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Das Haus Telcontar

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
~ Gandalf, Galadriel, Elrond und Frodo haben Mittelerde in dieser ff  (noch) nicht verlassen,
ansonsten ist alles unverändert.
Eldarions Schwestern entspringen meiner Fantasie,
da Tolkien sich nie weiter zu ihnen geäußert hat.
Die ff ist zeitlich etwa im Jahr 50 V.Z. angesiedelt. ~
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Und ein neues Kapitel :)
Ich hoffe, das es euch gefällt und wenn nicht wäre es toll, wenn ich konstruktive Kritik bekommen könnte - ich will mich ja verbessern :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Damit niemand verwirrt ist, das ist eine Rückblende :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und auch hier geht es endlich mal weiter.
Bitte entschuldigt die lange Pause, aber ich hatte viel zu tun und war krank :')
Aber vorher nochmal vielen, vielen dank für die neuen Favoriteneinträge :)
Ich habe mich sehr gefreut^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
An dieser Stele noch mal danke für die (neuen) Favoriteneinträge, ich hab mich sehr gefreut :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und ein neues Kapitel :') Bitte entschuldigt, dass es so lange gedauert hat irgendwie war ich ziemlich beschäftigt <_<>_> Komplett anzeigen

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Prolog

„Mein Prinz!“

Mit einem unguten Gefühl im Magen ließ Eldarion sein Schwert sinken und sah dem Boten dabei zu, wie er ein paar mal nach Luft schnappte.

Ihm entging währenddessen nicht, dass der Blick des Mannes abgehetzt über den Übungsplatz huschte und das er es scheinbar vermied, ihn direkt anzusehen.

„Euer Gnaden werden von der Königin gebeten, unverzüglich in die Gemächer des Königs zu kommen.“

Euer Gnaden?

Ohne Zeit mit Fragen zu verschwenden nickte Eldarion knapp, ließ sich vom Waffenmeister sein Schwert abnehmen und folgte dem aufgelösten jungen Mann durch die verwinkelten Gassen des inneren Ringes.

Die Bürger machten hastig platz und verneigten sich, sobald sie ihn näher kommen sahen, doch er nickte ihnen nur schnell zu.

„Hat die Königin dir gesagt, warum sie nach mir schicken lässt?“

Der Bote schüttelte hastig den Kopf und Eldarion ließ es fürs Erste dabei bewenden.

Seine Gedanken rasten.

Sein Vater war die vergangenen Wochen ungewöhnlich kränklich gewesen und das seine Mutter ihn nun in sein Gemach rufen ließ sorgte dafür, dass Eldarion das Gefühl hatte, ein kalter, harter Klumpen würde sich in seinem Magen bilden.

Ging es seinem Vater schlechter?

Hatte jemand seinen Großvater informiert?

Und was, bei den Valar, sollte er tun, wenn...?

Er wagte es nicht, diesen Gedankengang zu Ende zu führen und nickte stattdessen den Wachen am Schlosseingang flüchtig zu und zwang sich zu einem neutralen Gesichtsausdruck.

Das war etwas, was er schon früh von seinem Vater gelernt hatte – so schwer es manchmal auch fallen mochte, als Kronprinz stand er dem Volk gegenüber in der Pflicht und eine dieser Pflichten war es, nach außen hin immer sowohl ruhig als auch selbstsicher aufzutreten.

„Wurden meine Schwestern informiert?“

„Ihre Majestät ließ ebenfalls nach Prinzessin Melién schicken, Prinzessin Lúthiel ist bei ihrer Tanzlehrerin und Prinzessin Béleth schläft gerade, Euer Gnaden.“

Eldarion nickte leicht und unterdrückte trotz seiner Sorge ein Schmunzeln, als er sich vorstellte wie die 12-Jährige Lúthiel sich durch ihre Tanzstunde quälte und vermutlich nur froh war, dass ihre ältere Schwester gerade nicht zusah, um sie zurechtzuweisen, wenn sie etwas falsch machte.

„Ich finde den Rest des Weges allein, danke.“

Mit einem freundlichen Nicken verabschiedete Eldarion den Boten, der sich hastig verbeugte und und die nächste Ecke verschwand.

Der Prinz beschleunigte seinen Schritt und eilte die nächste Treppe hinauf, das leise Klacken seiner Schritte hallte in der, für diese Zeit beunruhigend leeren, Halle wieder und sorgten dafür, dass er sich noch ein wenig beklemmter fühlte als ohnehin schon.

„Eldarion!“

Als er die Stimme seiner Schwester hörte, blieb er stehen und wandte sich halb zu ihr um, um auf sie zu warten.

In dem dunkelroten Kleid und mit dem langen, offenen Haar sah sie ihrer Mutter von weitem ähnlicher denn je.

Erst wenn sie direkt vor einem stand konnte man sehen, dass Meliéns Gesichtszüge um einiges härter waren als die ihrer Mutter; ihre Lippen waren schmaler und ihre Wangenpartie war schärfer geschnitten.

Wie immer konnte man dem Gesicht der 15-Jährigen auf den ersten Blick nicht ansehen, was sie dachte und fühlte, doch Eldarion wusste es besser.

Meliéns Blick waren auf einen Punkt zwischen seinen Augenbrauen fixiert und ihre Finger waren so fest miteinander verschränkt, dass es beinahe schmerzhaft aussah.

Eldarion hob die Hand und berührte sie sachte am Oberarm, was sie kurz zum Lächeln brachte, bevor er sich umdrehte und die Tür zum Schlafgemach seiner Eltern öffnete.
 

Arwen erhob sich, sobald ihre Kinder den Raum betraten und küsste beide flüchtig auf die Wange, bevor sie den Zeigefinger auf die Lippen legte und ihnen bedeutete, leise zu sein und sie noch ein Stück weiter weg vom Bett führte.

„Er schläft...aber es geht ihm noch immer schlecht...“, erklärte sie leise und warf einen besorgten Blick zurück auf ihren schlafenden Gatten, ehe sie sich wieder ihren Kinder zuwandte.

„Heute kam ein Brief von eurem Großvater. Ich habe ihm geschrieben und von...“

Sie atmete tief ein und fuhr sich flüchtig mit den Fingerspitzen über die Schläfen, bevor sie fortfuhr, „...und von der Situation eures Vaters erzählt.“

Sie zögerte, bevor sie den Bediensteten mit einer Handbewegung bedeutete, sie allein zu lassen.

In dieser Zeit warf Eldarion einen schnellen, besorgten Blick zu seinem Vater, der sich, abgesehen von dem kaum merklichen heben und senken seiner Brust, nicht zu rühren schien.

„Kann Großvater ihm helfen?“, fragte er, unwillkürlich die Stimme senkend, als wäre sein Vater weniger in Gefahr, wenn er es nur nicht laut aussprach.

Arwen zuckte mit den Schultern und auch sie wirkte mit einem mal so müde, dass Eldarion den kindlichen Drang verspürte, sie zu umarmen und ihr zu sagen, dass alles wieder gut werden würde.

„Deshalb habe ich nach euch schicken lassen. Euer Vater und ich werden so bald wie möglich mit einer kleinen Eskorte nach Imladris aufbrechen.“

So bald wie möglich.

Solange euer Vater noch nicht zu schwach ist, um zu reisen.

„Eldarion, mein Liebling. Du weißt, was von dir erwartet wird.“

Der Prinz spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich und sich tonnenschwer in seine Beine zu verlagern schien.

Wenn seine Eltern beide nach Imladris reisen würden, bedeutete das...

Er nickte steif.

Arwen lächelte ihre einzigen Sohn mit einer so traurigen Zärtlichkeit an, dass er am liebsten geweint hätte, doch alles was er herausbrachte war ein ruhiges „Ja, Mutter.“.

Nun wandte sie sich an Melién und diese straffte unwillkürlich die Schultern.

„Eldarion hat noch keine Ehefrau, also wirst du die Aufgaben der Königin übernehmen, solange ich mit eurem Vater fort bin. Kümmere dich um eure Schwestern und unterstütze deinen Bruder, wo du nur kannst.“

Melién nickte, wie ihr Bruder zuvor, und Arwen blickte ihre ältesten Kinder liebevoll an, „Ihr müsst jetzt stark sein. Eure Familie und euer Volk braucht euch.“

„Natürlich, Mutter.“

Seine Schwester war schneller gewesen als er, also nickte er nur stumm.

Ein Teil von ihm hatte immer noch nicht vollends begriffen, was er gerade gehört hatte.

Seine Eltern würden mehrere Mondläufe fort sein.

Er würde seinen Vater auf dem Thron vertreten.

Er würde Kronprinz sein.

Kronprinz.

Er atmete langsam ein und aus und sah dann noch einmal zu seinem schlafenden Vater hinüber.

Es herrschte Frieden in Gondor und Arnor; seit dem Ringkrieg hatte es keine größeren Auseinandersetzungen mehr gegeben, weder bei ihnen noch in den befreundetet Nationen.

Die Beziehungen zu den Reichen der Elben und Zwerge waren besser denn je und mit Rohan verband sie eine tiefe Freundschaft und Orküberfälle und ähnliches hatte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben; allgemein wurde davon ausgegangen, dass sie ausgestorben waren.

Der junge Prinz entspannte sich ein wenig.

Wovor fürchtete er sich eigentlich?

Die außenpolitischen Beziehungen waren stark und gefestigt, Krieg stand nicht bevor und das bisschen Innenpolitik würde er sicher tragen können.

Dass sein Vater ihn für diesen Gedankengang als kindisch und kurzsichtig bezeichnet hätte wurde ihm erst sehr viel später klar.

Kapitel 1

Wenn Eldarion später an diesen Tag zurückdenken würde, hätte er vermutlich nicht mehr sagen können, wie er nach dem Gespräch mit seiner Mutter und seiner Schwester das Schlafgemach verlassen hatte, aber irgendwann fand er sich an dem Bett seiner jüngsten Schwester wieder.

Die Fünfjährige schlief friedlich, die dunklen Locken komplett zerzaust und das kleine Gesicht halb im Kissen vergraben.

Ein Teil von ihm beneidete sie; für sie würde sich fast nichts ändern und sie musste erst recht keine zwei Königreiche regieren. Solange sie kandierte Früchte bekam, ihre Lieblingspuppe hatte und jemand mit ihr spielte war sie zufrieden.

So leise wie möglich setzte er sich und strich gedankenversunken ihre Bettdecke glatt, was Béleth dazu brachte, im Schlaf die Nase kraus zu ziehen und sich ein wenig mehr zusammenzurollen.

Er hörte, wie sich die Tür leise öffnete und drehte sich um.

Das Dienstmädchen errötete ertappt, knickste so hastig, dass das dünne, hellbraune Haar ihr ins Gesicht fiel und wollte schon wieder gehen, doch er gebot ihr mit einer Handbewegung, stehen zu bleiben, erhob sich und kam auf sie zu.

Das Mädchen knickste erneut, wagte es jedoch nicht aufzublicken.

„Ich wollte seine Majestät nicht stören...“

Eldarion unterdrückte ein Schmunzeln. „Weshalb bist du hier?“

Das Mädchen nestelte nervös an dem Ärmel ihres Kleides. „Wenn seine Majestät erlaubt, ich wurde geschickt um Prinzessin Béleth zu wecken. Ihre Lehrerin erwartet sie in einer Stunde.“

Eldarion nickte und wollte dem Mädchen gerade sagen, dass er das heute selbst machen wollte, als ihm einfiel, dass er dafür vermutlich keine Zeit haben würde.

Die Abreise seiner Eltern musste geplant und die Berater seines Vaters mussten darüber informiert werden, dass er die nächsten Mondläufe König sein würde.

Er spürte, wie alles in ihm sich sträuben wollte – die meisten der Adligen, die sein Vater notgedrungen um sich versammelt hatte, waren Speichellecker und Schleimer, hinter den unterwürfigen und zuvorkommenden Fassaden so intrigant und doppelzüngig, dass Eldarion genauso ungern mit ihnen allein war wie sein Vater.

Doch nach Aragorns Krönung hatten sie trotz allem die Unterstützung von Gondors Adel gebraucht und diese Unterstützung bekam man nur im Austausch mit Macht.

Sein Vater hatte es einmal in einem Anflug von Zynismus „Blutzoll“ genannt und Eldarion hoffte, dass er sich überhaupt gegen die viel älteren und erfahreneren Männer würde durchsetzen können.  

Er seufzte leise, bevor er dem Dienstmädchen mit einer Handgeste bedeutete, ihre Arbeit zu tun, bevor er den Raum verließ und sich auf die Suche nach Melién machte.
 

Er fand sie schlussendlich, wie er es auch ein wenig erwartet hatte, bei Lúthiel und ihrem Tanzlehrer.

Die 15-Jährige stand mit verschränkten Armen und unbewegtem Gesichtsausdruck am Rand, während die zwölfjährige Lúthiel mit vor Wut roten Wangen Tanzschritte übte.

„Nein, Prinzessin. Links, rechts zwei Schritte nach Links und dann einen Schritt nach rechts, nicht nach links und dann alles wieder von vorne.“

Nach seinem bemüht-geduldigen Tonfall und dem wütenden Aufblitzen in den Augen seiner Schwester war es wohl auch nicht das erste mal, dass er ihr das sagte.

Melién runzelte missbilligend die Stirn.

„Lúthiel, nimm die Schultern zurück – du bist kein Kartoffelsack.“

Die Angesprochene schnitt eine Grimasse, als sie ihrer Schwester kurz den Rücken zu wandte.

Dann jedoch bemerkte sie ihren Bruder, ließ die Tanzstunde Tanzstunde sein und lief auf ihn zu, um ihn zu umarmen.

„Rette mich, Eldarion.“, bat sie ihn mit einem schiefen, gequälten Grinsen.

Unwillkürlich musste er lachen und strich ihr flüchtig mit der Hand übers Haar, bevor er sich an ihren Tanzlehrer wandte.

„Bitte entschuldige uns für einen Augenblick.“

Der alte Mann nickte, verbeugte sich kurz vor Eldarion und seine Schwestern und ging zum anderen Ende des Saales, um sich dort zu setzen und zu warten.

Melién kam langsam zu ihnen, den trotzigen Blick ihrer Schwester gekonnt ignorierend.

„Hast du es ihr schon gesagt?“, fragte er sie, was ihm einen fragenden Blick von Seiten Lúthiels einbrachte.

Melién schüttelte den Kopf, woraufhin er sich seiner anderen Schwester zuwandte.

„Mutter und Vater werden für ein paar Mondläufe zu Großvater nach Imladris reisen.“, erklärte er sanft, „Ich muss in Vaters Abwesenheit das Königreich regieren und du musst Melién so gut helfen wie du kannst, ja?  Sei brav und hör immer auf das, was sie dir sagt.“

Lúthiel verzog das Gesicht und sie zwirbelte beinahe trotzig eine ihrer Haarsträhnen auf.

„Kann ich nicht mit Mutter und Vater Großvater besuchen? Das wäre sicher viel spannender.“, murrte sie und erwiderte den Blick ihrer älteren Schwester trotzig.

„Nein, du wirst genau wie Mélien und ich hier gebraucht.“, mischte Eldarion sich bestimmt ein und irgend etwas in seinem Tonfall hielt seine Schwester offenbar davon ab, ihm zu widersprechen.

„Gut. Lúthiel, ich möchte, dass du dich ab sofort um Béleth kümmerst. Über alles weitere werden wir später reden..“

Er hatte doch wegen irgend etwas mit Melién reden wollen...aber so sehr er sich auch konzentrierte – es fiel ihm einfach nicht ein.

Innerlich zuckte er mit den Schultern; wenn es ihm nicht mehr einfiel würde es schon nicht besonders wichtig gewesen sein.
 


 

In der Küche herrschte, wie im Rest des Schlosses, emsige Geschäftigkeit.

Neben den üblichen täglichen Aufgaben zur Verköstigung und Versorgung der königlichen Familie kam die Abreise des Königs und der Königin dazu und nun war die gefühlte Hälfte der Dienerschaft damit beschäftigt, Truhe für die Reise zu packen und Proviant zu kochen.

Und in all diesem Trubel huschte Niâll hin und her, auf der Suche nach den kandierten Früchten, die Prinzessin Béleth haben wollte.

Ungeduldig pustete sie sich eine Strähne des dünnen, hellbraunen Haares aus der Stirn und ein Lächeln stahl sich auf ihre schmalen Lippen, als sie die gewünschten Früchte schließlich entdeckte.

Schnell schlängelte sie sich zwischen zwei Küchenmädchen hindurch, was ihr aufgrund ihres drahtigen Körperbaus leicht fiel, und wollte gerade nach den Früchten greifen, als sie einen kurzen, schmerzhaften Schlag auf die Hand bekam.

Im nächsten Moment stand der Koch mit vor Wut rotem Gesicht vor ihr, die dunklen Augen funkelten gefährlich.

„Willste dir was klauen, du kleine Ratte?“, schnarrte er und Niâll zuckte unwillkürlich zusammen, auch wenn sie wusste, dass sein Ton nichts mit ihr zu tun hatte.

Kordir war zu jedem unfreundlich und harsch, abgesehen von den hohen Herrschaften selbstverständlich.

„Nein, Herr. Prinzessin Béleth wünscht kandierte Früchte.“, erklärte sie unterwürfig; jeder wusste, dass es gesünder war, dem Koch zu schmeicheln, wenn man keine Schläge wollte.

Kordir schnaubte, wandte sich jedoch ab und Niâll nahm sich schnell die Früchte und verschwand wieder, bevor der Schwarzhaarige es sich womöglich anders überlegte und sie doch für einen angeblichen Diebstahl schlug.

Flink huschte sie aus der Küche und verlangsamte ihre Schritte erst, als sie wieder auf dem Gang war, wo sie sich beim Gehen möglichst unauffällig umsah.

Seit ihr Vater sie zum Arbeiten nach Minas Tirith geschickt hatte, waren fünf Jahre vergangen und von jedem Lohn schickte sie pflichtbewusst einen Teil nach Hause zu ihren Eltern und ihren Schwestern.

Darüber, zurück in das kleine Dorf zu gehen, hatte sie nie nachgedacht.

Hier hatte sie immer einen warmen Platz zum schlafen, mehr Nahrung als zu Hause, sie konnte ihre Familie unterstützen...

Und sie durfte im Schloss herumlaufen, bei Festen das Essen servieren und dabei hin und wieder einen verstohlenen Blick auf den schönen jungen Prinzen werfen.

Natürlich machte sie sich keinerlei Illusion.

Sie war die Tochter eines verarmten Bürgermeisters eines kleinen Fischerdorfes; zu mager und unscheinbar um aufzufallen und eigentlich mochte sie das auch.

Sie mochte es, unsichtbar zu sein, denn so wurde man nicht in Streitigkeiten oder Probleme verwickelt.

Und sie kam nicht, wie einige der anderen, hübscheren, Dienstmädchen, in den zweifelhaften Genuss der Aufmerksamkeit einiger Männer.

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte. Sie hatte noch keine Erfahrungen mit so etwas gemacht, aber sie kannte Mädchen, denen so etwas passiert war und...

Sie schüttelte leicht den Kopf und bog um die nächste Ecke auf dem Weg zu Prinzessin Béleths Schlafgemach.

Sie hatte keine Zeit, um sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen – sie musste arbeiten.

Kapitel 2

Äußerlich vollkommen ruhig beobachtete Eldarion, wie die letzten Reisetruhen auf einer der Kutschen verladen wurde.

Es wurden ruppige Befehle gebrüllt und die Dienstmädchen huschten hin und her, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.

Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie seine Schwestern ein paar Schritte hinter ihm ebenfalls Stellung bezogen und kurze Zeit später traten sein Vater und seine Mutter aus dem Schlosstor.

Beide waren vornehm herausgeputzt, vielleicht noch ein wenig mehr als sonst, wenn sie die Stadt für längere Zeit verließen.

Sein Vater hielt die Hand seiner Mutter, wie es üblich war, doch Eldarion war sich ziemlich sicher, dass es eigentlich Arwen war, die ihren Gatten stützte und nicht umgekehrt.

Sein Blick ruhte auf seinem Vater und oberflächlich betrachtet schien es ihm gut zu gehen, doch Eldarion bemerkte die unnatürliche Blässe und das fiebrige Glänzen seiner Augen, die zusammengepressten Lippen und er konnte nur ahnen, wie viel es dem König abverlangte, die wenigen Treppen bis zur königlichen Kutsche hinabzuschreiten, als wäre alles wie immer.

Der Prinz kämpfte erneut gegen den Drang an, seinen Vater selbst zu stützen, doch die Anweisung seiner Mutter war diesbezüglich mehr als deutlich gewesen.

Alles sollte so normal wie möglich wirken; sein Vater durfte unter keinen Umständen schwach erscheinen – das konnte er sich nicht leisten.

Also blieb Eldarion wo er war und schickte ein stummes Gebet zu den Valar, sie mögen seinem Vater genug Kraft geben, den Weg zur Kutsche ohne Zwischenfälle zu überstehen.

Als sie die Treppe hinter sich gelassen hatten blieben der König und die Königin kurz stehen und wandten sich zu Eldarion um.

„Ich lege das Königreich während meiner Abwesenheit in deine Hände, mein Sohn. Entscheide weise und handle klug.“

Sein Atem ging schwerer als sonst und auf seiner Stirn hatte sich ein dünner Schweißfilm gebildet.

„Ich werde Euch nicht enttäuschen, Vater.“, gab Eldarion ruhig zurück und küsste danach sowohl seinem Vater als auch seiner Mutter die Hand.

Aragorn schenkte ihm ein letztes Lächeln, bevor er in die Kutsche stieg.

Arwen lächelte ihre Töchter über seine Schulter hinweg an, bevor sie ihren Sohn ansah. Ihre Arme zuckten kurz, als wollte sie ihn in den Arm nehmen und Eldarion war froh, dass sie es nicht tat.

Er würde jetzt König sein – der erste Eindruck des Rates sollte nicht der sein, dass er wie ein kleines Kind von seiner Mutter gedrückt und geküsst wurde.

„Du bist dieser Aufgabe gewachsen; du bist deines Vaters Sohn.“

In ihrer Stimme schwang so viel stolz mit, dass ein kleines Lächeln sich auf seine Lippen schlich, als er die Hand ausstreckte und seiner Mutter in die Kutsche half.

„Grüßt Großvater und meine Onkel von mir, Mutter. Habt eine gute Reise.“

Arwen lächelte ihn noch einmal an, drückte flüchtig seine Hand bevor sie ihn losließ, die Kutschentür von einem der Diener geschlossen wurde und die Reisegesellschaft langsam aufbrach.

Eldarion trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie die Kutschen den inneren Ring verließen.

Als die Tore sich schließlich langsam hinter den letzten Soldaten, die seine Eltern als Eskorte begleiteten, schloss seufzte er leise, bevor er sich umdrehte und sich anschickte, zu seinen Schwestern zu gehen, als er angesprochen wurde.

„Hoheit!“

Er wandte sich um und sah dem alternden Ratsmitglied entgegen.

Der lange anhaltende Frieden und Wohlstand hatte viele Adlige verfetten lassen, so auch Lord Déron, eines der obersten Mitglieder des königlichen Rates.

„Eure Hoheit sind zu freundlich, auf mich zu warten...wirklich, zu freundlich...wisst Ihr, als ich noch jung und stark war wie Ihr jetzt waren ein paar Stufen auch noch kein Problem für mich, aber Ihr wisst ja, das Alter macht sich früher oder später bemerkbar.“

Eldarion zwang sich zu einem freundlichen Gesichtsausdruck und verkniff sich die spöttische Bemerkung, dass Lord Déron sich in seinen Augen nicht verändert hatte, seit er sich zurückerinnern konnte – ein Krieger war er jedenfalls niemals gewesen mit seinen stets rosigen Wangen, dem dicken Bauch und den kurzen Beinen.

Das schulterlange, braune Haar und die beinahe kindlichen, großen hellen Augen vervollständigten das Bild eines scheinbar vollkommen harmlosen, genusssüchtigen Mannes, der bereits im Zenit seines Lebens stand.

Doch Eldarion hatte schon früh von seinem Vater gelernt, sich nicht durch ein harmloses Auftreten täuschen zu lassen und so misstraute er Lord Déron fürs erste ebenso sehr wie den anderen Ratsmitgliedern.

„Wolltet Ihr etwas mit mir besprechen, Lord Déron?“

Der Angesprochene nickte beflissentlich.

„Das wollte ich in der Tat. Eure Hoheit sind zu freundlich, mich daran zu erinnern, zu freundlich, ja...und das, wo jetzt sicher eine große Last auf Euren Schultern liegt, nicht wahr? Wir alle wünschen unserem geliebten König eine baldige Genesung und, wenn ich das so sagen darf, es ist eine Beruhigung zu wissen, dass er würdig vertreten werden wird.“

Dieses mal brauchte Eldarion all seine Willenskraft, um angesichts dieser offenkundigen Schleimerei nicht doch das Gesicht zu verziehen.

Bei den Valar, wie hielt sein Vater das nur aus?

„Es geht um die Verlobung Eurer Schwester mit Prinz Elfwine von Rohan, Hoheit. Seine Majestät wies mich an, alles nötige mit Euch zu besprechen.“

Er warf einen flüchtigen, besorgten Blick zu Melién, die noch immer mit Lúthiel und Béleth ein paar Schritte entfernt stand und auf ihn wartete.

Ihr Gesichtsausdruck verriet nicht, ob sie ihn gehört hatte oder nicht, doch er nahm sich dennoch vor, sofort mit ihr darüber zu reden.

„Natürlich. Beruft für heute Abend eine Ratssitzung ein.“

Lord Déron verbeugte sich geflissentlich.

„Ganz wie es seiner Hoheit beliebt. Ich werde sofort alles weitere veranlassen, seine Hoheit kann sich ganz auf mich verlassen.“

Unter vielen Verbeugungen und mit weiteren ausgeschmückten Treueschwüren auf den Lippen verschwand der Lord schließlich im Schloss und Eldarion ging nun endlich zu seinen Schwestern.

„Lúthiel, geh mit Béleth schon mal vor, ich muss mit Melién sprechen.“

Zu seiner eigenen Überraschung nickte Lúthiel, hob Béleth auf den Arm und ging mit ihr, gefolgt von ein paar Zofen und Dienstmädchen, zurück ins Schloss.

Er bot Melién seinen Arm an und Seite an Seite schlenderten sie in Richtung des Schlossgartens, wie immer umschwirrt von Meliéns Zofen und einem Diener, der einen Schirm hielt, um insbesondere seine Schwester vor der Sonne zu schützen.

„Was wolltest du mit mir besprechen?“, fragte sie, den Blick nach vorn gerichtet.

„Es geht um die Verlobung.“, erklärte Eldarion und sah seine Schwester dabei von der Seite an. Wie er es ein Stück weit erwartet hatte regte sich im Gesicht seiner Schwester kein Muskel.

Nun gut, sie wusste schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr, dass sie dem Kronprinzen von Rohan versprochen wurde und sie hatte es mit der für sie typischen stoischen Gelassenheit aufgenommen, die beinahe unheimlich war.

Noch heute glaubte er ihr „Wenn Ihr es so wünscht, Vater.“ zu hören.

„Ich treffe mich heute Abend mit dem Rat, um alles nähere zu besprechen und dann...“, er räusperte sich, „Dann müssen wir die Vorkehrungen für deine Reise treffen.“

Aber ich will nicht, dass du gehst, ich schaff' das nicht allein, bitte geh' nicht auch noch weg.

Er merkte, wie ein flüchtiges Lächeln über ihr Gesicht huschte, beinahe, als hätte sie gewusst, was für ein kindischer Gedanke ihm gerade durch den Kopf geschossen war.

„Du musst dich darum kümmern, eine geeignete Partie für Lúthiel zu finden.“, wechselte sie das Thema, „Sie ist immerhin schon zwölf Jahre alt und ich sähe sie nur ungern an der Seite irgend eines dahergelaufenen Widerlings, der ihrer nicht würdig ist.“

Eldarion nickte nachdenklich. Ja, darüber hatte er sich auch schon den Kopf zerbrochen.

Rohans Adel war dünn gesät und abgesehen davon hatten sie durch Meliéns Verlobung mit Prinz Elfwine bereits eine Verbindung zum Land der Pferdeherren aufgebaut.

Ihre Beziehungen zu Rhûn und anderen Ländern der Ostlinge waren bei weitem noch nicht gesichert genug, als das er seine Schwester dort hin schicken würde und die Haradrim...

Nun, schon sein Vater hatte gesagt, dass es für ihre Beziehungen sicher gut wäre, wenn sie Lúthiel oder Béleth dorthin verheiraten würden, doch etwas in ihm sträubte sich dagegen, eine seiner Schwester in die Hände dieser Barbaren zu geben, die im Ringkrieg unter Saurons Befehl gestanden hatten.

Melién musterte ihn kritisch von der Seite, als habe sie seine Gedanken gelesen.

„Du weißt, es wäre die beste Möglichkeit.“, erklärte sie sanft, „Mir gefällt der Gedanke auch nicht, aber du solltest ihrem König schreiben und ihm Lúthiels Hand anbieten. Das wäre das Beste für Gondor und Arnor, das weißt du.“

„Aber Lúthiel....“

„Unsere Schwester kennt ihre Pflichten und sie wird sie erfüllen.“, verwies Melién bestimmt, „Eine Ehe aus Liebe, wie bei Mutter und Vater, mag wünschenswert sein, doch das Wohl unseres Landes und unseres Volkes steht immer an erster Stelle. Du weißt es, ich weiß es und Lúthiel weiß es auch.“

Eldarion seufzte, nickte jedoch.

Natürlich wusste er das, und eine Ehe wäre Ideal, um die Haradrim noch etwas näher an Gondor zu binden und dennoch....

Er schüttelte leicht den Kopf und verschob den Gedanken an die Haradrim auf später. Fürs erste musste die Verlobung seiner anderen Schwester offiziell gemacht und sie nach Rohan geschickt werden, so schwer ihm das auch fiel.

Kapitel 3

Eldarion hatte sie, nachdem sie noch eine Weile durch den Schlossgarten spaziert waren, bis zu ihren Gemächern begleitet und verabschiedete sich nun mit den Worten, er müsste noch in das Arbeitszimmer ihres Vaters, von ihr und Melién sah ihm noch ein paar Sekunden gedankenversunken nach, bevor sie ihre Gemächer betrat und einem der Dienstmädchen bedeutete, ein Feuer im Kamin zu entfachen, während sie vor dem Spiegel platz nahm und eine ihrer Zofen zu sich winkte, damit diese ihre Frisur löste und ihr das Haar kämmte.

Das Mädchen, die Tochter eines der Ratsherren ihres Vaters, wollte gerade mit ihrer Arbeit beginnen, als die Tür sich erneut öffnete und Lúthiel hereinkam, dicht gefolgt von ihren Zofen, die allesamt ein wenig außer Atem wirkten und Melién runzelte bei dem Gedanken, dass ihre kleine Schwester durchs halbe Schloss gerannt war, missbilligend die Stirn.

„Ist es wahr?“, fragte die Jüngere und Melién erhob sich.

„Wovon sprichst du?“

Ohne eine Antwort abzuwarten bedeutete sie ihr, ihren Platz vor dem Spiegel einzunehmen.

„Du solltest nicht so durch die Gänge toben – dein Haar sieht aus wie ein Vogelnest. Berîl, kümmere dich bitte darum.“

Ihre Zofe knickste und machte sich daran, Lúthiels Frisur zu lösen.

Diese hatte kurz die Augen verdreht, ließ das Mädchen dann jedoch machen und blinzelte zu ihrer Schwester hoch.

„Also...ist es wahr, was die Dienstmädchen sich zuflüstern? Du wirst heiraten?“

Melién seufzte leise. Eigentlich hatte sie es Lúthiel kurz vor der offiziellen Verlobung und ihrer Reise nach Rohan selbst sagen wollen, doch dabei hatte sie ganz offensichtlich das Getratsche der Dienerschaft vergessen.

„Ja, ist es.“, erklärte sie schlicht und die Augen ihrer kleinen Schwester weiteten sich entsetzt.

„Aber...wie kannst du da so ruhig bleiben? Du kennst ihn ja kaum! Wie konnte Vater...“

„Prinz Elfwine stammt aus einem ehrenhaften Haus.“, unterbrach Melién die Jüngere nüchtern, „Er gilt allgemein als wohlerzogen und gutaussehend. Außerdem ist er nur wenige Jahre älter als ich und die Verbindung zu Rohan ist durchaus wünschenswert für Gondor. Ich verstehe nicht, warum ich mich aufregen sollte – oder warum du es tust.“

„Aber du liebst ihn doch nicht!“

Nun musste Melién doch lächeln. Sie nahm neben ihrer keinen Schwester platz und strich ihr liebevoll über die Wange.

„Ach Lúthiel...manchmal vergesse ich fast, was für ein Kind du noch bist.“, sagte sie sanft, „Man heiratet doch nicht aus Liebe. Natürlich, so etwas ist wünschenswert, aber ein Bündnis zu schmieden und Gondors Einfluss zu stärken ist bei der Eheplanung einer Prinzessin unabdingbar. Wenn du älter bist, wirst du es verstehen.“

Lúthiel sah sie einen Moment lang an, als wartete sie darauf, dass ihre Schwester anfing zu lachen und ihr sagte, dass sie sich lediglich einen Spaß erlaubt hatte. Doch als nichts dergleichen kam biss die Zwölfjährige sich flüchtig auf die Unterlippe, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. „Also...bist du glücklich?“

Diese Frage traf Melién so unvorbereitet, dass sie einen Moment brauchte, um zu antworten und dabei den Blick ihrer Schwester beinahe überdeutlich auf sich spürte.

War sie glücklich mit dieser Verlobung?

Seit ihr Vater das erste mal mit ihr darüber gesprochen hatte, hatte sie sich diese Frage nie gestellt, wenn sie ehrlich zu sich war.

Es war ihre Pflicht ihrem Land und ihrer Familie gegenüber und sie wollte diese Pflicht erfüllen.

Aber war das Glück?

Als sie merkte, dass ihre Schwester sie noch immer ansah und auf eine Antwort wartete, zwang sie sich zu einem Lächeln.

„Selbstverständlich bin ich glücklich.“, erklärte sie sanft, als wäre es die natürlichste Antwort auf der Welt, während sie plötzlich das Gefühl hatte, trotz des Feuers im Kamin zu frieren.

Bist du glücklich?

Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie diese Frage nicht beantwortet wissen wollte.
 

Als Eldarion die Ratskammer betrat, erhoben die anwesenden Lords sich sofort, um sich vor ihm zu verneigen. Er ging ruhigen Schrittes an ihnen vorbei, nickte jedem dabei höflich zu und nahm schließlich am Kopfende der Tafel zwischen Lord Déron und Lord Arvacar platz.

Es wurden, in Eldarions Augen ermüdende, Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht und ehe Lord Castamir, der wegen seines Namens von nicht wenigen hinter vorgehaltener Hand belächelt wurde, das Wort an Eldarion gab, verging beinahe eine halbe Stunde.

Das war zwar ermüdend, doch andererseits gab es Eldarion die Möglichkeit, seines Vaters Berater – seine Berater – näher in Augenschein zu nehmen.

Natürlich kannte er sie alle von vorherigen Ratssitzungen, zu denen sein Vater ihn mitgenommen hatte; dennoch hatte er das Gefühl sie nun, da er sie vom Platz des Königs aus betrachtete, in einem anderen Licht zu sehen.

Da waren zum einen die obersten Lords des Rates, Lord Déron und Lord Arvacar, deren äußeres sich ebenso wie ihre Persönlichkeiten voneinander unterschieden wie Tag und Nacht.

Wo Lord Déron ein scheinbar gemütlicher, genusssüchtiger Mann war, war Lord Arvacar groß, schlank und drahtig, mit dichtem, schwarzem Haar und stechend-blauen, intelligenten Augen. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten und alles in allem erinnerte er Eldarion an einen Raubvogel.

Beinahe hörte er seinen Vater, der ihm bereits vor Jahren gesagt hatte, dass er nicht wusste, welcher der beiden gefährlicher war, doch während er Lord Dérons Schleimerei eher ermüdend fand, kroch ihm bei Lord Arvacars Anblick ein kalter Schauer über den Rücken.

„Wenn mir die Frage gestattet ist...wie beabsichtigen Eure Hoheit bezüglich der Verlobung seiner Schwester zu handeln?“

Eldarion wandte sich dem Fragenden zu. Nun, da er offiziell als königlicher Vertreter sprechen musste, wurde er doch nervös und er schickte ein stummes Gebet zu den Valar, dass die Ratsmitglieder ihm das nicht ansehen würden.

„Nun, Lord Castamir...soweit mein Vater mich informiert hat, sind die Formalitäten mit Rohan bezüglich der Mitgift und allem weiteren geklärt, also sollte mit den Vorbereitungen begonnen werden, um meine Schwester nach Rohan zu schicken.“

Die Ratsherren nickten allesamt wohlwollend und er nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Lord Castamir ihn beinahe ermutigend anlächelte. Eldarion fiel auf, dass er für einen Sitz im Rat erstaunlich jung war – vielleicht dreißig Winter alt, von hohem, schlanken Wuchs und mit so weichen Gesichtszügen, dass sie beinahe weiblich wirkten.

Von allen anwesenden Lords hatte er den niedrigsten Rang und Eldarion wusste, dass er bei den meisten Entscheidungen geflissentlich übergangen wurde und ihm schoss der flüchtige Gedanke durch den Kopf, dass er daran vielleicht etwas würde ändern können, solange er seinen Vater auf dem Thron und damit auch im Rat vertrat.

Er mochte Lord Castamir. Er war nicht sehr viel älter als er selbst und im Gegensatz zu den anderen Lords bemühte er sich nicht so verzweifelt, sich bei ihm oder seinem Vater einzuschmeicheln. Wenn man dazu seine untergeordnete Rolle im Rat betrachtete und die daraus resultierende fehlende Macht war er vermutlich einer der wenigen, denen er in diesem Raum vertrauen konnte.

„Es gibt noch einen Punkt, der besprochen werden muss.“, erklärte Eldarion und blickte ruhig in die Runde. „Wir Ihr wisst, ist das Bündnis mit den Haradrim unsicher. Hat einer von Euch diesbezüglich Vorschläge?“

Meliéns Worte kamen ihm erneut in den Sinn, doch er zog es vor, sich zuerst die Vorschläge der Lords anzuhören bevor er eigene Gedanken beisteuern würde; ansonsten würden viele von ihnen sich vermutlich allein um des Eindruckes willen seinem Vorschlag anschließen.

„Wenn seine Hoheit erlaubt.“, warf Lord Déron sanft ein und Eldarion bedeutete ihm mit einer Handgeste fortzufahren, „Es wurde bereits darüber gesprochen, eine ihrer Hoheiten, Prinzessin Lúthiel oder Prinzessin Béleth, als Braut nach Umbar zu schicken doch, vergebt mir meine Direktheit, so zarte Blumen wie Eure Schwestern an einen derart barbarischen Ort zu schicken würde mir das Herz zerreißen.“

Auch wenn Eldarion besonders Lúthiel sicher nicht als zarte Blume bezeichnet hätte, stimmte er ihm ansonsten von Herzen zu.

„Sollten die Haradrim erneut einen Krieg gegen Gondor beginnen, hätten sie eine unserer Prinzessinnen als Geisel und...“ Er räusperte sich und verneigte sich dann in Eldarions Richtung. „Vergebt mir, Hoheit, wenn ich sentimental werde, doch Ihr wisst sicher, wie sehr das Volk und der Adel unsere bezaubernden Prinzessinnen liebt und der Gedanke, eine von ihnen auf so abscheuliche Weise zu verlieren ist...untragbar.“

Er wirkte ehrlich beschämt ob seines Gefühlsausbruches und Eldarion fragte sich kurz, ob er sich vielleicht in Lord Déron geirrt hatte, als dieser auch schon fortfuhr, „Aber wenn seine Hoheit eine Verbesserung der Beziehungen zu den Haradrim wünscht, könnten wir sicher einen der Südländerprinzen nach Minas Tirith einladen und...“

„Und einen Krieg provozieren, weil sie sich in ihrer Ehre gekränkt fühlen?“, mischte Lord Arvacar sich mit schneidendem Unterton ein und musterte Lord Déron mit kaum verhohlener Verachtung, bevor er sich an Eldarion wandte.

„Gestattet seine Hoheit mir zu sprechen?“, fragte er ernst und Eldarion nickte, woraufhin der Schwarzhaarige sich kurz verneigte.

„Die Haradrim sind ein eigenwilliges und stolzes Volk. Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie bei dem Bündnis mit Gondor etwas zu gewinnen haben. Mein Vorschlag ist, zwei Königskinder nach Minas Tirith zu holen – einen Prinzen und eine Prinzessin. Der Prinz wird hier aufgezogen und ihm wird eine hohe Position gegeben, wenn er einst zum Mann herangewachsen ist. Und die Prinzessin....“

Er beendete den Satz nicht, doch Eldarion und jeder andere Anwesende wusste auch so, worauf der Lord hinaus wollte. Eldarions erste Reaktion war Abscheu. Er sollte eine Haradrim heiraten? Eine Nachfahrin jener, die gegen seinen Vater gekämpft und Sauron gehuldigt hatten?

„MyLord.“, warf Lord Belvorin, ein weiteres Ratsmitglied, ein, „Eure Worte mögen zunächst weise klingen, doch wollt Ihr wirklich, dass unser geliebter Prinz eine Wilde zur Frau nimmt? Bedenkt, dass sie eines Tages unsere Königin sein wird.“

„Grund genug für die Haradrim, Gondor die Treue zu halten möchte ich meinen.“

„Sollten wir nicht zunächst an die Treue unserer eigenen Landsleute und unserer anderen Verbündeten denken als an diese Barbaren?“

„Rohan wird das sicher nicht einfach so hinnehmen!“

„Rohan ist an Gondor gebunden und...“

„Rohan ist ein gleichberechtigte Bündnispartner, wir können sie nicht einfach...“

„Warum sollte es Rohan etwas angehen, mit wem Gondor Bündnisse schließt?“

Eldarion massierte sich die Schläfen, während die Lords heftig diskutierten.

Alles, was er hörte ergab Sinn und während ein Teil von ihm sich nach wie vor heftig dagegen sträubte, eine Haradrim zu heiraten war ihm doch klar, dass es im Grunde keine andere Möglichkeit gab, um den Frieden zu wahren und das Volk der Südländer an Gondor und Arnor zu binden.

Er erhob sich und die Stille legte sich so abrupt über den Raum, dass man sie beinahe mit den Händen greifen konnte.

„Ich werde über Eure Vorschläge nachdenken und bei der nächsten Ratssitzung eine Entscheidung treffen. Das wäre alles.“

Die Lords verneigten sich vor ihm und einer nach dem anderen verließ den Saal, bis nur noch Lord Castamir bei ihm war, der ihn freundlich anlächelte.

„Seine Hoheit hat sich ausgesprochen gut gegen den Rat behauptet, wenn seine Hoheit mir die Bemerkung gestattet.“, sagte er sanft und mit einer leichten Verbeugung in Eldarions Richtung, der dies mit einem Lächeln quittierte.

„Danke. Es gehört weit mehr dazu, als ich lange Zeit dachte. Und der Rat ist...eigenwillig.“

Castamir lachte leise.

„Seine Hoheit hat eine Begabung, die Wahrheit in höfliche Worte zu kleiden. Das ist gut, seine Hoheit wird es brauchen.“

Eldarion lachte leise und verließ an Castamirs Seite den Ratssaal.

Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er in Castamir vielleicht wirklich einen guten und treuen Verbündeten haben würde.

Kapitel 4

Sein Körper brannte, doch er konnte sich nicht bewegen.

Er versuchte, etwas zu sagen, doch kein Laut verließ seine Lippen.

Das alles war falsch; er sollte nicht so hilflos sein.

Geliebte und zum Teil schmerzlich vermisste Gesichter tauchten vor seinem geistigen Auge auf, so nahe und gleichzeitig so unmöglich zu erreichen.

Er würde ihnen Leid zufügen.

Sahen sie ihn denn nicht?

Warum sahen sie nicht, was er tat?

Sie mussten doch wissen, dass das alles nicht möglich war.

Er hörte sein Lachen und das Blut gefror ihm in den Adern.
 

„...doch da Gondor zu diesem Zeitpunkt im Krieg mit den Haradrim stand, konnte Beren, 19. Truchsess von Gondor, Rohan bei seinem Kampf gegen die Dunländer und die Korsaren von Umbar nicht unterstützen.“

Ihr Geschichtslehrer nickte wohlwollend.

„Vollkommen richtig, Prinzessin. Und wer war zu diesem Zeitpunkt König der Goldenen Halle?“

Melién runzelte kurz die Stirn.

„Helm Hammerhand, Grams Sohn. Er war der neunte König der Riddermark und der letzte König der ersten Herrscherlinie, da er seinen Neffen Fréaláf zu seinem Erben machte.“

Manchmal hatte die Fünfzehnjährige das Gefühl, die Geschichte Rohans besser zu kennen als die ihres eigenen Landes; aber immerhin sollte sie auch den Kronprinzen der Riddermark heiraten, da war es nur angemessen, wenn sie sich mit der Geschichte des Landes auskannte.

Ihr Lehrer erhob sich und riss sie damit aus ihren Gedanken.

„Ihre Hoheit ist für heute fertig mit dem Geschichtsunterricht.“

Sie lächelte leicht und entließ ihn mit einer Handbewegung, woraufhin der Ältere sich verneigte und dann gemessenen Schrittes die Bibliothek verließ.

Mit einem leisen, beinahe erleichterten Seufzen lehnte Melién sich in ihrem Sessel zurück und warf einen Blick aus dem Fenster.

Sie wusste, dass sie als Prinzessin das alles wissen musste und das sie ihren jüngeren Schwestern ein Vorbild sein musste, weshalb sie niemals laut aussprechen würde, wie ermüdend sie den Geschichtsunterricht teilweise fand.

Beinahe glaubte sie, Lúthiel zu hören, die sich beklagte, dass das alles überhaupt keinen Spaß machte und das sie lieber ausreiten wollte.

Spaß.

Beinahe hätte sie verärgert mit dem Kopf geschüttelt.

Natürlich machte das Leben nicht immer Spaß. Pflichten waren nicht dafür da, dass sie einem Freude bereiteten. Sie waren da, weil sie getan werden mussten und sie verschwanden auch nicht, wenn man sich auf den Boden warf und trotzig mit den Fäusten auf selbigen einschlug.

Mit einem leisen Seufzer erhob sie sich.

Wie auch immer; Eldarion hatte ihr gesagt, dass sie in ein paar Tagen Gäste aus Ithilien erwarteten und bis dahin musste sich jemand darum kümmern, dass alles vorbereitet war.

Flüchtig fragte sie sich, ob Fürst Faramir selbst kommen oder ob er seinen Sohn schicken würde.

Das kann mir egal sein., wies sie sich selbst in Gedanken zurecht und machte sich auf den Weg, um alles für die Ankunft der Gäste vorbereiten zu lassen.
 

Mit einem frustrierten Seufzer lehnte Eldarion sich auf dem Thron zurück, sobald sich die Tore hinter dem letzten Bittsteller geschlossen hatten.

„Genug für heute.“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu irgend jemand anderem.

Er erhob sich, nickte seinen Beratern im Vorbeigehen zu und verließ dann den Thronsaal auf dem Weg zu seinen Gemächern.

Er würde sich jetzt umziehen und dann durch den Dienstbotenausgang hinaus zu den Stallungen schleichen, sein Pferd satteln und für ein oder zwei Stunden aus der Stadt verschwinden.

Einfach irgendwo hin reiten, wo niemand ihn als Prinzregenten von Gondor und Arnor kennen würde, wo keine Pflichten, keine Berater, keine Bittsteller, keine Verlobungen und keine Sorge um seinen Vater auf ihn warten würde.

Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte und versuchte, nicht an seinen Vater zu denken.

Seine Mutter hatte so blass und … verzweifelt ausgesehen, als sie aufgebrochen waren, dass er sich manchmal fragte, ob es noch viel schlimmer um seinen Vater stand als er bisher angenommen hatte und an so etwas wollte er nicht denken.
 

Als er endlich in seinen Gemächern angekommen war schlug er die Tür vielleicht ein kleines bisschen zu fest hinter sich zu, doch im Moment war ihm das egal.

Es war nun eine Woche her, dass sein Vater und seine Mutter Minas Tirith verlassen hatten und er brauchte dringend eine Pause vom regieren.

In Windeseile schälte er sich aus dem feinen Samt und tauschte seine Kleidung gegen jene, die er für gewöhnlich auf dem Übungsplatz trug und die in Schnitt und Farben denen der Waldläufer glich.

Mit flinken, geübten Fingern schnürte er die weichen, ledernen Stiefel zu und griff nach kurzem Zögern auch nach seinem Bogen und einem Dolch.

Er könnte ja ein wenig üben...und sein Vater hatte immer zu ihm gesagt, dass er unter keinen Umständen unbewaffnet herumlaufen sollte – Frieden hin oder her.

Zuletzt nahm er den dunkelgrünen Umhang, den sein Großvater ihm geschenkt hatte und durchquerte den Raum. Vor einem der Wandteppiche blieb er stehen; ein dunkelroter, mit goldenen Fäden durchzogen, auf dem Elendil und seine Söhne abgebildet waren.

Ohne zu zögern schob er ihn so weit zur Seite, dass eine schmale Tür dahinter zum Vorschein kam. Er griff nach einer der Fackeln, die neben dem Teppich an der Wand hingen, öffnete die Tür grade so weit, dass er hindurch schlüpfen konnte und schloss sie gleich darauf wieder hinter sich.

Er wusste, dass diese Gänge eigentlich für Notfälle gedacht waren, damit die königliche Familie sich in Sicherheit bringen konnte; wenn die Stadt von Feinden eingenommen wurde oder dergleichen. Es gab immerhin gute Gründe, warum nur seine Eltern, seine Schwestern und er selbst diese Gänge kannten – Verrat konnte hinter jeder Ecke lauern, wenn nur genug dafür bezahlt wurde; und dennoch war das um einiges leichter als durchs ganze Schloss zu spazieren und von unzähligen Leuten wegen unglaublich wichtigen Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden aufgehalten zu werden.

In dem überraschend breiten Gang war es beinahe unangenehm kühl und Eldarion war froh, dass er seinen Mantel hatte und dass das flackernde Feuer zumindest sein Gesicht wärmte.

Das Licht warf Schatten an die Wände und Eldarion nahm sich vor, dass er einmal mit seinen Schwestern hierher kommen musste um sie zu erschrecken.

Nun gut, vermutlich würde sich hauptsächlich Melién erschrecken; sie hatte Angst im Dunkeln.

Mit einem leichten Grinsen setzte er seinen Weg durch die verzweigten Gänge innerhalb der Schlossmauern fort.
 

Erschöpft blieb Niâll stehen und entleerte den Eimer Unrat.

Müde massierte sie sich die Arme und streckte das Gesicht der Sonne entgegen.

Das ganze Schlosspersonal war in hektischer Aufruhr, seit die Prinzessin den Besuch des Fürst von Ithilien angekündigt hatte; jeder schien jedem im Weg zu stehen und die Laune des Kochs war schlechter denn je; nur einer der Gründe, weshalb sie den Unrat freiwillig nach draußen gebracht hatte – sie hatte sich heute schon eine Ohrfeige eingehandelt, weil sie das Brot nicht schnell genug aus dem Ofen geholt hatte und es ein wenig brauner war als gewöhnlich und sie wollte unter keinen Umständen eine weitere riskieren.

Sie hörte auf, sich die schmerzenden Arme zu massieren und drehte sich um, um zurück in die Küche zu gehen.

Am Liebsten wäre sie noch ein bisschen hier draußen geblieben, aber das wäre vermutlich aufgefallen und dann konnte sie froh sein, wenn sie nur eine Ohrfeige bekam.

Schweren Herzens machte sie sich also auf den Rückweg, ging um die nächste Ecke – und prallte gegen jemanden, der gerade aus der Entgegengesetzten Richtung kam.

„Verzeihung.“, erklang eine angenehme Männerstimme, während eine Hand sich um ihren dünnen Oberarm schloss, damit sie nicht hinfiel.

„Es tut mir...“

Die nächsten Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie den Blick hob und sah, wen sie gerade angerempelt hatte.

Das Blut wich ihr aus dem Gesicht und sie fiel auf die Knie.

„Euer Gnaden!“

Ihr Herz schien doppelt so schnell zu schlagen wie sonst und die Angst schnürte ihr die Kehle zu.

Sie hatte den Prinzen angerempelt. Natürlich, er wirkte immer sehr freundlich und zuvorkommend, doch was, wenn er sie dafür an den Pranger stellen ließ oder, schlimmer noch, sie aus dem Schloss jagte? Wie sollte sie ihre Familie unterstützen, wie...?

„Steh' auf. Ich verspreche, ich werde ich auch nicht auffressen.“

Als sie seinen leicht amüsierten Ton vernahm erhob sie sich so hastig, dass eine Haarsträhne ihr ins Gesicht fiel, doch sie wagte es nicht, sie wegzustreichen.

„V...verzeiht, Euer Gnaden, ich wollte nicht...“

Der Prinz hob beschwichtigend die Hand.

„Schon gut, schon gut...es ist ja nichts passiert.“

Er sah sie einen Moment nachdenklich an.

„Hör zu....“ Er stockte und sah sie fragend an. Sie brauchte einen Moment um zu begreifen, was er von ihr wollte.

„Niâll, Euer Gnaden.“

Der Prinz nickte leicht.

„Gut. Also, Niâll. Ich möchte, dass du niemandem sagst, dass du mich hier getroffen hast. Verstehst du?“

Das Mädchen nickte hastig, woraufhin der Prinz lächelte.

„Ich danke dir, Niâll.“

Er nickte ihr noch einmal zu und setzte seinen Weg fort. Niâll starrte ihm nach, während sie mit einem Mal das Gefühl hatte, ihre Wangen würden in Flammen stehen, während das Herz drohte, ihr aus der Brust zu springen.

Der Prinz hatte mit ihr gesprochen.

Er hatte mit ihr gesprochen und er kannte jetzt ihren Namen.

Eine leise Stimme wies sie darauf hin, dass er sich sowieso nicht merken würde, wie sie hieß.

Das sie nur ein kleines Küchenmädchen war; zu unscheinbar um die Aufmerksamkeit seiner Majestät länger zu fesseln.

Dennoch klopfte ihr Herz wie verrückt, als sie zurück in die Küche ging.

Sie wusste nicht, warum sie niemandem von dem kurzen Zusammentreffen erzählen durfte, doch sie wusste, dass sie ein Geheimnis des Prinzen hüten sollte und das war mehr Ehre, als sie jemals erwartet hatte.

Kapitel 5

„Du wolltest mich sprechen, Vater?“

Sie wusste, in der Öffentlichkeit musste sie ihren Vater mit Euch ansprechen, aber hier, in den Gemächern ihrer Eltern, waren sie immerhin allein. Abgesehen natürlich von ihren Zofen, die wie immer wie stumme Schatten ein paar Schritte hinter ihr standen, aber sie waren sowieso immer da und manchmal vergaß Melién ihre Anwesenheit sogar.

Aragorn nickte und streckte ihr seine Hand entgegen.

„Das ist richtig, meine Kleine. Komm, setz dich zu mir.“

Melién tat, wie ihr geheißen wurde und ihr Vater nahm, als sie neben ihm auf seinem Bett platz genommen hatte, behutsam ihre Hände in die seinen.

„Mir wurde berichtet, dass du nun eine Frau bist. Ist das richtig?“

Mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen nickte die Zwölfjährige.

„Ja, Vater.“

Aragorn nickte leicht, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. Er sah sie ernst an und schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Du weißt ja, dass das Königreich Rohan unser wichtigster Verbündeter ist, nicht wahr?“

Melién nickte erneut, dieses mal jedoch bedeutend unsicherer als zuvor. Wollte ihr Vater prüfen, ob sie im Unterricht auch aufpasste und ihm keine Schande machte?

Ihr Vater atmete tief ein. „Gondor muss alles in seiner Macht stehende tun, um diesen Verbündeten zu halten. König Éomer ist ein alter Waffenbruder aus dem Ringkrieg, den ich hoch schätze, doch eine Freundschaft allein reicht nicht aus, um zwei Königreiche über die Zeit hinaus aneinander zu binden.“

Melién wurde kalt, als ihr klar wurde, worauf ihr Vater hinaus wollte.

Kein Laut verließ ihre Lippen und sie brachte es nicht über sich, den Blick zu senken, doch ihr Herz schien in doppelter Geschwindigkeit zu schlagen.

„Als dein Bruder geboren wurde, war Königin Lothíriel bereits hochschwanger und Éomer und ich beschlossen, sollte das Kind ein Mädchen werden, würden wie sie mit Eldarion verloben. Sollte die Königin jedoch einen Prinzen zur Welt bringen, versprach ich Éomer für diesen die Hand meiner ältesten Tochter.“

Er schwieg einen Moment, als wartete er darauf, dass Melién etwas sagte, doch als sie weiterhin schwieg, fuhr er fort: „Du hast Prinz Elfwine bereits getroffen, erinnerst du dich?“

Ja, sie erinnerte sich. Damals war sie neun Jahre alt gewesen und König Éomer war zusammen mit seiner Familie zu einem Ball nach Minas Tirith gekommen und der fünf Jahre ältere Prinz war ihr vorgestellt worden. Mit Sicherheit hätte er auf diesem Ball auch mit ihr getanzt, wenn sie nur etwas älter gewesen wäre.

Unwillkürlich fragte sie sich, ob er es damals bereits gewusst hatte; mit Sicherheit hatte er es gewusst.

„Ich werde es dir morgen offiziell im Thronsaal eröffnen, als dein König. Aber ich wollte vorher noch als dein Vater mit dir darüber sprechen.“

Melién nickte.

„Ich danke Euch, Vater“ Die Worte verließen wie von selbst ihren Mund und sie erhob sich. „Darf ich mich zurückziehen?“

Ihr war immer noch so schrecklich kalt und sie hatte das Gefühl, ein Wort zu viel könnte dafür sorgen, dass sie in Tränen ausbrach und das wollte sie um jeden Preis vermeiden.

Sie konnte doch nicht vor ihrem Vater weinen!

Aragorn nickte sanft, überging die plötzliche, steife Anrede und stand ebenfalls auf, um sie noch einmal kurz näher an sich zu ziehen und ihr einen Kuss aufs Haar zu geben.

Melién knickste leicht und verschwand dann schnellen Schrittes aus dem Gemach ihrer Eltern. Sie war verlobt. Schon fünf Jahre vor ihrer Geburt an den Prinzen von Rohan versprochen.

Sie hörte die hastigen Schritte ihrer Zofen, wurde jedoch nicht langsamer. Sollten sie sich doch abhetzen, am Bestem sie blieben wo sie waren.

Ihre Augen brannten und es kostete sie all ihre Willenskraft, nicht an Ort und Stelle in Tränen auszubrechen.

Ihre Füße trugen sie wie von selbst in den Flügel des Palastes, in dem ihr Schlafgemach und das ihrer Geschwister waren. Ohne weiter darüber nachzudenken ging sie auf die große Doppeltür zu, die zu Béleths' Schlafgemach führte und die Wache, die davor stand öffnete hastig für sie, als er sie näher kommen sah und verbeugte sich, als sie an ihm vorbei ging.

Ihre Schwester saß auf dem Schoß ihrer Amme, die ebenfalls schnell aufstand, als sie die Zwölfjährige eintreten sah und schnell knickste.

„Hoheit.“

„Meine Schwester schläft heute Nacht bei mir.“

Die Worte hatten ihren Mund verlassen, ehe sie länger darüber nachdenken konnte, aber das war im Grunde auch unwichtig; die Amme würde es mit Sicherheit nicht wagen, Fragen zu stellen und das war gut so.

Sie schickte ein stummes Gebet zu den Valar, dass ihre Stimme nicht so schwach und hilflos klang wie sie es gerade wahrgenommen hatte.

Die Amme nickte tatsächlich nur stumm, gab ihr Béleth vorsichtig in die Arme, knickste erneut Melién verließ, mit ihrer Schwester auf dem Arm, die Gemächer und ging zu ihren eigenen, wo die Wache ihr erneut die Tür öffnete.

Sie bedeutete ihren Zofen mit einer Handgeste, sie ebenfalls allein zu lassen, was diese auch auf der Stelle taten. Für einen Moment glaubte Melién, so etwas wie Mitleid in ihren Blicken zu sehen und wandte sich schnell ab und betrat ihre Gemächer.

Sie fühlte, wie Béleths' kleine Finger nach einer ihrer Haarsträhnen griffen, während ihr kleiner Körper sich an sie kuschelte.

Als würde das einen Damm in ihr brechen, entwich ein Schluchzen Meliéns Lippen, sobald die Tür sich wieder geschlossen hatte, und sie drückte ihre Schwester fest an die Brust, während sie auf ihr Bett sank.

„Sie verheiraten mich, Béleth.“, schluchzte  sie, „An einen wildfremden Prinzen, dem ich erst ein mal begegnet bin. An den meistbietenden verschachert wie eins von Vaters Pferden oder...oder ein Ballen Seide.“

Ihre Stimme zitterte heftig, als die bitteren Worte ihren Mund verließen und die Tränen rannen wie Sturzbäche ihre Wangen hinab.

Warum ausgerechnet sie? Das war nicht gerecht, es war nicht gerecht, es war...

Sie hörte, wie Béleth ebenfalls leise zu wimmern anfing und begann hastig, sie hin und her zu wiegen, bis sie sich etwas beruhigt hatte.

Melién biss sich auf die Unterlippe und wischte sich mit nach wie vor zitternden Händen die Tränen von den Wangen, ehe sie Béleth behutsam auf ihr Bett legte und sich mehr schlecht als recht das Gesicht abwusch.

„Berîl!“

Sie wusste, dass ihre Erste Zofe im Nebenraum darauf wartete, gerufen zu werden und tatsächlich kam das um nur wenige Winter ältere Mädchen nur wenige Herzschläge nach ihrem Ruf herein.

„Hilf mir, mich umzuziehen. Ich möchte schlafen.“

Ihre Zofe nickte und half der Prinzessin dann dabei, ihr Kleid gegen ihr Nachtgewand zu tauschen. Melién rechnete es dem Mädchen hoch an, dass sie kein Wort über ihre mit Sicherheit vom weinen verquollenen Augen verlor.

Als sie vollständig umgezogen war entließ sie Berîl mit einem freundlichen Lächeln und legte sich dann wieder zu ihrer Schwester ins Bett.

Sie schlief noch nicht und sah sie mit großen, erwartungsvollen Augen an.

Melién seufzte, bevor sie ihre Schwester an sich zog und begann, ihr ein Schlaflied zu singen.

Ein elbisches, über Lúthien Tinúviel, das ihre Mutter oft sang und das sie schon immer sehr geliebt hatte.
 

Tinúviel nin luithannen.

Dí elenath, mi loth bain,

Ned uial le linnon, Lúthien,

Elleth anfaereb, athar aen.
 

O chaered toll ennas, fírion.

Le tíriel, breged e le melant.

Randir erui, Barahirion,

o Daur-e-ndaedeloth, Thalion.
 

Nalant Beren "Tinúviel!"

(Tiúviel, Tinúviel,)

'ni mar dîn dregant, Tinúviel,

A sí, le estam "Tinúviel"
 


 

Als sie am nächsten Morgen erwachte, fühlte ihr Kopf sich vom Weinen schwer an und sie fühlte sich noch immer schrecklich müde.

Hinter den Vorhängen schien es noch immer vollkommen Dunkel zu sein; offenbar war die Sonne noch nicht einmal aufgegangen.

Béleth schlief noch immer seelenruhig und Melién sah sie eine Weile gedankenversunken an.

„Genug geweint.“, sagte sie leise, „Ich bin die Prinzessin von Gondor und Arnor, von dem alten Blut der Númenórer und der Hohen Könige der Noldor...ich muss jetzt vernünftig sein.“. Sie atmete tief ein. „Eine Prinzessin muss immer das tun, was für ihre Familie und ihr Volk am Besten ist. Außerdem bin ich jetzt eine Frau. Ja, ich muss jetzt vernünftig sein.“

Sie tat es für ihre Familie. Für ihr Land. Und irgendwie auch für ihre Schwestern – denn wenn sie Prinz Elfwine nicht heiratete, müsste es vielleicht Lúthiel oder Béleth tun und die waren ja noch viel jünger als sie.

Mit diesem Gedanken fühlte Melién sich schon ein klein bisschen weniger elend und so klammerte sie sich an den einzigen Gedanken, der ihr ein wenig Trost spendete.

Für meine Familie. Für mein Land.  

Kapitel 6

Als Arwen die Augen aufschlug, dämmerte es gerade.

Müde massierte sie ihren vom Schlafen im Sitzen steifen Nacken, bevor sie sich zu dem schlafenden Aragorn umwandte.

Ein dünner Schweißfilm hatte sich auf seiner Stirn gebildet und sein Atem ging schwerer als gewöhnlich.

Sie wusste, dass die Wachen insgeheim über ihren Befehl, so wenige Rasten wie möglich einzulegen, tuschelten, doch im Moment war es ihr gleich.

Die Krankheit ihres Gemahls hatte nichts natürliches an sich und sie würde seine Zeit nicht vergeuden, nur damit sie auf einem Feldbett schlafen konnte.

Sie hob die Hand und strich Aragorn eine verwirrte Strähne aus der Stirn.

Und für einen Moment sah sie nicht ihren Gemahl vor sich, sondern ihren Sohn und ein heftiges Gefühl der Schuld machte sich in ihr breit.

Eldarion war zu jung für die Bürde, die ihm auferlegt worden war und eigentlich war es ihre Aufgabe als seine Mutter, ihn zu beschützen.

Vor den Intrigen des Rates, vor der Schlechtigkeit so vieler Menschen...und vor dem, was gerade mit seinem Vater geschah.

Niemals würde sie zulassen, dass diese Last sich auf den Schultern ihrer Kinder ab lud.

Einem Impuls folgend beugte sie sich zu ihrem Gemahl hinab und küsste seine fiebrige Stirn.

Sie würde nicht zulassen, dass er von ihrer Seite gerissen wurde.

Nicht so.
 

A si i-Dhúath ú-orthor, Melethron.

Ú or le a ú or nin.
 


 

Mit einem zufriedenen, beinahe befreiten Seufzer trat Eldarion aus den Stallungen, besann sich jedoch gerade noch rechtzeitig und zog sich die Kapuze erneut so tief wie möglich ins Gesicht.

Es war schlimm genug gewesen, dass dieses Dienstmädchen ihn gesehen hatte, doch immerhin schien sie viel zu eingeschüchtert gewesen zu sein, um über das Treffen zu tratschen.

Oder zumindest hoffte er das.

Ihm war klar, dass sein Verhalten weder besonders erwachsen noch besonders königlich gewesen war, doch nach dem Ausritt und den Schießübungen fühlte er sich wesentlich entspannter, wesentlich lebendiger als zuvor.

In ungefähr zwei Tagen würde die Delegation aus Ithilien eintreffen und der Gedanke daran ließ sogar die bevorstehende Ratssitzung ein wenig von ihrem Schrecken verlieren.

Die Lords erwarteten noch immer seine Entscheidung bezüglich dem Bündnis mit den Haradrim und auch, wenn Eldarion die einzig logische Antwort schon längst vollkommen klar war sträubte ein Teil in ihm sich nach wie vor dagegen.

Die Haradrim waren Wilde - es hieß, sie würden ihre Feinde bei lebendigem Leib  braten und verspeisen, ihre Kinder gegen wilde Hunde kämpfen lassen, um ihre Stärke zu testen und einige von ihnen hätten dereinst sogar das Lager mit Trollen geteilt.

Der Prinz schüttelte leicht den Kopf, während er auf die kleine Nische zuging, die den Geheimgang verbarg, der ihn zurück in seine Gemächer bringen würde.

So zuwider ihm das alles auch war - Gondor brauchte dieses Bündnis und es war in jedem Fall eine bessere Lösung, als eine seiner Schwestern in den Süden zu schicken.

Er warf einen prüfenden Blick über die Schulter, ehe er die Tür zum Geheimgang öffnete und schnell darin verschwand.
 

Auf dem Weg zum Ratssaal traf er auf Lord Castamir, der stehen blieb, sobald er ihn sah und sich respektvoll vor ihm verneigte. Eldarion quittierte dies mit einem freundlichen Lächeln. „Lord Castamir. Begleitet mich bis zum Ratssaal.“

Der junge Lord neigte erneut leicht den Kopf, während ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. „Seine Hoheit sind zu freundlich.“

Ein paar Schritte gingen sie schweigend nebeneinander her, ehe Eldarion erneut das Wort an das Ratsmitglied richtete. „Ihr habt bei der letzten Ratssitzung nicht gesagt, was Ihr über das Bündnis mit den Haradrim denkt.“

Er musterte den Älteren von der Seite und beobachtete, wie Lord Castamir unvermindert freundlich den Blick erwiderte. „Ich denke, dass das Volk eine Haradrim nur sehr schwer als seine zukünftige Königin akzeptieren wird. Die Vorurteile und ihre frühere Loyalität zu Sauron sind noch zu frisch. Doch es ist trotz allem die Beste der möglichen Lösungen – die einzige Möglichkeit für Gondor, die Oberhand zu behalten ohne die Südländer zu kränken und einen erneuten Krieg zu provozieren.“

Eldarion nickte leicht; zu dem gleichen Schluss war er auch gekommen, doch es war eine gute Möglichkeit gewesen, um die Loyalität des Lords zu testen, ohne das dieser es bemerken würde.

Der Prinz war sich ziemlich sicher, dass die meisten anderen Lords ihm versichert hätten, dass sein Vorschlag allein der Richtige für Gondor sein würde und dergleichen.

Bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte kam die Tür zum Ratssaal bereits in Sicht und als die Wachen ihn sahen, öffneten sie die Flügeltüren.

Castamir blieb stehen und ließ ihm den Vortritt, ehe er ihm wenige Atemzüge später in den Raum folgte.

Die anderen Lords waren bereits anwesend und nicht wenige von ihnen bedachten Castamir mit argwöhnischen Blicken, als dieser kurz nach Eldarion eintrat und sich dann beinahe lautlos auf seinen angestammten Platz gleiten ließ.

Die Lords, die sich beim Eintreten des Prinzen rasch erhoben hatten, um ihm ihre Aufwartung zu machen, setzen sich ebenfalls und Lord Arvacar sich auf ein Zeichen Eldarions erhob.

Er war der Meister des Rechts und Erster Heerführer des Königs und er berichtete gewohnt forsch und knapp, was sich seit dem letzten Ratstreffen ereignet hatte.

„Düstere Kunde erreichte Minas Tirith in den Morgenstunden, Hoheit. Es gibt Gerüchte über plündernde Orks in den Dor-en-Ernil und an den Ufern des Weißen Gebirges. Mit der Erlaubnis seiner Hoheit würde ich Erkundungstrupps dorthin schicken, um den Gerüchten auf die Spur zu kommen.“

„Seit 30 Jahren wurden keine Orks mehr gesehen.“, warf Lord Déron mit einem gutmütigen Lächeln ein, „Ihr solltet seine Hoheit nicht mit Ammenmärchen belasten.“

„Ammenmärchen mögen es sein.“, warf Lord Castamir leise ein und die übrigen Lords wandten sich ihm äußerst widerwillig zu, „Doch sind dies Ammenmädchen, die überprüft werden sollten, meine ich. Oder habt Ihr vergessen, wie das letzte Ammenmärchen ausging?“

Lord Dérons Lächeln wirkte ein bisschen verkrampfter als üblich, als er Castamir zunickte.

„Wir alle erinnern uns an den Ringkrieg, My Lord. Doch, vergebt mir, aber ich glaube, dass Ihr ein wenig zu besorgt seid. Der Eine Ring ist vernichtet und sein Meister ist es ebenso.“

Castamir hob leicht eine Augenbraue, erwiderte jedoch nichts mehr und Eldarion hob die Hand, um weitere Anmerkungen zu unterbinden.

„Ich danke Euch für Eure Offenheit. Lord Arvacar, entsendet Späher in die genannten Gebiete. Ich möchte wissen, was dort vor sich geht. Tut es gleich, ich dulde keinen Aufschub.“

Arvacar erhob sich in einer fließenden Bewegung.

„Euer Wille, meine Hände.“

Er verneigte sich vor dem Prinzen, nickte den anderen Ratsherren zu und verließ forschen Schrittes den Saal.

Eldarion wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte und gab das Wort dann mit einer kleinen Handgeste an Lord Déron, woraufhin der Meister der Münzen sich augenblicklich erhob.

„Die Ausgaben, die die Krone durch die Delegation aus Ithilien hat, sind ohne Probleme zu decken, wie seine Hoheit es sich vermutlich schon gedacht hat. Doch bald kommen wieder Händler aus dem Erebor mit der von seiner Hoheit angeforderten Ware. Natürlich würde ich mir niemals anmaßen, seiner Hoheit etwas vorzuschreiben und mir ist bewusst, welch schwere Lasten auf den Schultern seiner Hoheit ruhen und wie beschäftigt seine Hoheit ist, doch wenn es seiner Hoheit beliebt, würde ich seiner Hoheit als seiner Hoheit untertäniger Diener empfehlen, den Abgesandten der Zwerge persönlich zu empfangen, um den Stolz der Zwerge nicht zu verletzen.“

Eldarion nickte leicht und unterdrückte angesichts von Lord Dérons blumiger Ausdrucksweise ein genervtes Augenrollen und fragte sich flüchtig, ob es jemand anderem als Déron möglich war, derart oft  seine Hoheit in nur einem einzigen Satz zu sagen.

Die Lieferung vom Einsamen Berg beinhaltete neben Waffen auch Schmuck und Juwelen; vermutlich sollte er ein paar davon für seine Braut erstehen lassen.

Seine Braut.

Darüber musste er auch noch mit dem Rat sprechen.

„Ich danke Euch für Euren weisen Rat, Lord Déron.“, gab er dennoch höflich zurück, um ihn nicht zu brüskieren.

Danach sah er die Ratsherren der Reihe nach an.

„Wie Ihr Euch sicher noch erinnern könnt, sprachen wir in der letzten Ratssitzung über das Bündnis mit den Haradrim. Ich habe lange und gründlich über Eure Vorschläge nachgedacht und bin, auch wenn sie alle von großer Weisheit sprachen, zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Prinzen und eine Prinzessin der Südländer in Minas Tirith willkommen heißen werden. Der Prinz wird eine gehobene Stellung an meinem Hof erhalten, wenn er dereinst zum Mann herangewachsen ist und die Prinzessin...wird als meine Verlobte und Eure zukünftige Königin hier eintreffen.“

Ungefähr einen Wimpernschlag lang herrschte absolute Stille. Lord Déron fand seine Stimme als erster wieder.

„Seine Hoheit hat eine überaus...weise und diplomatische Lösung gefunden, wenn seine Hoheit die Bemerkung erlaubt.“

Die übrigen Ratsherren beeilten sich, sich dem Lob anzuschließen. Doch Eldarion suchte Castamirs Blick, der ihm lediglich mit einem leichten Schmunzeln zunickte und eine Verbeugung andeutete.

Kapitel 7

„...und die Gästezimmer wurden ebenfalls gereinigt und für die Delegation aus Ithilien vorbereitet, ganz wie Ihre Hoheit es angeordnet hat.“

Melién nickte leicht und entließ das Dienstmädchen dann mit einer flüchtigen Handgeste, während sie ans Fenster trat.

Die Abgesandten würden vermutlich morgen eintreffen und bisher verlief alles so wie geplant.

Prinz Legolas würde seine üblichen Gemächer in der Nähe der Gärten bekommen und auch für Fürst Faramir und sein Gefolge stand alles bereit.

Ihr Blick schweifte hinaus und selbst durch das Glas spürte sie die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Rasch trat sie einen Schritt zurück – sie wollte unter keinen Umständen aussehen wie eine Frau niederen Standes, deren Haut vor allem im Sommer schrecklich dunkel wurde, weil sie den ganzen Tag draußen waren.

Unwillkürlich kamen ihr alte, beinahe vergessene Erinnerungen in den Sinn.

Wie sie und Lúthiel in Imladris durch die Gärten getobt waren, meistens unter den wachsamen Augen ihrer elbischen Verwandten.

Sie war acht und Lúthiel fünf gewesen und während der dreizehnjährige Eldarion mit ihrem Vater und ein paar anderen zum ersten Mal mit auf die Jagd gedurft hatte, hatten die Schwestern sich die Zeit damit vertrieben, Bruchtal zu erkunden.

In einer Nacht hatten sie sich hinausgeschlichen, um Glühwürmchen zu fangen.

Sie waren so stolz gewesen, dass niemand sie erwischt hatte, als sie in Bruchtals Gärten verschwunden waren. Und dann...

Für einen Moment empfand Melién die gleiche, bodenlose Angst wie in jener Nacht und das Weinen ihrer Schwester klang in ihren Ohren wieder, als hätte sie einen Sprung in der Zeit gemacht. Sie wandte sich abrupt vom Fenster ab und ging schnellen Schrittes weiter.

Das war ja lächerlich. Sie hatte noch genug zu tun, bis die Delegation eintreffen würde und unliebsamen Erinnerungen nachhängen würde ihr dabei auch nicht weiterhelfen.
 


 

Niâll hatte die Lippen fest zusammengepresst, während sie mit konzentriertem Blick den Topf säuberte, damit er bald wieder benutzt werden konnte um das Essen für die Herrschaften zuzubereiten.

Bis zur Ankunft der Gäste war noch viel zu tun und sie wollte so schnell wie möglich fertig werden. Zum einen, weil sie Prügel beziehen würde, wenn sie trödelte und zum Anderen, weil sie unbedingt zusehen wollte, wenn der Fürst und sein Gefolge eintreffen würde.

Es hieß, dass ein Elb mit dem Fürsten reisen würde und das wollte Niâll um nichts in der Welt verpassen.

„Glaubst du, Elben sind wirklich so schön wie es in den Gedichten heißt?“, flüsterte Síra, eines der anderen Küchenmädchen, ihr zu, während sie eine der Pfannen säuberte.

„Natürlich sind sie das.“, flüsterte Niâll zurück, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, der ihnen zuhören könnte.

Kordir mochte es nicht, wenn sie während der Arbeit redeten. Aber Kordir mochte fast nichts und niemanden, also mussten sie nur aufpassen, nicht erwischt zu werden.

„Die Königin war doch eine Elbin und sie ist die schönste Frau in ganz Mittelerde.“

Síra nickte, warf ebenfalls einen flüchtigen Blick über die Schulter und beugte sich dann noch etwas näher zu Niâll hinüber, wobei ihr dichtes, schwarzes Haar wie ein Vorhang zwischen sie fiel und Síra es ungeduldig über ihre schmale Schulter strich.

„Die Prinzessinnen sind auch sehr schön. Und der  Prinz.“

Sie kicherte und Niâll biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, doch die Hitze in ihren Wangen verriet sie.

Síra stieß Niâll leicht in die Seite und griff dann nach der nächsten Pfanne, um sie in das inzwischen schon leicht gräuliche Wasser zu tauchen. „Jetzt schau doch nicht so ängstlich. Wir werden schon nicht dafür bestraft, dass wir den Prinzen gern ansehen.“

Niâll lächelte ihre Freundin verlegen an und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu. Síra war die Tochter einer Schankhure, ihren Vater hatte sie nie kennen gelernt und manchmal fragte Niâll sich, ob das der Grund dafür war, dass die Schwarzhaarige mit vielen Themen offenherziger umging als sie selbst.

„Ich würde den Elben jedenfalls wirklich gern mit eigenen Augen sehen.“, wechselte sie schnell das Thema, „Glaubst du wirklich, dass einer dabei sein wird?“

Síra grinste. „Nun, es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden, nicht wahr?“

Niâll zuckte leicht zusammen und sah sie besorgt von der Seite an. „Aber wir wissen doch noch gar nicht, ob Kordir uns erlauben wird, morgen auf den Hof zu gehen, um zuzusehen wie der Fürst ankommt.“

Síra zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Ach, wenn wir unsere Arbeit erledigt haben wird er uns sicher gehen lassen.“

Niâll warf der Älteren einen kuren Blick von der Seite zu und fragte sich nicht zum ersten mal, ob es stimmte, dass Síra nur deshalb nicht von Kordir geschlagen wurde, weil sie ihn nachts in ihr Bett ließ. Fragen tat sie selbstverständlich nicht. Síra hatte sich um sie gekümmert, seit sie angefangen hatte im Schloss zu arbeiten und sie wollte ihr ihre Freundlichkeit nicht vergelten, indem sie sie kränkte.
 

Elboron kniff die Augen leicht zusammen und warf einen Blick in die Ferne.

Sie würden Minas Tirith zur morgigen Mittagsstunde erreichen und er war froh darüber. Ursprünglich hatte sein Vater die Reise selbst antreten wollen, doch ein Fieber hatte ihn niedergeworfen und da seine Mutter nicht von seiner Seite hatte weichen wollen, war es Elboron zugefallen, den Ritt nach Minas Tirith anzutreten.

Und er konnte ich bei weitem unangenehmere Aufgaben vorstellen. Er und Eldarion hatten als Kinder oft miteinander gespielt; Elboron liebte den Prinzen wie seinen eigenen Bruder und er wusste, dass Eldarion diese Gefühle teilte.

Prinzessin Béleth würde sich sicher nicht an ihn erinnern und er fragte sich, ob Prinzessin Lúthiel noch immer der kleine Wildfang war, der sie gewesen war, als er das letzte mal in der Hauptstadt gewesen war.

Und Prinzessin Melién.
 

„Elboron, wo gehen wir hin?“

Der Zwölfjährige grinste die Prinzessin nur über die Schulter an. „Hier in der Nähe ist ein Wasserfall. Vater hat ihn mit gezeigt, als wir das letzte mal hier waren. Und...“

Er verstummte, als er leise Stimmen hörte und blieb so abrupt stehen, dass Melién beinahe in ihn hineingelaufen wäre.

Die neunjährige Prinzessin funkelte ihn böse an.

„Pass doch auf!“, maulte sie, doch Elboron legte ihr schnell den Zeigefinger auf die Lippen, damit sie ruhig war. Meliéns Blick verdüsterte sich und sie bedachte ihn mit einem derart bösen Blick, der sagte „Was erlaubst du dir eigentlich?“ doch dann hörte auch sie das leise Lachen und warf dem Dunkelhaarigen einen neugierigen Blick zu, ehe sie weiter schlichen, um nachzusehen was hinter der nächsten Böschung vor sich ging.

So leise wie möglich schob Elboron die Zweige des Busches zur Seite und presste sich Sekunden später die Hand vor den Mund, um nicht versehentlich laut aufzulachen.

Auf der Lichtung, die sich vor ihnen erstreckte, saßen Elborons Eltern, Lord Faramir und Lady Eowyn. Faramir hatte sich gerade vorgebeugt und flüsterte seiner Gemahlin etwas ins Orh, woraufhin sie erneut leise lachte und sich dann vorbeugte, um ihn zu küssen.

Elboron spürte eine Hand an seinem Arm und drehte sich um.

Meliéns Wangen schienen zu brennen und sie vermied es, ihn anzusehen.

„Wir sollten gehen. Das schickt sich nicht.“, murmelte sie und raffte dann ihr Kleid, um in eine andere Richtung zu gehen.

Elboron grinste und folgte ihr.

„Das war nur ein Kuss, Prinzessin. Nichts, wovor man Angst haben muss.“

Melién blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihm um, ein trotziger Ausdruck in den hellen, grauen Augen.

„Ich hatte keine Angst. Es schickte sich nur nicht, ihnen zuzusehen.“

Ihre Wangen waren noch immer tief rot und Elborons Grinsen vertiefte sich.

„Ach so?“

„Ja!“

„Also hast du keine Angst davor, irgendwann selbst geküsst zu werden?“

Melién starrte ihn einen Moment lang sprachlos an. „Du...ich...es gehört sich nicht, eine Lady so etwas zu fragen!“, brachte sie schließlich mit allem kindlichen Ernst heraus, den sie aufbringen konnte.

„Ich glaube dir nicht.“, verkündete Elboron grinsend, „Ich glaube, dass dir das Angst macht, weißt du?“

Melién sah ihn einen Moment lang erbost an, ehe sie kurzentschlossen auf ihn zu ging.

„Ich sagte, ich habe keine Angst!“

„Beweis es.“, forderte der Dunkelhaarige sie aus einem Impuls heraus auf. Er war nämlich ziemlich neugierig.

Melién biss sich kurz auf die Unterlippe und sah ihn unsicher an, ehe sie nickte.

„Na gut. Aber danach darfst du nie wieder sagen, dass ich Angst habe.“

Elboron nickte zustimmend, ein Grinsen auf den Lippen, ehe er einen Schritt auf sie zu ging, mit einem Mal vollkommen unsicher, was er eigentlich tun sollte.

„Was denn? Hast du Angst?“, zog die Prinzessin ihn auf, doch auch ihr Blick hatte etwas sehr unsicheres.

Elboron atmete tief ein, bevor er sich vorbeugte und seine Lippen kurz auf die der Prinzessin drückte. Weniger als einen Herzschlag später traten sie auch schon wieder voneinander weg, beide mehr als verlegen.

Und als sie Eldarion hörten, der nach ihnen rief folgten sie dem Ruf nur allzu gern, in stummer Übereinkunft, diesen Tag nie wieder zu erwähnen.
 

Elboron grinste leicht. Er hätte es damals nicht einmal sich selbst gegenüber zugegeben, doch er war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon ein bisschen in die Prinzessin verliebt gewesen, auch wenn er dieses Gefühl nicht hatte zuordnen können.

Und selbst wenn er es gekonnt hätte – er hatte schon damals gewusst, dass der Sohn des Truchsess niemals als möglicher Heiratskandidat für eine der Prinzessinnen in Frage kommen würde. Kein König würde seinem Truchsess einen ernsthaften Anspruch auf den Thron zugestehen, das wäre Wahnsinn und er wusste das...

Er schüttelte leicht den Kopf.

Das war Jahre her und vermutlich erinnerte Melién sich nicht einmal mehr an jenen Ausflug und den ungelenken, kindischen Kuss in der Mittagshitze.

Und eigentlich spielte das alles sowieso keine Rolle.

Er drückte seinem Pferd sanft die Hacken in die Seite um es anzutreiben.

Er war das Reisen leid und er wollte so schnell wie möglich in Minas Tirith ankommen.

„Lúthiel, bist du fer....? Bei den Valar was trägst du da?“

Angesichts des offenkundigen Entsetzens ihrer Schwester kicherte die Jüngere übermütig, „Das ist ein Kleid aus Umbar. Vor einem Mondlauf waren doch die reisenden Händler hier und...“

„Ich erinnere mich an die Händler.“

Melién starrte ihre Schwester noch immer an, sichtlich um Fassung ringend, was Lúthiel dazu brachte, noch einmal an sich herunter zu sehen.

Das Kleid war dunkelrot und reichte bis zum Boden, doch es war vermutlich der tiefe Ausschnitt und die stoffreien Stellen an Lúthiels Taille, die ihre Schwester derart schockierten.

„Die Delegation aus Ithilien wird heute eintreffen. Du wirst dich umziehen. Und zwar sofort.“, wies Melién sie schließlich an, die Stimme noch immer etwas schwächer als sonst, während sie das Kleid anstarrte als befürchtete sie, es würde sich jeden Moment vom Körper ihrer Schwester lösen und sie anfallen.

Lúthiel verdrehte nur die Augen. „Wenn Eldarion sich mit den Haradrim verbündet werden hier bald sicher viele Frauen solche Kleider tragen.“

Für ihren Geschmack klammerte ihre Schwester sich viel zu sehr an alte Traditionen, während es doch so viele interessante Dinge über andere Völker zu lernen gab, so viele andere interessante Traditionen oder eben Kleider.

„Es ist mir gleich, was andere Frauen tragen.“, erwiderte Melién und ihre Stimme fand einen Teil ihrer üblichen schärfe wieder, wie immer wenn sie sich über etwas ärgerte, „Du bist eine Prinzessin,  in dir fließt elbisches Blut und ich werde nicht dabei zusehen wie du unsere Familie beschämst indem du dich wie eine Wilde kleidest.“

Lúthiel wusste, dass es keinen Sinn haben würde mit ihrer Schwester zu diskutieren, also küsste sie sie auf die Wange und nickte, ehe sie ihrer Zofe bedeutete, ihr aus dem Kleid zu helfen.

„Und das wolltest du tragen, um Fürst Faramir zu begrüßen. Von Prinz Legolas ganz zu schweigen. Was hast du dir nur gedacht?“

„Gar nichts, liebste Schwester. Wie immer.“

Das brachte Melién tatsächlich kurz zum lächeln und Lúthiel drehte sich zu ihr um, um sie zu umarmen, während ihre Zofen ihr Kleid aufschnürten.

„Du bist viel zu besorgt. Es wird schon alles gut gehen.“

Sie spürte, wie ihre Schwester ihr flüchtig über den Rücken strich, ehe sie sich von ihr löste.

„Wie wäre es mit dem dunkelblauen Kleid, das Mutter für dich hat anfertigen lassen? Es steht dir hervorragend und dürfte dem Anlass entsprechend angemessen sein.“

Lúthiel nickte, woraufhin Melién kurz zufrieden lächelte und dann die Hand hob, um eine Haarsträhne der jüngeren wieder in ihrer Frisur festzustecken.

„Dein Haar ist so störrisch wie du.“, murmelte sie mehr zu sich selbst, während Lúthiels Zofe das gewünschte Kleid holte.

Es stimmte – Lúthiels Haar war mehr wie das ihres Vaters. Es kostete ihre Zofe Ewigkeiten, es zu bändigen und wenn sie sich zu viel bewegte lösten sich immer einzelne Strähnen aus ihrer Frisur.

Als wollten die Valar das ausgleichen hatte Lúthiel dafür die weichen, elbenhaften Gesichtszüge ihrer Mutter geerbt, während Melién mit ihren scharf geschnittenen Gesichtszügen ihrer Mutter nur von weitem ähnelte.

Melién ließ die Hände sinken und musterte Lúthiel einen Moment, ehe sie deren Zofe bedeutete, ihr beim ankleiden zu helfen.

„Beeil dich.“, wies sie die Zofe an, „Der Prinzregent wird es nicht zu schätzen wissen, wenn seine Schwester nicht fertig angezogen ist wenn er nach ihr schicken lässt.“
 

Eldarion saß im Arbeitszimmer seines Vaters und beugte sich über eine Landkarte, während sein Zeigefinger über die Dor-en-Ernil und das Weiße Gebirge strich.

Er hoffte, dass Lord Arvacars Späher bald Ergebnisse würden vorweisen können – am besten solche, die belegten, dass die Orksichtungen lediglich dumme Gerüchte waren.

Nicht zum ersten mal seit seine Eltern die Stadt in Richtung Imladris verlassen hatten wünschte Eldarion sich, dass das alles niemals passiert wäre.

Abgesehen von der Sorge um seinen Vater plagten ihn auch seine eigenen Zweifel.

Er war erst zwanzig Jahre alt. Er war zu jung für den Thron, er wollte den Thron noch nicht.

Er wird nicht sterben. Vater wird nicht sterben, er und Mutter kommen zurück und er wird die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen bis ich alt und reif genug dafür bin.

Ein leises Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ja?“

Ein Dienstmädchen öffnete die Tür, während sie ein  Tablett mit einer Karaffe Wein, einem Becher, Brot, Oliven, Tomaten und Käse darauf balancierte.

Tatsächlich hatte er heute noch nichts gegessen wie ihm auffiel.

„Danke. Stell' es einfach hier auf den Tisch. Hat Prinzessin Melién dich geschickt?“

Das Mädchen nickte hastig und stellte das Tablett vor ihm ab.

Sie sah ihn einen Moment an, als würde sie auf etwas warten, ehe sie hastig knickte und den Blick senkte.

Eldarion lächelte flüchtig.

„Danke. Das wäre alles.“

Das Mädchen knickte erneut, wobei ihr das dünne, hellbraune Haar ins Gesicht fiel, ehe sie den Raum schnell wieder verließ und die Tür leise hinter sich schloss.

Eldarion griff nach einer Tomate und steckte sie sich in den Mund, ehe er sich wieder der Karte zuwandte, als könnte diese wie durch ein Wunder seine Sorge über die Orks und seinen Vater in Luft auflösen.

Sein Blick wanderte zu den gebieten der Haradrim und ihm wurde kalt. Nachdem er seine Gäste angemessen begrüßt hatte würde er sich überlegen müssen, wie er den Haradrim seinen Vorschlag am Besten unterbreiten könnte.
 

Niâll lehnte sich auf dem Flur einen Moment gegen die kalte Wand und atmete ein paar mal durch, während sie gegen das Gefühl der Enttäuschung ankämpfte.

Er hat mich tatsächlich nicht erkannt.

Natürlich hatte er sie nicht erkannt. Sie war dumm gewesen, etwas anderes zu erwarten doch wenn sie ehrlich war hatte sie tatsächlich gehofft, dass der Prinz sich an sie erinnern würde.

Als ob der Prinz sich das Gesicht jedes Dienstmädchens merken würde. Sei nicht dumm, seine Gnaden hat sicher andere Sorgen.

Ehe sie jemand hier erwischen und der Faulheit bezichtigen würde stieß sie sich von der Mauer ab und machte sich auf den Weg zurück in die Küche.

Wenigstens hatte sie dem Prinzen nicht gesagt, dass ihr aufgefallen war, dass er nicht mit seinen Geschwistern gefrühstückt hatte, weshalb sie (ebenfalls mit der Ausrede, Prinzessin Melién habe sie beauftragt) zu Kordir gegangen war und ihm gesagt hatte, sie müsste seiner Gnaden etwas zu essen in sein Arbeitszimmer bringen.

Aber nein, damit hätte sie sich sicherlich nur lächerlich gemacht und das letzte was sie wollte war, dass der Prinz über sie lachte.
 

Als sie die Küche betrat kam Síra schon mit einem breiten Lächeln auf die zu.

„Kordir hat ja gesagt!“

Niâll starrte ihre Freundin einen Moment sprachlos an, ehe sich auch auf ihren Lippen ein breites Lächeln ausbreitete. Sie durften bei der Ankunft der Gesandten zuschauen. Sie würden einen Elben sehen!

Niâll versuchte, nicht daran zu denken, dass sie dort auch den Prinzen sehen würde.

Er wird dich sowieso niemals wahrnehmen du dummes Mädchen.

Also verdrängte sie die Gedanken zu schnell wie möglich und begann, mit Síra darüber zu fachsimpeln wie der Elb wohl aussehen würde.

„Angeblich ist es sogar ein Elbenprinz.“, wisperte Síra und erneut fragte Niâll sich, woher die Schwarzhaarige an all die Gerüchte kam – aber vielleicht wollte sie das auch gar nicht so genau wissen.

„Angeblich ist er ein Freund des Königs. Und selbstverständlich ist er wunderschön, so wie alle Elben.“

Niâll kicherte und ließ sich von Síras Begeisterung anstecken. Wie viele Menschen konnten schon von sich behaupten, einen echten Elben mit eigenen Augen gesehen zu haben?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das wars :)
Ich hoffe, dass es euch gefallen hat :)

Für konstruktive Kritik bin ich natürlich immer offen :)

Liebe Grüße

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Nachwort zu diesem Kapitel:
http://www.youtube.com/watch?v=o1PmPfWPriE"] (Meliéns Schlaflied)


Und das wars :)
Ich hoffe, es hat euch gefallen :)

Liebe Grüße

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das wars auch schon wieder :)
Ich hoffe, es hat euch gefallen :)
Konstruktive Kritik ist natürlich immer gern gesehen^^


*Übersetzung Arwen: Der Schatten hat noch keine Macht, Geliebter.
Weder über dich, noch über mich.



Liebe Grüße

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Ricadu
2014-12-21T16:34:13+00:00 21.12.2014 17:34
Ich mag Niâll x)
Sie ist irgendwie echt goldig.

Die beiden Schwestern geben ein hübsches Gespann ab, während ich mich gut in die Situation von Eldarion hinein versetzen kann - unter anderem auch dank deinem tollen Schreibstil, der mich nach wie vor fesselt.
Und obwohl es eine Weile her ist, dass ich die letzten Kapitel gelesen habe, war ich schon nach der 1. Zeile wieder direkt in der Geschichte drin - Danke für dieses neue Kapitel, auch wenn ich nicht immer etwas dazu schreibe, ich lese jedes davon sehr gerne!

LG
Antwort von:  DreamerInHeaven
20.01.2015 16:47
Oh danke für den Kommentar :))
Freut mich, dass es dir gefallen hat :))

Ich versuche, bald weiterzuschreiben aber ich hab im Moment viel in der Uni zu tun :)
(Deshalb auch die späte Antwort :''') )

Liebe Grüße :))
Von:  Ricadu
2013-10-19T15:50:16+00:00 19.10.2013 17:50
Deinen Schreibstil hab ich zwar schon einmal gelobt, kann mich aber nur wiederholen - der ist toll!
Ich mag deine Interpretation der Königskinder. Es ist toll, wie du sie ihrem Alter entsprechend bewegst - mit 12 hätte ich wohl, ähnlich wie Lúthiel, auch nicht unbedingt gern auf meine kleine Schwester aufgepasst, trotzdem versteht sie, wie ernst es ihrem Bruder ist.
Klasse! :D
Also in mir hast du eine Stamm-Leserin gefunden. ^_^
Antwort von:  DreamerInHeaven
20.10.2013 13:09
Danke für den lieben Kommentar :)
Sowas hört man doch immer gern :D :)
Freut mich, dass dir die Kinder bisher gefallen :)

Liebe Grüße :))
Von:  Ricadu
2013-10-15T17:56:39+00:00 15.10.2013 19:56
Nun... ein vielversprechender Prolog.
Ich mag das "Vor-Shadowing" (? Herr je, habe ich lange keine Buch-Kritiken mehr gelesen...) am Ende... Jetzt besteht definitiv der Wunsch nach mehr.
Dein Schreibstil hat definitiv was, in letzter Zeit bringt mich kaum noch eine FF dazu, tatsächlich weiter als drei bis vier Absätze zu lesen - dieser Text, wenn auch nur ein Prolog, ging in einem Rutsch durch und ich war schneller am Ende, als mir lieb war.
Da mich die Familie Telcontar schon immer fasziniert hat, gute FFs dazu sind leider rar (meine habe ich seid Jahren nicht mehr angerührt, und werde das vermutlich auch nie wieder tun... Kinder-Gewäsch ist das... û_u°), entsprechend... freue ich mich schon richtig auf das 1. Kapitel! ;)

LG,
dein erster (?) Fan ~
(Zumindest zum Zeitpunkt des Schreibens 1. Kommentar)

PS: Ich meine, mich zu erinnern, dass Minas Tirith nach dem Ring-Krieg wieder in Minas Arnor umbenannt wurde? Ganz sicher bin ich mir da aber nicht; den Hinweis bekam ich neulich erst von einer Freundin, mit der ich ein HdR-RP führe, das in dieser Zeit spielt. ^^°
Antwort von:  DreamerInHeaven
16.10.2013 14:30
Hey :)

Erst mal vielen dank für den lieben Kommentar :)
Es freut mich total, dass der Prolog dir so gut gefallen hat :)

Das mit Minas Tirith habe ich so nirgendwo gelesen, kannst du deine Freundin fragen wo sie das her hat? :)
Antwort von:  Ricadu
16.10.2013 21:25
Hallu :)

Klar, kann ich morgen machen - ich schreibe dir dann einfach via ENS?
Jedenfalls hat sie zuhause sowohl das Silmarillion, als auch die Geschichten aus Mittelerde stehen; vermutlich steht das in einem dieser beiden Werke - ob man sie nun als "Kanon" ansieht oder nicht (schließlich wurden beide von Tolkien's Sohn auf Basis der Notizen seines Vaters veröffentlicht) ist wiederum jedem selbst überlassen...
Ich störe mich auch nicht wirklich an Minas Tirith, ist mir nur aufgefallen, weil wir das Thema neulich erst hatten.^^°


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