zugfahrt genug Zeit gehabt um seine Situation zu überdenken und war zu dem Schluss gekommen, dass ihm keine andere Wahl blieb als nach Tokyo zu gehen und zu sehen was auf ihn zukam.
 

Kai schob den Brief zurück in den Umschlag und verstaute ihn dann wieder in seiner Tasche. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück, während der Bus langsam losrollte. Kai ließ seinen Blick über das verregnete Hafenanlage Vladivostoks schweifen, die sich beinahe über die ganze Küste hinweg zog. Einfache Güterschiffe ankerten zwischen kleineren Fischerbooten und umso größeren Kriegsschiffen, während Regentropfen dumpf gegen die Fensterscheibe prasselten.

ZWEI

Ich mag keine Übergangskapitel, zumindest nicht die die notwendig sind und ich habe immer das Gefühl sie wirken gezwungen. Na ja...
 


 

ZWEI|
 

„Hey, Tyson!“ rief Max laut als Tyson plötzlich losrannte. „Tyson, warte auf mich!“ Er beeilte sich seinen Freund einzuholen, was ihm aufgrund dessen eher bescheidener körperlicher Fitness recht leicht gelang.
 

Tyson blieb stehen und stütze sich mit den Händen an seinen Knien ab. Ein breites Grinsen erstreckte sich von einer Seite seines Gesichtes zur anderen, als er sich zu Max umwandte. „Dann beeil dich lieber!“
 

„Haha.“ Max ging lachend an ihm vorbei und klopfte ihm währenddessen auf die Schulter. „Von wegen beeilen. Ich glaube es wird Zeit, dass du wieder mit dem Training anfängst.“
 

„Von wegen Training.“ murrte Tyson, während er sich wieder aufrichtete und neben seinem Freund herging. „Ich bin Weltmeister, ich brauche kein Training.“ Max grinste nur bei diesen Worten. Es waren dieselben, die er sich das gesamte letzte Jahr hatte anhören müssen, aber es störte ihn nicht. Er kannte seinen Freund und wusste, dass wenn es hart auf hart kam Tyson in Topform sein würde. Trotzdem wollte er sich diese Gelegenheit den blauhaarigen Japaner zu sticheln nicht ganz entgehen lassen.
 

„Ich glaube ich kenne da ein paar Leute, die da nicht ganz deiner Meinung sind!“ erwiderte er noch immer breit grinsend, doch Tyson starrte ihn nur einen Moment lang an, bevor seine Augen zu funkeln begannen.
 

„Ich kann es gar nicht erwarten sie alle wieder zu sehen!“ rief er laut. „Lee und Robert und Michael und Gary und Emily und Oliver und Ray und-…“
 

„…-und Tala und Bryan und Spencer.“ fügte Max hinzu. Tyson verzog nur das Gesicht.
 

„Nah, du glaubst doch nicht im Ernst, dass die auch kommen.“ Er streckte die Zunge heraus und wedelte abwehrend mit der Hand. „Die machen doch eh nur Ärger!“ Das Grinsen auf Max’ Lippen wurde nur noch breiter.
 

„In der Einladung stand ‚alle professionellen internationalen Teams’“, erwiderte er Schulter zuckend. „Die Demolition Boys gehören nun mal dazu.“
 

„Jah, schon“, meinte Tyson daraufhin. „aber vielleicht gibt es sie ja auch gar nicht mehr, nachdem wir sie letztes Jahr so vernichtend geschlagen haben!“
 

„Wir haben sie nicht vernichtend geschlagen.“ erwiderte Max und schlug Tyson mit der Hand auf die Schulter. „Hast du Rays Match gegen Bryan vergessen? Oder wie Kai gegen Spencer verloren hat?“
 

„Kai!“ rief Tyson und rannte erneut los. „Wir werden Kai sehen! Ich muss ihn unbedingt zu einem Match herausfordern!“ Max schüttelte grinsend den Kopf und beeilte sich dann Tyson nicht aus den Augen zu verlieren.
 

Der Weg vom Dojo hin zum offiziellen BBA-Trainingscenter war nicht besonders weit und führte durch eine mittelgroße Parkanlage an deren Ende das Center lag. Es war ein warmer Sonntag im April und so waren recht viele Menschen auf den teilweise verschlungenen Wegen des Parks unterwegs, lagen auf den Wiesen oder picknickten unter den frühlingsgrünen Blätterdächern der Bäume.
 

Um die kleinen aus Beton gegossenen Stadien standen johlende und jubelnde Kinder und Jugendlich mit ihren Beyblades versammelt. An den Bäumen rund herum hingen Plakate, die zu den Wettbewerben und Veranstaltungen der japanischen Beyblade Woche einluden. Die offizielle Eröffnung würde erst am folgenden Tag stattfinden, doch heute gab es einen kleinen Empfang für die internationalen Beyblader, Manager und ein paar der BBA-Mitarbeiter.
 

Der Empfang fand in einem der Säle des Hotels statt, in das man die ausländischen Gäste einquartiert hatte. Es lag beinahe direkt neben dem Trainingscenter, so dass die Beyblader während ihres Aufenthalts die Möglichkeit hatten ihr Training fortzusetzen.
 

Als Tyson und Max den Raum betraten war dieser bereits gut gefüllt. Einen Großteil des Platzes nahm eine große, hufeisenförmige Tafel ein, so dass den Gästen nur am Rande und in der Mitte Platz blieb sich in kleinen Grüppchen zu unterhalten. Der Empfang sollte eine gemeinsames Abendessen beinhalten, als Zeichen der Gemeinschaft vielleicht, oder so. Tyson hatte sich nicht wirklich Gedanken um die Bedeutung gemacht. Alle würden da sein und es gab etwas zu essen. Er freute sich schon seit Wochen auf diesen Tag.
 

Während Tyson seinen Blick auf der Suche nach bekannten Gesichtern über die vielen Menschen schweifen ließ, legte ihm jemand von hinten den Arm um den Hals.
 

„Na, wieder einmal verschlafen, Tyson?“
 

Tyson wirbelte herum und seine Augen weiteten sich, als er die Person ihm gegenüber erkannte.
 

„Ray!“
 

~::~
 

„Hilf mir.“ sagte Tala auf Russisch und lehnte sich zurück gegen die Lehne seines Stuhls um mit Bryan, der neben ihm saß, auf gleicher Höhe zu sein. Seine Stimme klang gelangweilt und seine kalten, blauen Augen folgten mit skeptischem Blick Tyson, der inzwischen auch noch Michael von den All Starz entdeckt und ihn offensichtlich als sein nächstes Opfer auserkoren hatte. „Warum bin ich hier?“
 

Bryan verschränkte die Arme vor der Brust und öffnete die Augen um zu sehen was genau Tala dazu gebracht hatte etwas derartiges zu sagen. Michael hatte es nicht geschafft die Gefahr rechtzeitig zu erkennen und versuchte inzwischen sein Gesicht soweit wie eben möglich von dem Tysons fern zu halten. Der blauhaarige Japaner hatte sich dem Amerikaner vor lauter Wiedersehensfreude um den Hals geworfen.

„Die Regeln der nächsten Weltmeisterschaften.“ antwortete Bryan schlicht.
 

„Nein“, erwiderte Tala ohne den Blick von der ihm nun doch sehr suspekten Szene abzuwenden. Er war ehrlich froh, dass Tyson ihn und sein Team noch nicht entdeckt hatte, auch wenn dieses Aufeinandertreffen wohl alles andere als ebenso herzlich ausfallen würde. Talas Bedauern darüber hielt sich sehr in Granzen, sprich es war praktisch nicht vorhanden, selbst wenn Tyson es niemals schaffen würde ihn so zu überraschen, wie es ihm bei Michael gelungen war, schon gar nicht, wenn er so viel Lärm machte wie eine ganze Elefantenherde. „Ich meine jetzt gerade.“
 

„Hm“, machte der silberhaarige Russe und hob eine Augenbraue als Michael Tyson einen Schlag versetzte um ihn loszuwerden. Tyson stolperte einen Schritt zurück und verzog beleidigt das Gesicht, worauf alle Umstehenden zu lachen begannen. „Spencer hielt es für eine gute Idee.“ fügte Bryan hinzu und schloss seine Augen wieder.
 

„Und seit wann höre ich auf das was Spencer sagt?“ Es war offensichtlich eine rhetorische Frage und so wartete Tala gar nicht erst auf eine Antwort. Stattdessen wandte er seinen Blick schließlich doch von dem lächerlichen Szenario ab und ließ ihn weiter über die vielen Menschen wandern.
 

„Suchst du jemanden bestimmten?“ fragte Bryan nach einer Weile.
 

„Hh?“ Tala hob eine Augenbraue und warf seinem Teamkollegen einen mehr oder weniger fragenden Blick zu. Bryan zuckte nur die Schultern.
 

„Seit wir hier sind schaust du dich andauernd um.“ erwiderte er schlicht. Tala zog die Brauen zusammen, zuckte dann aber ebenfalls die Schultern und ließ seinen Blick wieder durch den Raum gleiten.
 

„Unsinn.“
 

Es dauerte nicht lange bis Tyson erneut Talas Aufmerksamkeit auf sich zog. Der blauhaarige Japaner hatte inzwischen sowohl die White Tiger, die Majestics als auch die All Starz um sich gescharrt.
 

„Hey“, rief er plötzlich und sah sich dann suchend um, als wäre ihm gerade erst der Gedanke gekommen, dass etwas fehlte, oder besser jemand. „Hat einer von euch Kai gesehen?“
 

Tala verzog die Lippen zu einem beinahe kryptischen Grinsen, als sich die Gesichter der umstehenden Beyblader – ausgenommen die Bladebreaker natürlich – beinahe synchron verdüsterten. Oh ja, Kai hatte sich wirklich viele Freunde gemacht, aber dieses Talent hatte er schon immer besessen.
 

Tyson schaute fragend in die Runde und bemerkte dabei nicht die finsteren Gesichter seiner Freunde. Wenn Tala ihre Gedanken hätte lesen müssen, würde er sagen, dass es sie einen feuchten Kehricht scherte wo Kai war und ob er auftauchte oder nicht. Wahrscheinlich war es ihnen sogar lieber, wenn er nicht kam.
 

Lediglich Ray schüttelte den Kopf, nachdem er sich noch einmal im Saal umgesehen hatte. „Nein, ich glaube er ist noch nicht da.“ antwortete er schließlich. „Um ehrlich zu sein habe ich das ganze letzte Jahr nichts von ihm gehört.“
 

„Kein Wunder“, bemerkte Max lachend. „Du warst ja auch das ganze Jahr in China.“ Wenn es einen Menschen gab, der Tala absolut suspekt war – abgesehen von Tyson, der seiner Meinung nach nur durch schieres Glück noch am Leben war –, dann Max Tate. Ganz im ernst, wie konnte ein Mensch permanent lachen ohne dass man ihm die Mundwinkel an die Ohren geklebt hatte?
 

„Stimmt.“ erwiderte Ray grinsend. „Und, hat er euch bis zum Umfallen trainieren lassen?“ Max Gesicht wurde mit einem Mal nachdenklich, auch wenn Tala das für unmöglich hielt.
 

„Hey, jetzt wo du es sagst“, antwortete Tyson an seiner statt. „Er hat sich überhaupt nicht gemeldet.“ Max nickte.
 

„Ja, komisch, oder?“ fügte er hinzu. „Er ist immer so ruhig, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass er nicht da war. Wir haben ihn ansonsten doch auch nur zum Training gesehen und weil keine Turniere anstanden mussten wir auch nicht trainieren.“
 

Tala blendete die Stimmen aus und wandte den Blick ab. Oh ja, so viele Freunde.
 

Ein lautes Räuspern erfüllte den Raum und sämtliche Gespräche verstummten beinahe augenblicklich. Die Anwesenden wandten sich ausnahmslos dem kleinen, etwas fülligen Mann zu, der am Kopfende der Tafel stand.
 

„Ah, meine lieben Freunde, ich will euch nicht lange aufhalten, denn ich weiß, dass einige von euch sich viel zu erzählen haben und davon abgesehen wird es noch ein fantastisches Menü geben, doch ich wollte euch zumindest sagen, dass ich mich freue euch alle hier heute Abend zu sehen und ich hoffe, dass wir eine wunderbare Woche miteinander verbringen werden.“ Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Mr. Dickensons Lippen aus. „Ich wünsche euch allen einen schönen Abend.“ Damit setzte er sich zurück auf seinen Platz während um ihn herum laut Beifall geklatscht wurde.
 

Tala unterdrückte ein Gähnen. Es war ein Fehler gewesen hierher zu kommen. Er hätte seine Zeit so viel sinnvoller nutzen können, aber dazu war es nun zu spät. Er konnte schlecht einfach den Raum verlassen. Wobei, viel schlechter konnte sein Ruf an sich gar nicht mehr werden. Ein paar böse Blicke und einige herablassenden Worte mehr oder weniger machten sowieso keinen Unterschied mehr aus. Einen Augenblick lang wog Tala diese Möglichkeit tatsächlich ab, bis er den Gedanken schließlich beiseite schob.
 

Wenn er jetzt einfach ging, würde Spencer ihm später deswegen in den Ohren liegen und es gab Dinge, die es nicht wert waren sich dafür Spencers lächerlicher Argumentation auszusetzen. Zumal der Blonde meistens auch noch Recht hatte. Wenn er allerdings dablieb, wäre somit sein ganzes Team, das momentan lediglich aus ihm, Bryan und Spencer bestand, gezwungen zu bleiben und dann konnte er sich später anhören wie Bryan Spencer in den Ohren lag. Das wiederum war die Langeweile beinahe wert, denn Bryans nicht immer unbedingt nachvollziehbare, aber immerhin zynische Sticheleien waren zumindest auf kurze Dauer amüsant. Das Grinsen kehrte zurück auf Talas Lippen, war aber beinahe ebenso schnell wieder verschwunden.
 

„Hey, das ist doch Tala!“
 

Nein. Nichts war es wert. Lieber ein paar böse Blicke und Worte mehr als ein anstrengendes, Nerven raubendes, ohrenbetäubendes Zusammentreffen mit den Permanentoptimisten schon an seinem ersten Tag in Tokyo. Tala gab Bryan ein lautloses Zeichen und beide waren aus dem Raum verschwunden noch ehe Tyson und sein Gefolge den Tisch erreichen konnten. Es handelte sich um einen der wenigen Augenblicke in Talas Leben, in denen er wirklich froh über seine vielseitige Ausbildung in der Abtei war.
 

„Ich hätte schwören können, dass ich ihn eben hier gesehen habe…“

DREI

DREI|
 

Kai war der Letzte, der übrig geblieben war. Die meisten Beyblader hatten die riesige Trainingshalle bereits vor einer Stunde verlassen, als es Zeit zum Abendessen geworden war. Die Letzten waren vor knapp eineinhalb Stunden gegangen. Seit dem war Kai alleine. Endlich hatte er genügen Ruhe gefunden um sich voll und ganz auf sein Training zu konzentrieren.
 

Als die Halle noch voller jugendlicher Beyblader gewesen war, hatte ein solches Chaos geherrscht, dass Kai beschlossen hatte erst damit zu beginnen, nachdem die meisten verschwunden waren. Die Jugendlichen hatten ihren Bekannten vom einen Ende der Halle zum anderen zugebrüllt, lautstark ihre Beyblades angefeuert und einige Kapitäne oder Trainer hatten schreien müssen um ihrem Team über das Getöse hinweg Anweisungen zu geben. Es fiel Kai schwer nachzuvollziehen, wie man hier überhaupt ein anständiges Training abhalten konnte. Wäre er noch für das Training der Bladebreaker verantwortlich gewesen, so hätte er sich mit seinem Team einen ruhigeren Ort außerhalb der Halle gesucht, schon alleine weil er nicht gewollt hätte, dass irgendwer die Möglichkeit bekäme ihre Taktiken zu studieren. Aber er war nicht mehr verantwortlich dafür.
 

Als Kai am frühen Abend in dem Hotel angekommen war, dass man in seiner Einladung angegeben hatte, hatte der Empfang bereits begonnen. Er hatte keine Lust gehabt während einer von Dickensons schwungvollen Reden in den Saal zu platzen und so die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zu ziehen, also war er erst gar nicht hingegangen. Stattdessen hatte er beschlossen die Trainingseinrichtung zu inspizieren. Die Halle war jedoch voller Amateurbeyblader gewesen, da sie natürlich für alle BBA-Mitglieder zur Verfügung stand.
 

Nun, da es dunkel geworden war, herrschte eine angenehme Stille und das einzige Geräusch war das leise Sirren Dranzers, der in einer Bowl auf der Stelle kreiselte. Kai hielt die Augen geschlossen. Er brauchte nicht zu sehen, solange es keinen Gegner gab, den es zu beobachten galt. Er spürte was er tat und wenn er nicht von seiner Umgebung abgelenkt wurde, war seine mentale Verbindung zu Dranzer fiel besser und klarer.
 

Er begann das Training mit einfachen Übungen. Er ließ Dranzer einigen Runden am äußeren Rand des Stadions drehen, ohne dabei die Geschwindigkeit zu steigern oder zu verringern. Danach setzte er zu einigen Basisübungen an, die die Grundlage für einige, komplizierter Ausweichtechniken bildeten. Kai wusste, dass Dranzer alles andere als schwach war, es jedoch einige Bitbeasts gab, die dem Phönix in Sachen Angriffskraft überragten, also setzte er im Kampf vor allem auf Schnelligkeit, Zielgenauigkeit und die natürliche Zähigkeit eines zumindest theoretisch unsterblichen Vogels.
 

Kai hatte eben beschlossen von den einfachen Übungen zu einigen anspruchsvolleren überzugehen, als das Geräusch mehrere Schritte und Stimmen an sein Ohr drangen und ihn zwangen die Augen zu öffnen
 

Die Halle, in der Kai trainierte, war für alle Beyblader geöffnet, die am Wettbewerb teilnahmen. Normalerweise schloss sie um 9 Uhr, zumindest ging dann das Personal nach Hause, die technischen Geräte, die zur freien Verfügung standen, wurden ausgeschalten und die Datenbank heruntergefahren. Einzig und allein die großen Hallen in den beiden Kellergeschossen und die Aufenthaltsräume der Teams mit den Spinds waren dann noch für die Beyblader, die eine Schlüsselkarte besaßen, zugänglich.
 

Kai war überrascht, dass zu so später Stunde noch ein Team zum Training kam. Aber eigentlich egal, so lange sie ihn nicht störten. Er konzentrierte sich wieder auf Dranzer und versuchte die umliegenden Geräusche so gut es ging auszublenden. Die Schritte verstummten, aber nur weil die beiden Beyblader, denen sie wohl gehörten, stehen blieben.
 

„Siehst du!“ meinte eine der Stimmen triumphierend auf Russisch. „Sobald es Zeit fürs Bett wird, sind alle Kinder plötzlich verschwunden.“
 

Kai sah überrascht auf, nicht nur, weil er lange niemanden mehr in seiner Muttersprache hatte reden hören, sondern vor allem, weil ihm die Stimme durchaus bekannt vorkam. Er hatte nicht gewusst, dass sie an diesem Wettbewerb teilnehmen würden.
 

„Was du nicht sagst, Spencer“, widersprach eine andere, ruhigere und tiefere Stimme. „Da drüben ist noch einer.“
 

„Na und“, erwiderte Spencer höhnisch. „Hast du etwa Angst vor dem, Bryan? Wenn das so ist, können wir ja auch einfach wieder gehen“
 

Als Antwort kam nur ein wortloses Knurren. Dann entstand eine kurze Pause. Kai konnte förmlich spüren, wie ihn die Blicke der beiden Russen musterten.
 

Spencer fluchte leise, als er schließlich erkannt hatte, wen er da vor sich hatte, und setzte sich erneut in Bewegung. Dieses Mal ging er direkt auf Kai zu. „Sieh an, wenn haben wir den da? Den Verräter.“
 

Er blieb einige Meter hinter Kai stehe, der ihn entweder überhört hatte oder, was eher anzunehmen war, ihn vollkommen ignorierte.
 

Kai wartete einen Augenblick ab, dann ließ er Dranzer in seine Hand zurückspringen, bevor er sich betont langsam zu Spencer umdrehte. Der blonde Russe war deutlich gewachsen. Er war früher schon größer gewesen als Kai, doch inzwischen überragte er ihn beinahe um einen Kopf. Kais Augen trafen ausdruckslos auf die Seine.
 

Kai sah Spencer mit einer hochgezogenen Augenbraue auffordernd an. Ein für Kai typischer Was-willst-du-Blick, der niemals zeigte, was er dachte und den Spencer allzu gut kannte und ihn nur allzu oft ärgerte.
 

Bevor Spencer etwas sagen konnte, betrat eine weitere Person den Raum. Kai konnte nicht sehen, um wen es sich dabei handelte, denn Spencer versperrte im den Blick auf den Eingang.
 

„Was macht Spencer da drüben?“ fragte die dritte Person, ebenfalls auf Russisch, an Bryan gewandt. Kai erkannte die Stimme auf Anhieb, ebenso wie die Spencers und Bryans zuvor.

„Hey, Spencer, komm her, ich hab keine Lust die ganze Nacht hier zu stehen!“
 

„Ähm, Tala, da ist noch jemand.“ versuchte Bryan die Situation zu erklären.
 

Tala jedoch hob lediglich eine Augenbraue und sah seinen Teamkollegen irritiert an.

„Und?“ hakte er nach. „Was hat das mit unserem Training zu tun? Habt ihr Angst, oder was?“
 

Bryan verbiss sich eine patzige Antwort.

„Es ist Kai.“
 

Für einen Fremden, also für jeden Menschen, der Tala nicht mindestens zehn Jahre lang kannte, sah es aus, als würde der Blick in seinen Augen sich überhaupt nicht verändern. Für den geschulten Blick jedoch zeigte sich zunächst Erstaunen, dann eine Spur Zorn und schließlich eine Kälte, noch eisiger als üblich, in den azurblauen Augen.
 

„Was du nicht sagst.“ murmelte Tala und ging ohne Bryan weiter zu beachten an ihm vorbei zu Spencer hinüber. Sein stechender Blick war auf Kai geheftet.
 

Spencer machte einen Schritt zur Seite und so hatte Kai nun freien Blick auf Tala. Der rothaarige Russe kam direkt auf ihn zu.
 

Kai verschränkte die Arme vor der Brust und schloss seine Augen. Er wartete, bis Talas Schritte etwas zwei Meter vor ihm verstummten, dann öffnete er sie wieder.
 

Tala sah ihn schweigend an. Es gab keine Begrüßung, nicht einmal ein knappes Nicken, als Zeichen, dass seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen wurde. Es war egal. Talas scheinbar ungerührter, kalter Blick erzählte Kai, so klischeehaft und kitschig es auch klingen mochte, mehr als tausend Worte. Er erzählt eine Geschichte…
 

Spencers Blick wanderte zu Tala hinüber, dann zurück zu Kai und schließlich wieder zu Tala. Die beiden waren ungefähr gleich groß und so musste keiner von ihnen zum anderen aufblicken, als sie sich eine halbe Ewigkeit lang wortlos und regungslos in die Augen starrten. Es war beinahe, als fochten sie einen Kampf aus wo eisblau auf feuerrot traf.
 

Auch Bryan war inzwischen herübergekommen und jedoch einige Schritte hinter seinem Teamleader stehen geblieben. Spencer warf ihm einen fragenden Blick zu, den Bryan jedoch nur mit einem Schulterzucken beantworten konnte.
 

Schließlich brach Tala das Schweigen.

„Lange nicht gesehen, Kai.“ Seine Stimme klang ungerührt kalt und ließ nicht verlauten, was er dachte, doch Kai konnte es sich ohnehin denken. Er wusste, was Tala von ihm hielt, obgleich es der andere ihm niemals deutlich ins Gesicht gesagt hatte. Noch nicht. Sein Blick und sein Verhalten, die Weise wie er sprach, erzählten so viel mehr.
 

„Yeah, lass mich nachdenken.“ schaltete sich nun auch Spencer wieder ein, der nur darauf gewartete hatte, dass sein Teamleader etwas sagen würde. Aus seiner Stimme war deutlich Spott zu hören. „Wie lange ist es her, Bryan?“
 

Bryans Augen blitzten feindselig, als seine Augen sich zu Kai wandten.

„Zwei Jahre.“ knurrte der silberhaarige Russe.
 

„Ja, die Weltmeisterschaften, wie konnte ich das nur vergessen?“ fuhr Spencer in demselben spöttischen Ton fort. „Sag Kai, für welches Team trittst du dieses Jahr an? Vielleicht für die White Tiger? Ah nein, die mögen dich nicht besonders. Für die All Starz?“
 

„Nein.“ antwortete Bryan anstelle von Kai, an den die Frage eigentlich gestellt war. „Die möge ihn auch nicht.“
 

Kai blieb ungerührt. Er kannte Spencer und Bryan zu gut. Sie sagten die Wahrheit, aber sie wollten ihn nur dazu bringen irgendetwas zu sagen oder eine Reaktion zu zeigen. Diesen Gefallen würde er ihnen jedoch nicht tun. Er schwieg.
 

„Weißt du, eigentlich könntest du ja bei uns mitmachen“, fuhr Spencer fort. „Aber leider, können wir dich auch nicht leiden. Aber dein kleiner Freund Tyson hat dir bestimmt schon vergeben, allerdings hat er auch gar keine andere Wahl. Hab gehört ihm laufen die Leute weg.“ Ein selbstgefälliges Grinsen legte sich auf seine Lippen, während er sprach.
 

Tala hatte sich währenddessen nicht gerührt, sein Blick haftete unverändert auf dem Kais. Er zeigte keine Reaktion, schien aber darauf zu warten, dass Kai etwas Derartiges tat.
 

„War das Alles?“ wollte Kai schließlich gelangweilt wissen. Er hatte Besseres zu tun. Ohne eine Antwort abzuwarten ging er an den drei Russen vorbei auf den Ausgang der Halle zu. Seine Nackenhärchen stellten sich auf, wie immer, wenn ihn jemand ansah. Er spürte, wie sich ein scharfer Blick in seinen Rücken bohrte. Und es war weder der Spencers noch Bryans.

Kai öffnete die Türe, die auf den Gang hinaus führte.
 

Das letzte, das Kai hörte, war Spencers Stimme, die ihm nachrief.

„K Chortoo, Kai!“ Fahr zur Hölle
 

Kai ignorierte die Worte während er die Empfangshalle betrat. Er blieb ihm keine Zeit, sich über dieses Treffen ernsthaft Gedanken zu machen, denn der Mann, der soeben von draußen hereinkam, zog seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Es war Mr. Dickenson, der schwer atmetet, als wäre er soeben gerannt. Ein strahlendes Lächeln breitete sich unter dem Bart des Mannes aus, als er Kai entdeckte.
 

„Kai, mein Junge!“ rief er überflüssigerweise. „Wie schön dich zu sehen!“ Er ging die letzten Schritte auf den jungen Mann zu und musterte ihn einen Augenblick lang von oben bis unten, bevor er ihm die Hand reichte, die Kai nur widerwillig nahm. Er hatte diese Geste nie gemocht, doch dieser Mann hatte immer versucht ihm zu helfen, auch wenn er dabei nie wirklich etwas verstanden hatte. Kai gab es ungern zu, doch er schuldete dem Direktor der BBA etwas.
 

Mr. Dickenson strahlte über das ganze Gesicht. Er hatte seinen russischen Schützling (der Kai, wie er ehrlich zugeben musste, eigentlich nie wirklich gewesen war) seit zu langer nicht mehr gesehen und in manchen Augenblicken während dem vergangenem Jahr hatte er manchmal ernsthaft befürchtete, dass der junge Mann spurlos verschwunden wäre, oder schlimmeres. Als dann auch keine Antwort auf die Einladung gekommen war, hatte er ehrlich daran gezweifelt Kai jemals wieder zu sehen.
 

„Die Hotelleitung hat mir gesagt, dass du angekommen bist.“ erklärte er schließlich, als er bemerkte, dass er den Russen etwas zu lange angestarrt hatte, was, wie er wusste, Kai überhaupt nicht gefiel. „Du hättest ruhig auf den Empfang kommen können, Tyson und die anderen haben dich schon vermisst.“
 

Kai verzog keine Miene, doch er konnte sich denken, dass sich diese ‚Anderen’ an einer Hand abzählen ließen. Alle anderen hatten ihn nämlich bestimmt nicht vermisst. Im Gegenteil.
 

„Du hättest dich übrigens auch einmal melden können.“ fuhr Dickenson tadelnd fort. „Sie haben sich Sorgen gemacht und sie sind schließlich deine Freunde.“
 

„Freunde, hm?“ wiederholte Kai, seine Stimme neutral und ungerührt.
 

„Oh, ich weiß“, meinte Mr. Dickenson und lachte. „Ich muss dir das nicht sagen, du weißt es ja.“ Kai nickte nicht, stimmte nicht zu. Ihm war nicht danach mit Dickenson ein großes Wiedersehen zu feiern. Er war weder freiwillig hier, noch freute er sich besonders darüber.
 

„Ich benutze dieses Wort nicht mehr.“ erwiderte er schließlich noch immer ungerührt und das Lachen verschwand von den Lippen des alten Mannes. Er sah Kai verständnislos an. „Ich habe etwas erkannt.“ antwortet dieser ungewohnt offen auf die ungestellte Frage, die er sonst so gekonnt ignorierte. Mr. Dickenson nickte wissend. Oh, natürlich er musste ihn ja auch noch provozieren. Als hätte er nicht schon genug davon an diesem Abend gehabt.
 

„Am Baikalsee.“ vermutete der Direktor, doch zu seiner Überraschung schüttelte Kai nur den Kopf.
 

„Viel früher.“ erwiderte der Russe. „Der einzige Freund den ich jemals hatte, ist wegen mir gestorben. Ich brauche keine anderen.“ Mit einer absurden Zufriedenheit, die er natürlich nicht offen zeigte, bemerkte er wie sich der Ausdruck auf Dickensons Gesicht von Überraschung zu Betroffenheit wandelte. Hatte er zuvor ernsthaft behauptete dem Direktor etwas schuldig zu sein? Nun, er würde ihm das zu irgendeinem anderen Zeitpunkt zurückzahlen. Im Augenblick hatte er dafür schlichtweg zu schlechte Laune.
 

Kai nickte Mr. Dickenson knapp zu, bevor er an ihm vorbei zur Eingangstüre ging.
 

„Kai?“ rief ihm der grauhaarige Mann nach, als er fast die beiden Glasflügel sich bereits automatisch geöffnet hatte. Hatte er denn noch immer nicht genug? Musste er unbedingt den führsorglichen Patron heraushängen lassen? Wenn es eines gab, das Kai nicht leiden konnte, so war es Mitleid und davon hatte Mr. Dickenson zu Genüge. Leider.
 

„Hm?“ machte er und drehte sich gegen sein besseres Wissen halb um.
 

„Ich bin sicher er hat dir vergeben.“ erklärte Mr. Dickenson und ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen, während er sich zu dem Jüngeren umwandte. Kais Magen drehte es bei dieser nun deutlich von Mitleid gezeichneten Geste beinahe den Magen um, doch er zog nur fragend die Brauen zusammen.

„Dein Freund, meine ich. Er hat dir bestimmt vergeben.“ Kai hätte am liebsten gelacht, laut gelacht und bitter, wäre ihm nicht mit einem Mal unheimlich schlecht gewesen.
 

„Nein“, antwortete er und verbannte gerade noch so den Zynischen Unterton aus seiner stimme. „hat er nicht. Ich hab ihn eben erst getroffen.“ Damit wandte er sich endgültig ab, trat über die Schwelle und ging davon, während sich die Türe hinter ihm mit einem sanften Zischen wieder schloss.

Mr. Dickenson starrte ihm nachdenklich und überrascht zugleich nach, bis er schließlich zum Empfangstresen hinüberging, an dem noch immer eine Mitarbeiterin der BBA saß.
 

„Entschuldigen sie bitte“, sagte er zu der jungen Frau. „War bis eben noch jemand außer Kai Hiwatari hier im Haus?“
 

„Ja“, antwortete die Schwarzhaarige lächelnd. „Dieses russische Team. Möchten sie hinuntergehen? Ich glaube sie sind in Halle zwei.“

VIER

Erstmal möchte ich bei allen entschuldigen, die auf dieses Kapitel gewarzez haben. Es tut mir wirklich Leid, aber ich musste zunächst einige andere Projekte abschließen. Ich denke, dass es ab jetzt schneller gehen wird, da die nächsten Kapitel eigentlich schon fertig sind und nur noch aufe eine kurze Grammatiküberprüfung warten.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
 

VIER|
 

Die Nachtluft war frisch und angenehm kühl. Ein Dutzend Straßenlaternen beleuchteten den mit groben Steinen gepflasterten Weg zum Hotel hin. Sie standen jedoch soweit auseinander, dass es zwischen den grellgelben Lichtkegeln, die die Neonröhren auf das Pflaster warfen, immer einen breiten Schattenstreifen gab. Man ging also zunächst durch grelles Licht, dann durch einen Schatten, wiederum durch Licht und so weiter. Das leise Rascheln der Blätter an den dürren Ästen der Ahornbäume unterstrich die Stille der Nacht. Dabei war es gar nicht so still. Von der Straße her konnte man das Rauschen der vorbeifahrenden Autos hören, aus dem nahe gelegenen Park hallte ein helles Lachen herüber und irgendwo auf einem Ast saß ein Vogel, der laut in die Dunkelheit hineinrief. Es war diese seltsame Großstadtstille, denn an einem Ort wie diesem wurde es niemals wirklich still und so musste man sich mit dem abgeben, das am ehesten herankam.
 

Kai machte das an sich nichts aus. Er kannte diese Stille inzwischen und hatte sich an sie gewöhnt. Zunächst war sie ihm viel zu laut vorgekommen. So laut, dass er nachts nicht hatte schlafen können. Das war in den ersten Monaten gewesen, die er außerhalb der Abtei verbracht hatte, als er zu seinem Großvater nach Tokio gezogen war. Die Stille in der Abtei war anders gewesen. Stiller, geräuschloser, vollkommen geräuschlos. Ab und zu einmal die dumpfen Schritte eines Wächters, das Schlagen einer Türe oder ein, zwei geflüsterte Worte. Nichts weiter, nur reine, absolute Stille.
 

Kai ging weiter in Richtung des hell beleuchteten Hotels. Er hörte die Schritte noch ehe er die vier Gestalten sah, die auf ihn zu gerannt kamen. Er brauchte sie aber auch gar nicht zu sehen, denn er hatte sie längst erkannt. Er war immer gut darin gewesen sich Klänge und Geräusche zu merken. Er erkannte die meisten Personen, denen er einmal begegnet war, anhand des Klangs ihrer Schritte. Es war ganz einfach.
 

Die lautesten Schritte gehörten unverkennbar Tyson. Sie waren ungleichmäßig, manchmal zu lang, manchmal kürzer, glichen einem schnellen Stampfen und waren nicht zu überhören. Max, der folgte, machte lange, gleichmäßige Schritte. Ray, der mit dem Blonden ungefähr auf gleicher Höhe sein musste, war kaum zu hören. Er war mit einiger Sicherheit der schnellste der Gruppe, hielt sich aber offenbar zurück. Seine Schritte waren leicht, bainahe sanft, katzengleich. Kenny, der mit einigem Abstand folgte, machte kleine Trippelschritte und stolperte einmal. Wahrscheinlich hielt er seinen Laptop im Arm.
 

„Kai!“
 

Oh, Großartig. Wer bisher noch nicht mitbekommen hatte, dass Kai in der Stadt war, wusste es spätestens jetzt. Kai unterdrückt einen Fluch und blieb stehen. Es war ohnehin zu spät für eine Flucht und abgesehen davon hätte es dämlich ausgesehen, wenn er einfach kehrt gemacht hätte und davongelaufen wäre.
 

Seltsam, die Vier auf einem Haufen zu sehen, gewohnt und doch seltsam. Kai wusste, dass sowohl Max als auch Ray das Team verlassen und in ihre Heimmannschaften gewechselt hatten. Max zu den AllStarz und Ray zu den White Tiger. Kai hatte von Anfang an vermutet, dass es eines Tages so kommen würde, nur hatte er gedacht, dass es viel früher geschehen würde. Da war das Pflichtgefühl dem Team gegenüber wohl doch größer gewesen als vermutet.
 

Was ihn überhaupt nicht wunderte war, dass die Vier alleine kamen, ohne Anhang in Form irgendeiner anderen Mannschaft. Wer würde ihn schon begrüßen wollen? Er musste momentan die Hassperson Nummer Eins sein. Sogar noch vor den Demolition Boys, denn die waren immerhin von Anfang an die ‚Bösen’ gewesen und er selbst war nur der Verräter, der die Bitbeasts seiner ‚Freunde’ (die er persönlich nie als Freunde bezeichnet oder auch nur angesehen hatte) gestohlen, sich dem Bösen bedient und dann, als er wieder auf der Seite der ‚Guten’ stand, auch noch sein Match verloren hatte. Man musste ihn einfach verachten und hassen. Nicht, dass es ihn störte. Alle Personen, die ihm entfernt etwas bedeuteten hatte er nun getroffen, alle anderen bedeuteten ihm nichts. Gar nichts. Weder die White Tiger noch die AllStarz.
 

Tala, Mr. Dickenson und Tyson mitsamt Anhang an einem Abend direkt aufeinander folgend war definitiv genug. An der Grenze zum Unerträglichen.
 

„Kai!“
 

Sie hatten ihn schließlich erreicht, alle vier, und waren direkt vor ihm stehen geblieben. Tyson lachte, Max grinste sein breites Dauergrinsen, Ray lächelte schief und Kenny verbarg die untere Hälfte seines Gesichts hinter Dizzy. Ein ganzes Jahr war vergangen und er erkannte auf den ersten Blick, dass keiner von ihnen sich verändert hatte. Überhaupt nicht.
 

„Hey, Kai, du hättest dich ruhig mal melden können!“ wollte Tyson wissen und verzog dabei übertrieben beleidigt das Gesicht. „Man, wo bist du das ganze Jahr gewesen?“
 

Ja, wo war er das ganze Jahr gewesen? Was sollte er ihnen sagen? Oder besser, was wollten sie hören? Nicht die Wahrheit. Natürlich nicht. Die meisten Menschen zogen die Lüge vor. Die Wahrheit war, dass er sich versteckt hatte. Versteckt wie eine Maus in ihrem Loch wenn sie das Fauchen der Katze hört. Das mit dem Loch war gar nicht so einfach gewesen.
 

„Moskau.“ antwortete er schließlich und schob die Hände in die Hosentaschen. Einen Moment lang hatte er sie vor der Brust verschränken wollen, hatte es dann aber bleiben lassen.
 

„Moskau?“ wiederholte Ray überrascht. „Warum denn in Moskau?“ Kais Blick wanderte bedacht langsam zu dem Chinesen hinüber, dessen goldene Augen ihn scheinbar prüfend musterten. Nur scheinbar, denn ihm würde nichts auffallen, er würde nichts erkennen können, nichts prüfen. Kai hingegen las in den goldenen Augen beinahe wie in einem offenen Buch. Während sich die anderen Drei nur darüber wunderten, was ihn den ausgerechnet nach Moskau verschlagen hatte, hatte Ray bereits eine gewisse Ahnung, mit der er wahrscheinlich relativ ins Schwarze traf. Genau deshalb würde er Kai auch nicht die eher vage Antwort auf seine Frage ohne weiteres abkaufen, aber das war egal.
 

Es war egal, Ray brauchte die Antwort nicht zu wissen, genauso wenig wie Tyson, Max oder Kenny. Er brauchte sie nicht zu wissen, auch wenn er in die richtige Richtung vermutete. Vielleicht würden sie ihm nicht einmal glauben, wenn er ihnen die Wahrheit sagen würde. Vielleicht würden sie ihm gar nicht glauben, dass er das letzte Jahr mit einem falschen Ausweis unter einem falschen Namen in einer kleinen Stadt nahe Moskaus gelebt und Büchsen in die Regale eines kleinen Billigsupermarktes einsortiert hatte. Ein Jahr mit unter Makeup verdeckten Dreiecken, dunkler getönten Haaren und ohne ein einziges Mal zu beybladen, ein Wort Japanisch zu sprechen oder auch nur einmal seinen wahren Namen zu nennen. Und das alles nur um sich zu verstecken. Zu verstecken, bis er zumindest volljährig war und man ihn auf keinen Fall mehr dazu zwingen konnte zu seinem Großvater zurückzukehren.
 

Es war eigentlich ganz angenehm gewesen zu leben ohne erkannt zu werden, ohne irgendwelchen Erwartungen gerecht werden zu müssen, ohne dass ständig irgendwer an ihm herumnörgelte, weil er nicht so war, wie es andere gerne hätten. Kurz, er hatte seine Ruhe gehabt und er hatte es genossen. Er hatte nie viel zum Leben gebraucht und sein knappes Gehalt hatte gerade so ausgereicht.
 

„Verwandte besuchen.“ antwortete er schließlich knapp ohne zu blinzeln oder die Augen von denen Rays abzuwenden. Der Chinese glaubte ihm kein Wort, aber das war egal. Völlig egal. „Mein Großvater ist nicht der einzige Mensch, den ich kenne.“ fügte er hinzu, als er die verblüfften Blicke der anderen drei auf sich spürte.
 

Die Einladung und die Nachricht darauf waren ihm gerade recht gekommen. Er hatte es nie gemocht sich verstecken zu müssen und er hatte immer gewusste, dass er dieses Leben nicht für immer leben konnte. Es war gut gewesen und nun war es gut, dass es vorbei war. Er war zurück und alle anderen Figuren auch. Das Spiel konnte von neuem beginnen und dann würde es vielleicht endlich zu Ende sein und er würde ein richtiges Leben beginnen können. Irgendwann. Vielleicht.
 

„Hey!“ rief Max plötzlich, der beschlossen zu haben schien, dass es besser war Kais Worte nicht zu hinterfragen. „Wie wär’s, wenn wir das feiern, dass wir endlich wieder mal alle zusammen sind?“
 

„Klasse!“ erwiderte Tyson begeistert. „Wir können Hilary und Daichi holen und Pizza bestellen!“
 

Kai achtete nicht weiter auf das Gespräch, sondern ging einfach an der Gruppe vorüber weiter in Richtung des Hotels.
 

„Hey, Kai“, rief Ray ihm nach. „Willst du nicht mitkommen.“ Auch die anderen drei sahen ihm überrascht nach.
 

„Nein, Danke.“ antwortete Kai nur.
 

Und da hatten sie gehofft, er hätte sich nach alldem verändert.
 

~~~

Ich mag keine Überbrückungskapitel und kann sie auch nicht wirklich schreiben (hab ich glaub schon öfter gesagt). Ich mag auch dieses hier nicht besonders, aber ab jetzt wird es besser werden und vor allem wird die Geschichte endlich ins Rollen kommen.

Vielen Dank fürs Lesen,

Nordwind

FÜNF

FÜNF|
 

Die Zeiger der großen Wanduhr deuteten auf genau 11Uhr, als Tyson Granger, derzeitiger Teamleader der Bladebreakers, oder zumindest von dem was von ihnen übrig geblieben war, und amtierender Weltmeister, lautstark gähnte, während er sich auf den Weg zum Frühstücksbuffet machte. Der große Speisesaal des Hotels war recht leer, was aber, wenn man die Zeit bedachte, keine große Überraschung war. Es waren nur noch sehr wenige Mitglieder der Beybladeteams anwesend, die allesamt im selben Gebäude wohnten. Die meisten standen früher auf um eher mit dem Training beginnen zu können. Als Tyson sich beim Betreten des Raumes nach ihm bekannten Gesichtern umgesehen hatte, waren ihm keine aufgefallen. Es waren entweder fremde Teams, die an den Tischen saßen, oder irgendwelche Erwachsenen, Betreuer, Sponsoren und Trainer. Daichi, Kenny und Hillary, der recht klägliche Rest, der von Tysons eigenem Team übrig geblieben war, wobei zwei von ihnen theoretisch gesehen gar nicht zum Team gehörten, saßen ein Stück hinter ihm an einem der Tische, die dem Buffet am nächsten standen.
 

Trotz das Max vor einem halben Jahr nach Amerika gezogen war und nur noch in den Ferien in Tokyo wohnte und es Ray zurück nach China gezogen hatte, machte sich Tyson relativ wenig Sorgen, was die kommenden Weltmeisterschaften anging. Inzwischen hatte er schließlich Daichi, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, furchtbar laut und gefräßig war, dafür aber einen recht passablen Beyblader abgab. Dann hatte er noch Kenny, den er zumindest als Ersatzblader einsetzen konnte und schließlich würde Kai das Team komplettieren.
 

Tyson schleppte sich zum Ende des Buffets, wo die Teller standen. Er war unheimlich müde und seine Augen fielen alle paar Sekunden wieder zu. Mit der Zeit wurde es mühsam die Lider immer wieder zu heben, also ließ er es schließlich ganz bleiben. Mit geschlossenen Augen ging er weiter.
 

Früher, als Kai noch Teamleader gewesen war und das Training in die Hand genommen hatte, hatten sie morgens bereits um sechs aufstehen müssen und waren immer die ersten beim Frühstück gewesen. Tyson war ehrlich froh, dass sich der Russe inzwischen nur noch um sich selbst kümmerte, wobei er das leider nicht nur beim Training so hielt. Nun, Tyson jedenfalls verstand nicht, warum man schon am frühen Morgen aufstehen sollte, trainieren konnte man ja auch am Mittag noch genauso gut. Es war ja nicht so, dass irgendjemand bewiesen hatte, dass man am Morgen effektiver trainieren konnte als zu jeder anderen Tageszeit.

Leider war es bald vorbei mit dem Ausschlafen, denn sein Bruder Hiro, der beschlossen hatte innerhalb der nächsten paar Tage das Training der Bladebreakers bis hin zu den Weltmeisterschaften zu übernehmen, sah es ähnlich wie Kai.
 

Tyson seufzte und tastete sich weiter zum Buffet vor, bis er plötzlich gegen irgendetwas stieß und zurückgestoßen wurde.
 

„Govno!“ rief eine Stimme in einer Tyson unbekannten Sprache noch bevor er die Augen wieder öffnen konnte. Es klang wie ein Fluch und irgendwo hatte er dieses Wort schon einmal gehört.
 

Tyson sah auf und starrte überrascht auf die Person die nur einen Meter von ihm entfernt stand und eine Tasse in der Hand hielt von deren Rand nun eine durchsichtige, bräunliche Flüssigkeit tropfte. Es war ein großer, blonder junger Mann, der Tyson entfernt bekannt vorkam. Tyson setzte gerade zu einer Entschuldigung an, als der Andere ihm zuvorkam.
 

„Pridurok! Idiot!“ fauchte er. „Kannst du nicht aufpassen!“ Die Augen des Blonden blitzen zornig und Tyson stolperte unwillkürlich eine Schritt zurück.
 

„Hey, Kumpel, das tut mir echt leid.“ Tyson hob abwehrend die Hände und grinste nervös. „Ich hab dich nicht gesehen. Hehe..“
 

„Sieh an, wenn haben wir denn da.“ mischte sich mit einem Mal eine kühle, spöttische Stimme ein. Diese Stimme… Tyson sah an dem blonden Riesen vorbei und entdeckte zwei weitere junge Männer. Einer von ihnen, der der gesprochen hatte, hatte feuerrotes Haar und stechend blaue Augen. Um seinen Mund lag die Spur eines spöttischen Grinsens, das Tyson nur allzu bekannt erschien. Mit einem Mal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
 

„Tala!“ rief er laut, so laut, dass alle Gespräche im Raum mit einem Mal verstummten und alle Blicke sich zu ihnen umwandten. „Und die Demolition Boys!“
 

Bryan, der hinter Tala stand, verdrehte die Augen und murmelte etwas auf Russisch, worauf Talas Augen amüsiert blitzten. Tyson bemerkte nichts von alledem, sondern sprach in derselben Lautstärke und voller Begeisterung weiter.
 

„Oh man, das ist der Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass ihr wieder dabei seid!“ rief er. „Ich dachte ich hätte euch Gestern gesehen, aber ihr ward nicht da, richtig? Ihr habt ziemlich lange gebraucht um euch von eurer letzten Niederlage zu erholen. Hahaha!“
 

„Ha ha“, machte Tala tonlos. „Du bist ja so witzig, Tyson.” Dann fügte er etwas auf Russisch hinzu, worauf Spencer nickte, seine Tasse auf einem leeren Tisch abstellte und sich umwandte. Bevor auch Tala und Bryan sich zum Gehen wenden konnten, sprach Tyson schon weiter.
 

„Hey, Tala“, rief er. Bryan verdrehte erneut die Augen und ging einfach weiter. Spencer folgte ihm. Tala jedoch wandte sich beton langsam um und bedachte Tyson mit einem gefährlich kalten Lächeln.

„Ist das dein ganzes Team?“ fuhr der blauhaarige Japaner fort ohne den Ausdruck auf dem Gesicht des Russen zu bemerken. „Spencer und Bryan. War letztes Mal nicht noch einer dabei. Uhm, der Zwerg mit der komischen Nase… Ian, richtig?“
 

Inzwischen waren auch Daichi, Hillary und Kenny auf die Szene, die sich nahe dem Buffet abspielte, aufmerksam geworden.
 

„Hey, Kenny“, flüsterte Hillary Kenny stieß ihn den braunhaarigen Jungen am Ellenbogen. „Wer ist das?“
 

Kenny zögerte einen Augenblick. Er war furchtbar bleich geworden, als er die drei Russen entdeckt und sie im Gegensatz zu Tyson auf Anhieb erkannt hatte. Seine Erinnerungen an dieses Team waren alle andere als gut.

„Ähm, also, äh… das sind T-Tala und s-sein Team, die De-De-Demolition B-Boys.“
 

„Tala?“ hakte Hillary nach. „Von dem hab ich schon mal gehört.“
 

„Das ist das Team, gegen das wir vor zwei Jahren im Finale der Weltmeisterschaften gekämpft haben.“ erklärte Kenny und musste unwillkürlich schlucken. „Mit denen sollte man sich lieber nicht anlegen.“
 

Daichi, der bisher mit offen stehendem Mund wortlos zugehört hatte, sprang auf einmal auf und deutete dann mit seiner Gabel, auf der noch ein Stück Rührei aufgespießt war, auf Tala.
 

„DU!“ rief er laut. „Tyson hat mir alles über dich erzählt. Wenn Tyson dich besiegt hat, dann will ich das auch. Jetzt sofort!“ Mit seiner freien Hand griff er nach seinem Beyblade und streckte es Tala entgegen.
 

Der rothaarige Russe hob eine Augenbraue. Irritiert musterte er den Zwerg, der auf seinem Stuhl auf und ab sprang.
 

Bryan und Spencer waren ein Stück vor dem Ausgang stehen geblieben und hatten sich erneut umgewandt. Bryan murmelte etwas auf Russisch, worauf Tala die Lippen zu einem Grinsen verzog und Spencer zustimmend nickte.
 

„Hey“, rief Tyson. „Was hat er gesagt?“
 

Schalk blitzte in Talas eisigen, blauen Augen.

„Er hat gesagt, dass dein kleiner Freund aussieht wie ein Affe.“ erklärte er spöttisch. „Was ist er, Tyson, dein Partner oder euer Maskottchen? Oder Beides?“
 

Spencer lachte laut, während Bryan grinste.
 

„Für wen hä-…mhpf…“ begann Daichi, bevor Kenny ihm die Hand vor den Mund schob. Er lächelte nervös.

„E-Er meint es nicht so“, entschuldigte er stotternd, als er einen teuflischen Blick seitens Tala auffing. „B-Beachtet uns g-gar nicht.“
 

„Man“, murrte Spencer. „Warum müssen die immer so laut sein.“
 

„Hört sofort auf meine Freunde zu beleidigen, sonst…“ Tyson ließ den Satz unvollendet, als etwas anderes seine Aufmerksamkeit erhaschte. „Kai!“ rief er laut un seine Augen leuchteten mit einem mal merklich auf. „Hey, Kai, ich dachte du lässt dich gar nicht mehr blicken! Sieh mal wer da ist. Dein altes Team, die miesen Betrüger.“
 

Der letzte Teil hätte Tala, Spencer und Bryan beleidigen sollen, doch die drei Russen hatten ihm gar nicht mehr zugehört und sich stattdessen zum Eingang des Zimmers umgewandt. Dort stand, wie angekündigt, Kai Hiwatari, dessen kalte, amethystfarbene Augen leicht irritiert wirkten, als plötzlich die Aufmerksamkeit des gesamten Saales auf ihm lag. Er scannte mit einem kurzen Blick die Szene und bemerkte schließlich die typischen Blicke, die ihm die drei Demolition Boys zuwarfen. Da war die Verachtung in Bryans Augen, der Hass in Spencers und die gewohnte Kälte in Talas. Kai verschränkte die Arme vor der Brust, während Tyson weiter sprach.
 

„Hah!“ rief er laut mit einem breiten Grinsen. „Egal mit wem du dich zusammentust, Tala, gegen mich und Kai hast du keine Chance. Wir werden gewinnen und ich werde zum dritten Mal in Folge Weltmeister!“
 

Kais Augen verengen sich ein wenig bei diesen Worten.
 

„Da nu, Pridurok. Was du nicht sagst, Idiot.“ sagte Tala ohne sich Tyson erneut zuzuwenden.
 

„Hey, sprich gefälligst in einer Sprache die ich verstehe!“ Tyson schien einen Augenblick zu überlegen, bis ihm etwas einfiel. „Kai, du kannst Russisch. Was hat er gesagt?“
 

Kai sah langsam auf und musterte Tyson einen Augenblick lang kalt. Erst schien es, als würde er überhaupt nichts sagen, dann tat er es doch.
 

„Er sagt, dass du den Mund ziemlich voll nimmst, dafür dass du so ein Idiot bist.“ erklärte Kai in ungerührtem Ton.
 

Tyson starrte ihn einen Augenblick lang mit offenem Mund an, dann wandte er seinen wütenden Blick zu Tala, der noch immer von ihm abgewandt stand und Kai einen nichts sagenden Blick aus kalten blauen Augen zuwarf.
 

„Hast du das gesagt?“ wollte der blauhaarige Beyblader mit bedrohlich klingender Stimme wissen.
 

„Nein.“ antwortet Tala offensichtlich unbeeindruckt ohne den Blick von seinem ehemaligen Teamkollegen abzuwenden. „Das hat Kai gesagt. Scheint mir nicht so, als wäre er deiner Meinung.“
 

Tyson sah von Tala zu Kai und erwartete beinahe, dass Kai dem rothaarigen Russen widersprechen würde, doch natürlich tat er das nicht. Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle Tyson anfangen zu schreien, doch er besann sich zur allgemeinen Überraschung eines Besseren. Kai hatte keinen Grund ihn zu beleidigen, aber Talas Worten hatte man noch nie Glauben schenken können.
 

„Ich bin echt gespannt für wen ihr dieses Mal arbeitet.“ bemerkte er spöttisch und bemerkte dabei mit Genugtuung, wie sich die Blicke der drei vor ihm stehenden Russen wieder ihm zuwandten und das Grinsen von allen drei Gesichtern verschwunden war, was ihn dazu animierte weiterzureden. „Ich meine, jetzt da Boris und Voltaire im Gefängnis sitzen, braucht ihr doch wohl jemand anderen, der euch herumkommandiert.“
 

Was Tyson nicht bemerkte war, dass Kais Blick sich bei seinen Worten ebenfalls verdüsterte.

Der blaugrauhaarige Russe warf einen kurzen Blick auf Tala und war sich sicher, abgesehen von Spencer und Bryan, der Einzige zu sein, der die Wut in Talas kalten, blauen Augen erkannte, die sich langsam in Verachtung wandelte.
 

„Du weißt überhaupt nichts über uns, Tyson.“ sagte Tala schließlich und seine Stimme klang wie ein eisiger Windhauch. „Wir sind nicht mehr das Team, das wir einmal waren. Wir lassen uns von niemandem mehr benutzen.“ Mit diesen Worten wandte sich der rothaarige Russe vollends ab und folgte Spencer und Bryan, die schon beinahe den Ausgang passiert hatten. Als er an Kai vorbeikam, blieb er noch einmal stehen.
 

„Du wirkst, als wärst du bei ihnen fehl am Platz“, meinte er auf Russisch zu seinem ehemaligen Teamkollegen. „Weil du hier fehl am Platz bist.“ Dann ging er.
 

„Ha!“ rief Tyson mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, als die Demolition Boys verschwunden waren. „Denen hab ich es aber gezeigt!“ Er ging hinüber zum Buffet und begann seinen Teller zu beladen.
 

„Hey, Kai“, rief er schließlich dem Russen zu, der noch immer bei der Türe stand. „Komm rüber, wir sitzen da.“ Er deutete auf den Tisch, an dem Kenny, Daichi und Hillary saßen.
 

Kai musterte die drei Personen, von denen zwei ihm völlig fremd waren, mit einem knappen Blick und schüttelte dann den Kopf.

„Nein, danke“, meinte er kalt. Er ließ die Arme fallen, wandte sich um und verließ ebenfalls den Raum.
 

Tyson schaute ihm einen Augenblick lang enttäuscht nach, dann zuckte er die Schultern. Kai war immer so gewesen, das war nichts neues, eigentlich kam es ihm jetzt so vor, als wäre er niemals wirklich weg gewesen. Er würde später mit ihm sprechen.

„Dann eben nicht.“
 

Kai verließ den Raum, ging jedoch langsam, damit er nicht noch einmal auf Spencer, Bryan und vor allem auf Tala stieß. Er hatte keine Lust auf eine erneute Auseinandersetzung, spöttische Bemerkungen und Beschuldigungen.
 

Eigentlich hatte er etwas essen wollen, einen Kaffee trinken, den restlichen Tag planen. Er hatte den Morgen über trainiert und als die Halle sich allmählich gefüllt hatte, war er gegangen um zu frühstücken. Bei Tysons Worten allerdings war ihm der Appetit vergangen. Man hätte meine sollen der Japaner habe über die Zeit hinzugelernt, aber sein Mund und sein Ego waren so groß wie eh und je. Er sprach von Dingen, von denen er nichts verstand und spottete über Menschen die er nicht kannte. Zumindest nicht gut genug. Er bemerkte nicht einmal, wann er zu weit ging und er war zu weit gegangen. Tyson wusste nicht, wie sehr er die Demolition Boys angriff, wenn er unüberlegt über ihre Vergangenheit spottete. Wie sehr er Kai selbst angriff. Er hatte nicht begriffen. Und wie auch? Er kannte die Russen nicht so gut wie Kai sie kannte. Er wusste nicht was Kai wusste. Alles was Tyson wusste war, dass sie für Boris und Biovolt gearbeitet hatten. Für die ‚Bösen’, und waren somit selbst ‚böse’. Aber die Welt war nicht nur Schwarz und Weiß. Im Gegenteil. In Wirklichkeit existierte weder das eine noch das andere.
 

~~~

So, nächstes Kapitel beendet. Ab dem nächsten Mal wirds ernst und wir fangen mit der eigentlichen Handlung an. ^^

Danke fürs Lesen,

Norwind

SECHS

Erst einmal tut es mir schrecklich Leid, dass es solange gedauert hat, aber ich hatte diese Woche mündliche Abiturprüfungen und absolut keinen Kopf zum Schreiben. Mit diesem Kapitel fängt die Geschichte richtig an und ich hoffe es gefällt euch, auch wenn ich persönlich nicht besonders zufrieden damit bin.

Viel Spaß beim Lesen!
 


 

SECHS|
 

Es hatte wieder zu regnen begonnen. Die umliegenden Gebäude verschwammen wie hinter grauen Schleiern, während sich langsame die Nacht über die Stadt senkte. Schade, dabei hatte den ganzen Tag über die Sonne geschienen und die Sonne über Tokyo war so wunderbar warm. Im Gegensatz zu dem, was viele wohl erwarten würden, mochte er das warme Licht, das die Welt nicht ganz so grau erscheinen ließ. Im kalten Russland gab es viel zu wenig davon und viel zu viel Grau.
 

Er fuhr mit dem Zeigefinger über die kalte Scheibe und warf einen letzten Blick hinaus auf die Straße, bevor er mit einem Ruck den samtgrünen, schweren Vorhang zuzog und sich von dem hochgewölbten Fenster abwandte. Mit zwei Schritten gelangte er zu dem wuchtigen Schreibtisch aus massivem, dunklem Holz, auf dem sich einige Dokumente und ein Telefon befanden.

Es klopfte an der Türe und für den winzigen Bruchteil eines Augenblicks übertönte der dumpfe Klang das Trommeln der Regentropfen gegen die Scheibe.

Er ging um den Tisch herum und lehnte sich mit dem Arm auf die Rückenlehne während sein Blick sich zur Türe hin richtete.
 

Ein Mann trat ein und verbeugte sich respektvoll.

„Alle die von Ihnen genannten Personen sind eingetroffen, Gaspadin.“
 

„Ist das so? Kai Hiwatari?“
 

„Gestern Abend, Gaspadin.“
 

„Hm, so so.“
 

Alle waren erschienen, so wie er es vorausgesehen hatte und nun, da sie bereitstanden wie die Figuren auf einem Schachbrett, war es Zeit den ersten Zug zu machen.
 

~~~
 

Es war noch dunkel, als Tala erwachte. Er hatte nicht viel geschlafen, ein paar Stunden vielleicht, aber nicht annähernd ausreichend. Er war noch immer müde, doch er kannte sich selbst gut genug und wusste, dass er, sobald einmal wach, keinen Schlaf mehr finden würde.
 

Sie hatten lange trainiert, bis spät in die Nacht. Nach dem durch Tyson leider etwas zerrütteten Frühstück war die Halle zu voll gewesen und am Mittag hatte man die Woche offiziell eröffnet und die Regeln bekannt gegeben. Eigentlich war es zumindest aus Talas Sicht relativ unspektakulär gewesen. Lange Reden waren von verschiedenen, wichtigen Personen gehalten worden, eine bekannte Sängerin war aufgetreten, eine Gruppe mit einem bizarren Namen hatten absurde Kunststückchen mit ihren Beyblades vorgeführt und so weiter. Es war schlichtweg langweilig gewesen und dann die Regeln. Keine anständigen, altbewährten Viererteams mehr, sondern Paare. Warum den Paare? So etwas Unsinniges, aber egal, so war es nun einmal. Und jetzt musste er zwischen Bryan und Spencer wählen und dabei hoffen, dass Bryan Spencer nicht zufällig im Schlaf erstechen würde.
 

Tala setzte sich auf, schlug die Bettdecke beiseite und stand auf. Er sah sich kurz um und war plötzlich froh, dass er nicht mehr wie früher mit Bryan und Spencer ein Zimmer teilte. Bryan hatte einen derart leichten Schlaf, dass Tala sich beinahe vollkommen geräuschlos hatte bewegen müssen um ihn nicht zu wecken. Spencer dagegen schien überhaupt nichts wecken zu können. Deshalb konnte

Bryan ihn auch problemlos erstechen.

…Was für ein Unsinn. Es war Zeit endlich richtig wach zu werden.
 

Tala ging zu seinem Schrank hinüber und zog ein paar schwarze Jeans und ein ebenfalls schwarzes T-Shirt an, dann nahm er Wolborg von seinem Nachttisch, steckte den Zimmerschlüssel und die Schlüsselkarte für die Trainingshalle ein und verließ den Raum.
 

Die Lichter im Gang gingen erst an, als die Bewegungsmelder Talas Schritte erfassten, während er sich auf den Weg zur Treppe machte. Tala nahm immer die Treppe. Er mied Aufzüge wann immer es ich möglich war. Die kleinen Kammern waren ihm nicht geheuer. Er litt zwar nicht unter Platzangst oder derartigem, aber er hatte immerhin über zehn Jahre lang gelebt ohne auch nur von der Existenz solcher Geräte zu wissen. Auf engstem Raum eingesperrt zu sein kannte er nur aus der Abtei und dort war es eine beinahe alltägliche Strafe gewesen. Tala mochte überhaupt keine technischen Geräte. Dinge wie Bildschirme und Computer kannte er nur aus den Laboren und er hatte sie gehasst. Er war an diese Welt nicht gewöhnt. Nicht an die Menschen, nicht an ihre Gewohnheiten, nicht an ihre Bequemlichkeiten. Innerhalb der drei Jahre, die er nun außerhalb der Abtei lebte, hatte er die Welt, die die Menschen als normal bezeichneten, zwar kennen gelernt, sich aber nie vollends daran gewöhnt und sich niemals wirklich wohl gefühlt. Aber nichtsdestotrotz war all das besser als die Abtei.
 

Er errichte das Erdgeschoss und somit die Empfangshalle. Die Türen waren nur versperrt, wenn man von Außen hinein, jedoch nicht, wenn man von Innen hinausgehen wollte. Als Tala auf den Platz vor dem Hotel trat, blieb er einen Augenblick lang stehen und atmete tief die frische Morgenluft ein. Sie hatte eine belebende Wirkung auf ihn und verscheuchte die letzten Spuren on Müdigkeit aus seinem Körper. Tala wusste nicht wie spät es war, jedoch bestimmt noch eine Weile hin bis zum Sonnenaufgang. Wie und breit war keine Menschenseele zu sehen und so beschoss Tala die kurze Strecke zum Trainingszentrum zu joggen um seine Muskeln zu lockern.
 

Die gläsernen Türen des großen Gebäudes waren noch verschlossen, doch mit seiner mit seiner Schlüsselkarte konnte sich Tala problemlos Zutritt verschaffen. Er war sich sicher der Erste zu sein, der mit dem Training begann, wie es eigentlich immer war. Keines der anderen Teams zeigte sich vor acht Uhr, denn keines von ihnen begann sein ernsthaftes Training vor dem Frühstück und Frühstück gab es erst ab halb acht. Einige ihm bekannte Beyblader hatte er bereits um sieben oder ein wenig früher beim Joggen oder Ähnlichem angetroffen, jedoch nie hier im Zentrum.
 

Dieses Mal jedoch hatte Tala sich geirrt, denn als er sich der Türe zur oberen Halle näherte, konnte er deutlich das Surren eins Beyblades hören, das in einer der unzähligen Bowles seine Kreise drehte. Tala betrat den Raum geräuschlos und war mehr oder minder überrascht Kai zu sehen, der mit gesenktem Kopf über einer Bowl stand. Er konnte nicht sehen, ob Kai die Augen offen oder geschlossen hatten, denn grausilbernen Strähnen verdeckten das Gesicht des Russen.

Eigentlich hätte er wissen müssen, dass es Kai sein würde, wer sonst konnte so früh schon hier sein? Ihr gemeinsames Training in der Abtei damals hatte oft um diese Zeit begonnen. Kai war es ebenso gewöhnt früh aufzustehen wie er selbst auch wenn Tala länger in der Abtei gewesen war, alte Gewohnheiten wurde man nicht so schnell wieder los.
 

Tala machte einen weiteren Schritt in die Halle hinein und wich dann sofort wieder zurück. Laute Schritte, die in dem hohen Saal hallten übertönten seine eigenen, beinahe Lautlosen. Tala trat so weit zurück, dass er im Schatten des Eingans stand und einen guten Blick über die Halle hatte ohne gleichzeitig gesehen werden zu können. Er wusste warum er es tat, aber es war eine Art Instinkt. Ein Instinkt, dem zu vertrauen sich noch immer gelohnt hatte. Er war in der Abtei in genug Situationen gewesen um ihn zu testen.
 

Die Schritte näherten sich, doch Kai starrte nur weiter auf sein kreiselndes Beyblade hinab. Erst in dem Augenblick als die schweren Schritte hinter ihm verstummten, ließ er es in seine Hand springen und wandte sich um. Talas Augen weiteten sich ebenso wie die Kais, als er erkannte wer der Neuankömmling war.
 

Tala erstarrte. Sein Kopf war plötzlich wie leergefegt.
 

Ein einziger Name prangte vor seinem inneren Auge, dominierte seine Gedanken. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und er spürte deutlich, wie seine Hände zu zittern begannen. Tausend Bilder stürzten mit einem Mal auf ihn ein und drohten ihn fortzureißen und ihn zu ertränken.
 

Ein Labyrinth aus dunklen Gängen…

Kleine, kalte Zellen…

Große, gläserne Zylinder gefüllt mit einer grün schimmernden Flüssigkeit…

Spritzen, Schläuche, ein kleiner Junge

Unbeschreibliche Schmerzen
 

Tala zuckte unmerklich zusammen. Er verscheuchte die Gedanken aus seinem Kopf und bemerkte am Rande seiner Wahrnehmung, wie Kais Gesicht zu einer eiskalten Maske wurde.
 

Tala ballte die Hände zu Fäusten um das Zittern zu unterdrücken. Er verspürte mit einem Mal eine unglaubliche Wut in sich aufsteigen.
 

„Boris.“ zischte er leise, so leise, dass er sich nicht einmal sicher war, dass er den Namen überhaupt ausgesprochen hatte.
 

„Hallo Kai.“
 

~~~
 

Tala trommelte mit den Fingern seiner rechten Hand auf die Tischplatte, während die andere sein Kinn hielt und seinen Kopf stützte. Er starrte mit finsterem Blick aus dem Fenster in die regenverschleierte Nacht hinaus und fragte sich zum tausendsten Mal was dieser ganze Unsinn eigentlich sollte. Sein Blick glitt kurz über die Tasse mit kaltem Kaffee zu der Uhr hinüber, die an der Wand hing.

0.43 Uhr

Eine Stunde. Ungefähr eine Stunde saß er nun schon hier wie der letzte Idiot und dachte nach, so wie er es den ganzen restlichen Tag über getan hatte.
 

Er hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache gehabt. Schon als sie noch alle in Moskau gewesen waren hatte er gewusst, dass irgendetwas faul sein musste. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass er nun einmal grundsätzlich immer damit rechnete, dass alles nicht so harmlos war wie es nach außen hin schien oder vielleicht war es auch die vielen Jahre, die er unter Boris gelebt hatte, die sich bemerkbar machten. Er hatte gewusst, dass es noch nicht vorbei war. Er besser als alle anderen. Er hatte nicht daran geglaubt, dass sie mit diesem einen Schlag den Krieg gewonnen hatten. Die Weltmeisterschaften in Moskau vor einem Jahr war eine Schlacht gewesen. Eine von vielen, die kommen würden und Tala wusste besser als jeder andere, was das bedeutete. Er hatte nie an ein Leben in Frieden geglaubt. An ein Leben, in dem ihn Boris’ Pläne nicht mehr zu interessieren brauchten. Aber nun fing alles wieder von Vorne an und die einzige Frage war, auf welcher Seite am Ende wer stehen würde.
 

Es war wie ein Spiel. Ein Spiel kurz vor dem Beginn in einer Phase in der man vorsichtig seine Figuren platzierte. Sehr vorsichtig, denn eine falsche Figur könnte die Neiderlage bedeuten.
 

Es war Zeit ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen. Einige wichtige Dinge.
 

Tala fuhr sich mit der Hand durch sein rotes Haar und wollte gerade aufstehen, als er just in diesem Moment hörte, wie die Tür des Appartements aufgeschlossen wurde.
 

„Verdammt, Bryan, woher soll ich das wissen?“ hörte er Spencers Stimme aus dem Flur sogar noch laut durch die Wand. „Er war heute Morgen einfach nicht da. Es ist ja nicht so, als wäre es das erste Mal.“
 

„Nein, aber es ist ziemlich lange her, dass er das letzte Mal den ganzen Tag ohne ein Wort verschwunden ist.“ Bryans Stimme war deutlich leiser aber dafür auch deutlich gereizter. „Ist dir vielleicht aufgefallen, dass Kai auch nicht da war?“
 

„Kai? Was zum Teufel hat Kai denn damit zu tun? Ich hab Kai nur ein einziges Mal in der Halle gesehen und das war an unserem ersten Tag hier.“
 

„Sein ganzes Team war da, aber er nicht.“
 

„Und was hat das mit Tala zu tun?
 

„Was weiß ich, ich trau ihm nicht.“
 

„So ein Blödsinn, willst du mir sagen, dass Tala nicht mit Kai fertig wird, oder was?“
 

„Quatsch, aber-…“ Die Türe zum Wohnzimmer wurde aufgestoßen und während Bryan eintrat, verstummte er abrupt. Hinter ihm erschien Spencer auf der Schwelle.

„Hey, Tala!“ rief er überrascht. „Man, wo warst du den ganzen Tag? Wir haben… dich gesucht.“
 

Tala stand auf und schob seinen Stuhl zurück. Die Beine kratzten über den Parkettboden. Der rothaarige Russe fuhr sich mit dem Handrücken müde über die Stirn.
 

„Trainieren.“ antwortete Tala schlicht. „Ich geh schlafen.“
 

„Was? Aber-…“ begann Spencer, brach jedoch ab, als Bryan einen Schritt zurück trat um seinem Teamleader den Weg frei zu machen und dieser wortlos an ihnen vorbeiging.
 

~~~

So, ab und zu muss ich einfach mal aus Talas Sicht schreiben, aber ich denke das nächste wird zumindest halbiert um dann wieder zu Kai zurückzukommen.

Vielen Dank fürs Lesen,

Nordwind

SIEBEN

So, zwischen Abiball und Unibewerbungen hab ich es endlich mal geschafft dises Kapitel reinzuquetschen (so liest es sich wahrscheinlich auch). Eigentlich wollte ich es gestern schon hochladen, aber Animexx hat sich den ganzen Tag verweigert... schlechtes Omen...
 

SIEBEN|
 

Der Morgen war verregnet und kalt. Die Bäume verschwammen wie hinter grauen Schleiern und der Boden war aufgewühlt und matschig. Das dumpfe Trommeln der Regentropfen, das Rascheln der nassen Blätter und das Knirschen des Kieses unter seinen Schuhen harmonierten auf bizarre Weise mit dem Rauschen der vorbeifahrenden Autos.
 

Silbergraue Strähnen seines Haares klebten ihm ins Gesicht und seine Hosen, die nicht von der Regenjacke bedeckt wurden, waren völlig durchnässt, ebenso wie Socken und Schuhe. Das machte nichts. Kai wusste ungefähr, was er seinem Immunsystem zumuten konnte und was nicht. Dazu hatten die Experimente in der Abtei doch ab und zu ihr Gutes gehabt und ein Bisschen Regen konnte ihm nicht wirklich viel anhaben.
 

Der Regen hatte auch sein Gutes, denn bei diesem Wetter hatte Kai den Park praktisch für sich. Eigentlich hatte er heute mit einigen ernsthafteren und komplexeren Übungen beginnen wollen, denn nach einem Jahr Auszeit hatte er sich in den vergangenen Tagen erst langsam an seine alte Form herantasten müssen, doch er hatte wenig Lust wieder auf Tala oder einen der anderen beiden Demolition Boys zu treffen. Sie hatten dieselben Angewohnheiten wie er und deshalb war es nur wahrscheinlich, dass sie auch zur selben Zeit trainierten. Von Begegnungen dieser art hatte Kai erst einmal genug und davon abgesehen gab es Wichtigeres über das er nachdenken musste.
 

~

„Hallo Kai.“
 

Kai wartete einen Augenblick ab, bis er sich betont langsam umwandte und die Person, die ihm in einiger Entfernung gegenüber stand geringschätzig musterte. Der ehemalige Abteivorsteher hatte sich kaum verändert. Anstatt der grauen Robe trug er nun einen grauen Anzug mit einer schwarzen Krawatte, seine Frisur war dieselbe, sein Gesicht wirkte ein wenig eingefallen und unter seinen Augen lagen vage Schatten.
 

Kai sagte nichts, erwiderte den Gruß nicht. Ein Gespräch mit Boris Balkov war wie ein Spiel, oder ein Kampf, wenn man denn so wollte, bei dem es darum ging keine falsche Bewegung, keinen falschen Zug zu machen um die Oberhand zu behalten. Bei Gesprächen mit Boris gab es immer einen Sieger und einen Verlierer. Man durfte nichts preisgeben, kein Wort zuviel sprechen und dabei allgemein so wenig wie möglich sagen. Es ging darum sich nicht provozieren zu lassen.
 

Kai verbannte seinen Hass und den Drang dem Russen mit der Faust ins Gesicht zu schlagen hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit.
 

„Schön dich wieder zu sehen.“ sagte Boris in seiner Muttersprache und als Kai nicht darauf reagierte, breitete sich ein schales Lächeln auf seinen dünnen, blassen Lippen aus. „Ich habe ein Angebot für dich.“
 

Kai hob eine Augenbraue, hielt den Blick aber ungerührt auf den Boris’ gerichtet.

„Nein, danke.“ antwortete er, seine Stimme ungerührt und ruhig.
 

Das Lächeln auf Boris’ Lippen verschwand nicht. Im Gegenteil, es wurde noch etwas breiter. Es sah beinahe aus wie ein echtes Lächeln, doch ein Blick in die Augen des Russen verriet, dass es nichts dergleichen war. Nur eine kalte Geste vagen Amüsements auf dem Gesicht eines Menschen, der noch niemals wirklich in der Lage gewesen war wahre Freude zu verspüren. Es bedeutete nichts.
 

„Aber, aber Kai“, erwiderte er ebenso ruhig und nicht im Geringsten beeindruckt. „Ich gebe dir Zeit bis zum Ende dieser Woche um deine Antwort zu überdenken. Du wirst etwas haben wollen und ich werde der einzige sein, der es dir geben kann.“ Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen um. Der Ausdruck auf seinem Gesicht wirkte mit einem Mal erstarrt. Kai hatte den charakteristischen Ausdruck von Selbstgefälligkeit erwartet, doch auf Boris’ Gesicht erschien nichts dergleichen. Während der ehemalige Abteivorsteher den Raum verlies fragte sich ehrlich, wer diesen Kampf gewonnen hatte, bis ihm schließlich klar wurde, dass dies überhaupt kein Kampf gewesen war und wenn doch, dann höchstens einer, den er verloren hatte. Etwas hatte sich verändert.

~
 

Kai strich sich mit der Hand eine nasse Strähne aus dem Gesicht und joggte weiter den verlassenen Pfad entlang. Etwas stimmte nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Das war nicht der Boris gewesen, den er sein ganzes Leben lang gekannt hatte. Nach außen hin vielleicht, aber etwas war anders gewesen, eine kleine, kaum sichtbare Veränderung, er wusste nur nicht, was genau es war.
 

Schlimm genug, dass sich Boris überhaupt sehen ließ, nachdem er beinahe ein ganzes Jahr wie vom Erdboden verschluckt gewesen war. Kai hatte nie daran geglaubt ihn niemals wieder zu sehen. Dafür kannte er ihn zu gut und war zu wenig Optimist. Er hatte gewusst, dass Boris wieder auftauchen würde, nicht umsonst hatte er versucht sich im Verborgenen zu halten. Und nun das. Ein Angebot, dessen Inhalt er nicht kannte und Worte, die wie eine Drohung klangen. Etwas, dass er würde haben wollen. Nichts davon hörte sich besonders gut an, aber das war zu erwarten gewesen.
 

Kai fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht um das Regenwasser fortzuwischen. Er schloss dabei für einen Moment die Augen und als er sie wieder öffnete erkannte er eine andere Person, die hinter den grauen Regenschleiern auf ihn zukam. Er verlangsamte sein Tempo und hörte auf zu laufen. Es gab nicht besonders viele Menschen, die bei diesem Wetter unterwegs waren.
 

Er erkannte Tala nicht gleich, sondern erst, als dieser näher kam und Kai die roten Strähnen erkannt, die dem bei diesem trüben Licht noch blasser wirkenden Russen unter der übergezogenen Kapuze seines Sweatshirts ins Gesicht klebten. ‚Eigentlich hätte er sich das auch denken können. Wer außer ihm kam bei diesem Wetter auf die Idee im Park zu joggen? Nur jemand, der es gewohnt war unter derartigen Bedingungen zu trainieren, jemand, der sich nicht vor einer Erkältung oder einer Lungenentzündung fürchtete oder jemand, der einen leeren Park einer mit Menschen gefüllten Halle schlichtweg vorzog. Auf Tala trafen alle diese Punke zu.
 

Als der Captain der Demolition Boys näher kam ohne sein Tempo zu verringern, hatte es zunächst den Anschein er würde Kai einfach ignorieren. Tala war gut darin andere Menschen zu ignorieren, vor allem dann, wenn er glaubte, dass sie seiner Aufmerksamkeit nicht wert waren. Schließlich aber, als er Kai beinahe erreicht hatte, verlangsamte er seine Schritte und blieb dann ganz stehen. Kai tat es ihm gleich, so dass sich vier großzügige Schritte Abstand zwischen ihnen befand.
 

Die Geräusche um sie herum, das Plätschern des Regens und das Rauschen des Verkehrs, traten in den Hintergrund und wirkten mit einem Mal dumpf und verblasst, als hätte man ein Fenster geschlossen und sie nach draußen verbannt.

Sie standen im Regen unter den Bäumen und sahen einander mit demselben kalten Blick in die Augen.
 

Tala wandte den Blick als erstes ab, aber Kai wusste, dass das nicht sein Verdienst war. Tala war immer einer der Wenigen gewesen, die seinem Blick hatten standhalten können und würde e vermutlich auch immer bleiben. Es hatte keinen Sinn sich wortlos anzustarren, im Gegenteil war es sogar recht lächerlich.
 

„Du hast dich noch nicht entschieden?“ begann der rothaarige Russe in ihrer beider Muttersprache und schob die Hände in die Hosentaschen während seine Augen über den verregneten Park wanderten.
 

„Hm?“ Kai hob fragend eine Augenbraue, was Tala mit abgewandten Blick natürlich nicht sehen, sich aber wahrscheinlich denken konnte. Entschieden? Entschieden wofür?
 

„Also nicht.“ fuhr Tala fort ohne zu erklären, worüber er eigentlich sprach. „Tyson war sehr davon überzeugt, dass du für die Bladebreaker antrittst.“ So, daher wehte der Wind. „Überall redet man davon, dass ihr zusammen den Titel holt.“
 

Kai antwortete nicht. Warum sagte Tala das, warum stellte er diese Frage? Tala tat nie etwas ohne Grund und ohne Nutzen. Tala redete nicht um Smalltalk zu betreiben, im Gegenteil. Was wusste Tala? Oder besser, was wusste er nicht? Er wusste nichts von dem Gespräch mit Boris. Hoffentlich nicht, sonst würde alles noch um einiges komplizierter werden. Sobald Tala auftauchte wurde alles immer komplizierter.
 

„Warum interessiert dich das?“ stellte er letztendlich die Frage laut. Es war ja nicht so, dass es Tala irgendetwas anging, für welches Team er antreten würde. Noch dazu zeigte er selten offenes Interesse. Es konnte ihm doch egal sein, mit wem sich Kai zusammentat oder wollte er nur die Fronten klären? Herausfinden mit wem er es im Wettbewerb zu tun bekommen würde? Aber das hätte er auch anders herausfinden können.

Tala antwortete nicht. Natürlich nicht.
 

„Die Bladebreaker existieren nicht mehr.“ meinte Kai schließlich Schulter zuckend. Tala wandte sich langsam wieder zu ihm um. Sein Blick ungerührt, die Miene nichts sagen wie so oft.
 

„Tyson ist da anderer Meinung.“ warf der rothaarige Russe vage ein.
 

„Ich habe niemals zugestimmt Tysons Team beizutreten.“ erklärte Kai ruhig, aber mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, die klar machte, dass es auch so bleiben würde. Worauf wollte Tala hinaus, was wollte er denn hören?
 

„Nein“, schloss Tala nicht im Mindesten überrascht, bevor er sich umwandte und an Kai vorbeilief. „Natürlich nicht.“
 

Kai blieb zurück und starrte dem russischen Teamcaptain mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem Blick nach, der relativ deutlich ausdrückte, was er von dieser Art von Gespräch hielt. Tala würde wohl eine der weinigen Personen bleiben, die er nicht verstand. Oder nicht mehr.
 

Früher in der Abtei war es einfach gewesen Tala zu durchschauen, aber damals war es auch noch anders gewesen. Leichter. Nicht dass das Leben in der Abtei allgemein als leicht zu beschreiben gewesen wäre, im Gegenteil. Aber ihre Welt war kleiner gewesen, schlichter. Irgendwo zwischen Strafe und dem Erfolgsgefühl den Wachen eins ausgewischt oder ein Match gewonnen zu haben. Alles war einfach gewesen, wie ein Spiel, solange sie hatten Kinder bleiben können. Bis zu jenem Tag, von dem ab sie mit einem Schlag viel zu schnell erwachsen geworden waren.
 

~~~
 

Kai betrat das Trainingszentrum. Seine Haare waren noch immer feucht, aber er hatte die Kleider im Hotel gewechselt, bevor er hierher gekommen war. Es hatte aufgehört zu regnen. Die Glastüre schloss sich mit einem leisen Zischen und Kai durchquerte das Foyer um in den Gang mit den Umkleidekabinen der Teams zu gelangen. Es war ein langer, leerer Gang mit großen metallenen Türen und kleinen Schildchen an den Wänden auf denen der Name des jeweiligen Teams geschrieben stand.
 

Kai hielt vor der Tür inne, auf deren Schild in großen Druckbuchstaben ‚Bladebreaker’ geschrieben stand. Absurd. Dieses Team existierte nicht mehr. Er hatte immer gewusst, dass dieses Team nicht ewig existieren würde, so wie Tyson es sich gerne ausgemalt hatte. Er hatte es gewusst, als sie in China gewesen waren und als sie anschließend das Zentrum in den USA besucht hatten. Er hatte immer gewusst, dass es eines Tages so kommen würde.
 

Er hob die Hand um die Türe zu öffnen, doch im gleichen Augenblick wurden mit einem Mal Schritte laut und die Türe ruckartig von innen aufgerissen. Kai war noch rechtzeitig einen Schritt zurückgetreten um einen Zusammenstoß mit Tyson zu verhindern.
 

„Kai!“ rief der blauhaarige Japaner laut und unterbrach damit das braunhaarige Mädchen, das im Türrahmen stand und mit in die Hüften gestemmten Armen und belehrende Stimme auf ihn eingesprochen hatte. „Du kommst genau richtig zum Training!“
 

„Deshalb bin ich nicht hier.“ antwortete Kai ruhig. Tyson sah ihn überrascht fragend an, dann machte dieser Ausdruck einem andren Platz, einem verunsicherten, leicht erschrockenem.
 

„Du verlässt uns auch?“ brachte er schließlich beinahe gepresste heraus.
 

Das, so musste Kai unweigerlich zugeben, überraschte nun ihn. Wann hatte Tyson gelernt ihn so gut einzuschätzen? Oder waren es nur die Erinnerungen oder die Angst oder die Enttäuschung, die ihn eine solche Frag stellen ließ? Kai verschränkte die Arme vor der Brust und maß seinen ehemaligen Teamkollegen einen Augenblick lang mit prüfendem Blick, dann schüttelte er leicht den Kopf.
 

„Es gibt kein ‚uns’ mehr, Tyson.“ sagte er schlicht und seine Stimme klang kalt und ungerührt, wie immer. „Die Bladebreaker gibt es nicht mehr. Max hat sein Team, Ray hat sein Team und du hast dein Team.“ Er deutete mit einer vagen Kopfbewegung auf das braunhaarige Mädchen, die ihn misstrauisch anstarrte.
 

„Und du?“ rief Tyson und klang dabei beinahe wütend und gleichzeitig enttäuscht. „Du gehst zurück zu Tala und zu seinen Schlägertypen, oder was?“
 

„Nein“, antwortete Kai ernst, obgleich ihn der Begriff ‚Schlägertypen’ doch leicht amüsierte. „Ich nehme überhaupt nicht teil.“
 

_____

So, nächstes Kapitel wieder aus Talas Sicht (zumindets zum Teil), hier wollte ich das nichtmehr mit einbauen.

ACHT

Nächstes Kapitel, ich bin gerade so schön in Schreib-Laune und die Tala-KApitel gehn mir moemntan sowieso leichter von der Hand. ^__^
 


 

ACHT|
 

„Das GLAUBE ich einfach nicht!“
 

Tala setzte die Tasse wieder ab, aus der er eben noch einen Schluck hatte nehmen wollen. Spencer hielt mitten in der Bewegung inne und senkte die Hand mit der Gabel, auf der ein Stück Fleisch stak. Bryan verdrehte die Augen.
 

Sämtliche Gespräche waren verstummt und eine beinahe beängstigende Stille füllte den Speisesaal. Ausnahmslos alle Blicke wanderte langsam in eine Ecke des Raumes in der ein Tisch stand, an dem vier Personen saßen. Tala seufzte tonlos. Er hatte die Stimme zwar bereits erkannt, jedoch darauf gehofft einem Irrtum zu unterliegen. Dem war nicht so.
 

„Das kann er doch nicht machen!“ hallte Tysons laute und nahezu hysterische Stimme von den hohen Wänden wieder.
 

Wenn Tala ehrlich sein sollte, war es eigentlich recht amüsant zu beobachten, wie der blauhaarige Japaner es immer wieder hinbekam sich auf die Knochen zu blamieren ohne es zu bemerken. Er würde das natürlich niemals offen zugeben, auch wenn er trotz allem der festen Überzeugung war, dass, wenn Tyson ein Mitglied seines Teams wäre, er dem Japaner längst den Hals umgedreht hätte. Es war beinahe bewundernswert wie Kai es schaffte alles, was Tyson sagte oder tat, zu überhören oder nicht zu sehen. Aber Kai war nicht da, was die Tatsache, dass er absolut nicht in dieses Team aus großmäuligen Idioten passte, nur noch mehr unterstrich.
 

„Tyson, nicht so laut. Die Leute gucken schon…“ Kennys Stimme war in der Stille obwohl geflüstert doch noch so laut, dass Tala nicht einmal hinsehen musste um zu erkennen wer gesprochen hatte.
 

„Aber er hat doch recht!“ Das war das Mädchen, dessen Name er vergessen haben musste, vorausgesetzt er hatte ihn jemals erfahren. „Das kann Kai doch nicht machen! Das ist Verrat!“
 

Tala wurde hellhörig und auch die beiden anderen Russen hefteten ihre Blicke nun interessiert auf den Tisch der Bladebreaker. Kai und Verrat, dass waren zwei Begriffe in einer Kombination, die ihnen durchaus bekannt vorkam.
 

„Kai kann doch nicht einfach so kurz vor den Meisterschaften das Team verlassen ohne uns wenigstens Bescheid zu sagen. Das wäre das Mindeste gewesen!“
 

So, Kai hatte also das Team also endlich offiziell verlassen. Tala war alles andere als überrascht. Er hatte so etwas schon vermutet. Spätestens seit neulich Morgen, als Boris plötzlich aufgetaucht war. Kai lag also wirklich nichts mehr an den Resten des zerfetzten Teams, dessen Leader er einmal gewesen war. Welch eine Überraschung.
 

„Es ist nicht mal das.“ rief Tyson zornig. „Er wollte mir nicht mal sagen zu wem er wechselt! Ich meine, er meint doch nicht ernsthaft, dass er überhaupt nicht teilnimmt. Was wenn es wieder genauso wird wie vor einem Jahr? Was wenn er sich wieder mit den Demolition Boys zusammentut und die wieder anfangen Bitbeasts zu klauen?“
 

Bryan, der gerade eine Kartoffel mit der Gabel bearbeitete, erstarrte mitten in der Bewegung und Spencer verschluckte sich an seinem Bier. Tala blieb gelassen. Er kannte Tyson nicht besonders gut, aber der blauhaarige Japaner war leicht zu durchschauen. Er sagte diese Dinge nur weil er frustriert war. Ein Effekt, den Kai auf viele Menschen hatte, eingeschlossen Tala selbst. Tyson wusste es besser als dass er solche Worte wirklich ernst meinen konnte, denn Fakt war, dass Tyson immer hinter Kai gestanden hatte, ganz egal was. Er hatte niemals aufgehört an ihn zu glauben und würde mit Sicherheit nicht jetzt damit anfangen. Tala hingegen war nicht so optimistisch.
 

Er wusste, dass er selbst und auch Bryan und Spencer niemals wieder so auftreten würden, wie sie es vor einem Jahr getan hatten, aber wer wusste schon was Kai tun würde? Wer konnte schon vorhersagen was Kai plante?
 

„Glaubst du wirklich, dass sie das gleiche noch mal versuchen würden, Tyson?“ Das war wieder dieses Mädchen mit der lauten, hohen Stimme. „Das wäre doch dumm. Ich meine, man würde sie doch sofort verdächtigen.“
 

„Woher soll ich denn das wissen, schau sie dir doch an, woher soll irgendwer wissen was Tala plant.“
 

Danke, dachte Tala und verzog die Lippen zu einem kalten, halben Grinsen, Seh ich vielleicht so aus, als würde ich gleich ein Messer aus dem Ärmel zaubern und hier Amok laufen?
 

Die Füße seines Stuhles kratzten lautstark über den Parkettboden, als der rothaarige Russe langsam aufstand. Sämtliche Blicke fuhren wie auf Befehl zu ihm herum, starrten nun ihn an und folgten ihm, als er mit langsamen Schritten und einem unmöglich deutbaren Blick zu dem Tisch hinüber ging an dem Tyson und seine Freunde saßen. Wenn solche Auseinandersetzungen beim Essen nun zum Alltag wurden, dann würde Tala zukünftig nur noch auf dem Zimmer essen.
 

„Du wirst es nicht glauben, Tyson.“ meinte er schließlich auf Englisch, als er vor dem Tisch stehen blieb und sich mit den Händen auf der Platte abstützte. „Aber ich bin nicht für alles verantwortlich, was in deinem Leben nicht so läuft, wie du es geplant hast.“
 

Kennys Gesicht war bei dem Anblick des herannahenden russischen Teamcaptains deutlich erbleicht. Tysons Ausdruck wirkte dagegen angespannt und misstrauisch. Das Mädchen starrte ihn beinahe offen feindselig an. Was man ihr wohl über ihn erzählt hatte? Auf Talas Lippen breitete sich ein schmales, zynisches Lächeln aus.
 

Im Raum war es noch immer still. Hier und da ein leises Flüstern, doch sonst nichts. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und Tala konnte sich nur allzu lebhaft vorstellen, was in den Köpfen dieser Menschen vor sich ging.
 

Schau ihn dir an, dass ist der Kapitän des Teams, das bei den letzten Meisterschaften Bitbeasts gestohlen hat. Die machen immer Ärger, ich will gar nicht wissen, was sie für dieses Mal geplant haben. Was Gutes kann es jedenfalls nicht sein.
 

Es war leicht ihre Gedanken zu lesen. Die ablehnenden und teilweise auch furchtsamen Blicke erzählten Geschichten. Tala kannte sie nur allzu gut und hatte gelernt, dass es das Beste war sie zu ignorieren. Im Moment aber wollte er vor allem eines, nämlich Tyson ein einziges Mal deutlich die Meinung sagen.
 

„Wir sind hier um uns über die Regeln für die nächste Meisterschaft zu informieren. Das ist alles.“ fuhr er schließlich mit ruhiger Stimme fort. „Wir haben weder vor irgendwen auf unsere Seite zu ziehen noch wollen wir uns irgendwelche Bitbeasts aneignen. Kai ist nicht im Team und ich werde ihm nichts dergleichen anbieten.“ Tala machte eine Pause und lehnte sich etwas weiter vor. Das Mädchen und der Knirps zuckten beinahe gleichzeitig zurück, während Tyson fest die Lippen aufeinander presste. „Du wirst es nicht glauben, aber wir planen überhaupt nichts. Wir stehen unter niemandes Kommando und wir werden nach den Regeln spielen.“ Tala richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Das kalte Lächeln blieb. „Wenn du Probleme in deinem Team hast, dann versuch sie zu lösen und schieb sie nicht auf andere. Ich will damit nichts zu tun haben.“
 

Mit einem letzten Blick bemerkte er zufrieden, dass seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Tysons Gesicht war leicht rot angelaufen und in seinen Zügen konnte man vages Schuldbewusstsein lesen. Der momentane Kapitän der Bladebreaker öffnete den Mund um etwas zu sagen und Tala war sich sicher, dass es sich dabei um eine Entschuldigung handelte, als mit einem Mal die Türe zum Saal mit einem lauten Krachen gegen die Wand schlug.
 

Alle Blick fuhren wie auf Kommando herum und auch Tala sah mehr oder minder überrascht zum Eingang hinüber. Hereingestürzt kam eine aufgelöste und deutlich wütende Emily. Ihr Gesicht war rot und in ihren Augen standen Tränen.
 

„Du!“ schrie das amerikanische Mädchen mit dem organroten Haar und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf Tala. Ihre Stimme war höher als sonst und trug eine Spur von Hysterie. Der rothaarige Russe zog die Brauen hoch. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?

„Wo hast du ihn versteckt?“
 

Und natürlich fixierten sich alle Blicke sofort wieder auf ihn. Tala musste nicht lange überlegen, er konnte sich ungefähr denken, was geschehen war, doch noch ehe er antworten konnte, standen bereits Michael und Eddy vor ihm. Michael packte Tala am Kragen seines Sweatshirts und riss ihn grob zu sich herum.
 

„Los, spuck’s aus, wo ist er!“ zischte der blonde Amerikaner und auch ihm war die Wut deutlich anzusehen. Tala blieb ungerührt und machte nicht die geringsten Anstalten sich aus dem Griff des anderen zu befreien. Er sah aus dem Augenwinkel wie Spencer und Bryan aufstanden und betont langsam herüber kamen. Sie würden nicht eingreifen. Zumindest nicht bis Tala ihnen ein Zeichen gab.
 

Der russische Teamleader tat nichts dergleichen. Er zog die Augenbrauen zusammen und sah Michael ohne Zögern in die Augen. Es war die pure Wut, die dem Amerikaner die Kraft gab dem bohrenden Blick standzuhalten.
 

„Ich habe keine Ahnung wovon du redest.“ erklärte Tala schließlich ruhig. Sein Gesicht war zu einer Maske erstarrt, das zynische Lächeln längst verblasst. Das hier war alles andere als gut.
 

„Du weißt ganz genau um was es geht!“ Eddy trat vor und packt Tala grob an der Schulter, dieser verzog nicht einmal das Gesicht und wandte den Blick nicht von Michael ab. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Spencer einen Schritt nach vorne machte um sich den braunhaarigen Amerikaner vorzuknöpfen, doch Tala gab ihm mit einer knappen Handbewegung zu verstehen, dass er sich zurückhalten sollte. Spencer blieb stehen und begnügte sich damit die beiden AllStarz finster anzustarren.
 

„Hey, Leute!“ rief mit einem Mal Tyson. Er war von seinem Stuhl aufgestanden und sah verwirrt zwischen Tala und den beiden Amerikanern hin und her. „Was ist den überhaupt los?“ Alle drei Amerikaner ignorierten ihn, doch genau in

diesem Augenblick betrat eine weitere Person den Saal.

„Max!“ rief Tyson und lief zu seinem Freund hinüber, während Eddy Tala einen Schlag gegen die Schulter versetzte, ihn dann losließ und einen Schritt zurücktrat. „Was ist passiert?“
 

Michael drehte sich zu seinen übrigen Teamkollegen um und wollte Tala am Kragen mitreißen, doch der Russe hatte sich für seinen Geschmack schon viel zu viel bieten lassen müssen. Er riss sich mit einem schnellen Ruck los und trat einen Schritt zurück um einen gewissen Abstand zwischen sich und die Amerikaner zu bringen. Michael fuhr zu ihm herum und starrte ihn wütend an, kam jedoch nicht dazu irgendetwas zu sagen, da Max endlich zu erklären begann.
 

Der blonde Japaner war deutlich außer Atem, als wäre er den ganzen Weg zum Speisesaal gerannt.

„Jemand hat Trygator gestohlen“ erklärte er schließlich während er sich mit den Händen auf den Knien abstützte. Das ansonsten permanent strahlende Lachen war von seinem Gesicht verschwunden und vager Sorge gewichen. „und unsere gesamte Ausrüstung zerstört.“
 

Tyson sah ihn erschrocken an und auch die restlichen Mitglieder der Bladebreaker trugen einen ähnlichen Ausdruck. Tala schloss für einen winzigen Moment die Augen. Etwas in ihm sackte in sich zusammen und zwängte sich wie ein dicker Kloß seine Kehle hinunter. Ihm wurde mit einem mal schrecklich kalt und er wusste, dass ab nun alles schwieriger und komplizierter werden würde. Er hatte weder Bryan noch Spencer mit in diese Sache hineinziehen wollen, hätte sich am liebsten selbst herausgehalten (was er aber sehr wahrscheinlich ohnehin nicht getan hätte), aber das war nun nicht mehr möglich.
 

Als er schließlich die Blicke der Umstehenden auf sich spürte, öffnete Tala die Augen. Er fühlte sich plötzlich schrecklich müde und wollte nichts lieber als einfach verschwinden, aber niemand würde ihn jetzt gehen lassen.

„Wir haben nichts damit zu tun.“ meinte er schließlich ruhig und das war alles, was er zu sagen hatte und vor allem war es eines, nämlich die Wahrheit.
 

Er spürte deutlich wie sich sowohl Spencer als auch Bryan hinter ihm anspannten während Michael sich erneut vor ihm aufbaute.

„Ach ja!?“ schnauzte ihn der blonde Amerikaner wütend an. „Und wer, denkst du, wird dir glauben?“
 

„Michael.“ versuchte Max seinen Teamleader zu beruhigen indem er ihm die Hand auf die Schulter legte, doch in seinem Blick lagen deutliche Zweifel. „Wir wissen doch gar nicht, ob sie es waren.“
 

„Und wer soll es sonst gewesen sein?“ erwiderte dieser barsch. „Letztes Mal waren sie es auch.“
 

Tala verkniff sich einen spöttischen und eher unangebrachten Kommentar zu diesem Argument und verzog die Lippen um ein Schnauben zu unterdrücken. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt um sich bei den anderen Teams noch beliebter zu machen.
 

„Kai“, sagte Emily auf einmal und Talas Augen verengten sich beinahe sofort beim Klang dieses Namens. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie sowohl Tyson als auch Max erschrocken dreinblickten, als hätte man ihnen eine Ohrfeige verpasst. „Kai war es, der unsere Bitbeasts das letzte Mal gestohlen hat.“
 

„Kai.“ wiederholte Michael und wandte sich wieder Tala zu. „Wo ist er?“
 

Tala schüttelte innerlich den Kopf und verzog die Lippen nun doch zu einem zynischen Grinsen. Hörte ihm denn niemand zu? Sah er etwa so aus, als wäre er über jeden Schritt den Kai tat im Bilde? Sah es nach außen hin so aus, als wären sie die besten Freunde?
 

„Er gehört nicht zu meinem Team“, antwortete er schließlich schlicht. „Woher soll ich das wissen?“ Er schüttelte den Kopf und das Grinsen verschwand erneut. „Idjem.“ sagte er laut ‚Gehen wir’ und ging dann an den umstehenden Beybladern, deren Blicke sich bei diesen Worte, die sie nicht verstanden, deutlich verfinsterten, vorbei zum Ausgang. Spencer und Bryan folgten ihm ohne zu Zögern.
 

~~~

So, das nächste Kapitel knüpft fast direkt hier an, es geht also weiter aus Talas Sicht. Ab jetzt wird es haarig und die eigentlich Geschichte beginnt.

NEUN

So, ich hoffe ich habe das Kapiteln nicht total vermurkst. Tut mir Leid, dass es etwas länger gedanuert hat, aber das Ende hat mir mehr Schwierigkeiten gemacht als erwartet. Ich wünsch euch viel Spaß! ^__^

~~~
 

NEUN|
 

Tala beugte sich vor und legte die Arme verschränkt auf die Tischplatte. Im Appartement der Demolition Boys war es vollkommen still bis auf das Trommeln der Regentropfen gegen die große Fensterfront. Der Abend war düster und mit dicken Wolken verhangen. Vielleicht würde es die ganze Nacht regnen.
 

Gut. Egal. Der Regen passte zu seiner momentanen Stimmung und eigentlich passte ihm das noch weniger als ein atemberaubender Sonnenuntergang mit goldenen Strahlen und schneeweißen Zuckerwattewolken. Das wäre wenigstens ironisch gewesen und er hätte sich darüber ärgern können, aber diese Bestätigung seiner Laune konnte er nun wirklich nicht brauchen. Sie war zu nichts nutze.
 

Spencer lag auf dem Sofa und sah an die weiße Decke hinauf, als liefe dort ein spannender Film, während Bryan an der Wand lehnte und etwas ganz anderes spannend zu finden schien. Talas Gesicht nämlich.
 

Tala spürte den Blick seines Teamkollegen schon seit geraumer Zeit und anfangs hatte er beschlossen ihn einfach zu ignorieren, inzwischen hatte er aber eher das Gefühl der Silberhaarige wolle ihn provozieren und ärgerlicherweise funktionierte es. Tala richtete sich auf, starrte finster zurück und wollte dem anderen eben mit barschen Worten davon unterrichten, dass er sich gefälligst eine andere Beschäftigung suchen sollte, als mit einem Mal das Telefon klingelte.
 

Der helle, beinahe surrende Ton, mit dem das Gerät absurd fröhlich vor sich hin trällerte, zerrüttete die mehr oder minder angenehme Stille auf brutale Art und Weise. Tala wandte seinen Blick von Bryan ab und spießte stattdessen nun das schneeweiße Telefon auf, das sich davon jedoch herrlich wenig beeindrucken ließ.
 

Tala rührte sich nicht und auch Bryan, der dem Telefon mit Abstand am nächsten war, zuckte nicht einmal, sonder starrte weiter auf seinen sitzenden Teamleader.

Mit einem tiefen Brummen erhob sich schließlich Spencer vom Sofa und durchquerte praktisch den ganzen Raum, der sowohl Wohnzimmer, Esszimmer als auch eine offene Küche beherbergte.
 

Tala ging nie ans Telefon. Er hasste es und die meisten Leute legten sofort wieder auf wenn Bryan antwortete, also war es irgendwann zur Gewohnheit geworden, dass nur noch Spencer den Apparat benutzte, während er von den anderen beiden schlichtweg ignoriert wurde. Wenn Spencer einmal nicht da war nahm eben niemand ab. Aber wozu gab es denn den Anrufbeantworter, den Spencer jedes Mal einschaltete wenn er die Wohnung verließ und jedes Mal abhörte, wenn er zurückkam.
 

„Hallo? …Mh…Hmh…“
 

Tala ließ von dem Telefon ab und wandte seinen Blick wieder Bryan zu, der ihn immer noch mit leicht zusammengekniffenen Augen ansah, als versuche er zu erkennen was sein Teamleader dachte oder ob er einen winzigen Pickel auf der Nase hatte. Erstere war dabei natürlich zu bevorzugen, auch wenn Tala im Augenblick beides deutlich auf die Nerven ging. Er wollte eben den Mund öffnen um seinen dreisten Teamkollegen zurechtzuweisen, als ihm dieses Mal Spencer zuvorkam.
 

„Tala“, sagte er und stockte, als er den Blick des Rothaarigen auffing. Tala sah ihn an, als wolle er ihn bei lebendigem Leibe verbrennen. Spencer zog überrascht die Brauen zusammen und hielt ihm dann den Hörer hin. „Dickenson will mit dir sprechen.“
 

Einen Augenblick lang schien es als würde Tala die Aufforderung nun doch ans Telefon zu gehen einfach ignorieren und vielleicht hätte Spencer nicht einmal mehr das überrascht. Bei Tala konnte man nie wissen und bei einem Tala mit schlechter Laune sowieso nicht. Dann erhob sich der Rothaarige jedoch, ging zu dem kleinen Pult hinüber, auf dem das Telefon stand und riss Spencer den Hörer förmlich aus der Hand. Spencer brachte schleunigst einen möglichst großen Abstand zwischen sich und Tala und verzog sich wieder auf das Sofa.
 

„Ja?“ antwortete Tala und machte sich nicht einmal Mühe die deutlich hörbare Gereiztheit aus seiner Stimme zu verbannen. Dickenson am anderen Ende der Leitung schien den Bruchteil eines Augenblicks zu zögern, begrüßte ihn dann jedoch mit der typischen lebhaft, fröhlichen Stimme, als wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen und draußen würde die Sonne scheinen.
 

Aber draußen regnete es und Tala gab sich alle Mühe nach einem „Hallo, Tala. Es tut mir wirklich schrecklich Leid, dass ich euch zu so später Stunde noch stören muss, aber mir sind da ein paar Dinge zu Ohren gekommen, über die ich gerne mit dir sprechen würde.“ nicht gleich wieder aufzulegen. Tala war geduldig und er konnte sehr viel erdulden, aber nicht nach einem Tag wie diesem.
 

„Ich denke du weißt bereits, was geschehen ist. Du weißt, dass man Emilys Beyblade gestohlen und das Appartement der AllStarz verwüstet hat, nicht wahr?“ Tala seufzte lautlos, nahm den Hörer in die andere Hand und strich sich mit der Freigewordenen eine rote Strähne aus dem Gesicht.
 

„Mr. Dickenson“, sagte er schließlich und seine Stimme klang plötzlich ruhig und ungerührt wie immer. Vielleicht ertrug er doch mehr, als er selbst vermutete. „Wir haben nichts damit zu tun.“ Er war es Leid und müde diesen Satz immer und immer wieder wiederholen zu müssen, aber natürlich waren sie diejenigen, die man als erstes verdächtigte. Vielleicht konnte man es ihnen nicht einmal übel nehmen.
 

„Ja“, antwortete Dickenson darauf und klang dabei so müde wie Tala sich fühlte. „Ich habe gehofft, dass du das sagen würdest und ich denke, dass ich dir glauben kann. Ihr Jungs seid nicht dumm und ihr habt euch das letzte Jahr über anständig verhalten.“ Tala war zum ersten Mal ernsthaft überrascht über die Worte des älteren Mannes. „Die anderen werden euch wahrscheinlich nicht glauben. Ein Jahr ist nicht so lange wie wir manchmal annehmen und Menschen vergessen nicht so schnell. Aber das ist eigentlich auch nicht der Grund, warum ich anrufe.“ er machte eine Pause und Tala wartete. „Tala, hast du irgendeine Ahnung, wer es gewesen sein könnte? Irgendeine Vermutung?“
 

Boris Name lag Tala auf der Zunge, doch er sprach ihn nicht aus. Für ihn war es klar, wer dahinter steckte. „Nein.“ antwortete er schließlich. Es gab einige Dinge, die er zunächst selbst klären musste, bevor er Boris an die BBA ausliefern konnte. Dinge, die er wissen musste.
 

Mr. Dickenson seufzte. „Ah, also nicht.“ meinte er und klang enttäuscht. „Gut, danke, Tala. Ihr werdet die Augen offen halten, nicht wahr? Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“ Er wartete vergeblich auf eine Antwort und legte dann auf.
 

Tala legte den Hörer zurück auf das Gerät und wandte sich dann langsam um. Man gewöhnte sich an die Telefonate mit Dickenson, wenn man mindestens einmal im Monat mit ihm sprechen musste. Es war eine der Bedingungen gewesen unter der die BBA zugestimmt hatte die Demoliton Boys in ihren ersten Jahren außerhalb der Abtei vor allem finanziell zu unterstützen. Sie mussten ständig in Kontakt bleiben und sich, wie Dickenson es so nett ausgedrückt hatte, anständig verhalten. Das hatten sie getan. Sie hatten den Tag über zum Training genutzt und waren am Abend in eine private Lehranstalt gegangen um ihren Schulabschluss nachzuholen, was natürlich absolut überflüssig gewesen war, da sie den gesamten Stoff und bei weitem mehr bereits in der Abtei beigebracht bekommen hatten. Aber sie hatten sich gebeugt, schließlich hatten sie genug Ärger gemacht und man musste ja seinen guten Willen zeigen. Keiner von ihnen war damit zufrieden, aber alles war besser als das Leben in der Abtei und schließlich war es nur vorübergehend.
 

Tala machte einen Schritt zurück und stützte sich mit den Händen im Rücken gegen das schmale Pult. Er sah auf und warf Bryan, der noch immer unweit entfernt an der Wand lehnte und ihn noch immer beinahe prüfend musterte, einen auffordernden Blick zu.

„Wenn du etwas wissen willst, dann frag.“ sagte er schließlich und es klang mehr wie eine Herausforderung und weniger wie eine eher harmlose Aufforderung.
 

Spencer richtete sich überrascht auf und schaute fragend zwischen seinen beiden Teamkollegen hin und her.
 

Bryan sagte nichts, wandte den Blick aber auch nicht ab. Es war nicht leicht Tala zu provozieren. Den meisten musste es sogar praktisch unmöglich vorkommen. Nicht weil er sich wirklich nicht provozieren ließ, sondern eher aus dem einfachen Grund, dass er darauf nicht so reagierte wie es andere Menschen taten. Die meisten erkannten gar nicht wenn Tala ernsthaft wütend wurde und wenn sie es doch waren hatten sie keinen Grund mehr sich darüber zu freuen.
 

Eigentlich war es einfach zu erkennen ob Tala wütend wurde oder nicht. Zumindest wenn man praktisch das ganze Leben damit verbracht hatte ihn zu beobachten, so wie Bryan es getan hatte.
 

„Ich werde dir nicht antworten, wenn du die Frage nicht stellst.“ sagte Tala und seine Stimme klang dabei gelassen und ruhig. Tala erhob selten die Stimme und Bryan hatte ihn nur wenige Male im Leben wirklich schreien hören. Das war lange her. Tala wurde selten wütend wie ein normaler Mensch wütend wurde.

Der Ausdruck in seinem Gesicht war normal, nichts sagend. Seine Augen blieben kalt und ungerührt. Seine Worte waren keine Aufforderung sondern eine Warnung.
 

Eine Warnung, die Bryan normalerweise wahrnahm um von dem jeweiligen Thema abzulassen, doch nicht dieses Mal. Nicht dieses Mal.
 

„Wo bist du Gestern gewesen?“ fragte er schließlich.
 

Es begann mit diesem schmalen, kalten, freudlosen Lächeln, das sich langsam auf seinen Lippen ausbreitete. Es hatte entfernt etwas Wölfisches an sich. Etwas Gefährliches. Talas Augen blitzten kalt. Der Rothaarige stieß sich vom dem kleinen Pult ab, trat einen Schritt vor und schob die Hände in die Hosentaschen. Nun kam der unangenehme Teil.
 

„Was glaubst du denn, was ich gemacht habe?“ fragte er anstatt zu antworten. Seine Stimme klang noch immer herausfordernd. Es war schon immer schwer gewesen von Tala eine Antwort zu bekommen, die er zum einen nicht geben wollte und von der er zum anderen glaubte, dass sie irgendjemand zu erfahren brauchte. Und normalerweise war es so gefährlich, dass es Bryan von vorne herein sein ließ. Zu versuchen Tala zu etwas zu zwingen, das er ganz eindeutig nicht wollte, war selten klug und ging niemals gut aus, aber manchmal (selten, zugegeben) war einfach nötig und vor allem wichtig. Tala sah das natürlich nicht ein.
 

„Ich weiß es nicht.“ antwortete Bryan schließlich und wirkte äußerst gelassen. Ein typisches Verhalten, das der Silberhaarige immer dann an den Tag legte, wenn er glaubte im Recht zu sein. „Deshalb frage ich dich.“
 

Es kam selten vor, dass Bryan eine seiner Warnungen in den Wind schlug und versuchte ihn zu provozieren. Im Normalfall tat Tala einen solchen Versuch einfach ab und ignorierte ihn und wahrscheinlich war es eben das, was Bryan von ihm erwartete, aber heute nicht. Heute hatte er Tala auf dem falschen Fuß erwischt. Erst Kai, dann Tyson, dann diese dämlichen AllStarz und nun Bryan. Irgendwann war genug.
 

„Du erinnerst dich vielleicht nicht daran, aber ich hab diese Frage schon gestern beantwortet.“ erwiderte er und gab sich keine Mühe zu verbergen wie sehr ihn das Verhalten des anderen ärgerte. Er machte einen weiteren Schritt auf Bryan zu und war sich deutlich darüber im Klaren, dass er, obwohl einen guten halben Kopf kleiner, derjenige war, der von beiden bedrohlicher wirkte.

Bryan öffnete den Mund um etwas zu sagen. Sein ganzer Körper spannte sich an, als bereite er sich auf einen physischen Angriff vor.
 

„Wenn du eine klare Antwort willst“, kam ihm Tala mit kalter, schneidender Stimme zuvor. „dann stell eine klare Frage.“ Das war Tala Ivanov, Kapitän der Demolition Boys und das nicht umsonst. Niemand hatte jemals ernsthaft seine Position angefochten.

„Du willst wissen, ob ich das Bitbeast gestohlen habe? Dann frag mich!“ Seine Stimme war nun deutlich lauter als zuvor, doch er schrei nicht. Noch nicht. „Du vertraust mir nicht? Dann sag mir das ins Gesicht und drucks nicht drum herum!“
 

Spencer war inzwischen aufgestanden und einige Schritte vorgetreten um im Notfall zwischen seine beiden Teamkollegen gehen zu können. Er hörte schweigen zu und war überrascht. Vielleicht überlegte er sich auch gerade, auf welche Seite er sich im Extremfall schlagen sollte. Nie hätte er gedacht, dass an diesem Abend noch zu einer solchen Auseinadersetzung kommen würde und nie hätte er gedacht, dass Bryan Tala so offen sein Misstrauen darlegen würde. Was war nur geschehen? Hatte er irgendetwas verpasst?
 

„Ich habe dir niemals vertraut, wenn es um Kai ging.“ erwiderte Bryan schließlich und seine Stimme klang leise im Gegensatz zu der Talas.

Spencers Augen weiteten sich ein wenig. Er hatte Bryan nie zuvor so mit Tala sprechen hören. Bryan hatte immer irgendwie auf Talas Seite gestanden, von Anfang an. Spencer hatte viel länger gebraucht um Tala so zu vertrauen wie er es heute tat. Aber Bryan hatte Tala niemals angezweifelt, zumindest nicht offen.
 

Talas Augen verengten sich in demselben Maße. Mit zwei schnellen Schritten war er bei Bryan und stand direkt vor dem Silberhaarigen. Einen Augenblick lang dachte Spencer, Tala würde Bryan am Kragen packen, doch er ließ es bleiben. „Du hast kein Recht dazu mir irgendetwas vorzuwerfen.“ zischte Tala und nun war er wirklich wütend. Spencer machte hilflos einen Schritt nach vorne, griff aber nicht ein. „Wenn du glaubst ich hätte irgendetwas damit zu tun, dann verschwinde. Jemanden wie dich kann ich in meinem Team nicht brauchen.“ Tala machte auf dem Absatz kehrt, ging an Spencer vorbei und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
 

„Tala!“ rief Spencer ihm hinterher, doch die einzige Antwort, die er bekam war das Zuschlagen der Zimmertür.
 

~~~

Ich bin nicht zufrieden mit dem Ende, aber ich bekomme Bryan momentan nicht besser hin. Bryan ist ein Charakter, der eher passiv ist und bei dem es recht schwer wird ihn aktiv einzusetzten.

Bitte verurteilt ihn und mich nicht jetzt gleich. Wartet das nächste Kapitel ab. Ich werde es entweder aus Bryans oder aus Spencers (ich tippe auf Spencer, denn er fällt mir wirklich momentan leichter und er ist zudem derjenige, der die Situation nicht ganz nachvollziehen kann) Sicht schreiben und zum Teil aus Talas. Dann sollte allerding Kai auch mal wieder auftauchen... Ich wusste, dass diese Geschichte ein Eigenleben entwickeln würde...
 

So, zudem bin ich ab Samstag eine Woche im Urlaub, dass bedeutet es wird etwas länger dauern. Allerdings werde ich mir alle Mühe geben danach so schnell wie möglich wieder hochzuladen. Wenn ich vor Samstag noch ein Kapitel schaffe schreibe ich wie gewohnt eine ENS an alle Kommentarschreiber und diejenigen, die benachrichtigt werden möchten.
 

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend,

Nordwind

ZEHN

So, Teil 2 der Demolition Boys internen Krise oder so. Wie versprochen bin ich aus dem Urlaub zurück und hab so schnell wie möglich hochgeladen. ^__^
 

ZEHN|
 

Mit einem Mal war es still in dem geräumigen Appartement. Nur das Trommeln der Regentropfen gegen die große Fensterfront untermalte das abrupte Schweigen. Draußen war es inzwischen völlig Nacht geworden. Eine Lampe direkt über dem Tisch beleuchtete den Essbereich. Die Küche und der Wohnbereich lagen in Dunkelheit.
 

Spencer drehte sich langsam um, wandte sich von dem Gang ab in dem die Türen zu den Schlafzimmern und zum Bad lagen und setzte sich an den Tisch, dem Platz gegenüber, an dem Tala vor einer kurzen Weile noch gesessen hatte. Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und machte für einen Moment die Augen zu. Er hasste es wenn eine falsche Stimmung im Team herrschte. Es kam glücklicherweise nicht allzu oft vor und wenn, dann war es meistens Talas Schuld.
 

Tala erzählte selten was er dachte und er hatte selten schlechte Laune, aber wenn dann konnte es schon sein, dass sie es alle nur allzu deutlich zu spüren bekamen. Normalerweise war es dann am Besten ihn einfach in Ruhe zu lassen und damit ergab sich die Sache praktisch von alleine. Wenn Bryan schlechte Laune hatte, ließ er sich gar nicht blicken und Spencer selbst, ja er selbst war der einzige, der zumindest im Ansatz über das redete, was ihm nicht passte. Die anderen beiden waren, auch wenn man es ihnen nicht unbedingt ansah, gute und vor allem geduldige Zuhörer. Vor allem Tala. Ihr Teamleader hatte seine Macken, aber er war immer bereit sich jedem Problem anzunehmen und es zu lösen, das einzige wirkliche Problem dabei war, dass er es zumeist alleine tat.
 

Normalerweise war es am Besten Tala einfach machen zu lassen. Er war nicht dumm und eigentlich gelang es ihm immer mit heiler Haut davon zu kommen. Es war nicht die perfekte Lösung mit der Spencer zufrieden war, aber sich mit Tala anzulegen war zum einen oft schmerzhaft und zum anderen herzlich aussichtslos. Blieb die Frage was Bryan dazu gebracht hatte es trotzdem zu tun.
 

Er richtete sich auf und wandte sich halb zu Bryan um, der noch immer gegen die Wand lehnte. „Muss ich erst fragen?“ wollte er wissen und seine Stimme klang neutral. Er hatte weder vor irgendjemandem etwas vorzuwerfen noch Bryan zu provozieren. Er kannte den Anderen lange genug um zu wissen, dass weder das eine noch das andere zu etwas führte. Er wartete. Bryan würde antworten, denn er war eben Bryan und nicht Tala, der direkten Fragen aus dem Weg ging wie der Pest.
 

„Er weiß etwas.“ erwiderte der Silberhaarige ruhig. Er versuchte nicht sich zu verteidigen, denn er sah keinen Grund darin. Bryan tat nur was er für richtig hielt und von dessen Richtigkeit er überzeugt war. „Er hat nicht vor es uns zu sagen.“
 

Natürlich hatte er das nicht. Das war Tala. Er war schon immer so gewesen. Wenn er ein Problem erkannte und eine Möglichkeit sah es alleine zu lösen, dann wollte er niemanden sonst mit hineinziehen. Tala war jemand, der niemals für sich selbst lebte, sonder immer in erster Hinsicht für jemand anderen. So war es schon immer gewesen und Bryan wusste das besser als Spencer und Bryan war immer der erste, der es bemerkte. Bryan war derjenige, der Tala am längsten kannte. Länger noch als Kai. Sie hatten sich schon vor der Abtei gekannt und das bedeutete wirkliche lange.
 

Tala war nicht umsonst Teamleader und war nicht umsonst widerspruchslos von allen als solcher anerkannt worden nachdem ihn Boris dazu ernannt hatte.
 

„Und was sollte das eben?“ fragte Spencer weiter. Das Tala etwas verheimlichte war nichts Neues. Es war nicht einmal unbedingt eine Seltenheit, eher Dauerzustand. „Du hättest ihn nicht so provozieren müssen.“
 

Bryan stieß sich von der Wand ab, kam an den Tisch und setzte sich Spencer gegenüber. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.

„Er hätte sonst überhaupt nichts gesagt.“ antwortete er, worauf Spencer ihm einen halb skeptischen, halb resignierenden Blick zuwarf.
 

„Er hat auch so nichts gesagt.“ erwiderte er und legte die Arme auf den Tisch. „Das hättest du dir doch denken können. Vor allem in so einer Laune. War doch klar, dass er dann nur noch mehr zumacht.“
 

Bryan nickte. „Mhm“, machte er zustimmend. „Aber ab und zu muss man ihn daran erinnern, dass wir uns nicht einfach damit abfinden.“ Spencer seufzte. Natürlich hatte Bryan irgendwo Recht. Wie meistens.
 

„Glaubst du wirklich, dass er irgendwas damit zu tun hat?“ fragte er schließlich, obwohl er die Antwort bereits kannte. Sie war klar und es war beinahe traurig, dass es so sein musste. Spencer war nicht unbedingt Bryans Meinung, vielleicht wollte er es auch gar nicht sein, aber die Vergangenheit gab ihm Recht. Irgendwo. Irgendwie.
 

„Wenn es um Kai geht ist er unberechenbar.“
 

~~~
 

Tala hatte das Licht ausgeschalten An sich stimmte das nicht, denn er hatte es überhaupt gar nicht erst angemacht, aber das war schlichte Wortklauberei, denn sowohl das eine als auch das andere führte im Endeffekt zu demselben Ergebnis: Das Licht war aus.
 

Er lag seitlich auf dem Bett und schaute zum Fenster hinaus. Die Vorhänge waren zurückgezogen und gaben den Blick auf die in Skyline Tokios frei, die sich in allen Farben leuchtend und blinkend vor dem pechschwarzen Himmel abzeichnete. Er hatte nie verstanden, warum die Menschen, sobald es dunkel wurde, immer unbedingt sofort ein Licht anmachen mussten. Schließlich war die Nacht mit Licht viel dunkler als ohne.
 

Tala hatte sich nie vor der Dunkelheit gefürchtet. Er konnte sich nicht an viel aus der Zeit vor der Abtei erinnern, aber besonders hell war es auch damals nie gewesen. In der Abtei hatte es ab sieben Uhr am Abend kein Licht mehr in den Schlafsälen gegeben. Man gewöhnte sich daran, schließlich konnte man sich an alles gewöhnen. Im Sommer war es recht egal, denn die Sonne ging erst um ungefähr acht Uhr unter, aber im Winter war es an manchen Tagen bereits gegen drei Uhr Nachmittag stockdunkel. Aufstehen mussten sie damals mit dem Sonnenaufgang, allerdings jenem im Sommer, was letztendlich bedeutete, dass das Licht um drei Uhr anging und den Schülern eine Stunde blieb um anständig wach zu werden. Man sollte meinen, dass man bei 17 bis 18 Stunden Dunkelheit am Tag elektrisches Licht zu schätzen lernte, doch nach ebenso vielen Stunden Training und Unterricht unter den grellen Neonröhren an den Decken der Räume wünschte man sich die Dunkelheit praktisch herbei. Nicht die vollkommene Dunkelheit, aber die Dunkelheit der Nacht, die durch das sanfte Licht des Mondes, das durch die Gitterstäbe vor den Fensterscheiben ins Zimmer kletterte, zerrüttet wurde.
 

Die Abtei war kein allzu übler Ort gewesen. Gewiss, der Unterricht war anspruchsvoll und die Trainingeinheiten anstrengend gewesen, aber an sich genommen war es ihm dort besser ergangen als jemals zuvor in seinem Leben. Letztendlich war es nämlich vor allem eines gewesen: eine Schule.
 

Eine Schule, in der man zu Essen bekam, in der es einen Arzt gab, der sich um Verletzungen und Erkrankungen kümmerte, ein solides Dach über dem Kopf und ein Bett mit einer Decke, die dick genug war, damit man im Winter nicht frieren musste. Eine Schule in die jeder aufgenommen wurde, der auch nur den Hauch von Talent besaß, ganz egal aus welcher Gesellschaftsschicht er stammte oder ob er genügend Geld besaß um die Unterrichts- und Verpflegungskosten abzudecken. Nichts war verlangt worden, außer dass man sich an die Regeln hielt und sich anständig anstrengte. Das war die Abtei gewesen, allerdings nur bis zu jenem Tag.
 

Er hatte sich ja für ach so witzig gehalten und geglaubt, niemand könne ihm die Stirn bieten. Er hatte sich bei Nacht aus dem Schlafsaal geschlichen und die Wachen hinters Licht geführt. Alles war so unkompliziert gewesen.

Wie alt war er damals gewesen? 9 oder 10? Ein Jahr ehe man ihn und Kai zusammengetan hatte um ein Team zu bilden. Kurz danach war Bryan dazugekommen und dann Spencer. Ian hatte erst später Kais Platz eingenommen, doch er hatte schon damals ab und zu mit ihnen die Trainingseinheiten absolviert.

Irgendwann war es gekommen, wie es hatte kommen müssen und natürlich war die Abtei nicht nur eine harmlose Schule gewesen.
 

An Tagen wie diesem wünschte sich Tala in diese Zeit zurück. Man konnte über die Abtei sagen, was man wollte und wahrscheinlich würde vieles davon der Wahrheit entsprechen, doch Tatsache war, dass sie damals, als sie noch Kinder gewesen waren und von all diesen Dingen nichts gewusst hatten, eine Menge Spaß gehabt hatten. Eine Menge Spaß und sie waren Freunde gewesen oder so etwas Ähnliches. Das Leben war ein Spiel gewesen und man hatte noch nicht alles so ernst nehmen müssen. Misstrauen lernt man erst mit der Zeit, dann wenn man einmal verraten wurde.
 

Tala drehte sich um, so dass er mit dem Gesicht zur schneeweißen Wand lag, auf der die Skyline schwache bunte Schatten warf. An Tagen wie diesem war er einfach nur müde. Er war es müde so zu tun, als mache ihm all das nichts aus und als hätte er immer für alles einen Plan B. Es tat weh, wenn Tyson ihn offen beschuldigte Kai auf irgendeine Art und Weise auf seine Seite gezogen zu haben und damit irgendetwas zu planen, es tat weh, wenn die AllStarz zu allererst zu ihm kamen, wenn etwas gestohlen wurde, mit der festen Überzeugung er hätte es persönlich getan und es tat verdammt noch mal weh, wenn selbst Bryan, ausgerechnet Bryan, von dem er geglaubt hatte, er müsse ihn besser kennen, dasselbe vermutete. Ihm war klar, dass er nicht gerade die Art von Person war, die schnell Vertrauen erweckte und er wusste auch, dass er kein Vertrauen verdient hatte. Er wusste warum sie ihn beschuldigten und dass sie es vielleicht sogar zu Recht taten, aber das musste nicht heißen, dass es ihm völlig egal war. Es traf ihn und es war kein schönes Gefühl. Wie ein Stich mit einer winzigen Nadel direkt ins Herz, der einen dumpfen, scheußlich bitteren Nachgeschmack hinterließ und selbst nach all den Jahren hatte er sich nicht daran gewöhnen können.
 

Er erwartete nicht, dass man ihm vertraute, er hatte es niemals verlangt. Das einzige, das er verlangte, war, dass man ihn in Ruhe ließ. Solange man über keinen stichhaltigen Beweis verfügte, sollte man ihn einfach in Ruhe lassen. Er war es müde sich immer wieder rechtfertigen zu müssen und irgendwelche Anschuldigungen abzuweisen. Er hasste es. Er war niemand, der vor der Verantwortung davonlief, aber er war nicht bereit für etwas gerade zu stehen, dass er nicht getan hatte. Sie sollten gefälligst anständig nachdenken und versuchen die Wahrheit herauszufinden, ehe sie zu ihm gerannt kamen.
 

Er vermisste es. Dieses Gefühl.
 

Tala wischte den Gedanken fort. Es war nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt sich in Selbstmitleid zu suhlen. Im Gegenteil. Es war Zeit, dass er entschied was zu tun war.
 

Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder er nahm es hin und wartete bis der Dieb gefunden wurde oder er fand ihn selbst. An sich gab es keine Wahl, das Problem löste sich von selbst. Ignorieren konnte er es nicht, weil er praktisch bereits wusste wer dahinter steckte. Die Frage die blieb, war jene, ob Boris es selbst getan oder ob er es tatsächlich geschafft hatte Kai auf seine Seite zu ziehen.
 

Etwas das er besaß und Kai wollte. Einfach, oder? Alles was Kai jemals angestrebt hatte seit jenem Tag an dem er Black Dranzer zum ersten Mal in den Händen gehalten hatte war Perfektion und das einzige Mittel um diese zu erreichen war Black Dranzer selbst. Also besaß Boris nun Black Dranzer und bot ihn Kai an, der im Gegenzug dafür Bitbeasts stehlen sollte? Simpel. Sehr simpel und plausibel. Konnte das die Lösung sein? Wieder Boris, der mit einer Bitbeastarmee… ja, was eigentlich? Was hatte er eigentlich damit gewinnen wollen? Macht? Einfluss? Geld? Und nun? Immer noch? Die Abtei war geschlossen, aber dass hieß nicht, dass man dort nicht mehr hineingelangte. War es denn noch nicht zu Ende? Noch nicht genug? Oder hatte man irgendwo eine andere Schule eröffnet, neue Labore? Oder hatte es die vielleicht schon lange gegeben? Was war das Ziel?
 

Es hatte keinen Zweck, nicht wahr? Er musste mit Boris persönlich sprechen oder wahlweise mit Kai. Tala war der einzige, der zumindest im groben wusste was vor sich ging. Er musste etwas tun, er konnte nicht einfach nur zusehen. Er musste handeln und das so schnell wie möglich.
 

Tala blieb liegen und regte sich nicht. Er blinzelte nicht einmal, sondern starrte lediglich geradewegs auf die im Dunkeln grau gewordene Wand. Er blinzelte nicht einmal dann, als es an der Tür klopfte und Spencer seinen Namen rief.
 

„Tala?“ drang Spencers Stimme dumpf durch das Holz der Tür. „Kann ich reinkommen?“
 

„Nein.“ brummte Tala schließlich leise und löste sich aus seiner Starre indem er sich auf den Rücken drehte. Scheinbar war seine Stimme zu leise gewesen, denn Spencer öffnete die Türe trotz allem und trat in den stockdunklen Raum.
 

„Tala?“
 

Das Licht ging an. Bryan stand im Türrahmen, die Hand auf dem Lichtschalter, Spencer einige Schritte vor ihm mitten im Raum.
 

Tala führ sich mit der Hand über die Augen. Seit wann waren die Beiden so penetrant und seit wann hatten sie scheinbar jeden Respekt vor ihm verloren?
 

Tala knurrte eine russische Verwünschung und klang dabei mehr wie ein bedrohtes Tier. Das dachte zumindest Spencer, als ihm leise Zweifel kamen, ob es so gut gewesen war Tala zu folgen. Der rothaarige Russe konnte sehr wütend werden, wenn man ihm nicht genügend Respekt entgegenbrachte und nicht den nötigen Abstand zu ihm einhielt. Tala hatte niemals jemanden besonders nahe an sich heran gelassen. Oder vielleicht doch, aber dann war es lange her.
 

Tala lag auf dem Bett mit dem Gesicht zur Decke gerichtet und mit geschlossenen Augen. Der rothaarige Russe rührte sich nicht und ignorierte seine beiden Teamkollegen vollkommen.
 

Spencer schluckte seine Zweifel hinunter und verbarg sie hinter einer Maske aus Ernst.

„Tala“, sagte er nun schon zum dritten Mal. Tala öffnete die Augen und setzte sich beinahe ruckartig auf.
 

„Ich kenne meinen Namen, Spencer“, schnitt er dem Blonden das Wort mit kalter Stimme ab, die keine Widerworte zuließ. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann tu’s und stammel nicht herum.“
 

Spencer kannte Tala gut genug um sich von diesen Worten nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Kannst du uns nicht einfach sagen, was du über diese Sache weißt?“ Er machte sich nicht allzu große Hoffnung mit dieser Frage, doch er musste es versuchen und Tala konnte von Zeit zu Zeit auch recht vernünftig sein. Manchmal.
 

Tala schweig einen Augenblick lang, bevor er schließlich antwortete.

„Ihr schuldet mir noch einen Gefallen.“ sagte er schließlich anstatt Spencers Frage zu beantworten. Er hasste es auf solche Mittel zurückgreifen zu müssen, aber er tat es ohne zu zögern, wenn es denn nötig war. „Haltet euch einfach heraus.“

ELF

So, ich werde am 1.9. anfangen in Mannheim zu studieren. Ich hoffe, dass ich diese Geschichte trotz Vorbereitungen und Umzug regelmäßig weiterschreiben kann. Ich werde mir jedenfall größte Mühe geben! ^__^
 

~~~
 

ELF|
 

Er spürte ihre Blicke auf sich. Er spürte sie ganz deutlich und langsam aber sicher begannen sie ihm auf die Nerven zu gehen. Er wusste was sie dachten, sie hatten es ihm nur allzu deutlich gesagt, obwohl er es bereits gewusste hatte noch ehe Lee dazu gekommen war den Mund zu öffnen. Am gestrigen Abend hatte man die Ausrüstung der AllStarz zerstört und heute am frühen Morgen hatte jemand die Umkleidekabine der White Tiger auf den Kopf gestellt. Immerhin war dieses Mal nichts gestohlen worden. Aber für ihn machte das keinen Unterschied.
 

Er nahm es ihnen nicht unbedingt übel, dass sie ihn verdächtigten. Im Gegenteil, er hatte sofort fest damit gerechnet, als er von dem ersten Vorfall erfahren hatte. Es war nicht allzu verwunderlich, wenn man in Betracht zog, was erst vor einem knappen Jahr geschehen war. Sie mussten ihn praktisch verdächtigen, was natürlich nichts daran änderte, dass er nicht der war, den sie suchten.
 

Kai legte den Kopf in den Nacken. Durch das gläserne Dach der Halle fielen die hellen, warmen Strahlen der Sonne. Es war früher Vormittag und der riesige Saal hatte noch nicht für Besucher geöffnet. Mr. Dickenson hatte in einem Anflug von großzügigem Zuvorkommen beschlossen den Mitgliedern der internationalen Teams die Möglichkeit zu bieten die Messe vor der offiziellen Eröffnung in aller Ruhe zu besuchen. Später, wenn die Halle sich mit Menschen füllte, würde dies kaum mehr möglich sein. Das Aufgebot war breit gefächert und beinhaltete alles, das auch nur im Entferntesten mit Thema ‚Beyblade’ zu tun hatte. Von den neusten Erfindungen über alt Bewährtes bis hin zu den skurrilsten Absurditäten.
 

Kai interessierte sich weder für eine Maschine, die ein Beyblade auseinander nehmen konnte um es zu reinigen und anschließend in der Lage war es wieder richtig zusammen zusetzten, noch für andere Dinge, die er nicht brauchte, da er derartige Tätigkeiten lieber selbst verrichtete. Von weitem sah er jedoch, dass Tyson sich dagegen sehr dafür begeisterte. Kai schüttelte nur den Kopf. Das war zu erwarten gewesen. Er selbst war nur gekommen, weil er gehört hatte, dass man eine neue Art von Angriffsringen vorstellen wollte. Solche aus leichterem, aber trotzdem stabilem Material. Leider aber hatte er feststellen müssen, dass die Ringe auf Grund der großen Hitze, die bei seinen Angriffen entstand, nicht für Dranzer geeignet waren. Zu schade, aber nicht im Mindesten relevant. Er war zufrieden mit dem was er hatte. Er gab ohnehin nicht allzu viel darauf. Natürlich war es wichtig die richtige Ausrüstung zu besitzen, jedoch kam es letzten Endes doch auf die eigene Technik und die passende Taktik an. Auf die Ausrüstung alleine konnte man sich nicht verlassen, sie war nur eine nützliche Ergänzung.
 

Wie dem auch sei, Kai hatte keinen Grund mehr sich länger in dieser Halle aufzuhalten, die bereits in einer Stunde von einer Flutwelle an Besuchern überschwemmt werden würde. Er schob die Hände in die Hosentaschen und wandte sich zum Gehen. Man hatte ihnen den Hintereingang geöffnet, da die vorderen Türen bereits Fans belagert wurden. Er hatte die Doppeltür, über der ein Schild mit der Aufschrift ‚Notausgang’ hing, beinahe erreicht, als er auf einmal eilige, aber trotz allem sehr leise Schritte wahrnahm, die sich ihm unweigerlich näherten. Er wandte den Blick ein stück zur Seite und blieb stehen, als er Ray erkannte, der unmittelbar auf ihn zukam.
 

Der Chinese trug ein Lächeln auf den Lippen, an das man sich gewöhnen musste, wenn man allzu lange mit ihm zu tun hatte. Es erreichte seine Augen nur selten und im Augenblick war es meilenweit davon entfernt. Das war zu erarten gewesen. Wenn der Dieb es nun tatsächlich auf die White Tiger abgesehen hatte, so mussten sie alle gut aufpassen. Um Ray machte er sich jedoch nicht allzu viele Sorgen. Dem Schwarzhaarigen entging selten etwas und mit Sicherheit würde er Drigger nun nicht mehr aus der Hand geben.
 

„Kai.“
 

Etwas in der Art wie Ray seinen Namen sagte gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war kein vorwurfsvoller Ton und auch keiner, der ankündigte, dass in wenigen Sekunden ein weiterer Schwall wütender Anschuldigungen über ihn hinwegschwemmen würde. Im Gegenteil. Ray sagte seinen Namen auf eine Art und Weise, dass man vermuten würde er spräche mit einem verletzten Tier und das traf definitiv nicht zu.

Keiner der hiesigen Beyblader war in der Lage Kai zu verletzten. Zumindest nicht mit Worten. Sie wussten zu wenig von ihm um einen wunden Punkt zu treffen und sie standen ihm nicht nahe genug, damit ihre Worte ihn mit voller Kraft erreichten. Sie konnten ihn beschuldigen so viel sie wollte, das würde aber immer noch nichts daran ändern, dass er wusste, dass er selbst nichts mit dem Diebstahl zu tun hatte.
 

Kai antwortete nicht. Er sah Ray direkt in die Augen, eine stumme Aufforderung weiter zu sprechen.
 

„Ich weiß, dass du nichts damit zu tun hast.“ erklärte der Schwarzhaarige. Es war doch seltsam wie überzeugt ein Mensch klingen konnte, obwohl er sich in Wirklichkeit gar nicht so sicher war. Rays Worte überraschten ihn nicht. Seit er den Bladbreakern vor ungefähr zwei Jahren beigetreten war, hatte Ray sein Misstrauen gegenüber anderen relativ schnell aufgegeben. Das viele Reisen und die vielen Menschen denen sie begegnet waren hatten ihn offener gemacht. Das bedeutete nicht, dass Ray auf eine dumme Art vertrauensselig war. Im Gegenteil, dafür war er nämlich viel zu klug. Es war eher so, dass er ungefähr wusste, wem er vollends vertrauen konnte und wem eher weniger. Dieses Mal jedoch war er sich nicht allzu sicher, auch wenn er vorgab es zu sein.
 

„Es ist nicht deine Art auf eine direkte Frage zu lügen. Du hättest offen zugegeben, dass du hinter dieser Sache steckst, wenn man dich danach fragt.“ schloss Ray.
 

Netter Versuch, dachte Kai und ein schales, freudloses Lächeln zwang sich unwillkürlich auf seine Lippen. Ray war nicht so dumm. Er wusste sehr wohl, dass Kai sehr gut lügen konnte, wenn es sein musste. Was er eigentlich sagen wollte war: Ich weiß, dass du nicht so dumm bist und denselben Fehler zweimal machst. Aber was wusste Ray schon von seinen Fehlern?

Ray fühlte sich mit dem Lächeln auf Kais Lippen wohl bestätigt, denn er fuhr ohne zu zögern fort.
 

„Glaubst du, dass Tala es getan haben könnte?“
 

Das Lächeln verschwand ins Nichts, als wäre es nie gewesen. Nun ging das wieder los, aber sicher, wenn er selbst wegfiel blieb Tala an erster Stelle auf der Liste der Verdächtigen. Würde das immer so bleiben?

„Tala steht nicht mehr unter Boris’ Kommando, also was meinst, du? Warum sollte er Bitbeasts stehlen?“ Kais Stimme klang kalt und es zeigte Wirkung. Ray zog ein wenig die Brauen zusammen und zögerte, ehe er antwortete.
 

„Ich weiß nicht“, erwiderte er schließlich vorsichtig. „Ich dachte nur…“
 

„Ich werde dir etwas erzählen.“ unterbrach ihn Kai ungerührt. ‚Ich dachte nur’ was? Was hatte Ray gedacht? Dass Tala eben auf der falschen Seite stand und deshalb immer dort gewesen ist und immer dort bleiben würde? Oh ja, es war ja so einfach die Schuld bei denen zu suchen, die ohnehin schon schuldig waren.
 

„Es gibt Menschen, die sind zu gut für diese Welt. Es gibt Menschen, die glauben allen anderen helfen zu müssen, egal wem, die mit denen Mitleid haben, die in den Augen von anderen kein Mitleid verdient haben. Es gibt Menschen, die haben keine Vorurteile, niemandem gegenüber, Menschen, die nicht wütend werden, egal was man ihnen an den Kopf wirft, solange es sich nur gegen sie selbst richtete. Es gibt Menschen, die sich anschreien und sogar niederschlagen lassen, solange sie glauben, dass es einem anderen hilft. Es gibt Menschen, die den Mund halten, selbst wenn sie im Recht sind. Es gibt Menschen, die würden alles tun um einem anderen zu helfen, selbst wenn dieser andere ein völlig Fremder ist. Das sind Menschen, die es nicht verdienen, dass ihnen irgendetwas Schlechtes zustößt, aber meistens findet das Schlechte sie trotzdem. Hast du jemals so einen Menschen gekannt, Ray?“ Kais rotbraune Augen bohrten sich in die Goldenen des Chinesen, der beinahe einen Schritt zurück trat. Ray war nicht dumm, er würde verstehen. Im Augenblick jedoch wirkte er eher etwas verwirrt.
 

„Weißt du was mit solchen Menschen früher oder später geschieht?“ fuhr Kai fort. „Sie brechen zusammen oder sie bringen sich um, weil sie es nicht ertragen können, wie schlecht die Welt ist und dass sie nicht immer jeden retten können, weil es einfach nicht möglich ist und die Welt nicht gerecht. Weißt du, was mit solchen Menschen in der Abtei geschieht, wo sie weder die Möglichkeit haben zusammenzubrechen, noch sich umzubringen? Sie bauen eine Mauer um sich herum und lassen niemanden mehr an sich heran. Sie versuchen zu vergessen, aber man vergisst nie, man vergräbt nur und sie vergraben sehr tief.“
 

Ray schwieg. Es schien beinahe, als bräuchte er einen Moment um die Worte zu verdauen. Es überraschte ihn wohl nicht nur, dass Kai so viel sagte, sondern eher, dass er sich überhaupt die Mühe machte zu versuchen etwas zu erklären. Aber was genau wollte er damit sagen? „Sprichst du von dir selbst?“ fragte er schließlich. Das Lächeln war inzwischen auch von seinen Lippen verschwunden und einem ernsten Ausdruck gewichen.
 

Kai maß ihn den Bruchteil eines Augenblicks mit einem seltsamen, nachdenklichen Blick. „Nein.“ antwortete er schließlich. „Ich spreche nicht von mir, aber wenn du begriffen hast, was ich eben gesagt habe, dann solltest du dir keine Gedanken darüber machen ob Tala es getan haben könnte, sondern warum.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab, legte die kurze Strecke zum Ausgang zurück und war einen Moment später aus der Halle verschwunden.
 

Wenn man die Frage geklärt hatte warum Tala etwas Derartiges getan haben könnte, beantwortete sich jene ob er es getan haben könnte praktisch von selbst. Es war ebenso erschreckend wie logisch. Wenn es einen Grund für Tala gab es zu tun, dann hatte er es getan.
 

Kai trat hinaus an die frische Luft ins grelle Sonnenlicht. Der Hinterausgang der Halle führte in ein kleines eingezäuntes Stück des Parks an den auch die Trainingshalle und das Hotel grenzten. Die Luft war kühl, aber nicht kalt und die Sonnenstrahlen hell aber nicht warm. Ein angenehmer Frühlingstag, der im Augenblick ein wenig absurd und unpassend wirkte, aber an dem man nun mal nichts ändern konnte.
 

Blieb die Frage, was Boris Tala versprochen hatte, damit er wieder für ihn arbeitete und es blieb die Frage, was er für Kai selbst plante. Etwas das Boris besaß und er würde haben wollen? Was konnte das sein. Das einzige, das Boris jemals besessen und Kai interessiert hatte, war Black Dranzer gewesen, aber Boris besaß Black Dranzer nicht.
 

Er konnte abwarten, was geschehen würde. Er konnte abwarten oder mit Boris reden oder wahlweise auch mit Tala. Aber mit Tala zu reden war kompliziert. Das war es beinahe immer gewesen, zwar nicht unbedingt auf die gleiche Weise wie nun, aber trotz allem kompliziert.
 

Tala war nie jemand gewesen, der gerne redete oder doch? Doch, eigentlich hatte Tala immer sehr viel gesprochen. Über Dinge, die er gesehen hatte, die ihn faszinierten, über andere Menschen, denen er begegnet war, manchmal über Dinge, die er dachte und niemals über sich selbst. Es war lange her. Sehr lange, vielleicht viel zu lange, aber Kai konnte sich relativ gut daran erinnern. Tala hatte Fragen, die ihm gestellt wurden, gemieden wie die Pest und praktisch nie darauf geantwortet und eben das würde er zweifelsohne noch immer tun. erst recht nach allem was geschehen war.
 

~~~
 

Der Nachmittag war angenehm. Es gab noch immer kaum Wolken am Himmel und die Sonne brannte noch immer herab, doch inzwischen ging ein frischer, leicht kühler Wind. Das Stadion war zum bersten voll mit jubelnden und kreischenden Fans. Im Augenblick verließ der letzte Beyblader das Podium, die Vorstellung der Weltelite war somit beendet.
 

Kai kannte den Jungen nicht, aber das war egal, solange er nur nicht weiter im Schneckentempo die Stufen hinunter stieg. Er schloss die Augen nur um nicht sehen zu müssen wie der Braunhaarige noch mehr Zeit vertrödelte. Sie alle, also alle bekannten Beyblader standen (und das waren eine Menge und darunter viele, die Kais Meinung nach hier nichts zu suchen hatten) in der Mitte des Stadions während Mr Dickenson und Jazman, der zu allem Übel auch wirklich überall dabei sein musst, sich inzwischen auf das Podium begeben hatten.
 

„So, das war die Weltspitze, die ihr bei den Weltmeisterschaften nächstes Jahr zu sehen bekommen werdet!“ rief Jazman und das Stadion tobte. Applaus und Jubelrufe gingen durch die Bankreihen. Jazman wartete einen Augenblick bis sich die Zuschauer wieder ein wenig beruhigt hatten, ehe er weiter sprach. „Aber bevor wir das Programm für heute beenden, haben wir noch eine Überraschung für euch!“ Ein breites Grinsen breitete sich auf den Lippen des schwarzhaarigen jungen Mannes aus. „Als kleiner Vorgeschmack auf die Meisterschaften wollen wir euch zeigen, was unsere Leute wirklich drauf haben. Wir bieten euch ein Match der Extraklasse!“
 

Wieder Jubel und erneutes Geschrei, das Kai schon vor einer knappen stunde auf die Nerven gegangen war. Es gab Dinge, die waren schlicht und einfach absolut unnütz und dazu zählte allem voran diese Veranstaltung. Dickenson hatte ausdrücklich um sein Erscheinen gebeten und auch wenn er durch sein Austreten aus Team zu nichts mehr verpflichtet war, so schuldete er dem älteren Mann doch den ein oder anderen Gefallen.
 

„Die beiden Kontrahenten werden zwei der Beyblader sein, die wir euch gerade vorgestellt haben. Sie werden von Mr Dickenson, dem Vorsitzenden der BeyBlading Association gezogen!“ Mr Dickenso verneigte sich leicht mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Eine Gläserne Kugel mit einem kreisrunden Loch an einer Seite, die sich auf einem Drahtgestell befand wurde auf das Podium getragen und dort abgestellt. In der Kugel befanden sich viele kleinere, silberne Kugeln. „Mr Dickenson, wenn sie bitte den ersten Teilnehmer ziehen würden.“
 

Dickenson nickte leicht, ging zu der Kugel hinüber und schob einen arm durch das Loch ins Innere. Er griff nach einer der silbernen Kugel, zog sie heraus und übergab sie Jazman. Der Moderator schraubte die Kugel auf, nahm einen kleinen Zettel heraus und entfaltete ihn.

„Unser erster Teilnehmer ist: TALA von den Demolition Boys!“
 

Der Applaus war verhalten. Natürlich gab es ein wenig Jubel und ein Bisschen Gekreische, aber es war nicht einmal annähernd so laut wie zuvor. Kai war sich sicher, dass Tala das nicht im Geringsten interessierte, als er langsam auf das Podium stieg. Jazman hingegen schien es durchaus zu bemerken.

„Aber Freunde, das könnt ihr doch besser!“ rief er laut. „Tala ist immerhin-…“ In diesem Moment drehte er sich zu Tala um, der ihm einen Blich zuwarf, der Jazman unwillkürlich abbrechen ließ. Der Moderator verschluckte sich an seinen Worten, gab sein Vorhaben, Tala schön reden zu wollen, augenblicklich auf und wandte sich erneut dem Publikum zu. „Schauen wir uns lieber an, wer Talas Gegner sein wird. Mr Dickenson, wenn sie bitte-…“
 

„Kai.“ sagte Tala und unterbrach Jazman damit erneut. Dieser wandte sich überrascht zu dem rothaarigen Russen um und starrte ihn aus großen Augen an.
 

„Was?“
 

„Kai wird mein Gegner sein.“ erwiderte Tala mit einem kalten Ton in der Stimme, der keinen Widerspruch gestattete.
 

~~~

So, Zeit das wieder ein Bisschen was passiert. ^__^

ZWÖLF

Nach der x-ten Überarbeitung bin ich endlich einigermaßen zufrieden mit diesem Kapitel. Allerdings werde ich es mir überlegen, ob in dieser Geschichte noch ein weiteres Match vorkommen wird. Ich hatte es gar nicht mehr so anstrengend in Erinnerung etwas Deratiges zu schreiben...
 

~~~
 

ZWÖLF|
 

Hätte Mr. Dickenson auch nur einen Funken anständigen Verstandes besessen, so hätte er Tala ins Gesicht gelacht und einen Kugel gezogen. Stattdessen nickte er jedoch lediglich und ließ ihn gewähren. Niemand widersprach Tala, niemals, und schon gar nicht Mr. Dickenson. Wäre er nur für einen Augenblick nicht der verblendete und naive alte Mann gewesen, der er, bei allem Respekt für sein friedliebendes Wesen, nun einmal war, so hätte er den Gegner persönlich gewählt und einen der weniger bekannten Beyblader genommen. Der Vorsitzende der BBA war ein respektabler und guter Mann, der für alle immer das Beste wollte, doch seine Einschätzungsvermögen anderen Menschen gegenüber ließ des Öfteren zu Wünschen übrig. Er versuchte in allen Menschen immer nur das Beste zu sehen, aber nicht jeder Mensch war nun einmal von Grund auf gut und manche konnten oder wollten es auch gar nicht sein.

Mr. Dickenson hingegen konnte oder wollte dagegen nicht sehen welches Unheil er möglicherweise heraufbeschwor. Er nickte Kai mit einem freundlichen Lächeln zu und bat ihn auf das Podium.
 

Jazman zögerte den Bruchteil eines Augenblicks, dann zuckte er jedoch lediglich mit den Schultern. „Tala von den Demolition Boys gegen Kai Hiwatari, den ehemaligen Teamleader der Bladerbreaker!“
 

Kai blendete das aufkommende Geschrei und die Sprechgesänge aus. Sonnenstrahlen fielen ihm ins Gesicht, während er die Stufen empor stieg. Es erschien ihm mit einem Mal falsch und fahl. Dieses Match würde nicht gut enden.

In Mr. Dickensons Augen war ein Match nichts weiter als ein faires Kräftemessen zwischen zwei begeisterten Anhängern derselben Sportart, ein freundschaftliches Spiel. Vielleicht sollte es das auch sein, vielleicht war es auch irgendwann einmal so gewesen, aber jeder, der sich regelmäßig Wettbewerbe oder zumindest die Weltmeisterschaften im letzten Jahr angesehen hatte, musste inzwischen begriffen haben, dass es so nun einmal nicht war. So einfach.
 

Er stieg die letzte Stufe hinauf und blieb dann stehen. Seine Augen streiften kurz Mr. Dickenson, dann Jazman und hielten schließlich inne, als sie auf die Talas trafen. Es war schwer zu beschreiben, was er dort in den eisblauen Tiefen sah. Früher einmal, vor langer Zeit, war es einfach gewesen in Tala zu lesen. Zumindest für Kai. Es war einfach gewesen zu erraten was er dachte und fühlte, was er mit dem was er tat bezweckte, doch heute, heute sah er lediglich die Oberfläche. Talas Augen, nein, Talas ganzes Selbst glich einem zugefrorenem See. Einem See, dessen Tiefe man nur erahnen konnte, mit einer dicken Eisschicht, bei der man ständig befürchten musste an eine dünne Stelle zu gelangen und einzubrechen, wenn man zu weit ging.
 

Es war ein seltsames Gefühl Tala so blind gegenüber zu stehen wie ein Fremder, der er nun einmal nicht war. Oder doch, eigentlich waren sie einander inzwischen so fremd wie nur irgend möglich. Damals waren sie schließlich noch Kinder gewesen.

Man sollte meinen, er hätte sich in der langen Zwischenzeit daran gewöhnt, doch manchmal fiel es ihm schwer zu glauben, dass Tala nicht mehr dieselbe Person war, der er einst so nahe gestanden hatte wie einem Bruder. Nein, nicht wie einem Bruder. Bruder war nicht das rechte Wort. Aber das machte nichts, denn heute waren sie mehr Fremde. Er hatte ihn vor einem Jahr kaum wieder erkannt.
 

Talas Augen waren kalt. Kalt wie sie vor einem Jahr gewesen waren, doch etwas hatte sich verändert. Etwas in diesem Blick war anders. Etwas fehlte. Ein Funken, irgendetwas. Irgendetwas, das im vergangenen Jahr noch vorhanden gewesen war. Etwas.
 

Jazman sagte etwas, worauf er und Dickenson das Podium verließen. Kai achtete nicht darauf, er blendete die Stimmen aus, blendete alles um sich herum aus und konzentrierte sich nur auf Tala und auf den fehlenden Funken. Er wandte sich nicht einmal ab, als das Podium sich in der Mitte zwischen ihm und Tala teilte und die beiden Teile in entgegen gesetzten Richtungen wie auf Schienen zurückfuhren. Er beachtete die Kluft nicht, die sich zwischen ihnen auftat und immer größer wurde und auch nicht die in den Boden eingelassene Bowl, die an der freigewordenen Stelle zum Vorschein kam.
 

Was mochte es sein? Was war verschwunden? Es war ein taubes Gefühl. Nicht schmerzhaft, aber auch nicht angenehm. Dumpf. Ein dumpfes Gefühl, wie ein Schatten, den man nicht immer sieht, aber dessen Existenz man sich bewusst ist. Ein Gefühl der Resignation. Leere. Seltsam.
 

„Hast du Angst?“
 

Kai blinzelte als er Talas spöttische Stimme vernahm, die ihn schließlich aus seinen Gedanken riss. Die beiden Teile des Podiums, auf denen nun je einer von ihnen stand, hatten sich inzwischen je auf einer Seite der Bowl platziert. Tala hatte bereits seinen Shooter gezückt und zielte damit unvermittelt auf Kai. Sein Gesicht war starr wie eine Maske, die Augen unverändert.
 

„Todesangst.“ gab Kai gelassen zurück. Er zog Dranzer und befestigte das dunkelblaue Beyblade an seinem Shooter.

Sie brauchten keinen Countdown, niemanden der ihnen ein Zeichen gab oder ein Wort sprach, damit sie zeitgleich beginnen konnten. Wolborg und Dranzer berührten gleichzeitig den Boden der Bowl. Ohne ein Wort oder ein Zeichen. Sie landeten am Rande des Beckens und begannen gleichzeitig in gleicher Geschwindigkeit mit nach vorne und hinten jeweils gleichmäßigem Abstand zu einander ihre Kreise im Stadion zu ziehen. Sie waren dabei absolut synchron.
 

„Was hast du vor?“ fragte Kai schließlich und wechselte übergangslos ins Russische. Niemand brauchte zu hören, worüber sie sprachen. Niemand würde es verstehen außer Bryan und Spencer, die ohnehin über alles Bescheid wissen würden, wenn sie es denn nicht schon bereits taten.
 

„Ich will herausfinden, ob Spencer dich besiegen könnte.“ erwiderte Tala in derselben Sprache, mit demselben ungerührten, desinteressierten Ton. Für einen Außenstehenden musste es sich anhören, als sprächen sie über das Wetter.
 

Im Stadion war es inzwischen mucksmäuschenstill geworden. Das unerwartete Ignorieren des Countdowns, der normalerweise den Beginn eines Matchs ankündigte, und der trotz allem perfekt synchrone Start der beiden Spitzenbeyblader hatte den Zuschauern wohl zunächst einmal die Sprache verschlagen.
 

„Das hat er vor einem Jahr schon getan.“ erwiderte Kai. Seine Augen waren nicht ein einziges Mal zu Dranzer hinuntergewandert und auch Talas Augen ruhten noch immer auf denen Kais. Es war nicht der richtige Zeitpunkt sich provozieren zu lassen, wenn es diesen überhaupt jemals gab.
 

„Nein“, konterte Tala und etwas in seinen Augen änderte sich. Sie blitzten mit einem Mal herausfordernd auf. „Du hast ihn gewinnen lassen. Spencer könnte dich niemals schlagen.“
 

Wolborg beschrieb mit einem Mal einen Bogen und hielt nun direkt auf Dranzer zu. Beide Beyblades beschleunigten im winzigen Bruchteil einer Sekunde derart, dass sie eigentlich im nächsten Augenblick hätten aufeinanderprallen müssen, doch anstatt einem lauten Krachen, dem Splitern von Teilen und einer kleinen Explosion geschah überhaupt nichts. Stattdessen waren beide Beyblades, sowohl das Blaue als auch das Schneeweiße, mit einem Mal spurlos verschwunden.
 

Ein Raunen ging durch die Reihen der Tribüne anschließend folgte ehrfürchtiges Schweigen.
 

Dann, beinahe sofort, erschien Wolborg in der Mitte der Bowl auf einer Stelle kreiselnd und Dranzer den Bruchteil eines Augenblick später direkt über ihm in der Luft. Wie aus dem Nichts stürzte das blaue Beyblade mit rasanter Geschwindigkeit auf das Weiße hinab. Einen winzigen Augenblick ehe die beiden aufeinander zu prallen drohten, wich Wolborg zur Seite aus und Dranzer, beinahe als hätten sie sich abgesprochen, tat es ihm in die entgegen gesetzte Richtung nach. Erneut nahmen die beiden Beyblades ihre Ausgangsposition auf halber Höhe am Rand der Bowl ein und zogen dort wiederum in derselben Geschwindigkeit ihre Kreise.
 

Das ganze Spiel glich dabei eher einem einstudierten Tanz als einem Match in dem zwei Kotrahenten um den Sieg kämpften.
 

„Also“, nahm Tala das Gespräch erneut auf. „Warum?“
 

„Warum was?“ fragte Kai zurück. Inzwischen waren seine Augen fest und konzentriert auf Dranzer fixiert, trotzdem nahm er aus dem Augenwinkel wahr wie sich Talas Lippen zu einem vagen Lächeln verzogen.
 

„Warum hast du ihn gewinnen lassen?“ gab Tala gelassen zurück. Er war sich dessen bewusst, dass Kai ganz genau wusste wovon er sprach. Natürlich war er das. Einen Moment lang überlegte Kai, ob er nicht einfach wahrheitsgemäß auf die Frage antworten sollte anstatt schlichtweg zu schweigen und damit praktisch zu gestehen. Das Problem dabei war nur, dass Tala ihm zum einen sehr wahrscheinlich nicht glauben würde und zum anderen wohl nicht wirklich daran interessiert war, eine Antwort zu bekommen, sonder eher daran ihn abzulenken. Es gab eine dritte Möglichkeit, die beste Möglichkeit.
 

„Gegenfrage.“ erwiderte Kai schließlich und sah endlich zu Tala auf. „Warum hast du Tyson gewinnen lassen?“ Tala war ein Meister des Überspielens und er machte diesem Titel alle Ehre indem er, anstatt das Lächeln auf seinen Lippen vor Überraschung erstarren zu lassen, es aufrecht erhielt und lediglich eine Augenbraue hob, so dass er beinahe belustigt gewirkt hätte, hätte das Lächeln auch seine Augen erreicht.
 

„Tyson hat einen fairen Kampf gewonnen.“ antwortete Tala ungerührt.
 

„Er hätte den Kampf fair gewonnen, aber du hättest es ihm nicht unnötig leicht machen müssen.“
 

Anstatt etwas darauf zu erwidern, griff Tala plötzlich an. Wolborg war mit einem Mal direkt neben Dranzer und griff das blaue Beyblade von der Seite her an. Kai, der mit einem solchen Angriff nicht direkt gerechnet, aber zumindest darauf vorbereitet gewesen war, ließ seinen Dranzer zurückfallen, so dass Wolborg ihn um Haaresbreite verfehlte. Tala ließ sich dadurch jedoch keineswegs irritieren, geschweige denn entmutigen. Stattdessen wechselte Wolborg in Sekundenschnelle die Richtung und griff nun diagonal von Vorne an, doch erneut war Dranzer einen Hauch schneller und beschleunigte um dem Angriff erneut auszuweichen, dieses Mal jedoch nach Vorne. Dieses Spiel wiederholte sich einige Male.
 

Kai machte sich nichts vor. Im Gegenteil, er hatte bereits damit gerechnet, dass Tala ihn zunächst testen würde. Balance und Schnelligkeit waren schon seit jeher seine Stärken gewesen. Natürlich wusste Tala das und natürlich musst er überprüfen in wie weit sich Dranzers Bewegungen verändert hatte. Dasselbe galt übrigens auch umgekehrt. Wolborg war unheimlich schnell und Tala setzte darauf, wobei es wahrscheinlich auch seine Spezialangriffe in sich hatten. Ein Bitbeast durfte man niemals unterschätzen. Da konnte der Beyblader noch so mangelhaft sein, ein Bitbeast hatte immerhin so etwas wie einen freien Willen und konnte im Ernstfall auch alleine kämpfen. Nichts sehr lange und nicht sehr effektiv, aber immerhin. Ein Bitbeast jedoch in Kombination mit einem entschlossenen, talentierten und nicht zu vergessen ausgebildeten Beyblader wie Tala war praktisch unberechenbar und nur sehr, sehr schwer einzuschätzen.

Da blieb nichts anderes übrig als den Gegner auszutesten.
 

Tala tat niemals etwas ohne Zweck. Es gab einen Zweck für dieses Match und es gab auch einen Zweck für dieses Gerede. Entweder Tala wollte Zeit gewinnen um

ihn besser einschätzen zu können oder etwas anderes. Jedenfalls redete er nicht nur um des Smalltalks Willen. Das tat er niemals.
 

Inzwischen hatten sich dicke, graue Wolken vor die Sonne geschoben und es war ein wenig kühler geworden. Es war schon seltsam wie das Wetter im April so plötzlich umschlagen konnte.
 

Kai begnügte sich weiterhin damit Talas kurzen, aber schnellen Angriffen zu entgehen. Er ließ Dranzer rasante Haken schlagen und in alle Richtungen ausweichen, entfernte sich dabei jedoch niemals weit von dem anderen Beyblade, sondern ließ es gerade so weit zu Seite weichen, dass Dranzer und Wolborg sich nicht berührten. Er startete dabei jedoch nicht einmal den versuch eines Angriffs.
 

Mit einem Mal war es wirklich kalt. Das war nicht mehr nur das eigenwillige Aprilwetter. Das war viel mehr. Es war viel zu kalt und schon fiel die erste Schneeflocke.
 

Kai ließ Dranzer zurück in die Mitte der Bowl weichen und das Beyblade dort auf der Stelle kreiseln. Tala hielt sich nun von ihm fern und ließ Wolborg weite Kreise um ihn herum ziehen anstatt ihn weiterhin zu attackieren.
 

Glitzernder, weißer Raureif überzog langsam die Podiumsteile und die Bowl. Weder Kai noch Tala zeigte sich sonderlich von dem plötzlichen Temperaturumschwung beeindruckt. Diese ein bis zwei Grad unter Null waren nichts im Vergleich zu den Temperaturen, die zeitweise in ihrer Heimat herrschten. Dazu kam, dass sowohl Tala als auch Kai wussten, warum dies geschah.

Ein süffisantes Lächeln schlich sich auf Talas Lippen und er verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Du läufst mir gerade direkt in die Falle.“ bemerkte er tonlos und dieses Mal erreicht das Lächeln nicht einmal mehr seine Stimme.
 

„Deine Fallen haben bei mir noch nie funktioniert.“ gab Kai gelassen zurück. Er schloss die Augen anstatt zu beobachten was geschah, er wusste ohnehin was als nächstes passieren würde.
 

Tala ließ sich davon nicht irritieren. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal damit gerechnet Kai ernsthaft in eine Falle zu locken. Sie beide hatten dieselbe Ausbildung hinter sich und sie beide kannten die wichtigste Regel: Man musste eine Falle erkennen und durchschauen, ehe man hinein lief.
 

Was als nächstes geschah passierte zu schnell, als dass man es wirklich hätte beschreiben können. Es war als käme ein Schneesturm aus dem Nichts und zöge in Sekundenschnelle über das Stadion hinweg. Für einen Moment lang war alles vollkommen weiß, so dass es nicht mehr möglich war die Hand vor Augen zu sehen. Die Temperaturen sackten ab und es wurde bitterkalt. Der mit einmal Mal eisig gewordene Wind glich scharfen Klauen, die in Sekundenschnelle über die Gesichter fuhren. Hier und da schrie einer der Zuschauer auf wenn ihm der plötzliche Kälteschock nicht die Stimme geraubt hatte. Für einen Moment erstarrte alles in der weißen Kälte, im nächsten Augenblick zerbrach das Weiß mit einem Klirren, gleich einer Milchglasscheibe, und es war es bereits wieder vorbei. Die Temperatur normalisierte sich und alle Spuren von Schnee waren verschwunden.
 

Kai öffnete die Augen. Er kannte diese Art des Angriffs nur allzu gut. Tala hatte sie immer mit Vorliebe gegen Gegner eingesetzt, die noch niemals zuvor gegen ihn gekämpft hatten und nicht mit etwas derartigem rechneten. Normalerweise war das Match nach diesem Angriff vorbei. Kais Blick fiel auf die Bowl hinab. Diese war bis zur Kante mit Eis gefüllt und glich nunmehr einem zu gefrorenem See. In der Mitte dieser Eisfläche kreiselte Wolborg. Dranzer hingegen befand sich irgendwo weit darunter.
 

„Zeigs mir.“ forderte Tala und Kai sah langsam zu ihm auf. Das Lächeln war von den Lippen des Rothaarigen verschwunden und einem ernsteren, kälteren Ausdruck gewichen. Das Spiel war vorbei. Noch einen Zug, dann würde der Kampf beginnen. „Wie viel stärker bist du geworden?“
 

Es war ein altes Spiel. Früher, in der Abtei, hatten sie diesen Angriff benutzt um zu Trainieren, um die Stärke ihrer Bitbeasts und ihrer Elemente zu testen. Es war ein spiel gewesen. Irgendwo zwischen all dem Ernst hatten sie ein Spiel daraus gemacht.

Kai wandte den Blick nicht ab und er brauchte es nicht zu sehen, denn er wusste genau, was nun jeder andere, der genau hinschaute, beobachten können würde.
 

Tief unter der Eisschicht glomm ein blasses Licht auf, das kaum bis zur Oberfläche hinauf reichte und dort nur als gelblicher Schimmer zu erkennen war. Erst wirkte es eher, als spiele das Auge einen Streich, dann jedoch wurde dieser Schimmer langsam heller, röter und wuchs, bis er sich schließlich über die ganze Eisschicht ausgebreitet hatte. Dünne, kaum sichtbare Dampfschwaden stiegen von der Oberfläche auf. Ein leises knacken, feine Haarrisse auf der Oberfläche, schließlich folgte ein lautes Krachen, Eissplitter wurden durch die Gegend geschleudert. Es wirkte, als wäre das Eis, das die Bowl gefüllt hatte, von innen heraus explodiert. Weder Kai noch Tala machten sich die Mühe den Splittern auszuweichen, keiner der beiden regten sich, die Splitter schienen sie wie durch Zufall ausnahmslos zu verfehlen.

Alleine zurück blieb, am Grund des Stadions kreiselnd, Dranzer. Um das blaue Beyblade herum züngelten rotgoldene Flammen.
 

Dann ging alles sehr schnell. Schneller als zuvor, so schnell, dass das untrainierte menschliche Auge den Geschehnissen kaum zu folgen vermochte. Eiszapfen schossen wie aus dem Nichts in die Bowl hinab und Dranzer wich ihnen aus, als hätte er seine Lebzeit nichts anderes getan. Mit den Eiszapfen erschien Wolborg.
 

Während die beiden Beyblades am Boden immer wieder in sekundeschnelle aufeinander prallten, gesellten sich zu den Eiszapfen, die noch immer vom Himmel herunterschossen, Feuerbälle, die wie kleine Meteoriten mit rasanter Geschwindigkeit auf Wolborg zuhielten. Wo sie auf die Eiszapfen trafen, zerschmolzen diese zischend und fielen als kleine Wassertropfen zu Boden, so dass das Stadion bald nass und rutschig war. Wasser spritzte auf wo sich die beiden Beyblades drehten, doch keinen der beiden Beyblader schien sich besonders darum zu kümmern. Im Gegenteil, die Angriffe wurden immer kürzer und schneller. Dann fielen plötzlich keine Eiszapfen mehr und auch die Feuerbälle waren mit einem Mal verschwunden.
 

Der riesige Wolf erschien als erstes. Das schneeweiße Fell des Bitbeasts glitzerte, als wäre es mit einer hauchdünnen Schicht gefrorenen Raureifs überzogen. Die blauen Augen, ähnelten dem Himmel an einem kalten Wintertag, der sich in einem Eiszapfen spiegelte. Ein lautes Heulen zerrüttete die plötzliche Stille, ihm folgte ein hohes Kreischen, wie das eines Adlers. Dann erschien Dranzer, der majestätische Phönix mit goldrotem Gefieder und Augen wie lebendige Flammen.
 

Wie auf einen stummen Befehl hin fielen die beiden Erfurcht gebietenden Kreaturen, die dort über dem Stadion schwebten, übereinander her. Wolborgs rasiermesserscharfe Fänge gruben sich tief in das Gefieder des Phönix’, während sich Dranzers Klauen in das dichte weiße Fell bohrten.
 

„Hättest du so gegen Spencer gekämpft, hättest du problemlos gewonnen.“ verkündete Tala mit zusammengebissenen Zähnen. Ein Bitbeast unter Kontrolle zu halten und ihm dabei auch noch genügen Kraft zuzuführen war sehr anstrengend und schmerzhaft. Nicht für Tala, sondern für jeden Beyblader, der in der Spitzenklasse mitmischte, Kai eingeschlossen.

Natürlich übertrieb Tala. So einfach wäre es nicht gewesen Spencer zu besiegen, dafür war der Blonde zu gut, aber sie hatten gerade erst angefangen ernsthaft zu kämpfen.
 

Kai antwortete nicht. Er konzentrierte sich vollends auf Dranzer und hatte nicht vor sich dabei ablenken zu lassen.
 

„Gegen mich kannst du nicht gewinnen.“ fuhr Tala trotz allem unbeirrt fort. Wer wusste schon, auf was er hinaus wollte, wenn es ihm nicht darum ging Kai abzulenken, was er natürlich keineswegs nötig hatte. „Das letzte Mal hat mich dein Sieg das Leben gekostet und ich hab nicht vor diesen Preis noch einmal zu bezahlen.“
 

Kai erstarrte. Äußerlich mochte es nicht zu erkennen sein, doch in ihm erstarrte alles. Regungslos. Für einen Augenblick wurde ihm schrecklich kalt. Es war, als wäre sein gesamter Körper in Eis gehüllt.
 

‚Dein Freund, meine ich. Er hat dir bestimmt vergeben.’

‚Nein, hat er nicht.’
 

Er hatte es gewusst. Er hatte es immer gewusst. Tala vergas nicht. Tala war nicht dumm. Tala vergab nicht. Nicht so einfach. Nicht nach allem was geschehen war. Er wusste es, er hatte es zu spüren bekommen, warum also überraschte es ihn plötzlich? Warum berührte es ihn plötzlich? Warum ließ es ihn plötzlich so erstarren?
 

„Kannst du dich daran erinnern, Kai?“ wollte Tala wissen, doch seine Stimme wurde etwas leiser. „Erinnerst du dich überhaupt an irgendetwas?“
 

Kai starrte in die Bowl hinab auf sein Beyblade während sowohl Dranzer als auch Wolborg am Himmel plötzlich innehielten. Es war, als hätte jemand alle Geräusche ausgefiltert und nur Talas Stimme übrig gelassen. Es tat weh. Irgendwie, irgendwo. Ein dumpfer Schmerz. Wie ein Loch, dass sich seiner Nichtexistenz bewusst wurde. Dumpf und leer. Ob er sich erinnerte?
 

„Es war deine Wette.“ antwortete er schließlich. Die Worte waren aus seinem Mund noch ehe er sich bewusst darüber geworden war, dass er genau das nicht sagen wollte. Alles andere, wenigstens ein schlichtes ‚Ja’, aber nicht das. Er sagte es so leise, dass er sich nicht einmal sicher war, ob Tala es überhaupt gehört hatte, doch ein Blick in das Gesicht des Rothaarigen genügte.
 

Tala starrte ihn unverwandt an, aber es gab keine Wut in seinem Blick. Kai hatte erwartete, dass er wütend werden würde, dass er ihn anschreien würde, ihn vielleicht sogar schlagen würde, aber das hier war Tala und er hatte ihn stärker getroffen, als ihm überhaupt im Augenblick klar werden konnte. Das hier war Tala und Tala wurde nicht wütend, jedenfalls nicht so, wie andere Menschen wütend wurden.
 

Tala starrte ihn an und in seinem Blick lag nichts als Leere. Und es schmerzte beinahe noch mehr. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Tala ihn angeschrieen oder geschlagen hätte. Jeder andere hätte es wahrscheinlich getan, aber das hier war Tala und Tala war nun einmal kompliziert.
 

Da standen sie nun mitten im Stadion umgeben von tausenden Zuschauern, über ihnen die eindrucksvollen Erscheinungen ihrer Bitbeasts, irgendwer stahl Bitbeasts und sie hatten nichts Besseres zu tun als die Ereignisse der Vergangenheit wieder aufzurollen und sich dafür gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Und natürlich hatten sie beide Recht.
 

‚Also gut, wie wäre es dann mit einer Wette?’
 

„Ich weiß, dass du es warst“, erwiderte Tala schließlich. Seine Stimme klang kühl, aber neutral. „und ich weiß auch wofür. Ich weiß, was er dir versprochen hat. Etwas, das du haben willst.
 

Tala verdächtigte ihn und hatte auch noch allen Grund dazu. Zwei Gründe. Entweder er wollte dadurch von sich selbst ablenken oder aber er hatte das Gespräch mit Boris belauscht. Es gab auch etwas, das Tala haben wollte.
 

‚Wer es als erster schafft zu Black Dranzer zu kommen ohne von den Wachen entdeckt zu werden, der darf ihn behalten.’
 

Es war die letzte Erinnerung und seitdem hatte es keine weiteren gegeben. Es war das Ende gewesen. Das Ende und der Anfang von allem.
 

Kai ließ sein Beyblade zurückweichen, Dranzers Gestalt verschwand vom Himmel und ließ Wolborg alleine zurück, dann hatte Kai sein Beyblade plötzlich in der Hand.
 

„Du gewinnst.“ verkündete er schlicht mit tonloser Stimme und sah ein letztes Mal zu Tala hinüber, dann wandte er sich ab, schob Dranzer in seine Hosentasche und stieg die Stufen hinunter. Er ging durch die Reihen der anderen Beyblader, die ihm mit perplexen Gesichtern nachstarrten, auf den Ausgang zu.
 

„Kai Hiwatari gibt auf und verlässt das Stadion!“ verkündete Jazman deutlich verwirrt das Offensichtliche.
 

Kai hatte den Ausgang beinahe erreicht, als er am Arm gepackt und herumgerissen wurde. Hinter ihm stand Tala. Das nächste, das er spürte war der Schmerz in seiner linken Gesichtshälfte, als Talas Faust ihn traf.
 

Für einen Moment hielt Kai den Kopf in der Position, in die ihn Talas Schlag gebracht hatte. Für einen Moment starrte er regungslos ins Nichts, dann wandte er sich langsam um und richtete seine Augen erneut auf Tala.
 

„Du tust dir selbst mehr weh als mir.“ erklärte er schließlich so ungerührt, als wäre nichts geschehen.
 

„Mag sein“, erwiderte Tala ebenso ungerührt, das Gesicht zu einer leblosen Maske erstarrt. „Aber mit ein Bisschen Glück wirst du dich Morgen noch daran erinnern.“
 

~~~
 

„Zu schade.“ sagte plötzlich ein Beyblader eines der weniger bekannten Teams, der nach dieser unerwarteten Auseinadersetzung der beiden Beyblader recht schnell die Sprache wieder gefunden zu haben schien.
 

„Was?“ fragte Ray überrascht, der daneben stand. Er wandte sich halb zu seinem Nachbar um ohne jemals wirklich den Blick von dem Ausgang zu nehmen, durch den Kai soeben verschwunden war.
 

„Zu schade, dass die beiden nicht im selben Team kämpfen.“ ergänzte der Braunhaarige daraufhin, worauf Ray ihn nur leicht verständnislos ansah. Hatte der Junge den eben nicht zugesehen? „Sie waren zum Anfang absolut synchron und ihre Bitbeats ergänzen sich perfekt. Jeder von ihnen wusste die ganze Zeit über genau wie der andere als nächstes reagieren würde. Es sah so aus, als hätten sie schon immer miteinander trainiert. In einem Zwei-gegen-Zwei-Match wären sie bestimmt unschlagbar.“
 

Ray sah den Jungen noch einen Augenblick lang an, dann wanderte sein Blick zu Tala hinüber, der noch immer mit absolut ausdruckslosem Gesicht regungslos dastand, bevor er sich schließlich vollends abwandte und ebenfalls das Stadion verließ.
 

~~~

Done. Ich hoffe ich konnte euren Erwartungen zumindest im Ansatz gerecht werden. Ich bin am Ende, gute Nacht.

DREIZEHN

DREIZEHN|
 

Kai stand auf dem kleinen Balkon, der zu seinem Zimmer gehörte und lehnte mit den Armen auf dem Geländer aus silbergrauen Gitterstäben. Es war Abend und schon beinahe dunkel. Die Sonne war längst hinter den Dächern der Häuser verschwunden und es roch bereits wieder nach Regen. Kai war beinahe sofort nachdem er das Stadion verlassen hatte hierher zurückgekehrt, hatte geduscht und seine Alltagskleidung gegen Bequemere getauscht. Nun trug er einfach schwarze Jogginghosen und ein dunkelblaues T-Shirt. Seine Haare waren noch nass und färbten den Stoff zum Teil in ein tiefes Schwarz. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und seufzte tonlos. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren.
 

Es war ein dumpfer pochender Schmerz, der direkt hinter der Stirn saß wie eine permanente Mahnung und Erinnerung. Man gewöhnte sich niemals daran und viele wussten wahrscheinlich nicht einmal woher diese grässlichen Kopfschmerzen kamen, die einen manchmal einige Stunden oder einen Tag nach einem Match plagten. Dabei war es eigentlich sehr simpel.
 

Im Grund bestand ein Beybladematch aus zwei Schichten. Es wurde im Prinzip auf zwei Ebenen ausgetragen. Die eine Ebene, die Obere und für den Zuschauer Sichtbare, war die auf der physisch gekämpft wurde. Dort gab es die Beyblades und dort erschienen die Bitbeasts in ihren tierähnlichen Körpern. Dort zählten alleine Technik und Kraft. Die zweite Schicht war die mentale Ebene wo das eigentliche Match stattfand und das obwohl sich die meisten Beyblader dieser Schicht nicht einmal bewusst waren. Dort entschieden Willenskraft, Selbstbewusstsein, Gedanken und Gefühle.
 

Bitbeasts kämpften eigentlich nur in dieser zweiten Schicht. Das, was die Zuschauer sahen waren nur die Auswirkungen eines solchen Kampfes. Bitbeasts besaßen im eigentlichen Sinn keinen Körper. Bitbeasts waren Geister oder besser Energien. Ein Bitbeast konnte auch ohne die Unterstützung des Beybladers kämpfen und natürlich konnte auch ein Beyblader ohne Bitbeast einen Kampf austragen, aber beide waren eben nur Teil eines Ganzen.

Natürlich war ein Beyblader derjenige, der dem Bitbeast Befehle gab, der die Taktik bestimmte und die Stärken und Schwächen des Gegner ausmaß, aber im Grunde war er vor allem eines, ein Energiespeicher aus dem das Bitbeast seine Kraft zog. In Wirklichkeit konnten Bitbeasts nicht fliegen, sich vergraben, Feuer spucken oder Eiszapfen vom Himmel regnen lassen. Bitbeasts kämpften nur auf der mentalen Ebene mit Energien. Was die Zuschauer in der Arena sahen war nur eine übertragene Spiegelung dessen was eigentlich geschah.
 

In der Abtei hatte man den Schülern beigebracht wie man seine Gefühle unterdrückte oder besser, wie man sie kontrollieren konnte und die Unnützen ausschaltete, und das aus einem sehr guten Grund. Ein Beyblader, der an sich selbst und seiner Aussicht auf einen Sieg zweifelte, der konnte seinem Bitbeast dadurch nicht nur keine Kraft zur Verfügung stellen, sondern es damit auch noch schwächen. Große Energie gewann man nur aus starken Gefühlen. Hass, Wut, absolute Selbstsicherheit, absoluter Siegeswille. Ablenkende und schwächende Gedanken und Gefühle wie Zweifel und Unsicherheit, Mitleid und Zögern brachten niemanden weiter und waren deshalb absolut verboten.
 

Was in der Abtei nicht gelehrt wurde, war jedoch, dass es auch noch andere Arten von Gefühlen gab, aus denen man Energien ziehen konnte. Sowohl Negative als auch Positive. Große Verzweiflung, Freude, große Angst und jenes warme Gefühl, das man verspürte, wenn man das eigene Team hinter sich jubeln hörte, Glück, absolutes Glück.
 

Das war auch der Grund dafür, warum ein Amateur wie Tyson, der von Taktik und Training praktisch nichts hielt eine Weltmeisterschaft gewinnen konnte. Er zweifelte niemals daran, dass er gewinnen würde und das war eine enorme Energiequelle.
 

Natürlich befand sich auch der Beyblader auf dieser mentalen Ebene und natürlich trafen die Angriffe eines Bitbeasts nicht nur das gegnerische Bitbeast, sondern auch die Beyblader. Ein Beyblader wie Tyson und die meisten anderen, die sich dieser Ebene nicht bewusst waren, fühlten sich nach einem Kampf wie ausgelaugt und es hatte natürlich auch schon Fälle gegeben in denen Beyblader das Bewusstsein verloren hatten. Nach außen sah es immer so aus, als würden die Beyblader von den Angriffen der Beyblades erfasst und zum Teil entsprach das natürlich auch der Wahrheit, doch hauptsächlich wurden sie von den Angriffen der Bitbeasts auf der mentalen Ebene getroffen. Ein Beyblader, der sich dessen bewusst war und gelernt hatte wie es funktionierte konnte einen mentalen Schild erstellen, der gegen das Gröbste und leichte Angriffe schützte, manche Beyblader taten dies auch unbewusst, jene Beyblader, die man in der Weltspitze fand.
 

Was ein Beyblader, der nur unbewusst in der mentalen Ebene kämpfte, jedoch nicht konnte, war genau das, was die größten Kopfschmerzen verursachte und eben das, was Tala in jedem Match tat. Wenn ein Beyblader wie Tyson sein Bitbeast angreifen ließ, dann war es, als würde ein Riese mit einem riesigen Felsbrocken werfen. Natürlich handelte es sich in Wirklichkeit nicht nur um einen einzigen Felsbrocken, sondern um ein ganzes Meer solcher, aber für ein Beispiel war es einfacher von einem einzigen auszugehen.
 

Es gab also diesen Felsbrocken, mit dem das Bitbeast angriff und natürlich griff es das gegnerische Bitbeast an. Das war an sich kein Problem, weil ein Beyblader wie Tyson sich auf Grund seiner mentalen Stärke auf seine bloße Kraft verlassen konnte ohne dabei ein großes Risiko einzugehen. Es war also im Prinzip so, dass er seine ganze Energie, alles, das er in jenem Augenblick verspürte, an sein Bitbeast weitergab und ihm befahl anzugreifen.
 

Ein Beyblader wie Tala jedoch, der sich der mentalen Ebene absolut bewusst war und die dadurch entstehenden Vorteile zu nutzen gelernt hatte und sie zu nutzen wusste, der griff niemals mit einem Felsbrocken an. Er konnte seine Gefühle kontrollieren und er konnte kontrollieren wie viel Energie er an Wolborg weitergab. Ein Beyblader wie Tala ließ sein Bitbeast mit kurzen, schnellen und vor allem gut gezielten und geplanten Attacken angreifen, wie mit kleinen spitzen Nadeln, und zwar nicht das gegnerische Bitbeast, sondern den gegnerischen Beyblader.
 

Lange Rede, kurzer Sinn: Tala war Schuld an diesen Kopfschmerzen und Kais einziger Trost war die Genugtuung zu wissen, dass Tala im Augenblick mindestens unter denselben litt. Ein schwacher Trost, aber immerhin.
 

Um genau zu sein war Tala immer an allem Schuld gewesen. Seit jenem Tag an dem Tala zum ersten Mal die Abtei betreten hatte, war Kai seinetwegen in alle nur erdenklichen Situationen geraten.
 

Es war Talas Schuld, dass sich während den Essenszeiten niemand zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte.

Es war Talas Schuld, dass ihn alle für verrückt oder besten Falls exzentrisch gehalten hatten.

Es war Talas Schuld, Talas und die seiner idiotischen Geschichten, dass er als kleiner Junge immer Angst in den dunklen Gängen gehabt hatte.

Es war Talas Schuld, dass die Wachen ihn besser gekannt und ihn öfter zu Boris hatten schliefen dürfen als irgendeinen anderen Jungen in der Abtei.

Es war Talas Schuld, dass Bryan ihn einmal einen Monat lang angesehen hatte, als wolle er ihn gleich umbringen.

Es war Talas Schuld, dass Ian sich vor ihm gefürchtet hatte als wäre er der Teufel höchstpersönlich.

Es war Talas Schuld, dass er sich im Winter mehr als einmal eine Erkältung eingefangen hatte, weil es draußen ja so viel schöner gewesen war.

Es war Talas Schuld, dass er nach jedem Training schreckliche Kopfschmerzen gehabt hatte.

Es war Talas Schuld, dass er jeden Morgen todmüde gewesen war, weil Tala ihn die halbe Nacht wach gehalten hatte.

Tala mit seinen bescheuerten Ideen, Gedanken und seiner idiotischen Wette.

Tala hatte Schuld daran, dass er überhaupt auf die Idee gekommen war auch nur zu versuchen Black Dranzer ein einziges Mal in den Händen zu halten.

Tala hatte Schuld daran, dass die Abtei für ihn wieder zu jener Hölle geworden war, die sie immer gewesen war und noch schlimmer.

Es war Talas Schuld, dass sein Großvater ihn nach Japan geholt hatte.

Es war Talas Schuld, dass er vergessen hatte.

Es war Talas Schuld, dass er sich erinnert hatte.

Es war Talas Schuld, dass er in die Abtei zurückgekehrt war und Talas Schuld, dass er sie wie ein Verräter wieder hatte verlassen müssen.

Es war Talas Schuld, dass er nun hier war, Talas Schuld, dass er sich in dieser Lage fand, Talas Schuld, dass ihn alle beschuldigten, Talas Schuld, dass er Kopfschmerzen hatte, Talas Schuld, dass seine Laune nun gegen Minus wanderte und wenn er gerade dabei war, würde es auch Talas Schuld sein, wenn es morgen wieder regnete. Dieser verdammte blinde Idiot, der niemals auf sich selbst aufpassen konnte, sondern immer nur auf andere.
 

~~~
 

Es regnete tatsächlich als Kai am nächsten Morgen durch lautes klopfen an der Türe geweckt wurde. Es war nur ein leichter Nieselregen und auch die Wolken ließen dann und wann einen Strahl hellen Sonnenlichts auf die Erde fallen, aber dennoch, es regnete.
 

Um ehrlich zu sein war es schon beinahe Mittag oder zumindest sagte das der Wecker, der auf dem Nachtisch im Hotelzimmer stand. Kais Gefühl nach musste es noch mitten in der Nacht sein, aber das interessierte weder der Wecker noch den penetranten Besucher. Dieses verfluchte Match hatte ihn doch mehr Kraft gekostet als erwartet und auch mehr als nur bloße Kopfschmerzen.
 

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt aufzustehen und die Türe zu öffnen, denn wer auch immer dort draußen stand, konnte nicht wichtig genug sein um für ihn eine weitere Stunde Schlaf zu opfern. Das einzige Problem bei der Sache war jedoch, dass derjenige, der dort stand, ganz anderer Meinung zu sein schien und seit guten zehn Minuten ununterbrochen mit den Fäusten gegen die Tür hämmerte.
 

Kai tauschte die Boxershorts in denen er schlief gegen Jogginghose und T-Shirt und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Blieb ihm nur zu hoffen, dass dort draußen keine Horde von Reportern mit Fotoapparaten und Kameras auf ihn lauerte. Aber die würden nicht wagen seine Türe derart zu ramponieren. Nein, dort draußen musste jemand stehen, der sich den Folgen seines Tuns vollkommen bewusst war und sie trotz allem in Kauf nahm.
 

Kai drehte den Schlüssel im Schloss herum und riss die Tür mit einem Ruck auf. Draußen stand Spencer.
 

Spencer war, in Kais Augen, eigentlich nicht die Art von Mensch, die sich unnötig und absichtlich Feinde machte, allerdings hatte er bei Kai auch nicht mehr allzu viel zu verlieren.
 

„Schto?“ fuhr Kai ihn unerwartet rau an (Was?). Spencer hatte, trotz allem, mit Sicherheit nicht erwartete so begrüßt zu werden, höchstens wahrscheinlich gar nicht, doch Kai hatte schlechte Laune und wenn Spencer glaubte er müsse ihn trotzdem wecken, dann sollte er die auch deutlich zu spüren bekommen.
 

„Wo ist Tala?“ Spencer ließ sich nicht einschüchtern. Kein Wunder, er lebte mit Tala unter einem Dach, er musste praktisch an derartige Situationen gewöhnt sein.
 

„Bin ich sein Kindermädchen?“ erwiderte Kai kalt während seine amethystfarbenen Augen Spencer praktisch aufspießten. „Woher soll ich das wissen?“
 

„Du hast ihn gestern ziemlich hart getroffen.“ erklärte Spencer ungerührt und Kai fragte sich unwillkürlich woher Spencer plötzlich diese Ruhe hatte oder hatte er die schon immer gehabt? Spencer war im Prinzip relativ leicht zu provozieren, wenn man wusste wie man es anstellen musste. „Er hatte Kopfschmerzen.“
 

Für einen Außenstehenden musste dieses Gespräche ziemlich lächerlich wirken. ‚Hart getroffen’ und dann ‚er hatte Kopfschmerzen’, aber natürliche steckte hinter dem was Spencer sagte viel mehr als die bloße allgemeine Bedeutung dieser Worte. Kai wusste das und er wusste was Spencer im Vorwarf, aber er war nicht in der richtigen Stimmung sich darauf einzulassen.
 

„Hast du den Kampf gesehen?“ wollte Kai unbeeindruckt wissen. „Er war es, der mich geschlagen hat und ich hatte danach mit Sicherheit besseres zu tun als ihn zu verfolgen zu entführen.“ Er hatte keine Lust auf Spencers Anspielungen einzugehen. Wenn der Blonde ihm etwas vorzuwerfen hatte, sollte er das gefälligst tun ohne großartig um den heißen Brei zu reden.
 

„Du weißt genau, dass ich nicht davon rede wer wen geschlagen hat.“
 

„Wovon dann?“
 

Spencer schüttelte nur den Kopf irgendwo zwischen Unglaube und Verachtung.

„Tala hast es niemals vertragen und das weißt ganz genau“, erklärte er und nun zeigte sich endliche eine Spur Zorn in seinem Gesicht. „Wie damals, als-…“
 

„Danke“, wurde er von Kais kalter, schneidender Stimme unterbrochen. Er wurde langsam wütend und wenn Spencer es darauf anlegte, dann sollte er es zu spüren bekommen. „Du wirst es nicht glauben, aber ich besitze ein eigenes Gedächtnis.“
 

„Ach ja“, erwiderte Spencer beinahe fauchend. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis er Kai mit einem Schwall übler Flüche überhäufte. „Letztes Jahr konntest du dich trotzdem nicht erinnern.“
 

Kais Augen verengten sich unweigerlich und sein Gesicht versteifte sich zu einer regungslosen Maske.

„Vielleicht solltest du lieber weitersuchen als hier deine Zeit zu verschwenden.“ Mit diesen Worten schloss er die Tür direkt vor Spencers Nase.
 

~~~

Soweit hierzu. Ich ziehe nächsten Montag um, dass heißt, dass sich der Termin für das nächste Kapitel etwas nach hinten verschwieben könnte, aber ich werde versuchen mich zu beeilen. ^__^

Ich wünsche euch noch einen schönen Tag,

Nordwind

VIERZEHN

Ich entschuldige mich zunächst mal dafür, dass es so lange gedauert hat bis ich dieses Kapitel hochgeladen habe, aber wie angekündigt bin ich letzten Montag nach Mannheim gezogen und hatte seitdem viel mit Einführungsveranstaltungen (und Kneipenbummeln) zu tun. Heute waren die ersten Vorlesungen, aber das ist eine andere Geschichte. Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt.
 

~~~
 

VIERZEHN|
 

Es war noch recht früh, als Kai die breite Treppe zum Foyer hinunter ging. Er hatte sein morgendliches Training bereits beendet, soeben geduscht und beschlossen, dass es Zeit für einen Kaffee wurde.

Es waren bereits zwei Tag seit jenem Match vergangen und es regnete noch immer. Ein Blick aus den großen gewölbten Fenstern zeigte einen mit dunklen, schweren Wolken bedeckten Himmel. Die Stadt darunter war grau. Es schien beinahe, als hätte der andauernde Regen sämtliche Farben aus Bäumen, Fassaden und Gräsern gewaschen, wie aus alten, abgetragenen Kleidern. Die Tropfen trommelten dumpf gegen die großen Glasscheiben und untermalten die morgendliche Stille.
 

Das Foyer war überraschend leer, als Kai die letzte Stufe nahm und in den großen Saal mit dem Rezeptionstresen trat. Das goldene Licht der Leuchter füllte den Raum und ließ ihn im Kontrast zu der grauen Stadt dort draußen angenehm warm und gemütlich wirken. Kai blieb einen Augenblick stehen um dieses Gefühl zu genießen. Es war friedlich und ließ alles andere für einen Augenblick weit entfernt erschienen. Irgendwo ausgesperrt hinter den Glasscheiben in der grauen Stadt.
 

Kai nahm die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahr, als mit einem Mal eine Gestalt aus einem der Räume kam und direkt auf ihn zuhielt. Er erkannte Ray nicht auf Anhieb und als er schließlich den Kopf ein Stück drehte gefiel ihm das was er sah ganz und gar nicht. Ray hatte nie besonders viel Wert darauf gelegt seine Gefühle zu verbergen, doch wenn er es einmal für nötig hielt und doch tat, dann wollte es ihm nie so recht gelingen, vor allem dann nicht, wenn er Kai gegenüber stand vor dem sowieso niemand irgendetwas verbergen konnte. Im Augenblick zeigten die Züge seines Gesichts ganz eindeutig Sorge und Ray war kein Mensch, der sich wegen jeder Kleinigkeit Sorgen machte. Etwas war geschehen und was immer es war, es konnte jedenfalls nichts Gutes sein.
 

„Ich an deiner Stelle würde da jetzt nicht hineingehen.“ erklärte der Chinese und deutet mit der Hand vage hinter sich zum Speisesaal hin. „Sie würden dich wahrscheinlich in Stücke reißen.“
 

Kai sagte nichts, es hatte zum einen wenig Sinn Ray zu erklären, dass er sich, welcher wütende Teamcaptain dort drinnen auch immer auf ihn lauern mochte, nicht vor ihm fürchtete und zum anderen gab es mit Sicherheit wichtigere Dinge als sich um etwas Derartiges Sorgen zu machen. Er machte jedoch keine Anstalten weiter zu gehen und wartete stattdessen geduldig darauf, dass Ray erklärte was vor sich ging.
 

„Es wurde wieder ein Bitbeast gestohlen.“ beantwortete der Chinese die stumme Frage einen Moment später. Kai schwieg. Es war zu erwarten gewesen, dass so etwas geschehen würde, erneut geschehen würde und Rays Miene hatte ihm längst verraten, dass es sich um etwas Derartiges hatte handeln müssen. Ein weiteres Bitbeast verschwunden. „Hast du gewusst, dass Tala verschwunden ist?“
 

Es war seltsam wie sehr sich ein Raum verändern konnte ohne das etwas geschah bis auf ein paar Worte, die ausgesprochen wurden. Das eben noch goldene Licht wirkte mit einem Mal ebenso fahl und falsch wie die graue Stadt hinter den Regenschleiern und die Wärme war ebenso verloren wie die Strahlen der Sonne hinter den dicken, finsteren Wolkenbergen.
 

Irgendeine Veränderung in Kais Miene musste ihn verraten haben oder vielleicht war es auch das Ausbleiben jeglicher emotionalen Reaktion, das Ray dazu brachte nicht auf eine Antwort zu warten.
 

„Niemand hat ihn in den letzten beiden Tagen gesehen.“ erklärte der Chinese fort. „Du hast es gewusst, nicht wahr?“ Die Sorge in Rays Gesicht hatte beinahe in Verzweiflung umgeschlagen und auch seine Stimme klang seltsam bittend, nahezu flehend, aber nur nahezu.
 

„Was weißt du noch, Kai? Ist es Tala, der die Bitbeasts stiehlt? Warum? Kai, weißt du irgendetwas? Sag es uns bitte! Wir müssen irgendetwas tun“, fuhr er fort. „aber ohne irgendeinen Anhaltspunkt weiß ich nicht was.“
 

Kai stand einen Augenblick lang regungslos da und sah Ray an, als prüfe er, ob er die Person kannte, die da vor ihm stand. Aber es war zweifelsohne Ray, allerdings aber ein Ray, den man nicht allzu oft zu Gesicht bekam. Ray war eigentlich ein sehr ausgeglichener Mensch, der irgendwo zwischen Realismus und Optimismus stand. Er war zum einen ruhig, aber zum anderen auch recht aufgeschlossen. Jemand, der versuchte die Dinge so zu nehmen, wie sie eben kamen, und das Beste daraus zu machen. Zumindest war er es bisher gewesen.
 

Diese Situation war neu für Ray und nicht nur für Ray sondern auch für alle Beyblader, die sich gerade dort im Speisesaal befanden und sich die Hirne zermarterten. Letztes Jahr war ganz eindeutig klar gewesen wer die Bitbeats gestohlen hatte und auch aus welchem Grund. Sie hatten ihren Feind gehabt, den es zu besiegen galt, und es hatte einen recht einfach Weg gegeben eben dies über die Wettkämpfe der Weltmeisterschaften zu tun, doch dieses Mal wussten sie gar nichts. Sie wussten weder wer dahinter steckte, noch weshalb, noch was sie dagegen tun konnten. Dies war eine völlig neue Situation, die sie nicht kannten. Sie konnten überhaupt nichts tun und das machte sie verrückt.
 

Und Ray kam zu ihm, zu ihm, der immer eine Lösung für alle Probleme hatte, einen Plan B für alles, das schief lief, zu ihm, der immer die Rettung gewesen war, wenn niemand mit ihm gerechnet hatte, aber dieses Mal konnte er ihnen nicht helfen. Natürlich konnte er ihnen von Boris erzählen, aber eben das wollte er nicht tun, solange er selbst nicht wusste, was eigentlich vor sich ging.
 

„Kai, was weißt du?“ versuchte es Ray ein letztes Mal, doch Kai schüttelte nur den Kopf.
 

„Nichts“, antwortete er schlicht und fügte leiser hinzu: „aber es wird Zeit, dass ich es herausfinde.“
 

~~~
 

Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, dass er alleine die Straße hinunter gegangen war, dann hatten sich plötzlich schnelle Schritte von hinten genähert und noch ehe er einen Blick über die Schulter hatte werfen können, war da nur noch der Schmerz gewesen, der seine Erinnerungen wie ein greller Blitz durchzuckte, ehe alles dunkel geworden war. Gedankenverloren strich sich Tala mit der Hand über die sanfte Beule an seinem Hinterkopf. Sie mussten ihn niedergeschlagen und dann hierher gebracht haben, wo auch immer ‚hier’ sein mochte.
 

Hier war ein Raum, ein kleiner, dunkler Raum mit einem kleinen vergitterten Fenster in ungefähr zwei Meter Höhe, gegen dessen Scheibe dumpf die Regentropfen prasselten. Die Wände waren aus Beton, der Boden ebenfalls und wahrscheinlich auch die Decke. Es gab eine Tür in der Wand, die gegenüber dem Fenster lag. Er selbst saß auf dem Boden und verspürte im Augenblick wenig Lust etwas daran zu ändern. Fluchtmöglichkeiten gab es ohnehin keine Realistischen und nebenbei schmerzte sein Kopf.
 

Schmerzen durchzuckten seine Stirn und dann wirbelten Gedanken und Erinnerungen erneut durcheinander. Das dumpfe Trommelgeräusch setzte aus, als Tala sich mit beiden Händen über die Schläfen fuhr. Er hatte deutlich zu einfach und definitiv zu sehr niederschlagen lassen. Seit wann war er eigentlich so unvorsichtig und leicht zu überwältigen? Wenn Bryan und Spencer das erfuhren, würden sie sich über ihn lustig machen, jeglichen Respekt vor ihm verlieren oder ihn nirgendwo mehr alleine hingehen lassen, wobei Letzteres zweifelsohne die schlimmere Folge sein würde. Die Vorstellung von einem ehrlich besorgten Spencer war beinahe noch beängstigender als ein Bryan, der ihm mit seiner mürrischen Dauermine auf Schritt und Tritt folgte. Es gab schlichtweg Dinge, die mussten nicht sein.
 

Aber eines nach dem anderen. Es gab wichtigere Dinge über die er nachzudenken hatte. Erstens, wer hatte ihn hierher gebracht, zweitens, warum hatte man ihn hierher gebracht, drittens, welche Möglichkeiten gab es von hier zu verschwinden.

Tala zog die Brauen zusammen, ballte die Hand zur Faust und schlug mit einem Mal gegen die Wand.
 

Warum Kai? Wenn Boris jemanden wollte, der ihm half, wieso dann ausgerechnet Kai? Ihn selbst hatte Boris nicht einmal gefragt. Hatte er gewusst, dass Tala um keinen Preis je wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte oder hatte er Kai schlichtweg vorgezogen. Was hatte er Kai dafür geboten erneut für ihn zu arbeiten? Was war der Preis, den er dafür zahlte?
 

Zumindest die letzte Frage war relativ einfach zu beantworten, zumindest wenn man davon ausging, dass Kai nichts dazugelernt hatte. Und Tala wäre gerne davon ausgegangen, aber dafür kannte er Kai zu gut. Zumindest hatte er ihn einmal gekannt oder wenigstens geglaubt ihn zu kennen und es war langer her.
 

Kai war zu klug um ein solches Bündnis erneut einzugehen oder wusste er mehr als Tala wusste oder hatte man ihm etwas geboten, dass es wert war? Aber es gab keinen Preis, der hoch genug war, nicht für Tala. Boris war es gewesen, der das aus ihm gemacht hatte, was er heute war. Boris war für jeden Schmerz verantwortlich, denn er jemals gespürt hatte und für jeden Verlust, den er hatte erleiden müssen. Es gab keinen Preis mit dem Boris ihn hätte kaufen können, nicht noch einmal. Aber Kai… er hatte es schon einmal geschafft Kai auf seine Seite zu ziehen, weil Kai Boris niemals ernst genommen hatte. Kais Feind war immer sein Großvater gewesen. Boris war niemals von besonders großer Bedeutung für ihn gewesen.
 

Und was nun? Eigentlich ging es ihn überhaupt nichts an. Kai konnte ihm eigentlich scheißegal sein und mit Boris wollte er nichts mehr zu tun haben. Er musste nur aufpassen, dass man ihm Wolborg nicht abnahm und natürlich musste er wieder von hier verschwinden. Mehr musste er nicht tun, nicht wahr?

Natürlich nicht. So einfach war es nicht. So einfach war es niemals gewesen.
 

Es war niemals egal.
 

Tala fuhr sich wütend mit der Hand durch das feuerrote Haar. Nur langsam legte sich sein plötzlicher Anflug von Zorn und wandelte sich in kalte Wut. Er hätte es wissen müssen. Menschen änderten sich nicht. Niemals. Alles blieb immer beim Alten und im Grunde trat man immer gegen die gleichen Feinde an, die immer dieselben schmutzigen Tricks benutzten um immer an dasselbe Ziel zu gelangen. Man stand immer vor derselben Wand, die man treten konnte so oft und so stark man wollte. Er war einmal so naiv gewesen dem Frieden zu trauen, beim zweiten Mal war er vorsichtiger gewesen und nun… nun überraschte ihn nur noch wie wütend es ihn machte, obgleich er es doch gewusst hatte. Er hatte es immer gewusst.
 

Seine Wut brachte ihn nicht weiter und er war nicht bereit sich derart aus dem Konzept bringen zu lassen. Nur für einen Moment, nur für diesen einen Moment und als der Moment zu Ende ging, öffnete sich die Tür mit einem dumpfen Knarren.

Tala musste unwillkürlich die Hand heben um seine Augen abzuschirmen, als das Licht einer grellen Kaskade gleich durch die Öffnung hereinströmte. Schwere Schritte näherten sich und vor dem Licht hob sich eine hochgewachsene Gestalt ab.
 

„Tala, wir haben uns lange nicht gesehen, nicht wahr?“
 

Tala ballte erneut die Hand zur Faust und spürte wie langsam erneut der Zorn in ihm aufstieg. Es machte ihn nicht wütend Boris Stimme zu hören, denn er hatte praktisch damit gerechnet, doch es machte ihn wütend, dass ihm beim Klang dieser Stimme noch immer das Blut in den Adern gefror. Er hatte gewusst, das Boris dahinter stecken musste oder es zumindest geahnt und trotzdem beeinflusste ihn das Auftauchen dieses Mannes immer noch so sehr. Damit hatte er nicht gerechnet oder besser, damit hatte er nicht rechnen wollen.
 

„Wie geht es dir, Tala?“ fuhr Boris schließlich fort, während ein boshaftes Lächeln auf seine Lippen kletterte. Er stand noch immer auf der Schwelle mitten im Licht und machte keine Anstalten sich zu bewegen. „Ich meine nicht im Augenblick, ich weiß, dass das hier nicht gerade der Ort ist, an dem du jetzt am liebsten wärst. Du hast es niemals gemocht alleine eingesperrt zu sein, aber ich kann dich beruhigen, du wirst nicht allzu lange hier bleiben müssen und dafür, dass du Gesellschaft bekommst, habe ich schon gesorgt. Also, wie ist es dir das letzte Jahr über ergangen?“
 

Tala schwieg. Er spürte die alte, kalte Angst, die noch immer in seinen Knochen saß, die niemals wirklich gewichen war. Nicht die Angst davor, was alles geschehen könnte, sondern eine vergangene Angst, Angst aus Gewohnheit. Sie ließ seinen Körper erstarren und seine Hände zittern. Es war ein Gefühl der Machtlosigkeit, ein Gefühl der Ausweglosigkeit, der Schwäche und die Angst davor ein Fehler zu machen. Es waren keine präsenten Gefühle sondern lediglich ihr kalter, dunkler Nachhall, wie ein Schatten, der geblieben war. Diese Ängste und Gefühle waren alt, doch er hatte sich in den vielen Jahren, die er in der Abtei verbracht hatte, so sehr daran gewöhnt, dass sie ihn nun nicht mehr losließen. Ein Mensch, der niemals an einem Ort wie der Abtei gelebt hatte, würde diesen Effekt niemals verstehen können.
 

„Du sprichst nicht mit mir?“ fragte Boris als er das Warten leid wurde. Seine Stimme besaß einen Klang, der irgendwo zwischen kalter Zufriedenheit und reiner Boshaftigkeit lag. Das Lächeln auf seinen Lippen war zu einer starren Maske gefroren. „Dann werde ich reden. Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem ich dir einen Platz in der Abtei angeboten habe?“
 

Es war ein kalter Tag gewesen. Tala konnte sich nicht mehr allzu gut daran erinnern, doch die Bilder zwängten sich ungebeten in seine Gedanken. Die Winter in Moskau waren ohnehin immer kalt, doch in jenem Jahr war er besonders hart gewesen. Sie hatten keine Heizung besessen, nur einen kleinen Ofen, den sie mit Zeitungspapier geheizt hatten, weil ihnen die Kohlen ausgegangen waren. Ihre Wohnung hatte im Dachgeschoss gelegen und durch die Ritze, durch die es an manchen Tagen hereingeregnete, hatte der kalte, beißende Wind gepfiffen. Er konnte sich noch daran erinnern, dass er seine Jacke in jenen Tagen niemals abgelegt hatte. Wie alt war er damals gewesen? Fünf oder Sechs?
 

„Du weißt es noch, ja? Damals auf der Straße, als du mit Bryan im Schnee gesessen hast.“
 

Er war damals nicht oft in der Wohnung gewesen. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, doch seine Mutter war oft krank gewesen und schon eine Weile nicht mehr zur Arbeit gegangen. An manchen Tagen hatte sie nur geweint und seine Präsenz überhaupt nicht wahrgenommen, an anderen hatte sie gar nicht mehr aufgehört sie anzuschreien und er hatte niemals verstanden wieso. Sein Vater war irgendwann ein oder zwei Jahre zuvor verschwunden.

Tala war nur zum Schlafen hinaufgegangen und manchmal um zu essen, doch es hatte nie besonders viel zu essen gegeben. Bryan hatte damals in einem nahe gelegenen Waisenhaus gelebt und sie hatten sich oft auf der Straße getroffen.
 

„Ich habe euch schon seit einigen Wochen beobachten lassen und weißt du was? Eigentlich wollte ich nur Bryan haben. Ich habe immer gewusst, dass Bryan es weit bringen würde, er war perfekt für mein Projekt geeignet, aber du, Tala, dir habe ich das Angebot nur gemacht, weil ich wusste, das Bryan sonst niemals zusagen würde. Du warst klein und nur Haut und Knochen, hattest keine Kraft in den Armen und warst nicht besonders klug.“
 

Es musste ungefähr im Januar gewesen sein, an einem jener Tage, an denen die Sonne sich bereits um drei Uhr Nachmittag unterging, als ihnen ein Mann mit langem Mantel, dickem Schal und einer Uschanka auf dem Kopf den Weg versperrt hatte. Er hatte ihnen ein warmes Zimmer mit einem richtigen Bett angeboten, drei warme Malzeiten am Tag und warme Kleidung angeboten und alles, was sie dafür tun mussten, war zur Schule zu gehen und sich anzustrengen. Für Tala hatte es sich damals angehört wie der Himmel auf Erden und er hatte ohne zu zögern zugestimmt. Er hatte sich nicht einmal von seiner Mutter verabschieden wollen, er war einfach mit Boris mitgegangen. Bryan hingegen hatte abgelehnt. Er war erst ein oder zwei Jahre später in die Abtei gekommen.
 

„Aber weißt du was? Du hast dich als zäher bewiesen, als ich es erwartet hatte und sieh dir an, was du erreicht hast. Du warst besser als Bryan jemals hätte werden können mit dem kleinen Unterschied, dass Bryan mich niemals verraten hätte. Aber du hast dir leider immer eine größeres Beispiel an Kai genommen als an Bryan.“
 

Diese letzten Worte zerrten Tala grob aus seinen Erinnerungen zurück in die Gegenwart und wahrscheinlich hatte Boris eben dies bezwecken wollen. Es fiel ihm schwer in Boris Gegenwart die Kontrolle nicht zu verlieren, doch nach all diesen Jahren Übung gelang es ihm dafür recht gut.
 

„Was hast du ihm geboten? Was hast du ihm versprochen, dass erfreiwillig für dich arbeitet?“ Seine Stimme klang ruhig und distanziert, während er sprach. Er wusste, dass Boris ihm diese Ruhe möglicherweise nicht abnahm, aber sie gab ihm dennoch ein Gefühl der Überlegenheit, die er im Augenblick keinesfalls besaß. „Macht? Black Dranzer?“
 

„Aber, aber Tala!“ rief Boris tadelnd und seine Augen blitzten amüsiert. „Du beschuldigst mich ohne vorher mit Kai gesprochen zu haben?“
 

„Ich habe mit Kai gesprochen!“ Die Worte waren aus seinem Mund noch ehe er sich davon abhalten konnte sie auszusprechen. Was er tat war dumm. Die einzige Möglichkeit sich gegen Boris zu behaupten, stand darin ihn zu ignorieren und indem er sprach wie ein Kind tat er genau das Gegenteil. Doch nun war es zu spät.
 

„Warum fragst du dann mich? Hat er dir nichts gesagt? Oder, nein, warte! Ich wette du hast ihn nicht einmal gefragt! Hast du ihn gefragt, Tala? Hast du ihn gefragt warum er das hier macht? Nein?“ Boris lachte böse. „Weißt du, das Problem bei dir und Kai ist, dass ihr nicht halb so viel von einander wisst wie ihr zu wissen glaubt. Wie immer begreifst du überhaupt nichts, mein lieber Tala, aber keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass du verstehst, dann, wenn es zu spät ist.“

FÜNFZEHN

FÜNFZEHN|
 

Der Moment in dem er Tala zum ersten Mal getroffen hatte. Diesen Zeitpunkt gab es nicht oder besser, es gab zwei davon. Es gab jenen Tag, an dem er Tala zum ersten Mal begegnet war und jenen, an dem er ihn zum ersten Mal als lebendigen Menschen wahrgenommen hatte, der mit ihm auf derselben Ebene stand.
 

Der Gongschlag ertönte und zweihundert Stühle wurden unter lautem Kratzen zurückgeschoben. Zweihundert in braune Uniformen gekleidete Gestalten erhoben sich geräuschvoll von ihren Plätzen und wandten ihre ernsten Gesichter in Richtung des großen Eichentores am Ende der Halle. Der Klang ihrer Schritte hallte laut in der gewölbten Decke, als sie in geordneten Reihen den Raum verließen und in den großen, quadratischen Hof hinaustraten. Kai, gerade einmal sechs Jahre alt, legte den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel auf.
 

Er hatte damals bereits ein gutes halbes Jahr in der Abtei gelebt und für ihn war es der schrecklichste Ort auf Erden gewesen.

Bis zu seinem fünften Geburtstag hatte Kai bei seinen Eltern gelebt, in einem großen Haus mit Garten, das in einem kleinen Teilort Moskavs gelegen hatte. Dort hatte es große, warme Zimmer gegeben und er war in eine kleine Schule gegangen, in der er Freunde gehabt hatte. Seine Eltern waren immer sehr warm und freundlich gewesen. Wenn er nun daran zurückdachte, so spürte er keine Wärme mehr, nur noch die fahlen Schatten des Trugs.
 

„Hey, Kai!“ Ein Junge mit schulterlangen goldblonden Locken trat neben ihn. Die umstehenden Jungen, zumindest jene im gleichen Alter, warfen ihm kritische Blicke zu, als er an ihnen vorbeilief. Kai machte sich keine Mühe den Gruß zu erwidern.
 

„Hast du schon gehört?“ fuhr der Junge mit den Locken unbeirrt auf brüchigem Russisch fort. Er stammte aus einem Nachbarland, aus welchem genau, das hatte Kai vergessen. „Boris kommt heute Abend zurück und ein paar Jungs aus meiner Englischgruppe glauben, dass er ein paar Neue mitbringt.“

Kai antwortete nicht und warf dem anderen nur einen kurzen, nichts sagenden, leeren Blick zu, ehe er sich abwandte und davon ging, ohne den Jungen weiter zu beachten. Kai betrat das Gebäude und stieg die Treppen hinunter, zu den unterirdischen Trainingsanlagen der Abtei. Es gab kein Licht, doch das störte ihn nicht weiter. Er hatte sich längst daran gewöhnt.
 

Er wusste, dass die Gänge nicht beleuchtet wurden um die Schüler einzuschüchtern und um ihre Sinne zu schärfen. Kai, obwohl er im Dunkeln inzwischen beinahe besser sah als bei Licht, hatte längst gelernt sich nicht nur auf seine Augen zu verlassen. Die Abtei hatte ihn praktisch dazu gezwungen.

Die Dunkelheit machte ihm keine Angst mehr. Alleine die Trainingssäle wurden von Neonröhren erhellt, der Speisesaal im Winter ebenfalls, im Sommer fiel dort das viel hellere Sonnenlicht ein, und in einem bestimmten Zeitraum auch die Unterkünfte.
 

An die Gesichter seiner Eltern konnte er sich nicht mehr erinnern. Sie hatten ihn ohne zu zögern an seinen Großvater übergeben, an Boris, an die Abtei. Sie hatten ihm niemals Nachricht zukommen lassen oder ihn besucht. In seinen Erinnerungen spielten sie keine Rolle und es machte ihm nichts aus, dass er nicht einmal mehr wusste, wie sie aussahen.

Die Abtei war kalt gewesen und die Zimmer waren klein und karg. Er hatte keine Freunde gehabt, stattdessen hatten ihn alle mit schrägem Blick gemustert.
 

Als Kai später am Abend in sein Zimmer zurückkehrte, war er überrascht dort auf dem zweiten Bett einen anderen Jungen zu treffen, den er niemals zuvor gesehen hatte. Bisher hatte er den kleinen Raum mit den beiden Betten darin ganz für sich alleine gehabt. Neonlicht erhellte die Kammer. Der Junge saß auf einem der Betten und war gerade dabei eine neue Uniform und blütenweiße Handtücher sowie einige andere Utensilien, die man beim Einzug in die Abtei bereitgestellt bekam zu sortieren, als Kai eintrat. Der Junge schaute überrascht auf, sprang dann vom Bett und streckte Kai grinsend die Hand entgegen.
 

„Hei, ich bin Tala!“ plapperte der Junge munter drauflos. „Du musst Kai sein, richtig? Sie haben mir gesagt, du würdest mit mir das Zimmer teilen und mir Morgen alles zeigen!“ Kai musterte den Jungen kurz. Rote Haare, strahlend blaue Augen, ungefähr so groß wie er selbst und wohl auch im selben Alter.

Kai erwiderte den Gruß nicht, starrte Tala nur irritiert an und verschwand dann ohne Talas Hand zu schütteln in dem angrenzenden Badezimmer. Als er wieder herauskam hatte Tala seine Sachen bereits in dem kleinen Wandschrank verstaut und schien zu schlafen.
 

Der Tag begann für alle Abteischüler sehr früh. Nach dem allmorgendlichen Aufwärmprogramm wurde Kai von einem der Aufseher angewiesen Tala die Abtei zu zeigen und ihm das Tagesprogramm zu erklären. Kai, dem es schlichtweg egal war, führte Tala durch die Gänge der Abtei, erklärte mit monotonen und möglichst wenigen Worten und beantwortete Fragen nur in knappen Sätzen oder gar nicht. Tala schien dies alles recht wenig zu kümmern. Er war viel zu begeistert von den Trainingseinrichtungen um Kais Gleichgültigkeit wirklich wahrzunehmen. Kai führte ihn durch die Gänge mit den Schlafkammern zu den Krafträumen, dann zu den Schwimmbecken, von dort aus zu dem Saal mit den Stadions und den Computern, dann zu den Simulationsmaschinen und der Krankenstation, anschließend auf den Hof, zum Speisesaal und der Kapelle. Am Ende der Führung konnte er Talas Stimme nicht mehr hören, erklärte ihm knapp und bündig den Tagesablauf und verschwand dann so schnell er konnte um zum Unterricht zu gehen.
 

Es war ein seltsamer Tag gewesen oder besser, seine Begegnung mit Tala hatte ihn zu einem seltsamen Tag gemacht und eigentlich war es völlig absurd, dass er sich noch immer daran erinnerte, als wäre es erst gestern gewesen. Aber er hatte damals nach langer Zeit zum ersten Mal wieder etwas gespürt, nämlich echte Gereiztheit.

Eine Weile später erst hatte er Tala so kennen gelernt wie er wirklich war oder vielleicht, wie er auch sein konnte. Es war ein kalter Tag gewesen. Einer der Kältesten des Jahres und einer jenen, an denen es schon um drei Uhr Nachmittag dunkel war, an denen es ohnehin nur eine Stunde Sonnenlicht gab, wenn überhaupt.
 

Es hatte geschneit an jenem Tag, geschneit wie an so vielen Tagen zuvor, dass es für niemanden mehr etwas Besonderes gewesen war. Die Abteischüler waren schnell durch die Gänge mit den hohen, gewölbten Fensterfronten geeilt, denn diese hatte man niemals beheizt. Kai jedoch war langsam gegangen, die Kälte hatte ihm nur anfangs etwas ausgemacht, zu jenem Zeitpunkt jedoch nicht mehr. Er war gegangen und hatte plötzlich den Jungen mit den roten Haaren gesehen, mit dem er seit einigen Wochen das Zimmer geteilt hatte. Tala hatte vor diesem riesigen Fenster gestanden und in die Dunkelheit hinausgesehen, in den verschneiten Hof und den bewölkten Nachthimmel.
 

Kai war neben ihn getreten und hatte ebenfalls hinausgesehen um zu finden, was Tala so faszinierend gefunden hatte.
 

Es hatte geschneit. Tausende und Abertausende kleine, federleichte Flocken waren auf die Erde gefallen und hatten die Stadt in friedliches, gedämpftes Schweigen gehüllt. Alles war weiß gewesen, nur der Himmel hatte einen dunkleren Grauton angenommen. Im Hof unten hatten Schüler und Angestellte tiefe Spuren im Schnee hinterlassen. Auf die große Glasscheibe hatte der leichte, beißend kalte Wind ein Muster aus filigranen Eisblumen gezaubert.
 

„Schön, oder?“ hatte Tala gesagt. „Dabei ist es nichts weiter als eine kalte, starre Maske, die alles Hässliche versteckt und sobald der Schnee weg ist, wird alles wieder genauso hässlich und laut wie zuvor. Manchmal denke ich, dass über mir auch so eine Schneeschicht liegt.“ Kai hatte nur genickt. Er hatte zugehört und genickt, weil diese Worte die ersten seit langem gewesen waren, die für ihn irgendwelchen Sinn gemacht hatten. Sie waren so lange dort geblieben und hatten in den Hof hinaus gestarrt, dass sie schließlich zu spät zum Unterricht gekommen waren und im Anschluss gemeinsam Strafstunden hatten absitzen müssen.
 

Den Anderen gegenüber hatte Tala niemals so gesprochen und wenn doch hatte niemand je begriffen, wovon er eigentlich sprach. Manchmal hatte er sich, wenn sie beide alleine gewesen waren, in einen ganz anderen Menschen verwandelt.

Seit jenem Tag waren sie zu einem stillen Einverständnis gekommen. Sie hatten der drückenden Last der Abtei widerstanden. Sie hatten sich beide verändert, so verändert, dass sie dort leben konnten, aber so, dass sie dort leben konnten, wie sie wollten. Tala war trotz allem immer für jede Albernheit zu haben gewesen.
 

Das war Tala oder das war Tala gewesen, als sich noch jünger gewesen waren, als das Leben in der Abtei noch normal gewesen war, als die Abtei noch eine Schule gewesen war, vor jenem Zeitpunkt zu dem sie Dinge erfahren hatten, die keiner von ihnen jemals zu erfahren gewünscht hatte.
 

Alles war gut gewesen, bis zu jenem Tag einige Jahre später, an dem Boris Kai, Tala und ein paar anderen Schülern erlaubt hatte, beim Test eines neuen Beyblades anwesend sein zu dürfen. Dies war der Tag, an den Kai sich besonders gut erinnern konnte. Der Punkt, an dem sich alles gewandt hatte. Das Ereignis, das alles verändert hatte, das ihn verändert hatte, das Tala verändert hatte.
 

Kai trat einen Schritt vom Geländer zurück und wandte sich langsam um, als die Schritte, die hinter ihm erklangen, ihn aus seinen Gedanken rissen.
 

„Du siehst gar nicht überrascht aus, Kai.“
 

Kai antwortete nicht. Er war nicht überrascht, im Gegenteil, er hatte darauf gehofft, dass Boris ihn beobachten lassen und eine solche Chance, ihn alleine anzutreffen, nutzen würde. Er hatte ihn lange warten lassen, doch nun war Boris endlich gekommen.
 

„Wo ist Tala?“ wollte er gerade heraus wissen. Er hatte weder die Nerven noch Lust dazu Boris Spielchen zu spielen.
 

„Das ist es?“ erwiderte Boris mit gespielter Enttäuschung. „Deshalb hast du so lange hier auf mich gewartet?“ Kai ging nicht darauf ein sondern wiederholte schlichtweg seine Frage.
 

„Wo ist Tala?“
 

„Tala also, ja Kai?“ Der Ausdruck auf Boris Gesicht wandelte sich zu einem schalen Lächeln. „Immer noch Tala.“ Er machte eine Pause und sah Kai für den Bruchteil einer Sekunde durchdringen an. „Weißt du was der Unterschied zwischen dir und Tala ist, Kai? Tala hätte dich niemals verraten. Tala hat niemals irgendjemanden verraten und er wird es niemals tun.“
 

Kai zog geringfügig und kaum sichtbar die Brauen zusammen. Er brauchte das nicht zu hören. Er wusste es und Boris wusste das auch.
 

Es gibt Menschen, die sind zu gut für diese Welt. Es gibt Menschen, die glauben allen anderen helfen zu müssen, egal wem, die mit denen Mitleid haben, die in den Augen von anderen kein Mitleid verdient haben.
 

„Talas Mutter war arm und krank und niemand hat sich um ihn gekümmert. Als ich ihm einen Platz in der Abtei anbot, hat er sofort zu gesagt. Nicht einmal von seiner Mutter hat er sich verabschiedet. Für ihn war die Abtei das Paradies. Hast du dich nie gefragt, warum Tala nie aus der Abtei geflohen ist oder warum er es nicht einmal versucht hat, so wie du? Hast du dich nie gefragt warum niemals irgendwer versucht hat aus der Abtei zu fliehen?“ Boris lachte und es klang freudlos und kalt.
 

„Für die wenigsten gab es keinen Ort zu dem sie hätten gehen können, die meisten wollten nicht zurück. Das Leben in der Abtei war hart für sie und so sollte es auch sein, aber man bemerkte sie. Dort wo diese Kinder herkamen hat man sich nicht um sie gekümmert. Alle von ihnen stammen aus armen Familien und nicht alle hatten immer ein Dach über dem Kopf. Verstehst du, Kai? Ich habe die Kinder in der Abtei selbst ausgewählt, jedes einzelne, außer dich. Ich wollte dich dort nie haben. Du wusstest wie es war eine Familie zu haben, die sich um dich kümmerte. Man hat sie dir weggenommen und ich wusste von Anfang an, dass du schwierig sein würdest, das du Ärger machen würdest, dass du keinen Respekt haben würdest, dass du die Abtei hassen würdest und das zu versuchen würdest zu fliehen. All das habe ich gewusst, aber dein Großvater ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Er wollte dich haben, aber nicht als kleines Kind, das schwach war. Er wollte dich später und wir sollten uns solange um dich kümmern. Aber du hast nur Ärger gemacht ich hätte dich nicht ausgewählt, aber ich muss zugeben, dass du gut warst. So gut wie Tala und Tala war immer mein bester Schüler. Aber anders als Tala hast du dich nicht vor der Einsamkeit gefürchtet. Du hast dich nie davor gefürchtet allein zu sein, deshalb konntest du deine Freunde verraten, deshalb konntest du Tala verraten und deshalb konntest du aus der Abtei fliehen. Du hattest immer nur Angst vor der Dunkelheit und die Abtei war die Dunkelheit. Tala hatte Angst davor allein zu sein, deshalb wird er niemals irgendwen verraten und niemals fliehen. Er hat dir vertraut, nicht wahr, Kai? Er hat dir vertraut und er hätte dir alles verziehen, alles, aber du hast ihn verraten.“
 

Weißt du was mit solchen Menschen früher oder später geschieht? Sie brechen zusammen oder sie bringen sich um, weil sie es nicht ertragen können, wie schlecht die Welt ist und dass sie nicht immer jeden retten können, weil es einfach nicht möglich ist und die Welt nicht gerecht. Sie bauen eine Mauer um sich herum und lassen niemanden mehr an sich heran. Sie versuchen zu vergessen, aber man vergisst nie, man vergräbt nur und sie vergraben sehr tief.
 

Es tat weh. Irgendwo tief in ihm pochte ein dumpfer Schmerz und ab und zu stach eine Nadel mitten hinein. Es war ein grässliches Gefühl und er wusste, dass er es verdiente und dennoch…
 

Er wusste all diese Dinge und er wusste auch, dass es Boris unheimlich viel Spaß machen musste ihm diese Geschichte wieder und wieder zu erzählen, Andeutungen zu machen, hinter denen so viel mehr verborgen lag.

Es tat weh und dennoch wusste er, dass er das richtige getan hatte. Irgendwo zwischen all den Fehlern, die er gemacht hatte, war er ein einziges Mal richtig abgebogen. Er wusste, dass er die Vergangenheit nicht ändern konnte, die Vergangenheit in der er blind gewesen war, verblendet. Er brauchte niemanden, der ihn verstand, der verstand was er tat und wie und warum. Alles was er brauchte war der Glaube daran das Richtige zu tun. Einmal in seinem Leben, in dem er so oft in die falsche Richtung gestolpert war, den richtigen Weg zu wählen. Doch wer konnte sagen, was richtig war und was falsch? Es gab so viele Nuancen und dennoch, und dennoch musste er für sich entscheiden und es war ihm egal, ob irgendjemand diese Entscheidung nachvollziehen konnte.
 

„Ich habe ein Angebot für dich, Kai. Nimm es an und mache denselben Fehler noch einmal.“

SECHZEHN

Ach, eigentlich wollte ich schon ins Bett gehen, da fiel mir auf, das heute ja Montag ist und dass das neue Kapitel noch gar nicht fertig ist... Wirklich, ich glaube es wird schneller Monatg als Freitag oder Mittwoch...

Wie auch immer, hier die voerst noch unbearbeitet Version
 

~~~
 

SECHZEHN|
 

Kai starrte gebannt in die Bowl hinab. Er ging mit dem Gesicht so nahe an die Glasscheibe, dass er sie mit der Nase berührte. Er hörte nicht das aufgeregte Gemurmel der Jungen, die neben und hinter ihm standen. Er sah sie nicht, nahm sie nicht wahr, hatte ihre Anwesenheit vergessen. Es war auch nicht wichtig, denn alles was zählte war das pechschwarze Beyblades, das schneller als Augen ihm folgen konnten sämtlichen Gegnern auswich und sie aus der Arena schleuderte.
 

Kai war fasziniert, sprachlos. Obgleich er kaum viel mehr als hier und da das Aufblitzen schwarzen Metalls zu erkennen vermochte, konnte er seinen Blick nicht abwenden. Es war als hätte man einen Bann über ihn gelegt und er wagte nicht sich zu bewegen, dachte nicht einmal, dass er es hätte tun können, wusste nicht, dass er dazu fähig war.
 

„Das genügt!“ Die tiefe Stimme holte Kai zurück. Voltaire klang überaus zufrieden. Kai sah hinunter zu dem Jungen, der das schwarze Beyblade getestet hatte. Es war einen der älteren Schüler, den Kai nur vom sehen her kannte, doch er wusste, dass man ihn mit größtem Respekt behandelte. Er machte Anstalten den schwarzen Beyblade zurück in seine Hand springen zu lassen und zuerst schien es, als würde es eben so geschehen.
 

Das schwarze Beyblade schlug einen Haken, schoss über die Kante des Stadions hinweg, Kai wandte sich ab. Tala, der neben ihm stand, öffnete den Mund um etwas zu sagen, seine Augen glitzerten und die Aufregung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als plötzlich jemand aufschrie.
 

Kai und Tala wirbelten beinahe gleichzeitig herum. Die Augen der beiden Jungen erstarrten vor Schreck. Kai konnte hören, wie sein Großvater hinter ihm fluchend das Zimmer verlies. Panisches Murmeln breitete sich in dem Raum aus. Die Glasscheibe, durch die man auf die Bowl hinab sehen konnte, war mit Blutspritzern besprenkelt, mehrere Pfützen bedeckten den Boden. In einer von ihnen kreiselte der schwarze Beyblade.
 

Der Schüler lag am Boden, die Augen weit aufgerissen, den Mund leicht geöffnet. Kleine Bäche aus Blut flossen aus Nase und Mundwinkel und seine Kleider waren rot getränkt. Aufseher, Wissenschaftler und ein Arzt eilten zu dem Jungen hin. Auch ihre weißen Mäntel waren von Blutspritzern übersät. Der Arzt beugte sich über den Schüler und schien ihn kurz zu untersuchen, erhob sich dann und schüttelte den Kopf.
 

In diesem Augenblick betrat Voltaire den Testraum. Er ging an dem Jungen vorbei ohne ihn weiter zu beachten und hob das Beyblade aus der Blutpfütze. Voltaire gab es einem der Wissenschaftler, der ihm folgte, als Kais Großvater den Testraum verlies. Der Schüler, der noch immer regungslos am Boden lag, wurde nun ebenfalls aus dem Raum entfernt.
 

Kai erwachte, als er spürte, wie der Boden unter ihm zu beben begann und er bei einem heftigen Ruck zur Seite geschleudert wurde. Er stieß mit der Schulter gegen etwas kaltes, Hartes. Stechender Schmerz durchzuckte seinen Kopf einem Blitz gleich. Er stieß einen Fluch aus und wollte sich mit der Hand über die Stirn fahren, als er bemerkte, dass er seine Arme nicht bewegen konnte. Er öffnete die Augen und blinzelte. Er wartete einen Augenblick, bis seine Gedanken sich geklärt hatten und versuchte es dann erneut. Kaltes Metall drückte auf seine Armgelenke. Er war gefesselt und er lag auf dem kalten Boden eines Lieferwagens mit dem Gesicht zur Wand. Hinter sich hörte er ein spöttisches Schnauben.
 

„Du könntest Dranzer rufen und mit ihrem Feuer die Handschellen schmelzen.“ bemerkte eine ihm allzu bekannte Stimme auf Russisch und für einen Augenblick war er einfach nur erleichtert. Dieses Gefühl war ihm so fremd geworden, dass er es im ersten Augenblick gar nicht erst wahrnahm.
 

„Und meine Hände zu Asche verbrennen, großartige Idee, Tala.“ erwiderte er sarkastisch in derselben Sprache. Mit einem Ruck setzte er sich auf, drehte sich herum und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand des Lieferwagens. Tala saß ihm gegenüber und heftete seine stechenden blauen Augen auf die seine. Ein Stück abseits in Richtung der Türe saß ein Mann, der die beiden Russen misstrauisch musterte. Er war ganz in Schwarz gekleidet, eindeutig Japaner und mit Sicherheit bis auf die Zähne bewaffnet.
 

Tala zuckte mit den Schultern.

„Ich habe niemals behauptet, dass der Plan perfekt wäre.“ Dann erschien mit einem Mal der Ansatz eines wölfischen Grinsens auf seinen Lippen. „Wobei ich den Verlust deiner Hände hinnehmen könnte um hier wieder raus zukommen.“
 

Kai verzichtete darauf Tala auf die zahlreichen Fehler hinzuweisen, die sein ‚Plan’ barg, schon allein, weil er mit Sicherheit wusste, dass der rothaarige Russe sich derer durchaus bewusst war. Stattdessen wandte er sich dem Mann zu, der mit ihnen eingesperrt war. Er musterte ihn ganz unverfroren mit seinen kalten, amethystfarbenen Augen und bemerkt, wie der Japaner unter seinem Blick beinahe zurückzuckte. Jedoch nur beinahe.
 

„Er versteht uns nicht.“ bemerkte Tala, worauf Kai sich wieder ihm zuwandte und fragend eine Augenbraue hob. „Ich hab ihn auf alle möglichen Arten beschimpft und er hat nicht mal gezuckt.“ Der rothaarige Russe wirkte beinahe ein wenig enttäuscht. Kai kannte Talas Repertoire an Flüchen und Schimpfworten nicht, aber er bekam in regelmäßigen Abständen Kostproben von Spencers und wenn man nun bedachte, dass Tala schon seit ungefähr zehn Jahren mit Spencer in einem Team war und ihn von Morgens bis Abends um sich hatte, konnte der Mann froh sein, dass er kein Russisch verstand.
 

Diese Gedanken ließen ihn beinahe lächeln und mit einem Mal bemerkte er, dass sich etwas verändert hatte. Es war nicht dieses Gefühl, das ihm deutlich sagte, dass er in eine Falle lief, dass irgendetwas nicht stimmte und irgendetwas unheimlich falsch war, sondern ein Gefühl, das ihm sagte, dass alles genau so war, wie es sein sollte. Ein Gefühl der Zufriedenheit und der Richtigkeit, dr Erleichterung und das obwohl er gefesselt in einem Lieferwagen saß in Begleitung eines Mannes, der wohl nicht nur eine Waffe am Körper trug. Und dann wurde ihm plötzlich klar warum.
 

Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte Tala mit ihm gesprochen ohne dass dieser kalte, gleichgültige Ton in seiner Stimme gelegen hatte. Diesen Ton, den er so zu hassen gelernt hatte, der ihn wütend machte, wütend auf Tala, aber im Grunde nur auf sich selbst. Dieses Mal hatte Tala mit ihm gesprochen, wie er es früher getan hatte, wie er es kannte. Es war der feine, schlichte Spott in seiner Stimme. Spott, den sie früher oft benutzt hatten. Es war ein seltsames Gefühl. Vertraut. Warm. Richtig.
 

Tala ihm gegenüber starrte schweigend auf die Wand des Lieferwagens. Vielleicht war ihm soeben derselbe Gedanke gekommen. Sie schwiegen beide für den Rest der Fahrt.
 

Mit einem Ruck kam der Wagen nach einer Weile plötzlich zum Stehen. Es dauerte einen Augenblick, dann wurde die Türen geöffnet und gleißend helles Licht strömte herein. Zwei Männer, die wie der Japaner im Innenraum gekleidet waren, zerrten Kai nach draußen. Der blaugrauhaarige Russe musste unwillkürlich die Augen schließen, als die grellen Sonnenstrahlen in seine Pupillen eindrangen, und sah so die Hand nicht kommen, die ein Tuch gegen seine Nase und den Mund presste und ihm erneut das Bewusstsein raubte.
 

~~~
 

Tala hatte Kai nicht verstanden und auf absurde Weise fühlte er sich in den sechsjährigen Jungen zurückversetzt, der er gewesen war, als er Kai zum ersten Mal getroffen hatte. Nicht das Kai noch besonders viel Ähnlichkeit mit dem Jungen hatte, der er damals gewesen war, dennoch war das Gefühl beinahe dasselbe. Die meisten Jungen in der Abtei waren älter gewesen als er und wenn er sie gefragt hatte, warum keiner von ihnen mit Kai sprach, so hatten sie nur gemeint, dass er arrogant sei. Arrogant, eingebildet, jemand, der sich für besser hielt und mit keinem von ihnen etwas zu tun haben wollte. Und sie hatten falsch gelegen.
 

Kai war ein netter Junge gewesen, es war beinahe belustigend wie absurd das Word ‚nett’ im Bezug zu Kai wirkte, aber dennoch war es schlichtweg die Wahrheit. Bevor er in die Abtei gekommen war hatte Kai in einem kleinen Dorf außerhalb Moskavs gelebt, in einem Ort, in dem jeder jeden kannte und in dem man mit den Kindern aufwuchs und zur Schule ging, die man schon seit der Geburt an kannte. Er war bei seinen Eltern aufgewachsen, über die er nur ein einziges Mal gesprochen hatte, irgendwann Jahre später, als Tala gefragt hatte, ob er sich noch an ihre Namen erinnern könne. Kai hatte nur den Kopf geschüttelt und gemeint er erinnere sich nicht einmal mehr an ihre Gesichter.
 

Es müssen gute Menschen gewesen sein, das hatte Tala immer gedacht. Gute Menschen, nicht weil sie Kai in die Obhut seines Großvaters und die der Abtei gegeben hatten. Auch nicht gut, weil sie niemals nach ihm gesucht, ihn niemals besucht hatten. Aber gut, weil es ansonsten nicht ein derart großer Schock für Kai gewesen wäre in die Abtei geschickt zu werden.
 

Tala, der in sein damaliges Leben zum größten Teil auf der Straße und nur möglichst weit weg von seiner Mutter verbracht hatte, hatte keine Probleme gehabt sich in der Abtei einzuleben, aber Kai, der sein Leben lang nur dieselben Menschen gekannt und um den sich seine Eltern gekümmert hatten, war die fiel schwerer gefallen. Es war nicht die Arroganz, es war Schüchternheit. Schüchternheit und schlichtweg Angst, die ihn davon abgehalten hatten mit den anderen Jungen in der Abtei zu reden und sie hatten es niemals verstanden.
 

Es war so klar, wenn er heute darauf zurückblickte, doch damals hatte auch er nicht verstanden. Im Gegensatz jedoch zu allen anderen, die Kai mieden, hatte er sich ihm zugewandt und versucht etwas daran zu ändern und es hatte wunderbar funktioniert. Aber das war so lange her und auch heute wie damals verstand er Kai nicht. Er verstand nicht, was ihn dazu bewegte zu tun, was er tat.
 

~~~
 

„Also gut“, meinte Tala schließlich und auf seinen Lippen breitete sich dieses gewisse Grinsen aus, das er immer dann zeigte, wenn ihm eine Idee gekommen war. „Wie wäre es dann mit einer Wette?“
 

Kais Augen wanderten zurück zu Tala und etwas wie Interesse glomm in den amethystfarbenen Tiefen auf. Er hob die Brauen und erwiderte Talas Grinsen mit einem fragenden Blick.
 

„Wer es als erster schafft zu Black Dranzer zu kommen ohne von den Wachen entdeckt zu werden, der darf ihn behalten.“
 

Als Kai dieses Mal erwachte war alles um ihn herum dunkel. Er lag auf kaltem, steinernem Boden und fror erbärmlich. Einem Reflex folgend schlang er fröstelnd die Arme um seinen Körper und zog die Beine an. Sein Kopf schmerzte, als wäre er damit gegen eine Wand gerannt. Alles fiel durcheinander, Bilder, Stimmen, Worte und Erinnerungen, als hätte er ein Regal umgestoßen. Sie wirbelten in seinem Kopf umher und ließen nicht zu, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte. Nur langsam kehrte Ordnung in das bizarre Gewirr. Stöhnend setzte sich Kai auf und presste eine taube Handfläche gegen seine Stirn. Nach und nach ordneten sich seine Erinnerungen und er konnte zumindest ahnen wo er sich befand. Er rutschte ein Stück zurück, bis sein Rücken eine Wand berührte und legte dann den Kopf in den Nacken um ihn gegen die kühlen Steine zu lehnen.
 

Kai öffnete langsam die Augen, doch alles was er sah war undurchdringlich Schwärze. Er wartete eine Weile, bis sich seine Augen an die Schwärze gewöhnt hatten und er zumindest Schemen erkennen konnte, die sich schwach in der Dunkelheit abzeichneten. Es war absolut still nur Kais leiser Atem hob sich von dem natürlichen Schweigen ab.
 

Er wusste später nicht mehr, wie lang er so dagesessen und ins Leere gestarrt hatte. Es kam ihm vor als wäre eine Ewigkeit vergangen, als plötzlich die Lampen angingen. Kai musste unwillkürlich die Augen schließen, als die Neonröhren, die an der Decke hingen, den Raum in grelles Licht tauchten. Nun waren auch Schritte zuhören, die sich langsam näherten. Die Schritte verstummten, ein Schlüssel wurde herumgedreht und eine Türe öffnete sich mit kreischenden Scharnieren. Es folgten wiederum Schritte, dieses Mal hastig und stolpernde, dann fiel etwas zu Boden. Etwas oder jemand.
 

Kai öffnete seine Augen vorsichtig wieder und wartete, bis sie sich langsam an die plötzliche Helligkeit gewöhnten. Als sich sein Blick schließlich klärte, hatte sich die Türe bereits wieder geschlossen. Der Raum, in dem er sich befand, war klein. Vielleicht ungefähr fünf auf fünf Quadratmeter. Die Wände bestanden aus nackten, nahezu grob gehauenen Steinen, ebenso wie der Boden. Fenster gab es nicht, die Türe war aus glänzendem Metall. An der Decke gab es zwei grelle Neonröhren.

Kai nahm sein Umfeld nur nebenbei wahr. Seine Aufmerksamkeit war auf die Gestalt gerichtet, die am Boden lag und sich langsam, stöhnend aufsetzte.
 

Tala.
 

~~~

Gute Nacht! ^__^

SIEBZEHN

Tut mir Leid, dass es wieder so lange gedauert hat, aber damit müsst ihr in nächster Zeit leider einfach rechenen.
 

Es tut mir auch furchtbar Leid, dass ich dieses Mal nicht auf eure Kommentare antworten konnte, aber mir mangelt es im Augenblick einfach an Zeit um alles unter einen Hut zu bekommen. Einen großen Dank trotzdem an alle Kommentarschreiber. Ich werde mich darum bemühen in Zukunft wieder auf alle Kommentare zu antworten.
 

~~~
 

SIEBZEHN|
 

Kai stand mit dem Rücken zur Wand in einem der unzähligen Gänge der Abtei. Er wusste, dass sein Ziel nicht weit war. Nur um die Ecke musste er gehen, zu der großen Türe vor der die beiden Wachen standen. Die beiden Wachen, an denen er unbedingt vorbeikommen musste nicht nur um Talas dämliche Wette zu gewinnen.

Er musste ihn haben, musste ihn in den Händen halten, den schwarzen Beyblade, nur ein einziges Mal, nur einen Augenblick. Er war für ihn geschaffen, nur für ihn allein. Kai hatte es gespürt, er hatte die Verbindung gespürt. Es hatte ihn gerufen, nur ihn, ihn ganz alleine. Es war für ihn bestimmt. Voltaire hatte es gewusst, dem war sich Kai ganz sicher. Sein Großvater hatte das Beyblade nur hergebracht, hatte es nur von diesem Schüler testen lassen, um Kai die Macht zu demonstrieren. Die Macht, die ihm alleine versprochen worden war, die ihm alleine gehörte, die er sich so sehr ersehnte.
 

Der Schüler war dieser Macht nicht gewachsen gewesen, er hatte nicht damit umgehen können, er war viel zu schwach gewesen. Er hatte die Stimme nicht gehört, niemand hatte es ihm erlaubt, er hätte es niemals herausfordern dürfen, war dem nicht würdig, doch Kai wusste, dass er selbst es konnte. Diese Macht existierte einzig und allein um von ihm genutzt werden zu können. Es konnte gar nicht anders sein, denn die Stimme hatte es ihm versprochen, hatte ihm die Macht versprochen. Wie konnte es anders sein? Voltaire hatte ihm von Anfang an prophezeit, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem er zum mächtigsten aller Beyblader werden würde. Die Elite, die Spitze. Voltaire hatte es ihm versprochen, als er zu ihm kam vor ein paar Jahren. Er würde der Beste sein, er war etwas Besonders, er war anders. Voltaires Augen hatten gefunkelt vor stolz und Zufriedenheit. Nun war es so weit, der Schlüssel zu allem, was sich Kai je gewünscht hatte, war nur durch eine einfache Wand von ihm getrennt. Eine Wand und die beiden Wachen.
 

Es war die perfekte Gelegenheit und er musste sie nutzen. Tala würde vielleicht enttäuscht sein, aber er war ein guter Verlierer. Tala würde es ihm nicht übel nehmen. Im Gegenteil, er würde es bald akzeptieren und dann konnten sie zusammen einen Weg finden die Abtei zu verlassen. Es würde einfach werden, denn mit der Macht des schwarzen Beyblades gab es keine ernsthaften Hindernisse mehr. Niemand würde sie aufhalten können. Sie würden einfach gehen, hinaus in die Welt, die er gekannt hatte und gemocht hatte und sie würden zu seinen Eltern gehen und sie würden ihm erklären, warum sie niemals gekommen waren um ihn zu besuchen und warum sie ihn einfach hatten gehen lassen. Er hatte bereits selbst mehr als hundert gute Gründe dafür gefunden.
 

Heute Mittag war Voltaire in die Abtei gekommen und als Kai das kleine Büro betreten hatte, war ein Mann in einem weißen Kittel anwesend gewesen, der das schwarze Beyblade bei sich gehabt hatte. Der Wissenschaftler hatte das Büro kurz darauf verlassen und Kai war ihm wenig später gefolgt. Die Unterredungen mit Voltaire fielen zu meist sehr knapp aus, sowie auch dieses Mal.
 

Kai wartete bis der Wissenschaftler den Raum wieder verlies und stellte sich ihm dann in den Weg.

„Mein Großvater schickt mich.“ erklärte er, als der Mann in fragend ansah. „Das schwarze Beyblade, er will es sich noch mal ansehen, ich soll es zu ihm bringen.“ Der Wissenschaftler verzog genervt das Gesicht und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Natürlich kannte er Kai und wie jeder andere wusste er, dass er Voltaires Enkel und dessen ganzer Stolz war. Des Weiteren hatte er den Jungen eben noch im Büro seines Großvaters gesehen. Ihm war ebenfalls bekannt, wie Voltaire reagierte, wenn man seine Befehle ignorierte oder nicht zu seiner Zufriedenheit ausführte, also ging er zurück in den Raum und händigte Kai den pechschwarzen Beyblade aus. Er nickte Kai noch kurz zu und verschwand dann.
 

Als Kai das Beyblade berührte, spürte er wie ein enormer Kraftstoß seinen Köper durchflutete. Es war als würde pure Energie durch seine Adern fließen. Ein Gefühl der Sicherheit breitete sich in ihm aus, Überlegenheit und etwas anderes, dass er nicht zu deuten wusste. Etwas, das ihm klar machte, dass es nichts Wichtiges mehr gab, dass alles seinen Wert verlor gegenüber dieser Macht. Es gab kein Richtig, kein Falsch mehr, kein Gestern, kein Morgen, keine Kälte, keine Wärme. Alles wurde bedeutungslos und nichts zählte mehr. Er musste ihn unbedingt ausprobieren, nun da er ihn schon in der Hand hielt. Er wollte alles sehen, alles spüren, die ganze Kraft, die gebündelte Macht.
 

Kai fand schnell einen der vielen Testräume, der leer stand, wo doch die meisten Trainingseinheiten in der großen Halle stattfanden. Er stellte sich an den Rand der Bowl, nahm seinen Shooter vom Gürtel und befestigte das schwarze Beyblade daran. In diesem Augenblick öffnete sich mit leisem Klicken die Türe. Schritte näherten sich und nach den Jahren, die sie nun schon in demselben Zimmer lebten und jeden Tag gemeinsam verbrachten, erkannte Kai Tala bereits an dem Klang seiner Turnschuhe auf dem Betonboden. Tala trat an ihn heran und warf einen Blick auf das Beyblade in Kais Hand. Als er den Kopf hob, leuchteten seine Augen und ein breites Grinsen lag auf seinen blassen Lippen.
 

„Du hast ihn wirklich gekriegt?“ sagte er und seine Stimme klang nahezu euphorisch, wie die eines Kindes, das eine Schokoladentafel aus einem Küchenschrank stibitzt hatte. „Bryan hat gesagt, er hätte dich gesehen und ich hab ihm nicht geglaubt. Willst du ihn ausprobieren?“ Ohne Kais Antwort abzuwarten ging Tala um die in den Boden eingelassene Wölbung herum und zog sein eigenes, weißes Beyblade aus der Tasche.
 

Sie brauchten kein Kommando, mussten nicht herunterzählen. Kai trat einen Schritt zurück und zog mit einem kraftvollen Ruck an der Reisleine. Das schwarze Beyblade landete im selben Augenblick auf dem Boden der Bowl wie das Talas. Wie schon an jenem Tag fiel es Kai schwer dem Beyblade mit den Augen zu folgen, doch da er nun die Bewegungen selbst kontrollieren konnte, wusste er zumindest wohin er schauen musste. Das Beyblade reagierte überraschend schnell und problemlos auf seine Befehle, beinahe als wüsste es schon was er wollte, noch ehe er es selbst wusste. Es war als wäre es nur für ihn gemacht worden, für ihn alleine.
 

Kai ließ es langsam angehen. Tala setzte zumeist auf Angriffkraft und Schnelligkeit. Sein Beyblade war für die Offensive gebaut und seine Taktik basierte darauf. Kai dagegen wollte zunächst sein neues Beyblade testen. Wollte die Bewegungen testen, die Reaktion und vor allem in wie weit es ihm möglich war es zu kontrollieren. Tala ließ nicht lange auf sich warten er begann mit einigen schnellen, gut gezielten Angriffen, denen Kai lediglich versuchte auszuweichen.

Wie bei der Demonstration zuvor waren die Bewegungen des Beyblades weich, elegant und fließend. Es war besser ausbalanciert als jedes andere Beyblade, das Kai zuvor benutzt hatte. Schneller, geschickter und wendiger. Es war perfekt. Es gelang Tala nicht das schwarze Beyblade zu treffen, nicht ein Mal.
 

Kai empfand es als genug für den ersten Versuch und wollte als nächstes die Verteidigung testen. Es fing ganz leise an, ganz schwach spürte er es zuerst nur. Er wartete Talas nächsten Angriff ab und dieses Mal wollte er nicht ausweichen, er wollte lediglich sehen, wie widerstandsfähig das schwarze Beyblade war. Er wartete ab, während Talas weißes Beyblade auf sein eigenes zuraste und änderte im letzten Augenblick seine Meinung und griff an.
 

Die beiden Beyblades krachten unter lautem Scheppern aufeinander, Splitter schossen durch die Luft, prallten gegen die Wände der Bowl und rutschten zurück zum Boden hinunter. Das weiße Beyblade hatte sie am äußersten Rand des Becken gefangen und eierte eher anstatt zu kreiseln. Es hatte einige Zacken des Angriffsrings verloren und wirkte ein wenig unbalanciert. Das schwarze Beyblade hingegen befand sich noch immer an derselben Stelle wie zuvor und hatte einem kurzen Blick nach nicht einmal einen Kratzer. Es verging kaum ein Augenblick, da war es bereits wieder verschwunden und tauchte nahezu im selben Moment wieder hinter dem Weißen auf, um dieses nun vor sich her mit rasanter Geschwindigkeit zum Boden der Bowl hinunter zu schubsen, während immer mehr weiße Splitter abfielen.
 

Tala rief etwas, doch Kai konnte es nicht verstehen, er hatte nur Augen für das unglaubliche schwarze Beyblade. Er bemerkte auch nicht, wie sich leichter, schwarzer Dunst, Nebel ganz ähnlich, langsam um das Beyblade herum zusammenzog. Immer größere Teile von Talas Beyblade brachen ab, während das schwarze Beyblade unermüdlich mit immer schneller werdenden Angriffen attackierte. Es war unglaublich und Kais Augen fingen unweigerlich an zu leuchten. Niemals hatte er dergleichen gesehen. Niemals hatte er solche Überlegenheit, solche Perfektion gesehen. Und es gehört ihm, ihm ganz alleine.
 

„Kai!“ rief Tala plötzlich und als Kai aufsah und zu Tala hinüberblickte, erkannte er plötzlich dessen verzweifelten Gesichtsausdruck, während ihm langsam bewusst wurde, dass es Talas Beyblade war, dass er dort im Stadion gerade auseinander nahm und das man Tala dafür bestrafen würde.
 

Er wollte dem schwarzen Beyblade den Befehl geben zurückzuweichen, doch stattdessen schlug des das weiße Beyblade mit einem letzten kraftvollen Angriff aus der Bowl und ließ es damit direkt auf Tala zuschießen. Kai wollte schreien, doch die Warnung blieb ihm in der Kehle stecken. Tala gelang es nicht mehr rechtzeitig auszuweichen, woraufhin das ramponierte Beyblade ihn an der Wange streifte und eine blutige Spur hinter sich zog.
 

Kai wich einen Schritt von der Bowl zurück. Ließ den Shooter fallen und starrte ungläubig mit geweiteten Augen. Er hatte die Kontrolle verloren. Das Beyblade kreiselte weiter ruhige, gleichmäßige Runden in der Bowl, doch Kai spürte wie die Kraft aus ihm wich, die Sicherheit verschwand und die Überlegenheit sich in Luft auflöste. Er fühlte sich ausgelaugt und schwach. Seine Beine gaben unter dem Gewicht seines Körpers nach, seine Knie knickten ein und er fiel kraftlos zu Boden. Er atmete schwer, hatte den Geschmack von Blut im Mund und hörte sein Herz schnell und laut schlagen. Der Dunst um das Beyblade zog sich inzwischen zu einem riesigen schwarzen Schattenknäul zusammen, das keine genaue Form erkennen lies. Es wuchs an und füllte schnell den ganzen Raum.
 

Kai sah nichts, er spürte nur den Schmerz, etwas in ihm regte sich, und den Bruchteil einer Sekunde später das Blut, das über seinen Bauch und über seine Beine hinweg strömte. Er schrie vor Schmerz, presste beide Hände auf die Wunde an seiner Brust und krümmte sich. Es war, als wäre etwas aus ihm heraus gebrochen, aus seinem Herzen, hatte Gewebe, Muskeln und Haut wie mit einem spitzen Messer von innen heraus zerfetzt und hatte sich aus seinem Körper befreit.
 

Mit einem Mal wusste Kai, dass dies sein Ende sein würde. Wenn dieses Ding ihn nicht innerhalb der nächsten Sekunden umbringen würde, würde er verbluten. Tränen brannten in seinen Augen, Panik stieg in ihm auf. Er wollte nicht sterben, auf gar keinen Fall. Er fürchtete sich vor dem Tod wie vor ansonsten nichts. Er wollte ihm nicht gegenübertreten, wollte sich dem nicht stellen. Er wollte nicht wissen, was danach kam, ob nun Leere oder Hölle. Er wollte leben. Doch es kam nicht, was auch immer dieses Ding gewesen war, es kam nicht zu ihm um ihn zu töten, stattdessen hörte einen anderen Schrei von irgendwoher in der Finsternis. Es war ein qualvoller Schrei, der von schrecklichen Schmerzen sprach.
 

Kai konnte sich nicht länger aufrecht halten, als ihn sein eigener Schmerz erneut übermannte, und kippte zur Seite. Tränen rannen über seinen Wangen, er kniff die Augen zusammen und plötzlich wusste er, wer da geschrieen hatte.
 

~~~
 

Sein erster Gedanke, als er sich auf dem Bett, eingehüllt in weiße Decken, wieder fand, war: Ich bin tot. Er wusste nicht, warum ihm dieser Gedanke kam, doch im ersten Augenblick wirke er relativ logisch, ehe er im nächsten jegliche Bedeutung verlor. Er war nicht tot. Er war am Leben, selbst wenn er nicht wusste wo er sich befand und wie er dort hingekommen war. Das letzte, an das er sich wirklich erinnerte war rotes Licht. Rotes Licht und Goldene Strahlen und Wärme. Sonst nichts. In seinem Kopf und in seinen Erinnerungen herrschte eine solche Leere, dass er sie zunächst einmal gar nicht bemerkte.
 

Er sah sich um. Ein sterilweißer Raum mit Betten auf rollbaren Metallgestellen, die allesamt leer waren. An der Decke befand sich eine Neonröhre. Er kannte diesen Ort nicht, oder besser, als er versuchte ihn zu erkennen sah er nur weiße Leere in seinen Gedanken. Als er versuchte diesen Ort mit allen anderen zu vergleichen, die er in seinem Leben bisher gesehen hatte, begegnete ihm nur diese weiße Leere, die er nicht verstand und mit der er nichts anzufangen wusste.
 

Plötzlich wurde die Tür so schwungvoll geöffnet, dass sie unter lautem Krachen gegen die wand schlug. Ein Mann von beachtlicher Statur kam herein, mit stürmischen Schritten und einem bedrohlichen von Wut zerfressenem Gesicht und grauem Haar. Ihm folgte, langsamer, ein weitaus jüngerer Mann mit Brille und weißem Kittel, der ununterbrochen auf den ersten Mann einzureden schien. Die Worte waren unverständliche, leise und nervös.
 

„WAS HAST DU DIR DABEI GEDACHT!?“ schrie der erste Mann, als er das Bett erreichte, in dem der Junge lag, der ihn mit großen Augen verständnislos anstarrte. „WIE KONNTEST DU ES WAGEN OHNE ERLAUBNIS DIESES BEYBLADE ZU BENUTZEN!?“ Der Junge rührte sich nicht, er zwinkerte nicht einmal, als wäre er in eine Art Schockzustand gefallen. Der zweite Mann wich einen Schritt zurück und sein Gesicht zeigte deutlich wie erschrocken er war. Der erste Mann machte einen schnellen Schritt an die Kante des Bettes heran und schlug dem Jungen mit der Hand ins Gesicht.
 

„Du hast mich enttäuscht und du wirst die Folgen dafür tragen.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und ging quer durch das Zimmer zu der Tür. Der zweite Mann lief ihm nach, wie ein Hund seinem Herrchen.
 

„Wenn wir der gebündelten Energie eine Form geben würden, könnte man sie womöglich kontrol-…“ Die Türe knallte ins Schloss. Stille kehrte zurück in den Raum. Der Junge blieb starr, mit großen, leeren Augen, während es in seinen Gedanken arbeitete. Bilder rasten durch seinen Kopf, Bilder, Stimmen, Filme, Gedanken, Worte, doch wollte er sie fassen, so entwichen sie seinem Griff und verschwanden ins Nichts. Am Ende blieb nur die weite, weiße Ebene, die ewig weiße Leere.
 

Seine Wange brannte, als würden Flammen auf ihr züngeln. Der Junge erwachte aus seiner Starre und ließ sich in die Kissen zurück fallen, wobei sein Kopf auf etwas Hartes traf. Er suchte mit der Hand nach was immer es gewesen war und fand zu seiner Überraschung einen runden blauen Gegenstand mit vielen Zacken und Kanten. Er drehte den Gegenstand in der Hand und wollte ihn auf das kleine Tischchen legen, das sich neben seinem Bett befand.
 

Er hielt inne, als er das Bild eines rotgoldenen Vogels auf einer kreisrunden Fläche entdeckte. Das Abbild eines Phönix’.

ACHTZEHN

ACHTZEHN|
 

Wenn es jemals etwas gegeben hatte, das niemals zwischen ihnen gestanden hatte, so war es Neid gewesen. Kein Neid, keine Eifersucht und keine Missgunst. Diese Dinge hatte es zwischen ihnen niemals gegeben. Das, was sie gehabt hatten, war keine schlichte Freundschaft gewesen, sonder etwas anderes. Ein stummes Einverständnis, eine Art Pakt. Sie hatten niemals Worte gebraucht um sich zu verständigen, zu verstehen, keine Erklärungen. Um ehrlich zu sein hatten sie eigentlich eher selten miteinander gesprochen und wenn doch, so waren es zumeist über Dinge und auf eine Art gewesen, die außer ihnen beiden niemand verstanden hatte, die kein anderer hatte verstehen müssen. Niemand hatte je begriffen wo zwischen all dem Sarkasmus und den Spötteleien noch Platz für eine Freundschaft gewesen war, doch was sie gehabt hatten war keine Freundschaft gewesen, sondern vielleicht eher eine Art Seelenverbundenheit.
 

Tala hatte Kai in dem Augenblick, als er den kleinen Testraum betreten und seinen Zimmergenossen mit dem schwarzen Beyblade in der Hand entdeckt hatte, keinen Neid empfunden. Nicht einmal im Geringsten. Im Gegenteil, er hatte sich sogar gefreut. Er hatte die Wette verloren, aber das war egal gewesen. Kai war besser, schneller und vielleicht auch klüger gewesen, aber das war bedeutungslos gewesen. Zwischen ihnen hatte niemals etwas gestanden und dieses schwarze Beyblade mochte noch so mächtig gewesen sein, es hätte sich niemals zwischen sie drängen können. Das hatte er damals gedacht. Nein, er hatte es nicht einmal gedacht, er hatte es gewusst, vielleicht nicht einmal bewusste, denn damals hatte er nie darüber nachgedacht, doch nun im Nachhinein war ihm klar, dass er niemals damit gerechnet hatte, nicht einmal annähernd, dass seine dämliche Wette, eine seiner bescheuerten Ideen, alles zerstören würde.
 

Als Tala den weißen Beyblade, den er zum Training benutzte, aus seiner Hosentasche holte, hatte er keine Angst. Im Gegenteil, er freute sich auf den Kampf. Er spürte ein leichtes Kribbeln. Das war die Vorfreude, die Spannung. Dieses schwarze Beyblade, das Kai aus den Laboren geholt hatte, wie auch immer er das geschafft hatte, war unglaublich. Er hatte bei einem Test zuschauen dürfen und es war der Wahnsinn gewesen, absolut genial. Nur um den Jungen tat es Tala Leid. Er hatte den schwarzen Beyblade nicht kontrollieren können, war gestolpert und in die Flugbahn geraten, das sagten die Mentoren. Tala hatte zwar zugesehen, aber alles war so furchtbar schnell gegangen, dass er gar nicht recht mitbekommen hatte was eigentlich geschehen war.
 

Tala machte sich keine Sorgen. Kai war ein ausgezeichneter Beyblader, der niemals solch einen Anfängerfehler machen würde. Ausgeschlossen. Nein, er hatte ganz andere Dinge im Kopf. Er brauchte eine Strategie und zwar eine verdammt Gute, wenn er gegen Kai und dieses schwarze bBeyblade gewinnen wollte. Er brauchte einen Plan.
 

Am Anfang war es einfach nur der reine Wahnsinn gewesen. Die ultimative Herausforderung. Kai war ohnehin schon ein unheimlich starker Gegner, der mit Tala mindestens auf derselben Ebene stand. Ihre Matches waren niemals voraussehbar und der Ausgang meist nicht einmal zu erahnen, weil sie beide ständig neue Taktiken ausarbeiteten und Strategien entwickelten um den jeweils anderen zu überraschen, zu überrumpeln und zu übertrumpfen.
 

Im Allgemeinen konnte man sagen, dass sie beide gleichstark waren. Natürlich hatte jeder von ihnen seine Stärken und Schwächen, die beide kannten und die sie auch nutzten, doch sie hatten niemals Listen darüber geführt, wer öfter gewonnen hatte. Solche Dinge brauchten sie nicht.
 

Tala konnte Kai ganz gut einschätzen und umgekehrt war es wohl genauso. Tala wusste wie Kai kämpfte, er kannte seinen Stil. Er meinte damit nicht die allgemeine Taktik, denn diese variierte natürlich allzu oft, wurde verbessert, perfektioniert, mit Neuerungen gespickt, aber dabei gab es auch Dinge, die schlichtweg gleich blieben, die sich nicht änderten, sich in all den Jahren nicht geändert hatten. Es waren keine großen Dinge, die auch einem anderen auffielen, der Kai zum ersten Mal beybladen sah. Nein, es handelte sich eher um winzige Details, die nur das geschulte Auge erfasste. Die Weichheit der Bewegungen, die Winkel der Haken, die kurzen, beinahe unsichtbaren Pausen, im Allgemeinen Dinge, die Kai vielleicht selbst nicht bewusst wahrnahm, die auch Tala nicht bewusst waren bis zu jenem Augenblick, da es sie nicht mehr gab.
 

Es war noch immer Kais Stil, schwarzes Beyblade hin oder her, aber er war es nicht ganz, vielleicht lediglich noch im Ansatz, dem Schein. Das schwarze Beyblade war schnell, verflucht schnell und es reagierte so unmittelbar auf Kais Befehle, dass Tala zunächst vermutete es führe ein Eigenleben. Die Bewegungen waren weicher und zugleich zackiger, schneller, gewandter und kurz. Minimaler Energieverbrauch. Nahezu perfekt. Nein, eigentlich perfekt.
 

Jedes Mal, wenn Tala dachte nun hätte sein Angriff es erwischt, wich das schwarze Beyblade im aller letzten Bruchteil eines Augenblicks so minimal zu Seite, dass das weiße Beyblade es eben noch ohne zu schrammen verfehlte. Haarscharf im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Es war eine Spielerei. Natürlich. Kai wollte das schwarze Beyblade austesten, das verstand Tala und er ließ es zu, versuchte es mit schnellen Angriffen und wartete geduldig darauf, dass Kai genug gesehen hatte und zum Angriff überging.
 

Kai ließ das schwarze Beyblade in die Mitte des eingelassenen Stadions zurückweichen und dort verharren. Tala verstand und setzte erneut zum Angriff an. Auch er wollte sehen, was dieses Beyblade nun wirklich bei einem direkten Angriff aushielt. Das weiße Beyblade raste mit rasanter Geschwindigkeit auf die Mitte der Bowl zu, als Kai im letzten Augenblick seine Meinung zu ändern schien und das Schwarze sich blitzschnell in Bewegung setzte um dem Weißen entgegenzukommen.
 

Tala hob überrascht eine Augenbraue, tat aber nichts um den Aufeinanderprall zu verhindern. Er war sich später nicht einmal sicher, ob er überhaupt so schnell hätte reagieren können.
 

Die beiden Beyblades krachten unter lautem Scheppern aufeinander, Splitter schossen durch die Luft, prallten gegen die Wände der Bowl und rutschten zurück zum Boden hinunter. Das weiße Beyblade hatte sie am äußersten Rand des Becken gefangen und eierte eher anstatt zu kreiseln. Tala stieß den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. Sein Beyblade sah ramponiert aus, aber immerhin hielt es sich noch. Es hatte einige Zacken des Angriffsrings verloren und wirkte ein wenig unbalanciert, doch es war noch immer im Spiel und das Match noch nicht verloren.
 

Das schwarze Beyblade befand sich noch immer an derselben Stelle wie zuvor und hatte einem kurzen Blick nach nicht einmal einen Kratzer. Es verging kaum ein Augenblick, da war es bereits wieder verschwunden und tauchte nahezu im selben Moment wieder hinter dem Weißen auf, um dieses nun vor sich her mit rasanter Geschwindigkeit zum Boden der Bowl hinunter zu schubsen, während immer mehr weiße Splitter abfielen.
 

Tala riss die Augen auf. Was tat Kai da? Er hätte das weiße Beyblade mit dieser Geschwindigkeit einfach aus dem Stadion stoßen können, doch stattdessen spielte er damit wie eine Katze mit einer halbtoten Maus. Kai tat nie etwas dergleichen und er wusste genau, dass Tala Ärger bekommen würde, wenn das weiße Beyblade allzu sehr ramponiert würde.
 

„Hey!“ rief Tala laut und ein wenig irritiert. Wenn Kai das schwarze Beyblade austesten wollte, nur zu, aber nicht auf seine Kosten. „Hör auf, Kai.“ Doch Kai schien ihn nicht zu hören. Im Gegenteil. Die Augen des Jungen auf der anderen Seite der Bowl waren halb geschlossen und blickten starr und leblos hinab auf des schwarze Beyblade. Über die Distanz hinweg wirkten seine Augen wie zwei verbrannte Kohlenstücke.
 

Tala wich mit immer weiter werdenden Augen zurück, als plötzlich leichter, schwarzer Dunst aufzog. Er wirkte wie eine Art Nebel nur dunkler, der sich langsam um das schwarze Beyblade herum bildete. Tala hatte kaum mehr Augen für sein eigenes Beyblade, das mehr und mehr einem Skelett glich, dass nacheinander alle Knochen verlor, während es von immer schneller werdenden Angriffen des schwarze Beyblades attackiert wurde. Tala riss sich aus seiner Starre und blickte erneut zu Kai auf.
 

„Kai!“ rief er den Namen seines Freundes beinahe verzweifelt und als Kai aufsah, wurde ihm bewusst, wie verzweifelt er eigentlich aussehen musste. Er erkannte es an dem Flackern in Kais Augen. Der Junge zuckte zusammen, als wäre er eben erst wieder zu Bewusstsein gekommen. Tala wollte noch etwas sagen, doch noch ehe er den Mund aufmachen konnte sah er sich mit etwas ganz anderem konfrontiert.
 

Das schwarze Beyblade schoss ein letztes Mal auf die kläglichen Überreste des Weißen zu, beförderte es mit einem letzten kraftvollen Angriff aus der Bowl und ließ es damit direkt auf Tala zuschießen. Tala sah noch, wie Kai den Mund öffnete, ehe er sich zur Seite warf um dem gefährlichen Geschoss auszuweichen. Das es ihm nicht ganz gelungen war spürte er an dem Schmerz, der sich den Bruchteil einer Sekunde später in seiner Wange ausbreitet und an dem Blut, das an seiner Hand zurückblieb, als er sich damit über das Gesicht wischte.
 

Tala erholte sich von dem Schreck und als er aufsah, erkannte er eben noch, dass Kai zurückgewichen war und seinen Shooter hatte fallen lassen, ehe er auf die Knie fiel, die Augen starr und geweitet.
 

Tala wollte ihm zurufen, doch in diesem Augenblick zog sich der Dunst um das Beyblade zu einem riesigen schwarzen Schattenknäul zusammen, das keine genaue Form erkennen ließ. Es wuchs an und füllte eine Sekunde später den ganzen Raum. Die Worte blieben Tala im Hals stecken.
 

Er sah nichts mehr, nichts abgesehen von der undurchdringlichen Schwärze. Dann hörte er plötzlich Kai schreien und zuckte zusammen. Zuckte zusammen vor Schreck, wie er es niemals zuvor in seinem Leben getan hatte. Er versuchte aufzustehen und bemerkte dabei, dass sowohl seine Hände als auch Beine fürchterlich zu zittern begonnen hatten. Schwankend vor Angst und Entsetzen erhob er sich und wollte einen Schritt nach vorne machen, als im schwarzen Dunst vor ihm plötzlich eine Gestalt erschien. Eine zunächst formlose Gestalt, deren Konturen klarer wurden je näher sie kam und sie kam schnell näher. Tala blieb nicht einmal die Zeit zurückzuweichen, als sich der schwarze Nebel vor ihm zu einem großen Vogel manifestierte. Zu einem großen Vogel mit glänzendem schwarzen Gefieder, einem spitzen, golden schimmernden Schnabel und Augen wie zwei Kohlestücke im Feuer. Der Vogel, und dieser Begriff wirkte in Anbetracht der Kreatur, der er gegenüber stand, nahezu lächerlich, überragte ihn um ein Vielfaches. Er hatte die Flügel ausgebreitet und wirkte dadurch noch größer. Den Kopf trug er majestätisch erhoben, die Augen jedoch waren auf Tala gerichtet. Die bedrohlichen, messerscharfen Krallen hatten sich in den Betonboden gebohrt und ihn aufgebrochen.
 

Dann ging alles sehr schnell. Der Kopf der riesigen Kreatur schoss plötzlich auf ihn herab während Tala erschrocken zurückstolperte und instinktiv die Augen zusammenkniff. Den Bruchteil eines Augenblicks später war alles, das er wahrnahm, der Schmerz, der fürchterliche, Atem raubende Schmerz, der sich anfühlte, als würde jemand glühende Kohlen in seine Brust drücken. Er spürte wie seine Beine unter ihm nachgaben, doch er spürte den Aufprall nicht. Er hörte einen Schrei und irgendwo zwischen Ohnmacht und Schmerz wurde ihm bewusst, dass er selbst es war, der geschrieen hatte.
 

~~~
 

„Du warst tot.“
 

Tala nickte nur. Er nahm die Worte wahr und wusste, dass man eine Reaktion von ihm erwartete, doch er hörte sie nicht. Hörte nicht was sie bedeuteten. Er saß aufrecht im Bett. Seine Augen waren starr auf einen unsichtbaren Punkt auf der gegenüberliegenden Wand gerichtet.
 

„Dieses verdammte Biest hat dir das Herz herausgerissen“, Boris. Es war Boris Balkov der da sprach, Der Leiter der Abtei, den sie alle nur ehrfurchtsvoll mit Gaspadin ansprachen. „Aber keine Sorge“, fuhr der Mann fort und erklang mehr zufrieden als besorgt um seinen Schüler. „wir konnten es durch eine Prothese ersetzen. Eine neue Entwicklung aus einem besonderen Metall. Du wirst dich dessen würdig erweisen.“
 

Tala hörte die Worte, nahm sie auf, doch er nahm ihren Sinn nicht wahr, ihre Bedeutung. Auf der weißen Wand, die er nahezu apathisch anstarrte spielte sich immer und immer wieder ein und derselbe Film ab.
 

„Wo ist Kai?“ fragte er nach einer schier endlosen Zeit. Seine Stimme klang leblos und abgehackt während er noch immer nicht den Blick abwandte.
 

Boris Balkov, der inzwischen durch einen Stapel Papiere mit vielen Zahlen und absonderlichen Zeichen geblättert hatte, hielt inne und musterte den rothaarigen Jungen mit einer Mischung aus Unwillen und Verachtung.

„Tot“, antwortete er schließlich. „Für dich ist er tot.“
 

~~~

Weitere Flashbacks folgen...

Aber nicht nur, keine Sorge. ^__^°°°

NEUNZEHN

Es tut mir Leid, dass ich diesmal erst mit so großer Verspätung hochlade, aber es ging wirklich nicht anders. Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht allzu übel und lest trotzdem weiter. ^__^
 

NEUNZEHN|
 

Kai musterte den rothaarigen Russen vorsichtig. Sein linkes Auge war lilablau umrahmt, seine Lippen aufgeplatzt, sein Shirt zerrissen und der weiße Stoff teilweiße rot durchtränkt.

Tala fuhr sich mit der Faust über die Lippen und zog eine blutige Spur über seine Wange. Sein Blick waren auf den Boden gerichtet, dann, plötzlich, zuckte sein Kopf zur Seite und seine blitzenden, eisblauen Augen fixierten Kai.
 

„Was?“ zischte Tala und seine Stimme klang dabei mehr wie das Fauchen eines verletzten Tieres, das jeden Anderen unwillkürlich hätte zurückweichen lassen. Kai jedoch erwiderte den Blick gelassen. Er kannte Tala zu gut. Tala konnte gefährlich sein, aber er war es selten. So selten, wie er die Kontrolle verlor. Kai brauchte nicht zu fragen, er wusste, was geschehen war. Er konnte sich vorstellen, dass Boris Tala nicht gerade wie einen Gast behandelt hatte. Er kannte Boris Methoden und wusste, wie er bestrafte. Tala hatte ihn nicht direkt verraten, doch er hatte sich von ihm abgewandt. Was für eine Enttäuschung es für Boris gewesen sein musste. Tala war immer sein Lieblingsschüler gewesen.
 

Der rothaarige Russe hatte inzwischen sein Shirt ausgezogen und inspizierte mit einem zur Maske erstarrten Blick die Schnitte und Prellungen an seinem linken Arm, als das Licht plötzlich wieder erlosch. Tala zischte leise einen russischen Fluch. Kai wusste, dass Boris sieh absichtlich in der Dunkelheit sitzen ließ. Boris hatte immer gewusst, dass das einzige, das Kai jemals ernsthaft gefürchtet hatte die Finsternis gewesen war. Die Sache war nur die, dass Kai inzwischen zwischen Finsternis und Dunkelheit zu unterscheiden wusste und Boris Versuch ihn einzuschüchtern daher eher lächerlich wirkte.
 

Die Dunkelheit legte sich wie ein schwarzes Tuch über sie und verschlang erneut Konturen und Formen. Kai blinzelte. Talas Gestalt verschwand. Er hörte das Rascheln von Stoff und vermutete, dass der Rothaarige sich wieder angezogen hatte. Schweigen legte sich über den Raum. Unnatürliche, vollkommene Stille. Kai lehnte sich erneut zurück gegen die kalte Wand. Er hörte nur seinen eigenen Atem in der Stille und den Talas. Beide gingen nicht im selben Rhythmus, hatten es niemals getan, und doch war es irgendwie, auf eine bizarre Art harmonisch. Absurd.
 

Kai schüttelte unwillkürlich den Kopf. Es gab andere Dinge um die er sich kümmern musste. Zum Beispiel wie er hier wieder herauskam. Möglichst in einem Stück. Er sah zu der Stelle hinüber, an der Tala saß oder an der er den rothaarigen Russen zumindest vermutete. Wer wusste schon, was Boris mit ihnen vorhatte. Wer wusste schon, ob er vorhatte sie überhaupt am Leben zu lassen. Er brauchte einen Plan. Einen guten Plan und zwar schnell. Boris würde bestimmt nicht allzu lange warten, bevor er sich mit ihm selbst befasste und dass Tala mit einem blauen Auge und einigen Kratzern davongekommen war sagte überhaupt nichts. Das Problem war nur, dass ihm beim besten Willen nichts einfallen wollte. Abgesehen von der Türe gab es keinen Weg aus diesem Raum herauszukommen und für die Türe benötigte man einen Schlüssel oder zumindest etwas Derartiges. Kai besaß weder das eine noch das andere und er bezweifelte, dass es bei Tala anders aussah. Dranzer wäre nützlich gewesen, doch man hatte ihm das blaue Beyblade sowie den Starter abgenommen.
 

Kai richtete sich langsam auf und tastete sich an der Wand empor und dann in die Richtung, in der die Türe lag. Es waren nur wenige Schritte bis zu einer der Ecken des Raumes und zwei mehr, die er benötigte um von dort aus die Türe zu erreichen. Kais Hände glitten über das kühle, glatte Metall auf der Suche nach einem Henkel oder einem Schloss oder etwas Ähnlichem.
 

„Vergiss es.“ meldete sich Talas Stimme dumpf und kalt von der anderen Seite des Raumes. „Man kann sie nur von Außen öffnen.“
 

Trotz dass er Tala glaubte, ließ Kai seine Finger noch einmal über Metall gleiten. nur um ganz sicher zu gehen. Doch da war nichts. Kein Klinke und kein Schloss. Kai ging zu seinem ursprünglichen Platz zurück und ließ sich wieder zu Boden sinken. Zurück in die Dunkelheit und das stille Schweigen, das nur von ruhigen, regelmäßigen Atemzügen durchbrochen wurde.
 

„Weißt du“, begann Tala plötzlich völlig aus dem Zusammenhang. „Manchmal versteh ich, warum Bryan und Spencer dich hassen.“ Kai zog unwillkürlich die Brauen zusammen und sah nahezu überrascht zu der Stelle hinüber, an der tala saß.
 

„Hm?“
 

„Ach, wusstest du das nicht?“ meinte Tala spöttisch. „Bryan und Spencer hassen dich noch immer wegen der Sache vor drei Jahren.“ Kai wollte zunächst nichts weiter sagen. Er hatte keine Lust sich von Tala grundlos verspotten und beleidigen zu lassen, zumal diese Bemerkung praktisch aus dem Nichts gekommen war und möglicherweise nur dazu hatte dienen sollen um Kai zu provozieren. Es war eine Macke von Tala immer dann einen Streit vom Zaun brechen zu wollen, wenn er nicht weiter wusste oder frustriert war. Das hatte er immer schon getan.
 

„Ach ja?“ erwiderte Kai schließlich doch entgegen besseren Wissens. „Und was ist mit dir?“ Er lehnte sich mit dem Kopf zurück an die Wand und schloss die Augen.
 

„Mh.“ machte Tala nur und der Unterton in seiner Stimme war noch immer provokativ. „Ich weiß nicht. Jemanden zu hassen kann ziemlich anstrengend sein und im Augenblick bin ich mir nicht ganz sicher, ob du es wert bist.“ Er hielt inne und stieß dann ein spöttisches Schnauben aus. „Abgesehen davon kann ich dein Verhalten nachvollziehen.“ Diese Worte überraschten Kai. Er war sich dessen bewusst, dass es den meisten Menschen sehr schwer fiel, sein Verhalten nachzuvollziehen, aber das ausgerechnet Tala es verstehen sollte, wäre ihm nun wirklich nicht eingefallen. Er sagte nichts, wartete ab, dass Tala fort fuhr.
 

„Die Seiten zu wechseln war die einzige Möglichkeit Boris zu schlagen.“ erklärte Tala schließlich in nahezu gleichgültigem Ton. „Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, hätte ich vielleicht dasselbe getan.“ Kai öffnete überrascht die Augen und sah wieder zu Tala hinüber. Tala der ihn verstand? Tala der ihm… vergab?
 

„Nur eines.“ fuhr Tala fort. „Hast du das alles von Anfang an geplant oder ist es durch Zufall so gekommen?“ Tala konnte von den Ereignissen am Baikalsee nichts wissen, das war Kai klar, sonst würde er diese Frag vielleicht nicht stellen.
 

„Was glaubst du?“ fragte er anstatt eine Antwort zu geben.
 

„Woher soll ich das wissen?“ antwortete dieser gleichgültig.
 

„Ich habe gefragt was du denkst, nicht was du weißt.“ konterte Kai im nahezu selben Tonfall. Er konnte das schale Grinsen auf Talas Lippen beinahe sehen, als dieser schließlich zu einer Antwort ansetzte.
 

„Ich denke“, erwiderte der Rothaarige. „Ich denke, dass du versucht hast zu planen, dann ist irgendetwas geschehen, mit dem du nicht gerechnet hast und du hast den Plan verworfen und spontan gehandelt. Das hast du immer so gemacht. Du hast immer versucht zu planen ohne dabei alle Aspekte zu berücksichtigen und letzten Endes hast du doch nur das getan, was du im jeweiligen Augenblick für das Richtige hieltst ohne genauer darüber nachzudenken.“
 

„Richtig“, antwortete Kai darauf und in seiner Stimme lag eine Spur von Gereiztheit. Tala hatte diesen Effekt des Öfteren auf ihn. „Du warst schließlich der sture Taktiker, der mit aller Gewalt an seine Strategie festgehalten hat.
 

~~~
 

Manchmal hasste Tala Kai wie er Boris hasste, auf dieselbe frustrierende und ohnmächtige Art und Weise. In Augenblicken wie diesen hatte er das Bedürfnis einfach nur zuzuschlagen. Einmal, kurz und kräftig. Es waren Augenblicke wie diese in denen er sich fragte, warum er sich eigentlich die Mühe machte den Mund aufzumachen. Er konnte es ebenso bleiben lassen. Es war beinahe wie damals, an jenem Tag, an dem sie sich zum ersten mal seit, nun, einigen Jahren, wieder getroffen hatten.
 

Es war kalt, aber das war es in Moskau ohnehin während drei Vierteln des Jahres. Tala war daran gewöhnt, hatte nie etwas anderes gekannt, und so machte es ihm relativ wenig aus, ganz im Gegenteil zu den vielen Touristen, die wegen der Weltmeisterschaften nach Russland gekommen waren und sich dick in Mänteln und Jacken einpackten, die Hände tief in die Taschen schoben und die Köpfe unter Mützen und Schals vergruben.
 

Es war noch früh am Abend, sehr früh um genau zu sein, doch die Sonne hatte bereits den letzten Widerstand aufgegeben und den Himmel der Dunkelheit der Nacht überlassen. Talas Weg führte durch eine schmale Gasse zwischen zwei Gebäuden, die in einem der Wohngebiete lagen. Die Gasse und auch die Straße, aus der er gekommen war, wirkten wie ausgestorben, wenn man einmal von den Lichtern absah, die in den Fenstern der Wohnhäuser brannten. Das Geräusch von Talas Schritten ging im Schmatzen des grau-braunen Schneematschs beinahe unter seinen Schuhen unter.
 

Er ging langsam. Es war allzu selten, dass er die Erlaubnis bekam in die Stadt zu gehen, eine Ausnahme, dieses Mal jedoch war es ein Befehl gewesen. Ein ausdrücklicher Befehl von Boris Balkov persönlich, der Tala dazu angewiesen hatte zum Stadion zu gehen und die Teilnahme seines Teams an den Weltmeisterschaften zu bestätigen. Balkov hätte es mit Sicherheit selbst getan, wäre nicht ausdrücklich gefordert, dass dies der Teamcaptain selbst zu erledigen hatte.
 

Als Tala aus der Gasse trat, die in eine breitere Straße mündete, waren seine Schritte nicht mehr die einzigen. Tala blieb stehen. Er blieb stehen und starrte den Jungen an, der ihm auf dem Gehweg entgegenkam.
 

Es gab eine wichtige Regel in der Abtei: Glaube niemals das was du hörst. Die Hälfte aller Wahrheit, die in der Abtei kursierte, war gelogen und alles andere war nur dadurch wahr geworden, weil andere daran glaubten.
 

Als man in der Abtei damit angefangen hatte sich zu erzählen, dass Kai Hiwatari in Moskau war, hatte Tala es als Unsinn abgetan. Er hatte niemals erfahren was mit Kai geschehen war nach jenem Tag. Das letzte, das er jemals von ihm gehört hatte, abgesehen von einem ganzen Sack voll absurdester Gerüchte, waren Boris Balkovs Worte gewesen: „Tot“, hatte er gesagt. „Für dich ist er tot.“

Und so war es gewesen. Tala war sich nicht sicher, ob er jemals wirklich daran geglaubt hatte oder ob er einfach jeden Tag unbewusst darauf gewartet hatte, dass Kai einfach wieder durch die Türe in ihr beider Zimmer kam. Er hatte sich diesem Thema niemals angenommen, hatte niemals darüber gesprochen, – mit wem auch? – und hatte einfach so getan, als wäre überhaupt nichts geschehen. Es hatte funktioniert. Irgendwie.
 

Als er nun auf der Straße stand und seinen ehemaligen Freund und Zimmergenossen auf sich zukommen sah, wusste er nicht was er denken sollte. Einen Augenblick lang dachte er gar nichts, er war überrascht, dann kam die Wut. Für den Bruchteil eines Moments war er furchtbar wütend, wütend darauf, dass er niemals wieder etwas von Kai gehört hatte, wütend darauf, dass niemand ihm gesagt hatte, dass sein Freund noch am Leben war, wütend darauf, dass er jemals daran gezweifelt hatte. Dann war er froh. Einfach nur froh, aber das war etwas, dass er nicht zeigen konnte, dass er niemals zu zeigen gelernt hatte.
 

Kai war langsamer geworden, als er Tala entdeckt hatte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war neutral und vielleicht eine Spur irritiert. Als Tala den Mund aufmachte, beschleunigte Kai seine Schritte und wollte einfach an ihm vorbei gehen. Dieses Verhalten irritierte Tala so sehr, dass er trotzdem aussprach, was er eben noch hatte sagen wollen.
 

„Es ist also wahr“, sagte er auf Russisch ehe Kai ganz an ihm vorbei war. „Du bist wieder da.“
 

Kai blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um. Tala wusste nicht, was er sagen sollte, was er denken sollte. Hatte Kai ihn einfach ignorieren wollen? Hatte er ihn nicht erkannt?
 

Kai wandte sich langsam zu ihm um.
 

„Wer bist du?“ fragte er in gelangweilten, desinteressierten Ton, der Tala beinahe einen Stich in der Brust versetzte unter der das falsche Herz schlug. Er fühlte sich für einen Augenblick wie gelähmt. Wer er war? Sollte das ein Witz sein? Tala verzog die Lippen zu einem schmalen, leicht gequälten Grinsen. Er wusste, dass Kai einen seltsamen Sinn für Humor hatte.
 

„Findest du das witzig?“
 

Kai musterte ihn einen Moment lang mit ausdruckslosem Blick, dann wandte er sich schlichtweg um und wollte davon gehen, doch er konnte kaum einen Schritt machen, da hatte Tala ihn bereits am Arm gepackt und ihn zurückgerissen. Noch ehe er etwas sagen konnte, hatte sich Kai bereits aus seinem Griff befreit.
 

„Ich habe keine Ahnung, wer du bist“, erklärte Kai mit gleichgültigem Ton. „Aber wenn du mich noch mal anfasst, dann wirst du bereuen, dass wir uns überhaupt begegnet sind.“ Mit einem letzten Blick wandte er sich erneut um und dieses Mal ließ Tala ihn gehen. Nicht, weil er sich von dieser Drohung besonders eingeschüchtert fühlte, sondern eher weil eine Mischung aus Enttäuschung und Unglauben sich in ihm breit macht, die bald in Frustration umschlug.
 

Es war ein Alptraum. Ein Alptraum, der unmöglich wahr sein konnte.
 

~~~

Im nächsten Kapitel folgt einmal wieder Neues von der Außenwelt und (natürlich) ein (oder vielleicht auch mehr) Flashback.

Oja, was mit Tala passiert ist, wird natürlich auch geklärt. Keine Sorge also, ihr verpasst nichts.

ZWANZIG

Es geht tatsächlich weiter. ^__^ Mehr will ich hier auch gar nicht sagen.

~~~
 

ZWANZIG|
 

„Nein.“ kam Bryan ihm zuvor ehe er den Mund zu etwas auch nur Ansatzweise Antwortähnlichem öffnen konnte. Typisch. Absolut typisch. Eine dieser dämlichen Angewohnheiten, die sich Bryan von Tala abgeschaut hatte. Wenn es klingelte nicht an die Türe gehen, sich dann aber groß aufspielen und plötzlich beinahe wie aus dem Nichts hinter ihm auftauchen. Spencer schüttelte innerlich den Kopf. Nach außen hin gab er sich unbefangen um den ‚Besuchern’ keinen falschen Eindruck zu vermitteln.
 

„Nein?“ Tyson sah verwirrt zwischen den beiden Russen hin und her. „Warum ‚nein’? Ich hab doch noch gar nichts gesagt.“ Weder Spencer noch Bryan rührten sich und blieben ihm die Antwort schuldig. „Wie auch immer, wir wissen, dass Tala verschwunden ist und Kai ist auch weg und deshalb-…“
 

„Nein.“ fuhr Bryan ihm erneut dazwischen und diesmal wurde Tyson wütend. Er war leicht zu durchschauen, denn auf seiner Stirn bildete sich eine Falte als er das Gesicht verzog.
 

„Hör mal!“ rief er aufgebracht. „Du weißt doch gar nicht, was ich sagen will und sagst schon ‚Nein’! Wir sind nicht eure Feinde verdammt!“
 

„Tyson.“ Ray trat neben den Japaner und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter, dann wandte er den Blick Spencer und Bryan zu. Es war ein starker Blick, wie Spencer beinahe überrascht zugeben musste. Eigentlich kannte er dieses Team, dass es streng genommen nicht mehr gab und gegen das die im letzten Jahr angetreten waren, gar nicht. Er hatte Ray immer als einen zurückhaltenden Menschen betrachtet, als jemanden ohne viel Selbstbewusstsein, der seine eigene Schwäche gerne hinter einem Lächeln verbarg. Nun musste er zugeben, dass es da mehr gab. In diesem Blick lag Ruhe und die Gewissheit das Richtige zu tun und zu sagen. Vielleicht hätten sie ihre Gegner vor einem Jahr nicht so unterschätzen dürfen und besser beobachten müssen, vielleicht hätten sie dann nicht verloren. Ray zeigte kein Bisschen Unsicherheit, als er Bryan gegenüber trat, der ihm vor knapp einem Jahr noch halbtot geschlagen hatte.
 

„Ihr wollt Tala finden, wir Kai.“ erklärte der Chinese mit ruhiger, sicherer Stimme. „Wir wissen alle nicht, was wir tun sollen, aber vielleicht können wir uns ein besseres Bild der Lage machen, wenn wir zusammenarbeiten.“
 

Spencer sah Bryan die Skepsis an und wusste, dass er ihm zuvorkommen musste, wenn er nicht wollte, dass dieses Gespräch böse endete.

„Woher willst du wissen, dass wir nichts mit den Diebstählen zu tun haben?“ fragte er deshalb und stellte die Frage direkt an Ray mit dem sich scheinbar durchaus reden ließ, zumindest besser al mit Tyson.
 

„Kai.“ antwortete Ray darauf. Nicht nur Spencer warf ihm darauf einen überraschten Blick zu, sondern auch Bryan gleichwohl wie Tyson und Max. „Kai hat es mir gesagt.“
 

„Kai?“ Bryans Stimme klang skeptisch, als meinte er, Ray wollte ihn auf den Arm nehmen und Spencer konnte sich dieser Skepsis nur anschließen.
 

„Nicht direkt“, gab Ray zu, dem der Unglaube der beiden Russen natürlich nicht verborgen blieb. „Er hat mir gesagt, dass die Frage nicht sei ob Tala etwas mit dieser Sache zu tun habe, sonder warum er etwas damit zu tun haben könnte. Er hat mir gesagt, dass es Menschen gibt, die immer allen helfen wollen und alles für andere tun würden ohne jemals etwas dafür zu verlangen oder dabei an sich selbst zu denken. Ich denke Tala ist so ein Mensch, deshalb hat er euch nichts erzählt und deshalb habt ihr auch nichts damit zu tun.“
 

Schweigen breitete sich auf dem Gang aus, sowohl auf der Seite der ehemaligen Bladebreaker sowie auf der von Spencer und Bryan, und allesamt starrten sie Ray an, der mit ernster, ruhiger Miene zwischen ihnen stand.
 

Spencer konnte es nicht glauben. Sollte es tatsächlich so sein, dass Ray, oder besser Kai, Tala besser durchschaut hatte als er und Bryan? Sollte es wirklich so sein, dass Kai immer von Talas Unschuld überzeugt gewesen war, während er und Bryan ihren Teamcaptain kritisiert und angezweifelt hatten? Es war ein Schlag, ohne Zweifel. Ein Schlag ins Gesicht, den Spencer so nicht erwartet hatte.
 

Bryan rührte sich als erster. Er wandte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand im Innern des Appartements. Die Tür ließ er offen. Spencer verharrte einen Augenblick länger, dann nickte er Ray knapp zu und folgte seinem Teamkollegen. Auch er schloss die Tür nicht.
 

Ray, Tyson und Max nahmen die unausgesprochene Einladung kommentarlos an und folgten den beiden Russen in das Innere ihres Appartements. Bryan lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Blick war starr und düster. Spencer ließ sich in den Sessel fallen und überließ den anderen drei Beybladern das Sofa.
 

„Woher wollt ihr wissen, dass es nicht Kai ist?“ wollte Spencer wissen, als alle drei schließlich Platz genommen hatten. Er war überrascht zu sehen wie Tyson die Hand zur Faust ballte und das Gesicht zu einer Grimasse verzog.
 

„Kai würde niemals Dragoon stehlen.“ beantwortete der Japaner die Frage mit verbissenem Ton. Spencer öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Dragoon? Der Dieb hatte Tyson Grangers Bitbeast gestohlen? Selbst Bryan war das Erstaunen über diese Neuigkeit am Gesicht abzulesen.
 

„Aber wie-…“ begann Spencer und endete abrupt, als ihm klar wurde, dass es vielleicht nicht unbedingt das Weiseste war nun zu fragen wie Tyson es geschafft hatte sich Dragoon abnehmen zu lassen. „Ich meine, warum seid ihr euch so sicher, dass Kai-…“
 

„Nein!“ Tysons fest überzeugte Stimme, die keinen Widerspruch duldete, fuhr ihm dazwischen und brach den Satz ab. „Kai hat nichts damit zu tun.“ Diese tiefe Überzeugung überraschte Spencer erneut. Sie ließ keinen Zweifel zu und Spencer fragte sich unwillkürlich womit Kai dieses Vertrauen verdient hatte.
 

„Kai macht niemals denselben Fehler zweimal.“ warf nun Max ein. Der Blonde war bisher auffällig still gewesen. „Er hat uns so oft geholfen. In einem Match, von dem du geglaubt hast, dass du es nicht mehr würdest gewinnen können, hatte Kai immer einen rettenden Rat. Wenn wir in einer ausweglosen Situation waren hat Kai uns gerettet. Manchmal ist er wie aus dem Nichts aufgetaucht. Wenn einer von uns nicht mehr wusste wie weiter oder wohin, dann war er da.“ Max zuckte beinahe hilflos mit den Schultern. „Ich meine, es waren nicht immer freundliche Worte, aber im Endeffekt hatte er eigentlich immer Recht. Er hat einen Fehler gemacht, er hat es erkannt, er wird ihn nicht nochmal machen. Er war unser Captain. Ihr müsst das verstehen, oder? Ihr vertraut Tala doch auch.“
 

„Tala“, sagte Spencer schließlich langsam. Er wusste, dass Bryan nichts sagen würde und dass er derjenige war, der würde reden müssen. „Tala hat immer alle Schuld auf sich genommen und wenn er gekonnt hatte, dann auch die Strafen. Wer weiß, wo wir ohne ihn wären. Ihr wollt, dass wir zusammenarbeiten?“ Er machte eine Pause und sah zu den ehemaligen Bladebreakern hinüber. „Dann habe ich eine Bedingung. Urteilt nicht zu schnell. Wenn wir herausfinden, dass Tala etwas damit zu tun hat, dann urteilt nicht gleich über ihn.“ Er stockte. Er war es nicht gewöhnt so zu reden und es war ihm alles andere als angenehm, aber es gab Dinge, die gesagt, Dinge, die geklärt werden mussten. „Tala tut nichts… Böses um sich zu… um des Bösen Willen, um sich zu… bereichern, er tut Dinge nur für andere, nicht für sich selbst. Er denkt immer zuerst an andere.“ Spencer war sich nicht sicher, ob Ray, Tyson und Max ihm glaubten, ob sie ihn für voll nahmen. Er wusste nicht, ob es Erstaunen war, das in ihren Gesichtern stand, aber einen Augenblick später waren ihre Gesichter verständnisvoll. So verständnisvoll, dass es Spencer beinahe überraschte.
 

Tyson nickte. „Keine voreiligen Schlüsse.“ versprach er. „Dasselbe gilt für Kai.“ Spencer nickte nach kurzem Zögern ebenfalls. Bryan zuckte nur die Schultern. Spencer konnte, ohne hinzuschauen, sagen, dass sein Teamkollege alles andere als zufrieden mit dieser Lösung war, doch selbst er schien keinen anderen Weg gefunden zu haben.
 

„Was wisst ihr?“ wollte Spencer schließlich wissen um einen Anfang zu machen. „Habt ihr mit Kai gesprochen? Was hat er euch gesagt?“ Ray setzte sich auf und stützte seine Ellenbogen auf die Knie.
 

„Ich glaube ich habe als Letzter mit ihm gesprochen.“ begann er und dachte nach. „Ich habe ihn gefragt was er weiß und er meinte ‚Nichts’, aber dass es Zeit würden es herauszufinden.“ Er zuckte die Schultern und sah dann u den beiden Russen hinüber. „Das ist alles.“ schloss er, als er bemerkte, dass sie auf mehr warteten.
 

„Tala hat auch nichts gesagt.“ erklärte Spencer, während er beschloss nichts von dem streit zwischen Tala und Bryan zu erzählen. Die Bladebreaker mussten das nicht wissen. „Er meinte nur, dass wir uns heraushalten sollen.“ Sie wussten nichts. Gar nichts. Die einzigen beiden Personen, die anscheinend auch nur annähernd begriffen hatten worum es hierbei ging waren verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
 

Sie saßen in einer Sackgasse, in einer verdammten Sackgasse. Und das einzig Sinnvolle, dass man in einer Sackgasse tun konnte war zurückgehen. Blieb die Frage, wie weit? Wie weit würden sie zurückgehen müssen und in welche Richtung?
 

~~~
 

„Hey“, sagte Tala plötzlich in die Stille hinein, die nach ihrer letzten Auseinandersetzung entstanden war. Kai sah auf. Er saß noch immer an derselben Stelle, hatte die Knie angezogen und die verschränkten Arme auf die Knie gelegt. Mit Rücken und Kopf lehnte er an der Wand, die Augen hatte er bis eben noch geschlossen gehabt, nun waren sie auf Tala gerichtet. „Erinnerst du dich noch an die Unterrichtsstunden, die wir früher bei Boris hatten?“
 

Kai war so überrascht von der plötzlichen Frage und deren seltsamen Thematik, dass er nur vage nickte, obwohl Tala das in der Dunkelheit beinahe unmöglich sehen konnte. Er wusste nicht worauf genau Tala hinauswollte, doch Kai erinnerte sich gut an diese Stunden. Sie hatten alle still dagesessen, während ihnen etwas über Strategie und Technik beigebracht hatte, darüber was man tun musste um ein Match zu gewinnen. Nein, kein ‚Match’. Boris hatte es niemals ‚Match’ genannt. Kampf. Boris hatte immer ‚Kampf’ gesagt.
 

„Boris hat gemeint, dass man einen Gegner niemals zu schnell besiegen darf, selbst wenn man die Möglichkeit hat ihn schon im ersten Augenblick aus der Arena zu kicken“, fuhr der rothaarige Russe fort ohne eine Antwort abzuwarten. „Er hat immer gemeint es sei eine völlig absurde Idee, weil es keinen ‚Spaß’ macht.“
 

Und ob sich Kai erinnerte. Der Russe verzog die Lippen zu einem schmalen Grinsen. Boris hatte das Prinzip eines schnellen Siegs nie verstanden. Seiner Meinung nach musste man einen ‚Krieg’, und er hatte ‚Krieg’ gesagt, vollkommen auskosten. Man musste mit seinem Gegner spielen, ihn langsam quälen, bis er flehend vor einem auf die Knie sank. Ein Krieg musste wie ein langsam wirkendes Gift sein. Es musste lange dauern, damit man genug Zeit hatte zu sehen, wie der Feind unterging und man den Triumph voll und ganz auskosten konnte. Es war eine Machtdemonstration. Es ging darum alle erkennen zu lassen, dass man sie getäuscht hatte, den Gegner, die Zuschauer, die Spezialisten. Man musste so lange warten, bis sie langsam bemerkten, dass das ganze Match von Anfang an unter der eigenen Kontrolle gestanden hatte, dass jeder Treffer des Gegners im Voraus geplant gewesen war, dass von Anfang an keine Chance bestanden hatte. Boris verachtete schnelle Siege.
 

„Blitzkrieg Boys“, meinte Tala schließlich und Kai spürte regelrecht das zynische Grinsen auf den Lippen des rothaarigen Russen. Boris würde sich grün und blau ärgern, was natürlich der einzige Sinn und Zweck dieses Namens war. „Was hältst du davon?“
 

„Du warst nie besonders kreativ, wenn es um Namen ging.“ antwortete Kai schlicht, obwohl er den Namen eigentlich recht gut fand, vor allem wenn es nur darum ging Boris höhnisch ins Gesicht zu lachen.
 

„Du magst ihn nicht?“ erwiderte Tala gespielt überrascht, dann zuckte er die Schultern. „Um so besser, dass es dich nicht betrifft.“
 

Darauf gab es keine Antwort, kein weiteres Wort. Kai schwieg und lehnte den Kopf wieder zurück gegen die Wand. Etwas stimmte nicht. Er wusste nicht, was es war, aber etwas hatte sich geändert. Natürlich hatte dieses seltsame Gefühl nichts damit zu tun, dass er irgendwo in einem verdammten Keller festsaß und ausgerechnet Tala der einzige Mensch war, der sich in derselben Situation befand. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie ständig auf irgendwelche Themen kamen, es aber nicht fertig brachten einen vernünftigen Plan auszuarbeiten, der sie aus dieser misslichen Lage befreite. Es war absurd. Wenn er doch wenigstens wüsste, was Boris mit ihnen vorhatte. Doch Boris hatte nicht mit ihm gesprochen, sondern mit Tala.
 

„Ich habe ein Angebot für dich, Kai. Nimm es an und mache denselben Fehler noch einmal.“ Das hatte er gesagt, aber bisher hatte er Kai kein Angebot gemacht. Noch nicht.
 

„Ich weiß, was Boris vorhat.“ sagte Tala plötzlich, als hätte er Kais Gedanken gelesen. Kai sah überrascht auf. Tala wusste es? Tala hatte es die ganze Zeit gewusst? Fragen drängten sich in seinen Kopf, eine Menge Fragen und nicht alle besonders freundlich, doch er wartete, wartete darauf, dass Tala weiter sprach.
 

„Woher?“ fragte er schließlich, als ihm klar wurde, dass Tala nicht vorhatte etwas zu sagen. ‚Woher’ war nicht unbedingt die erste Frage, die ihm auf der Zunge gelegen hatte. ‚Was’ und ‚Wehalb hast du mir das nicht eher gesagt’ wären bei weitem interessanter gewesen, doch auf sie hätte Tala womöglich nicht geantwortet.
 

„Er hat es mir gesagt.“ antwortete Tala und seine Stimme klang plötzlich stumpf und seltsam leer. „Du hättest es mir sagen können. Anstatt zu warten bis Boris mir höhnisch ins Gesicht lacht.“
 

~~~

*hust* Entschuldigung! Ich musste diesen Cliffhanger einfach einbauen, auch auf die Gefahr hin, dass mich jetzt jeder Leser hasst.
 

Auf Wunsch ein Flashbackfreies Kapitel. Einen weiteren Flashback wird es noch geben (ein großen, aber wahrscheinlich zerstückelten), aber hey, den schafft ihr auch noch! *g*
 

Ansonsten bleibt nur zu sagen, dass die Geschichte langsam zu Ende geht (vielleicht noch vor Weihnachten; das aber als unverbindliche Aussage) und die noch kommende Kapitelzahl eher im unteren einstelligen Bereich liegt.
 

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend,

Nordwind

EINUNDZWANZIG

So, zunächst einmal wieder vielen Dank an alle Kommentraschreiber, denen ich auf Grund von Klausuren nicht antworten konnte. Die letzte Prüfung hab ich am Samstag geschrieben, dass heißt, ab jetzt sollten die Kapitel wieder schneller und regelmäßiger kommen.
 

EINUNDZWANZIG|
 

„Ich weiß, was Boris vorhat.“ sagte Tala plötzlich, als hätte er Kais Gedanken gelesen. Kai sah überrascht auf. Tala wusste es? Tala hatte es die ganze Zeit gewusst? Fragen drängten sich in seinen Kopf, eine Menge Fragen und nicht alle besonders freundlich, doch er wartete, wartete darauf, dass Tala weiter sprach.
 

„Woher?“ fragte er schließlich, als ihm klar wurde, dass Tala nicht vorhatte etwas zu sagen. ‚Woher’ war nicht unbedingt die erste Frage, die ihm auf der Zunge gelegen hatte. ‚Was’ und ‚Wehalb hast du mir das nicht eher gesagt’ wären bei weitem interessanter gewesen, doch auf sie hätte Tala womöglich nicht geantwortet.
 

„Er hat es mir gesagt.“ antwortete Tala und seine Stimme klang plötzlich stumpf und seltsam leer. „Du hättest es mir sagen können. Anstatt zu warten bis Boris mir höhnisch ins Gesicht lacht.“ Kai starrte ihn fragend an. Was sagen? Worauf wollte Tala hinaus?
 

„Warum bist du zurückgekommen, Kai?“ Talas Stimme klang nun ein wenig verzerrt, beinahe verbittert. „Warum bist du in die Abtei zurückgekommen?“ Kai erstarrte. Wie kam Tala… Woher wusste Tala…
 

~~~~~

Kai sah dem rothaarigen Jungen nach, der eben in der Dunkelheit der Gasse verschwunden war. Er starre einen Augenblick lang in die Finsternis, dann wandte er sich achselzuckend um und ging weiter die Straße hinunter, den unsichtbaren Pfad entlang, den seine Beine für ihn ausgewählt hatten. Er beschleunigte seine Schritte etwas, denn er hatte keine Lust noch an Ort und Stelle zu sein, wenn der Kerl es sich anders überlegte und wieder zurückkam um weiter auf ihn einzureden.

Die nächste Straße in die er einbog, kam ihm plötzlich tatsächlich bekannt vor. Es war nicht weiter nur dieses bloße Gefühl der entfernten Vertrautheit, im Gegenteil, er konnte sich ganz genau daran erinnern, wann er das letzte Mal hier gewesen war. Es war die Straße in der sich die Abtei befand, in die sie am gestrigen Mittag zum Essen eingeladen worden waren. Kai blieb unweigerlich stehen, als er die Mauern der Anlage und das große Tor entdeckte. Weiter hinten thronten das Haupthaus und die Türme mit den türkisfarbenen Zwiebeldächern. Mit einem Mal überkam ihn wieder dieses ungute Gefühl, das er schon am Vortag gehabt hatte. Alles in ihm sträubte sich dagegen diesem Gebäude ach nur noch einen Schritt näher zu kommen. Er konnte das Unheil beinahe riechen, dass ihn dort erwartete. Bilder drängten sich in seinen Kopf, Bilder von Dingen, die er niemals gesehen hatte, Gedanken, die er niemals gedacht hatte, Worte, die er niemals gesprochen hatte, Stimmen, die er niemals gehört hatte. Er konnte keines dieser Dinge fassen, denn sobald er nach ihnen griff, verschwanden sie in der Dunkelheit und ließen eine Leere zurück, die sich Kai nicht erklären konnte. Es ging vorbei und hatte nicht lange gedauert, vielleicht gerade einmal den Bruchteil einer Sekunde. Es ging vorbei und ließ nichts zurück außer der Leere und dem unguten Gefühl.
 

Kai schüttelte verdrossen den Kopf, was für ein seltsamer Tag. Er erinnerte sich voller Unbehagen an den Traum, den er gehabt hatte. Er wusste nicht mehr genau, um was es gegangen und wa geschehen war, ein Traum eben, doch er erinnerte deutlich, dass er mit dieser Abtei zu tun gehabt hatte. Irgendetwas war hier geschehen, doch er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

Diese Anlage war ihm nicht geheuer und eben deshalb musste er dort hinein. Er wollte wissen wieso diese Gebäude so bedrohlich auf ihn wirkten und er konnte die Antworten nur finden, wenn er sie dort suchte, wohin es ihm widerstrebte zu gehen. Er musst nur einen Weg finden…

~~~~~
 

„Was hat er dir gesagt?“ wollte Kai wissen, doch Tala schüttelte nur den Kopf und ging nicht auf seine Frage ein.
 

„Warum bist du zurück in die Abtei gekommen? Wegen Black Dranzer?“
 

„Ich kann mich nicht erinnern.“ antwortete Kai schließlich. Er wusste nicht, worauf Tala hinaus wollte. Er wusste nicht, wie viel Boris ihm erzählt hatte. Er wusste nicht einmal, was Boris eigentlich wusste. „Ich hatte keine Ahnung wo ich war, ehe ich plötzlich vor der Abtei stand.“ fügte er hinzu, als ihm klar wurde, dass Tala sich mit einem ‚Ich weiß nicht’ nicht zufrieden geben würde. „Boris hat mir Black Dranzer gegeben, damit ich bleibe.“
 

„Lass mich die Frage anders stellen.“ erwiderte Tala. „Warum bist du geblieben?“
 

Schweigen. Kai schwieg. Auf diese Frage hatte er keine Antwort, zumindest keine, die er laut aussprechen konnte. Tala hätte es nicht wissen sollen. Er hätte es niemals wissen sollen.
 

~~~~~

Kai stand vor einem kreisrunden Loch in einer Wand, von dem aus ein Tunnel nach unten führte. Der Tunnel war gerade einmal so breit, dass Kai bequem hindurchpassen würde. Er konnte nur hoffen, dass der Tunnel nach unten hin nicht schmäler werden würde. Doch bisher hatte er Glück gehabt, warum sollte er nicht weiter darauf vertrauen? Gut, Kai war alles andere als ein geborener Optimist, aber es gab keinen anderen Weg, zumindest keinen, den er nehme konnte ohne erwischt zu werden und hier hatte er wenigstens eine Chance. Mit einer List hatte er es geschafft während der Wachablösung in den Innenhof der Abtei zu gelangen, doch der einzige sichtbare Zugang zum Hauptgebäude war deutlich strenger bewacht worden. Welche Geheimnisse barg diese Abtei, dass sie eine so gründliche Überwachung verlangten? Er würde es hoffentlich bald herausfinden. Er schwang sich in den Tunnel und rutschte hinunter in die völlige Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, da tauchte das Ende in Form eines kreisrunden, grünlichen Lichts auf. Kai landete auf steinernem Boden. Er hörte Stimmen und verhielt sich so leise wie möglich. Er befand sich in einem Gang, der auf der einen Seite plötzlich einfach aufhörte und in Leere führte. Auf der anderen Seite verschwand er in der Dunkelheit.
 

Kai schlich leise zu jener Seite, die bei genauerem Hinsehen in einen größeren Raum mündete. Kai lehnte sich an die Wand an der Kante und spähte hinunter. Etwa fünf Meter unter ihm standen einige bizarre Gerätschaften, die sich bei genauerem Hinsehen als Laufbänder entpuppten. Kinder waren an diese Geräte angeschlossen und schienen zu trainieren. Um sie herum standen einige der Uniformierten Abteiwächter und einige in weiße Kittel gekleidete Männer und Frauen. Wissenschaftler vielleicht? oder Ärzte? An den Wänden standen eine Reihe von Computern auf denen Diagramme und Zahlenreihen liefen, die Kai nicht genauer erkannte und wahrscheinlich selbst dann hätte er nichts damit anfangen können.

Kai wandte sich um und folgte dem Gang in die entgegen gesetzte Richtung. Er war ehrlich neugierig, was er hier unten noch alles finden würde. Auf jeden Fall handelte es sich bei der Balkov Abtei nicht lediglich um eine Schule, die Beyblade ausbildete. Er kam an eine große, hölzerne Türe, die einen Spalt breit offen stand. Kai spähte durch den Spalt in den Raum, ging jedoch nicht hinein denn auch hier standen Leute in weißen Kitteln zusammen mit zwei Wächtern. An den Wänden der Räume reihten sich zylinderförmige, gläserne Tanks, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt waren. In den Tanks konnte er undeutlich Schemen erkennen, die nur allmählich und bei genauem Hinschauen Gestalt annahmen. Es waren Tiere. Ein Wolf, dort eine Katze, ein Adler. Kai wandte sich ab. Er wollte gar nicht wissen was dort drinnen vor sich ging und was eine Schule mit solchen Experimenten anfangen wollte, doch er konnte es sich denken und diese Gedanken gefielen ihm nicht. Allerdings, zu seiner eigenen Verwunderung, kümmerte es ihn nicht wirklich du es überraschte ihn auch nicht. Beinahe als hätte er es schon gewusst.
 

Er ging weiter. Der dunkle Gang führte immer weiter und immer tiefer in das unterirdische Labyrinth der Balkov Abtei. Ab und zu zweigte ein Gang nach links oder rechts ab, aber Kai beschloss immer geradeaus zu gehen, für den Fall, dass er später den Weg zurück finden musste. Er öffnete auch keine der Türen, die unregelmäßig aufeinander folgten. Er hatte keine Lust entdeckt zu werden und erklären zu müssen, was er hier unten trieb. Er kam an einem anderen Raum vorbei. In diesem Raum nun stand eine Gruppe Kinder, angeordnet in Reih und Glied, die den Start eine Beyblades übten und hierbei synchron immer dieselben Bewegungen und dieselben Worte wiederholten.
 

„Wir vernichten unsren Feind, nur der Sieg ist unser Leben.“
 

Kai wich zurück. Sein Gesicht war plötzlich bleich, beinahe weiß. Wieder schossen ihm Bilder in den Kopf, doch dieses Mal blieben sie und er konnte er sie genau erkennen.

Kai fuhr herum und rannte den Gang hinunter. Er wollte weg, weg von diesem Ort, auf den er plötzlich einen unsagbaren Hass verspürte. Die Bilder in seinem Kopf formten sich zu Szenen, die Worte bekamen Stimmen, die er erkannte, die Personen bekamen Gesichter und er erinnerte sich mit einem Mal an ihre Namen. Er sah sich selbst als kleinen Jungen, wie er selber in einer dieser Reihen stand, wie er selber diese Worte sagte. Er sah sich auf einem der Laufbänder. Er erinnerte sich an die Schlafsäle. Und er erkannte plötzlich wer… Er spürte den Schmerz, wenn man ihn für irgendetwas bestraft hatte, er erinnerte sich an die Regeln, doch alles fiel durcheinander und so war es ihm unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen oder irgendeine dieser Erinnerungen festzuhalten. Er war hier, in dieser Abtei, aufgewachsen, das wusste er, und er hatte diesen Ort gehasst, aber es war der einzige Ort, den er gekannt hatte. Es war sein Zuhause gewesen und da war noch etwas, da war so viel mehr. Gefühle verschiedenster Arten stürzten auf ihn ein, Gefühle, die er einmal verspürt hatte Angst, Hass, Einsamkeit, aber auch andere Dinge, da war eine gewisse Wärme, doch er konnte nicht ausmachen woher sie kam oder doch und er wollte es nur nicht. Es war ein Chaos, er wusste nichts mehr und doch so viel und so vieles wurde ihm klar und im nächsten Augenblick hatte er es wieder vergessen. Sein Kopf schmerzte und er hätte am liebsten schreien mögen.
 

Kai blieb mit einem Mal stehen, als er plötzlich merkte, dass er noch immer rannte. Seine Gedanken klärten sich allmählich, doch wo sonst nur Leere zurückblieb, war mit einem Mal alles … voll. Wo er auch suchte, überall waren mit einem Mal Erinnerungen. Plötzlich wusste er genau, wo er sich befand und er konnte sagen, wo jeder einzelne Gang und jede einzelne Tür hinführte.
 

Dann traf ihn eine weitere Erinnerung. Die letzte Erinnerung und die Erkenntnis. Tala. Tala lebte. Für einen Augenblick war es, als erfüllte ihn so etwas wie Wärme, im nächsten erinnerte er sich an die Begegnung früher am Tag. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Augen weiteten sich und er wich zurück, beinahe als fürchtete er vor sich selbst. Er stieß gegen etwas oder eher gegen jemanden. Kai fuhr herum und starrte seinen Gegenüber an. Wieder wich er einen Schritt zurück.
 

„Boris…“ sagte er leise. Bilder drängten sich in seinen Kopf, Worte. Er erinnerte sich mit einem Mal an alles, was dieser Mann jemals zu ihm gesagt und getan hatte. Und alle diese Dinge gaben ihm Anlass diesen Mann, der ihm ohnehin schon zuwider gewesen war, zu hassen. Der Hass zeigte sich deutlich in seinem Blick, der sich von verwirrt und vielleicht erschrocken in feindselig und kalt wandelte.

Boris schien diese Veränderung zu bemerken, denn ein Grinsen schlich sich auf seine dünnen Lippen.
 

„Ah, Kai“, sagte er auf Russisch und seine Stimme hätte freundlich geklungen, hätten Kais Erinnerungen sie nicht Lüge gestraft. „Du erinnerst dich also? An alles?“
 

„Was willst du?“ knurrte Kai ebenfalls auf Russisch. Er war der einzig Schüler, vielleicht sogar der einzige in der ganzen Abtei, der Boris per Du angesprochen hatte. Und er war mehr als einmal dafür bestraft worden. So lange, bis Boris bemerkt hatte, dass es keinen Sinn hatte und es hatte ihn jedes Mal beinahe zur Weißglut getrieben. Nun jedoch blieb er völlig ruhig und schien es einfach zu überhören.
 

„Aber, aber, Kai“, meinte er und fuhr mit seiner scheinfreundlichen, fast tadelnden Stimme fort. „Du bist derjenige, der zu mir gekommen bist. Die Frage lautet also: Was willst du?“
 

Kai biss sich auf die Lippe und antwortete nicht. Er fühlte sich, als wäre er von einem Laster überfahren worden. Nun, da die große Flut vorüber war, konnte er sich an kleine Dinge erinnern, an Einzelheiten. Er erinnerte sich auch an die Begegnung am Abend und er wusste nun wem er gegenübergestanden hatte. Er wusste, von was er gesprochen hatte.

Kai schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf Boris. Die übliche Kälte kehrte zu ihm zurück, als er endlich seine Ruhe wieder gefunden hatte.
 

„Na ja“, antwortete er mit einem Mal wieder in dem gewohnten, gelangweilten, kalten Ton. „Macht man das nicht so, wenn man nach einer Weile wieder Mal in der Nähe ist? Der alten Heimat einen Besuch abstatten?“
 

Boris schien ein wenig irritiert, denn das Grinsen verblasste etwas und er zögerte mit einer Antwort, er fing sich jedoch recht schnell wieder.

„Und?“ erwiderte er schließlich „Hast du vor länger zu bleiben?“
 

Kai zögerte. Am liebsten hätte er laut ‚Nein’ gesagt, sich auf dem Absatz herumgedreht und die Abtei auf schnellstem Wege verlassen. Aber so leicht war es nicht. Zum einen würde Boris in nun, da er ihn einmal so weit hatte, nicht so schnell wieder gehen lassen und zum anderen…

Er konnte nicht einfach wieder gehen und so tun als wäre niemals etwas geschehen. Dies war sein wirkliches Leben. Die Jahre, die er in Japan gewohnt hatte, waren nichts. Hier hatte er sein ganzes Leben verbracht. Dies war der Ort, den er seine Heimat nannte, sosehr es ihm auch widerstrebte.

„Weißt du“, meinte er endlich an Boris gewandt. „Das letzte Mal, als ich hier war, war das Essen ziemlich schlecht und die Unterkunft alles andere als gemütlich. Das macht dein Angebot nicht gerade verlockend.“
 

„Aber ich habe dir überhaupt kein Angebot gemacht, Kai.“ erwiderte Boris amüsiert, was Kai ehrlich ärgerte, denn er hatte nicht vorgehabt diesen Mann zu unterhalten.
 

„Das wirst du aber gleicht tun.“
 

Boris wurde mit einem Mal ernst.

„Du bleibst hier, du trainierst hier, verlässt die Abtei nur mit meiner persönlichen Erlaubnis, hältst dich an die Regeln, wenn nicht wirst du wie jeder andere bestraft und du bladest für mein Team.“ erklärte er, dann kehrte das falsche Lächeln zurück auf eine Lippen. „Alles wird so sein wie Früher.“
 

Kai musste unwillkürlich schlucken, ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken und alles in ihm schrie danach sofort davonzulaufen, doch er brachte die Stimmen in seinem Kopf zum schweigen.

„Und was springt für mich dabei heraus?“
 

„Nun ja“, Boris schien zu überlegen. „Eine bessere Unterkunft, die besten Trainingseinrichtungen der Welt und, sobald du dich wieder eingewöhnt und das von uns geforderte Pensum erreicht hast,… Black Dranzer.“ Triumph blitzte in Boris Augen, als er die Überraschung in Kais sonst ausdruckslosen Zügen erkannte, die der blauhaarige Russe nicht zu verbergen vermochte. Der Abteivorsteher hatte es sich nicht im Entferntesten träumen lassen, dass es so einfach sein würde. Er hatte Kai verflucht und zum Teufel gewünscht, als Voltaire ihm von seinem glorreichen Plan mitteilte, seinen Enkel wieder in die Abtei zu schicken. Der Junge konnte eine Plage sein, er hatte immer Ärger gemacht und sich ihm gegenüber absolut respektlos verhalten.
 

Black Dranzer. Kai hatte nicht damit gerechnet, dass man ihm den Beyblade einfach aushändigen würde. Nicht nach dem, was geschehen war.
 

„Also gut.“ willigte er schließlich ein. „Ich bleibe hier.“

~~~~~
 

„Ab wann konntest du dich wieder erinnern?“ Talas Stimme riss Kai aus seinen Erinnerungen. Erinnern? Erinnern hatte er sich können seit er Boris begegnet war. An alles. Alles.
 

~~~~~

Als Kai von einem jüngeren Schüler durch die Gänge der Abtei zu seiner neuen Unterkunft geführt wurde, fragte er sich zum ersten Mal, ob er wohl wieder in seinem alten Quartier untergebracht werden würde, doch Schüler bog nicht in einen der Gänge ein, die Kai kannte, sondern wählte einen anderen in dem Räume lagen, die Kai niemals zuvor von Innen gesehen hatte und von denen er nicht sagen konnte, was sich in ihnen befand. Er würde es jedoch sogleich herausfinden, der Junge blieb nämlich vor einer Türe stehen und wandte sich zu Kai um.

„Hier.“ sagte er schlicht, dann ging er an ihm vorbei und verschwand hinter einer Biegung. Kai blieb zurück und sah dem Jungen nachdenklich nach. Er hatte beinahe vergessen wie die Schüler hier im Allgemeinen auf Andere und vor Allem auf Fremde reagierten. In der Abtei war ohnehin jeder fremd. Zumindest meistens.
 

Kai schüttelte die Gedanken ab und öffnete Türe anstatt sie weiter nachdenklich zu betrachten. Es war ein kleiner Raum. Er hatte aber auch nichts anderes erwartet. Die Wände waren nackt und kahl bis auf eine runde Uhr. Die Türe befand sich in der Mitte dieser Wand. Rechts und links befanden sich jeweils ein Bett und ein Spind. Von der Decke herab hing eine einzige Glühbirne.

Ja, so kannte er die Abtei, so war er aufgewachsen. Keine Stühle, keine Tisch, keine zusätzlichen Ablagen, keine Bilder an den Wänden oder ähnlich unsinnige Dekorationsgegenstände. Kai sah sich genauer um. Eine der beiden Seiten war bereits in Anspruch genommen worden, denn die Decke lag unordentlich auf dem Bett zusammengeknüllt. Die andere Seite hingegen war beinahe schon ein wenig eingestaubt. Er warf einen kurzen Blick in den Spind auf jener ungenutzten Seite und fand ihn leer vor. Er hatte auch nichts, was er dort hineinlegen könnte. Er besaß nur, was er am Körper trug. Seine Reisetasche stand noch immer halb ausgepackt in dem Zimmer, das er im Hotel mit Ray bezogen hatte. Bei sich hatte er nur seinen Geldbeutel und Dranzer, was rein theoretisch auch das Nötigste war, denn er wusste, dass es eine Kleiderordnung in der Abtei gab und er wohl früher oder später Kleider bekommen würde. Für den Moment jedoch kam er gut mit dem aus, was er besaß.
 

Kai warf einen Blick auf die Uhr. 19.00 Uhr. Er wandte sich um und verließ das Zimmer wieder. Wenn ihn seine Erinnerungen nicht täuschten und der Tagesplan nicht geändert worden war, standen jetzt Eins gegen Eins Kämpfe in einer der größten Hallen der Abtei an. Kai wusste, wo sich dieser Raum befand und was sollte er sonst tun? Niemand hatte ihm gesagt, dass er in seinem Zimmer bleiben sollte. Boris hatte lediglich gesagt, dass er sich an die Regel halten sollte und die Regeln verbaten nicht am Training teilzunehmen. Im Gegenteil.
 

Die Halle war nicht weit entfernt und sie besaß eine große zweiflügelige Türe. Kai zögerte für den Bruchteil eines Augenblicks, dann stieß er einen der Flügel auf und trat über die Schwelle. Sämtliche Blicke in der Halle, sowohl die der Schüler, als auch die der beistehenden Wächter wandten sich mit einem Mal ihm zu. Schweigen breitet sich aus, das beinahe Totenstille glich. Die Kämpfe wurden abrupt fallen gelassen und gut sechzig Augenpaare starrten ihn teilweise erschrocken, teilweise überrascht an. Die Wächter bemerkten nicht einmal, dass das Training nicht fortgesetzt wurde. Niemand rührte sich. Leises Gemurmel breitete sich aus, bis plötzlich auf der gegenüber liegenden Seite eine weitere, jedoch kleinere Türe aufgestoßen wurde und ein hochgewachsener Mann mittleren Alters hervortrat. Kai kannte den Mann. Es war der Leiter dieser Trainingseinheit, doch seinen Namen hatte er niemals einem Schüler genannt.
 

„Kai Hiwatari“, sagte er mit ernster, tiefer Stimme und bestätigte die Vermutungen der Schüler und Wächter. „Balkov hat mich bereits informiert, dass du ab heute wieder am Training teilnimmst. Ich hoffe für dich du hast inzwischen gelernt dich an Regeln zu halten. Komm mit!“ In seiner Stimme lag beinahe offenen Feindseligkeit. Er wandte sich um und während er wieder auf die Türe zuging blieb er noch einmal stehen.
 

„Und wer hat euch erlaubt eine Pause zu machen?“ rief er laut. „Setzt das Training auf der Stelle fort!“
 

Sofort wandten sich die Schüler wieder ihren Aufgaben zu, jedoch nicht ohne Kai verstohlene Blicke aus dem Augenwinkel zuzuwerfen, während dieser die Halle durchquerte um dem Mann zu folgen. Er trat hinter ihm durch die kleine Türe und schloss sie, als er hindurchgegangen war. Der Raum war klein und quadratisch. Es gab einen Schreibtisch und zwei Bänke an der Wand. Vier Personen saßen auf diesen Bänken, während der Mann um den Tisch herum ging und sich auf dem Stuhl dahinter niederließ.

Kai erkannte die vier Jungen, die ungefähr in seinem Alter waren, auf Anhieb. Er fühlte sich äußerst unwohl unter den Blicken, die nun auf ihm ruhten. Seine neuen Teamkollegen sahen alles andere als begeistert aus und es fiel ihm äußerst schwer es ihnen zu verübeln.
 

Spencer musterte ihn misstrauisch und nicht unbedingt freundlich, jedoch auch nicht feindselig, vielleicht sogar beinahe ein Bisschen überrascht.

Ian und Bryan hingegen zeigten ihre Abneigung um einiges deutlicher. Ian zischte leise einen russischen Fluch, als Kai eintrat und Bryan zeigte zwar keine Regung, doch ein Blick in die Augen des Silberhaarigen genügte vollends.

Tala hatte nach einem kurzen, nichts sagendem Blick beschlossen ihn schlichtweg zu ignorieren. Kai erinnerte sich mit schalem Geschmack an ihre Begegnung früher am Tag. Tala musste nun glauben, dass Kai tatsächlich jedwede Erinnerung an ihre Kindheit verloren hatte und vielleicht. Ja, vielleicht war es auch besser so.

~~~~~
 

„Verdammt Kai, warum muss erst Boris mir sagen, dass du nur geblieben bist um mir zu helfen?“ Etwas in Talas Stimme war zerbrochen, Kai wusste nicht, was es war, doch er hatte das Knacken gehört und dann das feine Klirren der Scherben. Etwas war zerbrochen und vielleicht, nur vielleicht, war es die Wand, die zwischen ihnen beiden gestanden hatte. Dieses letzte Geheimnis.
 

„Ich wusste nicht, dass er es weiß.“ begann Kai langsam, während ihm klar wurde, dass diese Worte überhaupt keinen Wert hatten. Er konnte sehen, wie Tala im Dunkeln aufstand und einen Schritt in seine Richtung machte, dann jedoch inne hielt.
 

„Du hast uns belogen, du hast mich belogen. Du hast deine Freunde verraten, hast ihre Bitbeasts geopfert nur um ich da raus zu holen?“ Tala war wütend, wütend und er verstand nicht. Seine Stimme klang hilflos und zornig zugleich.
 

„Das Versprechen.“ erwiderte Kai schließlich. Welchen Sinn hatte es weiter zu schweigen? Welchen Sinn hatte es weiter zu lügen? Lügen und Schweigen hatte ihn niemals irgendwohin gebracht. Nur in Situationen wie diese. Man sollte meinen, dass er aus seinen Fehlern lernte, doch er machte immer dieselben. Immer dieselben dummen Fehler.
 

„Was?“
 

„Ich habe es dir versprochen.“ Kai lehnte sich zurück, schloss die Augen. „Ich habe dir versprochen alles zu tun.“
 

„Ich“, Kai konnte Talas Blick auf sich spüren. Seine Stimme war nun Nachdenklich und ein wenig überrascht. „Ich kann mich nicht daran erinnern.“
 

„Du warst tot.“ erklärte er dumpf. „Als ich dich schreien hörte, habe ich versprochen alles zu tun.“
 

~~~

Viel Flashback und wenig Aktuelles, aber keine Sorge, im nächsten Kapitel wird sich das wenden. ^__^

Ich wünsche euch alle frohe Weihnachten!

Liebe Grüße,

Nordwind

ZWEIUNDZWANZIG

Vor Neujahr noch einmal etwas zum NAchdenken. Bin gespannt, wer alles versteht. Talas Gedanken sind an manchen Stelen vielleicht etwas wirr.
 

ZWEIUNDZWANZIG|
 

Es war still. Wiederum still. In einem Raum, der so vollkommen mit Dunkelheit gefüllt war wie dieser, waren Geräusche das einzige, das die Welt um sie herum zeichnen konnte und dennoch rührte sich keiner von ihnen. Das leise Atmen war alles. Ein Zeichen von Leben, nichts weiter. Sie waren beide noch am Leben, doch die Worte, die ausgesprochen worden waren hatte die Welt verändert. Nicht die Welt an sich, nicht die Welt aller Menschen, doch aber ihre beider Welt. Die Welt, in der sie gelebt hatte, in der sie zu leben geglaubt hatten, ihre Leben an sich. Es war nicht schlecht. Nicht schlechter als zuvor, vielleicht sogar besser, aber es war neu. Neu, ein neues Gefühl, dass sie nicht kannten, eine neue Welt, die sie nicht kannten, neue Gedanken, neue Erkenntnisse. Sie waren Freunde gewesen vor langer Zeit, ehe all das geschehen war. Dann waren sie Feinde gewesen oder zumindest hatte Tala das gedacht. Für Tala war es so gewesen. Kai, der all seine Erinnerungen verloren hatte nach jenem Vorfall, den Tala ihm nie übel genommen hatte. Er hatte Kai nie die Schuld an all dem gegeben, doch er hatte ihn dafür gehasst, dass er alles vergessen hatte. Zumindest hatte er geglaubt ihn zu dafür zu hassen.
 

Hass. Es war so leicht dieses Wort zu benutzen, in der Wut, in der Verzweiflung. Ein Verteidigungsmechanismus. Jemand, den man hasste, der konnte einen nicht weiter berühren, verletzen. Es war leichter, viel einfacher, jemanden zu ignorieren, den man hasste. Wer hätte gedacht, dass Hass so sehr wehtun konnte.
 

Kai, der zurückgekommen war, arrogant und herablassend. Diesen Kai hatte Tala wirklich gehasst, gehasst aus tiefster Seele, für ihn waren dieser neue Kai und der Kai, den er gekannt hatte nicht ein und derselbe gewesen. Für ihn war der neue Kai nur irgendein Monster gewesen, der in den Körper seines Freundes geschlüpft war. Zumindest hatte er versucht sich das einzureden. Nun hatte er erfahren, dass es diesen neuen Kai niemals gegeben hatte. Eine Täuschung, ein Spiel, das er nicht begriff. War er nicht vertrauenswürdig? Konnte man sich nicht auf ihn verlassen? Warum hatte Kai ihn belügen müssen? Ihn gemeinsam mit allen anderen Menschen in einen Topf geworfen. Hatte er selbst sich so sehr verändert? Hatte Kai an ihm gezweifelt? Er wusste es nicht. Er verstand es nicht. Kai hatte ihn niemals verraten, niemals wirklich, sondern nur um alles besser zu machen.
 

Es war ein dumpfes Gefühl. Ein leeres Gefühl. Ein einsames Gefühl. Seltsam, man sollte doch meinen, er hätte soeben einen verloren geglaubten Freund zurück gewonnen, doch der Freund, den Tala verloren hatte war nicht zurückgekehrt. Es war ein fremdes Gefühl. Sie hatte beide gelebt, hatten sich verändert. Den Tala von damals gab es nicht mehr. Vielleicht war das der Grund, warum Kai nicht gewusst hatte, ob er ihm trauen konnte. Den kleinen Jungen, Tala, der immer alles auf sich genommen hatte, der unbekümmert in den Tag hinein gelebt hatte, für den die Abtei der Himmel gewesen war, der gerne über Dinge geredet hatte, die niemand begriff und der es geliebte hatte Witze zu machen die niemand verstand, diesen Tala gab es nicht mehr. Auch Kai hatte sich verändert und vielleicht waren sie sich nach all dieser Zeit einfach… – fremd.
 

Aber das war Unsinn, nicht wahr? All diese Gedanken mochten richtig sein, doch sie waren ebenso falsch. Sie wären nicht hier in diesem dunklen Loch, wären sie sich so fremd. Sie würden nicht so miteinander reden, nicht so miteinander umgehen, wäre sie sich so fremd geworden. Tala wusste es besser. Er konnte die Vergangenheit nicht ändern und er konnte sie nicht zurückholen, nichts würde je wieder so werden, wie es einmal gewesen war, doch das musste nicht auch gleich bedeuten, dass es niemals wieder gut werden würde, im Gegenteil, es war Zeit, dass alles endlich einmal wieder besser wurde. Sie waren keine Fremde, waren es niemals gewesen. Sie hatte einander nur nicht verstanden, weil sie nach etwas gesucht hatten, dass es so nicht mehr gab. Das Band mochte sich verändert haben, doch es war noch immer da, dort wo es immer gewesen war. Ein Band, das sie zusammenhielt, ganz egal was geschah. Sie mochten sich verändert haben, doch sie waren noch immer dieselben. Es gab Dinge die änderten sich nicht. Der Kern, der Kern blieb gleich. Sie befanden sich noch immer auf derselben Wellenlinie, hatten noch immer dieselbe Art von Humor. Sie brauchten keine Worte um zu verstehen, sie kannten die Bewegungen und Eigenarten des anderen in einem Match. All diese kleinen, grundlegenden Dinge, die gleich blieben, ganz egal wie sich die Welt um sie herum änderte. Es war dieses stumme Einverständnis. Sie standen auf demselben Boden mit denselben Wurzeln, daran würde sich niemals etwas ändern.
 

Es konnte womöglich eine Weile dauern, doch dieses Gefühl der Vertrautheit, das Vertrauen an sich, würde zurückkehren, sie mussten sich nur daran gewöhnen wieder miteinander auszukommen. Es war nicht allzu schwer, musste Tala zugeben, es brauchte nur Zeit.
 

„Boris versteht es nicht.“ Talas Lippen verzogen sich zu einem schmalen Grinsen. Kai sah, ein wenig erstaunt über die Worte des anderen, auf, sagte jedoch nichts und wartete ab. „Er hat mich einmal gefragt wovor ich Angst hätte und ich sagte zu ihm: Vor der Dunkelheit. Aber Boris hat es niemals begriffen.“ Tala breitete vage die Arme in die Dunkelheit aus. „Das hier ist seine Strafe, aber er hat niemals verstanden, dass ich nicht diese Dunkelheit meine. Das hier ist einfach nur dunkel.“
 

Kai schloss die Augen. Er verstand was Tala meinte. Er verstand diese wirren Worte, die für manch einen keinen Sinn ergeben mochten. Er kannte die Dunkelheit, die Tala meinte und er musste ihm beipflichten, das hier war nichts dagegen, das hier war einfach nur dunkel. Boris wusste es nicht und vielleicht viele andere auch nicht, er kannte die wahre Dunkelheit nicht.
 

„Hat er dich deswegen geschlagen.“ wollte Kai nüchtern wissen. „Bestrafung?`“
 

„Rache.“ antwortete Tala schlicht und nickte. „Das ist alles. Er tut das alles nur aus Rache.“
 

Rache. Es gab keinen Masterplan, kein hochgestecktes Ziel. Das einzige Ziel war sie so sehr wie möglich zu verletzen. War Boris inzwischen so tief gesunken? Hatte man ihn sosehr zerstört, so sehr in die Enge getrieben, dass er an nichts weiter dachte als daran Rache zu üben? War das alles?
 

Die Gedanken hatten Kai so sehr abgelenkt, dass er die nahenden Schritte erst wahrnahm, als sie direkt vor der Türe verstummten. Erneut wurde ein Schlüssel herumgedreht und erneut ging das Licht an. Kai kniff die Augen zusammen, als das grelle Licht ihn blendete und die Türe aufflog. Er vernahm zwei Paar Schritte, die sich ihm deutlich näherten und wohl geradewegs auf ihn zukamen. Kai spürte, wie er von kräftigen Händen an den Oberarmen gepackt und auf die Füße gezogen wurde. Er öffnete die Augen um etwas sehen zu können, konnte jedoch nichts weiter tun als heftig zu blinzeln. Während die beiden Männer, wie er vermutete, ihn zum Ausgang schleiften. Er sah aus dem Augenwinkel noch, wie Tala versuchte sich halbwegs aufzurichten, ehe die Türe hinter ihm mit einem Krachen ins Schloss fiel.
 

Die beiden Männer zerrten Kai an den Armen durch einen von grellem Licht erhallten Gang. Als sich seine Augen langsam an das Licht gewöhnt hatten, blieben sie schon wieder vor einer anderen Türe stehen. Während der größere und kräftigere der beiden Männer hinter Kai trat und ihm die Hände auf den Rücken drehte, klopfte der Andere an. Kai verzog vor Schmerz das Gesicht und unterdrückte den Fluch, der ihm auf der Zunge lag. Der Mann an der Türe öffnete diese und trat dann zur Seite. Der andere, der hinter ihm stand, versetzte Kai einen Hieb und stieß in vorwärts in den Raum.
 

Es war ein kleiner Raum, ein wenig größer vielleicht als die Zelle zuvor. In der Mitte standen ein schmaler, gebrechlich aussehender Tisch und ein paar billige Plastikstühle drum herum. Auf einem der Stühle saß Boris, der Kai kalt anlächelte, als dieser stolpernd das Zimmer betrat.
 

Kais Gesicht glich einer kalten, steinernen Maske. Kein Muskel regte sich und Boris kam nicht umhin sich im Stillen einzugestehen, dass er den jungen Russen für seine Selbstbeherrschung bewunderte.
 

„Nun, Kai“, säuselte er während er seine Hände über der Tischplatte faltete. „Setz dich doch, ich will dir ein Angebot machen.“
 

~~~

So, ich wünsche euch allen eine gute Reise ins neu Jahr, vergesst Salz und Kreide nicht und haltet euch von Kreuzungen fern. ^__^

Liebe Grüße und noch einen schönen Abend,

Nordwind

DREIUNDZWANZIG

So, hier wieder ein längeres Kapitel. ^__^
 

~~~
 

DREIUNDZWANZIG|
 

Es war inzwischen dunkel geworden. Spencers Blick wanderte langsam vom Fenster zurück in das Innere des Raums. Nichts hatte sie geändert. Sie saßen noch immer auf denselben Plätzen und waren noch immer so ratlos wie eine knappe Stunde zuvor.
 

„Ich verstehe das nicht.“ meinte Tyson plötzlich in die Stille hinein. Die Frustration war ihm deutlich anzuhören. „Warum Kai und Tala? Ich meine, die beiden haben doch überhaupt nichts miteinander zu tun, also warum verschwinden ausgerechnet sie?“ Nichts miteinander zu tun? Spencer warf den drei ehemaligen Bladebreakern einen nahezu überraschten Blick zu.
 

„Ihr wisst es nicht?“ fragte er ein wenig erstaunt und fügte gleich darauf, als ihm klar wurde, von wem er sprach, hinzu. „Kai hat euch wohl nichts erzählt.“ Er erntete drei mehr oder minder fragende Blicke.
 

„Was erzählt?“ wollte Tyson nun fast beleidigt wissen, während er eine Grimasse zog. „Kai hat uns nie irgendwas erzählt.“
 

„Kai und Tala waren so etwas wie beste Freunde in der Abtei.“ erklärte er ehe im klar wurde, was er eigentlich gerade tat. Oh großartig, dachte er und hätte sich am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Seine Augen wanderten zu Bryan hinüber, dessen Blick ihm den gerade gekommenen Gedanken bestätigte. Kai wird mich umbringen. Die überraschten und fast schockierten Blicke der Bladebreaker war dafür Gold wert.
 

„Sie waren Freunde?“ wiederholte Max langsam.
 

„Blödsinn!“ fuhr ihm Tyson dazwischen, der sich von den überraschenden Worten erholt hatte. „Erinnert ihr euch an diese Sache beim Frühstück am Anfang der Woche? Sie haben sich überhaupt nicht wie Freunde verhalten.“ Spencer erinnerte sich an dieses Treffen, doch seine Erinnerung waren voll von Beleidigungen von Tysons Seite und weniger von Kais Verhalten Tala gegenüber oder andersherum. Er verbiss sich einen Kommentar. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für solche Dinge. aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Bryan die Lippen zu einem schmalen, spöttischen Grinsen verzog.
 

„Und das andere Mal, an dem Tag, als die Sache mit Trygator passiert ist, da sagte Tala zu mir, dass er Kai auf keinen fall im Team haben will.“ fuhr Tyson nachdenklich fort. „Und, oh ja, während dem Match haben sie ausgesehen, als wollten sie sich gegenseitig umbringen.“ Tyson übertrieb. Der Tag an dem Tyson lernen würde in den Gesichtern der beiden zu lesen würde niemals kommen, zudem konnte unmöglich verstanden haben, was die beiden gesprochen hatten. Und das war vielleicht auch ganz gut so. „Und Tala hat Kai geschlagen, könnt ihr euch noch daran erinnern? Erst dieser Wahnsinnskampf und dann das! Hey, das war das letzte Mal, dass ich Tala gesehen hab.“ Spencer schüttelte leicht den Kopf.
 

„Ich meine, sie waren Freunde, als wir alle noch in der Abtei waren“, erklärte er nüchtern. „Das ist schon ziemlich lange her. Kai war damals der Zweite nach Tala, der in das Team kam. Die beiden“, er zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, sie haben sich irgendwie verstanden, waren sich ziemlich ähnlich, hatten beide den gleichen bescheuerten Humor.“ Es war still geworden. Spencer hielt inne und als er die beinahe faszinierten Blicke der drei Jungen ihm gegenüber bemerkte, wurde ihm klar, dass er die ganze Geschichte würde erzählen müssen.
 

~~~
 

Es war ein kleiner Raum, ein wenig größer vielleicht als die Zelle zuvor. In der Mitte standen ein schmaler, gebrechlich aussehender Tisch und ein paar billige Plastikstühle drum herum. Auf einem der Stühle saß Boris, der Kai kalt anlächelte, als dieser stolpernd das Zimmer betrat.
 

Kais Gesicht glich einer kalten, steinernen Maske. Kein Muskel regte sich und Boris kam nicht umhin sich im Stillen einzugestehen, dass er den jungen Russen für seine Selbstbeherrschung bewunderte.
 

„Nun, Kai“, säuselte er während er seine Hände über der Tischplatte faltete. „Setz dich doch, ich will dir ein Angebot machen.“
 

Kai dachte nicht einmal daran sich zu setzten, ganz zu schweigen davon sich mit ernsthaftem Interesse dieses Angebot anzuhören. Er blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und wandte dabei kein einziges Mal die Augen von Boris ab. „Dasselbe Angebot, dass du mir das letzte Mal gemacht hast?“ wollte Kai gelassen wissen während er versuchte die Abscheu aus seiner Stimme zu verbannen.
 

„Dasselbe Angebot, Kai?“ Boris Lippen verzogen sich zu einem faden, falschen Lächeln. „Welches Angebot habe ich dir den das letzte Mal gemacht?“ Kai neigte den Kopf ein wenig zur Seite ohne den Blick von seinem Gegenüber zu wenden, er hatte niemals daran geglaubt Boris mit etwas einschüchtern zu können unter dem andere Menschen zumindest zurückzuckten. Boris war diese Art von Blick gewöhnt. Von Kai, von Tala, er hatte sie ihnen selbst antrainiert.
 

„Du gibt’s mir eine Chance Tala herauszuholen, dafür bleibe ich und bekomme Black Dranzer.“ erwiderte Kai und beobachtete ungerührt, wie Boris nahezu gespielt dass Gesicht verzog.
 

„Tala spricht also wieder mit dir, ja Kai?“ meinte er schlicht, dann lachte er leise. „Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er erfuhr, warum du in die Abtei zurückgekommen bist. Als hätte man ihn geschlagen, hätte ich gewusst, dass ich diesen Blick nur mit ein paar Worten bekomme, hätte ich mir die Mühe davor sparen können.“ Kai unterdrückt den Drang die Hand zur Faust zu ballen und Boris damit ins Gesicht zu schlagen. Er wusste, dass Boris ihn nur provozieren wollte.
 

„Hast du es von Anfang an gewusst?“ fragte er ruhig, nur um etwas gesagt zu haben und sich von der Wut abzulenken, die sich in seinem Bauch sammelte.
 

„Dass du nur wegen Tala zurückgekommen bist?“ erwiderte Boris, wiederum mit einem falschen Lächeln auf den Lippen. „Nein, ich dachte du wärst wegen Black Dranzer geblieben. Wegen der Macht, wegen der Perfektion, aber du hast dich verändert.“ Boris stand auf, drehte Kai den Rücken zu und sah aus dem Fenster. „Aber du bist noch immer sehr leicht zu durchschauen. Macht es dir nichts aus Tala dort im Dunkeln allein zu lassen?“ Kai konnte das süffisante Grinsen auf den Lippen des ehemaligen Abteivorstehers beinahe sehen. Er selbst blieb gelassen. Tala hatte Recht gehabt, Boris verstand rein gar nichts. Kai sagte nichts. Wenn Boris Wort hören wollte, dann wartete er vergebens. Aber Boris brauchte die Worte anderer nicht, dazu hörte er sich selbst viel zu gerne reden.
 

„Ihr beide habt mir sehr viel Ärger gemacht. Ihr dachtet ihr würdet ach so gut miteinander auskommen und könntet euch alles erlauben, Wachen täuschen, anderen Schülern dumme Streiche spielen, all dieses kindische Gehabe, aber ich wusste, dass ihr euch eines Tages selbst zerstören würdet. Ich habe nur auf diesen Tag gewartet.“ Boris wandte sich langsam um, das selbstgefällige Lächeln auf den blassen, schmalen Lippen, die Augen blitzen mit kalter Boshaftigkeit. „Sag, Kai, hast du ihn nicht schreien hören? Was hast du gedacht, als Black Dranzer im das Herz herausgerissen hat.“
 

Kais Mund wurde plötzlich sehr trocken, alles in ihm erstarrte. Er fühlte sich wie gelähmt. Seine Gedanken waren für den Bruchteil eines Augenblicks blank, wie eine leere, weiße Seite, im nächsten stürzten Bilder auf ihn ein, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis verbannt hätte. Er kannte diese Bilder und er wusste, dass er nichts weiter tun konnte als sie zu akzeptieren, sie als einen Teil von ihm zu akzeptieren. Blut, erinnerte er sich, da war so viel Blut gewesen.
 

Boris lachte.
 

~~~
 

„Was ist passiert?“ wollte Tyson wissen, den Spencer zum ersten Mal wirklich sprachlos erlebt hatte. Alle drei Bladebreaker hatten schwiegen zugehört, während er in kurzen, knappen Worten von der Abtei erzählt hatte. Er hatte viel ausgelassen, zum einen war es ihm unangenehm von Dingen zu erzählen, die nur ihn selbst und das eigene Team etwas angingen, zum anderen waren es belanglose Informationen, die ihnen ohnehin nicht weiterhelfen würden. Er hatte ihnen erzählt, wie Tala, Kai, Bryan, Ian und er selbst in dieselbe Trainingsgruppe gekommen waren, dann von dem Vorfall mit Black Dranzer. Tyson, Ray und Max hatten so überraschte Gesichter gemacht, dass Spencer sich unwillkürlich gefragt hatte, ob Kai ihnen überhaupt jemals irgendetwas erzählt hatte. Wohl eher nicht, hätte ihm aber auch nicht allzu ähnlich gesehen. Spencer zuckte die Schultern.
 

„Wissen wir nicht.“ erklärte er gelassen. „Tala hat sich ausgeschwiegen und Kai war wer weiß wohin verschwunden, bei dem was wir wussten hätte er auch tot sein können. Boris war nicht der Meinung, dass wie irgendetwas wissen brauch-…“ Er brach ab, als es ihm mit einem Mal wie Schuppen von den Augen fiel. Was war er doch nur für ein blinder Idiot! Er warf Bryan einen kurzen Blick zu und erkannte sofort, dass seinem Teamkollegen eben derselbe Gedanke gekommen sein musste.
 

„Was?“ rief Tyson, als er merkte wie Spencer innehielt und die beiden Russen Blicke austauschten, die er nicht genau zu deuten vermochte. „Was ist los?“
 

„Boris.“ antwortete Spencer und rieb sich mit der Hand über die Stirn. „Wie konnten wir nur so blöd sein.“ Sein Blick wanderte zu den Bladebreaker hinüber. „Was haben Tala und Kai gemeinsam? Die Abtei. Boris.“ Max schnappte nach Luft und Ray erstarrte beinahe vor Schreck. Tyson sprang auf.
 

„Boris!?“ rief er entsetzt. „Aber ich dachte der wäre erledigt, im Gefängnis oder meinetwegen in einer Irrenanstalt!“ Bryans Gesichtsausdruck verfinsterte sich augenblicklich und Spencer zuckte beinahe hilflos mit den Schultern.
 

„BIOVOLT ist davongekommen und Boris war verschwunden.“ erklärte er düster. Sein Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Grimasse. „Keiner wusste was eigentlich passiert ist.“
 

„Aber, dann-…“ begann Tyson erneut, seine Stimme eine Mischung zwischen Hysterie und Entsetzen.
 

„Wir sollten Mr. Dickenson Bescheid sagen.“ unterbrach ihn Ray einigermaßen ruhig und stand auf. Max nickte.
 

„Ray hat Recht.“ erklärte er und erhob sich ebenfalls. „Mr. Dickenson weiß bestimmt was zu tun ist!“ Langsam nickend stimmte auch Tyson zu.
 

„Vielleicht habt ihr Recht.“ gab Spencer langsam zu, obwohl ihm nicht allzu wohl dabei war noch jemanden und allen voran den Direktor der BBA mit in diese Sache hineinzuziehen, doch ehe er dazu kam das gesagte noch einmal zu überdenken, waren die Bladebreaker bereits zur Türe hinaus. Bryan hob eine Augenbraue und warf Spencer einen spöttischen Blick zu.
 

„Tala wird dich dafür hassen.“ meinte er schlicht. Spencer rieb sich mit der Hand über die Augen.
 

„Ja“, erwiderte er und war in Gedanken bereits dabei über einen Weg zu finden, wie sie Tala finden konnten. „Ich weiß.“
 

~~~
 

„Du warst es Kai.“ erklärte Boris, nachdem das Lachen auf seinen Lippen zu einem kalten, süffisanten Lächeln erstarrt war. „Du hast Tala zu meinem perfekten Soldaten gemacht. Ich wusste, dass er solange er die vertraute und mit dir zusammen war niemals dazu bereit sein würde meine Pläne auszuführen. Du warst mir von Anfang an im Weg, aber wie hätte ich dich ausschalten sollen, während du unter dem Schutz deines Großvaters standest? Du hast dich selbst zerstört, Kai, dich und Tala. Du hast Tala zu dem Anführer gemacht, den ich an der Spitze der Abteischüler brauchte.“
 

Kai biss die Zähne zusammen und versuchte sich den bitteren Geschmack, der auf seiner Zunge lag nicht anmerken zu lassen. Ihm war schlecht. Er wusste all diese Dinge und er wusste sie allem voran besser als Boris. Es waren seine Fehler, seine Taten, seiner Erinnerungen. Er wusste was er getan hatte, was die Folgen seiner Taten gewesen waren. Boris konnte ihm nichts Neues erzählen, Boris konnte ihn damit nicht mehr verletzten, als er selbst es bereits getan hatte
 

„Tala war nie der Anführer, den du wolltest.“ brachte er hervor und gab sich alle Mühe die gelassene, unberührte Fassade aufrecht zu erhalten.
 

„Nein, du hast Recht.“ gab Boris in gleichgültigem, fast abfälligen Ton zu. „Tala ist zu weich, war es immer schon. Ich dachte ich könnte ihm das austreiben. Er hat so getan, als kümmerte er sich nicht darum, um alle anderen, um alles andere um sich herum und trotzdem hat er immer versucht Verantwortung für alles zu übernehmen um anderen Strafen zu ersparen. Er hat geglaubt ich würde es nicht merken, hat versucht es zu verbergen. Armselig.“
 

Kai schob die Gedanken beiseite. Er wusste nicht, ob Tala ihm jemals vergeben hatte oder ob er es jemals tun würde, doch er wusste sehr wohl, dass ihm etwas schuldete. Wenn er sich aber hier in dem Netz verfing, dass Boris für ihn spann, dann würde er überhaupt nichts tun können.
 

„Warum Tala?“ wollte Kai wissen. Seine Stimme klang gleichgültig und seine Augen waren unbestimmt in Boris Richtung gewandt. Er hielt die makellose Fassade, während er angestrengt nachdachte. Er brauchte Zeit, Zeit und einen verdammt guten Plan. „Ich habe dich ‚verraten’, nicht Tala.“ Der Ausdruck auf Boris Gesicht verzog sich zu einer grotesken Grimasse.
 

„Was du nicht sagst, Kai.“ erwiderte er kalt. „Wie konntest du aus der Abtei entkommen, nachdem du vom Baikalsee zurückgekehrt bist und beschlossen hast mein Kontrollzentrum zu zerstören?“ Er lachte, als er sah, wie sich Kais Gesichtstausdruck beinahe augenblicklich verfinsterte. „Hast du geglaubt, ich wüsste es nicht, Kai? Ich sehe alles, was in meiner Abtei geschieht.“
 

~~~

Mit einem lauten Krachen schlug das pechschwarze Beyblade in einen weiteren Bildschirm und grub sich dann tief in das Armaturenbrett darunter. Das Glas zerbarst unter dem Aufprall mit einem hellen Klirren. Die Lichter erloschen und der Raum wurde nur noch von den züngelnden Flammen erhellt wurden.
 

„Unser Computernetzwerk ist ausgefallen!“ rief einer der beiden Männer, die ihre Finger über die Tastaturen gleiten ließen und gleichzeitig versuchten sich von den Flammen fernzuhalten.
 

Mit einem letzten Blick in Boris wutverzerrtes Gesicht, wandte sich Kai um und verließ den Raum. Er rannte den Gang hinunter und versuchte sich zu orientieren. Die Notbeleuchtung ging an und Kai wurde klar, dass im nächsten Augenblick jeder einzelne Mensch in der Abtei nach ihm suchen würde. Er brauchte einen Plan, einen verdammt guten Plan und einen Weg hier heraus. Er lief weiter, am Ende des Gangs nach rechts, dann an der nächsten Kreuzung nach links, durch eine Treppe hinauf, dann eine fand er sich einer weiteren Tür gegenüber. Bei dem Klang, von eiligen Schritten, die jenseits der Wand eindeutig auf dieselbe Tür zu bewegten, hielt er inne.
 

Kai sah sich schnell um. Der einzige Weg führte wieder die Treppe hinunter, doch von dort unten war er gekommen und es gab dort keinen Ausgang. Er musste höher hinauf und dazu musste er durch diese Tür. Wer auch immer da kam, Kai würde ihn überwältigen müssen. Er trat zurück.
 

Die Tür flog auf und krachte gegen die Wand. Auf der Schwelle stand Tala. Kai, der eben noch bereit war sofort zuzuschlagen hielt wiederum inne. Talas kalter, unbeteiligter Blick richtete sich unmissverständlich auf Kai. Der Rothaarige hob eine Augenbraue.
 

„Sie suchen dich überall.“ meinte er schlicht, als wäre es das Normalste der Welt. „Sie sagen du hast den Kontrollraum zerstört. Hast du die Kontrolle verloren oder macht es dir Spaß fremdes Eigentum zu beschädigen?“ Kais Augen verengten sich ein wenig, doch er beschloss nicht auf Talas offensichtliche Provokation einzugehen.
 

„Ich verlasse die Abtei.“ erklärte er, während er angestrengt darüber nachdachte, wie er an Tala vorbeikommen konnte. Tala war nicht so leicht zu überwältigen wie die Wächter oder die anderen Schüler, die im Augenblick wohl alle nach ihm suchten.
 

„Hn“, erwiderte Tala. „Dann solltest du zum östlichen Tor gehen.“ Auf Kais fragenden, leicht irritierten Blick fügte er hinzu: „Wenn ich gleich Alarm schlage, werden alle Wachen zum westlichen Eingang laufen.“

~~~
 

„Tala hat dir geholfen zu entkommen“, meinte Boris und seine Stimme klang abfällig. „Sonst hättest du es niemals geschafft die Abtei zu verlassen und zu deinen kleinen Freunden zurückzukehren.“ Das kalte Grinsen auf seinen Lippen wurde breiter. „Was meinst du, Kai, hat er genug dafür bezahlt? Ich denke, ich werde ihn einfach dort unten lassen, bis er seine Fehler einsieht. Dieses Mal gibt es keinen Weg für dich, niemand hier wird dir helfen.“ Als er sah, wie sich der Ausdruck in Kais Augen wenn auch nur geringfügig verfinsterte, verzogen sich seine Lippen zu einem falschen, selbstzufriedenen Lächeln. Er breitete die Arme aus und fuhr dann fort.
 

„Aber du hast Glück Kai, denn ich habe eine Chance für dich, ein Angebot, dasselbe wie beim letzten Mal. Du nimmst Black Dranzer und kommst zurück zu mir und solange du dich an meine Regeln hältst und genau das tust, was ich sage, solange wird Tala überleben.“
 

„Ich habe ein Angebot für dich, Kai. Nimm es an und mache denselben Fehler noch einmal.“

~~~
 

So, das hier war das vorvorletzte Kapitel von 'Out of Place' (zumindest sieht's so in meinem aktuellen Plan aus). Es folgt noch ein Kapitel mit ein Bisschen Action, dann der Abschluss, dann der Prolog und dann noch ein kleiner Zusatz, für die, die es interessiert.
 

Falls es noch Fragen gibt, die in der Geschichte bisher nicht geklärt wurden, ungelöste Probleme, ungeklärte Hinweise und so weiter, sagt mir bitte Bescheid. In meinem Chaos habe ich leider etwas den Überblick über diese Geschichte verloren und es kann schon sein, dass ich etwas ausgelassen habe (was ich natürlich nicht hoffe). Ansonsten hoffe ich, dass ihr die Geschichte bis zum Ende lesen werdet und dass ich euch einen zufriedenstallenden Abschluss liefern kann. Bis zum nächsten Kapitel!
 

Nordwind

VIERUNDZWANZIG

So, tut mir erst einmal wieder Leid, dass es so lange gedauert hat, aber meine Hausarbeit bringt mich um....
 

Damit ihr euch am Ende nicht wundert: Das hier ist nicht das vorletzte Kapitel *seufz* Ich musste es teilen, weil ich momentan eher selten zum Schreiben komme und euch nicht ganz so lange warten lassen wollte. ^___^ Es folgen hierauf also noch zwei Kapitel.

~~~
 

VIERUNDZWANZIG|
 

„Aber du hast Glück Kai, denn ich habe eine Chance für dich, ein Angebot, dasselbe wie beim letzten Mal. Du nimmst Black Dranzer und kommst zurück zu mir und solange du dich an meine Regeln hältst und genau das tust, was ich sage, solange wird Tala überleben.“
 

„Ich habe ein Angebot für dich, Kai. Nimm es an und mache denselben Fehler noch einmal.“
 

Boris hatte Kai wiederum den Rücken zugewandt und sah aus dem Fenster, als gäbe es dort draußen in der Dunkelheit der Nacht etwas, das ihn bei weitem mehr interessierte als das Geschehen in dem kleinen Zimmer.
 

„Nun, Kai“, meinte er schließlich nach einigen Minuten des Schweigens. „Was sagst du?“ Kai entspannte sich, er löste die Arme, die er bisher vor der Brust verschränkt gehabt hatte. Er ließ die Anspannung und die Wut, die langsam in ihm aufgewallt war, von sich abfallen, wie alte, steife Kleider. Die Züge auf seinem Gesicht entspannten sich, verblassten und ließen eine ausdruckslose Maske zurück.
 

„Das ist leicht.“ erwiderte er mit klangloser Stimme. Das selbstzufriedene Grinsen auf Boris Lippen wurde bei diesen Worten deutlich breiter.
 

„Ich mache nie denselben Fehler zweimal, Boris. Aber du tust es gerade.“
 

Ehe Boris sich der Bedeutung dieser Worte überhaupt gänzlich bewusst wurde und noch während das Grinsen auf seinen Lippen langsam zerfloss, spürte er bereits, wie eine Hand seine Schulter packte und er plötzlich hart gegen die Wand geschleudert wurde. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, als Kai im nächsten Augenblick direkt vor ihm stand und seine Hand um Boris Hals legte.
 

„Du hast mich schon wieder unterschätzt.“ erklärte Kai kalt. „Du hast uns alles beigebracht, hast du niemals daran gedacht, dass der Tag kommen könnte, an dem wir dich nicht mehr fürchten?“ Der Druck an seinem Hals verstärkte sich und Boris Blick fand Kais Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihm klar, dass wenn die Augen wirklich die Fenster zur Seele sein sollten, Kai der eine Mensch war, der keine besaß, zumindest nicht für seine Feinde. Der Moment verging und Wut breitet sich langsam auf Boris Gesicht aus, verzog seinen Mund und seine Augen zu einer grimmigen Grimasse.
 

„In der Abtei hattest du Macht, all diese Leute, die unter dir standen und BIOVOLT in deinem Rücken.“ fuhr Kai fort, herablassend und beinahe spöttisch, noch immer kalt wie eine Windböe an einem Wintertag. „Wir haben dich gefürchtet, aber wir waren nur Kinder. Hast du geglaubt, dass es für immer so bleiben würde?“
 

Boris öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch der Druck um seinen Hals verstärkte sich erneut und alles, was er herausbrachte, war ein erstickendes Röcheln.
 

„Du bist ein Niemand in dieser Welt.“ mit diesen Worten zog Kai seine Hand zurück. Der ehemalige Abteivorsteher sank an der Wand hinab. Er atmete schnell und stoßweise, während sich langsam ein fades, herablassendes Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete.
 

„Du – weißt – gar nichts – über – diese Welt, - Kai.“ brachte er schließlich gebrochen hervor.
 

„Ich weiß genug um zu verstehen, dass du zu schwach warst um in ihr zu leben.“ erwiderte Kai kalt während er voller Verachtung auf den Mann zu seinen Füßen herabsah. „Deshalb bist du in die Abtei gekommen um dort deine Eigene zu erschaffen.“ Das Grinsen verschwand von Boris Lippen. Er griff sich mit der Hand an den Hals, während sein Gesicht erneut einen zornigen Ausdruck annahm.
 

Kai hatte noch niemals besonders viel Respekt für diesen Mann übrig gehabt. Früher war es Angst gewesen, Angst, die er mehr als einmal herausgefordert hatte. Boris war der Herrscher ihrer Welt gewesen. Er hatte bestimmt, was sie taten, was sie aßen, wann sie schlafen, er hatte Strafen und Belohnungen bestimmt, über Gut und Böse, Falsch und Richtig, sein Wort war ihr Gesetzt gewesen. Er hatte sich eine Welt aufgebaut, die nach seinem Willen funktionierte, eine Welt ohne Rebellion, ohne Widerstand, eine Welt in der nur die Starken überlebten, nein, diejenigen, die er für stark hielt, diejenigen, die er stark gemacht hatte. Er hatte eine Welt geschaffen, die er für fair hielt, eine Welt, in der jeder die gleiche Chance bekam und diejenigen bestraft wurden, die sie nicht zu nutzen wussten.
 

Aber so war es nicht mehr. In dieser Welt, der wirklich Welt war Boris niemand. Hier gab es keine Grenzen zwischen Gut und Böse, falsch und Richtig. Es gab weder Schwarz noch Weiß, die grenzen verschwammen. Diese Welt war nicht gerecht, sie belohnte weder die Starken noch die Schwachen, jeder musste seinen Weg finden um zu überleben. In dieser Welt gab es keine Chancengleichheit und Boris war ein Niemand, ein Niemand, der nicht in dieser Welt zurechtgekommen war und es niemals wieder würde.
 

„Du wirst hier niemals wieder lebend herauskommen“, warf er seinem ehemaligen Schüler mit dem letzten Bisschen Würde, das ihm noch geblieben war, ins Gesicht. Kai ging gelassen in die Hocke um mit Boris auf einer Augenhöhe zu sein.
 

„Mag sein“, erwiderte er ruhig. „Aber das ist genau das, wofür du uns ausgebildet hast, oder? Du hast dir längst dein eigenes Grab geschaufelt.“ Kai holte aus und schlug Boris ins Gesicht, dessen Kopf von der Wucht gegen die Wand zurückgeschleudert wurde. der Körper des ehemaligen Abteivorstehers sank regungslos in sich zusammen. Kai erhob sich langsam und warf einen letzten Blick auf den Mann zu seinen Füßen. Dies war womöglich die letzte Gelegenheit sich ein und alle mal von Boris zu befreien, doch Kai wandte sich nur ab und ging zur Tür. Er wusste ganz genau, dass für Boris die weitaus schlimmere Strafe darin bestand dieses armselige Leben fortführen zu müssen, besonders nach einer derartigen Niederlage. dieser Mann war es nicht wert, dass ein anderer wegen ihm zum Mörder wurde.
 

Er strich die Gedanken aus seinem Kopf und zwang sich dazu sich auf das Problem, das direkt vor ihm, beziehungsweise hinter dieser Tür, lag. Zunächst zwei bis auf die Zähne bewaffnete Wachen, dann eine unbestimmte Anzahl weiterer Männer, die wohl nur dazu da waren ihn und Tala an einer Flucht zu hindern, ganz zu schweigen von Boris’ obskurem Sicherheitssystem. Woher hatte er eigentlich überhaupt so viel Geld für all diese Maßnahmen? War Boris möglicherweise der einzige, der Zugriff auf das Konto der Abtei gehabt hatte oder war er vielleicht schlichtweg schneller gewesen als BIOVOLT? Fragen. Fragen, die Kai zunächst einmal nicht zu interessieren brauchten. Tala. Er musste Tala da herausholen.
 

Kai wollte einen weiteren Schritt auf die Tür zumachen, als er plötzlich inne hielt. Es war ihm, als hätte jemand nach ihm gerufen, doch es war kein Geräusch, das man mit den Ohren hören konnte. Es glich mehr einem Gedanken, der plötzlich seinen Kopf füllte, ein fremder Gedanke, der nicht sein eigener war. Für einen Augenblick lang begann die Welt um ihn herum sich zu drehen und flimmerte in rötlichem Licht. Auch seine Gedanken waren plötzlich rot, rot und gold und heiß wie Feuer. Kai streckte den Arm aus um an der Wand Halt zu suchen. Er machte einen wankenden Schritt zur Seite und stolperte dabei beinahe. Im nächsten Augenblick war alles bereits wieder normal.
 

Kai fuhr sich mit der Hand über die Stirn und wartete einen Augenblick ab, bis er wider einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war lange her, dass Dranzer zu solchen Mitteln hatte greifen müssen und er war nicht allzu sehr daran gewohnt.

Kai ging zurück zu dem Schreibtisch, an dem Boris zuvor gesessen hatte umrundete ihn entdeckte dann schließlich eine Schublade. Er streckte die Hand aus und zog sie auf. Auf braunen Mappen und Dokumenten mit Boris’ krakeliger Handschrift lagen sowohl Dranzer und Wolborg, als auch Trygater und, zu Kais Überraschung, Dragoon. Er seufzte lautlos. Er hatte nicht gewusst, dass es sich bei dem letzte Bitbeast, das gestohlen worden war, um Dragoon handelte. Er hatte niemals danach gefragt. Wie hatte Tyson nur so unachtsam sein können? Mit einem leichten Kopfschütteln nahm er die beiden Bitchips und schob sie in seine Tasche, dann griff er nach den beiden Beyblades und betrachtete sie schweigend. Gut, dass es Dranzer gab, dachte er froh darüber seinen Blade zurückzuhaben, Tala wäre ihm noch ewig damit in den Ohren gelegen, hätte er Wolborg hier, wenn auch unwissentlich, zurückgelassen.
 

Er wandte sich erneut zu. Er musste einen Schritt nach dem anderen machen und momentan gab es zwischen ihm und Tala noch mindestens zwei Wachen direkt vor dieser Tür, die entweder darauf warteten von Boris hereingebeten zu werden um Kai ähnlich zuzurichten wie Tala, der offensichtlich nicht alleine mit Boris in diesem Raum gewesen war, oder darauf ihn zurück zu dieser Zelle zu schleifen. Sie waren bewaffnet, er nicht, wenn er Dranzer nicht als Waffe zählte, er musste also den Vorteil der Überraschung nutzen indem er etwas tat, das die Beiden dort draußen nicht erwarteten. Zwei Männer sollten kein Problem für ihn sein, schließlich war er nicht umsonst im Nahkampf ausgebildet worden.
 

Kai ging in die Hocke. Etwas Unerwartetes, hm? Er hob die Hand und klopfte dann gegen die Tür. Er konnte keine Schritte hören, was an sich genommen ein gutes Zeichen war, denn so hatten die beiden Männer dort draußen auch unmöglich mitbekommen können, was in dem kleinen Büro geschehen war. Die Tür öffnete sich und Kai verlor keine Zeit. Er stützte sich auf die Arme und riss dem vorderen Mann mit einem ausgestreckten Bein von den Füßen, dieser riss überrascht die Augen auf, als er plötzlich das Gleichgewicht verlor und mit rudernden Armen gegen seinen Kollegen, der hinter ihm stand, zu fallen drohte. Kai jedoch richtete sich auf, streckte die Hand aus und griff nachdem Gürtel des Mannes um ihn daran festzuhalten. Dann zog er mit der anderen Hand die Pistole aus dem Hohlster, dass an dem Gürtel befestigt war, und ließ den Mann los. Dieser verlor nun endgültig das Gleichgewicht und prallte mit voller Wucht auf seinen Kollegen, der keine andere Wahl hatte als ihn mit beiden Händen aufzufangen. Als beide im nächsten Sekundenbruchteil aufsahen, fanden sie sich der Mündung der Pistole gegenüber, die Kai inzwischen auf sie gerichtet hatte. All das war so schnell geschehen, dass keinem von beiden Zeit geblieben war zu realisieren, was überhaupt geschah und wer eigentlich ihr Gegner war.
 

„Waffen auf den Boden.“ forderte Kai gelassen. Das hier war etwas, das er nahezu sein ganzes Leben lang gelernt hatte. Gelassen bleiben, ganz gleich in welche Situation man geriet, nicht nur in der Opferrolle. Man hatte ihn zu einem Soldaten ausgebildet, für Situationen wie diese, nur dass er nun auf der anderen Seite stand.
 

Die beiden Wachen starrten ihn eine weitere Sekunde lang an, dann schienen sie endlich die Situation zu begreifen, in der sie sich augenblicklich befanden. Erleichterung machte sich auf ihren Gesichtern breit und der Hintere der beiden, zeigte ein Grinsen auf seinen Lippen.
 

„Ganz ruhig, Junge.“ meinte er beinahe amüsiert und hob beschwichtigend eine Hand, während er die andere langsam zu seiner Hüfte bewegte. „Du weißt doch gar nicht wie man so ein Ding benutz-…“ Die Kugel verfehlte ihn nur um einen knappen Zentimeter und schlug neben ihm in die Wand. Sein Gesicht erbleichte und die Worte blieben ihm im Hals stecken, während sein Blick mit geweiteten Augen den ungerührten Ausdruck auf Kais Gesicht wahrnahm.
 

„Die Waffen auf den Boden.“ wiederholte Kai, seine Stimme nun um einige Grad kälter. Das hier waren keine Wachen aus der Abtei. Die Wachen der Abtei hätten nicht einmal einen Achtjährigen unterschätzt, der eine Waffe auf sie richtete. die beiden Männer zogen die Pistolen aus ihren Hohlstern und eine weitere aus den Innentaschen der Jacken und legten sie dann langsam zu Boden.
 

~~~
 

Tala saß mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte in die Dunkelheit über ihm. Ohne Kai war es in diesem Raum unglaublich, beinahe unnatürlich still. Tala legte die Hand auf den Boden und begann mit den Fingern auf den Steinen zu trommeln. Er hasste es zu warten. Man sah es ihm nicht immer unbedingt an, aber es gab Situationen, da fehlte es ihm schlichtweg an Geduld. Dieser Raum war langweilig und öde und er konnte nichts weiter tun als herumzusitzen und zu warten. Zudem hatte er Kopfschmerzen und seine Arme taten ihm weh. Boris, dieser elende Feigling, hatte tatsächlich zwei weitere Männer gebraucht, die für ihn die Drecksarbeit erledigt hatten.
 

Was immer Boris vorhatte, Tala hoffte nur, dass Kai ihm deutlich die Meinung sagte. Boris mochte gut mit Worten sein, aber Kai war besser, eine Tatsache, die Tala selbst nur allzu oft am eigenen Körper – oder besser im eigenen Kopf? – zu spüren bekommen hatte.
 

Tala strich sich einige rote Strähnen aus dem Gesicht und schloss dann resignierend die Augen. Schritte näherten sich. Sie waren leise und kein Vergleich zu denen der Wächter zuvor. Schritte, die sich näherten. Ein Schlüssel wurde im Schloss herumgedreht und dann öffnete sich die Tür mit einem leisen knarren. Ein Lichtstrahl fiel in den Raum und Tala musste die Augen nicht öffnen um zu wissen, wer dort stand.
 

„Das hat verdammt lange gedauert.“ erklärte er schlichtweg während er langsam aufstand und den Staub von seinen Kleidern klopfte.
 

„Ach ja“, erwiderte Kai, der auf der Schwelle stehen geblieben war, gelassen. „Dann mach es das nächste Mal gleich selbst.“ Tala verzog die Lippen zu einem schmalen Grinsen während er sich aufrichtete, das jedoch sofort wieder verschwand, als er eben noch aus dem Augenwinkel wahrnahm, dass Kai etwas in seine Richtung warf. Er hob gerade noch rechtzeitig die Hand um den kleinen Gegenstand abzufangen, ehe ihn dieser an der Stirn treffen konnte. Tala musste die Hand nicht öffnen um zu wissen, dass es sich um Wolborg handelte und er kam auch nicht dazu sich zu bedanken, denn Kai war bereits von der Tür verschwunden.
 

Mit einem amüsierten „Tss.“ schob er das Beyblade in seine Hosentasche und machte sich dann auf seinem ehemaligen Teamkollegen zu folgen. Er trat durch die Tür und schloss diese hinter sich. Man musste ja nicht gerade mit Leuchtreklame darauf aufmerksam machen, dass sie sich nicht mehr in ihrem Gefängnis befanden. Kai wartete außen auf ihn und Tala fiel es relativ leicht den Ausdruck auf seinem Gesicht zu deuten.
 

„Was jetzt?“ stellte er die unausgesprochene Frage an den anderen, während er sich langsam umsah. Sie befanden sich in jenem Gang, an den sich Tala nur noch vage erinnerte. Es war ein langer Gang mit einigen wenigen vereinzelten Türen hier und da, der weit hinter ihnen in einer Sackgasse endete und weit vor ihnen um eine Ecke bog. Als ihm auffiel, dass Kai keine Anstalten machte ihm zu antworten, richtete er den Blick wieder auf seinen ehemaligen Teamkollegen und sah gerade noch, wie Kai mit den Schultern zuckte.
 

„Oh großartig“, machte er und schüttelte gespielt resigniert den Kopf, auf seinen Lippen jedoch zeigte sich erneut der Anflug eines amüsierten Lächelns. „Und hier dachte ich du hättest einen Plan.“

FÜNFUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG|
 

„Was glaubst du ist das für ein Gebäude?“ Tala sprach leise, doch seine Stimme hallte trotzdem in den hohen Gängen. Sie schlichen vorsichtig und so leise wie möglich durch das Labyrinth aus dunklen Räumen und Fluren. Es war schwer die Orientierung zu behalten und Kai war sich inzwischen sicher, dass sie das ein oder andere Zimmer öfter als nötig betreten hatten.
 

„Eine alte Fabrik vielleicht.“ antwortete er unschlüssig und zuckte die Schultern. „Oder ein Bürogebäude.“ Die Räume glichen sich alle wie ein Ei dem anderen, zumindest soweit man das in der herrschenden Dunkelheit ausmachen konnte. Sie hatten genau zwei Gemeinsamkeiten, abgesehen davon, dass sie alle relativ groß und weitläufig waren: zum einen waren sie allesamt restlos leer geräumt und zum anderen besaß kein einziger auch nur das winzigste Fenster, geschweige denn eine andere Lichtquelle. Es gab immer zwei oder drei Türen, jedoch niemals ein Indiz, das auf eine Treppe oder einen Notausgang hinwies. Was immer dieses Gebäude sein mochte, auf dem neusten Stand der Sicherheitsvorkehrungen war es jedenfalls nicht.

Kai ging weiter, hielt jedoch wenige Schritte später inne und drehte sich um, als er merkte, dass Tala stehen geblieben war.
 

~~~
 

Boris Balkov erhob sich stöhnend. Er reib sich erst die Nase, wobei er eine breite Blutspur über die Wange zog, dann über die Stelle am Hinterkopf, mit der er gegen die Wand geprallt war. Es würde eine ordentliche Beule geben, stellte er missmutig fest. Er musste unweigerlich zugeben, dass der Schlag gesessen hatte. Er konnte froh sein, dass es Kai nicht gelungen war ihn gänzlich außer Gefecht zu setzen. Er hatte sich mitreißen lassen. Der Junge hatte ihn provoziert und er war darauf hereingefallen wie ein dummes Kind. Diese Respektlosigkeit und Selbsteingenommenheit würde Kai irgendwann einmal ins Grab bringen, wo ihm die Frechheiten im Hals stecken bleiben würden.
 

Boris kannte die Welt und er wusste, dass es so kommen würde. Die Welt zeigte keine Gnade mit jenen, die versuchten sich an ihr zu messen. Der Junge hatte hingegen seiner Behauptung nicht die geringste Ahnung. Boris hatte sich nicht grundlos sein eigenes Reich erschaffen und es war perfekt gewesen und es wäre gewachsen, hätte man es ihm nicht abgenommen und zerstört.
 

Er richtete sich vollends auf und zog ein Mobiltelefon aus seiner Jackentasche, wählte zwei Tasten und hielt sich das kleine Gerät ans Ohr.
 

„Sorgt dafür, dass sie den Ausgang finden“, befahl er knapp nachdem sich am anderen Ende eine Stimme gemeldet hatte und legte wieder auf. Anschließend ging er zum Schreibtisch hinüber und zog di unterste Schublade auf um einen Labtop herauszuholen. Er platzierte das Gerät auf der Tischplatte, klappte es auf und schaltete es ein.
 

Der Bildschirm erwachte flackernd zum Leben und zeigte, nach der Eingabe eines Passworts, in einigen Fenstern die Aufnahmen verschiedner Kameras, die im ganzen Gebäude verteilt zu sein schienen. Eines der Fenster zeigte Tala und Kai, die auf der Schnittstelle zweier Gänge standen und allem Anschein nach eine Wand anstarrten. Boris beobachtete das Geschehen eine Weile und verzog dann widerwillig das Gesicht. So hatte er das nicht unbedingt geplant. Er nahm erneut das Telefon zur Hand und wählte diesmal eine Nummer, die bedeutend länger war.
 

~~~
 

„Etwas stimmt hier nicht.“ meinte Kai in die Stille hinein.
 

„Meinst du?“ erwiderte Tala spöttisch und hob fragend eine Augenbraue, was Kai schlichtweg ignorierte. Sein Blick blieb erneut an dem Schild hängen. Ein neongrünes Schild am Ende des langen Gangs, dort, wo er nach rechts abbog, auf dem in weißen Druckbuchstaben ‚Notausgang’ geschrieben stand. Es leuchtete wie ein spöttisches, giftiges Grinsen in der dämmrigen Dunkelheit.
 

„Ich finde das eigentlich ganz nett, so ein Schild als Hinweis, dass man auch weiß wo es raus geht“, fuhr Tala betont ironisch fort und neigte den Kopf erst auf die eine Seite, dann auf die andere und betrachtete das Schild wie ein Kunstwerk, dass es zu interpretieren galt. Es war lächerlich, schlichtweg lächerlich und Tala wusste das genau. Er richtete sich auf und sein Gesicht nahm endlich eine ernstere Miene an.
 

„Warum hat er die Bitbeasts gestohlen?“ fragte Kai und schien mehr zu sich selbst zu sprechen, wenn man nicht bedachte, dass Kai niemals laut zu sich selbst sprach. „Und warum lässt er uns jetzt so einfach gehen.“ Tala zog eine halbherzige Grimasse.
 

„So einfach?“ wiederholte er skeptisch. „Du meinst es ist zu einfach.“ Keine Frage. Eine Feststellung. Kai schob die Hände in die Hosentaschen.
 

„Es ist zu still“, erwiderte er und schüttelte dann leicht den Kopf. „Kein Mensch versucht uns aufzuhalten. Hier steckt mehr dahinter. Es passt nicht zusammen. Glaubst du wirklich, hier geht es nur um Rache?“ Tala maß ihn mit einem prüfenden Blick und ging dann nicht weiter auf die Frage ein. Er zuckte die Schultern.
 

„Und was wenn?“ gab er zurück und verschränkte die Arme. „Ganz im Erst? Mir ist das so was von egal. Ich hab keine Lust mehr auf diesen ganzen Mist. Soll Boris doch machen, was er will. Mit mir hat das nichts mehr zu tun.“ Talas Augen trafen auf die Kais und für einen Moment standen sie nur da und starrten sich an, ehe Kai’s Miene sich beinahe unmerklich verdüsterte. Er schob eine Hand in seine Hosentasche, zog die Bitchips hervor und warf sie Tala zu, der sie in einer Mischung aus Überraschung und Ahnungslosigkeit auffing. Dann wandte Kai sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen waren.
 

„Was denn?“ rief ihm Tala hinterher, doch Kai reagierte nicht. „Du gehst zurück?“ Als Kai ihm noch immer nicht antwortete, ließ er es bleiben und blieb noch einen Augenblick stehen. „Zum Teufel damit.“ fluchte er leise. „Mach doch was du willst.“ Er wandte sich um und folgte der Richtung, die das Notausgangsschild ihm wies.
 

~~~
 

„Tyson“, rief Ray seinem Freund nach und hielt ihn am Arm fest. „Du kannst da nicht einfach rein gehen.“ Tyson wandte sich halb um und starrte den Chinesen überrascht an.
 

„Wieso nicht?“ wollte er ungeduldig wissen, während er seinen Arm fallen ließ, so dass Ray ihn loslassen musste. Ray schüttelte leicht den Kopf, wäre die Situation nicht so ernst, hätte ihn das Verhalten seines Freunds ihn einmal wieder amüsiert.
 

„Erstens ist es Mitten in der Nacht und reines Glück, dass Mr. Dickenson überhaupt noch da ist“, antwortete er, obgleich er sich bei dem ‚reinen Glück’ nicht allzu sicher war. „und zweitens musst du dich anmelden.“ Mit diesen Worten ging Ray weiter geradeaus auf den Tresen zu. Er kannte die Frau, die dahinter saß und ihr plötzliches Eindringen mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis genommen hatte. Es war Mr. Dickensons Sekretärin, die ihn des Öfteren begleitete. Der einzige Grund, der erklärte, warum sie noch nicht die Sicherheitskräfte gerufen hatte, war wohl, dass sie die ehemaligen Bladebreaker zweifellos erkannt hatte. Sie war eine Frau mittleren Alters mit schwarzem Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten gebunden trug, und braunen Augen. Der Ausdruck auf ihrem doch recht hübschen Gesicht lag irgendwo auf halbem Weg zwischen Neugierde und kritischer Ernsthaftigkeit.
 

„Entschuldigen sie bitte“, begann Ray mit einem Lächeln, als er vor dem Tisch stand. Er hätte sie gerne beim Namen genannt, der Höflichkeit halber, aber er konnte sich beim besten Willen nicht an ihn erinnern. „Wir würden gerne mit Mr. Dickenson sprechen.“
 

Manchmal, und Ray war ganz froh darüber, dass es alles andere als oft vorkam, manchmal wünschte er sich eben dieselbe Wirkung auf fremde Menschen zu haben wie Kai: Kai wusste, wann er mit wem wie reden musste und meistens taten die Leute was er wollte, ohne dass er jemanden von seiner Absicht überzeugen musste. Vielleicht war es der Blick in seinen Augen, der keinen Widerspruch zuließ. Andererseits, und genau deshalb kam dieser Wunsch eher selten auf, war genau das der Grund, warum andere Menschen meistens Angst vor Kai hatten und Angst zeigte sich zumeist in Ablehnung. Ray aber wollte nicht, dass jemand sich vor ihm fürchtete und Ablehnung war etwas, mit dem er überhaupt nicht klarkam. Ray aber war es wichtiger respektiert zu werden und wo Angst war, konnte kein Respekt sein. Kai konnte man nur respektieren, als Mensch, nicht als Sportler oder Teamleader, wenn man ihn sehr gut kannte und ihn zumindest bis zu einem gewissen Grad verstand. Vor allem letzteres war sehr schwer und gelang selbst jemandem wie Ray nicht gerade immer. Wobei es Kai natürlich auch niemandem besonders leicht machte.
 

„Meint ihr Jungs nicht, dass es dafür ein Bisschen spät ist?“ Ein Hauch von Spott lag unter dieser Antwort, vielleicht war es aber auch Müdigkeit, denn schließlich war es wirklich schon spät und sie wünschte sich bestimmt nichts sehnlicher, als dass Mr. Dickenson endlich Schluss machen würde und sie nach Hause gehen konnte. Ray nahm es ihr nicht übel.
 

„Es ist wirklich sehr wichtig.“ meinte er ernst ohne jedoch das Lächeln zu verbannen. Er sah der Sekretärin beinahe an, wie sie ein Seufzen unterdrückte. Sie stand jedoch auf und verschwand durch eine Tür, die hinter ihrem Schreibtisch lag, nur um eine Minute später wieder zurückzukommen.

„Mr. Dickenson führt im Augenblick ein wichtiges Telefongespräch. Ihr könnt hier warten und hineingehen, wenn er fertig ist.“
 

~~~
 

Kai ging auf die Tür zu, hinter der Boris provisorisches Büro, oder als was auch immer er es bezeichnen wollte, lag. Er ging leise, so dass seine Schritte kaum hörbar waren und schon gar nicht durch eine Wand. Er blieb an der Tür stehen und warf einen Blick durch das Schlüsselloch, ehe er sein Ohr daran legte.
 

„-wieder da sein und die Bitbeasts zurückgeben.“ hörte Kai Boris sagen, seine Stimme klang süffisant und war von einem Hauch Spott durchzogen. „Das Geld werden Sie-… Nein, das werde ich Ihnen nicht sagen-… Ich bitte Sie Dickenson, versuchen Sie mir zu drohen?“ Boris lachte kurz und kalt, ein raues Lachen, wie ein eisiger Windhauch, der einem dreist durchs Gesicht fuhr.
 

Boris Stimme war das einzige Geräusch, das Kai wahrnahm. Die beiden anderen Männer waren entweder bewusstlos, woran er kaum zweifelte, oder bereits abgezogen, was nicht unbedingt die bessere Alternative darstellen würde.
 

„Ich sagen Ihnen wie es aussieht, Dickenson. Ich habe die gestohlenen Bitbeasts, Kai und Tala arbeiten für mich und Sie haben keine Ahnung wieso. Sie glauben nicht, dass sie das jemals wieder freiwillig tun würden, also gehen sie davon aus, dass ich sie erpresse. Aber Sie wissen nicht womit. Sie haben keine Ahnung und genau aus diesem Grund werden Sie sich erstens von den beiden fernhalten und zweitens genau das tun was ich Ihnen sage, genauso wie es abgemacht war. Verstehen wir uns?“
 

Kai hatte genug gehört. Er stand auf und öffnete die Tür mit einem Ruck. Boris war alleine in dem Zimmer. Er saß hinter dem Schreibtisch und hatte ein Handy in der Hand. Er starrte Kai einen Augenblick lang an, jedoch nicht überrascht und alles andere als beunruhigt. Gelassen entfernte er das Telefon vom Ohr, klappte es zusammen und legte es auf den Tisch. Ein schmales, kühles Lächeln erschien auf seinen Lippen.
 

„So Kai, wo hast du Tala gelassen?“ wollte Boris in aller Seelenruhe wissen. „Hattet ihr einen kleinen Streit?“ Als sich der Ausdruck auf Kais Gesicht minimal verdüsterte, lachte er kurz und ruckartig. „Du hast doch nicht geglaubt, dass ich euch auf meinem Territorium unbeobachtet lasse, oder Kai?“
 

„Ich wusste, dass einer von euch beiden Ärger machen würde.“ fuhr er fort und in seinen kalten Augen glitzerte der Triumph. „Einer tut es immer, aber ich brauche euch nicht beide.“ Boris zog die linke Hand hervor, die er die gesamte Zeit über unter dem Schreibtisch gehalten hatte, und richtete die Pistole, die darin lag auf Kai. „Tala wird gehen und die Bitbeasts zurückgeben, Dickenson wird sehen, was er sehen will und ich bekomme was ich will. Geld, fragst du dich, nicht wahr? Geld wozu? Rache, Kai, Rache. Das ist etwas, das du kennst, oder? Was sie mir angetan haben, werde ich ihnen heimzahlen. Sie denken ich bin am Ende aber ich habe gerade erst angefangen. Dickenson und seine BBA werden untergehen unter meiner Revolution.“ Das Lächeln auf Boris Lippen wurde breiter und kälter während er die Waffe entsicherte. „Dummerweise Kai, wirst du das nicht mehr erleben. Du hättest gehen sollen. Wärst du klug gewesen, wärst du einfach gegangen, aber du warst immer schon ein dummer Junge. Tala war immer klüger als du.“ Dann weiteten sich seine Augen plötzlich ein wenig und er drückte ab.
 

~~~
 

Ray warf einen weiteren Blick auf die große Uhr, die ihm gegenüber an der wand hing. Ein wenig überrascht nahm er zur Kenntnis, das bei weitem weniger Zeit vergangen war, die sie nun schon warteten, als er angenommen hatte. Sein Augen wanderten weiter zu Tyson, der im Raum auf und abging und halblaut vor sich hin schimpfte. Max stand stattdessen ungewohnt still, hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und schien mit den Gedanken an einem anderen Ort zu sein, während Mr. Dickensons Sekretärin sie alle abwechselnd musterte, während ihre Miene von eindeutigem Unmut zu Nervosität wechselte wie die Birnen einer Lichterkette von Rot zu Grün. Alles in allem hätte es vielleicht ein amüsantes Schauspiel sein können, wäre der Grund ihrer aller Anwesenheit nicht so ein ernster.
 

Ein halblautes Kratzen zerstörte das Bild, als die Sekretärin ihren Stuhl zurückschob und sich erhob. Sie warf ihnen noch einen kurzen, misstrauischen Blick zu, ehe sie sich erhob und mit einer leeren Kaffeetasse in der Hand davon ging. Ray an ihrer Stelle hätte das nicht getan. Er wusste, was als nächstes kommen würde.
 

Sobald Tyson bemerkt hatte, dass sie nicht länger unter Beobachtung standen, hielt er einen Augenblick inne, ehe er seine Marschrichtung änderte und schnurstracks auf die Tür zuging, hinter der Mr. Dickensons Büro lag. Er riss sie auf, als er sie erreicht hatte, ging hinein und Ray und Max blieb nichts weiter übrig ihm mit leicht amüsierter Miene zu folgen.
 

„Tyson“, hörten sie Mr. Dickenson rufen, ehe Ray über die Schwelle in das geräumige Büro trat. Der Direktor der BBA hielt den Telefonhörer noch in der Hand, von dem aus jedoch keine Stimme, sondern lediglich noch ein regelmäßiges, stumpfes Tuten ausging. Sein Gesprächspartner schien bereits aufgelegt zu haben. „Ray, Max, was macht ihr den so spät noch hier?“
 

Ray musste überrascht feststellen, dass er Mr. Dickenson noch nie so gesehen hatte. Seiner Haltung haftete eindeutig etwas an, dass sich am ehesten mit der jemandes beschreiben ließ, der gerade einen herben Schlag hatte einstecken müssen und nun in der Klemme saß. Ein leichter Hauch von Verzweiflung. Die Miene in seinem Gesicht dagegen war die eines Menschen, der bei etwas verbotenem ertappt worden war. Ray wusste nicht, ob Tyson und Max das bemerkten, doch ihm fiel es auf.
 

„Mr. Dickenson“, übernahm Tyson sofort mit absolut ernster Miene das Wort. „Wir glauben nicht, dass Kai und Tala etwas damit zu tun haben. Wir glauben, dass Boris hinter alldem steckt und die Demolition Boys meinen das auch und-…“
 

Das laute, sirrende Geräusch des Telefons brachte ihn zu Schweigen.
 

~~~
 

Kai hörte den Schuss und wartete. Es war längst zu spät auszuweichen und er wusste das genau. Stattdessen ließ er die Ereignisse der letzten Woche noch einmal Revue passieren und zum ersten Mal passte alles zusammen. Er war mit dem wissen nach Japan gekommen, dass etwas nicht stimmte und dass etwas geschehen würde, er hatte nur nie gewusst wer dahinter steckte und warum. Das war völlig absurd. Beinahe wie aus einem schlechten Film.
 

Ein Fluchen durchdrang Kais Gedanken und erst da wurde ihm bewusst, dass überhaupt nichts geschah. Oder besser, dass Boris ihn nicht getroffen hatte, was auf diese Distanz praktisch unmöglich war. Die Szene wurde mit einem Mal klar. Kai machte zwei schnelle Schritte nach vorne, setzte über den Tisch hinweg und riss Boris die Waffe aus der Hand, ehe dieser noch einmal abdrücken konnte. In der gleichen Bewegung versetzte er Boris einen Tritt gegen die Brust, so dass dieser samt Stuhl nach hinten schlug. Erst dann wagte Kai einen Blick über die Schulter.
 

Im Gang, hinter der Tür vor der Kai gestanden hatte, stand laut fluchend Tala und hielt sich den Arm während der Stoff unter seiner Hand sich langsam rot färbte. Kai maß ihn mit einem kurzen Blick. Sofort wandte er sich wieder um und richtete die Pistole in seiner Hand auf Boris, der in seinem Versuch sich aufzurichten erstarrte.
 

„Tala“, knurrte Boris nur, seine Stimme klang heiser, geblendet von Wut, wie ein Krächzen.
 

„Scheinbar bin ich doch genauso dumm wie Kai.“ antwortete dieser zynisch, während er ein Stück seines T-Shirts abriss und dieses als provisorischen Verband um seinen Arm wickelte.
 

„Dieser Streit war also inszeniert, ja?“
 

„Oh bitte“, gab Tala mit einem kalten Lächeln zurück. „Hast du uns jemals zuvor ernsthaft streiten gesehen?“ Kai ignorierte Boris.
 

„Tala“, wies er den Rothaarigen an, während sein Blick auf den ehemaligen Abteivorsteher geheftet blieb. „Ruf Dickenson an.“ Tala ging daraufhin zum Schreibtisch hinüber, nahm den Hörer mit der hand des gesunden Arms ab und warf Kai dann einen Blick mit hochgezogene Augenbraue zu.
 

„Wahlwiederholung.“ antwortete dieser nur auf die ungestellte Frage.
 

~~~
 

Das Telefon klingelte und Mr. Dickenson warf den Jungen in seinem Büro einen kurzen, beinahe ängstlichen Blick zu, ehe er abnahm.
 

„Dick-…“, begann er und wurde dann scheinbar unterbrochen. „Tala!“

SECHSUNDZWANZIG

Es tut mir sehr Leid, dass es wieder so lange gedauert hat. Ich habe dafür keine andere Erklärung als meine momentane Schreibblockade und hoffe daher, dass ihr darüber hinwegsehen könnt. Das Warten hat jetzt allerdings ein Ende, denn dies ist das letzte Kapitel der Geschichte. Viel Spaß dabei.
 

SECHSUNDZWANZIG|
 

Kai ließ sich auf eine der Plastikstühle sinken, von denen es ganze acht in dem kleinen Wartezimmer gab. Es war ein typischer Raum, wie man ihn eben in einem Krankenhaus erwartete. Er hatte die Form eines Rechtecks, wobei die beiden Seitenwände ungefähr doppelt so lang waren wie die beiden übrigen. An einer der kurzen Wände befand sich das quadratische Fenster, das beinahe die ganze Breite der Wand einnahm und an das von außen die Dunkelheit drückte. Dem Fenster gegenüber gab es eine Glastüre, die den Lärm des Betriebes, die leisen Stimmen der Nachtschwestern, die Schritte, das Quietschen von Rollstühlen und Betten, aussperrte und einen falschen Eindruck von Frieden und Gelassenheit vermittelte. Den falschen Eindruck einer Welt, der ihm vermitteln sollte, dass alles in Ordnung war. Über der Türe hing eine schlichte, weiße Uhr mit schwarzen Ziffern und Zeigern, die einem leise tickend die unendlichen Stunden vorrechnete, die man sie bereits angestarrt hatte. An den langen Wänden waren jeweils vier der Plastikstühle befestigt, die banaler Weise lediglich aus zwei im rechten Winkel aufeinander stehenden, quadratischen Plastikplatten bestanden und, im krassen Kontrast zu den sterilweißen Wänden und wider jener Ruhe, die das Zimmer eigentlich ausstrahlen sollte, im hellen Neonlicht grell orange leuchteten. In der Mitte des Raumes befand sich ein kleiner, quadratischer Tisch aus hellem Holz, dessen Oberfläche aus einer Glasplatte bestand. Auf dem Tisch gab es eine weiße Vase, in der sich gelbe Sonnenblumen befanden, die ebenso künstlich waren wie die gesamte Atmosphäre. Daneben lagen einige Zeitschriften, die Kai bisher nicht eines Blickes gewürdigt hatte.
 

Kai lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Er ließ die letzten Stunden noch einmal Revue passieren und kam letztendlich zu dem Schluss, dass sie schlichtweg schieres Glück gehabt hatten. Glück, nicht mehr und nicht weniger.
 

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und er fror obwohl die Heizung voll aufgedreht war und der kühle Wind, lediglich gegen die Fensterscheiben trieb, jedoch keinen Weg herein fand. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hände zitterten. Er ballte sie zu Fäusten um es zu unterdrücken und verschränkte die Arme vor der Brust. Müdigkeit überrollte ihn plötzlich wie eine Welle und verschluckte ihn beinahe. Die gegenwärtige Stille, die regelmäßig von dem leisen Ticken der Wanduhr durchbrochen wurde, hüllte ihn ein und trug ihn beinahe davon.
 

~~~ Flashback
 

Tala legte den Hörer auf. Er hatte soeben mit Mr. Dickenson telefoniert und versucht ihm ihre Situation zu erklären. Nun blieb ihnen nichts weiter als zu hoffen, dass er ihnen glaubt, doch daran hegte Kai wenige Zweifel. Wenn Dickenson ihnen glauben wollte, und das tat er zweifellos, so würde er es auch tun.
 

Kai hielt die Pistole weiterhin auf Boris gerichtet. Er sah dem Mann ins Gesicht, der einen Großteil seiner Kindheit mitbestimmt hatte und mit einem Mal stieg eine unbändige Wut in ihm auf, die ihn durch Intensität derart überrumpelte, dass er keine andere Wahl hatte als sich blind von ihr übermannen zu lassen.
 

Dies war der Mann, der unschuldige Kinder zu seinen Sklaven gemacht hatte, in einer Welt, die er sich selbst erschaffen hatte. Er hatte sich seinen eigenen Thron, nicht aus Gold, sondern aus kaltem Stahl, erbaut und über ein Reich geherrscht, mit Schrecken und Gewalt, das für niemandes Augen bestimmt gewesen war als für die seinen.
 

Er hatte geplant mit diesem Reich die Welt zu erobern und hatte sich doch gleichermaßen davor gefürchtet, denn ihm war bewusst, wie leicht etwas an der Wirklichkeit zerbrechen konnte, so wie er selbst zerbrochen war. In seinem eigenen kleinen Reich hatte er Gott gespielt und versucht alles besser zu machen, die Kinder auf die Wahrheit vorzubereiten, sie stark zu machen, überlebensfähig. Dabei hatte er niemals begriffen, dass er sie alle zerstörte. Dieser Mann hatte jede Hoffnung, jede Zukunft zerstört, ehe sie überhaupt hatte entstehen können, jede Möglichkeit auf eine Vision. Dieser Mann war für den Schmerz so vieler Menschen verantwortlich, die er in seinem dunklen Regime in die Vergessenheit gezogen hatte. Hatte er es wirklich verdient zu leben? Wo doch zu leben immer ein weitere Chance bedeutete?
 

War dieser Mann überhaupt in der Lage eine weitere Chance zu nutzen, wo er doch schon zweimal an dieser Welt der Wahrheit gescheitert war? Wer wusste schon, was er als nächstes tun würde in seiner blinden Wut, in seiner Orientierungslosigkeit, in seiner Einsamkeit, in seiner Verzweiflung? Der Wahnsinn hatte ihn längst gepackt. Es würde ihm nicht möglich sein.
 

Kai stand still, die Augen kalt und erbarmungslos auf diesen Mann gerichtet, der in seinem Leben eine größere Rolle gespielt hatte, als er ihm jemals zugestehen mochte. Er entsicherte die Pistole. Seine Hand blieb ruhig, zeigte nicht die geringsten Anzeichen von Zweifel.
 

Dieser Mann würde niemals im Stande sein diese Chance zu nutzen.
 

Flashback ~~~
 

Kai riss die Augen auf. Er konnte jetzt nicht schlafen. Trotz dass er es deutlich sichtbar nötig hatte, war dies der denkbar ungünstigste Moment sich von der Müdigkeit übermannen zu lassen.
 

Kai warf einen kurzen Blick auf die Uhr. 2.22 Uhr zeigten die beiden Zeiger an. Er stand auf. Er musste telefonieren und er brauchte einen Kaffee. Vorzugsweise in umgekehrter Reihenfolge.
 

Kai öffnete die Glastüre und verließ den kleinen Warteraum. Auf dem von grellem Neonlicht beleuchteten Gang sah er sich, einem auf utopischen Hoffnungen gründenden Impuls folgend, kurz nach dem Arzt um, der in diesem Moment mit guten Nachrichten auf ihn zustürzen könnte und ihm damit die bevorstehende Aufgabe um einiges erleichtern und ihn möglicherweise vor üblen Verwünschungen in seiner Landssprache retten würde.

Der Arzt war weit und breit nicht zu sehen und auch sonst niemand, der sich auf irgendeine Weise für ihn interessierte. Der Gang war wie leergefegt, was ihn um diese Zeit nicht einmal verwunderte.
 

Der Russe beschloss in die Empfangshalle zu gehen. Dort war die Wahrscheinlichkeit am größten ein Telefon vorzufinden. Während er die gläserne Doppeltüre am Ende des Ganges passierte, vergewisserte er sich, dass er auch den Weg zurück wieder finden würde. Die Halle befand sich auf demselben Stockwerk und so stellte dies nicht gerade eine Herausforderung dar, worüber Kai äußerst froh war, denn er hatte wichtigere Dinge im Kopf, die für wenig anderes Platz ließen.
 

Die Halle war relativ klein. Es gab den Haupteingang, einen Empfangstresen, einige orange Plastikbänke, einen kleinen Kiosk, der allerdings bereits geschlossen hatte, ein paar Automaten und in einer Ecke drei Münztelefone, die Kai jedoch nicht benutzen konnte, da es ihm am nötigen Kleingeld fehlte. Also ging er direkt zum Tresen hinüber und bat die Dame, die dahinter saß, mit gezwungener Höflichkeit nach einem Telefonbuch und, nachdem er die passende Nummer gefunden hatte, darum ihr Telefon benutzen zu dürfen.
 

Er entfernte sich ein Stück von der Frau, bis im einfiel, dass sie ohnehin nicht verstehen würde, was er sagte. Er wählte die herausgesuchte Nummer und wartete einen Augenblick lang, bis sich schließlich ein junger Mann meldete, dessen Stimme Kai entfernt bekannt vorkam.
 

„City Park Hotel, Yoshioka am Apparat, was kann ich für sie tun?“
 

„Verbinden sie mich bitte mit dem Zimmer von Tala Iwanov.“ erwiderte Kai knapp ohne auch nur den Ansatz eines Grußes.
 

„Entschuldigen Sie bitte, aber um diese Uhrzeit dürfen wir keine Gespräche weiterleiten sofern sie nicht gewünscht wurden.“
 

„Dieses Gespräch ist erwünscht.“ erklärte Kai mit schneidend kalter Stimme. „Uns sie werden es mit Sicherheit bereuen, wenn sie es nicht weiterleiten.“ Es entstand eine kurze Pause, bis der Mann erneut sprach.
 

„In Ordnung.“ antwortete er schließlich. „Bitte, wen darf ich anmelden?“
 

„Kai Hiwatari.“
 

„Einen Moment bitte.“
 

Während Kai wartete, bis er verbunden wurde, spielte eine etwas schräge Version von Beethovens ‚Für Elise’. Er hörte jedoch nicht einmal annähernd das gesamte Stück, denn beinahe sofort wurde am anderen Ende abgehoben.
 

Yoshioka schien Kais Stimme ebenso erkannt zu haben, denn er hatte ihn wohl verbunden ohne ihn vorher anzumelden, was leicht an dem ersten Wort auszumachen war, das er hörte noch ehe er den Mund zu einem knappen Gruß geöffnet hatte.
 

„Tala?“ fragte eine hastige, besorgt klingende Stimme, die Kai ohne zu zögern als die Spencers identifizierte.
 

„Wäre ich ein Reporter, der es geschafft hat die Rezeption zu überlisten, würde die morgige Schlagzeile ‚Teamleader der Blitzkrieg Boys in Schwierigkeiten?’ lauten.“ bemerkte Kai auf Russisch ohne jede Spur von Sarkasmus in der Stimme.
 

Es entstand eine kurze Pause, bis er wieder etwas hörte.
 

„Kai.“ stellte Spencer trocken fest. Er klang beinahe etwas enttäuscht und konnte die Sorge aus seiner Stimme nicht ganz verbannen. Die übliche Verachtung fehlte. Der Russe klang vor allem müde. Beinahe ebenso müde, wie Kai sich selbst fühlte. Im Hintergrund war eine Stimme zu hören, die etwas auf Russisch sagte, jedoch zu leise, als dass Kai es verstehen konnte.
 

„Weißt du wo Tala ist oder macht es dir Spaß Leute um ein Uhr morgens blöd anzumachen?“ Es hätte vielleicht verletzend oder zumindest provozierend klingen sollen, aber Spencers Stimme fehlte der nötige Biss, was es Kai leicht machte die Bemerkung zu ignorieren.
 

Er atmete tief ein und wieder aus bevor er zu einer Antwort ansetzte.
 

„Hör zu, Spencer“, meinte er schließlich und seine Stimme klang mit einem Mal so ernst, dass er sich sicher war Spencers ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. „Ich bin im Krankenhaus. Boris hat uns in sein neues Heim eingeladen und es war nicht gerade die angenehme Art von Aufenthalt.“ Er hörte, wie Spencer scharf einatmete und Bryan, der wohl per Lautsprecher mithörte, im Hintergrund einen derben Fluch ausstieß. Dann folgten ein Rascheln und ein weiterer Fluch, diesmal von Spencer.
 

„Sag mir sofort, was passiert ist!“ Das war nun definitiv Bryan, der vermutlich den Hörer an sich gerissen hatte und nun so laut ins Telefon brüllte, dass Kai seinen eigenen Hörer ein Stück vom Ohr entfernte. „Was ist mit Tala?“
 

„Angeschossen.“ erwiderte Kai ruhig. „Die Ärzte kümmern sich um ihn.“
 

Bryan fluchte erneut. Ein ganzer Schwall russischer Verwünschungen und Schimpfwörter folgte und Kai war auf Grund der anwachsenden Derbheit beinahe versucht einfach aufzulegen, wobei er sich nicht einmal sicher war, ob die Worte sich auf ihn oder Boris bezogen oder auf sie beide oder auf niemandem im Genauen.
 

Es folgte ein weiteres Rauschen, die Flüche entfernten sich und dann hörte er erneut Bryans Stimme.
 

„Wo bist du?“ wollte er wissen.
 

„Im Krankenhaus.“ erwiderte Kai und wusste schon, dass es nicht die Antwort gewesen war, die Bryan hatte hören wollen.
 

„Sag mir wo.“ forderte er kühl.
 

„Nein.“
 

„Wieso nicht?“ Kai konnte hören, wie Bryan allmählich die Geduld verlor. „Wir werden Tala nicht im Stich lassen.“ Kai war sich nicht sicher, ob es ein gezielter oder unbewusster Angriff auf ihn gewesen war, doch er beschloss es einfach zu ignorieren.
 

„Ihr könnt hier sowieso nichts tun und wenn ihr um diese Zeit das Hotel verlasst und ins Krankenhaus fahrt, dann wird Morgen ganz Japan von der Sache wissen.“ Er machte eine kure Pause, bevor er fort fuhr. „Wir sind unter falschem Namen hier. Ich hab keine Lust einen Haufen Reporter anzulocken, geschweige denn Boris, damit er beenden kann, was er angefangen hat.“ Schweigen.

„Hör zu, Bryan, ich verspreche dir, dass ich mich sofort melde, wenn ich etwas Neues weiß.“ Kai war müde und hatte keine Lust das Gespräch auf diese Weise weiterzuführen. Bryan schwieg. Entweder zögerte er oder er war dabei einen Plan zu entwickeln, wie er auf schnellst möglich Weise alle Krankenhäuser in Tokio und Umgebung abklappern konnte.
 

„Das letzte Mal als ich dich gesehen habe hast du noch für Boris gearbeitet.“ erwiderte der silberhaarige Russe schließlich. „Warum sollten wir ausgerechnet dir vertrauen?“
 

Kai seufzte lautlos. Das alte Spiel. Nicht jetzt.

„Erstens, weil ich euch gar keine andere Wahl lasse.“ antwortete er müde. „Zweitens, weil ihr keine andere Wahl habt.“ Wieder Schweigen. „Hör zu, Bryan, warum sollte ich euch mitten in der Nacht anrufen um euch zu sagen, dass Tala im Krankenhaus liegt. Wenn es eine Falle wäre, würde ich euch sagen wo ich bin.“
 

„Vergiss es!“ zischte Bryan böse. „Du sagst mir jetzt sofort wo zum Teufel du-…“ Erneut ein Rascheln gefolgt von einigen Verwünschungen.
 

„Also gut.“ Es war Spencer, der schließlich einlenkte. Der blonde Russe wunderte sich ohnehin, warum Kai noch nicht längst aufgelegt hatte und noch immer auf eine Antwort wartete. Um ehrlich zu sein, überraschte es ihn schon, dass er überhaupt angerufen hatte. „Ich hoffe nur du bist es wert.“
 

Kai atmete erleichtert auf. Er hatte keine Nerven für mehr Schwierigkeiten übrig.

„Danke.“ Damit wollte er auflegen, als Spencer noch einmal sprach.
 

„Was sollte das vorhin mit dem Blitzkrieg? Hast du den Namen unseres Teams vergessen?“
 

„Der neue Name, den Tala für das Team ausgesucht hat.“ antwortete Kai langsam. Es folgte erneutes Schweigen.
 

„Kai“, meinte Spencer schließlich und es klang beinahe resigniert. „Du solltest dich bei Tyson melden. Sie machen sich… – Sorgen um dich.“ Kai wartete noch einen Augenblick, dann legte er endgültig auf. Er ging zurück zum Tresen, stellte das Telefon dort ab und bedankte sich noch einmal, ehe er sich auf den Weg zurück zum Warteraum machte.
 

Als er dort ankam, erwartete ihn Tala, der den schneeweiß verbundenen Arm in einer Schlinge trug. Er saß auf einem der Plastikstühle und sah erst auf, als Kai bereits in der Tür stand.
 

„Ich habe ihnen gesagt, dass es überflüssig ist“ sagte er und warf einen abschätzigen Blick auf die Schlinge. „Aber sie wollten mich nicht ohne gehen lassen. Sobald wir hier weg sind, werde ich das Ding los.“
 

Kai nickte nur. Er war zu müde um zu antworten. Er hatte genug.
 

„Lass uns nach Hause gehen“ schlug Tala vor und erhob sich.
 

„Nach Hause?“ wiederholte Kai und er war beinahe überrascht darüber, wie kraftlos seine Stimme klang. „Wo ist das?“ Tala ging in Richtung Ausgang und legte ihm im Vorbeigehen kurz die gesunde Hand auf die Schulter.
 

„Woher soll ich das wissen?“ war seine Antwort. Dann breitete sich dieses alte Lächeln auf seinen Lippen aus. Nicht dieses kalte, verachtende Lächeln, sonder das aus jenen alten Tagen, das eine neue Herausforderung entdeckt hatte, der es sich zu stellen bereit war. „Wir werden unseren Platz schon finden.“
 

~~~Flashback
 

Kai entsicherte die Pistole. Seine Hand blieb ruhig, zeigte nicht die geringsten Anzeichen von Zweifel. Kein Zittern, kein Zögern, als wäre seine Entscheidung längst gefallen.
 

Dieser Mann würde niemals im Stande sein eine weitere Chance zu nutzen.
 

„Kai“, Tala stand mit einem Mal neben ihm und legte seine gesunde Hand auf die Kais, die um den Abzug lag. „Das ist nicht deine Entscheidung.“
 

Kai zögerte nur den Bruchteil eines Augenblicks, dann schüttelte er Talas Hand ab, öffnete das Magazin und ließ die Kugeln auf den Boden fallen.

Epilog

EPILOG|
 

„Nein.“
 

„Nein?“ Tala hob eine Augenbraue und musterte Bryan gespielt irritiert. ‚Nein?’ hieß übersetzt praktisch so viel wie ‚Wenn du versuchst mir zu widersprechen, solltest du dir darüber im Klaren sein, dass ich darauf pfeife und dir dafür das Leben zur Hölle mache.’ Spencer wusste das. Spencer kannte das.
 

„Ich will ihn nicht in meinem Team haben.“ setzte Bryan widerwillig zu einer Erklärung an. Auch er kannte Tala und auch er wusste, wie der rothaarige Teamcaptain auf Widerspruch reagierte. Talas Augenbraue bog sich noch etwas weiter nach oben.
 

„Gut.“ meinte er schließlich gleichgültig und nickte. „Gut, dass es nicht dein Team ist, sondern meines.“ Spencer seufzte lautlos. Sein Blick wanderte langsam zu der letzten Person im Raum. Kai Hiwatari stand wie so oft mit dem Rücken an die Wand gelehnt und beobachtete die Szenerie mit gleichgültigem Gesichtsausdruck und vor der Brust verschränkten Armen. Er würde sich nicht einmischen. Das war zu erwarten gewesen.
 

„Wenn er Teil des Teams ist, dann gehe ich.“ Bryan meinte es ernst. Natürlich, Bryan machte niemals Witze oder sagte Dinge, die er nicht durchzuführen bereit war.
 

„Gut, mein letzter Vorschlag. Wir tragen ein Match aus, wenn Kai gewinnt, ist er im Team, wenn ich gewinne entscheide ich.“ schlug Tala daraufhin vor und ignorierte den Bösen Blick, den Bryan ihm zuwarf.
 

„Das bedeutet, dass er so oder so dabei ist.“ knurrte dieser nur.
 

„Richtig“, stimmte der Rothaarige zu, „aber damit werde ich euch zeigen wieso.“ Bryan schüttelte verständnislos den Kopf.
 

„Ich verstehe das nicht“, sagte er schließlich in einem letzten hilflosen Versuch Tala von seiner absolut inakzeptablen, völlig idiotischen und schlichtweg untypischen Entscheidung abzubringen. „Warum willst du ihn jetzt plötzlich im Team haben?“ Tala sah ihn nachdenklich an, so als versuchte er abzuwägen, ob Bryan wirklich nicht verstand. Dann schloss er für einen Moment die Augen.
 

„Ist das nicht offensichtlich?“ meinte er dann und sah Bryan erneut an, dieses Mal jedoch eindringlich. „Aus demselben Grund warum du hier bist, warum Spencer hier ist und auch aus demselben Grund warum ich hier bin.“ Seine Stimme war ruhig und gelassen. Beinahe schon, soweit das bei Tala zumindest möglich war, weich. „Dieses Team ist alles was wir haben. Es ist der einzige Ort an den wir gehen können. Unsere Zuflucht, unser Zuhause. Der Ort an den wir gehören. Und er auch.“
 

~~~
 

Ende
 

~~~
 

So, zunächst einmal vielen herzlichen Dank an alle Leser, die bis hierhin durchgehalten und meine Geschichte gelesen haben. Ich hoffe sie hat euch gefallen. Ich hätte gerne noch daran weitergeschrieben oder einige Dinge etwas mehr vertieft, allerdings muss ich leider sagen, dass mir das aufgrund einer schon viel zu langen Schreibblockade nicht möglich ist. Das habt ihr selbst schon an den Wartezeiten bei den letzten Kapiteln zu spüren bekommen und es tut mir wirklich sehr Leid, aber manche Dinge kann man einfach nicht erzwingen.
 

Vielen Dank auch an alle, die die Geschichte kommentiert haben. Ich habe immer versucht jede Kritik im Kopf zu behalten und Tipps und Verbesserungsvorschläge anzunehmen. Ich hoffe, ich habe dabei niemand übergangen. Jedenfalls war es immer sehr schön und motivierend eure Kommentare zu lesen.
 

Ich hoffe auch, dass ich keine Fragen in der Geschichte offen gelassen habe, die nicht dazu bestimmt waren. Ich muss zugeben, dass die Geschichte sich irgenwie selbstständig gemacht hat und ich nicht selten den Überblick verloren habe. Ich schließe es daher nicht aus.
 

Für Fragen, Ungeklärtheiten und Kritik stehe ich euch gern zur Verfügung. Meldet euch einfach per ENS, Kommentar oder im Gästebuch, ich versuche alles zu beantworten.
 

Ansonsten wünsche ich euch noch einen schönen Abend.

Gruß,

Nordwind



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (217)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20] [21...22]
/ 22

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MatsuokaRin
2012-07-10T16:21:24+00:00 10.07.2012 18:21
YEEEEEEEAAAAAAAAH!!!!!! *kreisch*

Ich spare mir jetzt einfach die Kommentare zu den einzelnen Kapiteln und komme gleich zum Punkt!

ICH LIEBE DIESE FANFIC!!!!!! ^////////////////^
ICH LIEBE YURIY & KAI!!!!! <3 *Nasenbluten krieg*
EINFACH NUR GEIL!!!!


Du hast einen tollen Schreibstil und die Geschichte ist einfach super! Die Charaktere hast du auch perfekt getroffen und diese kleinen Spielchen und Sticheleien zwischen den Blitzkrieg Boys sind einfach zum schreien komisch!! xDDDDDD
Ich muss wirklich ein großes Lob und Kompliment an dich loswerden!
Und das Ende ist einfach toll, schöne Worte von Yuriy, die mir die Tränen in die Augen trieben!! ^^

Ich wünsche dir noch viele weitere tolle Ideen und Einfälle!!

Herzliche Grüße

Yuriy-chan :3
Von: abgemeldet
2011-09-06T18:26:14+00:00 06.09.2011 20:26
The End!
Und ich bin erst einmal baff... Auf der Basis einer derart bescheuerten Story (jetzt mal ehrlich, Beyblade ist eine Serie jenseits des Erträglichen x__x)eine derart gute FF zu verfassen, das verdient aufrichtiges Lob. Einmal bitte standing ovation!
Dieses Lob verlangt geradezu nach wortreicher Erläuterung:

Ehrlich gesagt, sind mir von der eigentlich Story bloß mehr Fragmente,lose Erinnerungsfetzen, präsent, irgendetwas mit Bitbeast, Kreiseln, Weltmeisterschaften und lächerlichen Nebenhandlungen. Dass ich damals Kai, die D.Boys sowie die Geschichten rundum der Abtei für spannender und interessanter als den ganzen Rest befand, dessen entsinne ich mich allerdings bestens. Leider geht die Serie herzlich wenig, und das zu unrecht, auf die Jungs und ihre Geschichte ein, weshalb es eifrigen Schreibern wohl ein Leichtes ist, diese Lücken mit Erdachtem wortreich zu füllen. Shonen-Ai, derbstes OOC, zahlreiche Mary-Sues sind die ernüchternde Folge.
Nicht so bei Out of Place.
Nordwind ist es in bemerkenswerter Manier gelungen, eine Geschichte rundum des Seriengeschehens zu spinnen, der es auf erfrischende Art und Weise weder der Liebe noch anderer fragwürdiger schriftstellerischer Freiheiten bedarf und die stattdessen mit roher, ungeschliffener Authenzität punktet. Das geht so weit, dass man stellenweise vergisst, welch profaner Story die Figuren eigentlich entstammen und dass es sich hierbei um bloße Fiktion handelt.

Tala und Kai, die in der Serie schamlos auf ein einziges Charaktermerkmal, der sie wie erkältete Luft umgebende Gleichmut, reduziert wurden, werden in Out of Place neu definiert, ohne dass man versucht wäre, OOC zu grummeln.
Ich für meinen Teil, finde es bemerkenswert, wie Nordwind die Stilisierung der Charaktere Tala, Kai, Bryan und Spencer scheinbar mühelos gelingt und man ihr diese traumwandlerische Sicherheit ohne mit der Wimper zu zucken abnimmt.

Sicher, an der ein oder anderen Stelle hätte ich mir ein wenig mehr Gefühl gewünscht, ein wenig mehr des zum Ausdruck bringen der Beziehung zwischen Kai und Tala. Aber das geht natürlich nicht, denn dann kämen wir dem OOC gefährlich nahe. Besonders gut gefällt mir in diesem Zusammhang die eher schwammig definierte Beziehung der Russen zueinander, nein, definiert wäre das falsche Wort, es müsste wohl eher umrissen heißen. Tala und Kai sind/waren die besten Freunde...oder so. Weckt nicht unbedingt stürmische EMotionen, entspricht aber der schonungslosen Wahrheit. Und das kann Nordwind erstaunlich gut. Ehrlich sein. Das Tala-Kai Mysterium wird nicht in den schillerndsten Farben ausgeschmückt und es gibt auch keine zu Tränen rührende Abschlussszene, wo ein jeder sich schniefend in den Armen liegt und einander reumütig um Verzeihung gebeten wird. Wär schön, gibt´s aber nich. Punkt!

Das lobenswerte hierbei ist doch, wie wenig die erzählte Geschichte in Anbetracht der niederringenden Präsenz der denkenden, fühlenden sowie handelnden Figuren wiegen mag, dass es eigentlich unerheblich ist, was genau geschieht, erzählen doch Talas Gedanken oder Kais Gefühlsschilderungen die eigentliche Geschichte. Leider weiß ich nicht mehr, was alles über die Abtei in der Serie erwähnt wurde, andererseits ist das in Anbtraht deiner großartigen Schilderung dessen wohl unerheblich, zumal du die Abtei zu einem beinahe realen Ort hast werden lassen. Die Begründung für Kais Rückkehr im Rahmen der ersten Staffel, ist übrigens TOP und rührt mich zu Tränen :)

Deine Schreibe besticht, obgleich unspektakulär und wenig poetisch, stellenweise mit ihrer Einfachheit, passt sich den Figuren an und übernimmt nahtlos deren Gefühlskälte, als entspreche sie ihrem Desinteresse an allzu leidenschaftlichen Regungen, und obgleich mir deiner Worte Genügsamkeit desöfteren widerstrebt, erweist sich die prosaische Erzählweise als überaus passend.

Ich würde es mir soooo wünschen, würdest du den Quell deiner Inspiration neu entfachen und diese großartige Charakterdarstellung fortsetzen. Und jetzt mal ein bisschen Groupie-mäßig: Kai, Tala und Anhang sind einfach nur awesome und eine Geschichte zu ihrer Person, noch dazu kein Shonen-Ai, Gold wert, zumal du es in unnachahmlicher Manier verstehst sie tiefgründig und fernab jeglichen Klischees darzustellen.
Mich hast du jedenfalls als treuen Fan gewonnen!!

P.S Deine restlichen One-Shots über die D-Boys habe ich mir ebenfalls zu Gemüte gefügt. Ich bin mir also ziemlich sicher, dass du es hinsichtlich ihrer Charakterisierung verdammt nochmal drauf hast.

P.P.S Die Beschreibung Moskaus ist dir übrigens vortrefflich gelungen, als wärest du selbst einmal dort gewesen. Daumen hoch!!

Falls mir, sobald ich mich wieder eingekriegt habe, noch irgendetwas einfallen sollte, trage ich es nach. Bei all der Begeisterung kann man ja nur schwerlich einen klaren Gedanken fassen...
Von:  Jeschi
2010-02-11T10:05:38+00:00 11.02.2010 11:05
Ich wusste, Kai würde ins Team zurück gehen!
Und ich finde das als Ende dieser tollen FF einfach klasse!
Vor allem Talas Begründung find ich ganz klasse!

Die ganze Story war einfach super. Angefangen bei den Charas, die du gut umgesetzt hast, bis zu deiner Ausdrucksweise.

Die Schreibblockade hat man gar nicht bemerkt! Respekt.
Ich hoffe aber, sie löst sich bald, dann ich würde gerne mal wieder etwas von dir lesen! ^-^

lg
Von: abgemeldet
2010-02-09T16:44:02+00:00 09.02.2010 17:44
Ein offenes Ending muss ich sagen...
Aber es gefällt mir so und es ist auch ein klasses Ending für einem atemberaubenden FF!!! XDD
Es hat mich wirklich spass gemacht die FF zu lesen. Habe mich immer gefreut, als da ein neues Kapitel on war! ^^

Moaboa
Von:  friehkie
2010-02-08T19:07:53+00:00 08.02.2010 20:07
Ah~
ich finde es schön, dass du trotz deiner Schreibblockade die FF nicht aufgegeben und beendet hast :) Allein damit verdienst du dir allen Respekt meinerseits ^^

Ich muss sagen, dass Ende hätte ich durch den Verlauf der Geschichte nicht erwartet, begrüße es aber. Es ist wirklich schön und passt zum Gesamtbild. Bis zum Ende waren deine Figuren IC und Fragen hatte ich keine mehr.

Ich hoffe, dass deine Blockade sich löst/gelöst hat und man von dir bald wieder etwas lesen kann

lg
Freaky
Von:  Stampede
2010-01-24T10:21:54+00:00 24.01.2010 11:21
*hüstel*
So, jetzt hab ich auch die ganze FF durch.
Nachdem ich den „Anrufbeantworter“ gelesen hatte, hab ich in den Kommentaren etwas von „demolishing quircks“ gelesen und mir auch diese mal angesehen. Dein Schreibstil und die Art, wie du etwas rüber bringst, waren Hammer, weswegen ich auch diese FF gelesen habe.

Als aller erstes war ich einfach nur verwirrt, bis ich gemerkt habe, dass ich den Prolog schon als One Shote gelesen hatte... und dessen Ende war nun wirklich heftig, auf eine gewisse, eigene Weise.
Als ich angefangen habe mit der FF, war es eigentlich ganz simpel. Kai bekommt diese "Einladung" und weiss, dass da was faul ist (zuerst dachte ich, dass der Kommentar darunter von Tala sei, der sich nun rächen wollte oder so. Aber den Gedanken habe ich schnell wieder verworfen. Es war zu… Unsinnig.).
Anfangs war das Schema relativ typisch und ich war einfach gespannt, wie es sich entwickeln würde.
Anders als in den meisten solchen FFs die ich gelesen habe, sind Kai und Tala nicht von einer verkorksten Situation in die nächste gerutscht und es gab auch nicht ein ganzes Gewirr auf einmal. Es war eher ein dünner, roter Faden, der sich durch alles zog, den man aber manchmal gar nicht mehr beachtete/bemerkte, da Kais und Talas Auseinandersetzungen (sofern man das so nennen kann.) weitaus interessanter waren.
Die Geschichte scheint wirklich ihr Eigenleben zu haben, denn es wirkte flüssig und nicht erzwungen, was die Ereignisse betrifft.
Es gab viele Puzzelstücke, die irgendwie zusammen hingen, aber man auch als Leser nicht immer so ganz zusammen gebracht hat. Vermutlich hat das die ganze Story so spannend gemacht.
Ganz toll war auch, wie alles langsam seine Form angenommen hat und nicht so plötzlich mit einem Schlag kam. Besonders, da ich die FF fast am Stück gelesen habe, ist mir kaum aufgefallen, wie viel das sich seit dem Anfang gewandelt hatte.

Dein Schreibstil ist wirklich zu bewundern. Genau wie die Art zu erzählen. Eine gute Mischung aus Beschreibung der Umgebung und Gefühlen und der Handlung. Ausserdem war es nie stur auf einen Charakter Fokussiert.
Auch wie du Tala gezeigt hast, zum einen ruhig und kalt, wie er sich nicht provozieren lässt und zum anderen (vor allem durch Kai), was Tala wirklich für eine Art Mensch ist.
Und das auch noch, ohne wirklich OOC zu werden! ._.
Trifft übrigens auch für den eigenwilligen Humor (*hust*) er beiden zu…

Überraschungen gabs ja so einige, was den Klau der BitBeasts oder auch Boris Angebot angeht (oder eben auch Talas ganz anderes Gesicht, wenn mans so nennen kann.). Allerdings hab ich mir schon im zweiten Moment, als ich mir Boris Aussage durch den Kopf gehen liess gedacht, dass dieses „etwas“ Tala sein wird. Ich fands zu diesem Zeitpunkt selbst irgendwie unwahrscheinlich, da es da alles andere als offensichtlich war. War aber irgendwie ne Eingebung.

Allerdings muss ich sagen, wars manchmal schon ziemlich verwirrend mit den Flash Backs. Sie waren irgendwie da, manchmal kursiv, manchmal nicht.
Ausserdem… Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht daran liegt, das ich Kapitel 1-20 zwischen 23:30 und 02:45 gelesen habe und etliche Ablenkungen hatte…<<
Aber den Übergang von der Stelle am Ende eines Kapitels (weiss nicht mehr welches), wo Kai Boris nach Tala fragt, zu der Stelle, wo die Jungs dann im Laster sind, hab ich nicht ganz kapiert.
Hab ich da was verpasst? Ich halte es nicht für durchaus möglich, auch wenns mir so scheint, als hätte sich nichts übersehn…
._.

Naja, auf jeden Fall:
Deine FanFiction ist genial!
Und das soll was heissen, denn ich bin verdammt kritisch, wenn es darum geht ne FF zu beurteilen…
Als genial habe ich noch wenige bezeichnet…!
Hehe…^^

Jedenfalls hoffe ich, dass das Ende noch kommen wird. Es wäre so schade um die Geschichte!


Freundliche Grüsse
Yuhi-san
Von:  FreeWolf
2009-11-21T16:56:08+00:00 21.11.2009 17:56
*anhops* yaaaaaaah *freu* *knuddl* es geht weiter =D

ich schreib kommie.. aber den kriegst du erst in nächster Zeit;D

*vor freude rumtanz* yay <D
Von:  CrazyRose
2009-11-20T17:08:58+00:00 20.11.2009 18:08
Oh mein Gott!!! Ich hab dieses Kapitel total vercheckt!
Aber auf meiner Startseite wurde aber auch nicht angezeigt, dass du ein neues Kapitel hochgeladen hast, deswegen entschuldige bitte diese Verspätung! ~.~°°°
Ich fand das Kapitel echt totaaaaal klasse! Da war super viel Action drin und da hat sich das Warten echt gelohnt!
Ich hab das sooo vermisst! *.* Die Art wie du schreibst ist echt voll schön! Und was ich besonders an diesem Kapitel mochte, war, wie du dieses Zusammenspiel zwischen Tala und Kai beschrieben hast ^^ Die Beiden sind halt das Dreamteam schlechthin ^^ Und der Schluss war echt das Tllste an dem Kappi! Wie die diesen Idioten von Boris fertig gemacht haben *.* Yeeee~ah! Und wie oben schon erwähnt fand ich es echt gut, dass du dieses Kapitel sehr actionreich aufgebaut hast! Ich liiiebe spannungsreiche Kapitel!!! ♥.♥
Ich freu mich auf jeden Fall schon auf das nächste Kapitel!!!
Mit ganz lieben Grüßen
CrazyRose
Von:  lady_j
2009-11-14T00:21:11+00:00 14.11.2009 01:21
oha, und schlaflosigkeit lohnt sich doch! so bin ich nun schon jetzt auf das kapitel gestoßen und konnte es mir zu gemüte führen. ich bin begeistert *_*
wirklich sehr spannend. vor allem, weil ich auch mitdenken musste, um die einzelnen verstrickungen nachzuvollziehen (und das um die uhrzeit xD)
ich bin aber wirklich froh, dass niemand ernsthaft ERschossen wurde *fan von relativen happy-ends ist*
joah, also wie gesagt, dass ich deinen stil mag, weißt du ja schon, und inhaltlich habe ich ja auch nix zu meckern, wie du siehst. ist halt einfach ne FF nach meinem geschmack.

danke dafür!^^
Von: abgemeldet
2009-11-12T20:28:40+00:00 12.11.2009 21:28
Endlich ein neues Kapitel!!
Hab mich sooooooooo nach die Fortsetzung gesehnt!! XDDD

Und wie immer lädst du ein super geniales Kapitel auf! ^^
Es macht immer spass etwas neues von dir zulesen!

Moaboa


Zurück