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Lost Boys birth

A brand new life
von

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I start again with a brand new life

Hier auch mal wieder etwas halbwegs neues von mir. Ich hoffe es gefällt euch und ihr habt ein wenig Spaß beim Lesen. Die Figuren sollten euch bekannt sein und wenn nicht dann schmökert doch vorher oder auch hinterher mal hier:
 

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/168423/132715/
 

und hier:
 

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/168423/156686/
 

Update! 24.08.2010
 

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Lost Boys birth
 

Prolog

I start again with a brand new life
 

Aron war nicht begeistert. Wie sollte er auch? Eine neue Stadt, eine neue Schule. Alles war erdrückend neu. Genau wie diese Frau an der Seite seiner Mutter. Eigentlich konnte er sich damit abfinden, denn Aron war nicht mehr so klein, dass er es nicht verstehen konnte.

Sein Vater war das, was seine Mutter ein Arschloch nannte, denn er hatte sie verlassen, als sie mit Aron schwanger wurde. Irgendwann, Jahre später war er wieder aufgetaucht und hatte Aron kennenlernen wollen. Wirklich interessiert hatte er jedoch nicht gewirkt. Aron konnte gut auf ihn verzichten.

Diese neue Frau dagegen war anders. Sie machte seine Mutter so glücklich, wie Aron sie noch niemals gesehen hatte und sie interessierte sich auch für ihn. Es war nicht die Art von Interesse, die darin bestand ihn mit teuren Geschenken ruhig zu stellen. Nein, wenn er Probleme hatte fand er bei ihr immer ein offenes Ohr.

Trotzdem war sie noch ungewohnt neu. Zu lange war Aron mit seiner Mutter allein gewesen. Ungewohnt neu war auch dieses hübsche kleine Mietshaus. Am meisten jedoch fürchtete Aron sich vor der neuen Schule.

Wie ein überdimensionaler Bauklotz ragte sie in den Himmel. Nicht besonders schön. Der Pausenhof war großzügig. Aron schluckte schwer, als ihm die Angst wieder die Kehle zuschnürte. Ein kräftiger Stoß gegen die Schulter ließ ihn nach Luft schnappen und er fuhr herum, um den zu sehen, der ihn jetzt schon anrempelte.

„Fick dich!“ fluchte jemand laut, bevor Aron in ein Paar blaue Augen starrte, die ihn auf eine unheimliche Art sofort faszinierten.

„Sorry Alter, war echt keine Absicht!“ entschuldigte sich der fluchende Junge. Aron öffnete den Mund, doch es wollte einfach nichts herauskommen. Der fremde Junge trug sein Haar etwas länger, als die anderen in ihrem Alter. Er hatte eine Umhängetasche an der Schulter baumeln und seine Sachen bestanden aus einem legeren weißen Hemd und einer schwarzen Hose. Er trug Chucks, hatte einen Nietengürtel und seine Handgelenke wurden von schwarzen Lederarmbändern geziert.

„Schon okay“, brachte Aron schließlich heraus. Der fremde Junge sah ihn kritisch an, zog die Augenbrauen zusammen und verschwand bevor Aron wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen konnte.

Aron merkte, dass ihn die Realität langsam wieder einholte. Was war nur mit ihm los? Das musste daran liegen, dass er viel zu wenig geschlafen hatte vor lauter Aufregung. Mit einem merkwürdig flauen Gefühl im Magen betrat er das Schulgebäude. Der dunkelhaarige Schönling war bereits verschwunden. Sicherlich war er etwas älter als Aron, vielleicht schon sechszehn. Er hoffte jedoch heimlich, dass er ihm noch einmal begegnete. Irgendetwas an diesem Kerl war furchtbar aufregend gewesen. Aron spürte jetzt noch wie sein Herz etwas schneller schlug als normal. Allerdings schrieb er das der allgemeinen Nervosität zu, die ihn seit einigen Tagen begleitete.

Unsicher betrat er den Klassenraum, den man ihm genannt hatte, als er im Sekretariat nachgefragt hatte. Zunächst bemerkte ihn niemand. Sie waren alle viel zu sehr in ihre eigenen Angelegenheiten vertieft. Mädchen tuschelten aufgeregt während die Jungs ihre Hausaufgaben abschrieben. Auf den ersten Blick schienen sie alle ganz nett zu sein, ganz normal und langweilig. Was sie wohl von ihm halten würden?

Aron leckte sich nervös über die trockenen Lippen. In all dem Durcheinander konnte er nicht erkennen, wo noch ein Platz für ihn frei war. Das Klingelzeichen schreckte seine neuen Mitschüler schließlich auf und auch Aron zuckte leicht zusammen. Alle huschten auf ihre Plätze und plötzlich ruhten mindestens 22 Augenpaare auf ihm. Arons Wangen wurden merklich heiß, als ihm die Röte ins Gesicht schoss. Schon konnte er eines der Mädchen kichern hören.

„Der sieht voll aus wie Brian!“ flüsterte jemand etwas zu laut und alle mussten lachen. Nur Aron nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das ein gutes Zeichen war.

„Guten Morgen!“ der Lehrer war hinter Aron aufgetaucht und versetzte ihm noch einen Schock. „Du bist Aron, nicht wahr? Schön, schön, such dir einen Platz. Dort drüben neben Brian ist noch etwas frei. Wo steckt Brian eigentlich?“

Der Lehrer sah sich suchend um. Aron tat es ihm gleich. Er wollte sehr gern wissen, wer dieser mysteriöse Brian war, von dem alle redeten.

„Der kommt bestimmt noch“, kam der gelangweilte Kommentar aus der Klasse.

„Nun ja“, besonders zufrieden wirkte der werte Herr Lehrer damit nicht, stellte Aron fest, als er sich auf die einzige leere Bank im Klassenraum zubewegte. Scheinbar kam Brian öfter zu spät.

Der Lehrer stellte sich als Herr Drewing vor. Er unterrichtete Mathematik. Aron hätte sich für seine erste Stunde an der neuen Schule etwas Besseres vorstellen können. Es dauerte ungefähr fünf Minuten bis die Tür zum Klassenzimmer aufflog. Arons Blick huschte hoch, so wie der seiner 22 Leidensgenossen und er vergaß augenblicklich den Lösungsansatz, den er sich gerade zusammengereimt hatte. In der Tür stand der Schönling vom Schulhof und er sah ihn direkt an. Natürlich. Aron saß ja auch auf seinem Platz.

„Wie lautet die Ausrede?“ wollte Herr Drewing wissen, doch Brian streifte ihn nur mit einem desinteressierten Seitenblick.

„Frau Brand hat mich auf dem Flur vollgelabert“, erklärte er etwas gelangweilt. „Wegen dem Nachschreibetermin für Chemie.“

Er kam auf Aron zu und setzte sich, seine Umhängetasche auf den Schoß bettend.

„Hi, du bist der Neue? Hab ich mir fast gedacht, als ich dich vorhin gesehen hab. Nichts gegen dich, aber den Fensterplatz will ich nicht“, sagte Brian mit gedämpfter Stimme. Aron musste sich extrem konzentrieren um zu verstehen, was Brian von ihm wollte.

„Sorry“, nuschelte er und machte Brian Platz.

„Kein Ding. Wie heißt du?“

„Aron.“

„Hi Aron. Ich bin Brian.“

Ja, das war Aron bereits klar geworden. Er beugte sich wieder über die Mathematikaufgabe. Brian packte seinen Hefter aus und sah hinüber auf Arons Blatt.

„Wiederholungsaufgaben. Toll“, murmelte er genervt und begann zu schreiben. Aron ertappte sich dabei, wie ihm wieder die Konzentration auf Mathe entglitt.

„Kannst du das?“ hörte Aron sich fragen, bevor er seinem Mund überhaupt die Erlaubnis dazu erteilt hatte.

Brian sah wieder hoch. Seine Augen waren so verdammt elektrisierend. Man konnte sich kaum an ihnen satt sehen.

„Klar kann ich. Du etwa nicht?“ etwas Ungläubigkeit schwang in Brians Stimme mit. Bestimmt hielt er Aron jetzt für besonders dumm. Arons Magen sackte ein Stück tiefer.

„Nein, ich glaube soweit waren wir noch nicht.“

Brian beugte sich zu Aron rüber und gab den Blick auf die anderen Schüler frei. Zwei Mädchen starrten ungläubig zu ihnen herüber. Sie schienen etwas nicht zu verstehen und dabei ging es eindeutig nicht um Mathematik.

„ … und dann hast du eigentlich schon die Lösung!“

„Was?“ Aron schreckte aus seinen Gedanken hoch und sah Brian Verzeihung heischend an.

„Lass dich nicht von den Tiffies ablenken, die sind eh alle dumm“, mit einem Blick über die Schulter hatte auch Brian die starrenden und nun tuschelnden Mädchen entdeckt.

„Was haben die denn?“ wollte Aron wissen, während Brian ihm den Lösungsweg in den Hefter schrieb.

„Ich schätze sie wundern sich, warum ich mit dir rede. Eigentlich mache ich immer mein eigenes Ding.“

Aron schwieg verwirrt, starrte auf Brians Handschrift und begriff unwillkürlich, was dieser dort gerechnet hatte. Ein Lächeln huschte über Arons Lippen.

„Süß“, bemerkte Brians Stimme.

Aron sah zu ihm hoch. Brian lächelte ihn an. Ein bezauberndes Lächeln, das Aron fast wieder seinen Namen vergessen ließ.

„Was ist süß?“ wollte er wissen.

Es brannte ihm unter den Nägeln zu erfahren, wovon sein neuer Banknachbar gesprochen hatte.

„Du, wenn du lächelst und auch sonst …“, Brian sagte das so leise und so direkt, dass Aron klar war, diese Worte galten nur seinen Ohren. Ihm wurde heiß und wieder spürte er wie sich seine Wangen verfärbten.

„Danke“, sagte er heiser bevor der Lehrer sie aufrief endlich ruhig zu sein. Sie sollten sich doch bitte in der Pause weiter unterhalten. Aron wusste nicht, ob er so lange warten konnte. Warum nannte Brian ihn süß? War das nicht ziemlich schwul? Nicht dass Aron es abartig fand, denn immerhin war seine Mutter lesbisch. Vielmehr konnte er es nicht fassen, dass er gleich an seinem ersten Tag hier jemanden wie Brian traf. Das Schicksal musste es dieses Mal gut mit ihm gemeint haben.

Aron verstand sich mit Brian auf Anhieb so gut, als würden sie sich schon ewig kennen. Sie waren einfach auf derselben Wellenlänge, konnten über dieselben Dinge lachen. Doch immer wieder bemerkte Aron die schiefen Blicke der anderen Schüler, die ihn aber nicht davon abhielten bei Brian zu bleiben. Auch Brian schien sie völlig zu ignorieren.
 

„Drei, zwei, eins …“ Das Klingelzeichen erlöste sie vom Englisch Unterricht und Brian sprang als erster auf. Aron sah sich unsicher um, bevor er seinem neuen Freund schließlich folgte.

„Endlich Schluss!“ sagte Brian fröhlich und warf sich seine Umhängetasche über die Schulter.

„Ich fand es ging schnell vorbei.“

Brian grinste schelmisch und deutete auf die Klassenraumtür.

„Komm, lass uns endlich verschwinden.“

„Warum machst du eigentlich immer ‚dein eigenes Ding‘?“ fragte Aron, als sie das Schulgebäude auf schnellstem Weg verließen.

„Ich bin schwul“, erklärte Brian gerade heraus, ein wenig herausfordernd. „Das verstehen die einfach nicht. Dafür sind sie vielleicht noch zu jung, zumindest im Kopf.“ Dabei tippte er sich gegen die Schläfe. Aron dachte sich seinen Teil, nahm dieses Geständnis aber als selbstverständlich auf. Das hatte er doch so wie so geahnt.

„Vielleicht ist es auch nur die Erziehung“, gab Aron zu bedenken.

„Schlimm genug, wenn man keine eigene Meinung hat.“

Für Aron war Brian schlichtweg faszinierend. Er war offen, ehrlich und irgendwie ganz besonders. Völlig anders als die anderen Jungen die Aron kannte.

„Weißt du schon, auf was du stehst?“ fragte Brian. Sie waren auf dem Schulhof stehen geblieben, unsicher ob sie sich schon voneinander verabschieden wollten.

„Ich hab mir darüber echt noch keine Gedanken gemacht.“

„Das solltest du aber mal tun“, Brian grinste lasziv. Aron leckte sich unbewusst über seine Lippen, die sich plötzlich so trocken anfühlten.

„Meinst du? Ich denke ich werde warten, bis es mich überfällt. Also bis ich jemanden treffe, bei dem ich denke: Wow genau das ist es. Dann kann ich mir ganz sicher sein.“

Brian zuckte mit den Schultern.

„Okay, klingt gut. Wie müsste sich dieses wow-Gefühl anfühlen? Und wo musst du eigentlich lang? Vielleicht können wir in dieselbe Richtung gehen.“

Aron sah sich um. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er eigentlich hin musste, dann fiel es ihm wieder ein.

„Super, dann lass uns gehen.“
 

Aron machte sich tatsächlich Gedanken über Brians Frage. Wie sollte dieses Gefühl sein? Herzklopfen? Schmetterlinge im Bauch? Ihm wurde nur langsam klar, dass das alles schon der Fall war, seit er Brian an diesem Morgen begegnet war. Sollte das etwa Liebe sein? Aron fand es furchtbar verwirrend. Er sah Brian gern an, lachte mit ihm, hörte ihm zu. Von Anfang an hatte etwas zwischen ihnen funktioniert, was sonst nie gelingen wollte.

„Wow, du hast es!“ Brian grinste stolz und betrachtete Arons Mathe-Hausaufgaben. Seit gut zwei Monaten waren sie jetzt schon unzertrennlich und mit jedem Tag fühlte es sich besser an.

„Ja, ich hab’s!“ Aron wirkte sichtlich erleichtert. Er hasste Mathematik. Ohne Brian war er vollkommen verloren in der Welt der Zahlen und Formeln.

„Gut, dann können wir ja Pause machen.“

Aron streckte sich gähnend und lehnte sich zurück. Sie waren in seinem Zimmer, so wie fast immer. Nicht das an Brians zu Hause etwas nicht okay war, aber er sagte immer, dass er Arons Zimmer viel lieber mochte. Warum, das verriet er nicht. Aron hatte einfach aufgehört zu fragen.

„Gut, dann erzähl mir jetzt endlich was heute los war mit dir und …“

„Sebastian“, half Brian ihm weiter, da sich Aron die ganzen neuen Namen einfach nicht merken konnte. „Keine Ahnung. Er hat mich halt blöd angemacht, so wie eigentlich immer. Aber dann hat er angefangen auch über dich herzuziehen und da hab ich ihm eine reingehauen.“

„Er hat sich von dir eine reinhauen lassen? Er ist ein fetter, dummer Schläger und …“

„Natürlich wollte er sich revanchieren, aber in dem Moment kam die Stelter um die Ecke und er hat einen Verweis kassiert. Sie wollte ihm einfach nicht glauben, dass ich ihn geschlagen hab“, Brian lächelte unschuldig. „Aber meine Hand tut immer noch weh“, gab er zögernd zu.

„Das wird noch mehr Ärger geben“, prophezeite Aron besorgt. „Warum prügelst du dich, wenn er mich beleidigt?“

„Du bist mein bester Freund!“

Das war doch offensichtlich. Wieso fragte er noch?

„Ja, aber die denken jetzt doch, dass du auf mich stehst, oder so“, versuchte Aron sich zu erklären.

„Sollen sie denken, was sie wollen. Es ist mir egal“, hielt Brian dagegen. Es war ihm wirklich egal. Schon lange. „Außerdem habe ich bestimmt keine Chance bei dir?“

Beautiful Losers

Kapitel 1

Beautiful Losers
 

„Außerdem habe ich bestimmt keine Chance bei dir?“

Wenn er wüsste. Wenn er auch nur die geringste Ahnung hätte. Aron hatte ein schlechtes Gewissen, weil er diese eine doch elementare Sache vor Brian geheim hielt und trotzdem brachte er es für nichts in der Welt über sich es laut zu sagen. In seinem Kopf klang es immer hohl und abgedroschen. Nichts dergleichen konnte seine wahren Gefühle beschreiben.

Aron bemerkte wie Brian ihn neugierig musterte. Er konnte womöglich noch in seinem Gesicht lesen, wie Aron sich gerade fühlte.

„Hast du dich schon entschieden, dass du eine Hete sein möchtest? Das wäre sehr traurig.“

Brian lächelte schelmisch, schien damit irgendwie die plötzliche Stille überspielen zu wollen und Aron war ihm ganz dankbar dafür.

„Nein ich … bin wohl keine Hete“, sagte Aron schließlich langsam. Brians Grinsen wurde breiter. Er erhob sich hastig von seinem Platz und zog Aron mit sich rüber zu Arons Bett. Sie setzten sich dort wieder und Aron fragte sich warum genau Brian ihn jetzt hierher gebracht hatte.

„Okay, erzähl mir mehr“, verlangte Brian und lehnte sich zurück. Anscheinend war das Bett nur bequemer als der blöde Tisch auf dem immer noch ihre Hausaufgaben lagen. Aron seufzte unterdrückt und begann sich zusammenzureimen was er Brian erzählen sollte.

„Es gibt da jemanden, den ich – na ja – sagen wir heiß finde“, begann er und ahnte, dass es eigentlich viel zu offensichtlich war. Brian würde ihn sofort durchschauen.

„Wen?“ wollte Brian wissen. Sein Mund stand halb offen und er sah belustigend schockiert aus. Aron konnte kaum fassen, dass Brian ihm diese schlechte Nummer abkaufen wollte.

„Das möchte ich nicht sagen“, er musste nicht mal wirklich lügen, das fühlte sich nur halb so schlecht an wie eine echte Lüge.

„Sag mir, wer es ist!“ verlangte Brian. Er sah bereits etwas hilflos aus.

„Das geht nicht“, wehrte Aron ihn ab. Das konnte er einfach nicht verantworten. Brian griff nach seinen Schultern, aber alles andere als grob. Aron starrte ihn an.

„Du kannst mir wirklich alles erzählen. Ich behalte es auch für mich. Vertraust du mir gar nicht?“

„Doch, na klar“, Aron musste den Blick abwenden um Brians bettelnder Mine zu entkommen. „Sag mal, hast du eigentlich schon mal … du weißt schon …?“ Arons Wangen wurden rot und Brian grinste ihn breit an.

„Wen willst du damit ablenken?“

Aron musste lachen.

„Nein, ich meine das ernst. Bitte sag es, nur dann bekommst du auch deine Antwort!“

Brian kaute auf seiner Unterlippe und schien darüber nachzudenken.

„Ja, ich hatte schon Sex und ja mit einem Kerl. Und jetzt kommst du.“

Aron schüttelte unbewusst mit dem Kopf und Enttäuschung schlich sich in Brians Mine.

„Nein, warte“, Aron hatte sich erst nur Zeit verschaffen wollen, doch jetzt kam ihm ein ganz anderer Gedanke. Er wollte zunächst seine Chancen abtasten und dann noch einmal abwägen, ob er Brian von seinen wirren Gefühlen erzählte. Sie kannten sich noch nicht so lange, dass er ihn wie ein offenes Buch hätte lesen können, doch er wusste, dass Brian meist eine eher schräge Sicht auf die Dinge hatte.

„Warst du verliebt in denjenigen?“

Brian zögerte.

„Nein“, sagte er schließlich ernst. „Ich halte nichts von leeren Liebesbekenntnissen und Beziehungen, die ohnehin zum Scheitern verurteilt sind.“

Aron war froh, dass er nachgehakt hatte und arbeitete sich weiter vor.

„Du willst keine Beziehung?“

„Nein“, Brian schüttelte den Kopf um das zu unterstreichen.

„Und du verliebst dich auch nicht?“

„Genau.“

Ein siedend heißes Gefühl breitete sich in Aron aus und machte, dass er sich schrecklich fühlte. Am liebsten wollte er sich in ein tiefes dunkles Loch verkriechen. Dabei hatte er sich nicht einmal Chancen ausgemalt. Brian sah ihn besorgt an.

„Alles okay? Du siehst … traurig aus.“

Traurig traf es nicht ganz. Entsetzt vielleicht eher. Brian wollte gerade wieder den Mund aufmachen, als es ihm plötzlich dämmerte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und Arons Magen sank immer tiefer bei diesem Anblick.

„Du denkst du bist verliebt in mich“, stellte Brian klar. Aron war ihm dankbar für seine offene Art, auch wenn es im ersten Moment sehr wehtat. Schließlich dachte er nicht einfach verliebt zu sein. Irgendetwas in ihm zwang ihn dazu, obwohl er es gar nicht wollte. Wieso verstand Brian das nicht?

„Aron komm schon. Das kann nicht dein Ernst sein“, drang Brian auf ihn ein. Er hatte seine entspannte Pose längst aufgegeben und stand jetzt fast schon.

„Warum regst du dich so auf?“ wollte Aron wissen.

„Das macht alles kaputt. Liebe ist scheiße und macht alles kaputt!“

Aron schüttelte den Kopf.

„Warum?“

„Denk doch mal drüber nach. Du und ich wir sind super Freunde. Und dann kommst du und meinst, dass du mich liebst und jetzt stell dir vor ich sage auch noch ja dazu!“ Brian überschlug sich fast beim Sprechen. „Dann werden wir vielleicht ein Paar und das hält vielleicht ein paar Wochen und dann? Was haben wir am Ende davon? Wir sind dann doch nur wieder allein! Solange wir Freunde sind kann uns sowas nicht passieren. Verstehst du das?“

Wer sollte das denn verstehen? Aron jedenfalls verstand im Moment gar nichts mehr.

„Ich kann deine Erwartungen jedenfalls nicht erfüllen, okay? Ich kann zum Beispiel nicht treu sein, oder was auch immer man von einem festen Freund erwartet.“

„Das ist mir egal“, hörte Aron sich sagen. „Und ich erwarte auch gar nichts von dir. Ich habe dich nicht angebettelt mein Freund zu sein, oder so. Also entspann dich.“

Brian schwieg und ließ sich wieder auf dem Bett nieder. Hinter seiner Stirn arbeitete es aber immer noch fieberhaft.

„Wenn dich der Gedanke so anwidert, dann solltest du vielleicht einfach gehen.“

„Das ist es nicht und das habe ich dir erklärt“, erwiderte Brian wütend. „Du hast mir nicht zugehört.“

„Bei dem wirren Zeug, das du redest, kann man dich ja doch nicht verstehen!“

Das hatte Potential für einen richtigen Streit und Brian wollte nicht, dass es so einer wurde. Aron war sein ein und alles geworden. Um nichts in der Welt wollte er ihn wieder hergeben. Trotzdem gab es für ihn nicht die Option zu sagen, dass er Aron liebte. Liebe beschrieb nicht im Geringsten das, was er für Aron empfand. Er griff nach Arons Hand, doch der entzog sie ihm hastig.

„Geh bitte, okay? Ich … weiß im Moment nicht wo mir der Kopf steht.“
 

In dieser Nacht fand Brian keine Ruhe. Wieder und wieder ging er alle Möglichkeiten durch. Er sah Arons Gesicht vor sich und wünschte sich er könne die Zeit zurückdrehen bis zu dem Moment, als er Aron im Klassenraum freundlich gegenübergetreten war. Er hatte sich überwältigen lassen und damit etwas ins Rollen gebracht, dem er nicht gewachsen war. Das Risiko Aron könnte sich tatsächlich in ihn verlieben hatte er als gering eingeschätzt und sich und Aron damit diesem Horror ausgeliefert. Aron hatte ihn ganz einfach überrumpelt und Brian war nicht standhaft geblieben.

Etwas flog gegen Brians Fenster und er fuhr aus seinem Bett hoch. Hastig schlug er die Decke weg, die ihm viel zu warm vorgekommen war und stürmte zum Fenster. Er öffnete es und sah unten in ihrem Vorgarten Aron stehen.

„Lässt du mich bitte rein?“ Aron hatte die Stimme gesenkt, und das Rauschen des Windes in den Bäumen schluckte seine Worte fast. Doch Brian hatte verstanden. Er rannte leise die Treppen zur Haustür hinab und öffnete diese. Aron trat herein. Er sah aus als friere er und Brian machte hastig die Tür hinter ihm zu.

„Was machst du hier?“ fragte Brian verblüfft, als er Aron in sein Zimmer bugsiert hatte und hoffte seine Eltern würden nichts von diesem mitternächtlichen Spektakel mitbekommen.

„Ich konnte einfach nicht schlafen …“, flüsterte Aron. Brian stellte entsetzt fest, dass seine Wangen total nass waren und noch immer Tränen aus seinen Augen liefen, doch ansonsten war ihm nicht anzumerken, dass er weinte. Das war wirklich unheimlich.

„Ist schon okay“, sagte Brian und nahm ihn tröstend in die Arme. Das fühlte sich viel besser an, als er jemals gedacht hätte. Aron roch unheimlich gut und Brian hätte am liebsten sein Gesicht an Arons Hals vergraben um mehr von diesem Geruch zu bekommen.

„Ich wollte echt nicht so zu dir sein. Es war nur irgendwie …“

„Schon gut, ich versteh dich“, unterbrach Brian ihn und schob ihn um Armeslänge von sich. „Ich bin wirklich nicht einfach und es grenzt an ein Wunder, dass du dich überhaupt mit mir eingelassen hast.“

Brian zog Aron mit sich hinüber zu seinem Bett und legte ihm liebevoll die noch warme Decke um die Schultern. Prüfend sah er Aron an und wischte ihm dann vorsichtig eine neue Träne von der Wange. Es schien ihm unpassend zu fragen, wie Aron es fertig brachte so lautlos zu weinen.

„Du wolltest mir was sagen?“ fragte Brian vorsichtig. Aron sah ihn mit einem durchdringenden Blick an, als wolle er gleich vor Trauer sterben. Brian fühlte sich richtig elend dabei.

„Ich weiß immer noch nicht, wie wir das lösen können“, Arons Stimme klang etwas heiser. Immerhin ein kleines bisschen das, was man bei normalem Weinen erwartete. „Ich mein, ich steh eben auf dich und ich bin bestimmt irgendwie eifersüchtig, wenn du mit jemand anderem … naja … du weißt schon.“

„Wenn ich mit irgendjemand anderem vögel, oder wenn ich mit jemand anderem Zeit verbringe oder befreundet bin?“ hakte Brian nach.

„Eher das Zweite“, musste Aron zugeben. Er wand sich, als hätte er Schmerzen und Brian rückte ein wenig näher an ihn ran.

„Dann haben wir eigentlich gar kein Problem“, sagte er sanft, „weil das so schnell bestimmt nicht passieren wird. Kannst du mit dem Rest leben, was meinst du?“

„Wenn du es brauchst“, Aron legte müde seinen Kopf auf Brians Schulter.

„Ich befürchte schon, irgendwie“, gab Brian leise zu. Im Dämmerlicht der Nachttischlampe konnte er Arons Gesichtsausdruck kaum ausmachen.

„Na gut“, seufzte Aron schließlich. Es klang wie ein sehr befreiender Seufzer und Brian sah gespannt zu Aron rüber.

„Ich habe kein Problem damit, wenn du mit jemand anderem rummachst, aber ich will, dass sich niemand zwischen uns drängt. Niemand, okay?“

„Versprochen“, Brian hob dabei die Hand wie zum Schwur.

„Gut“, jetzt konnte Aron endlich wieder lächeln und der letzte Rest Anspannung fiel von Brian ab.

„Du hast keine Ahnung, wie süß du bist, wenn du lächelst.“

Zum Glück war es zu dunkel, um zu erkennen, wie sich Arons Wangen rot färbten.

„Schleimer“, knurrte Aron. Wirklich furchterregend war das allerdings nicht. Brian grinste belustigt. Als ein warnendes Funkeln in Arons Blick auftauchte schubste er Aron wie zur Strafe rückwärts auf sein Bett. Mit einem überraschten „huch“ landete Aron auf der weichen Matratze. Er sah gerade noch Brians Gesicht über sich auftauchen, wollte ihm eine Standpauke halten, was ihm denn einfiele, als sich plötzlich zwei warme Lippen auf seine pressten. Aron wurde in Sekundenschnelle heiß und ein erregendes Kribbeln breitete sich in ihm aus, dass fast seinen Verstand lahm legte. Er konnte nicht anders, als seine Arme um Brian zu schlingen, damit er nicht wieder gehen konnte. Seine Finger fuhren in Brians tiefschwarzes Haar. Es war unheimlich weich und seidig. Fasziniert versuchte Aron jede noch so kleine Einzelheit an Brian aufzunehmen. Sein Haar, seine Haut, sein Geruch und sein Kuss der langsam fordernder wurde. Erst bewegten sich ihre Lippen nur sanft gegeneinander, doch schon strich Brians Zunge über Arons Lippen und bettelte um Einlass. Aron bewies nicht gerade Standhaftigkeit und gab sehr schnell nach. Das Kribbeln wurde immer stärker und Aron vergaß fast zu atmen, bis ihm wieder einfiel was er eigentlich gerade tat.

„Stopp!“ bremste er Brian atemlos, als dessen Hand unter sein T-Shirt wanderte. Es fühlte sich immer noch gut an und doch war der Moment für Aron denkbar unpassend.

Brians Augen starrten ihn an.

„Was …?“

„Nein warte, ich … bin noch nicht soweit. Ich weiß seit zwei Tagen, dass ich wahrscheinlich schwul bin. Ich brauch noch ein bisschen Zeit bevor ich … also …“

Ein Lächeln legte sich auf Brian Lippen und beruhigte Aron etwas.

„Ist schon okay“, sagte er sanft und küsste Arons Stirn, dann ließ er sich zur Seite fallen und starrte zur Decke hoch. „Aber … mach das nicht zu oft.“ Er sah zu Aron hinüber immer noch grinsend. „Du hast mich ganz schön geil gemacht.“

Aron schüttelte etwas sprachlos den Kopf. So offen wie Brian wäre er auch gern. Das machte sicher einiges einfacher.

„Du raubst mir noch die Beherrschung“, Brian streckte sich genüsslich und stützte dann den Kopf auf seine Hand um Aron besser ansehen zu können, der noch immer etwas perplex auf dem Rücken lag.

„Wer war dein erstes Mal Brian?“ wollte Aron wissen.

Brian runzelte die Stirn, seufzte dann und senkte den Blick.

„Das willst du nicht wissen“, wehrte er ab. Das passte gar nicht zu ihm und Aron wurde nur noch neugieriger.

„Sag schon. Bitte.“

Brian lächelte, doch es wirkte traurig. Aron sah ihn besorgt an. Brian war noch nie wirklich traurig gewesen.

„Du darfst es niemandem erzählen“, bat Brian, jedoch ohne hochzusehen. Sein Wecker auf dem Nachttisch sprang auf 01:00 Uhr. Aron nickte zustimmend. Wem sollte er es auch erzählen und vor allem warum?

„Du kennst ihn“, begann Brian zögernd und sah Aron an. Doch dem ging nicht das geringste Licht auf.

„Ich kenne ihn? Wer soll denn das sein?“ überlegte er und kniff die Augen zusammen.

Von ihren Klassenkameraden kam ja wohl niemand in Frage. Brian biss die Zähne zusammen und sagte dann leise: „Behrendt, Sport.“

Aron konnte einen entsetzen Laut nicht unterdrücken und schlug schnell die Hände vor den Mund. Mit großen Augen sah er Brian an.

„Der Sportlehrer?“ flüsterte er. „Boah … sorry aber …“

„Eklig, ich weiß“, Brian seufzte und ließ sich wieder auf den Rücken fallen. Gedankenversunken starrte er zur Decke hoch. Es war das erste Mal, dass er darüber sprach. Er hätte nie gedacht, dass das so erleichternd sein würde. Etwas stieg in ihm hoch und kam als Lachen heraus. Er drehte sich auf den Bauch um es zu unterdrücken, während Aron ihn erschrocken musterte. Er lachte immer noch obwohl längst Tränen über sein Gesicht liefen. Eigentlich wusste er nicht mal ob er weinte oder lachte.

„Brian“, sagte Aron vorsichtig und strich ihm sanft übers Haar. Die Berührung tat gut und Brian spürte, wie er sich langsam wieder beruhigte. Schwer atmend, wie nach einem tausend Meter Lauf richtete er sich auf und sah Aron direkt in die Augen.

„Er war der erste, der mitbekommen hat, dass ich schwul bin“, brach es aus ihm heraus. „Irgendwann nach dem Unterricht, hat er mich gebeten, dass ich noch bleibe, weil er mit mir meine Noten besprechen müsse und dann ist es eben passiert. Es war keine Vergewaltigung, auf keinen Fall, aber ich hab‘s hinterher trotzdem bereut. Ich meine er ist ein Lehrer und bestimmt 20 Jahre älter! Aber in diesem Moment, da hab ich einfach nicht nachgedacht, ich war viel zu neugierig.“

„Schon okay“, Aron tätschelte tröstend seine Hand. „So eklig ist er ja auch nicht, aber das erklärt natürlich einiges. Wie er dich immer anguckt und dich bevorzugt.“

Brian zog Aron zu sich heran und umarmte ihn.

„Geh lieber nach Hause, bevor deine Mutter die Polizei vorfahren lässt“, sagte er, ließ Aron aber nicht wieder los.

„Ich würde gern bei dir bleiben“, gab Aron zu. Er genoss die Umarmung, aber eigentlich war ihm klar, dass er schnell wieder nach Hause musste.

Brian ließ von ihm ab und wischte sich über die Wangen.

„Scheiße, bist du auch so müde?“ fragte er.

„Und wie.“

„Ich bring dich nach Hause“, bot Brian an. „Ich hab viel zu viel Angst, dass dir was passiert. Keine Widerrede.“
 

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Vielen lieben Dank an alle die lesen und auch Kommentare schreiben. Ich freue mich über jeden kleinen Hinweis, dass sich jemand die Zeit genommen hat oder es ihm sogar noch gefallen hat :)

I Wish

Kapitel 2

I wish someone out there will find me
 

„Es ist Freitag“, stellte Brian fest. Er war ziemlich hyperaktiv und irgendwie überhaupt nicht müde im Gegensatz zu Aron, der im Mathe Unterricht beinahe von Stuhl gefallen wäre.

„Ist mir auch aufgefallen“, murmelte Aron und gähnte mühsam unterdrückt.

„Eigentlich sollten wir heute die Nacht durchmachen und uns Filme reinziehen und Bier.“ Aron schüttelte sich bei dem Wort Bier vor Ekel. „Schmeckt nicht, aber erfüllt seinen Zweck.“

„Ich weiß nicht, ob ich auch nur eine weitere Stunde wach bleiben kann“, gab Aron zu.

„Nur noch ein bisschen durchhalten und du bist so müde, dass du gar nicht mehr schlafen kannst.“

„Tolle Theorie.“ Aron ließ seinen Kopf auf den Tisch sinken. Im Moment hatte er das Gefühl nie wieder wirklich wach zu werden. Dieser ganze Tag war eine furchtbare Qual und er wollte unbedingt einfach nur noch in sein Bett.

„Ich möchte mal wissen, was du die ganze Nacht gemacht hast“, sagte Brian gespielt beleidigt. Natürlich wusste er es ganz genau. Aron stöhnte.

„Idiot“, knurrte er.

Brian tauchte unter seinen Tisch ab, den Biologielehrer vorn an der Tafel nahmen sie schon seit einiger Zeit nicht mehr sehr ernst, und kam mit einer kleinen Flasche Cola wieder zum Vorschein. Aron hatte ihn mit verschlafenem Blick dabei beobachtet.

„Versuchs mal damit, am besten auf Ex“, Brian grinste breit. „Vielleicht geht’s dann schon wieder besser.“

Aron nahm die Flasche und schraubte sie auf.

„Meine Mama hat gesagt Cola ist ungesund“, er gähnte, warf einen prüfenden Blick auf den Lehrer und leerte die Flasche dann so gut er konnte. „Das soll reichen, ja?“ fragte er schließlich während er Brian die leere Flasche zurückgab.

„Heute Abend, bei mir“, sagte Brian, als wäre das die Antwort auf Arons Frage. Die Schulglocke erlöste sie vom Unterricht und entließ sie ins Wochenende. „Du kommst, ja?“

Aron zuckte mit den Schultern, packte dabei seine Sachen in seine Tasche. Ihm fiel gar nicht auf wie die Mädchen hinter seinem Rücken wie verrückt flüsterten.

„Wenn ich nicht gerade im Tiefschlaf bin, dann komm ich vielleicht rüber“, er grinste dabei etwas schelmisch und Brian wusste, dass er gar keine Sorgen haben musste.

Zu Hause angekommen, ließ Aron seine Tasche gleich im Flur liegen und machte es sich auf der Couch gemütlich. Einige Minuten lang suchte er im Fernsehen nach etwas brauchbarem, fand aber nichts. Er schaltete das Gerät wieder ab und begab sich auf den Weg in sein Zimmer. Dabei fiel ihm auf, dass sie Tür von Annas Arbeitszimmer offen stand. War sie etwa zu Hause? Das wäre sehr untypisch für sie. Anna kam meistens erst mitten in der Nacht wieder und hörte dann immer noch nicht auf ihre dicken Gesetzbücher zu wälzen. Dabei konnte sie sie ohnehin auswendig. Zumindest kam es Aron so vor.

Annas Schreibtisch war relativ aufgeräumt und so fielen Aron eine Anzeigen ins Auge, die irgendwie nicht zum Rest passten. Er trat an den Schreibtisch und betrachtete das oberste Blatt genauer. Es war eine Stellenanzeige, an der Anna einiges mit einem orangen Textmarker gekennzeichnet hatte. Aron wurde ein wenig übel bei diesem Anblick. Suchte sie etwa schon wieder eine neue Stelle? Dabei waren sie noch nicht besonders lange hier. Das sie auch immer überall anecken musste mit ihrem Feminismus. Aron betrachtete die Anzeige genauer. Anna hatte eine Notiz darauf geschmiert in ihrer unleserlichen Anwaltsschrift.

„Donnerstag anrufen bez. Bewerbung Posteingang“, murmelte Aron. Sie hatte sich beworben?! Arons Augen huschten hektisch über das Blatt Papier und fanden das, wovor er am Meisten Angst hatte: Eine Anschrift die von ihrem jetzigen Haus sehr weit entfernt war. Mit klopfendem Herzen legte er das Blatt zurück und verließ das Arbeitszimmer langsam mit bedächtigen Schritten. Er schloss die Tür hinter sich mit dem innigen Wunsch, dass diese Leute dort Anna nicht haben wollen würden.
 

Fast sekundengenau um 19 Uhr klingelte es an der Tür. Brians Mutter war schon halb auf dem Weg, als ihr Sohn hektisch an ihr vorbeistürzte und „Ich geh schon!“ rief. Sie seufzte und schüttelte verständnislos den Kopf.

„Überschlag dich dabei nicht Brian“, rief sie ihm hinterher. Das hörte er wahrscheinlich gar nicht mehr.

„Aha, du bist noch wach“, begrüßte Brian seinen besten Freund mit einem breiten Grinsen.

„Ja, aber einfach war es nicht“, bekam er als Antwort. „Wie komme ich zu der Ehre heute mal bei dir eingeladen zu sein?“

„Kann ich grad nicht laut sagen“, gab Brian zu und ruckte mit dem Kopf in Richtung Küche, wo ein Radio lief und Geschirr klapperte. Er wollte wohl darauf hinaus, dass seine Eltern ihn hören könnten.

„Heute so verklemmt, das kenn ich ja gar nicht von dir“, lästerte Aron und ließ sich von Brian mit nach oben in sein Zimmer zerren. Er konnte gerade noch ein „Hallo!“ in die Küche rufen.

„Meine Eltern verschwinden nachher“, erklärte Brian hastig und machte die Tür hinter ihnen zu. Er stellte sich davor, als wolle er sie bewachen und sah Aron an. „Das heißt wir haben unsere Ruhe für die ganze Nacht. Wir können machen, was wir wollen und so laut sein wie wir wollen.“

Aron zog die Augenbrauen hoch.

„Müssen wir denn laut sein?“ fragte er unschuldig.

„Ich weiß ja nicht, wie laut du bist“, Brians Grinsen ging praktisch von Ohr zu Ohr, „aber ich halte mich nicht gern zurück.“

„Reden wir eigentlich gerade aneinander vorbei? Was zum Teufel hast du vor? Und egal was es ist, ich brauche mehr Cola um durchzuhalten.“

Brian lachte.

„Okay, ganz ehrlich?“

„Ich bitte drum.“

„Ich habe geplant, dass ich dich verführe.“

Aron verdrehte die Augen. Das sollte er ernst nehmen? Unglaublich.

„Komm schon, sei nicht böse“, Brian kam auf ihn zu und blieb direkt vor Aron stehen, der die Arme verschränkt hatte. „Lass uns Filme gucken und einfach was trinken, ein bisschen Spaß haben, alles was du willst, okay?“

Aron sah ihn an und plötzlich fand er Brians Plan gar nicht mehr so schlecht. Er musste unwillkürlich lächeln.

„Du musst dich aber wirklich anstrengen, um mich rumzukriegen, sonst bin ich enttäuscht.“

„Aber erst, wenn die weg sind“, Brian deutete auf die Tür.

Eine halbe Stunde später war es dann endlich soweit. Sie hatten einen langweiligen Film angeschmissen, bei dem Aron fast einschlief als sie Schritte auf der Treppe hörten. Brians Vater kam herein. Aron musterte ihn neugierig. Von ihm hatte Brian nun wirklich nicht allzu viel geerbt. Brians Vater war groß, nicht sonderlich schlank, mit Neigung zu einem kleinen Bierbauch. Er trug einen Anzug mit Krawatte. Nur seine Augen blitzten verschmitzt, so wie die seines Sohnes.

„Brian wir sind dann jetzt weg. Wenn‘s brennt ruf die Feuerwehr ansonsten die Polizei und falls du Hunger hast versuch es lieber erst bei Pizza Hut.“

„Okay“, Brian zuckte mit den Schultern.

Brians Vater hob die Hand zum Gruß und verschwand wieder zur Tür hinaus. Man hörte noch etwas Schlüsselgeklapper und dann fiel die Haustür ins Schloss. Brian sprang auf, lief zum Fenster und beobachtete wie der VW Passat seiner Eltern vom Grundstück fuhr.

„Sturmfrei“, verkündete er. „Aufwachen.“

Aron streckte sich.

„Was hast du denn zu trinken anzubieten?“

„Leider nur Bier“, gab Brian zu und verschwand schon im Flur um es zu holen. Aron sah ihm nach, dann stand er auf, ging hinüber zum Fenster und ließ die bereits kühle abendliche Luft herein. Es roch ein wenig nach Regen. Er blickte in den Vorgarten hinunter, als Brians Handy auf dem Nachttisch zu klingeln begann. Verwirrt drehte er sich um, doch das Telefon schwieg bereits. Aron hätte auch gern ein Handy gehabt, aber seine Mutter hielt es für nutzlos. Schließlich war er ja noch Schüler. Brians Eltern sahen das scheinbar anders.

„Wer nervt?“ fragte Brian, als er mit zwei Flaschen gekühltem Bier wiederkam.

„Weiß nicht“, antwortete Aron.

„Guck mal bitte ich muss noch einen Flaschenöffner besorgen.“

Aron setzte sich auf Brians Bett und nahm das Handy in die Hand. Ein Symbol, das aussah wie ein Briefumschlag prangte auf dem kleinen Bildschirm. Aron starrte etwas verunsichert auf das kleine Telefon und fand dann den Knopf den er brauchte um die SMS zu lesen.

Hey Kleiner, war geil mit dir. Hoffe wir sehn uns bald wieder. Lex

Aron zog verwirrt die Augenbrauen hoch, las die SMS noch einmal und dann noch ein drittes Mal. So langsam dämmerte es ihm was er hier vor sich hatte. Eine Nachricht von einem One Night Stand von Brian. Er konnte es kaum glauben. Manche Jungs in ihrem Alter interessierten sich noch mehr für Videospiele als für Mädchen und Brian brachte es fertig völlig fremde Männer abzuschleppen, oder eher sich von ihnen abschleppen zu lassen.

„Oh ne, der schon wieder.“

Aron zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, wie Brian hinter ihm aufgetaucht war, den Flaschenöffner noch in der Hand, und die SMS ebenfalls las.

„Dein Lover?“ fragte Aron bemüht beiläufig.

„Mein Stalker“, gab Brian zurück und verzog das Gesicht. Er nahm Aron das Handy ab, legte es weg und schien damit das Thema für abgeschlossen zu halten. Das sah Aron anders.

„Woher kennst du den und wieso hat der deine Nummer?“ fragte er.

Brian sah ihn verwirrt an.

„Ich hab ihn auf dem Geburtstag von meinem Cousin kennengelernt. Es war stinklangweilig da und er war interessiert an mir. Deshalb haben wir uns dann verzogen und naja, den Rest kannst du dir ja denken. Meine Handynummer hab ich dem nicht gegeben. Er hat sie meinem Cousin aus dem Kreuz geleiert.“

Aron nickte.

„Habt ihr euch schon öfter getroffen?“

„Zwei Mal“, gab Brian zu. „Aber … du weißt wie ich zu Beziehungen stehe und er“ – dabei deutete er auf das Handy als wäre es dieser ominöse Lex höchstpersönlich – „will ne scheiß Beziehung.“

Aron schluckte und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte plötzlich Angst, Angst davor dass Brian mit irgendjemandem genauso über ihn reden könnte. Das war lächerlich, denn das zwischen ihnen war etwas Besonderes. Aber was, wenn Brian das nicht so sah?

„Hey!“ Brian fasste unter Arons Kinn und zwang ihn mit sanfter Gewalt ihn anzusehen. „Es gibt nur dich und mich, okay? Denk nicht darüber nach. Du hast versprochen, dass es dir egal sein wird mit wem ich rumvögel.“

„Ja“, sagte Aron schwach und trotzdem wühlte dieses komische Gefühl noch immer in seinem Magen herum. „Aber Brian, was ist das was wir jetzt haben?“

Brian seufzte.

„Wenn du einen Namen dafür brauchst, dann … dann nennen wir es eben offene Beziehung, okay?“

Aron nickte. Also doch eine Beziehung, auch wenn sie offen war und keiner von ihnen wusste wohin es sie führen würde. Brian lächelte ihn aufmunternd an und zog ihn mit sich aufs Bett, wo sie es sich gemütlich machen konnten.

„Brian?“ fragte Aron trotzdem nochmal.

„Was denn?“

„Du lässt mich nicht wieder allein, oder?“

„Tu ich nicht“, versprach Brian leichtfertig. Was sollte schon passieren?
 

Brian öffnete zwei Bier und Aron sah ihm dabei zu. Er fragte sich, was das werden sollte. Er war noch nie betrunken gewesen, doch gerade heute war ihm danach all seine Sorgen irgendwie zu ertränken. Er wusste noch nicht, dass diese miesen kleinen Dinger schwimmen konnten.

„Wir trinken Bruderschaft“, sagte Brian und bekam dafür nur einen verwirrten Blick. Er musste sich eingestehen, dass sein Cousin zu viele abartige Partys im Haus seiner Eltern veranstaltete zu denen Brian regelmäßig eingeladen war. Bis jetzt hatte Adam ja auch noch nicht mitbekommen, dass Brian regelmäßig mit einem der Partygäste verschwand. Nur deshalb war er bei diesen Veranstaltungen dabei. Alkohol und Sex, mehr war an diesen Partys doch nicht dran.

Brian grinste in sich hinein und gab Aron eine Flasche. Sie verschränkten die Arme so, dass sie beide trinken konnten. Aron verzog etwas das Gesicht.

„Wenn du genug davon trinkst schmeckt es irgendwann“, sagte Brian kichernd.

Aron lachte und wollte schon noch einmal ansetzen, als Brian ihn zurückhielt.

„Stopp, wir waren noch nicht fertig.“ Er legte seine Hand auf Arons Hinterkopf und zog ihn zu sich ran. Einen Moment lang sah Aron verwirrt aus, doch er begriff sehr schnell, was Brian vorhatte. Ihre Lippen trafen sich zum zweiten Mal, doch es war nicht weniger aufregend. Die Hitze, das Kribbeln, die Kopflosigkeit, alles war wieder da. Aron musste sich daran erinnern weiter zu atmen, als ihm langsam schwindelig wurde. Brian brach den Kuss ab und lächelte liebevoll.

„Wow, du bist gut. Hast du heimlich geübt?“ fragte er leise. Seine Stimme klang plötzlich so anders, so liebevoll so … anziehend.

„Ich hatte noch nicht so viel Gelegenheit zum üben“, gab Aron zurück, etwas verärgert darüber, dass er Brian nicht weiter küssen durfte.

„Trink noch was“, sagte Brian statt einer Antwort und wischte sich die Haare aus dem Gesicht.

Aron gehorchte, doch er konnte Brian nicht mehr aus den Augen lassen, der Aufstand und die Vorhänge an seinem Fenster zuzog. Ihm war warm geworden und das Bier, so kalt es auch sein mochte, machte das nicht besser. Brian drehte sich wieder um und sah ihn an.

„Du hast ja nicht die geringste Ahnung wie heiß du bist“, sagte er und Aron wurde rot.

„Erzähl mir doch nichts“, murrte er. „Komm wieder her.“

Brian war sofort wieder an seiner Seite.

„Wir haben die ganze Nacht Zeit“, dabei grinste er schelmisch und Aron wusste nicht ob er ihn schlagen oder küssen sollte. Nachdenklich nippte er wieder an dem Bier und stellte erschrocken fest, dass es fast leer war. Aron konnte sich nicht daran erinnern, wann er so viel Bier in sich hinein gekippt hatte.

„Hast du irgendwelche romantischen Vorstellungen von deinem ersten Mal?“ fragte Brian fast beiläufig. Aron dachte nach.

„Eigentlich nicht“, gab er zu.

„Sehr lobenswert. Romantische Vorstellungen sind fast genauso schlimm wie feste Beziehungen.“

„Warum hasst du das alles so sehr?“ wollte Aron wissen und angelte sich Brians Bier.

„Weil es unweigerlich zu Enttäuschungen führt. Ich will dich weder verlieren, noch will ich dich enttäuschen.“

„Dann solltest du mich küssen“, Aron fragte sich ob er das gerade laut gesagt hatte, doch Brians Reaktion ließ wohl keinen Zweifel daran. Er drückte Aron rücklings auf sein Bett. Die Bierflasche hatte er vorher bereits in Sicherheit gebracht. Seine warmen Lippen legten sich wieder auf Arons. Seine rechte Hand strich über Arons Hals, sein T-Shirt, legte einen kurzen Zwischenstopp an Arons Gürtel ein und fuhr dann langsam unter sein T-Shirt. Aufreizend sanft rutschte sie immer weiter hoch. Aron hatte das Gefühl sie war diesen Weg schon viel zu oft gegangen. Doch der Gedanke verflüchtigte sich allzu schnell wieder. Brians Küsse wurden so intensiv, dass für andere Gedanken schlichtweg kein Platz in Arons Kopf blieb. Brians Lippen lösten sich von seinen und wanderten seinen Hals hinunter. Aron konnte ein leises Stöhnen nicht mehr unterdrücken.

„Mach das nochmal“, hauchte Brian in sein Ohr.

„Niemals“, erwiderte Aron doch schon strichen Brians Lippen wieder über seinen Hals. Er biss sich auf die Unterlippe und trotzdem kam das Stöhnen wieder heraus.

„Das könnte ich die ganze Nacht hören“, Brian richtete sich leicht auf und sah Aron an. „Wollen wir es tun?“

„Ich weiß nicht“, gab Aron zu. Er wollte unbedingt, doch jetzt gerade schaltete sich sein Verstand wieder an und der war dagegen, hatte zu viel Angst vor dem ungewohnten Terrain.

„Ich seh schon, ich sollte lieber nicht fragen.“ Brian grinste und küsste Arons Nasenspitze. „Ich bin ganz vorsichtig versprochen.“

Er zog Arons T-Shirt aus und begann seine Brust zu küssen. Leckte zuerst vorsichtig über die Nippel, was Aron wieder süße Laute entlockte und biss dann sanft hinein. Er ließ kurz von Aron ab und zog sein eigenes Shirt aus. Es landete achtlos auf dem Boden.

I'll keep you safe tonight

Kapitel 3 I’ll keep you safe tonight
 

„Du schrecklicher Kerl“, murmelte Aron, schmiegte sich ganz entgegen seiner Behauptung aber noch enger an Brian. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken noch, ihm war heiß, doch er wollte die Wärme von Brians Körper nicht missen. Brian lachte leise und Aron fühlte wie seine Finger sanft durch sein Haar strichen.

„Wieso?“ wollte er schließlich wissen.

„Darum“, legte Aron einfach fest.

Er war müde und doch aufgekratzt, er fühlte sich schlecht und trotzdem euphorisch. Diese widerstrebenden Gefühle machten ihn komplett wahnsinnig. Er wollte es sofort noch einmal mit Brian tun, oder einfach schreiend davon laufen und nie wieder zurückkommen.

„Bist du glücklich?“ fragte Brian vorsichtig.

„Ja, nein, vielleicht – ah ich weiß nicht“, Aron setzte sich halb auf und sah auf Brian herunter, der verwirrt aussah.

„Küss mich“, verlangte Aron und fragte sich fast zeitgleich, warum er es nicht selbst einfach tat. Als ihre Lippen sich wieder voneinander lösten seufzte er erleichtert und gab Brian damit noch mehr Rätsel über seinen Zustand auf.

„Ich bin glücklich“, erklärte Aron schließlich, legte seinen Kopf an Brians Schulter und spürte wie sich die widerstrebenden Gefühle auflösten und nur noch die guten zurückblieben. So war es viel besser. Er konnte sich damit abfinden, was sie getan hatten, denn schließlich hatte es sich gut angefühlt. Er konnte sich auch damit abfinden schwul zu sein. Wer sollte ihm das verübeln? Seine eigene Mutter sicher nicht und das war doch das Beste daran.

„Ich auch“, sagte Brian leise.

Diese Erfahrung war ganz neu für ihn. Sich abschleppen zu lassen, ein bisschen Sex zu haben und danach einfach zu gehen gab einem vielleicht die körperliche Befriedigung, die natürlich nicht schlecht war. Aber jetzt hier liegen bleiben zu können mit einem Menschen den man nicht mehr hergeben wollte war viel vertrauter, viel schöner. Er hatte mit einem Mal gar kein Interesse mehr an irgendwelchen fremden Männern, die ihm noch vorher spannend erschienen waren. Hauptsache er konnte Aron immer und immer wieder haben.
 

„Hi“, Aron steckte seinen Kopf in die Küche wo Anna und seine Mutter saßen und über irgendwas zu grübeln schienen.

„Hallo Aron“, sagte seine Mutter etwas abwesend und sah schließlich doch hoch. Sie wirkte unentschlossen und ein wenig traurig.

„Alles okay?“ wollte Aron wissen und setzte sich zu den beiden Frauen an den Tisch. Einige Gesetzbücher stapelten sich dort und Annas Laptop stand herum. Sah nach einem gewaltigen Berg Arbeit aus, aber das war ja nichts Neues. Jedoch fielen Aron die Zettel vom Vortag wieder auf, die in ihm eine gewisse Übelkeit verursacht hatten. Die neue Stelle auf die sich Anna beworben hatte.

„War es schön bei Brian?“ wollte seine Mutter wissen und er nickte nachdenklich.

„Mama, ich bin schwul“, warf er schließlich völlig unerwartet in den Raum und beide Frauen sahen ihn einen Moment lang höchst verwirrt an. Keine hatte mit einer so prompten Aussage gerechnet.

„Ist doch super“, sagte Anna, die als Erste die Sprache wiederfand. Sie lächelte und schüttelte belustigt den Kopf.

„Bist du dir sicher, mein Schatz? Du musst das nicht, wenn du nicht wirklich davon überzeugt bist,“ warf seine Mutter besorgt ein.

„Klar bin ich sicher“, sagte Aron und strahlte sie an. „Ich bin dann oben.“

Sie nickte verwirrt und sah ihrem Sohn nach. Anna lachte hinter vorgehaltener Hand.

„Na, also von diesem Brian halte ich aber nicht so viel“, gab Arons Mutter zu und sah ihre Freundin fragend an.

„Jugendliebe“, sie wedelte mit den Händen durch die Luft. „Das vergeht ganz schnell wieder. Also soll ich den Job nun annehmen oder nicht?“
 

Aron schwebte irgendwo im siebten Himmel und merkte es nicht mal wirklich. Er glaubte einfach dieses Hochgefühl würde ab jetzt immer da sein. Er hatte Brian, was sollte schon noch schief gehen. Manchmal sah Brians Mutter ihn schräg an, aber eigentlich war sie nett. Sie lud Arons Mutter und Anna sogar zum Essen ein. Diesen Abend nutzten die Jungs natürlich ausschließlich für sich und verschanzten sich in Arons Zimmer. Brian spürte wie glücklich Aron war und deshalb war er es auch. Seine Euphorie steckte einfach an, er musste ihm nur in die Augen sehen. Sie verbrachten möglichst jede Minute des Tages miteinander, völlig losgelöst von ihrer Umwelt. Wie in einer großen Seifenblase, doch Seifenblasen hatten die Angewohnheit früher oder später zu platzen. Und so kam es dann auch.
 

„Aron, Aron warte mal“, rief seine Mutter kurz bevor er durch die Tür verschwinden konnte. Er hatte sich mit Brian verabredet, damit sie ihre Mathe Hausaufgaben zusammen machen konnten. So langsam verstand Aron zwar, was im Unterricht vor sich ging, aber trotzdem war das die Gelegenheit mit Brian zusammen zu sein.

Aron seufzte und machte die Tür wieder zu. Seine Mutter winkte ihn in die Küche und sie setzten sich zusammen an den runden Tisch, der gerademal Platz für 4 Leute bot. Mehr brauchten sie ja ohnehin nicht.

„Was gibt’s denn?“ fragte Aron, er war ein wenig ungeduldig, wollte seine Mutter aber nicht verärgern.

„Wir werden bald wieder umziehen müssen“, sagte sie und sah ihn mit einem Blick an, der irgendwie bedauernd und entschuldigend gleichzeitig war. Aron bemerkte das gar nicht. Sein Magen hatte gerade einen solchen Absturz erlebt, dass er sich zusammenreißen musste sich nicht mitten auf den Tisch zu übergeben.

„Was?“ fragte er heiser. Ihm wurde furchtbar heiß, als hätte man ihm geschmolzenen Stahl in den Magen gegossen. Umziehen bedeutete nichts anderes, als das er Brian bald nie wieder sehen würde und das durfte einfach nicht wahr sein.

„Es tut mir leid, Schatz“, sagte seine Mutter und seufzte dabei. Sie meinte es scheinbar ernst, doch das war für Aron nicht der geringste Trost.

„Ich muss weg“, sagte er, sprang auf und stürmte zur Tür hinaus. Niemand hielt ihn auf.

Arons Füße trugen ihn geradewegs zu Brian, während es in seinem Kopf summte wie in einem aufgebrachten Bienenstock. Wut und Trauer wechselten sich in atemberaubender Geschwindigkeit ab und er schaffte es nicht auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, bevor er in Brians besorgte Augen blickte.

„Wir ziehen weg“, sagte er und starrte Brian an, als müsse er sich seine Gesichtszüge noch einmal besonders gut einprägen.
 

„Das geht nicht“, sagte Brian wahrscheinlich zum hundertsten Mal und doch änderte er damit rein gar nichts. Natürlich ging das. Schließlich war es bereits beschlossene Sache, ohne das Aron die Gelegenheit gehabt hatte dagegen zu protestieren. Ihm war immer noch furchtbar übel. Er sah sich bereits wieder allein und furchtbar einsam durch die Flure einer fremden Schule schleichen, den Hass der anderen immer auf den Fersen, auch wenn sie ihre Abneigung nicht einmal begründen konnten. Neid, sagte seine Mutter immer, aber mit diesen ständigen Umzügen tat sie ihm das ein ums andere Mal wieder an. Brians Zimmer verschwamm vor seinen Augen. Sofort schlangen sich Brians Arme um ihn, wollten ihn trösten, doch es tat nur noch mehr weh zu wissen, dass es schon bald keinen Trost mehr gab. Wieder allein.

„Ich besuch dich, so oft wie ich kann“, versprach Brian leichtfertig.

Am nächsten Tag bekam Brian einen Zettel von Aron auf dem die neue Adresse stand. Von dem Ort hatte er noch nie gehört und das machte ihm nicht gerade Mut. Er verstaute den Zettel unter der Akkuklappe seines Handys, damit er ihn nicht in seinem Zimmer verlegen konnte.

Eine Woche später, erfuhr Brian, dass auch seine Eltern planten umzuziehen. Einen Moment schöpfte er die irrsinnige Hoffnung, dass er und Aron vielleicht in dieselbe Gegend ziehen würden, doch das war natürlich nicht so. Aron hatte seine Handynummer, eine Adresse war also unnötig, ganz davon abzusehen, dass Brians Eltern ihm noch keine nennen konnten.

„Ich ertrag das nicht“, sagte Aron und ließ sich auf dem Boden in seinem bereits ausgeräumten Zimmer fallen. Brian sah ihn traurig an. Draußen standen die Umzugswagen und Arons Mutter mit Anna. Sie packten die letzten Kleinigkeiten in ihr Auto.

„Scheiße“, murmelte er leise.

„Ich will nicht weg“, Aron schien mehr mit sich selbst zu reden, als mit Brian. Diese Situation war so schreiend ungerecht. Brian sah aus dem Fenster und beobachtete Arons Mutter und Anna. Die beiden wussten offenbar was sie hier taten und doch ließen sie es geschehen. Anna nickte mit dem Kopf in Richtung des Hauses und Arons Mutter schüttelte den Kopf. Anna seufzte. Brian hätte zu gern gehört, was sie sagten.

„Wir sehen uns bald wieder“, versprach Brian und versuchte Aron damit irgendwie aufzumuntern, obwohl ihm selbst hundeelend war. „Du hast meine Handynummer und ich deine Adresse. Wenn ihr euer Festnetz eingerichtet habt, rufst du mich einfach an. Wir können jeden Tag telefonieren.“

„Ja“, sagte Aron und seufzte. „Trotzdem …“

„Und sobald Ferien sind, besuch ich dich, okay?“ Brian holte noch das letzte bisschen Optimismus aus sich heraus, doch Aron entlockte das nur ein schiefes Grinsen.

„Küss mich“, sagte er und sah Brian ein wenig flehend an. „Ich werd dich vermissen.“

„Ich dich auch. Ruf mich an sobald du kannst, okay?“

„Versprochen.“

Sie küssten sich ein letztes Mal und Brian zog Aron vom Boden hoch. Zusammen verließen sie das Haus und trafen unten auf Anna, die etwas ungeduldig war, es aber nicht richtig zeigen wollte.

„Kann’s los gehen?“ fragte sie bemüht fröhlich.

Aron sah sie böse an. Sie hatte einiges bei ihm wieder gutzumachen. Aron stieg zu seiner Mutter ins Auto und sah sich nicht mehr um. Brian sollte nicht sehen, dass ihm die Tränen in die Augen gestiegen waren.

„Mach’s gut Brian“, sagte Anna noch und stieg dann auch ein. Brian schwieg und starrte dem Wagen noch hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war.

Sie würden sich schon bald wiedersehen. Schließlich war ja niemand gestorben. Trotzdem war ihm übel. Er kramte sein Handy aus der Tasche. Das SMS Zeichen blinkte. Eine Einladung von seinem Cousin zu einer Party. Dieser hohle Schnösel. Brian überlegte einen Moment, sagte dann aber zu. Es würde schon alles gut werden.
 

Die Party war schon feuchtfröhlich, als Brian ankam. Der erste betrunkene Idiot fiel ihm entgegen, als er zur Terrassentür hereinspazierte. Sein Cousin saß auf der Couch im Wohnzimmer und drehte eine Zigarette. Nein, es war doch ein Joint. Brian ließ sich neben ihm nieder und beobachtete ihn bei seiner konzentrierten Tätigkeit.

„Jo, Bro, was geht?“ fragte Adam und hielt sein fertiges Werk in die Höhe.

„Nichts geht“, sagte Brian. „Brauchst du Feuer?“

Adam nahm dankbar das Feuerzeug an, das Brian ihm reichte und zündete den Joint an.

„Wie alt warst du noch?“ fragte er Brian und betrachtete ihn kritisch.

„Fünfzehn, Junge“, sagte Brian ungeduldig. Adam nickte und reichte Brian den Joint.

„Das is richtig guter Stoff, glaub‘s mir.“

„Sicher“, Brian nahm zwei Züge und reichte ihn Adam dann zurück. Er fühlte sich immer noch wie von einem Klavier erschlagen. Dieses drückende Gefühl auf seinem Magen wollte nicht weichen und er hoffte die Drogen würden das zumindest zeitweilig in den Griff bekommen. Als er das letzte Mal von Adams Joint probiert hatte, hatte er die halbe Nacht über dem Klo gehangen, aber was machte das schon?

„Bier is im Kühlschrank.“

Brian nickte. Dann würde er wohl mal schauen, ob davon überhaupt noch etwas übrig war. Als er den Kühlschrank erreichte bestätigten sich seine Befürchtungen.

„Junge das Bier is alle“, sagte jemand, der an ihm vorbei torkelte.

Brian seufzte. Das konnte ja nur besser werden. Er öffnete den Kühlschrank und sah, dass der Fremde recht gehabt hatte. Nur eine halbe Flasche Wodka lächelte ihn an. Besser als nichts, dachte Brian und nahm sie mit.

Trotz allem wollte bei Brian nicht die geringste Freude aufkommen. Er ließ die leere Flasche irgendwann bei Adam auf dem Tisch stehen. Sie hatten brüderlich geteilt, doch gefragt hatte Adam zum Glück nicht, warum Brian so mies drauf war. Trotzdem betrunken verließ Brian das Haus seiner Tante und machte sich allein auf den Heimweg. Er zog sein Handy aus der Tasche und fragte sich, warum zum Teufel Aron keines hatte. Er wollte jetzt mit ihm sprechen, doch es ging einfach nicht.

„Scheiße“, fluchte er und lehnte sich an ein Geländer. Er bemerkte kaum, dass er schon am Fluss war, fast zu hause. Hier hatte er ab und zu mit Aron gestanden und beobachtet, wie die Wassermassen unter der Brücke sich dahinwälzten. Das Ordnungsamt hatte ein Schild aufgestellt: Nicht Springen. Lebensgefahr! Bei der Strömung, kein Wunder.

Brian blickte hinunter auf das pechschwarze Wasser und seufzte, das Handy noch immer in der Hand. Es war alles so scheiße und so erbärmlich. Warum hatte er sich auf so was eingelassen? Doch dann musste er an Arons Augen denken, an seine Stimme und sein Lachen und ihm wurde vor Trauer so übel, dass er am liebsten in den Fluss gesprungen wäre.

„Scheiße“, wiederholte er und in dem Moment rutschte das Handy aus seinen Fingern. Der Schock war so groß, dass Brian sich augenblicklich nüchtern fühlte. Das Handy knallte auf das Geländer, prallte wie ein Gummiball daran ab und rauschte in Richtung der Fluten bevor Brian auch nur die Hand ausgestreckt hatte. Er konnte ein leises Plopp hören. Dann wurde ihm klar, was gerade passiert war.

Sein Handy war weg. Mit ihm Arons Adresse und der einzige Weg auf dem Aron ihn noch erreichen konnte. Übermorgen würden die Umzugswagen kommen. Er hätte schreien können.
 

„Schwuchtel!“

Aron erschrak und drehte sich hastig um. Ein Junge kam um die Ecke gerannt. Er wirkte sehr gehetzt und als er Aron sah bremste er kräftig ab, um nicht mit ihm zusammen zu rennen. Einige Sekunden blickten sie sich verwirrt an. Aron sah goldbraune Augen, bis sie ganz plötzlich verschwunden waren. Hinter dem Jungen waren zwei weitere aufgetaucht. Sie packten ihn an den Armen und schleuderten ihn zu Boden.

„Na du Schwuchtel, gefällt dir das?“

Der Junge mit den goldbraunen Augen versuchte sein Gesicht in Sicherheit zu bringen. Arons Herz pochte wütend und ängstlich gegen seine Rippen, während er die Hände in sein neues Mathebuch krallte.

„Jungs“, sagte er, bemüht seiner Stimmen einen gelangweilten Klang zu geben. Es klang nicht mal wie seine eigene Stimme und wurde ihm von Mal zu Mal unheimlicher. Er ekelte sich vor sich selbst.

„Aron, schau mal wie die Schwuchtel sich wehrt!“ einer der Verfolger lachte während er dem Gejagten seine Faust in den Magen rammte. Sein Name war Jake. Aron hasste ihn. Jake wusste das nicht. Manchmal hatte Aron Angst vor ihm und das nicht ohne Grund. Er glaubte das Jake etwas geistig gestört war. Der Gejagte hieß Benjamin. Alle nannten ihn nur Benji, oder Schwuchtel. Aron hatte an seinem ersten Tag hier gelernt, dass man nicht dazu stehen sollte, wer man war, wenn einem die Gesundheit lieb war. Dafür hasste er sich beinahe selbst.

„Jake, Jake“, sagte der Dritte im Bunde, sein Name war Don. Er war nicht ganz so gestört und er hatte Aron zumindest an seinem ersten Tag davor bewahrt direkt von Jake verprügelt zu werden. Warum auch immer. Aron war ihm dankbar dafür. Er glaubte, dass in Don mehr steckte als ein dummer Schläger.

„Jake, da kommt wer.“

Jake schaute auf wie ein Wiesel, das den Feind wittert und ließ von Benji ab. Er und Don rannten so schnell wie sie gekommen waren davon und ließen Aron mit Benji allein zurück. Aron sah ihnen nach, wartete bis sie absolut außer Sicht und Hörweite waren und wandte sich dann zu dem goldäugigen Jungen um. Dieser zuckte zusammen und schlug wieder die Arme vor das Gesicht. Aron warf noch einen Blick über die Schulter und kniete dann neben ihm nieder.

„Gleich kommt jemand“, sagte Benji panisch.

„Es kommt niemand“, manchmal fiel es Aron schwer seine seelenlose Stimme wieder abzustellen. Er räusperte sich. Benjamins Unterlippe blutete. Aron seufzte.

„Verschwinde! Es kommt bestimmt gleich jemand!“ jammerte Benji weiter und Aron schüttelte den Kopf. Er zog ein sauberes Taschentuch aus seiner Umhängetasche und reichte es dem Verletzten. Es dauerte eine Weile bis dieser das bemerkte und Aron unsicher anstarrte, bevor er endlich die Arme herunter nahm.

„Nimm schon“, sagte Aron und sah weg. Ihm war noch immer übel und er hatte Angst Jake könnte zurückkommen. Außerdem wäre es nicht wirklich gut, wenn Benji seine wahren Gefühle erkannte. Er könnte auf die dumme Idee kommen mit jemandem darüber zu reden und selbst wenn es nur ein Gerücht war, wäre Aron sofort geliefert. Er hasste sich für seine Feigheit.

Benji sah ihn forschend an und jetzt hätte Aron ihn auch gern verprügelt, auch wenn er schon blutete. Vielleicht wäre das eine gute Idee um in Jakes Ansehen zu steigen und keine Angst mehr vor seinen Ausflüchten haben zu müssen.

Zögernd griff Benji nach dem Taschentuch, als hätte er gemerkt, dass Aron kurz davor stand ihn doch zu schlagen.

„Danke“, sagte er leise.

„Du solltest dich nicht bei mir bedanken“, sagte Aron und sah ihm in die Augen. Das schaffte er nur kurz. Er schämte sich zu sehr. Er hätte ebenso gut an Benjis Stelle sein können, ohne dass ihm jemand wenigstens ein Taschentuch reichte.

„Was ist mit deinem Arm passiert?“

Aron zuckte ertappt zusammen. Sein Ärmel war hochgerutscht und entblößte die Schnitte auf seinem Unterarm. Ohne es zu wollen holte er aus und schlug Benji ins Gesicht. Er gab nicht einmal einen kleinen Schmerzensschrei von sich. Wahrscheinlich war er Schlimmeres gewohnt.

„Ein Wort und ich jag dir Jake auf den Hals, bis er dich kalt macht!“ fauchte Aron. Er war so wütend. Eigentlich hätte er niemals so etwas gesagt. Wenn Brian ihn so sehen würde. Doch Brian war weit fort und unerreichbar. Die Handynummer gab es nicht mehr, das Haus stand leer. Brian war weg. Aron verstand nicht warum, er spürte nur noch Schmerz und Wut in diesem Augenblick. Benjis Augen waren riesengroß geworden vor Angst. Aron wandte sich ab und rannte davon. Es wäre besser tot zu sein, als hier.

„Alter, man, hast du gesehen wie der geflennt hat.“

Aron fand sich auf dem Schulhof wieder, nicht weit weg von Jake und Don. Sie wurden auf ihn aufmerksam. Jake war noch ganz aufgekratzt von der Gewalt, die er verbreitet hatte. Nichts machte ihm mehr Spaß. Aron begann sich wieder zu ekeln und er begriff was er gerade getan hatte. Von der Wut blieb nur die Übelkeit.

„Hey, wo warst du man. Haben sie dich erwischt, man?“ Jake kam auf ihn zu und schlug ihm auf die Schulter. Aron verschränkte fest die Arme vor der Brust.

„Fast“, log er.

Jake lachte. Wieso zog niemand solche Menschen aus dem Verkehr? Aron zupfte an einer Haarsträhne, die ihm ins Gesicht hing. Sein Blick fiel auf Don. Manchmal hatte Aron das Gefühl, Don würde ihn heimlich beobachten. Das musste er sich jedoch einbilden.

„Was machen wir jetzt?“ fragte Jake. Er hatte sich noch immer nicht beruhigt.

„Höchste Zeit sich zu verpissen“, sagte Don und Aron musste ihm zustimmen. Seine Mutter fragte sich sicherlich schon wo er blieb. Dabei hatte er eigentlich nur schnell sein Mathebuch im Schließfach verschwinden lassen wollen. Dazu war er allerdings nicht gekommen.
 

Brian sah sich um. Er konnte seinen Augen noch nicht ganz trauen. Überall waren Jungs. Ausschließlich. Das allein fand er schon ziemlich schwul. Aber die Regenbogenfahne über dem Rednerpult auf der Bühne war noch viel schwuler. Er hatte die Schulaula in einem Strom anderer Schüler betreten. An der Tür wurden per Los Zettel mit Nummern verteilt und so dauerte es eine Weile bis alle drin waren. Brian warf einen Blick auf seinen Loszettel. Sechsundsiebzig war seine Nummer. Er ließ sich auf den erstbesten leeren Stuhl fallen und seufzte. Nach dem Umzug war seine Mutter mit dem Prospekt gekommen. Sie hatte gemeint er sähe traurig aus und ob ihm das nicht gefallen würde. Brian hatte sich daraufhin beworben. Erst glaubte er, es wäre nur ein Scherz. Ein Internat für Schwule? Doch es hatte sich als Wahr herausgestellt und jetzt war er hier. Wie gerne hätte er Aron bei sich gehabt. Wo er jetzt wohl war? Ob es ihm dort gut ging? Er seufzte.

„Hey“, jemand setzte sich neben ihn auf den nächsten freien Platz. Aus dem Augenwinkel hielt Brian ihn für Aron und fuhr erschrocken herum. Es war selbstverständlich nicht Aron, doch der fremde Junge sah ihm ziemlich ähnlich.

„Hab ich dich erschreckt?“ fragte er schuldbewusst.

„Nein, schon okay“, log Brian.

„Du hast eine Sechsundsiebzig“, stellte der Junge fest und lächelte. Irgendwie niedlich. „Ich hab auch eine. Dann sind wir wohl Zimmernachbarn. Ich bin Tovey und du?“

So viel Information. Brian brauchte einen Augenblick, um alles zu verarbeiten.

„Ich bin Brian.“

Tovey lächelte immer noch wie eine schwule Barbie. Brian fand ihn süß, doch er hatte den Verdacht, dass Tovey grad dabei war sich in ihn zu verknallen und das durfte auf gar keinen Fall passieren. Deshalb wandte er sich ab und tat als wäre Tovey gar nicht mehr da. Wieso bildete er sich eigentlich ein, dass der erstbeste gleich scharf auf ihn war? Brian seufzte wieder. Er wollte jetzt am liebsten allein sein, so wie die letzten Wochen auch. Er spürte einen Kloß in seinem Hals brennen. Bloß nicht jetzt.

„Alles okay?“ fragte Toveys Stimme und er legte ganz vorsichtig eine Hand auf Brians Arm.

„Lass mich in Ruhe, okay?“

Die Hand wurde zurückgezogen und Brian konnte den Kloß herunterschlucken. Nichts würde wieder gut werden. Er vermisste Aron immer noch, auch wenn es aussichtslos war zu hoffen, dass er ihn jemals wiedersah.

Brian musste ziemlich schnell feststellen, das Tovey recht hartnäckig war. Sie hörten sich eine kleine Ansprache des Schulleiters an, eines gewissen Herrn Blecket, doch Brian bekam gar nicht mit worüber er eigentlich redete. Er starrte auf den Stuhl der vor ihm stand. Ein braunhaariger Junge saß dort, er sah ein bisschen aus wie ein Beach Boy, doch Brian hatte sich nicht lange damit befasst. Er bemerkte auch nicht, dass Tovey ihn hin und wieder besorgt ansah. Als alle aufstanden, erhob er sich auch und folgte der Masse in ein anderes Gebäude. Tovey war immer noch an seiner Seite, als wäre er ein gutaussehender Schatten, doch er schwieg. Jemand erklärte ihnen den Weg zu ihrem Zimmer und nun blieb Brian nichts anderes übrig, als Tovey hinterherzulaufen. Schließlich hatten sie dieselbe Nummer gezogen. Vor einer dunklen Holztür blieb Tovey stehen und hielt ein Schlüsselbund hoch. Drei Schlüssel baumelten daran, auf jeden war die Zimmernummer eingraviert. Gut. Brian glaubte nicht, dass er sie sich sonst gemerkt hätte.

„Wir sind scheinbar nicht vollzählig“, sinnierte Tovey, statt endlich die blöde Tür aufzuschließen und Brian seufzte. Er hätte nicht gedacht, dass seine Depressionen ihn gerade hier so heftig wieder einholen würden.

„Vielleicht ein Ersatzschlüssel“, Tovey schien öfter laut zu denken, doch wenigstens schloss er jetzt auf und trat ein. Brian sah das Zimmer nicht einmal richtig, er trat einfach ein und setzte sich auf das nächstbeste Bett. Tovey zuckte mit den Schultern, löste einen Schlüssel von dem Bund und legte ihn auf den Nachttisch mit der kleinen Stehlampe neben Brians neuem Schlafplatz. Brian rang sich ein leises „Danke“ ab.

„Hi“, der braunhaarige Beach Boy der vor Brian in der Aula gesessen hatte trat ein. Tovey begrüßte ihn freudig und sie stellten sich vor. Er hieß Billy. Er war der dritte im Zimmer.

Something more

Kapitel 4 – Something more
 

Tovey wirkte etwas verstört. Er wedelte mit den Händen als wüsste er nicht, was er sonst mit ihnen tun könnte und blickte zu Billy rüber. Zumindest lachte er nicht. Nein, er sah sogar ziemlich mitleidig aus. Und doch saß er nur da, sah Brian mit leicht schiefgelegtem Kopf an und tat rein gar nichts. Tovey hätte zu gern etwas getan, doch ihm wollte nichts einfallen, denn er hatte ja nicht die geringste Ahnung was überhaupt mit Brian los war.

Er lag, das Gesicht nach unten auf die Arme gebettet, auf seinem neuen Bett und zitterte, als wäre ihm kalt. Noch nie hatte Tovey jemanden so erlebt. Brians Hände waren verkrampft und er schluchzte hin und wieder herzzerreißend. Es sah aus, als wolle er sich selbst in dieser Position ersticken. Tovey wurde angst und bange.

„Brian“, sagte er vorsichtig. Er traute sich endlich und legte eine Hand auf Brians Rücken. Er meinte zu spüren, dass die Haut unter dessen T-Shirt förmlich glühte. „ Was ist denn los?“

Billy zog die Augenbrauen zusammen, als glaube er nicht, dass Tovey gerade auf dem richtigen Weg war. Damit sollte er wohl Recht behalten. Brian fuhr hoch.

„Lass mich endlich in Ruhe, okay?“ brüllte er und war in der nächsten Sekunde zur Tür heraus verschwunden. Tovey sah aus als hätte er einen Geist gesehen.

„Sorry“, murmelte er mehr zu sich selbst, denn Brian war längst weg.

Billy schüttelte mit dem Kopf.

„Du stehst wohl auf ihn“, stellte er fest und lehnte sich zurück. Er ließ seinen Blick zur Tür schweifen, die jetzt Sperrangelweit offen stand. Tovey prustete entsetzt.

„Wie kommst du denn darauf?“ fragte er.

„Kommt mir einfach so vor“, gab Billy zurück. „Du scheinst heute außerdem schon sehr anhänglich gewesen zu sein, wenn ich mir seine Reaktion so anschaue.“

Beleidigt stand Tovey auf und wandte sich seinen Koffern zu. Jedoch warf er noch einen mehr als besorgten Blick zur Tür zurück, durch die Brian verschwunden war. Er hätte so gern etwas getan.
 

Brian rannte ziemlich blind, stolperte eine Treppe herunter und fand sich in einem regelrechten Wirrwarr von Gängen wieder. Verzweifelt stürzte er einen der Gänge entlang und fand wieder eine Treppe. Er hatte das Gefühl jeden Moment zerrissen zu werden. Einfach alles tat ihm weh, jeder Atemzug und jeder Herzschlag. Er dachte darüber nach, ob es nicht besser wäre das zu beenden und wünschte sich nur noch tot zu sein. In seinem Wahn stolperte er auf einer Stufe und fiel. Einen Moment lang glaubte er, dass sein Wunsch jetzt sofort erhört worden war, dass er fallen und sich das Genick brechen würde, doch es kam anders. Jemand fing ihn auf und fluchte.

„Scheiße, verdammte … pass doch auf man ehrlich, ey …“

Brian fing sich wieder und sah sich einem Jungen gegenüber der fast genauso elend aussah wie Brian sich fühlte. In diesem Moment nahm er zum ersten Mal wahr, dass er sich wie ein Irrer aufführte.

„Tut mir leid“, nuschelte er.

„Alles okay bei dir?“ der fremde Junge sah weg, als er die Frage stellte, doch Brian hatte längst gesehen, dass auch er geheult haben musste.

„Mindestens so wenig wie bei dir“, sagte er deshalb.

„Alter, fick dich“, der fremde Junge musste lachen. Das Lächeln stand ihm viel besser, fand Brian und wischte schnell die Tränen von den nassen Wangen.

„Brian“, stellte er sich dann vor.

„Elya“, sagte der andere und seufzte.

„Was ist los?“ wollte Brian wissen.

„Warst du schon mal völlig unfreiwillig eine Ewigkeit von jemandem getrennt, den du liebst?“ wollte Elya wissen.

„Gerade jetzt“, antwortete Brian ungewollt ehrlich.

„Dann kennst du ja die Antwort.“

„Verstehe.“

Elya lächelte traurig und legte eine Hand auf Brians Wange.

„Du kannst mich ja später trösten kommen, wenn du Lust hast.“
 

Verwirrt blieb Brian auf der Treppe zurück und starrte auf den Boden vor sich. Elya war längst weg, doch noch immer war er furchtbar verwirrt. Erschöpft ließ er sich auf der Stufe nieder. Nachdem Elya das gesagt hatte, hatte er Brian geküsst und war dann gegangen. Brian konnte den Kuss noch spüren. Er hatte ihn an Aron erinnert, so sehr, dass er fast wieder den Verstand verlieren wollte. Brian hatte sich geschworen, dass er sich nicht mehr verlieben würde, denn diesen Schmerz konnte er unmöglich ein zweites Mal ertragen. Doch er glaubte nicht, dass er Elya liebte. So hatte es sich nicht angefühlt. Nur sein Angebot war mehr als verführerisch. Er bereute es fast, dass er Elya nicht sofort gefolgt war. Wie sollte er ihn denn jetzt wiederfinden in diesem Ungetüm von Wohnheim. Brian zweifelte selbst daran, dass er sein eigenes Zimmer wiederfinden würde, wo Tovey und Billy warteten und ihn verwirrt anstarren würden. Eigentlich wollte er dieses Zimmer gar nicht wiederfinden.
 

Es klingelte an der Haustür, als Aron gerade mit dem Essen fertig war. Er seufzte und befürchtete, dass es Jake und Don waren, die vor der Tür standen um ihn abzuholen. Eines ihrer größten Hobbies war es abends umherzustreifen und jüngere Schüler oder Kinder zu tyrannisieren. Arons Mutter stand auf und ging hin.

Er hörte ihre Stimme leise im Flur und eine andere, die weder Jake noch Don gehörten. Verwirrt blickte er über die Schulter zur Küchentür. Anna blätterte in einer Fachzeitschrift und schien sich nicht für den späten Besuch zu interessieren. Arons Mutter kam zurück.

„Ein Freund von dir Aron.“

Aron hatte nicht die geringste Ahnung, wer das sein sollte und rannte in den Flur um es herauszufinden. Doch kaum dass er den Besucher erblickte blieb er wie angewurzelt stehen. Es war Benji. Aron wusste nicht was er sagen sollte und starrte den Jungen mit den goldenen Augen nur an.

„Hi Aron“, sagte Benji langsam. Es schien ihn viel Mut zu kosten, denn er wirkte leicht atemlos. In Arons Kopf überschlugen sich die Gedanken.

„Was …?“ mehr kam nicht heraus, als er den Mund öffnete. Wie Benji ihn wohl gerade erlebte? Ob er aussah wie Jake in diesem Moment, wie ein geistesgestörter homophober Schläger. Völlig unberechenbar und chronisch aggressiv.

„Rein“, sagte Aron, trat hastig zur Tür, zog Benji herein und warf einen Blick die Straße hoch und runter. Niemand war zu sehen. Schnell schloss er die Tür. „Wir gehen hoch!“ rief er in die Küche und zerrte Benji hinter sich her, der noch nicht wusste was gerade mit ihm geschah. In Arons Zimmer angekommen knallte der seine Tür zu.

„Was willst du hier?“ fragte er mühsam beherrscht. Am liebsten hätte er laut geschrien, doch er wollte auf keinen Fall, dass seine Mutter oder Anna etwas mitbekamen.

Benji verschränkte die Arme, als müsste er hinter dieser Barriere seine Kräfte sammeln und begann dann etwas kleinlaut.

„Ich glaube, dass du gar nicht so bist wie du immer tust“, er machte eine Pause und atmete etwas zu schnell. Er war offensichtlich sehr nervös. „Du tust dir selber weh … warum?“

„Was geht es dich denn an?“ zischte Aron wütend. Er fühlte sich Benji überlegen, solange der nervös war.

„Wie gesagt du bist nich der, für den dich alle halten sollen. Stimmt’s?“

Benji löste seine verschränkten Arme.

„Ich hab mich von Anfang an gewundert. Als du den ersten Tag an die Schule kamst, warst du ganz anders, aber dann kam Jake und wollte dich verprügeln und in dem Moment bist du selbst zum Arschloch geworden um vor ihm sicher zu sein, oder?“

Benji wurde mutiger und das passte Aron gar nicht. Doch er wusste nicht, was er sagen sollte.

„Am Anfang dachte ich, dass du irgendwie schwul bist. Ich war mir sicher das erkannt zu haben, doch ganz plötzlich passte nichts mehr zusammen. Du hast dich einfach mit diesen Schlägern zusammengetan, nur um in Sicherheit zu sein, oder? Stimmt das?“

Aron schwieg.

„Ich habe dein Gesicht gesehen heute. Du bist geblieben, obwohl sie geflohen sind. Du wusstest dass kein Lehrer kommen würde. Du hast mir sogar ein Taschentuch gegeben und gesagt ich solle mich lieber nicht bei dir bedanken. Warum nicht? Komm schon, sag was!“

Arons Herz hämmerte in seiner Brust und er brachte kein Wort raus. Benji hatte ihn durchschaut. Er hatte ihn völlig unterschätzt.

„Ich habe Recht, oder? Du streitest es nicht mal ab! Du hättest mich längst schlagen können, so wie heute Nachmittag. Bitte sag mir, dass es stimmt, was ich gesagt habe. Ich muss es wissen! Ich werde niemandem davon erzählen.“

„Es stimmt“, hörte Aron sich flüstern. Er ließ sich auf den Boden nieder und lehnte den Kopf an seinen Bettpfosten. Jetzt war es raus. Das machte ihm Angst, aber es war auch irgendwie erleichternd.

Benji kam zu ihm gerannt und ließ sich vor ihm auf die Knie fallen.

„Du Feigling!“ schimpfte er wütend. „Du machst dich doch selbst ganz krank!“

„Das kann dir doch egal sein.“

„Ist es aber nicht!“ Benji griff nach Arons Schultern und schüttelte ihn leicht. Arons Blick blieb an seiner aufgeplatzten Lippe hängen. Er musste an Jakes Gesicht denken, wie zufrieden er war, wenn er jemanden verletzt hatte und wie aufgekratzt. Aron stöhnte, als hätte er schmerzen.

„Raus hier, sofort. Verschwinde! Los doch!“ Er stieß Benji von sich und deutete in Richtung Tür.

„Tu das nicht, Aron!“ Benjis Augen blickten ihn flehend an. Das taten sie jedes Mal. „Ich werde deinen Eltern alles erzählen, alles!“
 

„Komm mal mit!“ Don sah Aron dabei gar nicht an sondern stieß ihn nur von der Schar der anderen Schüler weg. Etwas abseits stand Benji und starrte ihn wütend an. Er war heute etwas zu mutig und Aron befürchtete, dass das schlimm enden würde.

„Was ist?“ fragte er barsch.

„Warum glotzt die Schwuchtel heute so?“ wollte Don wissen, als sie so abseits standen, dass niemand sie mehr hörte. „Jake wird bald ausrasten.“

„Ich weiß“, sagte Aron gleichgültig. Grad so, als würde es ihn nicht im Mindesten interessieren.

„Du hast noch nie gesehen wie Jake ausrastet“, fügte Don hinzu und er sah dieses Mal nicht besonders begeistert aus. Aron sah ihn zweifelnd an. Jemand boxte Aron schmerzhaft gegen den Arm. Er wollte schon zu einer Beleidigung ausholen, als er Jakes Gesicht sah.

„Heute Nachmittag is die Schwuchtel so richtig fällig“, sagte er und warf giftige Blicke zu Benji rüber. Don verdrehte die Augen und verschränkte die Arme, doch Jake fiel es scheinbar gar nicht auf. „Nach der letzten Stunde werden wir ihm folgen man, wenn dann keiner mehr zu sehen ist, wird er sein blaues Wunder erleben. Ich schwör’s euch.“

„Ich weiß nicht …“, fing Aron an, doch Don Stieß ihm schmerzhaft in die Rippen.

„Klappe, Weichei“, zischte er, doch sein Blick sagte etwas anderes.

„Fick dich.“ Aron drehte sich angewidert um, damit weder Don noch Jake in seinem Gesicht lesen konnten.

„Gleich nach Unterrichtsschluss!“ zische Jake ihm ins Ohr. Seine Stimme zitterte ekelerregend. „Wehe du bist nich da, Alter! Sonst bist du nämlich zuerst fällig!“
 

Als Elya am nächsten Morgen in der Mensa an dem Tisch vorbeikam, an dem Brian mit seinen Zimmernachbarn saß huschte ein laszives Lächeln über seine Lippen. Brian bemerkte kaum, wie er es mit einem noch viel anzüglicherem Blick erwiderte. Tovey sehr wohl.

„Wer ist das?“ fragte er sofort und riss Brian damit zurück in die Realität.

„Elya“, antwortete er einsilbig. Tovey war damit eindeutig nicht besonders zufrieden, deshalb setzte Brian einen nach, in der Hoffnung er würde Tovey damit genug Stoff geben nachzudenken und solange zu schweigen. „Wir hatten gestern Abend Sex.“

Billy hustete künstlich und Tovey war wirklich einen Moment lang sehr still.

„Danke sehr“, sagte Billy. „Ich bin dann erstmal satt.“

Brian lachte.

„Wie kann man so billig sein“, knurrte Tovey schließlich und rührte sein Essen ebenfalls nicht mehr an.

„Ich bin nicht billig“, sagte Brian eine Spur beleidigt.

„Dich meine ich auch gar nicht“, gab Tovey zu. „Das Flittchen meine ich.“

Billy seufzte und fühlte sich in seiner These nur bestätigt. Natürlich war Tovey scharf auf Brian. Das konnte doch jeder erkennen.

„Wo liegt denn da bitte der Unterschied?“ wollte Brian wissen.

„Er sieht halt schon aus, wie ein Flittchen. Warum sonst hätte er dich gestern anmachen sollen?“

„Vielleicht hab ich ihn ja angemacht“, hielt Brian dagegen.

„Hast du nicht“, behauptete Tovey und starrte wütend auf seinen Teller.

„Hast du nicht?“ fragte Billy, um sich ein wenig an dem Gespräch zu beteiligen.

„Nein, hab ich tatsächlich nicht“, gab Brian zu. „Aber ‚Nein‘ hab ich auch nicht gesagt.“

„Okay, mit anderen Worten du lässt rein gar nichts anbrennen?“ fragte Billy weiter. Er wollte es eigentlich nicht so genau wissen, aber er hatte genau gemerkt wie Tovey die Ohren spitzte.

„Nein, so gut wie nichts“, gab Brian munter zu.

„M … kay“, murmelte Billy und seufzte. Das konnte ja noch heiter werden.

„Trotzdem Flittchen”, murrte Tovey säuerlich.

„Hör auf damit, okay?“ Brian erhob sich abrupt, griff seinen Teller vom Tisch und verschwand. Nur um Tovey eine reinzuwürgen hielt er auf den Tisch von Elya und seinen Zimmernachbarn zu und setze sich dort wieder hin. Elyas geschockter Blick entging Tovey völlig, da er mit dem Rücken zu ihm saß.

„Hi, ich bin Brian“, stellte Brian sich den verwirrten Zimmernachbarn vor und sah dann Elya an.

„Was wird das?“ fragte der, bevor sich Brian erklären konnte.

„Keine Angst, ich hab schon begriffen was gestern gelaufen is“, stellte Brian klar und Elya wirkte augenblicklich entspannter. „Nur dieser Tovey geht mir gewaltig auf den Sack.“

„Es ist nur ein Fickfreund“, sagte Billy der Brian ebenfalls beobachtet hatte. Er wusste nicht, ob das Tovey beruhigte, aber es war immerhin keine falsche Versprechung.

„Fickfreund!“ wiederholte Tovey und seufzte ziemlich kläglich.

„Oh, darf ich mich dazu setzen?“ die Frage schreckte Tovey und Billy aus ihren Beobachtungen. Sie sahen hoch. Vor ihnen stand ein süßer dunkelhaariger Typ in Jeans und Hemd. Ziemlich unscheinbar sah er aus, aber auch recht sympathisch.

„Eigentlich is der Platz besetzt“, gab Billy zu. „Aber derjenige hat sich grad ziemlich beleidigt verzogen. Setz dich ruhig. Ich bin Billy, das is Tovey und du bist?“

„Sonny. Schön euch kennenzulernen!“ Er setzte sich und Tovey ließ sich einen Moment von Brian und Elya ablenken. „Wisst ihr, ich hab das einzige Einzelzimmer gezogen und der Schulleiter meinte es gäbe in der Mensa einen Tisch an dem nur drei Leute sitzen.“

„Das wäre dann wohl der Tisch da“, sagte Billy und deutete auf Elya und Brian. „Aber du kannst dir den Stuhl auch morgen hierher rüberholen.“

Sonny lächelte dankbar.

„Heute Abend?“ fragte Elya leise als sie aufstanden um zum Unterricht zu gehen.

„Nur Sex“, sagte Brian ebenso leise und sah Elya durchdringend an.

„Natürlich.“
 

„Na wie war es?“ fragte Tovey trocken, als Brian ziemlich spät wieder in ihrem Zimmer auftauchte.

„Was geht es dich an, wir sind doch eh nur ein Haufen Schlampen“, gab Brian zurück grinste dabei aber herausfordernd. Das bisschen bedeutungslosen Sex schien ihm gut zu bekommen. Tovey machte das nur noch trauriger.

„Flittchen, nicht Schlampen“, stellte er trotzdem richtig und tat so, als würde er sein Mathebuch weiterlesen.

„Ey Tovey“, Brian zog sich einen Stuhl ran und setzte sich nah neben seinen Mitschüler. Ziemlich nah, wie Tovey fand, doch es störte ihn nicht. „Ich hab nichts gegen dich, okay?“

„Ehrlich nich?“ Tovey sah von seinem Buch hoch. Brians blaue Augen waren wirklich elekrtisierend und er sah so unglaublich gut aus.

„Nein, aber ich bin noch nicht soweit mich auf mehr als Sex einzulassen.“

Diese Erklärung war mehr als vage, doch Tovey hätte auch gegen Sex nichts einzuwenden gehabt. Er konnte sich gerade noch auf die Zunge beißen, bevor ihm das über die Lippen rutschte.

„Wenn du soweit bist, wäre ich gern mit dir befreundet“, sagte er stattdessen.

Brian lächelte.

„Du bist süß“, sagte er. Einen Moment lang wollte ihm die Tatsache entgleiten, dass er Tovey und nicht Aron vor sich hatte, doch dann ging die Tür auf und Billy kam herein. Er sah etwas mitgenommen aus. Sein Haar wirkte zerzaust und irgendwie hatte er sein T-Shirt falschrum an. Brian und Tovey fingen an zu lachen und auch Billy grinste peinlich berührt.

„Alles Schlampen“, sagte er achselzuckend.

„Flittchen“, korrigierte Tovey.
 

Benji hatte Angst, aber nicht genug Angst um wegzulaufen. Sein Blick fixierte die ganze Zeit Aron, obwohl Jake viel bedrohlicher war und viel wütender. Sie hatten ihn gestellt, auf einem leeren Parkplatz. Es war bereits dunkel, denn die Tage wurden immer kürzer. Aron fror nicht einmal so sehr pumpte sein rasendes Herz das Blut durch seine Adern. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken immer und immer wieder. Was sollte er tun, wenn Jake schließlich handgreiflich wurde? Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln. Aron fühlte sich feiger und schlechter denn je und er hätte nie geglaubt dass diese Gefühle sich noch jemals steigern konnten. Nachdem Benji gedroht hatte zu Arons Mutter zu gehen, hatte er sich zwangsläufig ein wenig beruhigt. Schließlich hatte er sich mit Benji die Nacht um die Ohren gehauen und es hatte gut getan endlich mal wieder er selbst sein zu können. Er hatte Benji alles erzählt und Benji hatte zugehört. Doch vor allem hatte er verstanden. Aron war klar geworden, dass er und Benji beste Freunde hätten sein können. Wirklich nicht mehr, denn er war nicht Arons Typ, doch er war außergewöhnlich lieb und verständnisvoll. Nach den ersten hitzigen Worten hatte er Aron keinen einzigen Vorwurf mehr gemacht.

Der Atem vor Jakes Mund wurde zu weißen Wölkchen und er grinste böse.

„Ey Schwuchtel. Ganz alleine hier? Komm doch mal rüber?“

Benji rührte sich nicht, doch sein Blick huschte nun zwischen Jake und Don hin und her. In diesem Moment stürzte Jake auf ihn zu. Aron folgte ihm auf der Stelle und noch bevor Jake Benji erreichen konnte der sich zu Flucht bereit machte, riss er Jake zu Boden. Es klang als würde ein Kartoffelsack umfallen und Aron rollte sich schnell weg, bevor Jake wusste was ihm geschehen war. Doch er erfasste es schnell. Sein Blick traf Arons und er sprang wutentbrannt auf ihn zu. Aron kassierte einen Schlag bevor er unsanft vor Benjis Füßen zu Boden ging. Jake stürzte sich auf ihn in solcher Rage, dass er Arons Hals packte und zudrückte. Aron blieb die Luft weg.

Er nahm nur noch undeutlich wahr, wie Benji sich gegen Jake warf und versuchte ihn wegzuzerren. Dann sah er Don und ganz plötzlich bahnte sich brennend Luft in Arons Lungen. Er begann gequält zu Husten. Benjis Stimme klang als würde jemand ihm ein Kissen aufs Gesicht drücken.

„Verpiss dich du Freak!“ hörte er Dons vor Wut bebende Stimme. Dann wurde alles ruhig. Er wurde sich des kalten nassen Bodens unter sich bewusst und die Kälte schlug zu wie eine Keule.

„Komm steh auf“, Hände zogen ihn vom Boden hoch. Jemand fluchte entsetzt und Aron spürte wie sein Ärmel hochgezogen wurde. Das versetzte ihm schließlich einen solchen Schock, dass er seinen Arm wegreißen konnte und zurückstolperte. Sein Hals schmerzte und er atmete noch immer in hektischen Zügen, doch Dons entsetzten Gesichtsausdruck sah er ganz deutlich. Er fuhr herum und rannte, rannte einfach nur noch, wollte weg von diesen Blicken.
 

„Hey Flittchen“, Brian legte von hinten die Arme um Elyas Schultern und betrachtete die Spielkarten, die er in der Hand hatte. Sie waren in einem der Gemeinschaftsräume im Keller und Elya spielte mit einigen anderen Jungs Karten.

„Fick dich“, bekam er als Antwort, doch Elya grinste. Sonny der mit am Tisch saß zog eine Augenbraue hoch. Wohl etwas verklemmt der Junge.

„Ich ficke dich, wenn du das meinst“, gab Brian extra provokant zurück. Sonnys Reaktion sah er leider nicht, denn Elya legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm hoch.

„Nicht übertreiben, Brian“, sagte er leise. Die Grenze zwischen Sex und Beziehung oder Freundschaft war Elya heilig. Selbst wenn Brian gewollt hätte, wäre er dagegen nicht angekommen.

„Nur Dauergeil, mehr nicht“, gab Brian zurück.

„Akzeptiert“, Elya grinste und wandte sich wieder seinen Karten zu. „Sonny du bist dran. Ich schiebe.“

Brian ließ sich neben Sonny nieder und sah auch in seine Karten. Nicht besonders spannend dieses Spiel.

„Du bist jetzt Schülersprecher, nicht wahr?“ fragte er beiläufig. Sonny zog wieder eine Augenbraue hoch. Er schien nicht allzu viel von Brian zu halten, doch dem war das herzlich egal.

„Ja“, antwortete er deshalb einsilbig.

„Welche Vorteile hat man davon?“ wollte Brian wissen. Sonny ließ sich Zeit mit seiner Antwort.

„Na ja … ein hohes Ansehen beim Lehrpersonal, einen direkten Draht zum Schulleiter, ein gewisses Mitbestimmungsrecht in Angelegenheiten, die uns Schüler betreffen und … Schlüssel für die Aufenthaltsräume.“

„Wow, nicht schlecht“, sagte Brian, meinte aber nur den letzten Teil von Sonnys Ausführung. Der Rest war für ihn nur geschwollenes Geschwafel gewesen. Brian fing Elyas Blick auf. Er hatte wohl erkannt, oder gerochen, dass Brian gekifft hatte. Rechts von Sonny saß Billy und auch er sah Brian nun an.

„Alter“, meinte er an Sonny vorbei. „Du stinkst nach Gras.“

„Gras?“ fragte Sonny entsetzt. Er hatte keine Ahnung wie Marihuana roch.

„Dope, du Streber“, versetzte Elya und grinste seine Karten an.

Augenblicklich tauchte Tovey neben Brian auf und zog ihn von der durchgesessenen Couch hoch auf der er Sonny und Billy zurückließ.

„Was ist los?“ wollte Brian wissen, als sie auf dem Flur endlich stehen blieben.

„Hast du noch mehr?“ wollte Tovey wissen.

„Noch mehr?“ fragte Brian völlig begriffsstutzig.

„Gras“, sagte Tovey langsam und sah ihn fast bettelnd an.

Brian begann zu grinsen.

„Was krieg ich dafür?“ wollte er wissen.

„Was willst du denn?“ fragte Tovey etwas zu unschuldig. „Du solltest sowas nicht vor Sonny sagen. Der verpfeift dich ohne Rücksicht an Blecket hab ich gehört.“

„Scheiß auf Sonny“, sagte Brian. Sein Blick wirkte jetzt schon etwas entrückt und Tovey fragte sich wie viel er geraucht hatte. Brian schubste ihn leicht gegen die Wand. Im halbdunklen Flur wurde Tovey ganz heiß. Er hörte noch die Stimmen ihrer Mitschüler im Aufenthaltsraum. Brians Hand strich über seine Wange.

„Scheiße weißt du was? Ich glaub ich weiß morgen nichts mehr“, Brian kicherte. Seine Hand glitt in Toveys Nacken.

„Was machst du da?“ wollte Tovey wissen.

„Keine Ahnung, man“, sagte Brian. Er starrte einen Moment ins Toveys Augen und schon wieder hatte er das Gefühl Aron wieder vor sich zu haben. Dieses Mal war das Gefühl so stark, dass es einfach wahr sein musste. Er verstärkte seinen Griff und zog Tovey an sich ran um ihn zu küssen. Nicht einen Moment lang dachte Tovey daran zurückzuweichen. Im Gegenteil. Er schlang die Arme um Brian und vergrub seine rechte Hand in Brians Haar. Diese kleine Geste schien Brian in Fahrt zu bringen. Er presste sich gegen Tovey und ließ seine Zunge mit Toveys spielen.

„Hey, hey, hey“, jemand packte Brians Schultern und zog ihn sanft von Tovey weg. „Wer ist hier die Schlampe?“

Elya lachte, als er Toveys wütenden Gesichtsausdruck sah. Er legte sich Brians Arm um die Schulter und stützte ihn so etwas.

„Es ist nicht besonders fair, jemanden anzumachen der völlig stoned ist.“

Damit zog Elya Brian zurück in den Aufenthaltsraum zu den anderen. Tovey konnte ihn noch lachen hören. Doch er ging nicht zurück sondern rannte zu ihrem gemeinsamen Zimmer, um dort allein zu sein. Er schlug ein paar Mal auf Brians Kissen ein, dabei galt seine Wut vor allem Elya, diesem miesen kleinen Stricher, der wohl dachte er könne sich alles erlauben.
 

Aron wusste nicht wie lange er gerannt war und es war so dunkel um ihn herum, dass er auch nicht mehr wusste wo er war. Keuchend ließ er sich auf den Boden sinken. Ihm war übel, sein Hals brannte und er hatte das Gefühl gleich explodieren zu müssen, so unwohl fühlte er sich. Er presste seine Hände auf die Brust und versuchte sich zu beruhigen, doch es brodelte nur noch immer mehr in ihm auf. Er musste an Jake denken, der seine Kehle zudrückte, an Benji der ihn anlächelte, an Dons entsetzten Blick als er Arons Ärmel hochgezogen hatte. Und plötzlich war da Brian. Aron weinte, doch er konnte seine Gefühle nicht herauslassen, denn alles was ihn verließ waren die stummen Tränen. Er begann wütend auf den Boden einzuschlagen. Es war weicher, durchnässter Waldboden, bedeckt von Laub. Wo zum Teufel war er gelandet? Würde ihn hier jemand hören? Würde ihn hier jemand finden? Die Anspannung wurde immer schlimmer und er wollte sie nur noch loswerden. Hastig öffnete er den Reißverschluss seiner Jacke und griff in die Innentasche, wo er ein Taschenmesser fand. Dasselbe hatte Jake auch und Don. Aron hatte immer Angst gehabt dass Jake irgendwann jemanden damit verletzten würde. Aron klappte das Messer auf und betrachtete die Klinge.

Was würde Brian wohl sagen? Wie bescheuert darüber nachzudenken. Wenn Brian hier wäre würde es diese bescheuerte Situation nicht geben!

„Scheiße!“ Aron holte aus und warf das Messer von sich. Zeit den Weg nach Hause zu suchen. Er konnte nur hoffen, dass seine Mutter von nichts Wind bekommen hatte. Das hatte sie nicht verdient.

Zitternd vor Kälte rappelte er sich auf und sah sich suchend um. Welche Richtung die richtige war wusste er nicht, deshalb blieb ihm nichts übrig, als einfach loszugehen. Einfach immer vorwärts und tatsächlich sah er sehr bald Straßenlaternen brennen.
 

Als er endlich wieder zu Hause ankam wartete bereits Don auf ihn. Aron wollte ihn nicht sehen, wollte eigentlich im Moment niemanden sehen, doch Don war nicht allein. Auf den Stufen vor der Haustür saß Benji und sah ihm entgegen. Soweit Aron seinen Gesichtsausdruck im Schein der Straßenlaternen erkennen konnten wirkte er besorgt.

„Sag ihm er soll verschwinden“, war Dons Begrüßung. Er nickte mit dem Kopf in Richtung Benji. Es hätte Aron auch gewundert, wären die beiden in der letzten Stunde plötzlich Freunde geworden.

„Verschwinde“, sagte Aron und sah Benji dabei nicht mal an.

„Du musst dich nicht von dem da einschüchtern lassen“, gab Benji zurück.

„Verpiss dich, okay?“ Aron bahnte sich seinen Weg zur Haustür und zog den Schlüssel aus der Jacke. Don hatte offensichtlich die Absicht ihm zu folgen, während Benji für heute aufgab und in Richtung Straße verschwand. Er glaubte wohl es gäbe morgen immer noch eine Gelegenheit mit Aron zu reden.

„Bin wieder da“, rief Aron ins Wohnzimmer, wollte aber nicht dass seine Mutter oder Anna ihn sahen. Mit Don im Schlepptau ging es nach oben in sein Zimmer wo er die Tür fest hinter sich schloss und Don wartend ansah.

„Was hast du jetzt vor?“ fragte Don schließlich und sah sich in Arons Zimmer um. Sein Blick blieb an der Pinnwand hängen und fiel direkt auf das einzige Bild von Brian, was Aron besaß. Aron folgte seinem Blick und glühende Lava schien seinen Magen dabei zu füllen.

„Ich habe nichts vor“, brachte sein staubtrockener Mund hervor. Wenn er nur die Zeit zurückdrehen könnte.

„Du bist schwul nicht wahr?“ legte Don die Karten auf dem Tisch. Das Thema war ihm nicht gerade angenehm, zumindest drücken seine in die Hosentaschen gestopften Hände und die verkrampfte Haltung das aus.

„Ich bin nichts“, gab Aron zurück. Er war schon lange nichts mehr, nur noch irgendein Typ der versuchte Schutz hinter denen zu finden, die ihn eigentlich hassen müssten. Weit weg von der Wahrheit und irgendeiner Identität. Wie sollte er dieses wirre Zeug Don erklären. Viel lieber wäre es ihm jetzt gewesen, hätte Jake ihn erwürgt.

„Alter!“ Don kam auf ihn zu. „Warum hast du das gemacht? Warum hast du Jake angegriffen? Warum hast du die Schwuchtel beschützt und warum führst du dich auf wie ein scheiß Emo?“ Dabei deutete er vage auf Arons Arm.

„Nichts davon geht dich irgendwas an“, war Arons Antwort darauf.

„Sag mir wenigstens, dass du keine Schwuchtel bist!“

„Ich weiß nicht mehr wer ich bin, lass mich in Ruhe!“

Don schwieg einen Moment, schien nachzudenken und Aron hatte unvermittelt das Gefühl, dass auch er irgendwas verschwieg. Etwas Unsicherheit stand in seinen Augen. Vielleicht wusste er nicht mehr, was er von Aron halten sollte.

„Wer ist das?“ fragte Don unvermittelt und zeigte auf das Bild von Brian.

„Niemand“, keuchte Aron und beobachtete mit Grauen wie Don das Bild von der Pinnwand riss.

„Du hast nie von ihm gesprochen, warum?“

„Gib das her!“ Aron stürzte auf Don zu, doch der hielt das Foto hoch in die Luft, so das Aron es nicht mehr erreichen konnte.

„Komm schon, ich will jetzt wissen, wer Aron wirklich ist und aus welchem Grund er sich wehtun muss um sein Leben zu ertragen.“
 

„Läuft da eigentlich was zwischen dir und Tovey“, wollte Elya wissen, während er sich sein T-Shirt über den Kopf zog.

„Nein“, sagte Brian, ziemlich überzeugt davon und Elya musste fast lachen. Doch er hatte keine Lust Brian seine kleine Knutscherei mit Tovey in seine offenbar verschollene Erinnerung zurückzurufen. Das konnte das kleine Flittchen schon selbst tun.

„Warum nicht?“ fragte er stattdessen.

„Wie kommst du überhaupt darauf?“ fragte Brian statt einer Antwort.

„Nur so“, log Elya und lächelte unschuldig. „Vielleicht denke ich, dass ihr beide zusammenpassen würdet.“

„Vielleicht denke ich das aber nicht“, Brian machte den Reißverschluss seiner Jeans zu und suchte den Boden nach seinem Pullover ab. „Neidisch?“

„Nein, ich halte nichts von Tovey. Er ist vielleicht hübsch, aber ziemlich hohl denke ich.“

„Ach und du meinst, deshalb würde er zu mir passen?“ Brian wirkte etwas beleidigt.

„Nein“, stritt Elya ab. „Doch ich habe beobachtet, dass solche superbeliebten Typen wie du sich oft hohle kleine Flittchen aufreißen.“

„Jetzt übertreibst du gerade maßlos. Tovey ist echt okay, nur etwas … aufdringlich.“

„Sehr aufdringlich“, fügt Elya hinzu und dachte wieder an die Szene im Flur. Brian hatte nicht gerade gewirkt, als würde er zu etwas gezwungen und jetzt hatte er keinen Hauch einer Ahnung mehr, dass er mit Tovey rumgemacht hatte? Schon merkwürdig.

„Er sieht jemandem ähnlich, den ich sehr vermisse, schon allein deshalb will ich nichts mit ihm anfangen. Das wäre nicht fair, weil ich in Wirklichkeit nie an ihn denken würde. Außerdem will er wahrscheinlich gar nichts, sondern sucht nur Freunde. Er hat erzählt auf seiner alten Schule hatte er niemanden außer seiner Schwester.“

Elya schnaubte erst verächtlich, seufzte dann aber doch als wüsste er genau was Brian sagen wollte.

„Wer von uns hatte es schon leicht? Darum sind wir doch alle hier, oder?“

Er sah Brian an, der sich ziemlich verdächtig übers Gesicht wischte.

„Dann kann ich nur hoffen, dass es ihm gut geht, da wo er ist. Wo auch immer das sein mag … fuck …“ Brian drehte Elya den Rücken zu und verschwand indem er die Tür hinter sich zuknallen ließ. Elya sah ihm einen Moment nach und überlegte, ob er Brian fragen sollte, was ihn so fertig machte. Doch dann verwarf er den Gedanken schnell wieder. Nur Sex … Keine Freundschaft, keine Beziehung. Punkt.

„Alter …“ Billy setzte sich neben Brian und legte ihm einen Arm um die Schultern. Brian stieß ihn nicht weg und Billy wertete das als ein gutes Zeichen. „Was ist denn nur los? Du bist immer noch so scheiße drauf und das seit wir hier sind. Möchtest du nich doch mal drüber reden?“

„Nein“, war die knappe Antwort, die hinter den aufs Gesicht gepressten Händen hervorkam.

„Sind deine Schäferstündchen mit Elya so deprimierend?“ versuchte es Billy mit der Ablenkungstaktik und hatte tatsächlich Erfolg.

„Alter!“ Brians Kopf schoss hoch und er stieß Billy seinen Ellenbogen leicht in die Rippen. „Lass Elya da raus, der spielt keine Hauptrolle, okay?“

„Keine Hauptrolle?“ wollte Billy ehrlich überrascht wissen. „Wir dachten du stehst auf ihn.“

„Wer ist wir?“ fragte Brian und wischte ein paar Tränen weg. „ Du und Tovey?“

„Nein, Tovey will davon nichts wissen, aber Sonny denkt das auch.“

„Pfft, der Streber“, Brian stützte wieder die Ellenbogen auf die Knie und legte sein Kinn auf die Hände. „Elya ist mir egal und ich ihm auch.“

„Na gut, solange ihr euch dabei einig seid.“ Billy erhob sich seufzend und hoffte, dass er Brian ein bisschen aufgeheitert hatte oder dass er sich jetzt zumindest einmal ein paar andere Sachen durch den Kopf gehen ließ. „Und Sonny ist echt okay.“

„Wirkt eher etwas verklemmt“, murmelte Brian und starrte dabei etwas abwesend den Boden an.

„Es kann ja nicht jeder ein Flittchen sein“, gab Billy zurück.
 

Das Geräusch des zerreißenden Papiers ging Aron durch und durch. Er konnte ein oder zwei Sekunden lang nicht atmen und auch danach fiel es ihm noch schwer. Die zerfetzten Stücke von Brians Bild trudelten auf den Boden und blieben dort liegen, nichts weiter als Müll. Don packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn wütend. Aron hörte seine wüsten Beschimpfungen gar nicht, konnte nur auf die Fetzen starren. Wie konnte Don das tun?

„Sag endlich was!“ Don packte jetzt sein Gesicht mit beiden Händen und zwang Aron ihn anzusehen. Vor Wut war Don rot im Gesicht geworden. „Wer ist der Typ?!“

„Meine erste große Liebe“, hörte Aron sich sagen. Das klang wie aus einer Seifenoper und er wusste auch nicht, warum sich gerade diese Worte über seine Lippen gestohlen hatten.

„Also bist du doch ne Schwuchtel“, Don ließ ihn augenblicklich los, als hätte er sich verbrannt.

Aron sah nur noch einen Ausweg.

„Nein“, log er. Durch seinen Kopf rasten die Gedanken. „Das war nur so eine Phase.“

Erstaunlicherweise schien sich Don damit zufrieden zu geben. Er wirkte etwas ruhiger und verschränkte wieder die Arme vor der Brust.

„Ich hatte nur keine Lust mehr auf die ganze Gewalt, okay?“ Arons Mund fühlte sich trocken an. „Ich hab darauf einfach keinen Bock mehr. Jake ist irre, mehr nicht.“

Don nickte zustimmend: „Er geht echt zu weit, du hast recht. Er hätte dich fast kalt gemacht.“
 

Aron kam etwas zu hastig in den Klassenraum gerannt, suchte die Tische und Bänke schnell nach Jake ab, doch der war zum Glück nirgendwo zu sehen. Benji, der ihn mit einem stechenden Blick musterte ignorierte er absichtlich und nährte sich dann der Gruppe kichernder Mädchen, die sich um eines von ihnen gesammelt hatte: Tania.

Die Mädchen sahen ihn erschrocken an, machten jedoch Platz. Aron wusste ganz genau, dass er gut bei ihnen ankam, weil er einfach hübsch war im Gegensatz zu den ganzen anderen affenartigen Gestalten wie Jake.

„Tania kann ich mit dir reden?“ fragte er geradeheraus. Das musste einfach funktionieren, das war seine einzige Chance. Sie sah ihn mit großen Augen an, nickte dann aber und stand auf. Als Aron hinter ihr den Klassenraum verließ hörte er schon das aufgeregte Tuscheln der anderen Mädchen.

Sie blieben ein paar Gänge weiter stehen und Tania sah Aron sehr erwartungsvoll an. Das gab ihm genug Mut seinen Plan in die Tat umzusetzen.

„Willst du mit mir … ähm … naja du weißt schon. Mit mir gehen?“ stammelte er atemlos, denn ihm war ganz übel geworden.

„Was?“ fragte sie ungläubig.

„Willst du meine Freundin sein?“

Sie starrte ihn noch einen Moment unsicher an.

„Warum?“ fragte sie schließlich.

„Weil ich … mich … in dich verliebt habe“, log Aron unbeirrt weiter. Sowas zog doch bei Mädchen, oder? Er hatte keine Ahnung, sah aber, dass sie mit sich rang.

„Ehrlich?“ fragte sie unüberhörbar geschmeichelt.

„Natürlich“, sagte er, seine Stimme zitterte nicht einmal mehr. Das Lügen wurde so langsam einfacher. Sie lächelte ihn strahlend an und Aron musste sich eingestehen, dass sie wirklich hübsch war. Tania hielt ihm ihre Hände hin und er ergriff sie vorsichtig, die Berührung war ihm unangenehm, doch daran würde er sich gewöhnen müssen.
 

So vergingen die ersten Wochen und Monate für die Jungs, während Brian immer wieder einmal mit Elya verschwand, oder auch einem der älteren Jungen. Tovey tat jedes Mal so, als wäre nichts geschehen, während Billy manchmal etwas neidisch guckte. Brian bemerkte das und begann Kommentare abzugeben wie: „Ich stell ihn dir mal vor.“ Oder „Lohnt sich nicht, ehrlich.“ Die Tovey kaum noch ignorieren konnte.

Abgesehen davon jedoch verstanden sich die drei Jungs mit der Zeit immer besser, wurden quasi ein eingespieltes Team was den morgendlichen Sprint rüber zum Frühstück anging. Sonny hatte sich ziemlich unauffällig einfach zu den dreien gesellt und wurde zu einem obligatorischen Bestandteil der Gruppe, obwohl er und Brian sich nicht gerade gut verstanden.

Regelmäßig gerieten die beiden aneinander, wenn Brian irgendwelche Regeln brach, oder wieder einmal den Schulleiter beschimpfte. Billy vermittelte regelmäßig zwischen ihnen, doch Tovey stellte sich ganz klar auf Brians Seite, selbst wenn dessen Schuld unübersehbar war.

Es ging auf die ersten Ferien zu, als Tovey eines Nachmittags in ihr Zimmer gestürmt kam.

„Leute, Leute, Leute!“ quietschte er aufgekratzt und wedelte mit seinem Handy umher. Brian betrachtete ihn von seinem Bett aus, wo er lag und versuchte Sonny und Billy zu ignorieren, die für ihre erste Matheklausur lernten.

„Was ist denn?“ fragte Billy verwirrt über Toveys Gemütszustand.

„Ihr wisst ja dass wir die Ferien über hierbleiben sollen …“, fing Tovey an.

„Ja … Gott sei Dank“, murmelte Brian, der keine Lust hatte nach Hause zu fahren. Dort wartete nur ein leeres Zimmer mit lauter Erinnerungen an Aron auf ihn. Darauf konnte er verzichten.

„Ich war schon total traurig deswegen, aber Blecket hat erlaubt, dass wir Besuch bekommen!“

„Muss nich sein“, murmelte Billy, der sich seine Eltern beim besten Willen nicht in diesem Schulgebäude vorstellen konnte.

„Meine Schwester kommt vorbei!“

Tovey ließ sich neben Brian auf dessen Bett fallen.

„Du hast ne Schwester?“ fragte Brian belustigt. „Ein echtes Mädchen, oder ne Schwuchtel wie du?“

Tovey war viel zu gut drauf um beleidigt zu reagieren.

„Ein echtes Mädchen!“ sagte er aufgeregt. „Und sie kommt her, für eine Woche. Ich freu mich so. Wir sind Zwillinge wisst ihr …“

„Zwillinge?!“ fragte Billy erstaunt. „Dann würde es wahrscheinlich nicht mal auffallen, wenn sie hierbleibt und du verschwindest.“ Alle mussten lachen.

„Doch …“ widersprach Tovey nachdenklich. „Ihr würdet es merken.“
 

Und er sollte Recht behalten. Als Cindy, oder Cici, wie Tovey sie nannte, auftauchte verschlug es ihnen allen die Sprache. Sogar Brian. Sie war tausendmal extrovertierter als Tovey und hatte eine euphorische Grundstimmung, die sie alle platt machte.

„Toto!“ kreischte sie, rannte auf Tovey zu und fiel ihm um den Hals.

Cindy trug einen extrem kurzen Rock, dazu Stiefel und ein knappes Top. Für ihr Alter hatte sie einen beachtlichen Vorbau, der natürlich keinen der Jungen interessierte. Dessen wähnte sich Tovey jedenfalls sicher. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem glatten langen Zopf zusammengebunden.

„Cici, das sind Brian und Billy“, stellte Tovey seine Mitbewohner vor.

„Oh süß“, gab Cindy von sich und fiel dann auch Brian und Billy um den Hals. „Schön euch kennen zu lernen!“

„Ich finds auch schön“, sagte Billy heiser und handelte sich dabei einen schiefen Seitenblick von Brian ein.

„Okay Mädels!“ Cindy hakte sich bei Tovey ein und sah sie auffordernd an. „Zeigt mir alles!“

Und sie zeigten ihr alles, während Tovey ihr völlig überdreht alles schilderte, was in der letzten Zeit so passiert war. Brian war erstaunt wie gut er ihren eher langweiligen Schulalltag in solche Stories verpacken konnte. Er lachte viel mehr, als Brian es von ihm gewohnt war und mehr als einmal glaubte Brian wieder Aron vor sich zu sehen. Seltsam, wie Tovey ihm immer ähnlicher wurde. Das musste an dem Entzug liegen.

An diesem Abend - Brian schwirrte bereits der Kopf und er sah an Billys Gesicht, dass es ihm auch nicht viel besser ging - machten sie es sich in einem der Gemeinschaftsräume gemütlich. Cindy hatte eine Flasche Hochprozentigen in ihre Reisetasche geschmuggelt und Tovey war der Meinung sie sollten den Alkohol lieber leeren, bevor Sonny davon Wind bekam. Brian verstand seine Sorge nicht, schließlich hatten sie Sonny den ganzen Tag lang nicht gesehen. Er schien sich in seinem Einzelzimmer verschanzt zu haben um zu lernen. Billy war damit beauftragt worden Cola zu organisieren und kam erfolgreich wieder.

„Cheers!“ verkündete Cindy und sie nippten an ihren Gläsern. Brian war versucht alles in einem Zug herunterzustürzen, doch es schien ihm keine gute Idee zu sein. Stattdessen warf er einen verstohlenen Blick auf Tovey, der gerade seiner Schwester zublinzelte. Cindy nickte fast beiläufig und strahlte dann Billy an. Das reichte Brian sein Glas doch in einem Zug zu leeren.

„Wer hat Lust auf Wahrheit oder Pflicht?“ verkündete Cindy.

„Ach komm“, stöhnte Tovey genervt, doch Brian merkte, dass er nicht wirklich genervt war.

„Wieso nicht!?“ Cindy drehte sich ihm zu und zwickte ihn ins Bein. „So kann ich deine Freunde viel besser kennen lernen!“

„Ja wir haben aber gar keine leere Flasche!“ konterte Tovey und rieb sich die schmerzende Stelle.

„Wir kippen einfach den Alkohol und die Cola zusammen, das müsste passen!“

Gesagt getan. Brian betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen wie Cindy die Mördermischung zusammenbraute, genau so, dass ein wenig Alkohol übrig blieb, der nicht mehr in die Cola Flasche passen wollte.

„Hier!“ sagte sie und hielt den Rest Brian hin. „Du verträgst das Meiste hab ich gehört!“

Brian sah Tovey vorwurfsvoll an, der jedoch lächelte nur unschuldig.

„Na meinetwegen“, lenkte Brian ein. Er nahm die Flasche entgegen, wobei ihm zum ersten Mal Cindys schwarz lackierte Fingernägel auffielen.

„Zieh durch“, sagte sie und kicherte.

Brian setzte an und der Alkohol brannte sich seinen Hals herunter. Es war ekelhaft und ließ ihn fast würgen, doch letztendlich betäubte es seine wirren Gedanken. Zumindest einen Moment lang.

„Da habt ihr eure Flasche“, er stellte diese auf den Tisch zwischen ihnen und schüttelte sich. „Billy trägt mich nachher nach oben, stimmt‘s?“

„Sicher“, sagte Billy ironisch.

Cindy schraubte gemächlich die Flasche zu und legte sie so hin, dass sie sie bequem drehen konnte. Doch bevor sie das tat goss sie noch jedem der Jungs und sich selbst ein Glas ein. Die Flasche kreiste schließlich zwischen ihnen um auszulosen, wer beginnen durfte und blieb bei Cindy hängen.

„Na sowas“, sagte sie und blinzelte mit ihren stark geschminkten Augen. „Also dann, auf wen der Flaschenhals zeigt, der muss sein Glas mit einem Zug leer trinken.“

Tovey seufzte.

Die Flasche drehte sich und blieb dieses Mal bei Brian hängen.

„Oh je“, sagte er, sträubte sich aber nicht weiter.

„Beeindruckend“, kommentierten Cindy und Tovey gleichzeitig. Das war nicht das erste Mal heute. Keiner konnte leugnen, dass diese beiden Verrückten Zwillinge waren.

Brian spürte wie der Alkohol seine Wirkung tat. Er grübelte kurz dann:

„Auf wen der Flaschenhals zeigt, der muss von seinem ersten Mal erzählen.“

„Typisch Brian, es dreht sich alles nur um Sex“, murrte Billy und trank, als hätte auch er etwas runterzuspülen. Brian Fragte sich gerade, was das sein könnte, als die Flasche bei Billy stoppte.

„Mh … nix spannendes“, fing er an. „Ich hab ihn … also ganz ehrlich Brian, welches erste Mal?“

„Wie, welches?“ fragte Brian verwirrt.

„Das erste Mal überhaupt oder das erste Mal mit nem Kerl?“

„Ach so?! Bei dir gibt’s da zwei Stories? Na dann bitte beide!“

„Nein, nur eine!“ weigerte Billy sich.

„Dann die mit dem Mädchen!“ ging Cindy dazwischen und lächelte entwaffnend.

„Okay, sie ging in meine Klasse. Es war eine Klassenfahrt zum Ende des Schuljahres. Das ganze sah aus wie jetzt, Flaschendrehen und viel Alkohol. Mir wurde das irgendwann zu blöd und ich bin alleine auf unser Zimmer gegangen, sie ist mir gefolgt und mh sie stand auf mich. Und besoffen wie ich war hab ich mich drauf eingelassen.“

„Nicht mal hackedicht …“, murmelte Brian und griff nach seinem prompt neu nachgefüllten Glas. Billy ignorierte das einfach.

„Auf wen der Flaschenhals zeigt, der muss ein Teil seiner Klamotten ablegen.“

Die Flasche drehte sich und blieb bei Cindy hängen.

„Mach dir nichts draus, wir sind ja unter uns“, sagte Brian lachend.

Cindy zögerte nicht einmal lang, sondern zog ihr Top aus. Tovey wedelte etwas hilflos mit den Armen.

„Eine Socke hätte auch gereicht!“

„Blödsinn, wenn dann richtig!“

Ihr pinker BH war sehr hübsch wie Brian feststellen musste und sie hatte eine tolle Figur. Billy räusperte sich leise und versuchte woanders hinzuschauen, was ihm dann aber doch nicht gelang.

„Okay, auf wen die Flasche zeigt, der muss Tovey küssen! Mh mindestens zwanzig Sekundenlang und mit Zunge, außer ich bin es.“ Cindy kicherte und gab der Flasche Schwung.

„Ist sowas erlaubt?“ fragte Tovey.

„Ist es dir etwa nicht recht?“

„Doch, schon.“

Sie verfolgten gespannt den Weg der Flasche, die sie lange auf die Folter spannte. Der Tisch war sehr glatt und Cindy hatte ihr eine Menge Schwung verpasst. Am Ende traf es recht knapp Brian.

Cindy stand von ihrem Platz neben Tovey auf und ging zu Brian rüber. Sie musste ihn fast von seinem Platz zerren, doch schließlich landete er neben Tovey auf der Couch, mit einem leicht entsetzten Blick, wie Billy fand. Dafür hatte der jetzt Toveys halbnackte und bildhübsche Schwester neben sich sitzen. Der ultraknappe Rock und der BH waren fast das einzige was sie noch anhatte. Billy lehnte sich betont entspannt zurück und legte seinen rechten Arm auf die Lehne hinter Cindy.

„Na los Jungs“, drängte er, obwohl sie sich ruhig Zeit lassen konnten.

„Also wie gesagt. Mindestens zwanzig Sekunden, nach oben hin habt ihr keine Grenze“, Cindy lehnte sich ebenfalls zurück und ihr Kopf lag fast an Billys Schulter. „Wir machen den Countdown.“

Brian seufzte, wollte Tovey jedoch nicht verletzten indem er zu herablassend war. Deshalb richtete er sich etwas auf, und zog Tovey am Kragen zu sich ran. Tovey wirkte ziemlich überrumpelt, fing sich aber schnell. Ihre Lippen trafen sich und Brian wurde brennend heiß. Fast reflexartig ließ er seine Zunge über Toveys Lippen gleiten. Tovey erwiderte den Kuss und schob seine Hand in Brians Nacken. Dagegen war Brian fast machtlos. Diese Geste machte ihn hemmungslos heiß und wieder bildete er sich ein, bei Aron zu sein. In seinem Kopf drehte es sich, nicht nur vom Alkohol. Gerade rechtzeitig bekam er den Kopf so klar, dass er Cindy sagen hörte: „Neunzehn … zwanzig …“

Fast etwas zu hastig ließ er von Tovey ab. Seine Hose war ihm zu eng geworden.

„Süß die beiden, oder?“ hörte er Cindy zu Billy sagen. „Sie würden gut zusammen passen.“

„Ja, vielleicht“, gab Billy zu. „Das Gerücht geht eh schon durch die ganze Schule. Gleich nach dem Gerücht, dass er Elya zu nem Dreier überreden will.“

„Elya“, zischte Tovey etwas beleidigt.

„Okay okay, genug Gerüchte.“ Brian griff nach der Flasche. „Auf wen die Flasche und so der geht mir meine Zigaretten holen. Ich braucht was zum runterkommen …“ Das letzte ging fast unter, doch Tovey hörte es trotzdem. Dieses Mal traf es wieder Cindy.

„Ich habe keine Ahnung wo deine Zigaretten sind“, sagte sie empört, drehte sich aber fast gleichzeitig zu Billy um. „Hey du kommst mit und zeigst es mir, oder?“

„Klar“, Billy versuchte nicht auf ihre Brüste zu starren.

Cindy ergriff Billys Hand und zog ihn von der Couch hoch.

„Bis gleich Jungs“, sagte sie noch über die Schulter. Tovey warf ihr, ihr T-Shirt nach.

„Zieh dir was an solange!“

Sie fing das Shirt zwar, zeigte ihm jedoch noch den Mittelfinger bevor sie mit Billy durch die Tür verschwand.
 

Jake war da, als Aron mit Tania an der Hand zurück in den Klassenraum kam. Don auch. Alle Anwesenden starrten sie offen an. Aron sah die Wut in Jakes Blick kochen, doch da auch schon ein Lehrer anwesend war, konnte er nichts tun, als Aron vernichtende Blicke zuzuwerfen.

„Stellt euch vor, wir sind jetzt ein Paar“, zwitscherte Tania ihren Freundinnen zu und erntete aufgeregtes Quietschen dafür. Aron warf einen Blick über die Schulter zu Benji, doch der hatte sich demonstrativ abgewandt und starrte aus dem Fenster. Don kam auf ihn zu und schlug ihm auf die Schulter.

„Na endlich“, sagte er und wirkte zufrieden mit der Entwicklung.

Aron legte seinen Rucksack ab, küsste Tania auf die Wange und verließ langsam das Klassenzimmer, als wolle er nur mal aufs Klo gehen. Das tat er auch, doch kaum war er dort angekommen ließ er sich auf die Knie fallen und übergab sich.

Keuchend hing er über der Kloschüssel und kämpfte gegen die Übelkeit und den Schwindel. Es war nicht, weil er sich vor Tania ekelte, es war nicht, weil er Benji verletzt hatte.

„Verzeih mir Brian“, wisperte er.

Als er glaubte wieder genug Kraft zu haben stemmte er sich hoch und verließ die Kabine. Vielleicht war es doch das Beste, wenn er sich einfach umbrachte, einfach einmal einen Schnitt etwas zu tief setzte. Im Spiegel der weiß beleuchteten Toiletten sah er sein Gesicht und wollte am liebsten sofort wieder kotzen. Er sah so schrecklich aus, dass er es sich fast nicht erlauben konnte zurück in den Klassenraum zu gehen. Etwas sehnsüchtig dachte er an die Zeiten zurück, als er solche Tage noch weggeschminkt hatte. Das war natürlich keine Option mehr. Jake würde ihn auf der Stelle umbringen, ebenso wie Don und Tania würde sich sicher sofort von ihm trennen. Dann wäre alles völlig umsonst gewesen. Was sollte ein Mädchen wie sie mit einem Typen der sich schminkte?

„Fuck“, murmelte er und hörte fast in demselben Moment die Tür gehen. Aron tat so, als würde er sich einfach nur die Hände waschen. Im Spiegel erkannte er Benji hinter sich. Sein Herz klopfte wieder etwas heftiger. Sollten jetzt die Fragen und Schuldzuweisungen von der anderen Seite der Medaille kommen? Aron fühlte sich ohnehin so zerrissen, wie das Foto von Brian, dessen Fetzten er in seiner Schreibtischschublade versteckt hatte. Doch Benji ignorierte ihn völlig und verschwand einfach nur hinter der Trennwand. Aron wartete. Es war, als wäre er plötzlich mit dem Boden verwachsen und konnte sich nicht mehr von der Stelle rühren. Benji tauchte wieder auf, wusch sich die Hände, trocknete sie ab und ging. Kein Blick, kein Wort, nicht einmal ein Zucken, das zeigte, ob er Aron überhaupt bemerkt hatte. Sicher hatte er, schließlich war er keinen Meter von ihm entfernt gewesen, doch trotzdem fühlte sich Aron plötzlich wie Luft.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Inan
2012-10-05T15:16:45+00:00 05.10.2012 17:16
Echt genial bisher~
Die Charaktere sind wirklich toll, auch wenn ich mich frage, in was für einem Verein Brian da gelandet ist, da darf man ja echt nicht schüchtern sein xD
Super Chapter~ :3


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