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Die Kindheit eines Wolfs

Hogwarts 1971 - 1978
von

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Eine Geschichte wird erzählt

Autor's Note:
 

Als Erstes: Ich habe die Geschichte begonnen zu schreiben, als das fünfte HP-Band in die Läden gekommen ist. Daher sind nun inhaltliche Fehler zu Band 6 enthalten. In der Erstvariante werde ich sie nicht vermeiden können. Sobald die FF jedoch abgeschlossen ist, werde ich sie inhaltlich angleichen. Bzw werde ich es versuchen.
 

Diese Geschichte handelt, wie man sicherlich schon vom Titel her erraten kann, von Remus' Leben. Sie wird sich mit seiner Schulzeit beschäftigen und auch mit Zeiten darüber hinaus.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit diese FF in Anspruch nehmen wird und ich kann leider auch noch nicht sagen, wann ich sie beendet haben werde. Ich würde mich über Kommentare jeder Arte (Komplimente, Anregungen, Kritiken, Morddrohungen...) freuen. Vor allem die Kritik ist mir sehr willkommen, da ich mich gern noch verbessern möchte. Sagt mir bitte, was euch gefällt und was euch nicht gefällt. Rechtschreibfehler werde ich korrigieren, sobald ich die Zeit finde.^^

Ich habe mir vorgenommen im monatlichen Rhythmus die Kapitel hochzuladen. Ich denke, dass das ausreichend Zeit ist, um zu schreiben. Jedoch kann ich nicht versprechen, dass ich die Termine immer einhalten werde, da ich sehr mit der Schule beschäftigt bin.

Ich weiß jetzt schon, dass ich ein paar Teile mit einem FSK versehen muss. Für Leser ab sagen wir 13/14 ist die Geschichte geeignet. Auch für jüngere natürlich. Die Kapitel mit z.B. FSK: 16/18 werde ich mit eben diesem Hinweis ausstatten. Es ist euch jedoch selbst überlassen, ob ihr sie lest oder nicht (es werden nur einzelne wenige sein^^). Da ich 16 bin (Edit: 17), werde ich sie nicht unter Adult stellen, da ich nicht einsehe, wieso nur volljährige Clubmitglieder die Kapitel lesen dürfen. Wenn eine 16-jährige (Edit: 17-jährige) sie schreibt, dann dürfen meines Erachtens nach auch 16-jährige die Kapitel lesen.

Die Einordnung in ein bestimmtes Thema/einen Genre ist mir nicht leicht gefallen. Eigentlich kommt hier alles vor. Deshalb ist es schwer. Ab und zu auch mal ein Lied oder Gedicht. *an sprechenden hut denk* XD Shonen-Ai kommt natürlich auch (später) vor. Ein wahrer Shonen-Ai-Süchtiger darf dieses Faktum doch nicht außer Acht lassen.^^

Ich glaube, dass ich inzwischen genug geredet/geschrieben habe und sollte euch nun endlich mit dem Prolog beglücken. Bitte reviewt. Ich wäre euch zu tiefstem Dank verpflichtet.
 

Eure Kazumi ^_^
 

PS: Der Prolog ist nicht wirklich gut geworden. Nehmt ihn nicht ganz so ernst.^^'''

PPS: Heute die erste Überarbeitung des Prologes. Er ist nur hier und da etwas ausgebessert, aber ich denke ich muss ihn später ohnehin nochmals überarbeiten^^°
 

DIE KINDHEIT EINES WOLFS by Kazumi
 

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Prolog: Eine Geschichte wird erzählt

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Die Sonne stand tief am Firmament und tauchte alles in ein herbstliches Rot. Die weißen Wolken färbten sich rosa, der klare Himmel trug die verschiedensten Gelb- und Rottöne zur Schau. Ein leichter Wind blies über die Ländereien Hogwarts', welche ruhig und friedlich dalagen. Es war ein Bilderbuchtag für diese Jahreszeit gewesen. Doch wie es bei so vielen - schönen - Dingen der Fall war, neigte auch dieser sich seinem Ende entgegen. Das Schloss wurde bereits von einigen Kerzen erhellt. An den Fenstern der Großen Halle konnte man Spinnweben und Kürbislaternen hängen sehen. Die letzten Vorbereitungen für das heutige Halloweenfest waren in vollem Gange. Die Lehrer hatten sich bereits alle im Saal versammelt, um hier und dort noch eventuelle, kleine Änderungen vorzunehmen. Doch nicht alle Mentoren waren anwesend. Zur Vollzähligkeit fehlten zwei Mitarbeiter des Lehrstandes. Der Meister der Zaubertränke - Severus Snape - und der mehr oder weniger neue Lehrer für das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste - Remus Lupin, welcher dieses Fach nun schon zum zweiten Mal unterrichtete. Das letzte Mal - drei Jahre zuvor - hatte er das Schloss nach einem Jahr wieder verlassen müssen, da der Großteil der Eltern nicht sehr erfreut darüber gewesen war, dass ihre Kinder von einem Werwolf unterrichtet worden waren. Doch dieses Jahr erhielt er seine zweite Chance. Dies lag wohl daran, dass zum Einen das Ministerium unfähig gewesen war jemanden zu finden, der sich freiwillig für dieses Amt zur Verfügung stellte; zum Anderen war die Widerauferstehung Lord Voldemorts, welche von vielen Hexen und Zauberern bis vor Kurzem noch als Irrglauben und Fantastarei abgestempelt worden war, nun unwiderruflich geworden. Die vergangenen Jahre über hatte man dem Direktor von Hogwarts - Albus Dumbledore - nicht geglaubt, dass Voldemort zurückkehren würde, doch nun sah die ganze Sache anders aus. Die Eltern fürchteten um das Wohl ihrer Kinder, wussten jedoch, dass ihr Nachwuchs bei Dumbledore so sicher war wie in Abrahams Schoß. Und wenn sie schon nicht in den Bärtigen vertrauten so wohl auf die Schutzzauber, die das Schloss umgaben. Es so sicher machten wie Askaban - oder zumindest annähernd. Der alte Zauberer wusste, wie er seine Schülerinnen und Schüler beschützen konnte und wenn er es für wenig bedenkenswert hielt, dass ein Werwolf ihre Kinder unterrichtete, dann akzeptierten die Eltern diese Entscheidung. Oder besser gesagt: sie hatten diesen Schiedsspruch anzunehmen. Immerhin war ein Werwolf weit weniger gefährlich als Voldemort. Da waren sich alle einig.
 

Remus saß auf der Quidditchtretbühne der Gryffindors und sah auf das Feld. Nein. Eigentlich sah er es nicht. Eigentlich starrte er ins Leere. Ein schwarzer Schleier verdunkelte seinen Blick. Ein leichter Wind zog an seiner Kleidung, doch er spürte ihn nicht. Eben so wenig wie er das Gelächter der Schüler, welches die Brise vom Schloss her zu ihm trug, wahrnahm.

"Wie lang ist es her?", fragte eine dunkle Stimme hinter ihm.

Er reagierte nicht.

"Wann saßt du das letzte Mal so gedankenverloren hier und hast vor dich hingestarrt?"

Schritte näherten sich ihm.

"Wenn ich mich recht erinnere, dann war es in den Winterferien 1976. Oder war es kurz danach? Sag Remus, wann war es genau?"

Wieder gab der Brünette keine Antwort. Ein leises Seufzen folgte und die Schritte verstummten. Nun stand der Schwarzhaarige neben Lupin und ließ seinen Blick über das Spielfeld schweifen.

"Vermisst du die alten Zeiten?", fragte Remus leise. "Vermisst du sie, Severus?"

Als Antwort erhielt er ein kaltes Lachen, welches nur allzu typisch für den Giftmischer war.

"Du beliebst zu scherzen. Du weißt genau, was ich über die Vergangenheit denke. Lass sie ruhen und denke nicht darüber nach. Ändern kannst du es nicht mehr."

"Der kühle, rationale Severus Snape wie er leibt und lebt", spottete der Werwolf.

"Eigenschaften die einen Slytherin auszeichnen."

Remus lachte.

"Wie lang sollen diese Rivalitäten denn noch anhalten? Willst du mich weiterhin als den dummen kleinen Gryffindor-Jungen sehen, der ich einst war?"

"Du warst nie einer dieser ,dummen kleinen Gryffindors', wie du es so schön ausdrückst."

Remus sah auf. Er musste wohl ein sehr überraschtes Gesicht machen, grinste Severus belustigt.

"Die einzigen Kindsköpfe waren Potter und Black."

Damit hatte der Schwarzhaarige einen Schwachpunkt getroffen. Der Hagere senkte seinen Blick wieder und starrte erneut vor sich hin. Snape ließ sich neben ihm auf die Bank sinken.

"Was tust du hier?"

"Nachdenken."

"Du solltest nicht die ganze Zeit hier draußen bleiben. Das Fest beginnt bald. Ich hasse solche Veranstaltungen zwar, aber du solltest hingehen."

"Wieso sollte ich? Das bringt mir nur noch mehr Erinnerungen, an die ich nicht erinnert werden möchte."

Severus wusste nicht, was er erwidern sollte. Er konnte verstehen, weshalb Remus so niedergeschlagen war. Es war immerhin in einer Halloweennacht gewesen, als Lily und James Potter aus dieser Welt geschieden waren.

"Wieso gehen sie alle?"

Wieder wusste er keine Antwort.

"Erst Lily, dann James, dann Peter und jetzt auch noch Sirius. Wieso gehen sie alle, Severus?"

"Du fragst mich Dinge, worauf ich dir keine Antwort geben kann. Selbst Albus würde sich schwer tun. Vielleicht würde er so etwas wie ,Es war für sie an der Zeit zu gehen.' sagen. Ich weiß es nicht."

"Und wieso bist du gegangen?", fragte der Braunschopf.

Als er den Zaubertrankmeister ansah, machte er auf diesen einen kläglichen Eindruck. Es sah so aus, als stände er kurz davor in Tränen auszubrechen.

"Wegen dir und Lily", erwiderte der Schwarzhaarige in samtigem Tonfall.

Die Strenge, die er normalerweise vor allem den Schülern entgegenbrachte, war gänzlich aus seiner Stimme gewichen.

"Lilys und meinetwegen?"

Remus lächelte verloren und schüttelte den Kopf.

"Wie ist das alles nur so weit gekommen? Ich versteh es nicht. Womit hat das nur alles angefangen?"

Seine Gedanken begannen wie wild zu kreisen und vernebelten ihm die Sinne. Die Erinnerungen an vergangene Zeiten stiegen wieder in ihm auf - und mit ihnen all die Gefühle... Sowohl gute, wie auch schlechte - sehr schlechte -, die er versucht hatte zu verdrängen. Manche davon vergebens... sogar bis heute.
 

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Prolog - Ende

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1.I.Post mit Folgen

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1.Akt: Kapitel I: Post mit Folgen

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Es war ein ruhiger Julimorgen im Hause Lupin. Vor wenigen Minuten war Mr. Lupin zur Arbeit aufgebrochen. Er arbeitete im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen, welches ein Teil des Zaubereiministeriums war. Er und seine Kollegen waren dafür zuständig das die Muggel - Nichtmagier - von den Aktivitäten der Zauber und Hexen sowie magischen Geschöpfe nichts mitbekamen und mussten sich die heikelsten Ausreden einfallen lassen. Oft erwies sich das als nicht ganz einfach.

Beispielsweise hatten zwei Riesen vor ein paar Jahren eine - mehr oder weniger - kleine Auseinandersetzung - wenn man es in dieser Größenordnung noch so nennen konnte -, nachdem sie sich wohl ein paar Butterbiere zu viel genehmigt hatte. Unwissend waren sie in der Londoner Innenstadt gelandet - um genauer zu sein vor dem Buckingham Palace. Zu ihrem Glück waren die meisten Muggel bereits zu Bett gegangen, war es mitten in der Nacht gewesen. Die Zauberer des Ministeriums waren schnell vor Ort gewesen und hatten das Problem beseitigt. Die nichtmagischen Individuen, die das Spektakel mit angesehen hatten, hatte man eine falsche Erinnerung gegeben. Die anderen, welche die Vibrationen gespürt hatten, die die Riesen verursacht hatten, war ein starkes Erdbeben vorgegaukelt worden. In dieser Hinsicht war Mr. Lupins Job alles in allem recht abwechslungsreich - zudem auch relativ gut bezahlt.

Mr. Lupin hatte ein kleines Haus, welches auf einem der Hügel mitten in Swansea stand. Swansea war eine recht ansehnliche Stadt an der Küste Wales'. Zwar war das Wetter, wie in Großbritannien so üblich, nicht das Beste, doch der Sonnenschein kam in diesem Sommer nicht allzu kurz.

Mr. Lupin war ein recht gut gebauter Mann, der die Dreißig gerade einmal überschritten hatte. Sein Haar war leicht zerstrubbelt, was ihn jedoch keineswegs ungepflegt erschienen ließ. Die Farbe war schwer zu beschreiben, ein ins Rot gehende Braun mit einem leichten aschblonden Schimmer darin. Eine äußerst ungewöhnliche Haarfarbe. Während der Sommermonate blich die Sonne seine Haare jedoch stark, sodass sie in dieser Zeit ein Haselnussbraun besaßen. Seine Augen glitzerten wie Smaragde hinter den kleinen, recht dünnen Brillengläsern. Sah man länger in sie, so verlor man sich nur allzu leicht in ihnen, hatten sie etwas seltsam anziehendes an sich.

Mr. Lupin war bereits zwölf Jahre glücklich mit seiner Frau verheiratet. Sie hatten einen gesunden Jungen - gute zehn Jahre alt - zur Welt gebracht und lebten friedlich in ihrem Haus. Doch ganz so sauber war diese kleine Welt doch nicht. Sie hatte zwei gravierende Fehler. Zum Einen war da Mrs. Lupin. Sie war eine wirklich reizende Frau mit sehr guten Manieren - sehr wohlerzogen, da sie aus gutem Hause kam. In punkto Aussehen stand sie ihrem Mann in nichts nach. Sie wirkte sehr jung und aufreizend. Manche meinten sogar eine ihrer Vorfahrinnen sei eine Veela gewesen. Ihr blondes Haar glänzte wie Gold, wenn das Sonnenlicht auf es fiel. Ihre Augen ähnelten zwei wunderschönen, geschliffenen Bernsteinen. Auch ihr Körper war wohlgeformt und ihre gesamte Erscheinung erinnerte mehr an eine Achtzehnjährige, als an eine Frau, knapp über dreißig. Doch all dies täuschte über die Wahrheit hinweg. Zwar war sie wunderschön, doch glich sie mehr einer Porzellanpuppe, als einem lebenden Menschen. Ihre Haut war schneeweiß. Schon seit ihrer Kindheit litt Mrs. Lupin an einer schweren Krankheit. Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer und irgendwann würde sie wohl daran zu Grunde gehen. Die Lupins hatten schon eine Menge Zaubertränke und Zaubersprüche ausprobiert, doch nichts half. Keiner der Mediziner konnte ihnen helfen die Krankheit auszuschalten. Auch die Muggel konnten nur wenig für sie tun. Dank ihnen hatte Mrs. Lupin eine Medizin, die ihre Krankheit hinauszögerte und die Schmerzen linderte. Allerdings kostete sie ziemlich fiel und daher, trotz des guten Verdienstes ihres Mannes, hatte die junge Familie nur begrenzte Mittel. Zwar äußerte Mrs. Lupin des Öfteren den Wunsch ebenfalls arbeiten zu gehen, doch Mr. Lupin lehnte dies vehement ab. Zum einen wollte er sie schonen, zum anderen musste jemand auf ihren Jungen aufpassen. Zudem meinte er, dass es ihnen doch an nichts fehle und er mit seiner Arbeit genug Geld verdiene.

Doch da war auch noch das andere Problem. Ihr Zehnjähriger, Remus Lupin. Der Junge war äußerst wissbegierig und sehr klug. Für einen Jungen seines Alters stellte er ungewöhnlich viele Fragen. Er interessierte sich für vieles und war für neue Sachen offen. Mit vier Jahren hatte er schon das Schreiben und Rechnen gelernt. Mit sieben hatte er angefangen sich für die verschiedensten magischen Wesen zu interessieren und mit acht hatte er begonnen davon zu schwärmen wie schön es doch wäre nach Hogwarts zu gehen, einer Schule, in der Zauberei und Hexerei unterrichtet wurden. Wie viel er dort lernen würde! Nicht auszudenken!

Doch so neugierig wie er war, so verständnisvoll war er. Er wusste, dass er wahrscheinlich nie nach Hogwarts gehen konnte. Und dafür gab es zwei gute Gründe.

Zum Einen war da die Krankheit seiner Mutter. Er konnte seinen Eltern nicht noch zusätzliche Kosten für Schulbücher oder Ähnliches zumuten. Dies war ein finanzieller Belast, bei welchem er sich kaum sicher war, dass seine Eltern ihn tragen konnten - wie konnte er sich da als Kind auch sicher sein?

Zum Anderen stand ihm - und seinen Träumen von Hogwarts - dieser verhängnisvolle Tag vor einigen Jahren im Wege. Remus war damals fünf Jahre alt. Es war Silvester gewesen und seine Eltern waren mit ihm nach London gefahren, um dort mit einigen Freunden zu feiern. Sie hatten Flohpulver benutzt, doch Remus war einige Kamine zu weit geflogen, hatte er nicht recht zugehört, als ihm der genaue Wortlaut genannt worden war. Der Junge war in einem der Läden in der Winkelgasse gelandet. Er beschloss auf eigene Faust nach Mutter und Vater zu suchen. Seine Eltern hatten ihm geraten zu Gringotts, der Zaubererbank, zu kommen, falls etwas schief gehen und sie sich verlieren sollten. Die riesige Fassade besagter Bank war auch schon in Sichtweite geraten, als er ein Heulen und einige entsetzte Schreie hinter sich vernommen hatte. Verwirrt hatte er sich anno dazumal umgedreht. Die Menge in der Winkelgasse war auseinander gestoben und da fasste er die Ursache für das Getöse auch schon in seinen Blick: ein riesiger Werwolf, der durch die Zauberer und Hexen schoss. Panik hatte sich in dem Jungen breit gemacht, als das Monstrum auf ihn zugehalten hatte. Am liebsten wäre er Hals über Kopf davon gestürmt, doch sein Körper war wie gelähmt gewesen. Einige der Anwesenden hatten geschrien er solle sich in Sicherheit bringen, doch er hörte sie zu jener Zeit nicht. Ein schreckliches Rauschen hatte seine Ohren gefüllt. Das ganze Geschehen vor ihm war für ihn regelrecht bruchstückhaft abgelaufen. Erst war der Werwolf einige Meter von ihm entfernt gewesen und im nächsten Moment hatte er sich auch schon auf ihn gestürtzt und seine scharfen, spitzen Zähne in Remus' Fleisch vergraben. Den Angriff seinerzeit hatte er nur knapp überlebt. Mehrere Tage lang mussten seine Eltern um das Leben ihres Sohnes bangen, doch glücklicherweise hatte er es überlebt und war schnell wieder genesen. Doch von da an verwandelte er sich in jeder Vollmondnacht in einen gefährlichen Werwolf, der schwer zu bändigen war. Und das war das gravierendere Problem. Selbst wenn er nach Hogwarts gehen konnte, so wäre er eine Gefahr für jeden dort.

Somit hatte sich der junge Lupin damit abgefunden, dass er wohl nicht die Möglichkeit haben würde auf die Schule für Zauberei und Hexerei zu gehen und würde versuchen sich so viel wie möglich selbst beizubringen. Nichts desto trotz träumte er weiter davon dort zu lernen und eines Tages einen Abschluss zu machen, damit seine Eltern stolz auf ihn sein konnten.
 

Remus verabschiedete seinen Vater, der gerade disapparierte. Danach frühstückte er gemeinsam mit seiner Mutter, als eine Eule zum Fenster hereingeflogen kam. Überrascht darüber, da die Post für gewöhnlich erst viel später eintraf, band Mrs. Lupin den Brief, der an dem Bein der Eule festgebunden war, los und sah erstaunt auf, als sie den Absender festgestellt hatte.

"Der Brief ist für dich Remus... Von Hogwarts."

"Von Hogwarts?!", rief er aufgeregt.

Seine Mutter überreichte ihm den gelblichen Umschlag, worauf er sofort das Siegel brach und einen der Papierbögen herausholte und zu lesen begann.
 

HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI
 

Schulleiter: Albus Dumbledore

(Orden der Merlin, Erste Klasse, Großz., Hexenmst.

Ganz hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer)
 

Sehr geehrter Mr. Lupin,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der

Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen

sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bü-

cher und Ausrüstungsgegenstände.

Das Schuljahr beginnt am 1.September. Wir erwarten Ihre

Eule spätestens am 31.Juli.
 

Mit freundlichen Grüßen
 

Minerva McGonagall

Stellvertretende Schulleiterin
 

Remus konnte seinen Augen nicht trauen. Hier stand wirklich schwarz auf weiß - oder eher schwarz auf gelb, um genau zu sein -, dass er - ER nach Hogwarts gehen durfte. Er machte einen Freudensprung und wirbelte durch die Küche.

"Mama, das ist toll! Ich darf nach Hogwarts! Ich darf! Sie nehmen mich wirklich! Mama, ist das nicht - Mama?"

Seine Mutter schien sich überhaupt nicht über das Schreiben zu freuen - im Gegenteil. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Sie schien besorgt.

"Remus..." Sie atmete tief ein, bevor sie ihn ernst ansah. "Remus, mein Lieber. Ich weiß es ist schwer zu akzeptieren, aber du kannst nicht nach Hogwarts gehen."

"Aber wieso?!"

"Remus, das weißt du doch selbst gut genug, oder etwa nicht? Sag du es mir."

Er bebte vor Wut. Vor Wut auf sich selber und über die unbeugsame Wahrheit.

"Ich bin ein Werwolf und eine Gefahr für andere Menschen. Deshalb - deshalb darf ich nicht nach Hogwarts. Hab ich Recht?"

"Ja, Remus. Leider. Es tut mir wirklich Leid. Ich kann mir denken, wie du dich fühlst und ich würde alles dafür geben, dass du glücklich bist, aber das geht einfach nicht. Du verstehst mich doch."

"Ja..."

Der Junge war gebrochen. Was sollte er schon tun? Seine Mutter hatte Recht und er konnte es nicht abstreiten. So schnell wie die Hoffnung auf ein normales Leben als Zauberer gekommen war, so schnell war sie auch schon wieder gegangen. Oder etwa nicht? Remus viel auf, dass noch ein paar weitere Bögen Papier in dem Umschlag steckten. Er holte sie heraus. Auf dem einen waren die Gegenstände aufgelistet, die er für sein erstes Schuljahr benötigte. Der zweite war in einer sehr verschnörkelten, dennoch sehr ansehnlichen Schrift geschrieben.
 

Sehr geehrter Mr. Lupin,

Mir ist Ihr Problem, welches sich monatlich bemerkbar

macht wohl bekannt. Nichts desto trotz möchte ich Sie

herzlichst auf Hogwarts begrüßen und hoffe, dass ich bis

31. Juli eine Eule von Ihnen erhalte. Über weitere Maß-

nahmen, Ihres Problems wegen, möchte ich mit Ihnen am

ersten Schultag gleich nach dem Festmahl in meinem Bü-

ro sprechen.
 

Mit freundlichen Grüßen
 

Albus Dumbledore

Schulleiter von Hogwarts
 

Und wieder machte sein Herz einen gewaltigen Sprung. Er reichte das Schreiben seiner Mutter, welche es - zunächst etwas verdutzt - entgegen nahm und überflog. Als sie fertig war, sah sie auf und schien mit sich zu ringen. Sie nickte und bestätigte anscheinend ihre eigenen Gedanken.

"Schön."

Einige Zeit verging still, in welcher der Junge seine Mutter unruhig ansah. Er rutschte auf dem Stuhl hin und her. Was bedeutete das Schweigen seiner Gegenüber? War es ein Ja? Oder war es ein Nein? Warum sagte sie nichts? Warum verließ kein einziges Wort ihre Lippen? Haderte sie noch immer mit sich selbst? Ungeduldig biss sich der Braunschopf auf die Unterlippe. Der Brief war doch unmissverständlich. Besagter - ... - Dumbledore - ! - wusste bescheid und würde Rat wissen. Also was sprach dagegen? Fast schon flehendlich sah er die junge Frau an. Innerlich war er zum Zerreißen gespannt. Langsam sah diese auf. Sie lächelte ihren Sohn an.

"Ich werde mit deinem Vater sprechen. Wenn er nichts dagegen hat, dann darfst du nach Hogwarts. Aber so wie ich ihn kenne, sagt er sicherlich ja."

Remus' Augen, die die gleiche Farbe wie die seiner Mutter hatten, leuchteten vor Begeisterung auf. Erneut tobte er durch das Zimmer, wobei sein hellbraunes Haar vollkommen zerzauste. Er ergriff die Hände seiner Mutter und führte mit ihr einen kleinen Freudentanz auf. Für gewöhnlich würde er das als peinlich und vollkommen übergeschnappt ansehen, doch in diesem Moment war ihm die Vernunft egal. Er freute sich und lachte zusammen mit seiner Mutter. Heute war ein herrlicher Tag und einer der besten seit langem. Womit hatte er es verdient, dass eine Mutter tatsächlich ja sagte? Es war einfach zu schön um war zu sein. Er konnte seine Freude kaum in Zaum halten, war diese schier grenzenlos. Er tollte durch den Raum - konnte sich nicht einkriegen. Es war für ihn noch immer unfassbar. So viel Glück verdiente er doch gar nicht. Seine Wangen färbten sich rot und vom Tollen stockte ihm nach und nach der Atem. Doch er konnte nicht anders. Er war im regelrechten Rausch. Im Rausch der Gefühle. Und es fühlte sich unsagbar gut an.
 

Die Sonne lachte und der Himmel erstrahlte in einem klaren Blau.

Mit großen Augen und nicht allzu minderer Begeisterung lief Remus durch die Winkelgasse und sah sich jedes einzelne Schaufenster an. Seine Eltern lächelten, als sie sahen, wie aufgeregt ihr Junge war. Ein solcher Enthusiasmus tat gut. Seit dem Vorfall vor gut fünf Jahren war es das erste Mal, dass ihr Spross wieder durch diese Straße lief. Trotz der verstrichenen Zeit, hatte sich hier nicht allzu viel geändert. Die Verkäufer waren noch immer die selben und die Geschäfte noch immer an ihrem angestammten Platz. Und das würde sich wohl auch in ein paar Jahren nicht ändern.

"Remus!"

Der Junge stand gerade vor der Magischen Menagerie und bestaunte die Eulen und Käuze, als sein Vater ihn rief und er zu seinen Eltern zurück lief.

"Ja, Papa?"

"Deine Mutter und ich gehen kurz zu Gringotts und holen Geld. Kannst du inzwischen zu Madam Malkin's Anzüge für jede Gelegenheit gehen und dir Schulkleidung nähen lassen? Das würde uns wirklich viel Zeit sparen."

"Klar!", sagte Remus und lächelte. "Wenn ihr mir sagt, wie ich hinkomme."

Sein Vater erwiderte das Lächeln.

"Geh einfach weiter gerade aus. Irgendwann kommt eine Eisdiele. Gegenüber ist das Geschäft."

"Also auf der gleichen Seite wie die Menagerie?"

"Ja, genau."

"Ah, okay. Ich glaub ich werde es schon finden. Bis später."

Und schon war er losgelaufen und in der Menge verschwunden. Vergnügt schlenderte er die Straße entlang und blieb hier und da stehen. Ein Geschäft machte ihn besonders neugierig. Eeylops Eulenkaufhaus stand in großen Lettern, ehemals mit Gold verziert, welches nun schon leicht abblätterte, über dem Eingang. Es gab die verschiedensten Eulenarten. Schneeeulen, Schleiereulen, Zwergeulen - einfach alles. Im Gegensatz zur Menagerie herrschte hier Ruhe, was Remus nicht weiter wunderte. Soviel ihm bekannt war, waren Eulen nachtaktive Tiere und wurden tagsüber wahrscheinlich nur aktiv, wenn sie etwas zu Fressen bekamen.

"Na, junger Mann. Kann ich dir helfen?", fragte eine recht junge Frau, etwas jünger als seine Eltern, so schätzte er.

Er lief rot an.

"Nein, ich - äh - ich schau sie mir nur an."

"Schöne Tiere, nicht?"

Sie streichelte die große braune Schleiereule, welche zufrieden ihre Augen schloss und zu gurren begann.

"Willst du auch mal?"

Er nickte leicht und machte einen vorsichtigen Schritt auf das Tier zu. Langsam streckte er seinen Arm nach ihr aus und wartete einen Moment. Zunächst beäugte sie ihn misstrauisch, doch dann blinzelte sie zutraulich und knabberte an seinem Finger. Vorsichtig strich er mit der freien Hand über ihr Gefieder. Es war weicher, als er gedacht hatte.

Die Frau, die ihn begrüßt hatte, lächelte zufrieden.

"Sie scheint dich zu mögen."

"Sie ist wirklich atemberaubend schön", murmelte Remus und streichelte sie weiter.

"Ja, nicht?" Die Verkäuferin lachte. "Willst du sie vielleicht kaufen?"

Er schüttelte leicht den Kopf.

"Ich würde ja gerne, aber sie ist sicher viel zu teuer."

"Hm..."

Die junge Frau schien kurz zu überlegen, dann schlug sie mit der Faust in die flache Hand.

"Ich hab's!"

Remus sah verwirrt auf.

"Ich schenke sie dir."

"Wie bitte?!"

Er konnte seinen Ohren nicht recht Glauben schenken. Hatte er gerade richtig gehört? Hatte sie gesagt, sie wolle ihm die Eule schenken?! Nein. Das konnte unmöglich sein. Sicher hatte er es sich nur eingebildet - wie auch anders nicht möglich.

"Was machst du so ein Gesicht? Natürlich nicht ohne Gegenleistung."

"Und was stellen Sie sich da so vor?"

"Du kommst dieses Jahr nach Hogwarts, richtig?"

"Ja..."

"Schön, schön."

"Ich verstehe noch immer nicht-"

"Das ist ganz einfach. Die Ferientermine sind immer gleich. Das heißt, dass du den gesamten August frei hast. Wenn du die Eule gerne möchtest, dann würde ich dich darum bitten, dass du mir dafür nächstes Jahr im Laden aushilfst."

"Also den gesamten August über?"

"Ja, wenn dir das nicht zuviel Arbeit ist? Natürlich kostet die Eule nicht so viel, wie du verdienen würdest. Du hättest dann noch Geld übrig, aber ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen."

Remus lächelte. "Sehr gern."

Nun begann auch die Verkäuferin zu lächeln. Sie nahm den Käfig der Eule und reichte ihn ihm.

"Aber vergiss es nicht, hörst du. Ich schick dir vorher noch mal eine Eule-"

"Remus, Remus Lupin."

Sie lachte.

"Gut Remus. Also kümmere dich gut um sie und wehe sie sieht nächstes Jahr nicht genau so gut aus, wie jetzt."

Er lachte ebenfalls.

"Ja, geht klar."

Die Schleiereule flog von ihrer Stange und ließ sich langsam auf seiner Schulter nieder, bedacht darauf ihre Krallen nicht zu fest in seine Schulter zu schlagen. Mit einem leichten Winken verabschiedete er sich von der Ladeninhaberin und setzte seinen Weg zu Madam Malkin's fort.

Er fragte sich, wie er seinen Eltern bloß das neue Tier erklären sollte. Am besten war wohl doch die Wahrheit. Sonst würde er in den Sommerferien begründen müssen, wieso er bereits einen ganzen Monat eher in die Winkelgasse gehen müsse. Sicherlich würde sein Vater später einen Aufstand machen, aber er konnte es ihm schwerlich verübeln. Ein neues Haustier in nicht einmal dreißig Minuten? Das war schwer zu schaffen. Aber wie es schien nicht unmöglich, hatte er es gerade eben bewiesen.

Es dauerte nicht lang und er erreichte endlich sein eigentliches, ursprüngliches Ziel. Er öffnete die Tür, welche bei seinem Eintritt klingelte.

Sofort war Madam Malkin, eine etwas rundlichere, nichts desto trotz sehr nett wirkende Hexe, deren gesamte Kleidung malvenfarben war, zur Stelle.

"Hogwarts, hab ich Recht?", fragte sie und ihm blieb lediglich Zeit für ein kurzes Nicken, als sie auch schon fortfuhr. "Stell den Käfig doch bitte dort in die Ecke, mein Lieber. Und deine Eule stört auch etwas."

Er nickte nur und schritt durch den Raum. Er stellte den Käfig ab und streckte seinen Arm aus. Seine Eule landete auf diesem. Remus öffnete die Käfigtür und setzte seine neue Errungenschaft vorsichtig auf einer Stange ab. Nachdem er die Käfigtür geschlossen hatte, wurde er auch schon nach hinten geleitet.

"Stell dich bitte auf den Schemel", wies ihn Madame Malkin freundlich an. "Gut so."

Eine zweite Hexe kam zu ihm und die Ladenbesitzerin ging wieder nach vorn. Ein schwarzer Umhang glitt über seinen Kopf und kurz darauf begann die zweite Hexe ihn mit Nadeln in der richtigen Länge abzustecken.

Die Tür ging erneut und Remus hörte einige Stimmen wild durcheinander reden. Anscheinend eine Familie. Er konnte den vorderen Teil des Ladens leider nicht sehen.

"Folgt mir bitte!", hörte er Madame Malkin sagen, welche kurz darauf mit zwei Jungen im Schlepptau auftauchte. Beide hatten sie schwarzes Haar, doch sahen sie sich nicht sehr ähnlich. Der Eine hatte blaue, der Andere haselnussbraune Augen. Sie schienen in seinem Alter zu sein. Etwas größer als er selbst.

"Wer will zuerst?", fragte Madame Malkin.

Der Junge mit den wüsten Haaren zuckte mit den Schultern.

"Du zuerst?"

"Mir egal", erwiderte der Andere.

Sein Haar schien gepflegter und stand nicht so wirr von seinem Kopf ab. Ein paar Strähnen fielen ihm auf elegante Weise ins Gesicht. Er stieg auf einen zweiten Schemel und Madame Malkin begann damit seinen Umhang abzustecken.

Die beiden hatten Remus ebenfalls kurz gemustert, doch - wie auch er - noch nichts gesagt. Remus hörte erneut Schritte. Eine Frau und ein Mann kamen ebenfalls nach hinten. Die Frau hatte braunes Haar und braune Augen, der Mann rabenschwarzes, wirres Haar und stahlblaue Augen. Hier und da zierten einige graue Strähnen sein Haupt, was darauf hinwies, dass das Paar nicht allzu jung sein konnte. Die Ähnlichkeit zwischen dem Jungen mit den haselnussbraunen Augen und dem Ehepaar war nicht zu verkennen. Das mussten seine Eltern sein. Seltsamer Weise kam Remus der Vater des Jungen ziemlich bekannt vor. Doch woher nur?

"James, wir gehen zu Flourish&Blotts und besorgen deine Bücher. Sirius, sollen wir dir deine auch gleich mitbringen?"

"Das wäre sehr freundlich von Ihnen", erwiderte der Junge auf dem Schemel.

Der Herr lächelte, als sein Blick auf Remus fiel.

"Oh, wen haben wir denn da? Bist du nicht der junge Lupin? Remus, stimmt's?"

"Ähm, ja."

Remus Wangen nahmen einen Hauch von Rosa an.

"Du bist aber groß geworden", sagte die Mutter des anderen Jungen. "Wie geht es deinen Eltern?"

"Gut, danke der Nachfrage, Mrs. - verzeihen Sie..."

"Potter!", lachte sie vergnügt. "Ist wohl doch schon zu lang her, was?"

Da fiel es ihm wieder ein. Natürlich! Das waren die Potters! Mr. Potter arbeitete ebenfalls im Ministerium. Vergangenes Jahr hatte sein Vater Mr. und Mrs. Potter zu seinem Geburtstag eingeladen. Seine Eltern und die Potters waren damals gemeinsam in Hogwarts gewesen und sein Vater hatte viel von den Streichen, die er und sein Freund - der heutige Mr. Potter - ausgeheckt hatten, erzählt.

Remus lächelte.

"Tut mir leid. Es hat etwas gedauert."

"Und? Wo sind deine Eltern?"

"Bei Gringotts. Sie müssten bald kommen."

"Ah, verstehe. Wollen wir nicht warten, Evelyn?"

"Gern! Wieso nicht? Wie lang haben wir nicht mehr über alte Zeiten geplaudert?"

"So, fertig!", sagte die Hexe, die Remus' Umhang abgesteckt hatte.

Remus stieg vom Schemel.

"Dein Umhang dauert noch ein Stückchen. Ich stecke erst mal den anderen ab", meinte die Hexe, als sie James bedeutete sich auf den freigewordenen Schemel zu stellen, welcher der Aufforderung nachkam.

"Ich bin übrigens James Potter", sagte er endlich zu Remus.

Dieser lächelte.

"Und das ist Sirius Black."

Er wies auf seinen Freund, der verstohlen grinste.

"Freut mich!", antwortete Remus. "Remus Lupin, wie ihr wohl inzwischen mitbekommen habt."

Die drei Jungen lachten und auch James' Eltern konnten sich ein Kichern nicht verkneifen.

"Du kommst dieses Jahr auch nach Hogwarts?", fragte James.

Wieder nickte der Angesprochene.

"Ja. Ich kann es kaum abwarten. Das wird sicher riesig."

"Bist du immer so begeisterungsfähig?", fragte Sirius in einem Ton, den Remus nicht genau einordnen konnte. War das Ironie, Sarkasmus oder einfach nur Neckerei?

"Wieso denn nicht?", fragte er etwas schmollend.

"Ist nur komisch, nichts weiter!"

"Ich bin NICHT komisch!"

Sirius grinste noch breiter.

"Arg! Hör auf damit!"

"Mit was?", war die scheinheilige Gegenfrage.

"Damit!"

"Womit?"

"Arg!"

Und wieder lachten sie herzhaft über den kleinen Remus und seine verzweifelten Versuche sich nicht von Sirius klein kriegen zu lassen.

Die Tür ging erneut.

"Remus?", rief eine Frauenstimme.

"Ich bin hier hinten!", rief er sofort, als auch schon seine Mutter und sein Vater auftauchten.

"Will, Eve! Was macht ihr denn hier?", rief die Mutter des Braunhaarigen freudig und viel James' Mutter um den Hals. Die Väter begrüßten sich ebenfalls.

"Das selbe wie ihr", antwortete Mr. Potter und grinste.

Mr. Lupin begutachtete James und lächelte.

"Hallo James."

Dieser nickte nur. Hatte er doch noch nie das Vergnügen gehabt. Mr. Lupin warf einen Blick auf Sirius.

"Wenn mich nicht alles täuscht, dann bist du der junge Black, oder?"

Sirius grinste und antwortete mit einem frechen "Hi!"

"Ach sagt mal, ist das eure Eule, die da draußen steht?", fragte Mrs. Lupin plötzlich. "Das ist wirklich ein schönes Tier. Aber ich dachte eure Eulen seien noch im bestem Alter."

"Nein, das ist nicht unsere", erwiderte Mrs. Potter. "Sie stand schon da, als wir kamen."

Remus wollte sich gerade in den vorderen Teil des Geschäftes stehlen, als er die schneidende Stimme seines Vaters vernahm.

"Remus Johnathan Lupin! Komm sofort hier her!"

Er schluckte schwer und drehte sich mit einem mulmigen Gefühl im Magen um.

"Ja?", fragte er scheinheilig.

"Ist das DEINE Eule?"

"Ja", murmelte er. Das unbehagliche Gefühl nahm zu.

Er sah wie James und Sirius über das ganze Gesicht grinsten und sich auf die Standpauke freuten. Dafür hätte er sie am liebsten erschlagen oder ihnen den Hals umgedreht.

"Wie kommst du, innerhalb von dreißig Minuten, ohne einen einzigen Knut in der Tasche, an eine Schleiereule?"

"Ich hab sie geschenkt bekommen", antwortete er ziemlich eingeschüchtert.

"Geschenkt bekommen? Wer in Teufelsnamen verschenkt ein solches Prachtstück?"

"Die Besitzerin von Eeylops Eulenkaufhaus. Ihr könnt sie gern fragen, wenn ihr mir nicht glaubt. Ich habe sie ganz legal bekommen."

Er sah seinen Vater mit flehendem Blick an. Dieser seufzte nach einigen Augenblicken. Der Anblick, welchen sein eingeschüchterter Junge bot, war einfach zu herzerweichend.

"Nein, schon gut. Das erklärst du mir heute Abend noch mal."

Remus nickte.

"Wie weit seit ihr mit euren Einkäufen?", fragte Mrs. Potter.

"Wir haben noch nicht einmal richtig damit angefangen", meinte Mrs. Lupin.

"Wir auch noch nicht. Wir könnten die Besorgungen ja zusammen machen", schlug nun wieder Mrs. Potter vor.

"Hervorragende Idee, Evelyn!"

"Ähm, Mum?"

"Ja, Remus?"

"Äh, ich hatte gedacht, dass ich zu Flourish&Blotts gehe und ihr in der Zwischenzeit die Sachen, die unter Ferner werden benötigt standen, besorgt. Das dauert doch sonst alles eine Ewigkeit."

"Und James und ich wollten uns die neuen Besen im Schaufenster ansehen", warf Sirius ein, der gerade von seinem Schemel stieg.

"Na schön", begann Mr. Potter und legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. "Wir gehen die Kessel besorgen und ihr, Jungs, geht die Bücher kaufen. Wir treffen uns dann - sagen wir in einer Stunde - vor Ollivander's und kaufen eure Zauberstäbe. Seit ihr damit einverstanden?"

"Ja, Sir!", riefen Sirius und James einstimmig und grinsten einander an.
 

Kurze Zeit später verließen Familie Potter, Lupin und Black Jr. Madame Malkin's. Die Jungen stromerten durch die Winkelgasse, Richtung Flourish&Blotts, wobei James und Sirius vor dem Schaufenster mit den neusten Quidditch-Zubehör stehen blieben. Remus sagte ihnen, er ginge schon vor und setzte seinen Weg fort.

Es dauerte nicht lange, als die Buchhandlung auch schon in Sichtweite kam. Als der angehende Hogwarts-Schüler den Laden betrat, geriet er erneut ins Schwärmen. So viele Bücher hatte er noch nie gesehen. Für einen Bücherwurm war es das einzige Paradies. Jeder Teil des Geschäfts war nach Themen unterteilt. Zunächst durchstöberte er die Abteilung der Zaubertrank- und Heilbücher, danach blätterte er in den Büchern über magische Geschöpfe und Pflanzen, anschließend waren die Bücher über Flüche und Gegenflüche an der Reihe. Er wollte schon zum nächsten Regal, als ihm einfiel, wieso er ja eigentlich hier war. Er zückte die Bücherliste und sah sich nach einem Assistenten um, der ihm helfen könnte.

"Äh, verzeihen Sie?"

"Tut mir leid! Keine Zeit. Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?!"

"Entschuldigung."

Er wandte sich an die Hexe an der Kasse.

"Verzeihung."

"Stell dich hinten an, Junge!", rief eine etwas ältere Hexe in der Schlange.

Und erst jetzt viel ihm auf, wie viel doch in diesem Laden los war. Die Schlange, die anstand, um zu bezahlen, hatte zwei Windungen und reichte von einem Ende des Ladens zum anderen.

"'Tschuldigung", murmelte er und seufzte tief.

,Dann such ich mir meine Bücher eben selbst zusammen', dachte er resignierend und begann nach seinen Schulsachen zu suchen.

Das stellte sich als nicht allzu schwierig heraus, da die Schulbücher, die die Hogwarts-Schüler benötigten, in einem Extrabereich aufgehoben wurden.

"Also, was brauch ich denn alles?"
 

Lehrbücher

Alle Schüler sollten jeweils ein Exemplar der folgenden

Werke besitzen:

- Miranda Habicht: Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 1

- Bathilda Bagsshot: Geschichte der Zauberei

- Adalbert Schwahfel: Theorie der Magie

- Emeric Wendel: Verwandlungen für Anfänger

- Phyllida Spore: Tausend Zauberkräuter und -pilze

- Arsenius Bunsen: Zaubertränke und Zauberbräue

- Lurch Scamander: Phantastische Tierwesen und wo sie

zu finden sind

- Quirin Sumo: Dunkle Kräfte. Ein Kurs zur Selbstvertei-

digung
 

Die Titel klangen seiner Meinung nach nicht all zu spannend. Aber was sollte er auch anderes erwarten? Immerhin war es das erste Jahr für ihn und sowohl er, als auch einige seiner Mitschüler hatten wohl keinen blassen Schimmer von der Zauberei. Er fragte sich, ob er sich dämlicher anstellen würde, als die Muggelkinder, die noch keinerlei Erfahrungen mit der Magie gemacht hatten, doch dann schob er diese Sorge beiseite. Es würde schon alles glatt laufen. Während der morgigen Zugfahrt konnte er ja einen kleinen Blick in die Bücher riskieren und sich einen kleinen Einblick verschaffen. Also wieso sollte er sich jetzt schon Gedanken machen, obwohl sein erstes Schuljahr noch gar nicht begonnen hatte? Das war einfach nur dumm.

Er suchte die richtigen Bücher zusammen und trug den Stapel dorthin, wo er meinte, das Ende der Warteschlange gesehen zu haben. Der Bücherstapel war allerdings so hoch, dass er nicht sehen konnte, wo er hinlief und so kam es, wie es kommen musste. Er stieß mit jemandem zusammen, verlor das Gleichgewicht und landete auf seinen vier Buchstaben.

"V-verzeihung", sagte er, als er aufsah und einen Jungen vor sich knien sah. Er schien, wie James und Sirius, in seinem Alter zu sein. Sein Haar war ebenfalls pechschwarz, doch ziemlich schmierig. Seine Nase war etwas gekrümmt und seine Augen wirkten wie schwarze Perlen. Sie glitzerten und sprühten eisige Kälte aus.

"Tut mir leid!", murmelte Remus erneut und begann seine Bücher aufzusammeln.

Vier, fünf... Nanu, hatte er nicht gerade eben noch acht Bücher gehabt?

Jemand hielt ihm drei Bücher vor die Nase. Wieder sah Remus auf. Der Junge, mit welchem er zusammengestoßen war, hatte die restlichen aufgehoben.

"Willst du die nicht?", fragte er etwas ungeduldig. "Ich hab meine schon, also?"

"Doch - doch!"

Eilig stand er auf, wobei er seine Bücher beinahe wieder hätte fallen lassen.

"Pass das nächste Mal besser auf", sagte sein Gegenüber etwas kühl und legte die drei Bücher auf Remus' Stapel.

"Ja, entschuldige. Ähm, danke."

Schwer bepackt lief er zum Ende der Schlange, welche sich zum Glück auf zwei Personen vor ihm reduziert hatte.

"Sag mal, mit wem bist du denn da gerade zusammengestoßen?", fragte eine recht raue Stimme.

Remus schielte etwas zur Seite. Er sah, wie der Schwarzhaarige, mit dem er gerade zusammengestoßen war, mit einem älteren - schätzungsweise siebzehnjährigen - Jungen sprach. Er war sehr hoch gewachsen und hatte eine breite, wahrscheinlich - so schätzte Remus - muskulöse Statur. Sein Haar war platinblond und seine Augen eisblau. Sein Auftreten wirkte sehr arrogant und die Stimmlage, in der er sprach, lies auf nichts anderes schließen. Der Kerl war Remus sogleich unsympathisch. Er sah, wie der Jüngere mit den Schultern zuckte und kurz darauf spürte er den stechenden Blick des Platinblonden in seinem Nacken.

"Sieht ziemlich heruntergekommen aus. Seine Hose und sein Pullover haben Flicken."

Er lachte gehässig.

"Seine Eltern scheinen ganz schöne Kirchenmäuse zu sein."

,Nicht aufregen, Remus! Das ist alles nur dummes Geschwätz. Hör gar nicht erst hin', versuchte er sich gedanklich zu beruhigen.

"Also entweder sind seine Eltern mickrige Zauberer und verdienen nichts oder er ist ein Halbblut. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das da ein Schlammblut ist. So verwahrlost der aussieht. Eine echte Schande für die Zauberergesellschaft. Ich will gar nicht wissen, was für Versager seine Eltern sind."

Das war zu viel. Wütend knallte er die Bücher auf die Theke und die Hexe, die dahinter saß, erschrak heftig. Mit bebendem Zorn in sich, ging er auf die beiden zu.

"Sag mal, was fällt dir eigentlich ein?!", schrie Remus regelrecht.

Mit einem Schlag hatten sie die gesamte Aufmerksamkeit der Kunden. Ein empörtes Tuscheln und Raunen machte die Runde. Der Ältere machte ein gespielt angewidertes Gesicht.

"Hast du uns etwa belauscht? Ts ts ts! Deine Eltern haben dir wohl keine Manieren beigebracht, was?"

"Von wegen belauscht! Wenn ich jemanden belausche, dann gebe ich mir Mühe jedes Wort zu verstehen, aber euer Gespräch war ja wohl unüberhörbar!"

Sein Gegenüber grinste amüsiert.

"Ja, und? Es ist doch die Wahrheit."

"Wahrheit?! Ich hör wohl nicht recht?! Meine Eltern sind KEINE Versager und wenn hier jemand eine Schande für die gesamte Zaubererwelt ist, dann doch eher jemand wie du! Wer das Wort Schlammblut auch nur in den Mund nimmt, der ist noch weniger wert, als ein Muggel, du affektierter Lackaffe!"

"Wenn ich du wäre, dann würde ich mir genau überlegen, was ich sage und was lieber nicht."

"Und wieso?!"

"Weil ich bereits sechs Jahre Hogwarts hinter mir habe und du noch nicht mal einen Wimpernschlag!"

"Das ist mir doch vollkommen egal! Wenn du noch einmal meine Eltern beleidigst-"

"Deine Eltern?", rief er spöttisch. "Na was sind denn deine Eltern? Irgendwelche arbeitslosen Muggel, die das große Glück hatten ein magisch begabtes Kind zu bekommen?" Die letzten Worte spie er mit gekünstelter Angetanheit aus und grinste erneut.

"Sind sie nicht! Mein Vater arbeitet im Ministerium."

"Als was? Als Memo?", erwiderte er garstig und brach in schallendes Gelächter aus, in welches der Junge, mit dem Remus zusammengestoßen war, jedoch nicht mit einfiel. Anscheinend hielt er diese Bemerkung als ebenso witzlos und unpassend, wie auch Remus sie empfand.

"Nein! Er arbeitet im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen, wenn du nichts dagegen hast!"

"Tse, war ja klar, dass er mit Muggeln zu tun hat. Deswegen wird er auch so schlecht bezahlt."

"Mein Vater verdient äußerst gut!", rief Remus erbost.

"Und wieso siehst du dann so heruntergekommen aus?"

"Das geht dich überhaupt nichts an!"

Noch immer zierte ein grausames Grinsen das Gesicht des Platinblonden.

"Gehen wir, Severus!"

Er wandte sich zum Gehen, hielt jedoch inne, als ihm niemand folgte.

"Was ist?"

"Tut mir leid", erwiderte der Junge, der die ganze Zeit teilnahmslos zugehört hatte und strich eine schwarze Strähne aus seinem Gesicht. "Mein Eltern wollten, dass ich hier auf sie warte. Du kennst sie doch."

Der Ältere nickte.

"Gut, dann bis morgen."

Er warf Remus einen verächtlichen Blick zu und verließ die Buchhandlung. Der Brünette bebte vor Zorn.

"Wie kann er es nur wagen...Dieser...Arg!"

Wütend stapfte er zur Theke, knallte sein Geld, welches er von seinen Eltern bekommen hatte, hin und verließ, nachdem seine Bücher eingepackt waren, wutentbrannt das Geschäft. Als er die Straße entlang stürmte, merkte er noch nicht einmal, wie er direkt an Sirius und James vorbei lief und auch ihre Rufe nahm er nicht war.

Erst vor Ollivander - Gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr. hielt er inne und begann sich wieder zu beruhigen. Wie peinlich das ganze doch gewesen war und wie unverschämt dieser Typ gewesen war. Einfach unglaublich! Er hatte sich mit jemand vollkommen fremden gestritten, obwohl er noch nicht einmal seinen Namen gekannt hatte. Sonst war das ja wirklich nicht Remus' Art. Eigentlich trat er allen recht aufgeschlossen gegenüber und bildete sich über kurz oder lang eine Meinung, doch diesmal war es eindeutig gewesen. Diese unverfrorene Person konnte bei ihm einfach keine Pluspunkte sammeln. Ausgeschlossen.

Er sog die Luft scharf ein und stieß langsam wieder aus. Es brachte nichts sich zu viele Gedanken um diesen Jungen zu machen. In Hogwarts würde er wohl noch öfters mit ihm aneinander geraten, das wusste er schon jetzt. Daher wollte er so wenig wie möglich an ihn denken.

Remus warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Die Stunde war fast um. Bald mussten die anderen kommen und sie konnten ihre Zauberstäbe kaufen. Die Zauberstäbe? Er sah zum Türschild hinauf, wo das Blattgold bereits abblätterte. Wieso sollte er denn nicht schon rein gehen und sich etwas umsehen? Schaden konnte es ja nicht.

Kurzerhand nahm er sein Bücherpaket und betrat den Laden. Wie er schon von außen vermutet hatte, war dieser nicht besonders groß oder geräumig. Dafür ging er doch ein ganzes Stück weit nach hinten.

Remus stellte seine Bücher ab und sah sich um. Der Raum war ziemlich leer. Das einzige Mobiliar, was er ausfindig machen konnte, war ein merkwürdig aussehender Stuhl mit langen Storchenbeinen. Der Junge fühlte sich hier etwas unbehaglich. Hatte der Laden doch schon etwas Staub angesetzt. Überall stapelten sich fein säuberlich tausende von schmalen, länglichen Schachteln bis unter die Decke. Remus wollte sich gerade eine davon näher betrachten, als er plötzlich von jemandem begrüßt wurde.

"Guten Tag", sagte jemand mit sanfter Stimme.

Remus zuckte zusammen, hatte er doch gar keine Schritte vernommen. Langsam drehte er sich um. Hinter ihm, oder nun mehr vor ihm, stand ein älterer Mann mit großen, blassen Augen vor ihm. Da der Laden recht dunkel war, wirkten diese etwas fremd.

"Guten Tag", erwiderte Remus etwas nervös.

"Ah, verstehe", sagte der Mann und lächelte freundlich. "Sie sind Mr. Lupin, wenn ich recht in der Annahme liege. Sie kommen ganz nach Ihrem Vater. Ihre Augen allerdings erinnern wirklich stark an die Ihrer Mutter."

Der Junge wusste nicht so recht, ob er etwas erwidern solle oder lieber abwartete.

"Ja ja. Es ist ja noch nicht so lange her, dass Ihre Eltern bei mir waren und ihre ersten Zauberstäbe gekauft haben. Noch ziemlich jung, nicht?"

Remus nickte unmerklich. Aus irgend einem Grund flößten ihm die Augen des Mannes Unbehagen ein. Hatte er schon einmal geblinzelt, seit er mit Remus gesprochen hatte?

"Nun gut, kommen wir zum Wesentlichen. Also, welche Hand ist Ihre Zauberhand?", fragte er, während er ein langes Bandmaß mit silbergrauen Strichen darauf herausholte.

"Äh... rechts?" Es war mehr eine Frage, als eine Antwort.

"Gut. Dann strecken Sie bitte Ihren Arm aus. Nein, nicht so. So! Ja, genau."

Mr. Ollivander begann damit jeden Zentimeter von seinem Kunden zu vermessen. Er maß er von der Schulter bis zu den Fingerspitzen, dann vom Handgelenk zum Ellenbogen und von der Schulter bis zu den Füßen. So weit so gut, doch dann - so fand Remus - wurden die Messungen lächerlich. Als nächstes maß der Verkäufer vom Knie zur Armbeuge und dann von Ohr zu Ohr. Sogar den Abstand der beiden Nasenlöcher schien ausschlaggebend zu sein. Mr. Ollivander sprach währenddessen weiter:

"Wissen Sie, Mr. Lupin: jeder einzelne Zauberstab, der in diesem Geschäft hergestellt wird, besitzt einen Kern aus einem mächtigen Zauberstoff. Wir benutzen Einhornhaare, Schwanzfedern von Phönixen und die Herzfasern von Drachen. Das besondere an den Zauberstäben ist, dass keine zwei Ollivander-Stäbe gleich sind, so wie kein Einhorn, Drache oder Phönix dem anderen aufs Haar gleicht. Und natürlich werden Sie mit dem Stab eines anderen Zauberers niemand so hervorragende Resultate erzielen, wie mit Ihrem eigenen."

Er steckte das Bandmaß zurück in seine Tasche und lief zwischen den Regalen umher und zog hier und da ein paar Schachteln hervor. Er legte die Schachteln auf den Tresen und öffnete die erste.

"Versuchen Sie es mal mit diesem, Mr. Lupin. Eibe und Einhornhaar. Zehn Zoll. Robust. Sie müssen ihn einfach schwingen."

Remus nahm den Zauberstab und schwang ihn leicht, wobei er Funken sprühte.

"Nein, nein, nein, nein, nein! Das geht überhaupt nicht! Dieser hier! Eberesche, Phönixfeder. Sechs Zoll. Sehr biegsam."

Er entriss Remus den ersten Zauberstab und kaum hatte dieser den zweiten in Händen, so war er im nächsten Moment schon wieder weg.

"Hier - Stechpalme und Drachenherzfasern. Dreizehn Zoll. Sehr handlich."

Auch diesen schwang Remus, doch Mr. Ollivander schüttelte nur mit dem Kopf.

"Nein, das ist auch nicht das Wahre."

Er nahm den Stab wieder an sich und schlenderte zu den Regalen. Plötzlich blieb er stehen.

"Vielleicht der? - Hm. Wieso nicht?"

Er nahm eine vollkommen verstaubte Schachtel heraus und kam damit zurück.

"Buche und Kelpiehaare. Zwölf Zoll. Starke Zaubersprüche, peitscht richtig."

Remus nahm den Stab aus der Schachtel. Ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihm breit. Langsam hob er den Stab und schwang ihn in einer ausladenden Bewegung. Plötzlich fühlte er sich leicht wie eine Feder. Als er nach unten sah, sah er, dass er und Mr. Ollivander in der Luft schwebten.

"Hervorragend!", rief dieser freudig und klatschte in die Hände. "Wirklich gut."

Es dauerte nicht lange und der Zauber verlor seine Wirkung. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, kam Mr. Ollivander auf den jungen Remus zu und nahm den Stab entgegen.

"Interessant. Sehr interessant", sagte er, während er Remus' Zauberstab wieder in die Schachtel zurücklegte.

"Was ist denn so interessant?", fragte Remus ungeduldig.

"Dieser Zauberstab", sagte der ältere Herr und lächelte. "ist etwas Außergewöhnliches. Er ist der einzige Zauberstab, den Ollivander's bis jetzt hergestellt hat, der Kelpiehaare als Kern hat."

"Was sind denn Kelpie?"

Mr. Ollivander lachte.

"Das wissen Sie nicht?"

Remus schüttelte den Kopf.

"Kelpie sind Wassergeister. Sie treten in Gestalt von Männern oder schwarzen Pferden auf. Sie leben im Seetang und locken ahnungslose Reisende in die Fluten, wo sie sie dann in Stücke reißen."

Remus schauderte.

"Sie leben in schottischen Gewässern. An Land sind sie recht harmlos, solang kein Wasser in der Nähe ist."

"Aber umgibt sie dann nicht viel eher schwarze Magie?"

Und wieder lachte Mr. Ollivander.

"Mr. Lupin, bei Zauberstäben geht es nicht um die Art der Magie, sondern um die Stärke der Magie. Kelpiezauber ist genau so stark wie Einhornzauber. Außerdem können Sie nicht so einfach sagen, dass Kelpies schlecht sind. Was würden Sie denn dann zu Drachen sagen? Die sind ja auch nicht gerade ungefährlich und trotzdem verwenden wir ihre Herzfasern für unsere Zauberstäbe."

Und wieder wusste Remus nicht, ob er etwas erwidern solle, oder nicht und entschied sich noch einmal dazu zu schweigen. Für ihn war das Gespräch abgeschlossen. Daher zahlte er sieben Galleonen und fünfzehn Sickel und verlies mit Stab und Büchern das Geschäft. Er atmete erleichtert auf, als er endlich wieder draußen war.

"He, Remus!"

Der Gerufene sah auf, als er seinen Namen hörte. James und Sirius - beide mit Büchern bepackt - kamen auf ihn zu.

"Oh, hi. Sorry, hab vergessen, dass ich auf euch warten wollte."

"Sag mal, wieso bist du vorhin wie von der Tarantel gestochen durch die Straße gelaufen?", fragte James etwas außer Atem und stellte dabei, wie auch Sirius, seine Bücher ab.

"Wie?"

"Du bist einfach an uns vorbei gerannt und als wir dich gerufen haben, hast du noch nicht mal reagiert", meinte Sirius etwas vorwurfsvoll.

"Wirklich? Oh - tut mir leid."

"Was war denn mit dir los?", fragte James. "Du sahst ganz schön sauer aus. War was in Flourish&Blotts? Die haben da alle wie blöd getuschelt und irgendwas von Jugend von heute gefaselt."

"Nein, es war nichts."

"Remus. Ich glaub dir kein Wort. Du-"

"Mum, Dad!"

Remus' Eltern und die von Harry kamen gerade bei ihren Sprösslingen an.

"Entschuldigt die Verspätung", sagte Mr. Lupin. "War ganz schön viel los."

"Schon okay. Sind auch grade erst gekommen", erwiderte Sirius und grinste.

"Dann können wir ja jetzt eure Zauberstäbe holen", meinte Mrs. Potter fröhlich.

"Ich hab meinen schon", erwiderte Remus knapp. "Ich war schon eher da und wollte nicht die ganze Zeit hier warten."

"Na dann", sagte sein Vater und überlegte kurz. "Dann gehen wir wieder in den Tropfenden Kessel. Will, Eve, hättet ihr nicht Lust morgen, nachdem der Zug abgefahren ist, noch eine kleine Tour durch London zu machen und über alte Zeiten zu plaudern?"

"Liebend gern!", antwortete Mrs. Potter.

"Gut, dann bis morgen bei King's Cross."

Man verabschiedete sich in mehr oder minder stürmischer Weise und machte sich auf den Weg.
 

An diesem Abend packte Remus seine Sachen und fütterte seine Eule, die er auf den Namen Cassandra getauft hatte. Als er für die morgige Abreise fertig gepackt hatte, klopfte es an der Tür und sein Vater trat an. Wie bereits am Nachmittag versprochen, erklärte Remus seinem Vater, wie er zu der Schleiereule gekommen war und erntete - zu seinem Glück - Verständnis von seinem Vater.

Remus konnte in dieser Nacht kaum ein Auge zutun. War er doch viel zu nervös und gespannt darauf, was ihn in Hogwarts so alles erwarten würde. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen, dass er tatsächlich die Erlaubnis erhalten hatte, die Schule für Hexerei und Zauberei zu besuchen. Es kam ihm alles wie ein wunderbarer Traum vor und er hoffte nicht so schnell daraus zu erwachen.
 

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1.Akt, Kap.I - Ende

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1.II.Der Hogwarts-Express

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1.Akt: Kapitel II: Der Hogwarts-Express

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Remus war am nächsten Morgen bereits gegen sechs Uhr wach gewesen und lief unruhig in seinem Zimmer hin und her. Er konnte es kaum erwarten, sich endlich auf den Weg zu machen. Zwar fuhr der Zug erst gegen elf Uhr, doch er war jetzt schon Feuer und Flamme. Er hatte den Hogwarts-Express bis jetzt nur ein einziges Mal gesehen, hatte ihn dafür noch gut in Erinnerung. Damals, vor ungefähr vier Jahren, war der Lehrer für Muggelkunde kurz vor Ende der Ferien verstorben und man hatte noch keinen Ersatz gefunden. Daher hatte man seinen Vater darum gebeten für ein Jahr die Stelle zu übernehmen. Ohne große Widerworte hatte er sich dazu bereit erklärt und Remus und seine Mutter hatten Mr. Lupin zum Gleis gebracht.

Remus hatte das kribbelnde Gefühl, als er durch die Absperrung gegangen war, ebenfalls noch gut im Gedächtnis. Er war so aufgeregt gewesen, dass er auf sie zu und durch sie hindurch gerannt war. Als er durch den Backstein gelaufen war, war es ihm wie ein kalter Windhauch vorgekommen und er hätte schwören können, dass er einen kurzen Moment lang das Mauerwerk hatte atmen hören.

Es dauerte einige Zeit, bis auch seine Eltern endlich aufwachten und sie sich zu dritt auf den Weg zum Bahnhof machten.
 

In King's Cross herrschte bereits reger Betrieb. Auf den meisten Gleisen standen Züge, in welche die Muggel entweder ein- oder ausstiegen. Hier und da verabschiedete man Freunde und Verwandte stürmisch und an anderen stellen begrüßte man sie. Die Stimmung war zwar recht hektisch, doch eigentlich auch recht gut und heiter.

"Wir müssen uns beeilen. In dreißig Minuten geht der Zug", sagte Mr. Lupin, der den Gepäckwagen seines Sohnes schob.

Remus war zu sehr damit beschäftigt sich umzusehen, als das er auf den Weg achtete.

"Trödel nicht so Schatz", sagte Mrs. Lupin.

Sie liefen an Gleis neun entlang, als Mrs. Lupin ihren Sohn fragte, ob er seine Fahrkarte habe. Remus griff in eine seiner Hosentaschen und zog besagte Karte heraus.

"Von London nach Hogwarts. Abfahrt elf Uhr von Gleis neundreiviertel", las Remus vor.

"Nicht so laut, Remus", sagte Mr. Lupin warnend. "Die Muggel müssen nicht alles mitbekommen."

"Pass auf, wo du hinfährst!", rief Mrs. Lupin, doch zu spät.

Mr. Lupin hatte einen Muggel übersehen, der ebenfalls einen Gepäckwagen schob, und stieß mit diesem zusammen. Cassandras Käfig stürzte zu Boden und öffnete sich. Wütend flog Cassandra heraus und schoss über das Bahnhofsgelände davon.

"Cassandra!", rief Remus ihr hinterher.

"Oh nein. Das hat uns gerade noch gefehlt", seufzte Remus' Mutter.

"Ich geh sie suchen", sagte Remus schnell. "Geht ihr schon mal vor. Ich komme gleich nach."

"Gut, aber beeil dich, Schatz", meinte Mrs. Lupin, die dem Muggel aufhalf.

Remus nickte kurz und lief los. Er machte auf der Übergangsbrücke, die über alle Plattformen reichte und von der zu jedem Gleis eine Treppe hinunterführte, Stopp und sah sich nach seiner Eule um. Es dauerte nicht lang und er entdeckte eine große Muggelmenge, die sich auf der Plattform von Gleis fünf und sechs um besagtes Tier gescharrt hatte. Cassandra schlug heftig mit ihren Flügeln und wirkte äußerst gereizt. Schnell rannte Remus zu ihr und kämpfte sich durch die Menge.

"Cassandra! Darf ich mal? Das ist meine Eule."

Es dauerte ein Stück, bis er zu ihr durchgedrungen war. Als Cassandra ihn erspähte, blitzten ihre Augen zornig auf. Er reichte ihr seinen Arm.

"Tut mir leid, Cassandra. Das war keine Absicht."

Sie flatterte auf den ausgestreckten Arm und Remus lief so schnell er konnte los. Die Muggel strömten auseinander, als ihnen Cassandras ausgestreckte Flügel zu nahe kamen.

"Papa wollte das nicht", sagte Remus etwas außer Atem, als er langsam an Gleis zehn entlang lief. "Das war nicht böse gemeint."

Er streichelte sie, worauf sie zutraulich gurrte. Remus ging zu der Absperrung zwischen Gleis neun und zehn. Sein Bauch kribbelte vor Aufregung. Er ging auf die Mauer zu und - lief gegen hartes Ziegelwerk. Er rieb sich die schmerzende Nase und betastete die Ziegel. Stein, kalter Stein. Seine Hand fühlte kalten Stein. Aber war hier nicht der Durchgang zum Gleis? Er war sich ganz sicher, dass er hier gewesen war. Wütend schlug er mit der linken Hand gegen den Stein.

"He, was soll das?! Was soll der Mist?!"

Doch es half nichts. Die Mauer blieb unverändert.

,Verdammt! Ich muss zum Gleis! Der Zug fährt in fünfzehn Minuten.'

Plötzlich hörte er ein kaltes Lachen hinter sich, was ihm vom gestrigen Tag nur zu gut in Erinnerung geblieben war. Wütend drehte er sich um und erspähte die ihm wohl unsympathischste Person, der er je begegnet war.

"Na, hast du Probleme auf das Gleis zu kommen?", fragte der platinblonde Junge spöttisch. Ihm folgten drei Ehepaare, drei Mädchen und - er hätte es sich fast denken können - der andere Junge von gestern. Die sechs Erwachsenen waren wohl die Eltern der fünf Jugendlichen. Remus schauderte unmerklich, als er feststellte, dass alle in schwarz gekleidet waren und so aussahen, als würde sie zu einer Beerdigung gehen. Das erste Ehepaar gehörte wohl zu diesem vorlauten Jungen. Der Vater hatte silbergraues Haar und eisblaue Augen. Die Mutter Platinblondes Haar und giftgrüne Augen. Sie mutete ziemlich gebrechlich an und ihr Gesicht war ziemlich schmal und blass. Zum zweiten Paar gehörten die drei Mädchen. Eines der Mädchen war wahrscheinlich so alt wie der ältere Junge, das zweite sah so aus, als würde sie dieses Jahr ebenfalls erst nach Hogwarts kommen und die mittlere der drei Töchter, die wohl am schlecht gelauntst Dreinblickende, schien dreizehn bis vierzehn Jahre alt zu sein. Der schwarzhaarige Junge gehörte eindeutig zum letzten Paar, denn der Vater hatte eine eben solche Hakennase, wie sein Sohn und ebenso schwarze Pupillen. Remus sah wieder zu dem platinblonden Jungen.

"Hast du etwas damit zu tun?", fragte er etwas gereizt.

Der Angesprochene grinste nur breit.

"Was kann ich dafür, dass die Absperrung dich nicht durchlässt. Anscheinend gehörst du doch nicht nach Hogwarts."

Ohne Remus eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwand er auch schon in der Absperrung. Die zwei älteren Mädchen kicherten und warfen Remus verstohlene Blicke zu, während sie ebenfalls mit ihren Eltern verschwanden.

"He, wartet gefälligst!", rief Remus und schlug mit seiner Faust gegen harten Backstein.

"So geht das nicht", sagte eine kühle Stimme.

Bis auf den schwarzhaarigen Jungen waren bereits alle auf dem Gleis.

"Und wieso nicht?!", rief Remus sauer.

"Hmpf. Wenn du schreist erreichst du überhaupt nichts."

"Dann sag mir doch, wie ich auf das Gleis komme. Ich kann doch nicht der Einzige sein, der nicht durch kann."

Remus war sichtlich am Verzweifeln. Selbst als Cassandra zutraulich an seinem Ohr knabberte, konnte er sich nicht beruhigen.

"Probier es mit Alohomora", sagte er nur knapp und verschwand ebenfalls im Mauerwerk.

"He!"

Remus starrte ungläubig auf die Mauer. Was sollte ihm dieses dämliche Wort bringen? Doch dann ging ihm ein Licht auf. Er zog seinen Zauberstab aus dem Umhang, vergewisserte sich, dass ihm kein Muggel zusah und schwang ihn durch die Luft.

"Alohomora!"

Funken sprühten aus seinem Stab, doch für ihn hatte sich nichts geändert. Er steckte den Stab wieder ein und wollte die Mauer abtasten, als er durch sie hindurch griff. Er unterdrückte einen Freudenschrei und lief hindurch.

Kurz darauf fand er sich auf einem weiteren Bahnsteig wieder. Über ihm hing ein Schild mit der Aufschrift Gleis 9 ¾ Hogwarts-Express, 11 Uhr. Ganz in der Nähe sah er den platinblonden Jungen, der ihn etwas ungläubig beäugte. Remus grinste breit.

"Remus! Da bist du ja endlich!"

Seine Mutter und sein Vater kamen auf ihn zu. Sie schienen sehr nervös.

"Wir dachten schon, dass du es nicht mehr rechtzeitig schaffst", sagte seine Mutter aufgeregt.

"Wo warst du so lang?"

"Ich hab Cassandra nicht gleich gefunden. Entschuldigt."

"Schon gut! Jetzt ab mit dir in den Zug. Bring deine Eule in den Gepäckwagen. Der Zug fährt in zwei Minuten", drängte Mr. Lupin.

Remus verabschiedete sich noch schnell von seinen Eltern, bevor er einstieg.

"Schick uns eine Eule und sag uns bescheid, ob du in den Ferien kommst, oder nicht!", rief seine Mutter, als der Zug auch schon abfuhr.

"Mach ich!", rief Remus und winkte ihnen zum Abschied, bis der Zug um eine Kurve fuhr und der Bahnsteig nicht mehr in Sicht war. Er schloss das Fenster und ging einen langen Gang entlang. Alle Abteile schienen schon ziemlich voll zu sein, als er im Vorbeigehen einen kurzen Blick durch die Glasscheiben hineinwarf.

Wenig später erreichte er den Gepäckwagen und brachte Cassandra zurück in ihren Käfig. Zwar sträubte sie sich stark und gab ihrem neuen Besitzer damit deutlich zu verstehen, dass sie keines falls dachte die gesamte Fahrt über freiwillig dort drin zu bleiben, doch waren Katzen und Eulen in den Abteilen stets unerwünscht gewesen. So hatte es ihm sein Vater zumindest am gestrigen Abend im Tropfenden Kessel erklärt.

"Tut mir leid", sagte er sanft und lächelte entschuldigend. "Aber es geht nicht anders. Entschuldige."

Er machte sich auf den Wer zu den vorderen Abteilen und begann erneut seine Suche nach einem freien Platz. Nebenbei hielt er auch noch Ausschau nach James und Sirius, doch die beiden bekam er ebenfalls nicht zu Gesicht. In den Abteilen zwischen Lok und Gepäckwagen fand sich kein freier Platz. Zu seinem Glück war er nicht bis nach ganz vorn gegangen. Eine ältere Schülerin hatte ihm erklärt, dass dies die Abteile für die Vertrauensschüler und die Schülersprecher seien und hatte ihn zurückgeschickt. Aus einem der Abteile hatte er die Stimme des platinblonden Jungen gehört und fragte sich einen Moment später, wie er zu dem Titel Vertrauensschüler gekommen sei. Remus durchquerte den Speisewagen und kam zu den hinteren Personenwagen. Er warf einen Blick in das erste Abteil und erspähte den Jungen aus der Buchhandlung und vom Bahnsteig, sowie ein Mädchen mit langem roten Haar und wunderschönen grünen Augen. Sein Herz schlug bei ihrem Anblick höher. Langsam schob er die Abteiltür auf und erntete ein paar überraschte und abschätzende Blicke.

"Ähm, entschuldigt. Hättet ihr noch einen Platz für mich frei? Die anderen Abteile, an denen ich vorbeigekommen sind, waren alle schon voll."

"Klar! Komm rein!", sagte das Mädchen fröhlich und lächelte dabei.

Remus war es so, als würden hunderte von Schmetterlingen in seinem Bauch umherflattern, als er die Tür zuschob und sich neben dem Schwarzhaarigen niederließ.

"Also, wo waren wir?", überlegte das Mädchen laut und klatschte erfreut in die Hände, als es ihr wieder einfiel.

"Wir wollten uns gerade vorstellen. Also, mein Name ist Lily Evans. Freut mich!"

Sie strahlte die beiden Jungen an.

"Severus Snape", erwiderte der Junge neben Remus knapp, dennoch nicht abweisend. Im Gegensatz zum gestrigen Tag, schien der Junge nicht ganz so kühl zu sein. In seinen Augen konnte Remus ein leichtes Flackern sehen. Er sah zu Lily. Ob es an ihr lag? Immerhin verspürte er selbst in ihrer Gegenwart eine angenehme Wärme.

"Und du?", fragte sie plötzlich und riss Remus aus seinen Gedanken.

"Wie-? Ach, ich-" Er lachte. "Remus Lupin. Freut mich sehr."

Er reichte ihr die Hand, welche sie nicht ausschlug.

"Lupin sagtest du?", fragte Severus plötzlich.

"Äh, ja. Wieso?"

"Dann bist du also auch ein Reinblüter."

Für Remus war es wie ein Schlag in den Magen. Wie konnte dieser Junge dieses Thema so ohne weiteres anschneiden? Da viel ihm ein, hatte sein Vater nicht kürzlich von den Snapes gesprochen? In Verbindung mit Du-weißt-schon-wem?

"Ähm, nein. Nicht ganz", antwortete er trocken und etwas unbehaglich.

"Was ist ein Reinblüter?", fragte Lily unverblümt.

Remus betrachtete sie kurz. Sie schien nicht zu wissen, wovon die beiden sprachen. Er lächelte sie etwas schief an.

"Deine Eltern sind Muggel, oder?"

Sie nickte und sah die zwei noch immer verwundert an.

"Weißt du, es gibt da einige Zauberer, die ihre Art, also alle magiebegabten Menschen, nach ihrer Herkunft einteilen."

"Schwarze Magier", fügte Severus recht teilnahmslos hinzu.

"Ja-" Remus ordnete seine Gedanken neu, die dieser Einwurf durcheinander gebracht hatte. "Schwarze Magier vertreten diese Theorie. Oder besser gesagt die mit reinem Blut."

"Reines Blut?"

"Ja, so nennt man die, deren Vorfahren ausschließlich Zauberer und Hexen waren."

"Aha?!"

"Dann gibt es da noch die Halbblüter. Ein Teil der Eltern ist ein Muggel, der andere eine Hexe oder ein Zauberer. Und dann sind da noch-"

"-die Schlammblüter", warf Severus wieder kühl ein.

"-die Muggelgeborenen", presste Remus zwischen seinen Zähnen hervor und bedachte Severus mit einem eiskalten Blick, der diesen jedoch unbeeindruckt erwiderte.

"Was denn jetzt? Schlammblut oder Muggelgeborener?"

Lily verstand nur Bahnhof.

"Beides trifft zu", antwortete Remus kurz und bündig. "Muggelgeborene sind Leute wie du, die Muggel als Eltern haben. Diejenigen, die die Theorie der Blutlehre für richtig halten - und selbst reinblütig sind - halten sich für etwas Besseres und die Muggelgeborenen für minderwertig. Sie nennen sie Schlammblüter. Das ist ein äußerst heftiges Schimpfwort."

Lilys Augen hatten sich geweitet.

"Das ist ja Rassismus! So etwas gibt es unter Zauberern und Hexen auch?"

Remus nickte.

"Wenn ich mich recht entsinne, dann finden deine Eltern diese Theorie richtig. Oder Severus?"

"Das tun sie durchaus", erwiderte er kühl.

"Und wie steht es mit dir?", bohrte der Brünette weiter.

"Was denkst du?"

"Die Erziehung deiner Eltern färbt sicherlich auch auf dich ab."

"Verstehe-"

"Die Bekanntschaften, welche du pflegst, sind da nicht anders. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du und deine Eltern ausschließlich im Kreise Malfoy, Lestrange, Crabbe, Doyle und so weiter flankieren?"

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage und daher antwortete der junge Snape auch nicht. Remus lächelte verschmitzt.

"Du wirkst auch ziemlich kühl und scheinst dich nicht sehr von besagten Leuten zu unterscheiden."

"Remus", sagte Lily und wollte ihn auffordern damit aufzuhören Severus schlecht zu machen, doch dieser hob nur die Hand und bedeutete ihr, dass sie einen Moment warten solle.

"Aber ich bezweifle stark, dass du wirklich so bist, wie deine Eltern oder deren Bekannte."

Severus' rechte Augenbraue hob sie ein Stück und er sah Remus etwas verwirrt und gleichzeitig neugierig an. Remus lächelte ihn fröhlich an.

"Du hast mir zweimal innerhalb von zwei Tagen geholfen. Erst in Flourish&Blotts und dann heute auf dem Bahnsteig. Dabei kanntest du weder meinen Namen, noch meine Eltern. Das unterscheidet dich doch schon von deinen Eltern oder diesem blonden Eckel. Dieser eingebildete Typ konnte es ja einfach nicht lassen mich herunterzumachen."

"Und die Absperrung zu verzaubern", ergänzte Severus.

"Wie bitte?!"

Remus war aus seinem Sitz aufgesprungen.

"Das war er auch?!"

Severus nickte stumm. Remus brodelte.

"Das bringt ja das Fass zum Überlaufen! Und dann tut er auch noch so unschuldig! Wer ist dieser Idiot eigentlich?!"

"Das weißt du nicht? Und trotzdem bringt er dich so in Rage?", fragte der Schwarzhaarige mit amüsiertem Unterton.

"Es ist mir doch egal, wer dieses Ekelpaket ist! Er ist ein so pikierter Schnösel, dass ich mich einfach nicht zurückhalten kann!"

"Sein Name ist Lucius Malfoy", antwortete Severus und schien über Remus' Wutausbruch sehr belustigt zu sein. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Kein aufgesetztes, ein echtes. Doch keiner der beiden Reisegenossen bemerkte es. Zum Einen war Remus zu sehr außer Rand und Band, zum Anderen machte sich Lily große Sorgen um dessen Blutdruck, da Stress bekanntlich schlecht für die Gesundheit war.

"Malfoy... Hätt's mir ja denken können!", stöhnte Remus und ließ sich niedergeschlagen zurück auf seinen Sitz fallen. Er sah Severus fragend an.

"Und wie stehst du zu der Sache mit dem reinen Blut?"

Der Gefragte zuckte mit den Schultern.

"Mir ist das so ziemlich egal. Meine Eltern denken, dass ich ganz nach ihnen komme, aber eigentlich kann ich ihren Standpunkt nicht ganz nachvollziehen. Ich bin weder dafür noch dagegen. Wenn ich etwas gegen Schlamm- - Muggelstämmige hätte, dann würde ich wohl kaum mit Lily ein Abteil teilen, oder? Und mit dir auch nicht. Immerhin sind die Lupins wie die Potters oder die Weasleys. Und wenn ich dich recht verstanden habe, dann bist du auch nicht reinblütig."

Lily verstand nur Bahnhof. Aber wie sie den letzten Worten Severus' entnommen hatte, schien er - trotz seiner Eltern - nichts gegen sie selbst oder andere Zauberer und Hexen mit Muggeln als Eltern zu haben.

Remus nickte kaum merklich. Plötzlich fiel ihm ein, dass Lily ja auch noch da war und dass sie sie gerade übergangen hatten.

"Oh, äh, Lily..."

"Als was arbeiten eure Eltern eigentlich?", fragte sie, bevor Remus einen vernünftigen Satz zustande gebracht hatte.

Der Braunschopf lächelte.

"Mein Vater arbeitet im Zaubereiministerium, im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen. Hat alle Hände voll zu tun."

"Und deine Mutter?"

"Äh, die arbeitet nicht", antwortete er etwas verlegen, doch Lily schien bemerkt zu haben, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und wendete sich nun an Severus.

"Und deine Eltern?"

"Mein Vater unterrichtet Zaubertränke an der magischen Universität in London und erforscht dort zusammen mit meiner Mutter neue Tränke und - Heilmittel."

Remus wusste, dass sein Nebenmann eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen, doch er wollte nicht nachhaken.

"Also so was wie Chemiker?", fragte Lily.

"Chemiker?", erwiderte Severus, der diesen Begriff wohl zum ersten Mal hörte.

"Das sind Leute, die mit verschiedenen Säuren und Basen herumexperimentieren und sich mit Atombau und Molekülen und so beschäftigen. Und zum Beispiel mit der Zusammensetzung verschiedener Stoffe."

"Nein, das sind sie eher nicht", meinte Severus nur knapp.

"Und was sind deine Eltern?", fragte Remus prompt.

"Mein Dad ist Lehrer an einer Grundschule und meine Mum ist Reporterin. Als sie erfahren hat, dass ich eine Hexe bin und das es neben ihrer Welt noch eine Welt voller Magie gibt, wollte sie sofort einen Artikel über Hexen, Zauberer, Hogwarts und so weiter schreiben. Aber sowohl das Muggelministerium, als auch das Zaubereiministerium haben es ihr strickt verboten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was sie für einen Aufstand gemacht hat. Das war wirklich einmalig!"

Lily begann herzhaft zu lachen und Remus fiel mit ein. Severus jedoch konnte sich nicht einmal zu einem kleinen Lächeln hindurchringen. Lily wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.

"Sagt mal, was denkt ihr, in welches Haus ihr kommt?", fragte Remus, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte.

"Was für Häuser?", fragte Lily verwundert.

"Hogwarts wird in vier Häuser unterteilt", antwortete Severus nüchtern. "Die da wären Hufflepuff, Ravenclaw, Slytherin und Gryffindor. Sie wurden nach ihren Gründern benannt. Soviel ich weiß, kann man das auch in Geschichte Hogwarts' nachlesen."

"Und was ist so besonders an den Häusern?"

"In jedem Haus stehen andere Werte hoch im Kurs. In Hufflepuff ist Gerechtigkeit und Treue wichtig. Außerdem darfst du nicht all zu faul sein. In Ravenclaw musst du sehr lernfähig sein und neugierig. In Gryffindor ist Mut angebracht und in Slytherin musst du tückisch und hinterlistig sein und dich auf deinen eigenen Vorteil verstehen."

"Deshalb, so sagt man, werden dort die schwarzen Magier regelrecht am laufenden Band produziert", kommentierte Remus trocken, was ihm nur einen abwertenden Blick von Severus' Seite her einbrachte.

"In Slytherin sind fast ausschließlich nur Reinblüter. Es ist wirklich selten, dass Halbblüter oder gar Muggelgeborene dort hinkommen. Und wenn, dann wären sie so ziemlich ausgegrenzt", meinte der Schwarzhaarige.

"Also ich denke, dass ich nach Gryffindor komme", warf Remus ein. "Meine Eltern, Großeltern und auch meine Urgroßeltern waren schon allesamt da."

"Ich komme sicherlich nach Slytherin", erwiderte Severus relativ gleichgültig. "Bei mir ist es genau so, wie bei dir, Remus."

"Das heißt noch lange nicht!", rief Lily eilig. "Das muss doch nicht zwangsläufig so sein."

Severus schüttelte den Kopf und grinste dreckig. "Wir können gerne eine Wette abschließen."

Lily schmollte. Wieso dachte Severus nur so schlecht von sich selbst? Wieso schien er so genau zu wissen, dass ihm das gleiche wie seinen Eltern blühte? Das konnte er doch nicht vorher wissen. Remus schien ja auch keine so schlechte Meinung von ihm zu haben. Und sie selbst konnte die beiden Jungen recht gut leiden. Lily war ein Mensch, der sich seine Meinung meist beim ersten Treffen bildete. Und der erste Eindruck, den sowohl Remus, als auch Severus auf sie machten, war ein wirklich guter. Zwar wirkte Severus etwas unterkühlt und unnahbar, doch sie war sich sicher, dass sich hinter der rauen Schale ein weicher Kern verbarg. Remus hingegen schien ziemlich aufgeschlossen und sehr freundlich. Seine Haut war recht hell - doch nicht so bleich, wie die Severus'. Wahrscheinlich war der Brünette nicht ganz so hyperaktiv und eher zurückgehalten. Sie war sich sehr sicher, dass er zuvorkommend war und gut erzogen. Bei Severus viel ihr die Einschätzung nicht ganz so leicht. War er doch nicht so einfach zu lesen, wie der Andere. Gut erzogen war er sicherlich auch, er schien genau so selten - oder sogar noch seltener - an die Luft zu kommen, wie Remus. Er schirmte sich anderen gegenüber ab und zeigte sicherlich nur selten positive Gefühlsregungen, was wohl auf seiner Erziehung und seinen bisherigen Umgang zurückzuführen war. Die schwarze Kleidung, die er trug, ließ ihn nur noch blasser wirken, als er eigentlich schon war. Sein Haar war zwar gepflegt, doch war es etwas schmierig. Remus' Haar dagegen glänzte richtig und sah recht weich aus. Dafür war seine Kleidung schon etwas älter und abgenutzter.

Lily schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte gelernt andere nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Das war äußerst dumm und unratsam. Diese beiden Jungen, die gerade vor ihr saßen, waren wirklich nett und sie freute sich gleich an ihrem ersten Tag zwei Zauberer, wie sie es waren, kennen gelernt zu haben. Sie strahlte die beiden glücklich an. Lily war sich sicher. Hogwarts würde die schönste Zeit ihres Lebens werden.

Remus hatte förmlich mit ansehen können, wie das rothaarige Mädchen - das seiner Meinung nach einer Fee gleich kam, so atemberaubend schön war sie - von einem Gefühl in ein nächstes gestolpert war. Erst hatte sie besorgt gewirkt, danach abschätzend, dann wieder bedrückt, sogleich ziemlich nüchtern und entschlossen und schließlich hatte sie die beiden überglücklich angelächelt. Remus erwiderte das Lächeln sanft, doch Severus ging nicht darauf ein. Nicht ein Muskel zuckte.
 

Es war schon spät am Nachmittag. Vor ungefähr einer Stunde hatte es angefangen zu regnen. Dicke Regentropfen klatschten gegen das Fenster und bildeten einen grauen Schleier. Der Blick nach draußen war verwehrt, aber das Einzige, was man dort draußen hätte sehen können - oder besser nicht sehen können - war tiefe Dunkelheit, die sich über das Land gelegt hatte. Es war recht frisch und Lily hatte sich daher einen dicken, flauschigen Pullover übergezogen. Vom Sonnenschein und der herrlichen, dennoch für diese Jahreszeit bereits ungewöhnlichen, Sommertemperaturen war nun nichts mehr zu spüren.

Während Lily ein Muggelheft in der Hand hielt und verschiedene Rätsel löste, las Remus in einem der neuen Schulbücher (Quirin Sumo: Dunkle Kräfte. Ein Kurs zur Selbstverteidigung). Entgegen seiner Erwartungen war es doch recht interessant und gut zu lesen. Severus, der geraume Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, war vor gut einer viertel Stunde eingeschlafen und lehnte mit deinem Kopf gegen die Fensterscheibe. Das Glas war leicht um ihn herum geschlagen.

Leise ging die Tür auf und eine Frau mit roten Wängchen stand vor ihnen. Sie lächelte.

"Verzeiht, dass ich so spät bin. Eine Kleinigkeit vom Wagen gefällig, ihr Süßen?"

Remus legte ein Lesezeichen in das Buch und ließ es auf seinem Sitz liegen. Er ging zur Tür, als er Lilys Stimme vernahm.

"Und Severus? Er hat sicher auch Hunger. Sollten wir ihn nicht wecken?"

Remus lächelte.

"Lass ihn schlafen. Wir kaufen ihm einfach etwas mit. Wenn er wach ist, dann kann er ja auch noch essen."

Lily nickte. Ja, Remus hatte recht. Severus tat der Schlaf sicher gut und so wichtig waren Süßigkeiten nun auch wieder nicht. Sie stand auf und folgte Remus auf den Gang. Ihr Blick schweifte über die Leckereien und ihr lief regelrecht das Wasser im Mund zusammen.

"Was möchtet ihr denn? Ich habe Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen, Bubbles Besten Blaskaugummi, Schokofrösche, Kürbispasteten, Kesselkuchen, Lakritz-Zauberstäbe, sahnige Nugatriegel, Zahnweiß-Pfefferminzlakritze und kleine Pfefferkobolde."

Remus und Lily nahmen eine Packung Bertie Botts Bohnen, je drei Kürbispasteten und Lakritz-Zauberstäbe sowie eine Packung Bubbles Besten Blaskaugummi und eine Packung Schokofrösche. Außerdem kauften sie noch eine Kanne Kürbissaft, welche sich von allein auffüllte wenn sie leer war und ließen sich dazu drei Gläser geben. Jeder von ihnen bezahlte die Hälfte und dann gingen sie mit den Naschereien zurück in ihr Abteil. Sie legten die Süßigkeiten auf den freien Sitz neben Lily und Remus verzauberte die Kanne mit dem Kürbissaft und die Gläser so, dass sie nicht ausliefen, falls sie umstürzten. Damit erreichte er ein Lob von Lily, was ihn etwas rot werden ließ.

Lily probierte eine Bertie Botts Bohne und meinte, dass das wahrscheinlich ihre erste und letzte sei. Remus fragte welche Geschmacksrichtung sie erwischt habe und Lily presste nur schwerlich "Die schmeckt wie eine alte Turnschuhsocke." zwischen ihren Zähnen hervor. Remus konnte sich daraufhin nicht mehr zurückhalten und bekam einen Lachanfall. Er krümmte sich, so heftig stach es in seinen Seiten, doch er konnte sich nicht beruhigen. Lily begann nur zu schmollen und stürzte ein Glas Kürbissaft in sich hinein, um den widerlichen Geschmack aus ihrem Mund zu verbannen. Nachdem sie sich satt gegessen hatten (Lily hatte sich zu einer weiteren Bertie Botts Bohne hindurchgerungen und glücklicher Weise eine, die nach Kirsche schmeckte, erwischt), hatte es nicht lange gedauert und die beiden waren, wie bereits Severus, eingenickt.
 

Es regnete noch immer, als Severus verschlafen die Augen öffnete und sich im Abteil umsah. Sowohl Lily, als auch Remus schliefen tief und fest. Sofort fielen ihm die Süßigkeiten auf dem Sitz neben Lily ins Auge und sein Magen knurrte. Da auf dem freien Platz neben Remus (ein Abteil hatte sechs Sitze) mehrere zerknüllte Verpackungsreste lagen und er drei Gläser, davon noch eins unbenutzt, ausmachte, schloss er, dass die beiden ihm etwas vom Imbisswagen gekauft hatten und er dankte ihnen innerlich dafür. Bis zur Ankunft in Hogwarts - was wohl nicht mehr all zu lang dauern würde - wäre er sicherlich bereits verhungert. Daher nahm er sich die letzte Kürbispastete und begann sie genüsslich zu verspeisen. Danach aß er den Lakritz-Zauberstab und einen der übrig gebliebenen Schokofrösche. In der Packung fand er eine Karte, die er aber - nachdem er gelesen hatte, was darauf stand (Godric Gryffindor) - wieder hineinfallen ließ. Er trank ein Glas Kürbissaft und wandte seine gesamte Aufmerksamkeit nun wieder der Schwärze, die den Zug umgab. Er fühlte sich nun - gesättigt wie er war - wieder etwas besser. Ein leichtes Lächeln kroch über sein Gesicht. Ja, er war Lily und Remus dankbar, dass sie an ihn gedacht hatten. Es war das erste Mal gewesen, dass jemand an ihn gedacht hatte. Remus und Lily waren wirklich nett, so dachte er. Aber er wusste, dass er, wenn er nach Slytherin kam, keine Gelegenheit mehr haben würde sich mit ihnen anzufreunden. Lily war eine Muggelgeborene und Remus der Sohn von Zauberern, die schon über Generationen hinweg im Hader mit seiner eigenen Familie standen, da die Lupins bei den Schwarzmagiern als Muggelfreunde und Blutsverräter verschrieen waren und die Snapes zu besagten Schwarzmagiern gehörten. Würde Severus sich mit den beiden einlassen, so würde dies kein gutes Ende nehmen. Sicherlich: weder Remus' Eltern noch die Lilys würden etwas an Severus auszusetzen haben. Die Lupins waren sehr aufgeschlossen und Muggeleltern wussten nichts von den Familienbeziehungen der Zauberer. Das Problem stellten Severus' eigene Eltern und deren Bekanntenkreis dar. Sie würde es nie gestatten, dass ihr Sohn mit Kindern von Muggeln oder Blutsverrätern verkehrte. Auch würde er in Hogwarts kaum unbeobachtet bleiben. Einige der Slytherins kannte er nur all zu gut. Einige der Blacks, der Sprössling der Malfoys, der der Crabbes und die der Goyles um nur einige beim Namen zu nennen. Würde es herauskommen, dass er etwas mit Leuten wie Remus und Lily zu tun hatte, so würde er wahrscheinlich von seinen Eltern verstoßen werden (wenn er Glück hatte). Severus seufzte tief. Nach dieser Zugfahrt - oder spätestens nach der Verteilung auf die Häuser - würde er kein nettes Wort mehr mit den beiden wechseln.
 

Es hatte aufgehört zu regnen, doch nichts desto trotz konnte man draußen vor dem Fenster keinen einzigen Umriss erkennen. Alles war Pechschwarz.

Remus und Lily waren noch immer nicht aufgewacht und Severus starrte noch immer gelangweilt aus dem Fenster, als die Tür sich ein weiteres Mal öffnete. Severus sah auf. Ein Mädchen mit langen gewellten braunen Haaren und funkelnden blauen Augen stand in der Tür. Severus schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn. Sie trug bereits ihre Schuluniform und auf ihrer Brust prangte das Ravenclaw-Wappen. Sie lächelte den einzigen wachen Abteilbewohner an.

"Wir sind in zehn Minuten in Hogsmeadee. Weck doch bitte die anderen und zieht euch eure Umhänge an."

Severus nickte nur. Das Mädchen lächelte noch etwas stärker.

"Danke!"

Damit schob sie auch schon die Tür zu und machte sich auf zum nächsten Abteil. Severus glaubte auch kurzzeitig das Vertrauensschülerabzeichen gesehen zu haben, doch das interessierte ihn im Moment nicht sonderlich. Vorsichtig rüttelte er zunächst Lily und dann Remus wach. Die beiden gähnten herzhaft und rieben sich den Schlaf aus den Augen.

"Sind wir schon da?", fragte Lily noch immer müde.

"Gleich", antwortete Severus. "Wir sollen uns umziehen."

Remus wuschelte sich verschlafen durch die Haare. Lily lachte.

"Was ist?", fragte er verwundert.

Sie deutete auf sein Haar.

"Deine Haare! Die stehen in alle Richtungen ab."

Remus errötete leicht und versuchte sein Haar zu bändigen, was ihm allerdings nur mit mäßigem Erfolg gelang. Lily kicherte noch immer vergnügt, zog sich dabei jedoch ihren Umhang an. Severus tat es ihr gleich und ließ sich dann wieder auf seinen Sitz zurückfallen. Nachdem auch Remus es endlich geschafft hatte sich fertig zu machen, sammelte er noch schnell die verstreuten Verpackungsreste ein und stopfte sie in den kleinen Papierkorb, der neben der Schiebetür stand. Dieser verschlang alles und rülpste darauf hin. Lily brach erneut in schallendes Gelächter aus, als sie Remus' überraschtes Gesicht sah. Zwar hatte sie selbst nicht mit so etwas gerechnet, doch Remus sah einfach zu köstlich aus.

Der Zug schien langsamer zu werden. Die drei Erstklässler warfen einen Blick nach draußen. Es war bereits so düster, dass sie nur ab und an die Silhouetten der vorbeirauschenden Bäume sehen konnten. Es schien bewölkt zu sein, da Remus wusste, dass es nicht mehr lange bis zu Vollmond dauern würde und es deshalb eigentlich recht hell sein musste. Doch dies war nicht der Fall. Sterne konnten sie auch keine sehen.

Plötzlich hörten sie eine laute Stimme, welche durch den ganzen Zug hallte: "In fünf Minuten erreichen wir Hogwarts. Bitte lassen Sie Ihr Gepäck im Zug, es wird für Sie zur Schule gebracht."

Remus schluckte. Die Stunde der Wahrheit kam nun in großen Schritten auf ihn zu. Auch Lily war etwas ruhiger geworden und schien etwas blass. Severus hingegen blieb unverändert. Die drei standen auf und traten auf den Gang. Andere Schüler taten es ihnen gleich und schon einen kurzen Moment später war der Gang prall gefüllt.
 

Der Zug bremste und kam zum Stillstand. Die Schüler drängelten allesamt und schoben sich durch die Tür hinaus ins Freie. Remus sah sich um. Hier draußen war es noch dunkler, als er es vom Zug aus vermutet hatte. Er konnte zunächst nicht einmal seine Hand vor Augen sehen. Als sich seine Augen jedoch an die Finsternis gewöhnt hatte, sah er sich abermals um. Sie standen auf einem kleinen, düsteren Bahnhof. Das Schild konnte er nicht lesen. Zwar war es nicht weit von ihm entfernt, doch war es in der Dunkelheit nicht zu entziffern. Er zitterte. Die Abendluft war eisig. Severus und Lily hatte er im Gedränge ebenfalls verloren. Er reckte sich und streckte sich, doch es half nichts. Er sah sie nicht. Sirius und James, die er am vorangegangenen Tag kennen gelernt hatte, hatte er bis jetzt auch noch nicht entdeckt.

In dem Gebrabbel und Getöse, die die Schüler veranstalteten, schwappte eine tiefe Stimme an Remus' Ohr. Er sah sich um. Am anderen Ende des Bahnsteiges schwang eine Laterne über den Köpfen der Schüler hin und her. Ein Hüne stand dort. Ein struppiger Bart umrahmte sein Kinn und eine lange Haarmähne verdeckte sein Gesicht. Lediglich die Augen waren zu sehen, welche im Schein der Lampe unheimlich leuchteten.

"Erstklässler! Erstklässler zu mir! Hier her!", donnerte seine Stimme über den Bahnhof.

Und erst jetzt fiel Remus auf, dass die Schüler, die um ihn herum standen alle einige Köpfe größer waren, als er selbst. Er schien unter die älteren Schüler geraten zu sein. Jetzt war auch klar, wieso er weder Lily noch Severus gesehen hatte. Er kämpfte sich durch die Mengen und streifte dabei eine ihm wohl bekannte Person.

"Kannst du nicht aufpassen?", zischte eine Stimme.

,Geh weiter Remus! Reagier nicht.'

"Du schon wieder?", fuhr die Stimme spottend fort. "Interessant, dass du es doch noch in den Zug geschafft hast."

Remus verfluchte sich selbst, doch er konnte nicht anders, als sich umzudrehen. Und da stand er - Lucius Malfoy - und sah herablassend auf den Jüngeren hinab.

"Ja, und dir hab ich das ganz sicher nicht zu verdanken", erwiderte Remus ungehalten.

"Und wem dann?"

"Das kann dir egal sein."

Remus' Stimme mutierte langsam zu einem Knurren.

"Na na, Fiffy. Wer wird denn gleich so überreagieren?"

Er und einige Herumstehende, wohl auch Slytherins, lachten über diese Bemerkung.

"Wie bitte?!"

"Ach, Fiffy, du hörst schlecht. Das tut mir aber leid."

"Du..."

Remus fehlten die Worte. So etwas abtrünniges, wie Lucius war ihm noch nie unter die Augen gekommen. Wütend drehte er sich um und ging zu den anderen Erstklässlern. Er hörte nur noch einen Kommentar des Platinblonden:

"Jetzt kneif doch nicht gleich den Schwanz ein, Fiffy. Wenn du lieb bist und mir die Schuhe leckst, dann bekommst du einen Hundekuchen!"

Schallendes Gelächter folgte. Remus kochte vor Wut. Hatte er doch gehofft diesen Jungen so schnell nicht wieder zu sehen. Brachte er doch jedes Mal das Fass zum Überlaufen.

"Alle da?", rief der Riese plötzlich und sah sich um. "He, du da hinten. Beeil dich!"

Die letzten Worte hatten Remus gegolten. Die meisten Schüler drehten sich zu ihm um und er grummelte nur etwas Unverständliches vor sich hin. Als er endlich angekommen war, setzte sich die Gruppe in Bewegung. Allen voran der Hüne.

"Hopp hopp! Nicht so langsam. Mir nach. Aber passt auf, wo ihr hintretet!"

Sie schlitterten und rutschten einen engen, sehr steilen Pfad hinunter. Es war zappenduster und hin und wieder konnte Remus einige Schüler - sowohl Mädchen, als auch Jungen - fiepen und schniefen hören. Anscheinend schienen sie Angst zu haben, doch Remus tapste recht mühelos hinter allen her.

"Wooooooow!", riefen einige laut, als sie um die letzte Biegung gekommen waren und nun Hogwarts erblickten. Der schmale Pfad hatte zu einem Ufer eines gewaltigen, tiefschwarzen Sees geführt. Am gegenüberliegenden Ufer ragte ein Berg in die Höhe, auf dessen Spitze ein riesiges Schloss thronte, dessen hellerleuchtete Fenster in die Dunkelheit glitzerten.

"Höchstens vier in einem Boot! Habt ihr verstanden?", rief der riesige Mann.

Am Seeufer lagen einige Boote und schienen nur auf die Erstklässler gewartet zu haben. Remus kletterte in eines der Boote und musste lächeln, als sowohl Severus, als auch Lily mit einstiegen. Ein weiteres Mädchen folgte ihnen. Remus kam sie bekannt vor. Sie hatte langes schwarzes Haar und wunderschöne blauviolette Augen. Sie erinnerten ihn an ein paar seltene Edelsteine, die selbst in der größten Dunkelheit ihren Glanz nicht verloren. Ihr schwarzes Haar war glatt und fließend. Wie schwarzer Samt, so dachte Remus sich. Seide oder Satin würden ihm auch sehr nahe kommen. Sie war nicht ganz so blass, wie er selbst. Ihre Wangen wiesen einen leichten Rotschimmer auf. War sie nicht eines der drei Mädchen gewesen, die er auf dem Bahnsteig zwischen Gleis neun und zehn getroffen hatte? Ja! Er war sich sicher. Sie war die jüngste der drei Töchter gewesen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Das hieß, dass ihre Eltern ebenfalls in den Bekanntenkreis der Snapes zählten. Allerdings wirkte sie nicht so kalt und abweisend, wie ihre beiden anderen Schwestern. Wenn er sich recht entsann, dann hatte sie sich in King's Cross auch nicht über ihn lustig gemacht, wie es die anderen beiden Mädchen getan hatten. Als sie spürte, dass Remus sie schon eine geraume Zeit ansah, lächelte sie ihn freundlich an. Er war überrascht. Ihr Lächeln ähnelte stark dem Lilys. Von ihr ging ebenfalls etwas Warmes und Herzliches aus. Leicht verlegen und mit rosafarbenen Wangen erwiderte er das Lächeln.

"Andromeda Black", flüsterte Severus leise.

Remus brauchte eine Weile, bis er verstand, wieso Severus ihm den Namen so leise zugeflüstert hat und wem er gehörte. Er lächelte. Andromeda hieß sie also. Ein schöner Name. Aber halt! Hatte Severus gerade Black gesagt? War sie dann nicht mit Sirius verwandt? Aber das hieße ja, dass dessen Eltern ebenfalls... Das erklärte auch, wieso Sirius gestern allein mit James und dessen Eltern in der Winkelgasse war. Wahrscheinlich wussten dessen Eltern nichts von ihrer Freundschaft oder missbilligten sie zumindest. Remus seufzte. Wieder diese verfluchten Vorurteile. Wieso lag es nur in der menschlichen Natur alles in Frage zu stellen und von seinen negativen Seiten zu betrachten? Er konnte es einfach nicht begreifen.

Als alles Schüler in den Booten waren, setzten sich diese langsam in Bewegung und glitten lautlos über den See. Alles war still. Alle betrachteten das Schloss in seiner ganzen Pracht, nur Remus nicht. Er besah sich die Wasseroberfläche, welche von den Bewegungen der Boote zum Zittern gebracht wurde. Was dort unten wohl alles lebte? Er erinnerte sich daran, dass Mr. Ollivander gesagt hatte, dass Kelpies im Seetang lebten. So tief, wie der See wirkte, musste es hier sicherlich eine Menge Seetang geben. Vielleicht gab es hier ja sogar Kelpies. Innerlich war er über diesen Gedanken recht zwiegespalten. Zum Einen hätte er diese Geschöpfe nur zu gern einmal gesehen. Sie hörten sich sehr interessant an und er würde sie gern etwas ausführlicher studieren. Zum Anderen hatte Mr. Ollivander erzählt, dass sie ihre Opfer in die Fluten lockten und dann in Fetzen rissen. Diese Aussicht war dann doch nicht gerade sehr empfehlenswert.

Während er seinen Gedanken nachhing, starrte er weiter auf die Wasseroberfläche, als er plötzlich ein Paar rotglühender Augen sah. Erschrocken riss er die seinen weit auf und lehnte sich über den Bootsrand.

"He, Remus. Nicht so weit nach vorn!", rief Lily erschrocken.

Doch Remus hörte nicht. Er starrte auf den Wasserfleck, wo er gerade eben noch die Augen gesehen hatte. Doch sie waren wieder verschwunden. Langsam begann der Junge an seinem Verstand zu zweifeln und fragte sich, ob ihm seine Augen nur einen dummen Streich gespielt hatten. Wieder war er in Gedanken und so hörte er auch nicht, wie der Hüne, welcher ein Boot für sich allein hatte, "Ducken!" rief, als die ersten Boote den Felsen, auf welchem das Schloss prangte, erreicht hatten und durch einen Efeuvorhang fuhren, hinter welchem sich ein langer schmaler Tunnel befand.

"Pass auf!", rief Lily und sie und Severus wollten Remus noch packen, doch zu spät.

Er verfing sie im Efeu, während ihr Boot weiterfuhr und er plötzlich in der Luft baumelte.

"He!"

Er zappelte und strampelte heftig. Dabei riss der Efeu und Remus landete mit einem lauten Platscher im Wasser. Sein Herz hatte für einen Moment ausgesetzt, als er im eiskalten Nass gelandet war und schlug jetzt jedoch heftig und schnell gegen seinen Brustkorb.

"Was machst du denn da?!", rief die wütende Stimme des Mannes, der die Erstklässler ins Schloss geleiten sollte, durch den Tunnel zu Remus zurück. "Ihr da hinten! Fischt ihn raus, aber fallt nicht auch noch rein!"

Remus hatte Glück, dass noch ein Boot nach ihnen gekommen war. Er wurde von vier kräftigen Armen in das Boot gehievt. Remus keuchte und zitterte am ganzen Leib. Er hatte seine Augen geschlossen und rang nach Atem.

"D-danke", brachte er nur schwer heraus.

"Konntest es wohl nicht abwarten baden zu gehen, was?", fragte eine ihm wohlbekannte Stimme.

Langsam öffnete er die Augen und sah James und Sirius, die über ihm gebeugt waren und breit grinsten. Remus grinste ebenfalls etwas.

"So in etwa."

Die zwei Schwarzhaarigen feixten sich gegenseitig an. Nachdem sie im Tunnel waren, richtete sich Remus auf und bekam erst jetzt mit, dass noch ein weiterer Junge bei ihnen im Boot saß. Er hatte bis jetzt keinen Ton von sich gegeben. Sein Haar war kurz und blond, seine Augen schimmerten grau und er wirkte etwas rundlich. Das konnte aber auch an seinem dicken Pullover, den Remus unter seinem Umhang hervorgucken sah, liegen.

Das Boot dümpelte durch den Tunnel und erreichte wenig später eine Art unterirdischen Hafen, welcher sich unter dem Schloss befand. Die anderen warteten bereits auf die vier und der Koloss schien ziemlich sauer zu sein. Remus schluckte unmerklich, als er dessen verärgertes Gesicht sah. Sein Körper zitterte nun nicht nur der Kälte wegen.

Als sie aus dem Boot geklettert waren, stand der riesige Mann plötzlich vor Remus. Remus blick wanderte ganz langsam nach oben und als er in die schwarzen Augen seines Gegenübers sah, lächelte er nervös. Am Liebsten wäre er in diesem Moment schreiend weggerannt, doch seine Beine waren wie angewurzelt.

"Alles okay?", fragte der Mann plötzlich sanft.

Sanfter, als Remus es von ihm für möglich gehalten hätte.

"Geht schon", erwiderte Remus, wobei er niesen musste.

Der Hüne zog seinen Maulwurfmantel, welcher unzählige Taschen hatte, aus und legte ihn um Remus.

"Hier, sonst erkältest du dich noch ernsthaft", sagte er und lächelte dabei.

Remus schlang den Mantel fest um sich und war erstaunt, dass der Riese so freundlich war.

"D-danke", stotterte er und fühlte sich unter dem Mantel, der ihm einige Nummer zu groß war, gleich viel besser.

Der Koloss wandte sich zu den anderen Schülern um.

"Wenn ihr alles habt, dann folgt mir!"

Er nahm seine Lampe, die ein Mädchen ihm kurzweilig gehalten hatte, wieder an sich und ging voraus. Die Schüler folgten ihm und sie stiegen gemeinsam mit ihm einen langen steilen Felsgang empor. Die Stufen des Ganges waren klein und hoch. Remus hatte mit dem dicken, langen Mantel alle Mühe voran zu kommen. Er war der Letzte und schon nach kurzer Zeit ein ganzes Stück zurückgefallen. Keuchend und schnaufend kam er endlich ins Freie und fand sich auf einer Wieso, welche im Schatten des Schlosses lag, wieder. Die anderen waren eine riesige Steintreppe hinaufgegangen und standen vor einem riesigen Eichentor. Remus grummelte erneut und schleppte sich nun auch diese Stufen hoch. Er fluchte innerlich. Wäre er nicht in den See gefallen, dann müsste er jetzt nicht diesen dicken Mantel mit sich herumschleppen. Sicherlich, er hielt warm und es war gut gemeint gewesen, aber das Laufen erleichterte ihm der Mantel nicht gerade.

"Alle da?", fragte der riesige Mann und ließ seinen Blick über die Jungen und Mädchen schweifen.

Als auch endlich Remus die letzte Stufe genommen hatte und bei ihnen war, klopfte er mehrmals an das Eichenportal.
 

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1.Akt, Kap.II - Ende

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1.III.Unerwartete Briefe

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1.Akt: Kapitel III: Unerwartete Briefe

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Das Schlosstor öffnete sich. Sirius, der ganz in Remus' Nähe stand, stieß einen leichten Pfiff aus, den allerdings nur Remus, James und der kleine Junge, der bei ihnen im Boot gesessen hatte, mitbekamen. Und das war auch gut so. Vor ihnen stand eine recht junge, dafür sehr große Hexe mit schwarzen Haaren. Sie trug einen langen smaragdgrünen Umhang. Ihr Gesicht wirkte recht streng. Remus schätzte sie auf zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre. Es war nicht zu leugnen, dass sie sehr gut aussah. Daher auch Sirius' Reaktion.

"Die Erstklässler, Professor McGonagall", sagte der Hüne.

"Danke, Hagrid. Ich nehme sie dir ab."

Sirius verzog das Gesicht, als er das Wort Professor gehört hatte. James grinst breit.

"Findest du sie immer noch so interessant?", fragte er und erntete lediglich den bösen Blick seines Freundes.

"Soviel ich weiß, ist sie mindestens vierzig Jahre alt", murmelte Remus.

Sirius sah ihn ungläubig an.

"Die ist doch nicht älter, als fünfundzwanzig."

James grinste noch immer.

"Wusste gar nicht, dass du auf ältere Frauen stehst, Siri."

Sirius unterdrückte den Drang seinem Freund den Hals umzudrehen und er widerte das Grinsen säuerlich.

Professor McGonagall bat die Schüler herein. Wieder gerieten sie ins Staunen. Remus sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. Die Eingangshalle war riesig. Wahrscheinlich hätte ihr Haus hier drin Platz gefunden. Der Raum wurde von den Fackeln, die an den Steinwänden hingen, beleuchtet. Vor ihnen lag eine riesige Treppe. Wenn Remus richtig lag, dann war sie aus Marmor. Sie schien in die oberen Stockwerke zu führen. Er starrte nach oben und kniff die Augen zusammen, während er krampfhaft versuchte eine Decke zu erkennen. Doch das Treppenhaus war so hoch, das die sinnlos war und Remus es bald aufgab. Er sah sich weiter um. Der Boden der Halle war mit einfachen Steinen, die allerdings glattgeschliffen waren, sodass sie spiegelten, gefliest.

Von rechts tönten Stimmen an sein Ohr. Dort mussten wohl die anderen Schüler sein. Anscheinend waren sie schon geraume Zeit vor den Erstklässlern eingetroffen.

"Ich möchte um Ruhe und eure Aufmerksamkeit bitten", begann McGonagall und sofort wurde es still. Sie räusperte sich. "Die Einweihungszeremonie beginnt in wenigen Augenblicken. Wie ihr vielleicht wisst, ist Hogwarts in vier Häuser unterteilt. Sie heißen Slytherin, Ravenclaw, Hufflepuff und Gryffindor. Die Namen rühren von den Gründern Hogwarts und jedes Haus hat bedeutende Hexen und Zauberer hervorgebracht. Während ihr hier zur Schule geht, holt ihr für euer Haus Punkte bzw. werden euch für eure Dummheiten Punkte abgezogen. Am Ende des Jahres erhält das Haus mit den meisten Punkten den Hauspokal. Die Einweihungszeremonie dient dazu euch auf die verschiedenen Häuser aufzuteilen. Bis das Fest beginnt, wartet ihr am besten hier und macht euch fertig."

Damit verschwand die Professorin auch schon.

"Remus!"

Der Angesprochene wandte sich von James, Sirius und dem blonden Jungen ab. Als er Lily und Severus auf sich zukommen sah, musste er unweigerlich grinsen. Lily sah ziemlich besorgt aus.

"Alles in Ordnung mit dir?"

"Ja, alles bestens."

"Ist dir auch wirklich nichts passiert, als du ins Wasser gefallen bist?"

"Mir geht es gut, Lily! Glaub mir!"

Lily schien noch immer nicht überzeugt.

"Idiot!"

Remus sah Severus verwirrt an.

"Wie kann man nur so blöd sein und in den See fallen? Echt dämlich!"

Der Brünette lachte verlegen.

"Das war Pech."

"He, was fällt dir ein Remus einen Idioten zu schimpfen?", rief James aufgebracht.

Er funkelte Severus zornig an, welcher den Blick unbeeindruckt erwiderte.

"He, James! Schon okay. Es ist nicht so, wie du denkst", versuchte Remus ihn zu beruhigen, doch James hörte ihm nicht zu.

"Sag mal, wer bist du überhaupt?!"

"Severus Snape."

"Snape?" James lachte verächtlich. "War ja klar. Einer von der Sorte."

"He, wie redest du mit Severus?", rief Lily sauer.

James lächelte.

"Ich rede mit ihm, wie er es verdient. Deine Eltern sind Muggel, oder? Ich hab sie am Bahnhof gesehen. Da kannst du natürlich nichts über die Snapes wissen."

Lily schnaubte verärgert.

"Meinst du, ja?"

"Ich meine. Halt dich am besten da raus. Du verstehst das ja sowieso nicht."

"Wenn hier jemand etwas nicht versteht, dann ja wohl du! Wie heißt du überhaupt?!"

James verbeugte sich leicht, rein aus Höflichkeit.

"Mein Name ist James Potter."

Severus grinste kühl.

"Potter. Soso."

Er sah zu Sirius.

"Black, ich wusste ja, dass du einen schlechten Geschmack hast, aber das? Tse! Das übertrifft alles."

Sirius blieb ruhig.

"Es ist meine Sache, Severus, mit wem ich mich einlasse und mit wem nicht. Zumal ich dachte, dass du nicht ein so großer Sturkopf bist, wie deine Eltern. Und das bei dir Hopfen und Malz nicht verloren sind."

"Ansichtssache."

"Hört mal", mischte sich Remus ein. "Könnt ihr bitte aufhören euch zu streiten? Das ist doch total überflüssig."

"Sag das deinem Freund Potter und nicht mir", zischte Severus und verschwand zwischen den anderen Erstklässlern.

"So eine falsche Schlange!", knurrte James wütend.

Remus starrte Severus geschockt hinterher. Hatte er gerade richtig gesehen? - Sein Herz verkrampfte sich. - Hatte Severus ihn gerade wirklich mit vor Ekel und Abscheu überschäumenden Augen angesehen? War es wirklich unbändiger Hass gewesen? Dieser Blick hatte Remus das Blut in den Adern gefrieren lassen. So eiskalt, dass Remus das Gefühl hatte, tausend kleine Nadeln würden seinen Körper durchstechen.

"Severus...", murmelte Remus, unfähig einen klaren Kopf zu bekommen.

Hatte der junge Snape ihm gerade den Krieg erklärt? Wegen solch einer banalen Auseinandersetzung, an der er selbst gar nicht wirklich teilgenommen hatte? Eine Frage zwängte sich ihm auf. Ein einfaches Wort. Ein einziges Wort. Warum? Zwar hatte Severus im Zug verschlossen und nicht allzu begeistert, aber dennoch nicht abweisend gewirkt. Wieso dieser plötzliche Ansichtswandel? Bevor Remus weiter darüber nachdenken konnte, kehrte Professor McGonagall zu ihnen zurück.

"Stellt euch in einer Reihe auf", wies sie sie an. "Gut, folgt mir."

Im Gänsemarsch liefen sie einen Gang zu ihrer Rechten entlang. Remus hatte sich also nicht mit dem Verbleib der anderen Schüler geirrt. Die riesigen Flügeltüren der Großen Halle öffneten sich ganz von alleine. Ein helles, angenehmes Licht flutete ihnen entgegen. Als sie den Saal betraten und zwischen zwei der vier langen Haustische, die sich durch den gesamten Raum zogen, entlang liefen, zitterten Remus' Beine wie Espenlaub. Hunderte von Gesichtern musterten sie mehr oder weniger neugierig. Remus schluckte. Über den Köpfen der Schüler schwebten unzählige Kerzen, welche die Halle in eben das warme Licht tauchten, was Remus und die anderen Erstklässler doch etwas beruhigte.

Professor McGonagall führte sie in Richtung des Lehrertisches. Kurz bevor sie ihn erreicht hatte, ließ sie die Schüler sich in einer Reihe, mit dem Rücken zum Lehrerkollegium, vor den anderen Schülern aufstellen. Remus ließ seinen Blick von einem Tisch zum nächsten schweifen. Er wusste auf Anhieb, welcher der Tische Slytherin repräsentierte. Lucius' und Remus' Blicke trafen sich. Es knisterte regelrecht in der Luft. Der Ältere erzählte mit ein paar anderen Slytherin, doch seine Aufmerksamkeit ruhte weiter auf dem Jüngeren. Remus löste den Blickkontakt als Erster. Er konnte und wollte diese - ja, diese Fratze in diesem Moment nicht vor sich haben. Nicht in diesem Augenblick. Endlich hatte man ihm die Möglichkeit gegeben auf Hogwarts zu lernen. Endlich akzeptierte man ihn, auch wenn er anders war. Wie sehr hatte er sich gefreut, als er den Brief des neuen Schulleiters, Albus Dumbledore, erhalten hatte. Wie sehr hatte er sich darauf gefreut endlich in diesen - für ihn heiligen - vier Wänden zu stehen? - Nein. - Das wollte er sich durch nichts in der Welt verderben lassen. Nicht diesen Moment.

Ein Lächeln zierte seine Lippen, dass ihm noch nicht einmal dieser Lucius Malfoy nehmen konnte. Nicht jetzt, nicht hier.

"Wow! Die Decke ist ja wunderschön!", murmelte Andromeda, die nicht weit entfernt von Remus stand.

Nun ließ auch er seinen Blick nach oben driften und konnte ihr nur zustimmen. Remus' Vater hatte seinem Sohn erzählt, dass die Decke der Großen Halle so verzaubert war, das sie den derzeitigen Himmel mit der momentan vorherrschenden Wetterlage zeigte. So, als wäre gar keine Decke vorhanden.

Der schwarze Nachthimmel hatte sich geklärt. An der Decke funkelten Milliarden von Sternen. Lediglich eine schwarze Wolke trübte das Bild. Auch der Mond war zu sehen. Remus schluckte. Wie prall er doch schon war. Wenn er den Mondkalender recht in Erinnerung hatte, dann war Vollmond in zwei Tagen. Er seufzte innerlich. Wie verflucht schön der Erdtrabant auch war, so verflucht grausam sprang er auch mit Remus um. Remus zitterte unter dem dicken Maulwurfsmantel. Das würden ein paar unangenehme Tage werden. Je klarer die Nacht und je schöner der Mond, desto unerträglicher die Qual, die er mit sich brachte. Remus wusste nicht, wie es Dumbledore sich gedacht hatte, einen wild gewordenen Werwolf sieben Jahre in Schach zu halten, ohne dass dieser einen anderen Schüler anfiel. Remus schüttelte kaum merklich den Kopf. Das konnte doch auf kurz oder lang nicht gut gehen. Und wie wollte Dumbledore sowohl ihn, als auch die anderen Schüler eigentlich schützen? Bekam Remus vielleicht ein Einzelzimmer für sich allein, wo er während der Vollmondnächte eingeschlossen wurde und höchstens für sich selbst und das Mobiliar, jedoch nicht für andere eine Gefahr darstellte? Oder würde er Remus in einen Tranceähnlichen Zustand versetzen, sodass er, während er ein Werwolf war, schlief? Oder hatte der Schulleiter noch gar nicht darüber nachgedacht? Kalter Schweiß lief Remus den Rücken hinab. Was, wenn Dumbledore dieses Problem viel zu locker sah? Was, wenn er - da er ja der neue Schulleiter war - sich unbedingt beweisen wolle und zeigen wollte, dass er auch Schüler aufnahm, die sonst keine Chance auf eine richtige Ausbildung hatten? Was, wenn er sich wirklich noch keine richtigen Gedanken darüber gemacht hatte? Nicht auszudenken, wenn der Vollmond kam - und er kam - und Dumbledore keinen Rat wusste? Was dann? Welten zerbarsten vor Remus' innerem Auge. Was sollte er dann tun? Was? Was wenn er wirklich jemanden anfiel - oder sogar tötete? Würden sie ihn dann, obwohl er gerade einmal zehn Jahre alt war und sein elfter Geburtstag noch gut zwei Monate auf ihn wartete, nach Askaban stecken, wo er dahinvegetieren würde und seines Lebens nicht mehr froh werden konnte? Remus versuchte sich zur Ruhe zu rufen. Er war ja regelrecht panisch. Untypisch für ihn. Hatte er doch sogar schon mit dem Gedanken gespielt jetzt - vor versammelter Schüler- und Lehrerschaft - einfach die Beine in die Hand zu nehmen, aus der Großen Halle zu stürmen und Hogwarts fluchtartig zu verlassen. Er fühlte sich, als würde die Decke - oder besser gesagt der Himmel - jeden Augenblick auf ihn herabstürzen. Panik - ja, Panik stieg weiter unaufhaltsam in ihm auf. Er spielte unter dem dicken Mantel Hagrids nervös mit seinen Fingern, was jedoch niemand - dank besagtem Kleidungsstück - mitbekam.

"Beruhig dich, Remus. Beruhig dich", murmelte er immer und immer wieder vor sich hin, während er die Augen geschlossen hatte.

"Seht euch mal den an!", flüsterte Lucius und deutete auf Remus.

Er grinste süffisant.

"Fiffy kollabiert ja gleich. Ich glaube jemand sollte Madame Pomfrey holen."

Er unterdrückte ein lautes Auflachen, was auch seine Tischgenossen taten.

"Kippt ja gleich aus den Latschen", meinte eines der Slytherin-Mädchen gehässig.

Remus konnte sie nicht hören - zum Glück nicht hören. Er öffnete langsam wieder seine Augen.

,Schwachsinn!', dachte er sich. ,Spinn dir hier nicht irgendwelche Sachen zusammen. Das ist lächerlich. Dumbledore wird schon wissen, was er tut.'

Er ließ seinen Blick schweifen, um seine Gedanken zu streuen, als Lucius ihn wieder förmlich festnagelte. Der Platinblonde grinste hinterhältig und täuschte einen kleinen Ohnmachtsanfall vor. Nachdem er sich scheinbar wieder erholt hatte, sah er den Jüngeren weiter durchdringend und mit einem dreckigen Lächeln an. Remus Magen verkrampfte sich. Anscheinend hatte dieser unverfrorene Kerl doch mitbekommen, wie Remus einen leichten Panikanfall bekommen hatte. Dabei hatte er doch verhindern wollen, dass es jemand sah. Das hatte er wohl nicht geschafft. Und wie es aussah, hatte Malfoy nicht darauf verzichten können, die anderen Slytherins auf Remus hinzuweisen.

Remus' Zorn hielt sich in Grenzen. Noch immer lastete diese drückende Ungewissheit auf ihm. Er lächelte bitter. Was für starke Stimmungsschwankungen er doch hatte. Erst freudig und himmelhoch jauchzend, dann tiefe Depression und nun steigende Wut. Dabei hatte er von sich selbst gedacht - und andere taten es auch - dass er ein ruhiges und ausgeglichenes Temperament hatte. Dass nichts ihn so leicht aus der Bahn warf und dass er eigentlich immer recht ruhig war.

Aber dieser Malfoy. - ! - Er machte ihn rasend!

Während er mit sich selbst haderte, trug Professor McGonagall schweigend einen dreibeinigen Stuhl herein und stellte ihn vor den Erstklässlern ab. Auf diesen legte sie einen alten Spitzhut. Er schien schon recht gelitten zu haben. Er war recht abgenutzt, hier und da waren ein paar Flicken zu sehen und schmutzig war er obendrein.

Remus fragte sich, was diese Zeremonie genau beinhaltete. Seine Mutter hatte etwas von einem Test erzählt, doch wollte sie ihm nicht verraten, worin dieser bestand. Sollten sie diesen Hut vielleicht in etwas Ansehnlicheres verwandeln? Aber Remus selbst hatte doch noch gar nicht gezaubert. Seine Eltern hatten ihm verboten mit ihren Zauberstäben zu spielen oder irgendwelche Tränke zu brauen. Sie hatten immer gemeint, dass er dafür noch zu klein sei. Lediglich das Fliegen hatte er sich über kurz oder lang angeeignet. Hatte er doch immer heimlich geübt, wenn seine Eltern nicht da waren. Wahrscheinlich hätte er auch einige Zauber ausprobiert, aber da seine Eltern ihre Zauberstäbe immer bei sich trugen, war das unmöglich.

Er schluckte. Und was, wenn sie jetzt wirklich zaubern mussten? Er kannte keinen einzigen Spruch. Sicher wären einige vor ihm an der Reihe und er konnte sich etwas abgucken, aber ob es dann auch gelang, das war eine andere Frage.

Plötzlich bekam Remus einen Schreck. Seine Augen weiteten sich, als der Hut nahe der Krempe aufriss und sich dieser Riss zu einem Mund formte. Schweigen trat ein. Der Spitzhut begann zu singen:
 

Wie jedes Jahr verteil ich euch, wie ich es für richtig halt.

Doch leider säe ich damit einen Zwiespalt.

Zwar würd ich jeden Jahrgang hier, gern als ein Ganzes lassen.

Für eine Klasse sind das jedoch viel zu große Massen.

Hier und da - ich bin mir gewiss - reiß ich Freundschaft entzwei.

So hoff ich, dass sie weiterbesteht, die Häuser sind einerlei.

Die Schule selbst wurde gegründet von Freunden, alle vier ganz weise und schlau.

Nichts desto trotz gab es Streit, ich weiß es noch sehr genau.

Doch davon möcht ich nichts erzählen, jeder bekommt jetzt sein Haus.

Ich bin mir gewiss, jeder von euch, kommt dort ganz hoch hinaus.

In Slytherin zählt Tücke und List,

Mit Mut du in Gryffindor ganz richtig bist,

In Ravenclaw da musst du streben,

In Hufflepuff wird die Treue leben.

Nun los, nun los! Fangen wir an,

Da ich - der Sprechende Hut - es kaum noch erwarten kann!
 

Der Hut beendete sein Lied und sofort brach in der ganzen Halle ein Beifallssturm los.

Remus schien noch immer missgestimmt. Dieser Hut sollte bestimmen, in welches Haus die einzelnen Schüler kamen? Und wie genau? Aus dem Lied war es nicht ganz klar hervorgegangen, aber Remus dachte sich das schlüssigste. Wahrscheinlich mussten sie sich auf den Dreibeiner setzen und den Hut aufsetzen. Vielleicht stellte er ja irgendwelche Fragen, um den bisherigen Wissensstand zu testen.

Remus schluckte erneut. Und was, wenn er von ihm verlangte etwas zu zaubern? Das würde in einem Desaster enden.

Professor McGonagall, welche eine lange Pergamentrolle in Händen hielt, trat vor die Erstklässler - oder besser neben den Stuhl.

"Wenn ich euch aufrufe, dann setzt ihr den Hut auf und nehmt auf dem Stuhl Platz, damit euer Haus bestimmt werden kann."

Einige der Erstklässler nickten unsinniger Weise.

"Arwen, Rowena."

Ein Mädchen mit langen strohblonden Haaren trat hervor und lief zur Professorin. Sie wirkte ziemlich nervös, als sie den Hut aufsetzte - der viel zu groß war und ihr deshalb über die Augen rutschte - und sich auf den Dreibeiner setzte. Für einen kurzen Moment lang war es totenstill.

"HUFFLEPUFF!", rief der Hut plötzlich laut aus.

Der zweite Tisch von links - vom Lehrertisch aus gesehen - begann lauthals schreiend und johlend zu applaudieren. Sie lief fröhlich lächelnd zu ihnen und ließ sich auch schon nieder.

"Avery, Taylor."

"SLYTHERIN!"

Diesmal applaudierte der Tisch ganz rechts außen.

"Black, Andromeda."

Andromeda löste sich aus der Reihe und schwebte regelrecht an Remus vorbei. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, lächelte und ging weiter. Remus konnte sich einfach nicht an so ein herzliches Lächeln gewöhnen. Bei Lily war es genau das selbe warme Gefühl. Es war einfach unbeschreiblich.

Einige der Slytherins richteten ihr gesamtes Augenmerk auf die Schwarzhaarige und Remus hätte schwören können - obwohl das in dieser Entfernung gar nicht möglich war - dass er gehört hatte, wie die mittlere der drei Blackschwestern gesagt hätte, dass ihre Jüngste ebenfalls zu ihnen kommen würde.

Es dauerte einige Zeit, bis der Hut sich entschieden hatte.

"RAVENCLAW!"

Einige der Slytherins sahen sich ungläubig an. Andromeda, welche gerade den Hut auf den Stuhl zurücklegte, wirkte überglücklich und wurde von den anderen Ravenclaw-Schülern herzlichst willkommen geheißen.

"Black, Sirius."

Remus löste seine Aufmerksamkeit von Andromeda und schenkte sie ganz Sirius. James hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt und Sirius grinste nur breit. Er wirkte recht ruhig und selbstbewusst, als er zum Stuhl ging.

"Viel Glück", murmelte Remus, als er an ihm vorbei kam.

"Wird schon", war die ruhige Antwort.

Mit einer leichten Handbewegung schnappte er sich den Hut und ließ sich auf den Dreibeiner nieder.

Wieder dauerte es etwas. Länger als bei Andromeda.

"GRYFFINDOR!", tat der Hut kund und ein aufgeregtes Tuscheln machte bei den Slytherins die Runde.

Sirius grinste über das ganze Gesicht, als er sich zu den jubelnden Gryffindors, ganz links außen, begab.

Nach und nach wurden die Schüler verteilt und Remus merkte, dass der Hut unterschiedlich lang brauchte, um jeden das richtige Haus zuzuweisen. Bei dem Einen verkündete er sein Urteil sofort, bei dem Anderen dauerte es ein paar Minuten.

"Evans, Lily."

Einige Schüler warfen ihr hoffnungsvolle Blicke zu. Bei ihr war das Urteil sonnenklar.

"GRYFFINDOR!"

Sie ließ sich mit etwas Abstand zu Sirius bei den Gryffindors auf die Bank fallen.

Remus wurde immer unruhiger je näher die Entscheidung rückte. Sein Zeitgefühl war verschwunden. Waren sie gerade eben noch bei Lily gewesen, waren sie jetzt schon bei "Lestrange, Rastaban" (Slytherin) angelangt.

"Lupin, Remus."

Remus' Magen verkrampfte sich. Mit langsamen Schritten ging er auf den Stuhl zu. Er nahm den Hut, setzte ihn auf, wobei ihm dieser, wie bei vielen zuvor, über die Augen rutschte und setzte sich.

Stille. - Remus fühlte sich unwohl und fehl am Platze. - Ruhe. - Noch immer nichts, doch dann-

"Interessant.", flüsterte eine leise Stimme.

"Ein Lupin. Interessant. Lange keinen mehr gehabt."

Remus schluckte.

"Bei deinen Verwandten war das ja sehr einfach. Ich habe sie alle samt sofort zuordnen können."

,Nach Gryffindor", dachte Remus nur.

"Ja, alle nach Gryffindor. Richtig. Aber du..."

Eine erneute Pause folgte. Der Brünette fühlte sich immer unwohler.

"Du bist eine harte Nuss. Du hast einen sehr vielfältigen Charakter, mein Junge. Das macht es mir nicht sehr einfach. Neugierig und wissbegierig bist du - ich könnte dich nach Ravenclaw stecken. Aber Mut hast du auch. Das spricht für Gryffindor. Ich streite aber auch nicht ab, dass du sehr zuverlässig bist. Hufflepuff wäre auch nicht schlecht. Und Slytherin wäre auch keine schlechte Wahl. Clever bist du immerhin. Und ich denke mal, dass du es dort weit bringen würdest."

"Alles, nur nicht Slytherin", murmelte Remus.

"Nicht dort hin? Du bist dir sicher?"

Remus nickte unmerklich. Der Hut erhob seine Stimme, sodass es auch die anderen Schüler hörten.

"Dann setze ich also die Familientradition fort und du kommst nach GRYFFINDOR!"

Ein wahrer Beifallssturm brach über Remus herein. Mit noch immer weichen Knien ging er zu seinem Haustisch und wurde herzlich in Empfang genommen.

"Remus! Das ist toll, dass du auch mit in Gryffindor bist!", rief Lily freudig und fiel ihm stürmisch um den Hals.

Ein leichter Rotschimmer breitete sich über seine Wangen aus. Zaghaft erwiderte er die Umarmung. Beide nahmen Platz, wobei sich Remus zwischen Sirius und Lily niederließ. Sirius grinste.

"Du scheinst sie ja sehr zu mögen."

"Wie?" Remus brauchte einige Zeit, um zu verstehen, worauf Sirius anspielte. Seine Wangen glühten förmlich auf. "Das ist nicht so wie du denkst!"

"Bist du dir da sicher?"

"Ja", grummelte Remus nur leise.

Sirius grinste breit.

"Wenn du meinst. - Aber weißt du eigentlich, wie lang du da oben warst? Wir haben schon gedacht, dass es gar nicht mehr weitergeht."

"Wieso? Wie lang saß ich denn da?"

"Gute fünf Minuten sicherlich. Hab schon gedacht, dass er dich vielleicht wieder nach hause schickt."

Sirius lachte.

"Wie bitte?! Worauf willst du damit hinaus?!"

"Auf gar nichts", erwiderte der Schwarzhaarige und schmunzelte.

Die Verteilung ging recht zügig voran. Es stellte sich heraus, dass der Junge, welcher bei Sirius und James im Boot gesessen hatte, Peter Pettigrew hieß. Er kam ebenfalls nach Gryffindor. Bei James hatte der Hut kaum den Kopf berührt, als er auch schon Gryffindor gerufen hatte. Breit grinsend gesellte er sich zu den anderen Erstklässlern und ließ sich gegenüber Sirius auf die Bank sinken.

"Siehst du, ich hab doch gesagt, dass wir beide nach Gryffindor kommen", meinte James und Sirius nickte.

"Der blöde Fetzen wollte mich zuerst nach Slytherin stecken, aber ich hab ihm die Meinung gegeigt."

Die zwei Schwarzschöpfe lachten. Lily verdrehte nur genervt die Augen.

,Wieso muss ausgerechnet dieser Idiot mit nach Gryffindor?', fragte sie sich und stöhnte.

Als sie merkte, dass Remus sie musterte und Anstalten machte, sie zu fragen, was mit ihr nicht stimmte, lächelte sie.

"Jetzt fehlt eigentlich nur noch Severus, oder Remus?"

Doch bevor der Angesprochene antworten konnte, hatte sich James auch schon eingemischt.

"Das kannst du getrost vergessen. Gryffindor ist das letzte Haus, wo Snape hinkommt."

"Ach, und wieso willst du das so genau wissen?!", fragte Lily sauer.

"Weil er ein typischer Slytherin ist. Er ist nicht besser als seine Eltern. Deshalb."

"Du kennst ihn doch überhaupt nicht!"

"Nein, DU kennst ihn nicht. Jemand wie du sollte sich nicht mit einem Slytherin einlassen. Am Anfang mag das noch gut gehen, aber auf Dauer nicht."

"Severus ist noch nicht einmal einem Haus zugeteilt worden und du nennst ihn schon einen Slytherin! Und selbst wenn er nach Slytherin kommt, dann entscheide noch immer ich, mit wem ich etwas zu tun haben will und mit wem nicht."

Die beiden warfen sich böse Blicke zu. James wandte sich Sirius zu. Für ihn war dieses Gespräch anscheinend beendet.

"Idiot", murmelte Lily so leise, dass nur Remus es verstand.

Dieser beugte sich zu ihr.

"He, nimm ihm das nicht so übel", flüsterte er. "Das vorhin hat er nur gut gemeint. Er wusste doch nicht, dass Severus das nicht ernst gemeint hat. Er wollte mich nur verteidigen."

"Aber deshalb brauch er ihn nicht gleich so runterzuputzen!", zischte Lily.

"James ist wirklich okay. Glaub mir. Außerdem ist er nur wegen Severus' Namen so ausfallend geworden."

"Aber wieso hat er denn gleich so eine schlechte Meinung von ihm, nur weil er ein Snape ist?"

Remus seufzte. Hatten er und Severus ihr das Ganze nicht bereits im Zug versucht zu erklären? Sie schien es immer noch nicht zu verstehen.

"Snape, Severus", verkündete Professor McGonagall.

Lily und Remus unterbrachen ihr Gespräch und sahen Richtung Lehrertisch. Severus löste sich aus dem mickrigen Rest der Schülerschar, welche noch nicht zugeteilt war. Sein Gang war kein Gang. Vielmehr schien er zu schweben, so leichtfüßig glitt er über den Boden. Er setzte den Hut auf und nahm Platz. Es dauerte nicht lange, bis der Sprechende Hut sein Urteil verkündete.

"SLYTHERIN!"

"Ich hab's euch doch gesagt", sagte James mit einem sarkastischen Unterton und so Lily gehässig an.

Diese jedoch klatschte nur für Severus, auch wenn es ihr leid tat, dass dieser nicht mit nach Gryffindor kam.

Severus nahm die alte Kopfbedeckung ab und ging hinüber zu den Slytherin, wo er recht stürmisch, aber dennoch distanziert - wie es in diesem Haus üblich war - aufgenommen wurde. Er lies sich neben Lucius fallen.

Nun war es also endgültig besiegelt. Es gab kein Zurück. Wie er es schon vorher gewusst hatte, war er nach Slytherin gekommen. Aber wie war es anders zu erwarten gewesen? Und Lily und Remus waren beide in Gryffindor. Das hieß, dass sie nun erbitterte Feinde waren. Dass Severus seine Maske, die er zu hause gelernt hatte aufzusetzen, nicht mehr ablegen dürfte. Solche Schwachheiten, wie bei der heutigen Zugfahrt - auch wenn sie unbemerkt blieben - durften ihm nicht noch einmal unterlaufen. Die beiden Gryffindor waren zwar nett gewesen, doch Severus wusste, dass das nicht gut gehen würde. Weder seine Eltern noch die anderen Slytherin würde es gut heißen, wenn er sich mit Gryffindor-Schülern einließe.

Mit gemischten Gefühlen sah er zum Gryffindor-Tisch. Ehe er sich's versah, trafen sich die Blicke Remus' und die seinen. Der Brünette lächelte, doch im nächsten Moment wirkte er erschrocken. Severus hatte den eisigsten Blick aufgesetzt, zu welchem er im Moment fähig war. Er wandte seine Aufmerksamkeit Lucius und den anderen zu, unfähig diesem Blick stand zu halten.

Remus war wie vom Donner gerührt - entsetzt, verwirrt. Er starrte ungläubig zu den Slytherins. Hatte er gerade richtig gesehen? Hatte Severus ihn gerade wirklich mit solchen Augen angesehen? Erst hatte es so gewirkt, als hätte der Schwarzhaarige über etwas nachgedacht. Und als er Remus gesehen hatte, da hatte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig verändert. Sein gesamtes Gesicht hatte sich verfinstert. Seine Augen waren eiskalt gewesen und sprühten nur so vor Abscheu und Verachtung. Hatte Remus den Blick in der Eingangshalle schon für kaum steigerbar befunden, so musste er sich nun seinen Irrtum eingestehen.

"Wieso?", murmelte Remus leise, unfähig seinen Blick von Severus abzuwenden. "Weil du jetzt ein Slytherin bist?"

"Was hast du, Remus?", fragte Lily besorgt. "Geht es dir nicht gut?"

Remus schüttelte leicht den Kopf und lächelte Lily an.

"Schon gut. Hab nur nachgedacht. Nicht so wichtig."

Anscheinend wirkte das Lächeln nicht all zu aufgesetzt, da Lily es erwiderte.

Nachdem auch endlich der letzte Schüler seinem Haus zugeteilt wurde, rollte Professor McGonagall den langen Pergamentbogen zusammen und trug Stuhl und Hut nach draußen.

Die Stimmen hoben sich und man begann laut zu schwatzen.

Remus versuchte noch ein paar mal mit Severus Blickkontakt zu suchen, doch das misslang kläglich. Zwar spürte er manchmal ein Augenpaar auf sich ruhen, doch wenn er aufsah, dann unterhielt sich der junge Snape schon wieder mit den anderen Slytherin.

James und Sirius unterhielten sich mit einigen älteren Gryffindors über Quidditch. Der kleine Peter lauschte ihnen gespannt und brachte sich hier und da mit ein, doch so wirklich Ahnung von Quidditch schien er nicht zu haben. Lily sprach mit ein paar Gryffindor-Mädchen. Sie kicherten ab und zu, doch Remus hörte nicht wirklich zu, worüber sie sprachen. Er langweilte sich von Minute zu Minute mehr. Sein Magen knurrte und er fragte sich, ob sie jetzt einfach nur hier sitzen und reden oder ob sie auch noch etwas zu Essen bekommen würden. Langsam wurde ihm unter dem dicken Maulwurfsmantel ziemlich heiß. Er zog ihn aus und legte ihn neben sich auf die Bank. Seine eigene Kleidung war noch klatschnass. Zum Glück war es hier recht warm und so würde er wohl nicht in den Genuss einer Erkältung kommen. Die hätte ihm gerade noch gefällt.

Professor McGonagall kehrte zurück und nahm (aus Remus' Sicht) zur Linken eines alten Zauberers Platz. Remus hatte ihm zuvor keinerlei Beachtung geschenkt, doch nun schlug dieser hochgewachsene, dünne Mann, mit einem langen weißen Bart, ihn regelrecht in den Bann. Hinter einer halbmondförmigen Brille funkelten ihm zwei leuchtend blaue Augen entgegen. Der Zauberer trug eine lange dunkelblaue Robe und Schnallenstiefel mit hohen Haken. Seine Nase - so fand Remus - sah so aus, als wäre mindestens zweimal gebrochen wurden, so krumm war sie.

Der Zauberer erhob sich und lächelte in die Runde. Nach und nach verstummten die Gespräche. Die Schüler widmeten ihm all ihre Aufmerksamkeit. Er breitete seine Arme aus und Remus hätte schwören können, dass sein Lächeln noch breiter wurde.

"Willkommen meine Lieben. Willkommen in Hogwarts! Ich freue mich, dass ihr alle gesund und munter angekommen seid."

Remus sah ihn verwirrt an. Hatte der Zauberer ihm gerade zugezwinkert?

"Dies ist mein erstes Jahr als euer Schulleiter und ich hoffe, dass ihr nicht allzu enttäuscht seid, dass ihr kein frisches Blut bekommen habt."

Einige Schüler lachten.

Das war der Schulleiter von Hogwarts? Remus war erstaunt. Albus Dumbledore hatte er sich ganz anders vorgestellt. Etwas jünger, aber mit weit weniger Ausstrahlung. Doch dieser Dumbledore übertraf bei weitem seine Vorstellungen!

"Ich möchte euch nicht allzu lang in Anspruch nehmen. Ihr habt euch euer Essen redlich verdient. Also versuche ich es kurz zu machen.

Der Wald ist für alle Schüler Tabu. Es sei denn ihr wollt unliebsame Bekanntschaften machen.

Das Zaubern auf den Gängen ist verboten. Nach acht Uhr befinden sich die Erst-, Zweit- und Drittklässler in ihren Gemeinschaftsräumen. Die anderen Jahrgangsstufen kehren bis spätestens zehn Uhr zurück. Nach Einbruch der Dunkelheit sind die Ländereien ebenfalls Tabu.

Aber ich will euch ja nicht nur sagen, was alles verboten ist - sondern euch auch noch positivere Dinge mitteilen.

Die Quidditch-Auswahlen finden in der zweiten Schulwoche statt. Alle Interessenten melden sich bitte bei Madame Hooch. Außerdem haben wir dieses Jahr einen Höhepunkt geplant, der einigen von euch sicher zusagen wird. In diesem Jahr veranstalten wir einen Weihnachtsball."

Sofort brach Getuschel aus.

"Ein Ball?", sagte Lily aufgeregt. "Toll!"

Remus lächelte nur. Einige der anderen Jungen wirkten sehr geknickt. Dieses Event schien also nicht bei allen so besonders gut anzukommen.

"An der Gestaltung des Balls", fuhr Dumbledore fort und schlagartig wurde es wieder ruhig, "werden allerdings auch die Schüler mit beteiligt sein. In euren Gemeinschaftsräumen werden bald einige Zettel zu finden sein, auf denen Näheres zu erfahren ist.

Nun zu guter Letzt möchte ich euch eure neuen Lehrer für die Fächer Verteidigung gegen die Dunklen Künste und Zaubertränke vorstellen. Einen herzlichen Applaus für Professor Redwing."

Eine Frau erhob sich. Sie war schlank. Ihre Haut war sehr blass und ihr Gesicht wurde von langem schwarzen Haar eingerahmt. Sie trug ein schwarzes Kleid, welches an eine Lolita erinnern ließ. Ihre Lippen hatte sie mit einem dezenten Rot geschminkt, was jedoch in ihrem blassen Gesicht hervorstach. Um den Hals trug sie ein Kollier, welches aus mehreren Silberketten bestand. Remus schätzte sie auf maximal fünfundzwanzig Jahre. Hätte er nicht gewusst, dass sie eine Lehrerin ist, hätte er sie wahrscheinlich für noch jünger eingeschätzt, wirkte sie doch sehr jugendlich. Wäre er ihr in der Winkelgasse begegnet hätte er sie auf siebzehn geschätzt. Sie setzte sich.

"Und dann hätten wir noch Professor Novis."

Ein Mann stand auf. Auch er war sehr jung, auch nicht älter als Professor Redwing. Und wie sie hatte auch er rabenschwarzes Haar. Im Licht der Kerzen schimmerte dieses jedoch leicht bläulich. Er trug eine schwarze Hose und einen grünen Overall. Er erinnerte nur schwach an einen Zauberer, eher an einen Muggel. Auch er nahm wieder Platz.

"So, genug der langen Vorrede. Greift zu und füllt eure leeren Mägen!", rief Dumbledore aus.
 

Remus staunte nicht schlecht, als die leeren Platten, welche auf allen vier Haustischen gestanden hatten, plötzlich alle randvoll mit Essen waren. Die Tische waren so überladen, dass sie normalerweise unter dem Gewicht hätten zusammenbrechen müssen. So viele verschiedene Speisen auf einmal hatte er noch nie gesehen: Roastbeef, Brathähnchen, Schweine- und Lammkoteletts, Würstchen, Schinken, Steaks, Fisch, Pell- und Bratkartoffeln, Kartoffelbrei, Pommes, Yorkshire-Pudding, Erbsen, Karotten, Ketchup und noch vieles, vieles mehr.

Ihm lief das Wasser im Munde zusammen. Erst jetzt merkte er, wie groß doch eigentlich sein Hunger gewesen war. Er nahm sich von jeder Platte etwas und begann es gierig hinunter zu schlingen. Sein Magen fühlte sich mit jedem Bissen besser an.

"Dir nimmt keiner was weg", meinte James und grinste breit. "Man könnte meinen, dass du seit Wochen nichts gegessen hast."

"Dud mür leid, aba wänn ich Hunga hab, dann kann ich nichd andas", nuschelte Remus mit vollem Mund. (zu dt.: Tut mir leid, aber wenn ich Hunger hab, dann kann ich nicht anders.)

"Remus, du solltest nicht so schlingen. Das ist ungesund", gab Lily ihm zu denken.

Als er etwas erwidern wollte, verschluckte er sich und begann heftig zu husten. Sirius schenkte ihm etwas Kürbissaft ein und reichte ihm den vergoldeten Kelch. Hastig griff er danach und nahm einige große Schlücke, um den Husten wieder unter Kontrolle zu bringen.

"Ich hab's dir doch gesagt", zeterte Lily. "Aber du hörst ja nicht."

"Die junge Dame hat ganz Recht", sagte eine etwas belegte Stimme. "Zu viel essen ist nicht gut und zu wenig ebenso."

Remus schrak auf. Über Peters Kopf schwebte ein Geist. Er war fast durchsichtig - wie ein Nebelschleier - und trug eine Halskrause.

"Was hast du?", fragte Peter mit seiner piepsenden Stimme. Remus deutete über ihn und als er dem Fingerzeig folgte, wich augenblicklich die gesamte Farbe aus seinem Gesicht. Er schrie erschrocken auf. Auch an anderen Tischen hörte man einige Erstklässler aufschreien, als plötzlich weitere Geister durch die Wände hereinschwebten und über den Tischen kreisten. Die älteren Schüler schienen eher belustigt über die Reaktionen der Jüngeren.

"Wer sind Sie?", fragte James, welcher nicht gerade überrascht wirkte.

Der Geist über Peter - der wie Espenlaub zitterte und jeden Moment von der Bank zu fallen drohte - verneigte sich.

"Gestatten, Sir Nicholas de Mimsy-Porpington."

"Ach, Sie sind der Fast Kopflose Nick?", fragte Sirius, in dessen Augen Neugierde aufblitzte.

"Ich bevorzuge Sir Nicholas", erwiderte der Geist etwas beleidigt.

"Fast Kopflos?", fragte Lily. "Wie geht denn das?"

"Wenn jemand seine Arbeit nicht richtig erledigt. Allerdings werde ich dir den Anblick jetzt ersparen, sonst vergeht dir noch der Appetit."

Er lächelte.

"So wie es aussieht seit ihr recht vielversprechend. Ich hoffe, dass ihr Gryffindor alle Ehre macht und dafür sorgt, dass wir dieses Jahr den Hauspokal gewinnen."

Damit stieg er noch ein - zwei Meter in die Luft - Peter atmete erleichtert auf - und verschwand durch eine Wand.
 

Nach dem Essen lehnte sich Remus zurück. So voll wie er sich fühlte, dachte er, dass er jeden Moment platzen konnte. Sein Magen schmerzte leicht.

"Das war wirklich lecker."

"Lecker ist untertrieben", meinte Sirius, der wohl nicht weniger gegessen hatte.

Dumbledore erhob sich.

"Nun, da ihr alle gesättigt seid, bitte ich die Vertrauensschüler ihre Schüler in die Gemeinschaftsräume zu geleiten. Es ist schon recht spät, also macht keine Umwege und geht am besten gleich ins Bett. Morgen ist immerhin euer erster Schultag und da wollt ihr doch ausgeschlafen sein, oder etwa nicht? Also, ich wünsche euch eine angenehme Nachtruhe."

Die Schüler erhoben sich und verließen die Große Halle. Remus nahm den Mantel Hagrids mit und folgte den anderen Gryffindors. In der Eingangshalle sammelten sich die jeweiligen Häuser und machten sich dann auf den Weg zu ihren Unterkünften. Was Remus verwunderte: bis auf die Slytherins gingen alle in die oberen Etagen. Anscheinend hatten die Slytherin-Schüler ihren Gemeinschaftsraum irgendwo im unteren Teil des Schlosses. Dabei hatte er gedacht, dass jeder Gemeinschaftsraum sich in einem der vier Türme befände. Also einer im Nord-, einer im Süd-, einer im Ost- und einer im Westturm. Aber dem war demnach nicht so. Es war frisch und so zog er sich den dicken Maulwurfsmantel wieder über. Zwar war es nicht das allerschönste Kleidungsstück, aber immerhin hielt es warm.

Die Gryffindors gingen die große Marmortreppe hinauf, als Remus einfiel, dass er ja noch mit Professor Dumbledore in dessen Büro verabredet war. Er blieb auf der Treppe stehen und sich unentschlossen um. Er wusste doch gar nicht, wo sich das Büro des Direktors befand. Wie sollte er ihn dann dort aufsuchen? Und es schien nicht so, als würde ihm jemand den Weg zeigen.

"Remus, wo bleibst du?", fragte Lily, die schon ein ganzes Stück weiter oben war.

"Ich - Geh schon vor. Ich hab noch was zu erledigen", erwiderte er und ging wieder zurück in die Große Halle.

Lily runzelte die Stirn, zuckte jedoch nur mit den Schultern und folgte den anderen Schülern. Sollte Remus doch machen was er wollte. Aber es war sicher nicht klug sich gegen die Anweisungen des Schulleiters zu stellen und doch noch in der Schule herumzustromern.

Remus betrat die Halle. Bis auf Professor McGonagall waren schon alle Lehrer gegangen. Sie kam auf ihn zu und bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick.

"Was tun Sie noch hier, Mr. Lupin?"

"Ich - äh - Professor Dumbledore wollte mich nach dem Essen in seinem Büro sprechen, allerdings weiß ich nicht, wo es sich befindet. Könnten Sie mich vielleicht zu ihm bringen?"

"Sie werden bereits erwartet? - Na schön. Folgen Sie mir."
 

Mit zügigen Schritten verließ sie die Halle. Auch die Treppenstufen ging sie in einem Tempo hinauf, als würde sie weiter geradeaus gehen. Remus hechtete die Treppe regelrecht hinauf.

"Seien Sie vorsichtig. Es gibt einige Trickstufen. Also passen Sie auf."

"Trickstufen?", fragte Remus und da war es auch schon passiert.

Er hatte nicht aufgepasst und war auf eine Stufe getreten, die eigentlich gar keine war. Er blieb mit seinem rechten Fuß stecken, verlor das Gleichgewicht und fiel regelrecht die Treppe hinauf. Mit einem dumpfen Geräusch blieb er auf der Steintreppe liegen.

"Ah", stöhnte er. "Verdammt."

"Mr. Lupin - ich dachte ich hätte Ihnen gesagt, dass Sie ihre Augen aufmachen sollen."

Professor McGonagall kam zu ihm zurück und half ihm wieder auf die Beine. Sie befreite seinen Fuß, welcher zwischen den Treppenstufen feststeckte.

"Jetzt folgen Sie mir", sagte sie noch einmal und ging voraus.

Remus seufzte resignierend und humpelte hinter ihr die Treppe hinauf. Anscheinend hatte er sich den Fuß verstaucht. Doch das war eigentlich nicht der eigentliche Grund für seine Deprimiertheit. Was musste Professor McGonagall denn jetzt von ihm denken? Erst sagt sie, er solle aufpassen und im nächsten Moment ist es auch schon passiert. Zugegeben, man konnte die Stufen nicht unterscheiden, aber er hätte ja auch auf die Schritte der Lehrerin achten können, dann wäre ihm dieses Malheur erspart geblieben. Sicher hielt sie ihn jetzt für einen Tollpatsch oder Tunichtgut. Tunichtgut? He, so schlecht klang das auch wieder nicht. Remus grinste. Ein Tunichtgut zu sein hatte doch etwas. Wieso nicht? Doch er verwarf den Gedanken wieder und seufzte erneut. Weil ein Tunichtgut eben nichts Gutes hervorbringt. Aber er wollte seine Eltern ja nicht enttäuschen und er glaubte kaum, dass ihn - den ordentlichen und hilfsbereiten Remus Lupin - irgendjemand als einen Unruhestifter ansehen würde. Das war eine dumme Idee.
 

Sie waren schon einige Zeit unterwegs und hatten unzählige Gänge und Treppen hinter sich gelassen. In den langen Korridoren war es noch kälter, als in der Eingangshalle. Remus schlang den Maulwurfsmantel fester um sich. Er fragte sich allmählich, wie er zu seinem Gemeinschaftsraum finden solle, vor allem, da er gar nicht wusste, wo sich dieser überhaupt befand.

"Da sind wir", sagte Professor McGonagall plötzlich.

Remus sah sehr überrascht aus. Hier gab es weder eine Tür noch einen Durchgang oder ähnliches, was zum Büro des Schulleiters hätte führen können. Wieso sagte sie dann, dass sie da seien? Und wo waren sie überhaupt? Die Gänge, die sich kreuzten, sahen nicht anders aus, als die Gänge, durch die sie während ihrer nächtlichen Wanderung gegangen waren. Das einzige, was den Korridor anders macht, war der riesige Wasserspeier an der Wand vor ihnen.

"Schokofrösche", sagte Professor McGonagall und Remus fragte sich schon, was das jetzt schon wieder sollte, als die Augen des Wasserspeiers zu glühen begannen.

Er trat zur Seite und legte eine steinerne Treppe frei. Professor McGonagall trat hinein und die Treppe begann sich spiralförmig nach oben zu bewegen. Remus betrat die Stufen ebenfalls und wurde nach oben getragen. Hinter ihm sprang der Wasserspeier wieder an seinen angestammten Platz zurück. Vor einer hochglanzpolierten Eichentür stoppte die Treppe. Die Professorin klopfe mit dem greifenförmigen Bronzeklopfer mehrfach an. Kurz darauf öffnete sich die Tür.

"Kommen Sie", sagte sie zu Remus und trat ein.

Dieser nahm die letzten Stufen und folgte er.

"Wow!", murmelte er, als er in das riesige Büro des Schulleiters eintrat. Auf den Tischen, die hier und da standen, befanden sich merkwürdige silberne Instrumente. Einige davon surrten und stießen Rauchwolken aus, während die anderen nur still dastanden. An den Wänden hingen dutzende von Gemälden. Diese Porträts schienen wohl ehemalige Schulleiter und Schulleiterinnen darzustellen. Die meisten schliefen jedoch und nur wenige bekamen die Neuankömmlinge mit.

"Jetzt stehen Sie hier nicht mit offenem Mund herum, Mr. Lupin", fuhr ihn die Professorin an. "Das ist äußerst unhöflich, finden Sie nicht?"

"Wie?"

Remus hatte gar nicht gemerkt, dass er so gestarrt hatte. Ebenso wenig hatte er den Schulleiter, welcher in einem hohen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch saß, bemerkt. Dumbledore trug bereits ein blaues Nachtgewand mit gelben Sternen darauf, die abwechselnd blinkten. Auf dem Kopf trug er die passende Zipfelmütze, an deren Ende eine kleine Bommel hin- und herbaumelte.

"Oh, Verzeihung. Das tut mir leid", murmelte er etwas beschämt.

Der Direktor lachte.

"Das macht doch nichts. Jetzt setz dich doch bitte."

Er machte eine einladende Geste zu einem der Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Zögerlich folgte Remus der Aufforderung und setzte sich. Der Sessel war sehr bequem und mit einem Mal fiel es dem Jungen recht schwer die Augen offen zu halten.

"Minerva, willst du dich nicht auch setzen?"

Professor McGonagall schüttelte leicht den Kopf.

"Nein Albus. Es wird ja nicht lang dauern, oder?"

"Sicherlich nicht."

Der alte Zauberer lächelte und wandte seine volle Aufmerksamkeit seinem zukünftigen Schüler zu.

"Also Remus. Schön, dass du unsere Verabredung nicht vergessen hast."

Remus nickte nur leicht.

"Sag, wie gefällt es dir bis jetzt hier in Hogwarts?"

"Recht gut, Herr Professor."

"Und wie war deine Anreise?"

"Auch gut, Herr Professor."

Was sollten diese banalen Fragen? Wieso kam der Direktor nicht auf den Punkt? Remus fiel es wirklich schwer wach zu bleiben - es war ja schon fast Mitternacht - und für solche Plaudereien hatte er nun wirklich nicht mehr den Nerv.

"Hast du schon ein paar Bekanntschaften gemacht?"

"Ja, Herr Professor. - Ähm - Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber könnten wir vielleicht auf den Punkt kommen, Herr Professor? Das eigentliche Gesprächsthema war doch ein ganz anderes."

"Schade, ich hätte mich gern etwas mit dir unterhalten. Aber du scheinst nicht sehr geduldig zu sein, wie?"

"Nein, nur müde."

Dumbledore lächelte mild.

"Verstehe. Na dann kommen wir auf den Punkt. Du bist ein Werwolf."

Es war wie ein Schlag in den Magen. Erst dieses Geplänkel und dann kam sofort der Knackpunkt. Remus konnte in diesem Moment nur nicken.

"Das ist ein Problem. Werwölfe können sehr gefährlich werden und das ist ein Grund, wieso der alte Direktor dich nicht aufnehmen wollte."

Wieder nickte der Brünette.

"Aber ich denke, dass es kein Problem gibt, was man nicht bewältigen kann, oder?"

Remus horchte auf. Also hatte der Schulleiter wirklich eine Idee, wie Remus keine Gefahr für andere werden konnte?

"Und wie gedenken Sie dieses Problem zu lösen?"

"Darüber wollte ich eben mit die sprechen. Eigentlich ist das eine ganz einfache Sache."

"Ich verstehe nicht ganz-"

"Wir haben zu Beginn der Sommerferien einen Baum - die sogenannte Peitschender Weide - gepflanzt. Unter ihr befindet sich ein Geheimgang, der zu einem Haus in Hogsmeade führt. Hogsmeade ist in der Nähe von Hogwarts. Auf dem Bahnhof ist der Zug angekommen. Jedenfalls habe ich das Gerücht verbreiten lassen, dass es in diesem Haus spukt. Madame Pomfrey, unsere Krankenschwester, wird dich zu Vollmond zur Peitschenden Weide geleiten und von dort aus wirst du allein weitergehen. In dem Haus kannst du dich dann verwandeln und bist so für niemanden eine Gefahr."

"Und was ist, wenn ich die Gang zurücklaufe? Dann bin ich im Freien. Das Risiko wäre somit sehr groß, dass ich jemanden anfalle."

Dumbledore schüttelte leicht den Kopf.

"Keine Angst mein Junge. Ich habe einen Bannkreis um die Hütte gelegt. Du kommst zwar als Mensch hinein und heraus, aber als Werwolf kannst du das Haus nicht mehr verlassen."

Remus erwiderte nichts. Der Plan schien recht einfach und relativ sicher zu sein. Viel konnte da seiner Meinung nach nicht falsch laufen. Vielleicht würden die sieben Schuljahre ja doch nicht ganz so schwer sein.

"Bist du damit einverstanden?", fragte der Direktor.

"Ja. - Ich denke, dass das klappen müsste. Sagen Sie: wer weiß eigentlich alles, dass ich ein Werwolf bin?"

Und wieder lächelte der alte Zauberer.

"Keine Sorge. Lediglich das Personal weiß davon. Deine Mitschüler wissen nichts. Ob du es ihnen sagst oder nicht, dass ist ganz allein deine Entscheidung. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn du es ihnen nicht sagst."

Er sah den Jungen eindringlich an.

"Ich weiß nicht, ob es gut ginge, wenn die Eltern der Schüler davon erfahren, dass ein Werwolf Hogwarts besucht. Einige würden dies sicher nicht gut heißen und darauf bestehen, dass ich dich wieder von der Schule nehme. Daher würde ich dir raten, dass du es vorerst niemandem verrätst. Auch nicht deinen Freunden."

"Sie haben sicherlich recht, Professor. Wahrscheinlich wäre es wirklich das Beste für alle."

Der Schulleiter nickte zur Bestätigung.

"Remus, in zwei Tagen ist Vollmond. Ich möchte, dass du dich nach dem Abendessen sofort bei Madame Pomfrey einfindest, okay?"

Es war mehr ein Befehl, als eine Frage.

"Ja, das mache ich."

"Gut."

Das sanfte Lächeln kehre auf Dumbledores Gesicht zurück.

"Dann gehst du jetzt am besten schlafen. Schlaf schadet nie."

Remus war noch nicht einmal mehr zu einem Lächeln in der Lage, so müde war er. Die Zugreise hatte ihren Tribut gefordert. Remus fühlte sich ausgelaugt und leer. Am liebsten wäre er sofort in dem bequemen Ledersessel eingeschlafen, doch er quälte sich wieder auf seine Beine.

"Minerva, bringst du ihn noch zum Gemeinschaftsraum? Er schläft ja gleich im Stehen ein."

Professor McGonagall nickte stumm.

"Kommen Sie", sagte sie zu Remus und ging zur Tür.

Remus folgte ihr.

"Gute Nacht Professor Dumbledore", sagte er und ging nach draußen.

"Gute Nacht."

Auch Professor McGonagall verabschiedete sich und schloss die Tür hinter sich.
 

Dumbledore lehnte sich in seinem Sessel zurück und rieb sich die müden Augen. Es war wirklich spät und auch er konnte eine Mütze voll Schlaf gebrauchen.

Plötzlich flatterte eine Eule durch das geöffnete Fenster herein. Dumbledore runzelte die Stirn und nahm ihr den Brief ab. Sofort begann sie mit den Flügeln zu schlagen und flog in die schwarze Nacht hinaus. Der Schulleiter musterte den Brief und sein Gesicht legte sich noch mehr in Falten.
 

Empfänger:
 

Mr. Lupin

Büro des Schulleiters von Hogwarts

Hogwarts - Schule für Hexerei und Zauberei
 

Absender:
 

Mafalda Hopfkirch

Abteilung für unbefugte Zauberei

Zaubereiministerium
 

Was konnte das Ministerium nur von seinem Schützling wollen? Hatte es einen Zwischenfall während der Anreise gegeben?

"Abteilung für unbefugte Zauberei", las er laut.

Er legte den Brief beiseite und stand auf. Das hatte nun auch bis morgen Zeit. Der Junge hatte sich den Schlaf redlich verdient und Dumbledore war ebenfalls zu erschöpft, um sich nochmals auf den Weg zu machen. Der Brief würde schon nicht weglaufen.
 

Eine geraume Zeit lang waren Professor McGonagall und der junge Lupin nun schon unterwegs. Sie hatte, seit sie das Büro verlassen hatten, noch kein einziges Wort gewechselt. Remus sah sich die Gemälde an, an denen sie vorbeikamen. Die Leute in den Bildern schliefen entweder oder beschwerten sich, dass die beiden mitten in der Nacht noch in den Gängen herumschlichen anstatt zu schlafen.

"Professor?"

"Ja?"

"Ist es noch weit?"

"Nein. Wir sind gleich da. Noch den Gang entlang und dann rechts."
 

Nach ungefähr fünf Minuten standen sie vor dem Porträt einer dicken Frau, die ein rosa Kleid trug.

,Das passt überhaupt nicht zu ihr', dachte sich Remus.

Die Frau schlug die Augen auf und musterte die beiden eindringlich.

"Passwort?", fragte sie schließlich.

"Lunatic", antwortete Professor McGonagall und das Bild schwang zur Seite.

Die beiden betraten den Gemeinschaftsraum und wieder geriet Remus ins Schwärmen und Staunen, doch hielt es sich in Grenzen, da er die Müdigkeit nur zu deutlich in seinen Knochen spürte. Überall standen einladende Sessel herum und im Kamin brannte ein schwaches Feuer, das wohl bald erlöschen würde.

"Die Schlafssäle der Jungen befinden sich dort. Sie müssen nur an der Tür nachsehen, welcher Schlafsaal der Ihrige ist. Sie sind mit römischen Ziffern versehen. Suchen Sie nach der Eins. Wenn ich richtig liege, dann müsste er ganz oben sein."

Remus nickte, als Zeichen, dass er verstanden hatte.

"Und vergessen Sie das Passwort nicht, sonst können Sie den Gemeinschaftsraum nicht betreten."

"Ja, Professor. Lunatic, richtig?"

"Exakt."

Sie ging zum Porträtloch zurück - das Bild schwang zur Seite.

"Schlafen Sie gut", sagte sie und verschwand nach draußen.

Ohne etwas zu erwidern ging er zu der Tür, auf welche sie gedeutet hatte und öffnete sie. Dahinter befand sich eine Wendeltreppe, die er müde hinaufstieg. An jeder Tür hielt er inne und las die römische Ziffer - doch keine stand für den Schlafsaal der Erstklässler. Er stellte fest, dass Professor McGonagall recht behalten hatte und er ganz oben angekommen war, stand an der Tür eine große römische Eins. Leise öffnete er die Tür und schlüpfte hinein. Er schloss die Tür wieder und hatte sich gerade umgedreht, als direkt vor ihm jemand im Dunkeln stand. Erschrocken schrie er auf und wich einen Schritt zurück. Mehrere Leute begannen zu lachen.

"Lumos!", rief jemand und der Raum wurde erleuchtet.

Vor Remus stand Sirius, der der ihn gerade so erschreckt hatte. James hielt den leuchtenden Zauberstab. Peter und ein anderer Junge saßen auf ihren Betten. Die vier Jungen grinsten.

"Musst du mich so erschrecken?!", keifte Remus Sirius an.

"Wo warst du denn noch so lange?", fragte er mit einem süffisanten Grinsen.

"Das geht dich gar nichts an!"

Mit einer knappen Handbewegung hatte Sirius seinen Arm um Remus' Schulter gelegt und zog ihn zu sich.

"Versteh schon. Unser kleiner Remus hatte ein Date mit seiner süßen Lily."

"So ein Quatsch!"

Remus' Wangen glühten regelrecht.

"Ah, Volltreffer!"

"Von wegen Volltreffer!"

"Ach, und wo warst du dann?"

"Jedenfalls nicht bei Lily."

Er stieß sich von Sirius weg.

"Jetzt sag schon!", rief Peter und beäugte den Brünetten neugierig.

"Das geht euch alle überhaupt nichts an."

James warf ihm einen leicht angesäuerten und genervten Blick zu.

"He, wir haben uns nur Sorgen um dich gemacht. Mehr nicht. Immerhin hätte dich ein Lehrer erwischen können und dann wärst du noch vor deinem ersten Schultag geflogen."

"Danke für die Blumen", erwiderte Remus recht schroff. "Aber es ist trotzdem ganz allein meine Sache, was ich mache und wo ich mich herumtreibe."

Sirius ging an ihm vorbei und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

"Deshalb brauchst du nicht gleich ausfallend zu werden."

Remus verdrehte genervt die Augen und verkniff sich seinen nächsten Kommentar.

Er knirschte mit den Zähnen: "Ich glaube, ich gehe jetzt lieber schlafen, sonst rutschen mir noch Dinge raus, die recht unangenehme Konsequenzen haben könnten."

Remus ging zu dem Bett, auf welchem seine Sachen lagen. Er öffnete seinen Koffer und holte seinen Pyjama heraus. Anschließend schloss er das Gepäckstück wieder, hievte es von seinem Bett und schob es darunter.

"Gute Nacht", knurrte er mehr, als dass es nett gemeint war und zog die Vorhänge um sein Himmelbett zu.

Dann schlüpfte er in seinen Pyjama und schlüpfte unter die Daunendecke. James löschte das Licht seines Zauberstabes und Remus konnte ihn und Sirius noch reden hören.

"Ganz schön eingebildet", murmelte Sirius. "Und ne ganz schön große Klappe hat er auch."

"Stimmt..."

James dämmte seine Stimme. Zu gern hätte er gewusst, was die beiden noch beredeten, doch er verstand leider kein klares Wort mehr. Etwas verstimmt drehte er sich auf die Seite und lag einige Zeit mit offenen Augen da.

,Na das hat ja alles toll angefangen', dachte er niedergeschlagen und seufzte leise. Nicht nur, dass Severus jetzt in Slytherin war, jetzt verachtete er ihn auch noch und das Einzige, was der Schwarzschopf ihm entgegenbracht, waren eiskalte, hasserfüllte Blicke. Lily hatte er einfach auf der Treppe stehen gelassen, ohne ihr einen gescheiten Grund zu geben. Zudem hatte er sich auch noch mit den anderen - und vor allen Dingen mit Sirius - zerstritten. Das war wirklich ein erfolgreicher erster Tag für ihn gewesen. So viel Mist hatte er innerhalb eines einzigen Tages noch nie verzapft. Das war ein neuer Rekord. Wenn die anderen Tage genau so werden würden, dann konnte seine Schulzeit ja heiter werden. Das Schlimmste hatte er ja noch gar nicht hinter sich. Die Vollmondnächte kamen ja erst noch. Waren sie zu hause schon schlimm gewesen, wie würden sie dann hier werden, wenn er es in einer Woche geschafft hatte, die ganze Schule gegen sich aufzuhetzen? Und gab es da nicht noch ein Übel? Ein Übel, das genau so schrecklich ist, wie die Verwandlungen zu Vollmond? Das Übel mit dem Namen Lucius Malfoy? Was würde sich dieser Slytherin noch alles einfallen lassen, um ihm das Leben schwer zu machen? Remus seufzte. Daran wollte er gar nicht erst denken.

Er schloss die Augen. Aber die nächste Hürde, die es zu nehmen galt, war wohl der erste Unterrichtstag. Noch immer grauste es ihn, wenn er nur daran dachte. Würde er sich sehr dumm anstellen? Wussten die anderen besser - viel besser als er bescheid? Aber es gab ja auch noch die Muggelstämmigen. Waren die in Sachen Magie nicht noch unerfahren? Aber was, wenn sie genau so dachten wie Remus selbst und deshalb schon einiges aus Büchern gelernt hatten? Und wieder musste sich der Brünette zur Ordnung rufen.

,Es bringt nichts dir jetzt einen Kopf darüber zu machen, Remus. Du musst schlafen. Wenn du nicht ausgeschlafen bist, dann läuft sicherlich wieder alles schief. Also schlaf jetzt!'

Er wälzte sich noch einige Zeit unruhig hin und her, doch irgendwann - zwischen zwei und drei Uhr morgens - hatte er es doch geschafft und war endlich eingeschlafen.
 

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1.Akt, Kap.III - Ende

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1.IV.Eichen weichen und Buchen suchen?

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1.Akt, Kapitel IV: Eichen weichen und Buchen suchen?

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Remus erwachte aus seinem Tiefschlaf. Draußen zwitscherten die Vögel munter vor sich hin. Er drehte sich grummelnd herum und versuchte weiterzuschlafen. Doch die Vögel hielten ihn wach. Selbst, als er das Kopfkissen auf seine Ohren presste, hörte er sie immer noch. Frustriert setzte er sich in seinem Bett auf, streckte sich und gab dabei ein lautes Gähnen von sich. Er schlug die Decke zur Seite und kroch aus dem Bett. Als seine nackten Füße den kalten Steinboden berührten, schauderte er.

Noch immer verschlafen und völlig erschlagen, schob er den Vorhang, welcher sein Bett umgab, auf und - stutzte einen Moment.

Der Schlafsaal war vollkommen verwaist. Die anderen waren offensichtlich schon ohne ihn zum Frühstück gegangen. Aber es wunderte ihn auch nicht sonderlich. Das Gespräch letzte Nacht war nicht besonders freundlich ausgefallen und er konnte es ihnen somit nicht verübeln, dass sie ihn ignorierten.

Remus kramte frische Kleidung aus seinem Koffer und schlürfte durch den Schlafsaal, hinüber zum Badezimmer. Er legte die Sachen auf einem kleinen Schrank ab und zog seinen Pyjama aus. Das kühle - eiskalte - Nass, welches aus dem Duschkopf auf ihn herab rieselte, belebte seine Sinne und ein Teil der Müdigkeit verschwand. Er drehte das Wasser wieder ab, stieg aus der Dusche und schlang ein Handtuch um seine Hüften. Mit einem zweiten Handtuch trocknete er sich ab. Während er das tat, betrachtete er sich im Spiegel und seufzte. Sein Gesicht war noch blasser geworden. Ein Zeichen dafür, dass der Vollmond immer näher rückte. Unter seinen Augen waren dunkle Schatten. Sein ganzer Körper fühlte sich schlapp an. Die Müdigkeit und der Schlafmangel waren in diesen Tagen nicht besonders ratsam. Wenn er Pech hatte, dann würde er heute oder morgen noch aus Kräftemangel zusammenbrechen. Er seufzte erneut. Wie er es doch hasste ein Werwolf zu sein.

Remus zog sich frische Sachen an und nachdem er mit dem Zähneputzen, dem Haare kämmen und so weiter fertig war, ging er in den Schlafsaal zurück. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach halb neun. In einer knappen halben Stunde würde der Unterricht beginnen. Er musste sich also beeilen, um noch etwas zu frühstücken.

Das Geräusch von Schritten drang an sein Ohr und kurz darauf ging die Tür. James und die anderen kamen zurück. Remus wollte sie grüßen, doch James, Sirius und der andere Junge ignorierten ihn gekonnt. Lediglich Peter kam zu ihm.

"Hier, soll ich dir von Professor McGonagall aus geben."

Er reichte ihm ein Stück Pergament.

"Und das hier ist von Professor Dumbledore."

Remus bekam einen Brief ausgehändigt.

"Danke Peter", sagte Remus und lächelte, doch dieser erwiderte es noch nicht einmal, sondern ging einfach und ließ ihn stehen.

Remus war etwas gekränkt, doch ließ er es sich nicht anmerken. Er überflog den Zettel und packte schnell die Sachen ein, die er für den heutigen Unterricht benötigte. Er stopfte Stundenplan und Brief - den konnte er auch noch später lesen - in seine Tasche, schnappte sich Hagrids Mantel und machte sich mit schnellen Schritten auf den Weg in die Große Halle, um noch schnell eine Kleinigkeit zu frühstücken.
 

Als Remus den Schlafsaal verlassen hatte, wandte sich Sirius an Peter.

"Sag mal, Peter: was war das für ein Brief, den du Remus gegeben hast?"

Dieser zuckte mit den Schultern.

"Dumbledore hat ihn mir gegeben, aber nichts weiter dazu gesagt. Ich glaub hinten drauf stand irgendwas von Zaubereiministerium."

"Zaubereiministerium?"

Sirius warf James einen fragenden Blick zu. Dieser zuckte, wie schon Peter, mit den Schultern.

"Sein Vater arbeitet dort. Vielleicht hat es was mit ihm zu tun. Hab keinen blassen Schimmer."
 

Remus stieg gerade durch das Porträtloch, als ihm jemand entgegen kam. Er sah auf und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

"Morgen Lily."

"Morgen Remus", erwiderte sie munter und lächelte. Doch das Lächeln währte nicht lange. Sie machte ein besorgtes Gesicht. "Du warst gar nicht zum Frühstück."

"Ich hab verschlafen, ich wollte eigentlich gerade."

"Dann musst du dich aber ganz schön beeilen. Der Unterricht fängt bald an."

"Ja, ich weiß."

"Ach, sag mal: wo warst du gestern eigentlich? Ich hab dich nicht mehr zu Gesicht bekommen."

"Du, Lily, ich hab jetzt wirklich keine Zeit. Vielleicht später."

Mit dieser ausweichenden Antwort stahl er sich an ihr vorbei und setzte seinen Weg fort. Lily sah ihm ziemlich sauer hinterher. Jetzt hatte er sie schon wieder ohne einen vernünftigen Grund stehen lassen. Das konnte doch wohl nicht war sein.

Remus sprintete die Treppen hinunter und hatte Glück nicht auf eine Trickstufe zu treten. Es tat ihm wirklich leid Lily wieder so im Regen stehen gelassen zu haben, aber im Moment ging es nicht anders. Sein Magen hing ihm zu sehr in den Kniekehlen, als dass er noch länger hätte warten können.

Als er durch die Eingangshalle lief, kreuzte der Hüne vom gestrigen Tag seinen Weg. Der Schüler hielt auf ihn zu.

"Äh, guten Morgen", sagte Remus etwas verunsichert.

"Morgen, Kleiner!", erwiderte Hagrid breit grinsend.

Remus reichte ihm den geliehen Mantel.

"Danke, dass Sie ihn mir geborgt haben. Das war wirklich nett von ihnen, Mr. Hargid."

Der Koloss lacht.

"Sei doch nicht so förmlich. Hagrid reicht voll und ganz. Außerdem kannst du mich duzen."

Er grinste etwas schief.

"Vorausgesetzt, du verrätst mir deinen Namen. Oder soll ich dich ,du da' nennen?"

Remus lachte.

"Mein Name ist Remus Lupin. Freut mich Hagrid."

"Lupin?"

Seine Stirn legte sich in Falten, während er den Jüngling eingehend musterte.

"Also bist du der kleine Wer-"

"Psst!"

Remus sah sich hektisch um. Er hatte Glück, dass niemand in der Nähe war.

"Oh, Verzeihung. Stimmt ja. Das ist ja geheim."

"Ja. Und ich wäre auch sehr dankbar, wenn das so bleiben würde."

"Kein Problem. Ich kann schweigen wie ein Grab."

Und wieder lachte Hagrid.

,Das sieht mir nicht danach aus', dachte Remus, während er seinen Gegenüber eingehend unter die Lupe nahm.

"Ich hoffe, du hast dich gestern nicht erkältet. Siehst nämlich ziemlich blass aus."

"Das tu ich jeden Monat."

Hagrid verstand, worauf der Junge anspielte und nickte nur leicht.

"Du solltest dich besser sputen. Sonst verpasst du deine erste Stunde."

Mit einem weiteren breiten Grinsen verabschiedete sich Hagrid und ging weiter. Remus warf einen Blick auf seine Uhr. Er erschrak, als er feststellen musste, dass er sich verquatscht hatte und es bereits kurz nach neun war. Das Frühstück konnte er somit vergessen. Aber eine viel bessere Frage war, wo er eigentlich Unterricht hatte. Auf seinem Stundenplan stand lediglich, dass er jetzt Verwandlung mit Professor McGonagall hatte. Wo genau diese Stunde stattfinden sollte, war jedoch nicht vermerkt. Remus lief die Marmortreppe wieder hinauf. Er ging einfach mal davon aus, dass er nicht nach draußen oder in die Gemäuer unterhalb des Schlosses musste. Am oberen Ende der Treppe angekommen sah er sich um. Zu seiner Rechten befand sich das Treppenhaus, zu seiner Linken ein langer Gang, von dem er nicht wusste, wohin er führt. Vielleicht hatte er ja dort Glück?

Mit schnellen Schritten rannte er den Korridor entlang - das Schicksal war ihm wirklich hold, als er vor einer Tür zum Stehen kam, an der Verwandlung stand. Er klopfte an und trat ein.

"Mr. Lupin - schön, dass Sie sich entschlossen haben, uns Gesellschaft zu leisten", entgegnete ihm die Professorin und die Schüler lachten.

"Entschuldigen Sie, Professor McGonagall. Ich habe verschlafen."

"Mr. Black teilte mir mit, dass Sie ihren Schlafsaal bereits vor ihm verlassen hätten, aber er war vor Ihnen da. Erklären Sie das bitte."

Remus warf Sirius einen scharfen Blick zu.

"Ich wollte eigentlich noch etwas frühstücken", meinte Remus.

Seine Stimme klang ein wenig gereizt.

"Ich habe Sie nicht beim Essen gesehen."

"Ich habe Hagrid seinen Mantel, den er mir gestern freundlicherweise geliehen hat, zurückgegeben und dabei haben wir uns verquatscht."

"Ah, Sie reden also gern, Mr. Lupin. Gut, dann möchte ich doch gern Ihr bisheriges Wissen testen."

Remus stutzte. Testen? Hatte sie gerade wirklich testen gesagt? Aber er kannte sich doch überhaupt nicht auf dem Gebiet der Verwandlung aus. Wie sollte er da etwas wissen? Schweiß rann ihm über die Stirn. Das war das Schlimmste, was ihm hatte passieren können. Das würde eine einzige Blamage werden.

Professor McGonagall räusperte sich.

"Schön. Nennen Sie mir eine Art der Verwandlung."

Remus überlegte fieberhaft. Was konnte man denn alles verwandeln? Es gab so viel.

"Äh, Menschen in Tiere - ? - zum Beispiel?!"

"Und wie nennt sich diese Verwandlung?"

Wieder begann er sich das Hirn zu zermatern, aber ihm wollte es einfach nicht einfallen. Irgendetwas in seinem Kopf stellte sich quer.

Sirius und James kicherten.

"Er hat keine Ahnung", murmelte Sirius und grinste Remus über's ganze Gesicht an.

"Idiot", knurrte Remus leise. Doch da! Es war ihm wieder eingefallen. Sein Vater hatte ihm doch einmal davon erzählt.

"Ich warte, Mr. Lupin."

"Animagi - Das nennt man Animagi."

"Richtig. - Wieso sagen Sie das nicht gleich?"

"Glückstreffer", zischte Sirius, der inzwischen wieder auf dem Boden der Tatsachen war.

"Erklären Sie uns die Animagi genauer."

"Das ist die Kunst sich in ein Tier zu verwandeln. Ein Magier sucht sich ein beliebiges Tier aus, zu welchem er gerne werden möchte. Es gibt also keine Vorschrift, in welches Tier man sich verwandeln darf und in welches nicht. Allerdings ist diese Magie sehr gefährlich. Es dauert mitunter Jahre, bis man sie vollkommen beherrscht. Manche versuchen es sogar vergebens. Da, wie gesagt, die Kunst sich in ein Tier zu verwandeln sehr gefährlich ist, ist jeder einzelne Animagus beim Ministerium registriert. Hat zumindest mein Vater gesagt."

"Ihr Vater arbeitet im Ministerium, wenn ich recht informiert bin."

Remus nickte.

"Gut. - Setzen Sie sich."

Er kam der Aufforderung nach und nahm neben einem Jungen aus Ravenclaw - Ravenclaw und Gryffindor hatten gemeinsam Verwandlung - Platz.

"Eigentlich müsste ich Gryffindor für Ihr Zuspätkommen ein paar Punkte abziehen, aber da Sie mir meine Fragen beantworten konnten, sehe ich darüber hinweg."

Er nickte stumm. Im Moment war er wirklich nicht in der Stimmung etwas zu sagen oder zu tun. Zwar hatte er sich auf seinen ersten Schultag gefreut, doch von dieser Vorfreude war noch nicht einmal ein kleiner Rest übrig geblieben. So hatte er sich das Ganze nun wirklich nicht vorgestellt. Erst verschlief er und dann verriet ihn auch noch Sirius.

Er wandte seinen Kopf nach rechts und erntete einige kritische Blicke von Sirius. Mit einem leisen Grummeln wandte er sich wieder ab. Er konnte das Gesicht des Schwarzhaarigen nun wirklich nicht ertragen. Es machte ihn einfach fix und fertig. Im Moment wollte er einfach nur noch seine Ruhe haben. Selbst die Worte Professor McGonagalls drangen, so sehr er auch versuchte aufmerksam zuzuhören, nicht zu ihm hindurch. Nach einiger Zeit hatte Remus es aufgegeben und starrte nur noch ins Leere.

"Ich hoffe Sie haben mich alle verstanden", sagte die Verwandlungslehrerin und ließ einen prüfenden Blick über ihre Schüler wandern. "Sie haben eine Stunde Zeit. Dann möchte ich Sie mit Ihren Ergebnissen wieder hier sehen. Sie können gern in Gruppen arbeiten. Ich möchte lediglich einige zufriedenstellende Resultate sehen."

Einige Schüler nickten, andere antworteten, dass sie verstanden hatten. Remus sah sich unschlüssig um, als sich seine Kameraden erhoben und mit Feder, Tintenfässchen und Pergament nach draußen begaben.

,Wo wollen die denn alle hin?', fragte er sich etwas verwirrt.

Hatte er gerade etwas Wichtiges verpasst? Es schien so.

"Hast du Lust mit uns zusammen zu arbeiten?"

Remus wandte seinen Kopf, als er registrierte, dass er gemeint war. Hinter ihm standen Lily und Andromeda. Beide sahen ihn erwartungsvoll an.

"Na? Hast du Lust?", fragte Lily erneut - diesmal etwas ungeduldiger.

Noch immer sah er sie verwirrt an.

"Lust wozu?"

Lily stöhnte genervt.

"Mensch, Remus. Du bist heute wirklich nicht ganz bei dir, hm? Hast du nicht zugehört, was Professor McGonagall gesagt hat?"

Ein leichtes Rot schimmerte nun auf den Wangen des Brünetten und er schüttelte verlegen den Kopf. Die Rothaarige seufzte.

"Wir sollen uns etwas draußen umsehen gehen und nach natürlichen Verwandlungen suchen."

"Natürliche Verwandlungen?"

Andromeda nickte.

"Professor McGonagall wollte uns nicht sagen, was sie darunter versteht", fuhr die Schwarzhaarige für ihre Freundin fort. "Wir sollen uns einfach genau umsehen gehen und die Dinge aufschreiben, die wir als Verwandlung ansehen würden."

Remus nickte. Die Aufgabe hatte er soweit verstanden und jetzt war auch klar, wieso die anderen Schüler Schreibsachen mitgenommen hatte.

"Wir können in Gruppen arbeiten", fügte Andromeda hinzu und lächelte. "Also, hast du Lust mit uns zu arbeiten oder nicht?"

Das Gesicht des Gryffindor hellte sich auf und er nickte. Natürlich hatte er Lust. Wie konnte er diese Bitte abschlagen? War sie nicht das erste positive Zeichen an diesem Tag gewesen? Die Mädchen lächelten ebenfalls und zu dritt machten sie sich auf den Weg. Remus freute sich. Lily nahm ihm sein Verhalten vom gestrigen Abend und heuten Morgen also doch nicht übel. Er hatte sich zu viele Sorgen gemacht. Lily hatte sich kein schlechtes Bild von ihm gemacht und das beruhigte ihn ungemein. Hatte er doch angenommen, dass sie ihn genauso fallen lassen würde, wie Severus es bereits getan hatte und das nur deswegen, weil er ein Slytherin geworden war und sich ihre beiden Häuser seit Generationen bis auf's Blut bekämpften.

Sie durchschritten gerade die Eingangshalle, als Andromeda Remus' Gedankengänge unterbrach.

"Entschuldige. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Andromeda Black."

Remus lächelte. Ja, er hatte ihren Namen schon gestern von Severus erfahren, aber richtig vorgestellt hatten sich die beiden noch nicht. Außerdem war es unfair, wenn nur er ihren Namen kannte und sie nicht den seinen.

"Mein Name ist Remus Lupin. Freut mich."

"Freut mich ebenfalls."

Andromeda schenkte ihm ein warmes Lächeln, welches sein Herz fast augenblicklich höher schlagen ließ. Dieses Lächeln übertraf die vorherigen bei Weitem. Er spürte, wie die Röte in ihm aufstieg. Seine Wangen glühten regelrecht, als er dieses wunderschöne Wesen mit einem so atemberaubenden Lächeln vor sich sah. Ihm verschlug es regelrecht die Sprache. Auch Lily lächelte. Allerdings war dies kein warmes Lächeln, wie bei Andromeda. Vielmehr ein wissendes. Sie fand Remus' Reaktion einfach zu eindeutig, um auf etwas anderes zu schließen. Remus löste den Blick von der schwarzhaarigen Schönheit.

, Wieso werde ich rot, wenn sie mich anlächelt?', dachte Remus verwirrt. ,Ob ich mich gestern vielleicht doch erkältet habe?'

Er warf erneut ein Auge auf Andromeda und nickte kaum merklich.

,Ja das wird es wohl sein.'

Die drei Schüler traten ins Freie. Eine leichte Briese schlug ihnen entgegen. Remus lächelte. Für diese Jahreszeit war es noch immer recht war. Man dachte bei diesem herrlichen Wetter nicht wirklich an den nahenden Herbst. Vielmehr schwelgte man noch immer in Sommerträumen. Das gestrige Unwetter hatte sich gänzlich zurückgezogen und keine Spuren zurückgelassen. Auch das Gras hatte die Sonne getrocknet. Der See glitzerte im hellen Sonnenlicht silbrig. Das Wasser erreichte selbst an den tiefsten Stellen nicht annähernd die Farbe schwarzen Pechs, welches es am Tage zuvor aufgewiesen hatte. Der Wind ließ die umstehenden Bäume leise rauschen. Die meisten von ihnen standen noch in ihrer vollen Pracht, bei anderen hatte die Sommersonne die Blätter vollkommen ausgedörrt und wieder andere - wohl die Minderheit, aber nicht mehr sehr lange - hatten ihr Laub fast vollständig abgeworfen.

"Wollen wir uns aufteilen und suchen und uns später wieder treffen?", fragte Lily. "Oder wollen wir gemeinsam suchen?"

"Ich bin für aufteilen", erwiderte Andromeda. "Dann finden wir vielleicht mehr. Was meinst du Remus?"

"Ja, ich glaube, du hast recht", erwiderte er und nickte bestätigend. "Ich würde sagen, dass wir uns in einer dreiviertel Stunden bei der großen Buche am Seeufer treffen. Einverstanden?"

Die Mädchen nickten.

"Einverstanden", gab Lily als Antwort. "Also bis später."

Sie verabschiedeten sich und schlugen unterschiedliche Wege ein. Lily machte sich auf den Weg zu den Gewächshäusern. Andromeda sah sich etwas in der Nähe von Hagrids Hütte um und Remus beschloss sich die Umgebung des Sees vorzunehmen. Die Sonne brannte stark und trieb Remus den Schweiß auf die Stirn. Er bereute es zutiefst seinen schwarzen Umhang angezogen zu haben. Der Gedanke, dass es früh morgens - und halb Zehn war seiner Meinung nach noch nicht all zu spät - Anfang Herbst kühl sein könnte und es daher ratsam wäre nicht all zu dünne Kleidung anzuziehen, hatte sich als äußerst dumm herausgestellt. Aber wer hätte schon ahnen können, dass die Sonne so guter Laune ist und beschlossen hatte den Sommer einfach noch ein paar Tage zu verlängern? Schließlich entschloss sich Remus seinen Umhang auszuziehen. Er benutzte ihn als eine Art Tragetasche und wickelte seine Schreibsachen kurzerhand darin ein. Er knotete das Bündel leicht zusammen, damit nichts herausfallen konnte. Nachdem er seine Krawatte - Wer hatte dieses überflüssige Ding eigentlich der Schuluniform hinzugefügt? Es schnürte einem doch sowieso nur die Luft ab. - gelockert und sein Hemd etwas aufgeknöpft hatte, setzte er seinen Weg gemächlich fort.

Am See konnte er zwei Gestalten ausfindig machen. Ein tiefes Seufzen entrann seiner Kehle. James und Sirius - wie hätte es auch anders sein können? Sirius lehnte an der Buche, an welcher sich Remus mit den Mädchen später treffen wollte, und sah seinem Freund dabei zu, wie dieser kleine flache Steine über die Wasseroberfläche hüpfen ließ.

"Fünf mal. Ich werde immer besser", sagte James und grinste Sirius an.

Als er Remus bemerkte, zogen sich seine Mundwinkel noch etwas weiter nach oben Richtung Ohransatz.

"Ah, Klein-Lupin."

Sirius ließ seinen Blick dorthin wandern, wo auch James hinsah. Remus war stehen geblieben und musterte die beiden. Noch wusste er nicht, ob er mit ihnen reden sollte beziehungsweise wollte und versuchen sollte die anfänglichen Streitigkeiten wieder wettzumachen oder ob er sie einfach ignorieren sollte und weiterging. In letzterem Falle würde es allerdings nicht sehr einfach werden bei den Gryffindors wieder Fuß zu fassen. Sirius und James schienen sehr beliebt zu sein. Das hatten die Beifallsstürme bei der Einweihungszeremonie nur zu deutlich gezeigt. Zudem schliefen sie mit ihm in einem Schlafsaal. Würden sie sich verfeinden, würde das auf jeden Fall über kurz oder lang kein gutes Ende nehmen. Da war es doch ratsamer sich mit ihnen zu versöhnen, oder etwa nicht? Vorausgesetzt, dass sie ebenfalls dazu gewillt waren.

"Bist du ganz allein unterwegs? Wollte keiner mit dir zusammenarbeiten?", fragte James noch immer breit grinsend.

"Ich arbeite nicht allein."

"Und wo ist dann der Rest?"

"Wir haben uns getrennt, da wir so wahrscheinlich mehr Beispiele finden, als wenn wir an einem Ort suchen."

"Wo hast du denn deine Lily gelassen? Hast du sie versetzt? Oder hat sie dir einen Korb gegeben?", warf Sirius ein.

"Weder noch!"

Remus fiel es sichtlich schwer ruhig zu bleiben.

"Also doch Streit?", erwiderte James.

Doch dieser Satz war nicht etwa an Remus gerichtet, vielmehr an Sirius, welcher bestätigend nickte.

"Kein Streit!", rief der Brünette sauer. "Sie ist bei den Gewächshäusern und ich am See. Zufrieden? Wenigstens arbeiten wir im Gegensatz zu euch. Vielleicht solltet ihr nicht einfach nur faul hier herumsitzen sondern etwas für den Unterricht tun."

"Apropos Unterricht. Ich hätte nicht gedacht, dass du den Unterrichtsraum so schnell findest. Hast du nachgefragt?", fragte Sirius in einem spöttisch wirkenden Tonfall.

"Wie meinst du das?"

Remus schien nicht ganz zu verstehen, worauf der Schwarzhaarige hinaus wollte. Dieser holte einen kleinen zerknüllten Zettel aus seiner Hose heraus und glättete ihn leicht. Er ließ ihn los und der leichte Wind blies ihn direkt zu Remus. Dieser schnappte ihn sich reflexartig und sah noch immer verwirrt aus.

"Was ist das?"

Er hatte noch keinen Blick auf das Schreiben geworfen.

"Wer lesen kann ist im Vorteil. Wir haben heute morgen vergessen dir das zu geben. Tut uns wirklich außerordentlich leid. Stimmt's James?"

"Ja, außerordentlich."

Der Ton, in dem sie sprachen, war ein gespielt unterwürfiger Tonfall, der Remus missfiel. Sein Blick wanderte über den Zettel. Er stutzte. Das war der gleiche Stundenplan, den er heute morgen von Peter bekommen hatte, allerdings standen auf diesem die Räume, in welchem die Stunden stattfanden.

"Was soll das?", fragte er noch immer verwirrt.

"Ich glaube auf deinem Plan hat jemand vergessen die Unterrichtsräume draufzuschreiben", meinte Sirius und verkniff sich - wie auch James - das Lachen.

"Das seh ich auch!", bellte Remus. "Und ihr wisst natürlich nicht rein zufällig wer diese winzige, unwichtige, belanglose Kleinigkeit vergessen haben könnte?"

Nun brachen die beiden Schwarzschöpfe endgültig in lautes Gelächter aus. Der Brünette knurrte sie regelrecht wie ein tollwütiger Hund an. Sein Körper verkrampfte sich. Die Wut wallte in ihm auf. Es kostete ihn all seine Kraft, um nicht auf die beiden loszugehen und eine Schlägerei anzufangen, die er - mit größter Wahrscheinlichkeit - wohl verloren hätte. Waren die anderen beiden nicht nur größer als er, waren sie auch körperlich kräftiger. Selbst mit einem von ihnen hätte er es nur schwer aufnehmen können.
 

"Schön, dass ihr euch so köstlich amüsiert. Ich kann darüber zwar nicht lachen, aber bitteschön. Tut euch keinen Zwang an. Die Pointe scheine ich ja wohl verpasst zu haben."

Sirius und James gelang es allmählich ihren Lachkrampf niederzukämpfen und sich langsam zu beruhigen.

"Ich hatte mehr von euch erwartet. Ich wusste nicht, dass ihr noch so kindisch seid und es so witzig findet anderen solch dumme Scherze zu spielen. Wirklich amüsant. Ich weiß, dass ich euch gegenüber gestern Nacht nicht gerade sehr freundlich war, aber es war spät, ich war müde und dieser verfluchte Malfoy hatte meine Nerven sowieso schon überstrapaziert. Und dann kamt ihr mit euren dummen Fragen und Vermutungen. Das hat das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht. Mir ist bewusst, dass ich nicht so schroff hätte sein dürfen."

Er machte eine kleine Pause, um den beiden die Zeit zur Verarbeitung des eben Gesagtem zu geben.

Dann fuhr er fort: "Ich kann, werde und will eure Fragen von gestern nicht beantworten. Das ist ganz allein meine Sache. Denkt euch, was ihr wollt. Wenn ihr unbedingt wollt, dann denkt halt, dass ich mit Lily unterwegs war, aber die anderen Gryffindor-Mädchen können euch sicherlich bestätigen, dass sie entweder im Gemeinschaftsraum oder im Schlafsaal war. Da bin ich mir ziemlich sicher. Denn ich war definitiv nicht mit ihr verabredet. Wenn ihr mir das nächste Mal etwas anhängen wollt, dann geht vorher sicher, dass die Vermutung auch wahr ist beziehungsweise sein könnte. Man überlegt nämlich erst, bevor man etwas sagt. Andersherum könnte das in manchen Fällen zum Genickbruch führen. Ich hoffe ihr versteht, was ich damit sagen will."

Wieder legte er eine provisorische Pause ein. Er wandte sich von ihnen ab, unfähig den Schwarzhaarigen bei seinen nächsten Worten ins Gesicht zu sehen, da er nicht wusste, wie sie reagieren würden.

"Es tut mir wirklich leid wegen gestern."

Er seufzte.

"Das war einfach nicht mein Tag. Ich würde mich freuen, wenn ihr über den gestrigen Abend noch einmal hinwegsehen könntet. Und wenn ihr-"

Er stockte. Es war doch schwerer diese Worte über die Lippen zu bekommen, als er gedacht hatte. Noch einmal atmete er tief ein und dann setzte er erneut an.

"Es würde mich wirklich sehr freuen, wenn ihr mich als euren Freund akzeptieren könntet. Ich würde euch gerne näher kennen lernen. Zwar finde ich, dass ihr ziemlich große Hornochsen seit, aber im Grunde seid ihr ganz in Ordnung. Wenn ihr nicht wollt, fände ich das zwar wirklich bedauernswert, aber ich würde eure Entscheidung respektieren. Ich möchte niemanden zu etwas zwingen, es ist nur..."

Seine Stimme versagte ihm. Seine Gedanken überschlugen sich. Er hätte ihnen gerne mehr gesagt, aber ein Teil von ihm, hieß ihm, es dabei bewenden zu lassen. Schließlich hatte er schon mehr gesagt, als er eigentlich vergehabt hatte.

"Entschuldigt mich", murmelte Remus und bevor James oder Sirius etwas sagen konnten, war er auch schon losgelaufen.

In diesem Moment sagte ihm sein Verstand, er solle rennen, einfach nur von den beiden wegkommen. Wohin war dabei egal. Hauptsache, sie waren nicht mehr in seiner Nähe. Zwar wollte er ihre Antwort so gerne hören, aber etwas in ihm konnte es in diesem Augenblick nicht. Hätten sie sich gegen sein Angebot für einen Neuanfang entschieden, dann hätte er das jetzt nicht verkraftet. Indem er weglief - was eigentlich nur die Schwachen taten und anscheinend schien er zu solchen zu gehören - entging er der Antwort. Zwar wusste er, dass sie kommen würde - er hatte es ja selbst mit seinen Worten heraufbeschworen - aber so blieb ihm wenigstens etwas Zeit sich darauf vorzubereiten.

Nach einigen Minuten - er war ein ganzes Stück am Seeufer entlang gerannt - ließ er sich keuchend ins Gras fallen. Seine Gedanken kreisten noch immer wild in seinem Kopf, doch es wurde langsam besser. Nach und nach beruhigte sich sein Atem wieder und auch seine Gedanken kamen zur Ruhe.

Er starrte in den strahlendblauen Himmel. Das gleißende Sonnenlicht blendete ihn und löste einen stechenden Schmerz in seinen Augen aus. Schnell kniff er sie zusammen und rieb sie sich.

"Ich bin so ein Idiot", murmelte er zu sich selbst.

,Wieso bin ich weggelaufen? Das macht die Sache auch nicht einfacher. Außer das es peinlich war und das sie mich jetzt für völlig durchgeknallt halten, hat mir das auch nicht wirklich was gebracht.'

Er seufzte resignierend. Nun brachte es auch nichts mehr sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er würde einfach alles auf sich zukommen lassen müssen, auch wenn er es hasste machtlos zu sein und Dinge nicht beeinflussen zu können.

Die Sonne kitzelte seine Nase. Er kratzte sie leicht, doch es dauerte nicht lang und sie machte sich wieder bemerkbar. Remus spürte einen kleinen Windhauch in seinem Gesicht. Langsam öffnete er seine Augen und wie schon so oft an diesem Tag stutzte er. Auf seiner Nase saß ein Schmetterling und schlug leicht mit seinen Flügeln. Vorsichtig schloss er seine Hände um das kleine Insekt und setzte sich auf. Langsam öffnete er seine Handflächen und musterte den Falter. Die Flügel des Schmetterlings glitzerten in der Sonne in einem hellen, sanften Gelb - keine weiteren Farben, Formen oder Muster waren zu sehen. Wie nannte sich diese Art noch? Zitronenfalter? Ja, wenn Remus richtig lag, dann war das ein Zitronenfalter.

"Was bist du denn für einer?"

Er lachte.

"Was fällt dir ein mir einfach auf der Nase herumzutanzen? Hm?"

Wieder begann der kleine Schmetterling wild mit seinen Flügeln zu schlagen.

"Ist ja gut, ist ja gut. Ich lass dich ja schon in Ruhe."

Er öffnete seine Handflächen und der Zitrusfalter erhob sich in die Lüfte.

Remus sah ihm nach und konnte sich eines warmen Lächelns nicht verwehren. Der Falter flog der Sonne entgegen, fast wie ein Lichtstrahl, der sich entschieden hatte die Richtung zu ändern und wieder seiner Energiequelle entgegenzufliegen. Ein Gedankenblitz durchzuckte den Gryffindor.

"Verwandlungen! Natürlich!"

Mit einem Schlag war er wieder bei seiner eigentlichen Aufgabe angelangt. Er entknotete seinen Umhang und nahm sich sein Schreibzeug zur Hand. Das Tintenfässchen war schnell entschraubt und kurz darauf kratzte die Feder über das Pergament. Einige Male hielt Remus beim Schreiben inne, während er überlegte, was er noch schreiben könnte. Doch die Blockade hielt meist nicht lange an. Nach einer Viertelstunde hatte er seine Gedanken zu Papier gebracht und legte die Schreibutensilien wieder beiseite.

Es war kurz nach zehn Uhr. Gegen halb Elf hatte er sich mit den Mädchen unter der Buche verabredet. Es blieb ihm also noch genügend Zeit, um sich etwas von der Sonne verwöhnen zu lassen. Vielleicht hatte Remus ja Glück und seine Haut würde sich noch etwas bräunen. Dann sah er immerhin nicht ganz so blass aus. Manche Leute fragten ihn nur zu gern, ob es ihm nicht gut ginge und er sich vielleicht hinlegen wollte. Allerdings gingen ihm diese Fragen ganz schön auf die Nerven. Etwas Farbe konnte ihm demzufolge keineswegs schaden.

Er schmunzelte. Wie musste es eigentlich Severus ergehen? Immerhin war dessen Haut schneeweiß und erinnerte an weißes Wachs. Wenn man den jungen Snape sah, dann konnte man wirklich meinen, man hätte einen lebendigen Toten - oder auch Untoten - vor sich stehen. Ein kalter Schauer jagte über Remus' Rücken. Ja, diese Vorstellung war nur all zu deutlich gewesen. Ihm hätte in dieser Sache wohl auch keiner widersprochen. Immerhin war Severus nicht gerade sehr gesprächig, wie er auf den ersten Blick hatte feststellen müssen. Seine kalte und unangenehme Art sorgte ebenfalls nicht dafür, dass er an der Spitze, der zehn beliebtesten Hogwarts-Schüler stand. Und dennoch. Remus fand diesen verschlossenen Jungen auf irgendeine Art und Weise sehr interessant und anziehend. Schon ihre erste Begegnung hatte in dem jungen Lupin etwas Alarm schlagen lassen. Sollte das eine Warnung gewesen sein? Remus wusste es nicht. Er wusste nur, dass diesen Slytherin eine besondere - mystische, ja geheimnisvolle - Aura umgab, die den Gryffindor in seinen Bann gezogen hatte.

"Bann?", murmelte Remus leise und seufzte.

Hatte er das gerade wirklich gedacht? Das Severus eine so starke Neugierde in ihm selbst weckte, dass er es schon als Bann bezeichnete? Er lächelte. Ja, vielleicht war es ja wirklich so. Eine bessere Beschreibung hatte er für dieses merkwürdige Gefühl im Moment nicht, also wieso nicht Bann? In gewisser Hinsicht traf dieses Wort durchaus zu.
 

Lily und Andromeda schlenderten gemeinsam hinunter zum See.

"Wir sollten uns etwas beeilen. Remus wartet sicher schon", meinte Andromeda und beschleunigte ihren Schritt etwas.

"Ach was. Wir sind zu früh dran. Er ist sicher noch nicht da."

Andromeda grinste.

"Ich glaube da täuschst du dich aber gewaltig."

Sie deutete auf den großen Baum am Ufer. Unter ihm saß Remus im Schatten und sah auf das Wasser hinaus.

"Remus!", rief Andromeda fröhlich.

Der Gerufene drehte sich augenblicklich um und lächelte, als er die beiden Mädchen auf sich zukommen sah.

"Da seid ihr ja."

"Tut mir leid. Musstest du lange auf uns warten?", fragte Lily und ließ sich zusammen mit der Ravenclaw neben dem Brünetten ins Gras sinken.

"Nein, nein. Ich bin erst vor fünf Minuten gekommen."

,Dass ich mich vorher noch gute fünfzehn Minuten in der Sonne geaalt habe, muss ich ihnen ja nicht auf die Nase binden.'

"Habt ihr ein paar Beispiele gefunden?"

"Nicht sehr viele", seufzte Lily.

"Sieht bei mir genauso aus", gab Andromeda zu.

"Macht nichts", entgegnete Remus noch immer lächelnd. "Professor McGonagall hat ja gesagt, dass es nicht schlimm ist, wenn wir nicht all zu viele haben."

Remus holte sein Pergament heraus und die Mädchen taten es ihm gleich.

"Also ich hab das Schlüpfen von Vögeln", meinte Andromeda schlicht. "Die Entwicklung von Ei zu Küken ist doch so etwas Ähnliches wie eine Verwandlung. Und dann hab ich noch das Schlüpfen von Drachen. Also auch Ei zu Drache. Mehr ist mir leider nicht eingefallen."

"Wie kommst du denn ausgerechnet auf einen Drachen?", fragte Lily etwas ungläubig.

Sie dachte wohl, sie hätte sich verhört.

"Naja, eine der älteren Klassen hatte gerade Pflege magischer Geschöpfe und da kamen mir plötzlich Drachen in den Sinn."

"Aber so etwas wie Drache gibt es doch überhaupt nicht. Ich dachte die sind nur erfunden. Meine Mutter meinte, dass das nur ein Fantasiewesen ist."

Remus lachte.

"Logisch glaubt das deine Mutter. Sie ist ja auch ein Muggel. Das Zauberministerium verhindert, dass Muggel etwas von den Tierwesen mitbekommen. Ihnen wird nur vorgegaukelt, dass es Drachen und so weiter nicht gibt. Aber in Wirklichkeit stimmt das gar nicht."

"Das heißt, dass..."

Lily wollte ihren Satz gar nicht beenden. Remus nickte.

"Das heißt, dass es Drachen wirklich gibt."

Der Mund der Rothaarigen stand sperrangelweit offen.

"Also ich finde die Beispiele gar nicht mal so schlecht", meinte der männliche Gryffindor und konnte sich ein leichtes Grinsen in Anbetracht von Lilys Sprachlosigkeit nicht verkneifen.

"Wie steht's mit dir, Lily?", fragte Andromeda, die die Reaktion ihrer Freundin ebenfalls recht amüsant fand.

"Ähm, wie? Ach ja!"

Sie fing sich wieder und glättete das Papier in ihrer Hand.

"Mir ist nicht sehr viel eingefallen. Lediglich Samen, die sich dann zu einer ausgewachsenen Pflanze entwickeln. Tut mir leid. Was anderes ist mir einfach nicht eingefallen."

"Ist doch okay", sagte Andromeda eindringlich. "Das ist doch ein gutes Beispiel."

"Finde ich auch", stimmte Remus ihr zu.

"Na wenn ihr meint."

Lily schien nicht ganz so zuversichtlich zu sein.

"Okay, und jetzt du Remus", sagte Andromeda.

"Ich hab ein Pfeilschema, also wundert euch nicht, dass das abgehackt klingt. Erstens: Froschlaich, Kaulquappe, Jungfrosch, Frosch. Zweitens: Eier, Larve, Puppe, Schmetterling beziehungsweise Biene und so weiter. Also auch Ameisen, Heuschrecken und was noch so alles kreucht und fleucht. Drittens: Laich, Fisch. Viertens: Eier, Spinnen oder Schlangen. Soviel zu Entwicklungen. Dann noch Tarnung und Anpassung an die Umwelt."

"Tarnung und Anpassung?", wiederholte Andromeda etwas verwirrt.

"Meinst du so was wie Chamäleons?", fragte Lily unsicher.

"Ja genau. Das wäre auch mein erstes Beispiel gewesen. Ich finde Tarnung ist auch so etwas wie eine Verwandlung. Viele Tiere wechseln ihre Farbe oder passen ihre Farbe ihrer Umwelt an, um nicht so aufzufallen und das Risiko aufgefressen zu werden gering zu halten. Da wären Chamäleons, Tintenfische, Krebse, Hasen, Füchse, Mäuse, eben alle nur erdenklichen Tiere. Und dann gibt es natürlich noch die Mutationen, die ebenfalls zu einer besseren Anpassung führen können."

"Was sind denn Mutationen?", fragte Andromeda, die nicht wirklich zu wissen schien, wovon Remus da sprach.

"Das stand in einem Muggelbuch, dass ich mal gelesen hab. Als Definition hatten sie so etwas wie zufällige, sprunghafte Veränderungen von Erbanlagen angegeben. Dadurch entstehen veränderte beziehungsweise neue Merkmale. Und darauf wollte ich hinaus. Die Muggel verunreinigen mit ihren Fabriken die Luft ziemlich stark. Die Bäume in den Industriegebieten bekommen daher dunkle Rinden. Sogar Birken und andere Bäume mit hellen Rinden. Durch Mutationen sind zum Beispiel Birkenkäfer mit dunklen Flügeln entstanden. Normale Birkenkäfer sind eigentlich weiß, aber die Dunklen sind in den Industriegebieten besser angepasst. Deshalb würde ich sagen, dass Mutationen auch so etwas wie Verwandlungen sind. Was meint ihr?"

"Hm, vermutlich", murmelte Lily.

Sie lächelte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass man so viele Beispiele finden kann. Remus du bist wirklich einsame Spitze."

"Ach, das ist doch nicht der Rede wert", stammelte er und erneut stieg ihm die Röte ins Gesicht.

"Den anderen ist sicherlich nicht so viel eingefallen. Vielleicht gibt uns Professor McGonagall ja ein paar Hauspunkte."

"Hauspunkte für reine Spekulationen?", fragte Remus stutzend.

"Punkte für sehr gut erfüllte Stundenaufgaben, mein lieber Lupin!", zeterte Lily und lachte.

"Wir sollten uns vielleicht langsam auf den Weg machen. Die Stunde, die uns McGonagall gegeben hat ist gleich rum und wenn wir zu spät kommen, bekommen wir nur unnötigen Ärger", meinte Andromeda, als sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte.

"Zu schade, ich hatte mich doch schon so sehr auf einen netten kleinen Smalltalk mit ihr gefreut", erwiderte Remus, seufzte tief und wirkte extrem unzufrieden mit der Welt.

Die Mädchen mussten über diese sarkastische Bemerkung heftig lachen und auch Remus grinste über das ganze Gesicht. Um jedoch nicht in den Genuss eines Smalltalks, wie es Remus so schön ausdrückte, zu kommen, beschlossen die drei sich nun doch auf den Weg zu machen.
 

Professor McGonagall ließ ihren Blick durch die Bankreihen gleiten.

"Schön, dass Sie alle den Weg zurückgefunden haben. Ich hoffe, Sie haben sich einige Vorstellungen davon gemacht, was man in der Natur als eine Verwandlung ansehen könnte. Und hoffentlich haben Sie sich einige Notizen gemacht. Da die Stunde noch circa zehn Minuten dauert, möchte ich Sie bitten ihre Notizen nochmals sauber abzuschreiben und die Namen der beteiligten Schüler zu vermerken."

Ein Tumult brach los, als sich die Schüler in einzelnen Gruppen zusammenfanden. Remus gesellte sich zu Lily und Andromeda.

"Wer schreibt?", fragte Andromeda.

Lily zuckte mit den Schultern.

"Ich mache es, wenn ihr wollt."

Sie holte ein frisches Blatt Pergamentpapier heraus und tauchte den Federkiel hinein. Links oben schrieb sie ihre Namen. Nach einem etwas größeren Absatz schrieb sie Natürliche Verwandlungen und zog nun die Notizen zu Rate.

"Wie soll ich die Sachen aufschreiben? Alphabetisch oder wer was geschrieben hat? Oder nach Kategorien? Wie ist es euch recht?"

"Nach Kategorie", erwiderten Andromeda und Remus gleichzeitig.

Sie sahen sich beide ein wenig verwirrt an, doch dann mussten sie unweigerlich lachen.
 

"Die verstehen sich ja blendend", murmelte Sirius, während sein Blick auf Remus und den beiden Mädchen verweilte. "Und er will uns weiß machen, dass da nichts läuft. Für wie blöd hält der uns eigentlich? Ich meine, das sieht doch ein Blinder mit 'nem Krückstock. Der Kleine macht sich an zwei gleichzeitig ran."

"Der Kleine weiß halt wie."

James grinste süffisant.

"Das findest du wohl witzig?"

"Ich finde deine Reaktion nur sehr interessant. Mehr nicht."

"Meine was?"

"Du bist auf Remus eifersüchtig."

"Ich bin was?"

"Der große Sirius Black ist E-I-F-E-R-S-Ü-C-H-T-I-G."

"Sag mal, was redest du da für einen Mist? Ich kenne Remus - im übrigen genau wie du - erst seit ein paar Tagen. Auf was soll ich da bitte eifersüchtig sein? Ich meine, er ist fast so ein Zwerg wie Peter und vom Aussehen her wirkt er noch wie ein richtiges Kind."

"Und das ist es eben, was dich wurmt."

"Ich versteh dich immer noch nicht."

"Er sieht zwar noch richtig kindlich aus, aber denken tut er nicht so. Das hast du doch vorhin am See bemerkt, oder? Und wir sind - auch wenn ich es ungern zugebe - das genaue Gegenteil."

"Du meinst, wir sehen nicht mehr ganz so kindlich aus, aber wir benehmen uns kindisch. Hab ich dich da richtig verstanden?"

"Bingo. Du kapierst schnell. Und das ist dein Problem."

"Häh?"

"Naja, Lily findet eben Remus interessanter, weil er zum einen erwachsener wirkt, als andere und zum anderen - und das ist ein gewaltiger Pluspunkt - ist er richtig knuffig."

"Knuffig? Sag mal, James, geht's dir noch ganz gut? Du nennst einen Jungen knuffig?"

Sirius fasste sich an die Stirn und anschließend legte er seine zweite Hand auf die seines Freundes.

"Hm, Fieber scheinst du ja nicht zu haben."

"Ach, hör auf!"

Er schlug die Hand von seiner Stirn.

"Du weißt genau was ich meine. Mädchen stehen nun mal auf Sachen, die zum knuddeln und drücken und lieb haben und was weiß ich sonst noch für Abarten anregen. Und Remus fällt nun mal in die Kategorie."

"Und das heißt, dass sie Remus uns deshalb vorzieht, weil er eben so ein Allzweckgegenstand, den jedes Mädchen gern haben möchte, ist und wir das nicht sind. Ja?"

"Genau, das heißt es."

"Und da er bei ihnen so gut ankommt und ein gewisser Herr Potter nicht, wälzt du deine Gefühle auf mich ab und behauptest, dass ich eifersüchtig auf ihn sei, obwohl du das ja eigentlich bist. Stimmt das so weit?"

"Ja, das ist vollkommen... - Wie bitte?! Ich bin nicht eifersüchtig."

Sirius grinste breit.

"Nein, natürlich nicht. Wie komme ich nur auf so dumme Gedanken."

"Na warte! Für dumm verkaufen, kann ich mich auch alleine!"

"Stimmt! Da widerspreche ich dir in keinster Weise."

"WAS?!"

James hatte sich auf Sirius gestürzt und diesen so vom Stuhl geworfen. Während sie sich auf dem Boden - freundschaftlich, aber heftig - rauften, beäugten die anderen Mitschüler sie nur neugierig.

"Wie kindisch", meinte Lily und stempelte diese Angelegenheit damit als erledigt ab. "Meinen die das ist witzig? Solche Wichtigtuer."

Remus lächelte, als er die beiden dort unten auf dem Boden streiten sah. Die Szene gefiel ihm, auch wenn Lily diese als Wichtigtuerei abstempelte. Er wusste genau, dass darin nicht die Absicht der Jungs lag. Nein, die beiden stritten sich rein freundschaftlich, auch wenn sich das in Lilys Ohren nicht gerade sehr logisch anhören würde.

"Wieso müssen sich Jungs eigentlich immer streiten?", hörte er die Rothaarige Andromeda fragen.

Wenn sie genau hingesehen hätte, dann hätte sie den Unterschied zwischen einer ernsthaften und einer spaßigen Rauferei schnell herausgefunden. Wenn die Sache ernst war, dann würden die beiden wohl kaum dabei grinsen und lachen.

"Mr. Potter, Mr. Black, hören Sie sofort mit diesem Unsinn auf. Wenn Sie sich unbedingt streiten wollen, dann warten Sie bis nach der Stunde oder gehen Sie nach draußen. Andernfalls benehmen Sie sich jetzt", warnte die Professorin die beiden, während sie leicht gereizt auf sie hinabsah.

Sofort sprangen die beiden auf.

"Tut uns leid Professor McGonagall", antworteten sie synchron.

Die Lehrerin nickte und ging zum Pult zurück. Die beiden Schwarzhaarigen grinsten sich an und unterdrückten den Drang zu lachen.

Remus wandte sich wieder Andromeda und Lily zu. Die Gryffindor war noch immer damit beschäftigt die Notizen abzuschreiben, während sie sich leise meckernd über James und Sirius ausließ.

"Wieso sind manche Jungs eigentlich solche Idioten? Ist das vererbt?"

"Wer weiß? Schon möglich", kicherte Andromeda.

"Wieso sind Jungs eigentlich so unreif? Wieso benehmen sie sich so kindisch? Ich frage mich manchmal wirklich, wie aus ihnen verantwortungsbewusste Menschen werden. Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit."

"Danke vielmals", grummelte Remus.

"Entschuldige Remus. Das hab ich nicht so gemeint. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber wenn ich mir James und Sirius ansehe, dann frage ich mich wirklich, was aus denen später mal werden soll."

"Du hast ja eine ganz schön schlechte Meinung von ihnen."

"Ja und? Stimmt doch! Wie sie sich gestern aufgeführt haben, als Severus noch bei uns war. Ich meine in der Eingangshalle. Du weißt schon. Sie haben ihn beleidigt und heruntergeputzt. Das war wirklich nicht fair. Ich meine, sie kennen ihn doch gar nicht. Sie haben ihn einfach verurteilt, ohne ihm eine Chance auf eine Verteidigung zu geben."

"Lily, ich weiß, was du meinst, aber du siehst sie in einem ganz falschen Licht. Wirklich. Sie-"

"In einem ganz falschen Licht? So wie die sich aufführen? Ich weiß nicht, was es da falsch zu sehen gibt."

Remus konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

"Du bist wirklich witzig Lily."

"Wieso? Was habe ich dann so lustiges gesagt?"

"Du widersprichst dir selbst, meine Liebe."

"Was?"

Sie warf Andromeda einen fragenden Blick zu, doch diese zuckte nur leicht mit den Schultern. Anscheinend schien sie ebenfalls nicht zu verstehen, auf was genau Remus anspielte.

"Du sagst, dass James und Sirius Severus verurteilen und ihm keine Gelegenheit lassen, ihnen zu zeigen wie er wirklich ist."

"Ja und? Das stimmt doch. Was hast du daran auszusetzen?"

"An dieser Aussage habe ich im Grunde nichts auszusetzen, da sie eine Tatsache ist."

"Und was stimmt dann nicht?"

"Dass ausgerechnet du, die die Meinung vertritt, dass man allen zunächst eine Chance geben sollte - was ich persönlich für eine sehr lobenswerte Eigenschaft halte - im gleichen Atemzug, während du das sagst, genau das Gegenteil deiner Ansicht zeigst."

"Ich kann dir nicht folgen."

"So wie die beiden Vorurteile gegen Severus haben, hast du Vorurteile gegen sie. Du kennst sie genau so wenig wie die beiden Severus. Also hast du, wenn du von deiner Meinung nicht abrückst, nicht das Recht die beiden so zu bevormunden. Das ist falsch. Du hast bis jetzt nur eine Seite von ihnen gesehen und der wahre Grunde wegen der gestrigen Auseinandersetzung ist dir anscheinend entgangen. Ich kenne die beiden zwar auch nicht sehr viel länger, als du - und ich kann deine Ansicht verstehen - aber du darfst trotzdem nicht so dumm sein und so vorschnell bewerten. Das gestern war wirklich nur gut gemeint."

"Severus fertig zu machen war also gut gemeint. Soso. Du vertrittst ebenfalls einen interessanten Standpunkt. Nur weil Severus jetzt in Slytherin ist, meinst du, dass es besser und einfacher ist sich mit den beiden zusammen zu tun und Severus abzuschieben, ja? Es könnte ja zu schwierig werden als ein Gryffindor mit einem Slytherin befreundet zu sein, nur weil es diesen uralten Zwist zwischen den Häusern gibt."

"Sie können gehen", warf McGonagall in Lilys Vortrag ein. "Bitte legen Sie Ihre Ausarbeitungen hier vorn auf meinen Tisch."

Lily stand wütend auf.

"Du bist mir wirklich ein toller Freund, Remus Lupin! Ich hatte dich bis gerade eben für einen netten Jungen gehalten, mit dem man sich vernünftig unterhalten kann. Aber wie es aussieht bist du ein noch viel größeres Ekel, als James und Sirius. Ab heute sind wir geschiedene Leute. Ich will nichts mehr von einem Verräter wie dir wissen!"

Mit ungezügeltem Temperament schnappte sie sich ihre Tasche und stürmte aus dem Raum heraus.

"Lily!", rief Andromeda und warf Remus einen unsicheren Blick zu. "Tut mir leid."

Sie nahm ihre Sachen und folgte der Rothaarigen. Remus seufzte und packte seine Sachen zusammen. Er warf einen Blick auf ihre gemeinsame Ausarbeitung. Lily hatte sie fertigbekommen. Er lächelte. Ihre Handschrift war wirklich schön. War sie weder Blockschriftartig und steif, noch zu verschnörkelt und zu ausladend. Er nahm das Schriftstück und brachte es Professor McGonagall. Mit langsamen Schritten verließ er als Letzter das Zimmer und ging den Flur entlang.

Das hatte er ja wieder einmal gut gemacht. Jetzt hatte er sich auch noch mit Lily zerstritten. Und so einfach würde sie ihm wohl nicht verzeihen können. Sie hatte einen wirklich starken, fesselnden Charakter, der Remus beeindruckte. Dennoch war das in diesem Moment genau der Knackpunkt. So einfach würde sie ihm seine Worte nicht verzeihen. Wieder seufzte er. Aber sie hatte ihn ja auch vollkommen missverstanden. Er dachte keinesfalls so, wie sie es ihm an den Kopf geworfen hatte. Zeit zur Rechtfertigung hatte sie ihm jedoch nicht gegeben. Ein bitteres Lächeln machte sich auf seinen Zügen breit. Ja, Menschen waren eine verzwickte Sache, konnten sie doch nur schwarz-weiß sehen. So entging ihnen das Grau. Bei anderen konnten sie es vielleicht feststellen - wenn auch nur schwer - doch bei sich selbst konnte kaum jemand das eigene Grau sehen. Lily sah nur ihr Weiß. Remus hatte ihr Schwarz und ihr Grau gesehen. Lily hatte bei ihm zunächst ebenfalls nur das Weiß gesehen, doch im Endeffekt war sie an seinem Schwarz hängen geblieben und hatte sich darin verbissen. An einem Grau war sie nicht interessiert gewesen, war das Schwarz doch viel einfacher zu finden gewesen. Remus lächelte noch bitterer. Was stellte er hier für dumme Vergleiche an? Schwarz, Weiß und Grau. Das war wirklich kindisch. Er hatte mit Lily verspielt und das würde sich in naher Zukunft auch nicht mehr ändern, also wieso zog er solche dummen Vergleiche. Diese Sinnbilder konnten ihm schließlich auch nicht helfen.
 

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1.Akt, Kap.IV - Ende

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1.V.Fliegen und andere Probleme

Hallo.^^

Da bin ich mal wieder. *seufz* Tolle Begrüßung, egal... Eigentlich hatte ich diesen Teil für morgen oder übermorgen angesetzt, aber ich fand, dass der erste Oktober auch ein schönes Datum ist.^^ Ich hab noch genau die gleichen Probleme wie letzten Monat. Immer noch keine Zeit. Es hat mich echt erstaunt, dass der Monat schon wieder vorbei ist. Ich habe nicht wirklich viel an meiner Fic geschrieben. Vielleicht ne Seite, wenn überhaupt. Daher muss ich euch wegen des sechsten Teils "Vollmond" (jaja, wird aber etwas anders als die anderen Teile...^^') ein wenig vertrösten. Diesmal muss ich euch leider zwei Monate warten lassen. Sonst komm ich mit dem Schreiben nicht hinterher. Naja, ich hab bald Herbstferien, vielleicht komm ich dann dazu. Glaub aber nicht, da wir feiern wollten.^^''' Schaut einfach zu Halloween (31.10.) mal vorbei. Wenn noch kein neuer Teil da ist, dann wirklich erst am 03. - 05.12.. Tut mir wirklich ganz dolle leid. Dafür wird der 6.Teil länger.^^
 

Eure Kazu
 

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1.Akt: Kapitel V: Fliegen und andere Probleme

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Die Sonne war weiter am Horizont nach oben geklettert und näherte sich nach und nach dem Zenit. Es war elf Uhr morgens. In einer Stunde wurde in der Großen Halle zu Mittag gegessen.

Remus war auf dem Weg zum Innenhof, wo der Flugunterricht stattfinden sollte. In Gedanken war er jedoch schon voll und ganz beim Essen. Sein Magen rebellierte schon, da er bis jetzt noch nichts gegessen hatte. Er träumte von den verschiedensten Leckereien.

Als er die Besen sah, die auf der Wiese bereitlagen, hob sich seine Stimmung ein wenig. Er war der letzte Gryffindor, der ankam - jedoch schien es nicht so, als wären sie schon komplett. Dazu waren es zu viele Besen. Als er sich nach den Fehlenden umsah, entdeckte er auch schon eine Horde Slytherin, die auf sie zukamen. Als sie an den Gryffindor-Schülern vorbeigingen, ernteten diese nur spottende und angewiderte Blicke. Da Severus der Letzte war, machte Remus den Versuch mit ihm zu sprechen.

"Hallo Severus."

"Ich spreche nicht mit minderwertigen Gryffindors."

Der Schwarzhaarige ging weiter und ließ einen recht perplexen Remus zurück. Das schrille Pfeifen einer Trillerpfeife ertönte und verursachte ein unangenehmes Klingeln in Remus' Ohren. Eine relativ kleine Frau kam auf die Schülerschar zu. Ihr Haar war weiß-blond und stand ihr vom Kopf ab - fast so, als hätte sie in eine Steckdose gegriffen, nur gab es diese nicht im Schloss. Sie hatte die Augen eines Adlers. Ihre Erscheinung hatte etwas bedrohliches an sich.

"Guten Morgen meine Lieben. Mein Name ist Madame Hooch. Bevor wir mit dem Unterricht beginnen möchte ich alle Namen durchgehen."

Sie zog ein Schriftstück aus ihrem Umhang und begann auf Vollständigkeit zu prüfen. Nach jedem Namen sah sie kurz auf und schien sich auf diese Weise Name und Gesicht zu merken. Auch Remus versuchte sich die Namen der Schüler zu merken, die er noch nicht kannte. Hatte Professor McGonagall zwar schon heute morgen im Unterricht die Namen verlesen, war er jedoch noch nicht da gewesen. So erfuhr er unter anderem endlich wie der fünfte Gryffindor aus seinem Schlafsaal hieß: Davy Gudgeon. Merkwürdiger Name. Den hatte er noch nicht gehört. Ob seine Eltern Muggel waren?

"-pin, Mr. Lupin!"

"Ah, hier!", rief Remus schnell und sah auf.

Madame Hooch fixierte ihn mit ihren Augen. Sie wirkte zornig. Ein kalter Schauer lief über den Rücken des Schülers.

"Hören Sie auf vor sich hinzuträumen, Mr. Lupin! Wenn wir zur Praxis übergehen, dann fallen Sie noch vom Besen."

Ein gehässiges Lachen ging durch die Reihen der Slytherin.

"Ja, Madame Hooch. Kommt nicht wieder vor", er sah peinlich berührt zum Boden.

,Das kann ja noch heiter werden', dachte er niedergeschlagen und seufzte. Dabei hatte er sich doch so sehr auf die erste Flugstunde gefreut. Am Tag zuvor, bevor er mit seinen Eltern nach King's Cross gefahren ist, konnte er an nichts anderes denken. Seine Eltern hatten ihm versprochen ihm in den nächsten Sommerferien einen eigenen Besen zu kaufen, vorausgesetzt seine Noten im Flugunterricht waren dementsprechend gut. Da Remus ein guter Flieger war, würde dies wohl nicht so schwierig werden. Aber wenn es jetzt schon so begann? Ihre Lehrerin war sichtlich empört darüber, dass er ihr nicht zuhörte und vor sich hinträumte, was allerdings nicht seine Absicht gewesen war. Hoffentlich dachte sich nicht allzu schlecht von ihm. Remus seufzte erneut. Er tat es schon wieder! Er zerbrach sich schon wieder den Kopf über banale Dinge. Madame Hooch war bereits zur Einführung in den Unterricht übergegangen und er konnte sich schon wieder nicht konzentrieren. Woran lag das? Lag es daran, dass morgen Vollmond war? Er nickte kaum merklich. Ja, das war sicherlich der Grund. Zu Vollmond wurde er immer etwas unruhig und verlor ab und zu die Konzentration. Dass es in den letzten Tagen so schlimm war, lag wohl daran, dass er so viel um die Ohren gehabt hatte. Seit langem wieder einmal ein Besuch in der Winkelgasse, er hatte Cassandra geschenkt bekommen, hatte unliebsame Bekanntschaft mit Lucius Malfoy gemacht und James, Sirius, Lily, Severus und Andromeda kennen gelernt, sich jedoch mit ihnen allen - bei Andromeda war er sich nicht sicher - zerstritten. Seine aller erste Fahrt mit dem Hogwarts-Express hatte er hinter sich, kurz darauf war er in den See gefallen, das erste Mal hatte er Hogwarts - das Schloss, diese wunderschöne Burg, welche über dem riesigen See thront - gesehen. Das Festessen war herrlich gewesen, er hatte den Direktor kennen gelernt - mit ihm gesprochen - war zu spät zur ersten Unterrichtsstunde gekommen, hatte noch immer nichts im Magen - ihm war schon ganz schlecht vor Hunger - und hatte es geschafft sich unzählige Male zu blamieren.

"Mr. Lupin!!!"

Madame Hooch sah ihn noch wütender an, als zuvor. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und tappte unruhig mit ihrem rechten Fuß immer und immer wieder auf den Boden. Remus schreckte aus seinen Gedanken. Das Lachen des anderen Hauses drang erneut an sein Ohr. Während er gegrübelt hatte, hatten sich die Schüler in zwei Reihen - eine links und eine rechts von ihm, sich gegenseitig ansehend - aufgestellt. Nur er stand noch immer wie angewurzelt da.

"Fünf Punkte Abzug für Gryffindor für Ihre Tagträumereien. Wenn Sie sich nicht augenblicklich den letzten Besen nehmen, dann wir Ihr Haus bald keine Punkte mehr haben!"

Während die Schadenfreude der Slytherins zunahm, protestierten die Gryffindors. Sie bedachten Remus, der sich zu ihnen gesellte, mit finsteren Blicken. Der Brünette schluckte.

,Au weia. Die sind richtig sauer...'

"Wo wir das jetzt geklärt haben-" Madame Hooch machte eine Pause und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf Remus "können Sie uns doch sicherlich sagen, was ich Ihren Mitschülern gerade mitgeteilt habe."

"Nein...", murmelte der Angesprochene leise und senkte den Kopf.

"Wie bitte? Ich habe Sie nicht ganz verstanden."

Er hob seinen Blick wieder.

"Ich habe nein gesagt. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie gerade selbst gesagt haben, da ich nicht zugehört habe."

"Ich habe die grundlegenden Dinge, die beim Fliegen zu beachten sind, angesprochen. Sie sollten sich auf den Unterricht konzentrieren. Private Dinge gehören nicht hierher. Haben Sie verstanden?"

"Ja", knirschte er.

"Schön."

Madame Hooch wendete sich wieder an die Klasse.

"Wir fangen mit einfachen Dingen an. Halten Sie zunächst Ihre rechte Hand - wenn Sie Linkshänder sind links neben den Besen und linke Hand ausstrecken - über den Besen und rufen Sie ,Hoch!'"

Ein "Hoch!" ging durch die Reihen und klang bei jedem neuen Versuch gereizter, da der Besen nur auf dem Boden zappelte. Lediglich bei vier Schülern klappte es auf Anhieb. Schon beim ersten "Hoch!" hielten Sirius, Remus, James und Severus die Besen in der Hand.

"Cool", sagte James und grinste Sirius an, welcher das Grinsen erwiderte.

Remus lächelte nur milde und bei Severus zeigte sich keine einzige Gefühlsregung. Bei ihm war es jedoch kein Wunder. Wie der Gryffindor es einschätzte, sparte der Schwarzhaarige mit Gefühlen. Seit sie hier waren, war er nur noch kalt und abweisend. Ob das an den Slytherins lag? Noch eine Frage, die Remus auf der Seele brannte und so schnell wie möglich beantwortet werden wollte.

Nach einiger Zeit hatten es schließlich alle Schüler geschafft.

"Gut. Nun probieren wir zu schweben. Wer es sich zutraut kann auch eine kleine Runde fliegen, aber passt auf! Ich will nicht, dass Madame Pomfrey sich bei mir beschwert, dass sie so viel zu tun hat. Also nach dem Pfiff stoßt ihr euch ab. Verstanden?"

Einige Schüler nickten.

"Eins, zwei, drei..."

Ein schrilles Pfeifen ertönte. Remus stieß sich leicht ab und schwebte knapp über dem Erdboden. Er sah sich um, wie die anderen sich anstellten. Die meisten hatten keine Probleme bei dieser Übung.

"Das sieht doch schon ganz gut aus", lobte die Lehrerin. "Gut, jetzt fliegt eine kleine Runde, wenn ihr es euch zutraut."

Der Großteil schwebte knapp einen Meter über dem Erdboden und das im Schneckentempo. Sirius und James stiegen, in einem etwas schnelleren Tempo nach oben, drehten eine Ehrenrunde und kamen - fröhlich lachend - wieder herunter. Sie ernteten einen leichten Beifall. Remus lächelte. Ja, für den ersten Versuch war das gar nicht schlecht gewesen. Er überlegte, ob er es ihnen gleichtun solle, entschied sich aber dagegen. Heute war er schon genug aufgefallen. Noch mehr Aufmerksamkeit, ob nun im positiven oder negativen Sinne, brauchte er nicht. Er legte sich längs auf seinen Besen und verschränkte die Arme, auf die er seinen Kopf bettete. Er beobachtete die anderen noch ein Stückchen. Nach und nach getraute sich einer nach dem anderen - wie die beiden Gryffindor - eine Runde in größerer Höhe zu fliegen. Remus döste noch immer vor sich hin, als ein aschblonder Slytherin neben ihm schwebte. Remus schätzte, dass er ungefähr so groß wie James war, vielleicht etwas kleiner. Wie hieß er noch? Avery? Ja, Taylor Avery. Was wollte er?

"Na, Lupin? Angst vorm Fliegen? Bist wohl nicht schwindelfrei, was?"

Remus seufzte. Gut, Avery schlug also nach Lucius. Ob alle Slytherins so streitlustig waren? Als der Blondschopf keine Antwort erhielt, grinste er nur breit und fuhr fort.

"Ich hab also recht. Ich wusste doch, dass Gryffindors Feiglinge sind."

"Ich bin nicht feige!", knurrte Remus und setzte sich wieder richtig auf seinen Besen.

"Dann beweis es! Flieg drei Runden um den Hof. So schnell du kannst."

"Wieso sollte ich?"

"Du hast also doch Angst."

"Na schön. Wie du willst. Ich flieg die mickrigen drei Runden."

Remus war nun wirklich sauer. Was erlaubte sich dieser Slytherin ihn einen Angsthasen zu schimpfen?! Sicher, der Mutigste war er weiß Gott nicht, aber das war unter seinem Niveau! Er flog eine kleine Proberunde, um sich etwas mit dem Besen vertraut zu machen.

"Nicht so lahm! Höher!", rief Avery und auch einige andere aus seinem Hause.

Alle Augen richteten sich auf ihn.

"Remus, das ist gefährlich", murmelte Lily und starrte zu ihm hinauf.

Der Brünette beschleunigte das Tempo und umrundete den Hof drei mal. Mit jeder Runde schraubte er sich etwas weiter nach oben. Nach der dritten Runde verlangsamte er das Tempo wieder. Nun konnte er über die Mauer hinaus blicken. Vor ihm erstreckten sich die Ländereien Hogwarts. In einer anderen Richtung glitzerte ihm der See geheimnisvoll lockend an. Am liebsten wäre er sofort hingeflogen und hätte ein kleines Bad zur Abkühlung genommen, doch im Moment war noch Unterricht. Vielleicht hatte er in der Mittagspause etwas Zeit.

Er wollte gerade zum Sinkflug ansetzen, als sein Besen sich weigerte. Remus war verwirrt. Bis jetzt hatte noch kein Besen bei ihm gestreikt. Er lehnte sich mit seinem gesamten Gewicht nach vorn, um das Stück Holz zum Sinken zu bewegen, doch nichts geschah. Plötzlich begann das Fluggerät wie wild zu schlingern und zu bocken. Der Gryffindor hatte alle Mühe sich festzuhalten.

"Verdammt! Was soll denn das?!"
 

Unter ihm waren einige entsetzte Schreie zu hören. Wildes Getuschel stieg zu ihm auf.

"Mr. Lupin! Kommen Sie runter!", rief Madame Hooch, welche recht besorgt klang. "Mr. Lupin!"
 

"Das würde ich ja gern!"

Remus klammerte sich so fest er nur konnte an den Holzstiel.

"Aber er will nicht!"

Der Besen stieg im Senkrechtflug nach oben, bis er so hoch wie der höchste Turm Hogwarts' war, drehte eine schnelle Rund und flog steil nach unten. Als er auf Höhe der Mauer war, stoppte er abrupt und begann erneut zu bocken und versuchte noch immer Remus abzuwerfen. Dieser hielt sich so gut er nur konnte fest, doch als der Besen auf einmal im Zickzack flog - und dabei wie ein Hase Haken schlug - rutschte er herunter. Erneut ertönten Schrei unter ihm.
 

"Remus!", rief Sirius erschrocken und starrte nach oben.

"Wir müssen etwas unternehmen!", sagte James hastig.

"Was sollen wir denn machen?! Der Besen ist vollkommen außer Kontrolle! Wenn wir da hochfliegen, dann schmeißt uns das Teil auch noch runter!"

"Aber..."

James wusste nicht, was er darauf noch sagen sollte. Sirius hasste es tatenlos zuzusehen, aber im Moment konnten sie wirklich nichts tun. Sie mussten wohl darauf warten, dass Remus sich nicht mehr halten konnte und mussten ihn dann auffangen. Etwas anderes blieb ihnen im Moment nicht übrig. Auch Madame Hooch war ratlos. Zwar hielt sie ihren Zauberstab bereits in der Hand, doch da das Fluggerät nicht still hielt, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit Remus treffen, wenn sie es mit einem Zauberspruch versuchte.
 

Remus' Hände wurden immer schwitziger. Lange würde er sich nicht mehr halten können. Die Versuche, sich erneut auf den Besen zu schwingen, misslangen alle kläglich.

"Was soll ich denn nur machen?!"

Er sah sich hastig um und suchte krampfhaft nach einer Idee. Plötzlich fielen ihm einige Gestalten auf, die sich vor den Gewächshäusern befanden. Und er wusste sofort, um welche Klassen es sich handelte. Es waren die Hufflepuffs und Slytherins des diesjährigen siebten Jahrgangs. Die Häuserzugehörigkeit erkannte er an der Kleidung und die Jahrgangsstufe? Nun, das beruhte wohl auf der Tatsache, dass sich Lucius Malfoy unter ihnen befand. Dieser jedoch schien nicht sehr interessiert, was Professor Sprout - eine etwas dickliche, pausbäckige Frau, die ausschließlich grün, braun und gelb trug, wodurch sie an eine riesige Sonnenblume erinnerte - ihnen mitteilte. Er und zwei andere Slytherin, die aussahen wie lebende Kleiderschränke, so breit und groß waren sie, sahen zu ihm auf. Sie lachten bei seinem Anblick. Remus fiel auf, dass Lucius seinen Zauberstab schwenkte, was den anderen jedoch nicht auffiel, und dazu noch etwas flüsterte.

"Oh, dieser...! Er schon wieder! Ich hätte es wissen müssen!", knurrte Remus.

Er klammerte sich mit all seiner Kraft, die er aufbringen konnte, an dem Besen fest. Mit der rechten Hand zog er seinen Zauberstab aus seinem Umhang. Er visierte den älteren Schüler so gut es bei diesem Schwanken ging an und rief: "Wingardium Leviosa!"

Dem Platinblonden entwich ein überraschter Schrei. Die zwei Muskelpakete neben ihm versuchten ihn festzuhalten, doch erreichten sie ihn nicht mehr. Auch die anderen Schüler Professor Sprouts wandten ihre Aufmerksamkeit auf ihn und Remus. Dessen Besen schwebte nun wieder friedlich in der Luft, was dem Brünetten die Möglichkeit gab sich wieder nach oben zu schwingen, ohne dabei jedoch Lucius aus den Augen zu lassen. Dieser war nun auf gleicher Höhe wie er.

"Was soll das, du missratenes Balg?! Lass mich auf der Stelle runter!"

"Ach ja?! Wer hat denn damit angefangen?! Du hast doch meinen Besen verhext, oder irre ich da?"

Der Slytherin lächelte kühl.

"Was kann ich dafür, wenn du mir vor meinen Zauberstab läufst?"

"Sei vorsichtig was du sagst, Malfoy", erwiderte Remus bissig. "Es geht ziemlich steil nach unten."

Einen Moment schwiegen sie sich an und Lucius schien zu erwägen, ob er dieser Drohung Beachtung schenken sollte, oder nicht. Er lächelte erneut, diesmal belustigt.

"Jetzt hab ich aber Angst. Fiffy ist ja schon ganz sauer."

Er lachte höhnisch.

"Du glaubst doch selbst nicht, dass du den Mut dazu hättest. Hunde die bellen beißen nicht, stimmt's Fiffy?"

"DAS REICHT!"

Remus verlor endgültig die Beherrschung. Er schwang seinen Zauberstab wild in der Luft und Lucius wurde in eben die Richtung geschleudert, in der sich der Stab bewegte. Gerade, als er einen Zauberspruch sprechen wollte, um diesem Spiel ein Ende zu machen, wurde er ruckartig steil nach oben gerissen, wobei ihm der Zauberstab aus den Händen glitt und Richtung Erdboden fiel.
 

"Mr. Lupin! Hören Sie sofort auf damit!", schrie Madame Hooch aufgebracht. "Kommen Sie sofort runter!"

"Remus dreht durch", murmelte James leise.

"Das heißt, dass du ihn niemals sauer auf dich machen solltest", schlussfolgerte Sirius.

"Außer du willst etwas Achterbahn fahren."

Die beiden grinsten sich an. Mitleid hatten sie mit Lucius nicht. Immerhin war er ein Slytherin - und dazu noch einer der übelsten Sorte. Also wieso sollten sie Remus diesen Spaß nicht gönnen? Der Anblick, den Lucius bot, war wirklich eine Seltenheit und sie würden wahrscheinlich nicht noch einmal in diesen Genuss kommen. Der sonst so gepflegte und adrett aussehende Malfoy war vollkommen zerzaust. Er hatte inzwischen eine Hand vor den Mund geschlagen und die andere hielt seinen Bauch. Die Augen hatte er zugekniffen und sein Gesicht war blass, fast schneeweiß, nur schimmerte noch ein Hauch von Grün mit. Würde Remus sein Spielchen mit ihm noch einige Zeit länger treiben, dann würde ihn die Übelkeit früher oder später übermannen.

Auch Professor Sprout und ihre Schülerinnen und Schüler hatten sich zu den Erstklässlern gesellt. Das empörte Getuschel wurde immer lauter.

"Mr. Lupin! Wenn Sie nicht sofort runterkommen, dann wird ihr Haus am Schuljahresende noch immer keinen einzigen Hauspunkt haben!", schrie Madame Hooch, die schon ganz rot vor Zorn war.

Remus reagierte nicht. Seine Wut auf Lucius war größer, als diese alberne Drohung. Wahrscheinlich würden ihn die anderen Gryffindor-Schüler dafür meucheln, doch das war es ihm wert. Wann würde sich schon erneut so eine gute Gelegenheit darbieten, um dieser falschen Schlange seine Missetaten heimzuzahlen? So schnell sicherlich nicht! Genugtuung breitete sich in Remus aus und ein sarkastisches Grinsen umspielte seine Lippen, dass auch einem Lucius Malfoy - sofern er die Augen geöffnet hätte - das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen.

"Hören Sie sofort mit diesem Unfug auf oder ich verweise Sie wegen Missachtung der Autorität und Anwendung von Brutalität und Magie gegenüber einem anderen Mitschüler der Schule!", drohte Madame Hooch.

Dies ließ Remus nun doch nicht kalt. Er hielt mitten in seiner Bewegung inne. Sie wollte ihn der Schule verweisen?! Nur weil er es diesem Slytherin mit gleichen Mittel heimzahlte?

"Ich warte!"

Madame Hooch hatte die Arme vor dem Brustkorb verschränkt und tappte unruhig mit ihrem Fuß auf den Boden auf. Remus knirschte mit den Zähnen folgte jedoch ihrer Anweisung. Langsam sank er mit dem Besen nach unten - Lucius schwebte neben ihm her - und seine Füße berührten kurz darauf den Boden. Trotzig schwenkte er seinen Zauberstab, wodurch sich der Zauber aufhob und der Blondschopf ziemlich unsanft auf dem Rasen landete. Eine der Blacks - Andromedas älteste Schwester - löste sich aus den Reihen der Slytherins und lief zu ihm. Sanft strich sie ihm über den Rücken und murmelte etwas von "Das wird schon wieder." Remus bedachte sie mit einem abwertenden Blick. Er musste zugeben, dass sie schön war, doch was sie an so einem Ekel wie diesem fand, das verstand er nicht.

Die beiden Lehrerinnen kamen auf den jungen Gryffindor zu. Beide wirkten sie äußerst gereizt, wobei die Professorin für Kräuterkunde die Ruhigere von beiden war.

"Was haben Sie sich dabei gedacht?", zischte Madame Hooch.

Hatte sie damit gerechnet, dass ihr Schüler bei diesem Ton wie eine verängstigte Kirchenmaus zusammenzuckte, dann hatte sie sich geirrt. Remus blieb vollkommen unbeeindruckt - vielmehr sah er sie trotziger denn je an. Noch immer brodelte die Wut in seinem Inneren und würde so schnell auch nicht abkühlen.

"Was haben Sie sich dabei gedacht, habe ich gefragt!", wiederholte sie eine Spur gereizter. "Was fällt Ihnen ein einen anderen Schüler zu verzaubern?!"

"Er hat angefangen!", protestierte Remus, blieb jedoch noch immer ruhig. "Er hat meinen Besen verzaubert, sodass er nicht mehr-"

Sie schnitt ihm das Wort ab: "Hören Sie auf so dreist zu lügen. Wenn Sie nicht fliegen können, dann schieben Sie Ihre Unfähigkeit nicht auf andere!"

"Das tue ich doch gar nicht!", schrie nun Remus seinerseits, unfähig sich weiter zu beherrschen.

"So einen Ton verbitte ich mir!"

"Aber das, was Sie sagen stimmt so nicht! Malfoy hat wirklich-"

"Seien Sie still! Ich will mir Ihre Ammenmärchen nicht länger anhören! Zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor für Ihr schändliches Benehmen!"

Ein Stöhnen ging durch die Reihen der Gryffindors und Remus spürte regelrecht ihre hasserfüllten Blicke.

"Sie werden heute Abend in mein Büro kommen und sich Ihre Strafe anhören. Punkt Zwanzig Uhr, haben Sie mich verstanden?!"

Remus biss sich auf die Unterlippe, um sich einen ausfallenden Kommentar zu verkneifen. Stattdessen wandte er sich - den Besen wütend auf den Boden werfend - zornig um und stürmte ins Schloss.

"Bleiben Sie auf der Stelle stehen!", rief Madame Hooch erzürnt, doch er hörte nicht.

Er ignorierte sie, wollte nur noch weg von alledem. In seinem Inneren nahm die Wut erneut die Kontrolle. Ihm platzte fast der Kragen. Einfach nur weg. Weg, sonst geschah noch etwas schlimmeres. Sonst vergaß er sich.
 

Es war kurz nach Zwölf. In der Großen Halle hatten sich die Schüler und das Lehrerkollegium zum Mittagessen eingefunden. Das Besteck klapperte über die Teller. Die Stimmung war an jedem Haustisch gut. Man unterhielt sich über die letzten Ferien, über die ersten Unterrichtsstunden des neuen Schuljahres und tauschte anderweitig Informationen aus.

Gegen halb Eins betrat Remus die Halle. Einige Augenpaare ruhten auf ihm, die meisten wandten sich jedoch uninteressiert wieder ab. Langsam schritt er ganz außen zwischen Wand und einer Bankreihe des Gryffindor-Tisches entlang. Der einzig freie Platz war der neben Peter, also ließ er sich dort nieder. Er nahm Messer und Gabel schweigend zur Hand und kurz darauf erschien das Essen, welches genau so herrlich war, wie das am vergangenen Abend. Nichtsdestotrotz begann er recht lustlos darin herumzustochern und ab und zu einen Happen zu essen. Sirius und James, die ihm gegenübersaßen, musterten ihn neugierig. Da der Brünette nach mehreren Minuten des Schweigens noch immer nichts gesagt hatte, entschloss sich Sirius die Initiative zu ergreifen.

"Wir haben schon gedacht, dass du gar nicht mehr kommst."

"Hm..."

"Weißt du, dass Gryffindor dank dir nur noch 10 Punkte hat?"

"Hm..."

Konnte er nicht etwas sinnvolleres als "Hm..." sagen? Sirius bezweifelte es stark.

"Das mit Malfoy war wirklich der Hammer. Als du dann auch noch abgehauen bist, da ist Hooch vollkommen durchgedreht. Sie wollte dir am liebsten den Hals umdrehen, hat sie gesagt und gemeint, dass das noch Konsequenzen hat. War wirklich cool. Du hast sie an den Rand der Verzweiflung gebracht, stimmt's James?"

Der Angesprochene lachte laut auf.

"Ja, stimmt. Ihr Gesicht hätte eine Tomate in Erstaunen versetzt und ihre Augen. Wenn Blicke töten könnten, dann wären wir jetzt schon alle tot. Das war der Hammer!"

"Hm..."

Sirius stöhnte genervt auf.

"Sag mal, kannst du auch noch was anderes als ,hm' sagen?!"

"Hm..."

"Hallo! Erde an Mars, Erde an Mars. Bitte kommen!"

Sirius fuchtelte wild vor Remus' Augen herum. Nach ein paar Sekunden blinzelte dieser und sah auf.

"Hast du was gesagt?", fragte er leise.

Sirius ließ sich zurück auf die Bank sinken.

"Sag mal, was ist mit dir los? Angst vor der Strafe, die dir die Hooch gibt?"

Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. Ob er damit hoffte Remus aufzumuntern?

"Hm..."

Am Nebentisch tuschelten einige Schüler und sahen Remus ab und zu verstohlen an.

"Das hat er wirklich?" "Mit Malfoy?" "Die Hooch? Echt?!"

Remus legte sein Besteck auf den Teller.

"Entschuldigt mich. Ich hab keinen Hunger..."

Er stand auf und verließ die Halle mit schleichenden Schritten. Wieder sah ihm eine Hand voll Schüler nach und das Getuschel verstärkte sich etwas.
 

In den Nachmittagsstunden war von dem jungen Lupin keine Spur zu sehen. Auf die Frage hin wo er sei zuckten die Gryffindors nur mit den Schultern. Auch beim Abendbrot ließ er sich nicht blicken. Allmählich machten sich Sirius und James, auch wenn sie es nie im Leben zugeben würden, Sorgen um ihn.

Gegen halb Acht kletterten sie durch das Porträtloch und betraten den Gemeinschaftsraum. Dieser war vollkommen verwaist, da die anderen noch beim Essen waren. Vollkommen verwaist? Nein, nicht ganz. In einem Sessel in der Ecke, etwas abseits der anderen, saß Remus zusammengekauert und starrte ins Leere. Sie gingen auf ihn zu - vorsichtig und langsam. Als er ihre Gegenwart spürte, sah Remus auf.

"Hallo...", begrüßte er sie matt.

Die beiden Schwarzschöpfe sahen sich kurz an, nickten sich zu und ließen sich in zwei weitere Sessel fallen.

"Wo warst du denn den ganzen Tag?", fragte James besorgt.

"Hier."

"Die ganze Zeit?"

Das konnte James nicht glauben. Der Kleine hatte sich den ganzen Tag im verlassenen Gemeinschaftsraum aufgehalten und nur vor sich hingestarrt? Mutterseelenallein?

"Wieso bist du nicht zum Unterricht gekommen?"

Auf diese Frage hin zuckte Remus mit den Schultern.

"Weiß nicht. Keine Lust..."

Sirius zog die Stirn kraus.

"Sag mal, irgendwas hast du doch. Was ist mit dir los?"

Remus schüttelte leicht den Kopf.

"Das ist mein Problem und ich will nicht drüber reden. Also hört auf mich andauernd mit Fragen zu löchern. Und eure Aufheiterungsversuche könnt ihr euch auch sparen. Damit helft ihr mir kein Stück. Außerdem seid ihr nicht meine Freunde, also weiß ich nicht, was euch meine Probleme angehen."

Der Braunhaarige erhob sich.

"Gute Nacht."

Er wandte sich zum Gehen um und kurze Zeit später war er durch die Tür, welche zu den Schlafsälen führte, verschwunden. Die zwei Gryffindors starrten noch einige Zeit, sich gegenseitig anschweigend, zu besagter Tür, bis sie schließlich ihre Blicke abwandten. James war sauer.

"Was fällt diesem eingebildeten Knirps ein so mit uns zu reden. Dabei wollten wir ihm nur helfen."

Nun war es an Sirius mit dem Kopf zu schütteln.

"Ich glaube kaum, dass das etwas mit Arroganz zu tun hat, James."

"Und womit dann? Er hält sich für etwas besseres. Hast du nicht gehört? ,Ihr nicht meine Freunde, also weiß ich nicht, was euch meine Probleme angehen!' Wenn das nicht eingebildet ist?!"

"James!", bluffte ihn sein Freund sauer an.

James zuckte bei diesem Tonfall kaum merklich zusammen. Sirius' Blick war eiskalt, doch James hielt ihm stand.

"WAS?!", fragte er trotzig.

Sirius' Blick wurde weicher, fast mitleidig.

"Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich glaube nicht, dass ausgerechnet Remus eingebildet ist. Hast du schon vergessen was er uns heute morgen am See gesagt hat?"

James antwortete nicht, schien dafür immer kleiner zu werden.

"Er hat sich bei uns entschuldigt - entschuldigt für so ein paar lächerliche Kleinigkeiten, wie die vom Vorabend. Würde jemand, der über alle Maßen eingebildet ist, das tun? Na, was meinst du? Sag die Wahrheit."

"Nein, würde er wohl nicht - denke ich..."

Sirius nickte zufrieden. Zwar war James genauso stur wie er selbst, dennoch zeigte er sich einsichtig.

"Vielleicht mag er ja etwas eingebildet sein, aber das ist ja wohl jeder. Wir sind da keine Ausnahme. Wenn ich ehrlich bin - und wenn du ehrlich bist - dann muss ich mir eingestehen, dass wir in Sachen Arroganz ziemlich weit vorn stehen."

James sah so aus, als wolle er etwas erwidern, besann sich jedoch eines besseren. Sirius hatte ja recht. Das musste er sich leider Gottes ebenfalls eingestehen.

"Am See hat er uns gefragt, ob wir seine Freunde werden wollen", fuhr Sirius fort.

"Er hat uns als Hornochsen bezeichnet!", warf James wütend ein.

Sirius sah ihn erneut finster an.

"Wir halten ihn für eingebildet. Also jedem das seine."

"Aber-"

"Wenn er uns gefragt hat, ob wir seine Freunde werden wollen", schnitt Sirius ihm das Wort ab, "wieso glaubst du, hat er dann gerade eben gesagt, dass wir nicht seine Freunde sind?"

James schwieg eine Weile und überlegte ernsthaft. Nach einiger Zeit sah er auf.

"Weil wir ihm seine Frage noch nicht beantwortet haben", sagte er langsam. "Wir haben ihm noch nicht geantwortet, aber so getan, als wären wir die besten Freunde. Das war das dümmste, das wir tun konnten. Im Unterricht ignorieren wir ihn vollkommen und beim Essen und hier im Gemeinschaftsraum reißen wir Witze und mischen uns in seine Angelegenheiten ein. Wir müssen ihn damit ziemlich verletzt haben, stimmt's Sirius?"

James sah fragend auf und in den dunklen Augen des anderen fand er Bestätigung. James fuhr sich resignierend seufzend durch die Haare und brachte sie damit in ein noch größeres Chaos.

"Verdammt. Wie konnten wir so blöd sein? Wir sollten uns bei ihm entschuldigen."

"Nein."

"Was?"

James sah seinen Freund verwirrt an.

"Was meinst du mit ,nein'?"

"Es ist besser, wenn wir ihn für eine gewisse Zeit in Ruhe lassen. Wir machen es sonst nur noch fiel schlimmer."

"Ich verstehe nicht..."

"Er hat Probleme. Das sieht ein Blinder mit 'nem Krückstock. Wenn wir uns ungefragt da einmischen - und das würden wir tun, da er gesagt hat, dass sie uns nichts angingen - dann würde er sich uns gegenüber noch mehr verschließen."

"Da hast du wohl leider recht", murmelte James.

Das Porträtloch ging auf und einige Schüler kamen vom Essen. James ließ seinen Blick zur Uhr wandern. Es war kurz nach Acht. Er runzelte die Stirn.

"Sollte Remus nicht um Acht bei Madame Hooch sein?"

Nun sah auch Sirius zur Uhr.

"Ja, sollte er..."

Er schüttelte mit dem Kopf.

"Aber ich glaube es ist besser, wenn er nicht geht."

James nickte nur bestätigend.
 

Der Abend ging langsam dem Ende zu. Gegen Elf Uhr begaben sich Sirius und James nach oben in ihren Schlafsaal. Die anderen drei Gryffindors schliefen schon tief und fest, wobei Peter nicht zu überhören war. Leise machten sie sich für die Nacht zurecht und gingen ebenfalls schlafen.
 

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1.Akt, Kap.V - Ende

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1.VI.Vollmond

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1.Akt: Kapitel VI: Vollmond

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Am nächsten Morgen waren Sirius und James schon recht früh wach. Sie nutzten die Zeit um eine Partie Zauberschach zu spielen, da sie sich nicht dazu in der Lage sahen noch einmal ein Auge zuzutun. Dafür stand die Sonne schon fiel zu hoch. Es dauerte nicht lang bis auch Peter und Davy aus ihrem Tiefschlaf erwachten. Lediglich Remus schien keinerlei Anstalten zu machen es ihnen gleich zu tun. Anscheinend fand er die Traumwelt wesentlich interessanter, als die Realität.

"Wenn wir ihn nicht wecken, dann verpasst er wieder das Frühstück", sagte Davy und gähnte herzhaft.

Wie es aussah, würde es bei ihm noch eine gewisse Zeit dauern bis er vollständig bei sich war. Seine Augen hatte er nur bis zur Hälfte geöffnet und als aufrechten Gang konnte man Davys Art der Fortbewegung nun auch nicht recht bezeichnen.

"Wir sollten ihn lieber schlafen lassen", meinte Sirius. "Wir können ihm ja etwas mitbringen."

Eigentlich wollte Davy etwas einwenden, immerhin war er ja kein Butler, beließ es jedoch bei einem leichten Kopfnicken. Ohne weitere Einwände machten sich die vier Jungen auf den Weg nach unten.

"Sagt mal, wieso seid ihr eigentlich plötzlich so nett zu ihm? Wenn ich bedenke, dass er euch gleich am ersten Tag so angefahren hat...", gab Davy zu bedenken, während er die Tür hinter sich zuzog.
 

In der Großen Halle herrschte bereits reges Treiben. Die Schüler schwatzten vergnügt und selbst am Tisch der Slytherins schien die Stimmung fabelhaft zu sein. Gerade als sich die vier Gryffindor-Schüler gesetzt hatten, trat eine recht finster dreinblickende Madame Hooch zu ihnen an den Tisch.

"Guten Morgen, Madame Hooch", begrüßten sie sie freundlich, um sie etwas gütiger zu stimmen.

Eine höfliche Begrüßungsfloskel hatte noch nie jemandem geschadet und wenn man sich die Lehrerin so betrachtete, dann war mit ihr im Moment nicht gerade gut Kirschen essen. Aber wieso sah sie eigentlich so wütend aus? Die vier Jungs konnten sich an nichts erinnern, weswegen sie ihnen schlecht gesinnt sein konnte. Und was wollte sie eigentlich von ihnen?

"Guten Morgen, meine Herren", erwiderte sie recht zerknirscht. "Wie ich sehe sind Sie nicht vollzählig. Wo haben Sie Mr. Lupin gelassen?"

Ach daher wehte der Wind also. Sie war wegen Remus so aufgebracht. Dieser sollte sie ja eigentlich am gestrigen Abend in ihrem Büro aufsuchen. Allerdings war er nach dem Gespräch mit James und Sirius, wenn man das ein Gespräch nennen konnte, sofort in den Schlafsaal gegangen und hatte ihn nicht mehr verlassen. Als die beiden ebenfalls nach oben gegangen waren, hatte er schon tief und fest geschlafen und im Moment hatte sich an dieser Situation noch nicht sehr viel geändert.

"Remus schläft noch", antwortete Sirius rasch, bevor die anderen etwas falsches sagen konnten. "Ihm ging es gestern nicht besonders gut und hat daher den Rest des Tages im Gemeinschaftsraum und im Schlafsaal verbracht. Er ist auch sehr bald zu Bett gegangen. Wann war das noch mal, James?"

"Gegen halb Acht, glaube ich", erwiderte dieser.

"Ja, genau! Als wir vom Essen gekommen sind. Er war noch im Gemeinschaftsraum. Da ihm nicht gut war, ist er schlafen gegangen. Eigentlich wollte er noch zu Ihnen gehen, aber wir haben ihn ins Bett geschickt. Er sah wirklich nicht gut aus. Bitte sehen Sie ihm das nach. Eigentlich war es nicht seine Schuld, dass er gestern Abend nicht mehr bei Ihnen aufgetaucht ist."

"Das stimmt!", meinte James, seinem Freund beipflichtend. "Die Schuld dafür, dass er nicht gekommen ist, tragen ganz allein wir. Geben Sie uns eine Strafe, wenn Sie wollen, aber Remus kann wirklich nichts dafür."

Madame Hooch seufzte tief.

"Nein, schon gut."

Ihr Blick wurde etwas milder.

"Ich wollte nur den Grund für seine Abwesenheit wissen. Sie haben ganz richtig gehandelt, als Sie ihn ins Bett geschickt haben. Sagen Sie ihm, dass er zu mir kommen soll, wenn es ihm wieder besser geht. Sollte sich sein Zustand allerdings verschlechtern, dann bringen Sie ihn bitte auf die Krankenstation."

"Selbstverständlich", riefen James und Sirius wie aus einem Mund.

Sie nickte und wandte sich zum gehen um. Sirius musterte sie kurz und wunderte sich leicht. Es war merkwürdig. Seit er und James ihr gesagt hatten, dass es Remus nicht gut ginge, hatte sie so einen seltsamen Ausdruck im Gesicht gehabt. Das Unbehagen bei diesen Worten hatte man ihr nur allzu deutlich angesehen, allerdings auch eine seltsame Art des Wissens. Ob sie etwas wusste, was die jungen Gryffindors nicht wussten? In Bezug auf Remus? Sirius machte die Frage noch eine ganze Weile zu schaffen.
 

Nach dem Frühstück kehrten die vier in den Gryffindorturm zurück. Als sie den Schlafsaal betraten, mussten sie feststellen, dass Remus noch immer tief und fest schlief. Sie stellten das Essen, welches sie dem Schlafenden mitgebracht hatten, auf den Tisch, an dem Sirius und James am Morgen Zauberschach gespielt hatten. Sirius trat näher an das Bett und betrachtete Remus von oben herab. Er hatte sich fest in seine Decke gehüllt. Sein Gesicht war kreidebleich und leichter Schweiß stand auf seiner Stirn. Sirius legte eine Hand auf die Stirn Remus', die andere auf seine eigene. Fieber hatte der Brünette keines, dafür war sein Körper, trotz dessen er sich in die dicke Daunendecke gekuschelt hatte, recht kühl.

"Und?", fragte James, der nun ebenfalls an das Bett trat.

"Ich glaube er ist krank. Aber nur leicht. Kein Grund ihn auf die Krankenstation zu bringen. Am besten lassen wir ihn weiterschlafen und sehen in der Mittagspause nach ihm."

"Ja, das halte ich auch für das beste."

"Wir sollten jetzt gehen", sagte Peter, der gerade seine Schulsachen für den heutigen Unterricht in seiner Tasche verstaute. "Professor Redwing sagte doch gestern, dass wir nicht zu spät kommen sollen, da sie heute eine praktische Übung machen will."

James grinste breit. Er legte einen Arm um den Blondschopf und zog ihn leicht an sich.

"Ist da vielleicht noch mehr dran, als das? Du hast es mir für meinen Geschmack eine Spur zu eilig."

"Wie bitte?!"

Peter errötete leicht.

"Hast du sie nicht gestern die ganze Stunde über mit offenem Mund angestarrt?"

Das Grinsen wurde noch etwas breiter und das Rot auf Peters Wangen wurde noch intensiver und dunkler.

"So ein Quatsch! Hab ich überhaupt nicht!"

Er riss sich von James los und eilte nach draußen. James brach in schallendes Gelächter aus. Erst als Sirius ihm mit dem Ellenbogen in die Seite stieß und ihm so andeutete endlich still zu sein, da Remus noch schlief und er ihn so wecken würde, beruhigte er sich wieder.

Als sich die beiden mit Davy im Schlepptau auf dem Weg zum Unterricht machten, warf Sirius Remus noch einen kurzen Blick zu bevor er die Tür hinter sich schloss.
 

Die Sonne durchflutete den Schlafsaal der Erstklässler Gryffindors. Ihre Strahlen kitzelten Remus an der Nase. Langsam öffnete er die Augen einen Spalt breit. Als ihm die Sonnen zu blenden drohte, schloss er sie wieder. Wie spät war es wohl, wenn sie schon in sein Gesicht schien? Sein Körper fühlte sich ausgelaugt an. Sein Rücken schmerzte. Anscheinend hatte er eine äußerst schlechte Liegeposition gehabt. Er gähnte und öffnete seine Augen erneut. Als sein Blick durch das geräumige Zimmer schweifte, musste er feststellen, dass er wieder allein war. Am gestrigen Morgen waren die Taschen und Bücher der anderen noch da gewesen, heute fehlten sie. Also musste der Unterricht schon längst begonnen haben. Langsam setzte er sich im Bett auf und fuhr sich verschlafen durch's Haar. Wie lang hatte er wohl geschlafen? Er wusste nur, dass er gestern Abend mit James und Sirius gesprochen hatte und danach sofort ins Bett gegangen war. Als er in seinem Bett gelegen hatte, hatte es nicht allzu lang gedauert, bis er auch schon eingeschlafen war. Also wie lang hatte er geschlafen? Er sah zur Uhr, welche an der Wand hing und bekam einen leichten Schock. Es war halb Elf. Fast fünfzehn Stunden hatte er geschlafen. Und nicht nur das. Er hatte die erste Unterrichtsstunde verschlafen und die zweite war auch schon zur Hälfte vorbei. Ein deprimierter Seufzer entrang seiner Kehle. Wie sollte er das nur erklären? Das würde sicherlich nicht ohne Folgen bleiben. Und wie Madame Hooch reagieren würde, das wusste er auch nicht. Immerhin hätte er am vergangenen Abend zu ihr gehen sollen. War sie gestern sauer gewesen, so musste sie heute vor Wut kochen.

Er stand auf und schritt durch's Zimmer. Eine Dusche würde seinen müden Knochen gut tun. Er ging an dem Tisch, welcher im Zimmer stand, vorbei und stutzte. Dort stand ein Frühstück bereit. Für eine Person. Für ihn? Aber wie kam es hierher? Hatten die anderen an ihn gedacht und ihm etwas zu Essen mitgebracht? Neben dem Teller lag ein Zettel. Remus nahm ihn zur Hand und begann zu lesen.
 

Endlich aufgewacht Schlafmütze? Dachte schon, du

wachst gar nicht mehr auf. Das Frühstück ist für dich.

Mach dir wegen Hooch keine Gedanken. Wir haben

das geregelt. Wir entschuldigen dich im Unterricht,

also ruh dich aus.
 

Sirius
 

Auf Remus' Gesicht machte sich ein leichtes Lächeln breit. Waren die anderen ihm doch nicht böse? Oder zumindest Sirius nicht?

"Danke", murmelte er leise, als er den Zettel beiseite legte und sich an den Tisch setzte.

Erst jetzt, als er etwas Essbares vor sich hatte, begann er einen unbändigen Hunger zu verspüren. Der gleiche Hunger, der gestern die ganze Zeit an ihm genagt hatte.

Er nahm sich beim Essen Zeit. Davon hatte er heute schließlich genug. Als er aufgegessen hatte, stand er auf und ging ins Bad. Dort entledigte er sich seines Pyjamas und stieg in die Dusche. Das Wasser perlte auf seiner Haut. Ein Laut der Erleichterung stahl sich über Remus' Lippen, als er das erfrischende Nass auf seinem Körper spürte. Er schloss die Augen und warf den Kopf in den Nacken. Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar. Ja, eine kalte Dusche war noch immer das beste gewesen, um seinen müden Geist wenigstens ein klein wenig zu wecken. Er stand noch einige Zeit lang so da, bis das Geräusch fliesenden Wassers verstummte.

Remus nahm sich ein Handtuch und trocknete sich damit das Haar. Wie schon am vergangenen Morgen (siehe Kap.4) stand er nun vor dem Spiegel und betrachtete sich darin. Der Junge, der ihm da entgegenblickte war seit den vergangenen vierundzwanzig Stunden noch blasser geworden. Ein resignierendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Heute Abend war Vollmond. Heute. Heute sollte es das erste Mal sein, dass seine Eltern ihn nicht unterstützen konnten, wenn er sich verwandelt hatte. Ab heute würde er die Vollmondnächte gute sieben Jahre, ohne die Sommerferien gerechnet, allein verbringen - mutterseelenallein. Seit er sich das erste Mal verwandelt hatte, waren seine Eltern zumindest in der Nähe gewesen. Sie hatten ihn im Keller in einen Käfig gesperrt und diesen mit einem Bannspruch belegt. Das war zwar keine sehr menschliche Unterbringung, allerdings hatten ihm seine Eltern immer Gesellschaft geleistet. Sie hatten mit ihm gesprochen, ihm gut zugeredet, ihn besänftigt - doch jetzt? Er würde die Nächte allein in - wie hatte Dumbledore sie genannt - der Heulenden Hütte verbringen. Aber das war noch lange nicht das größte Problem. Zu hause musste er sich nicht verstecken. Seine Eltern wussten, dass er ein Werwolf war. Doch hier in Hogwarts sah das ganze anders aus. Hier - in der Zaubererschule - durfte er nicht zulassen, dass jemand über sein kleines Geheimnis bescheid wusste. Er musste alles daran setzen es zu verschweigen. Würde er es nicht tun, so würde er früher oder später der Schule verwiesen werden, da man ihn als eine tickende Zeitbombe, eine unberechenbare Bestie, eine Gefahr für seine Mitschüler halten würde. Aber wie lang würde das Versteckspiel gut gehen? Sicherlich würde er früher oder später enttarnt werden. Vor allem Sirius und den anderen Gryffindor-Schülern mit denen er sich einen Schlafsaal teilte, würde sein monatliches Verschwinden nicht entgehen. Er streckte die Hand aus und berührte damit den Spiegel. Große braune Augen starrten ihm entgegen. Seinem Gegenüber hingen vereinzelte Haarsträhnen ins Gesicht und immer wieder liefen von den Spitzen aus kleine Wassertropfen über die Stirn, die Wangen und weiter den Hals hinab. In den Augen seines Spiegelbildes hatten sich kleine Tränen gesammelt. Remus nahm die Hand vom Spiegel und fuhr über die Augen. Er blinzelte mehrmals und sah erneut in den Spiegel - von Tränen keine Spur mehr. Er wandte sich ab und trocknete seinen restlichen Körper an.

Er ging zurück in den Schlafsaal und zog sich dort an. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es fast halb Zwölf war. Die dritte Stunde hatte bereits begonnen und in einer knappen halben Stunde wurde in der Großen Halle zu Mittag gegessen. Er ließ sich auf sein Bett fallen. Sollte er runter gehen? Aber wieso sollte er? Wahrscheinlich würde es genau so verlaufen, wie am gestrigen Mittag. Wieder würden sie über ihn tuscheln. Nur würde heute sein Fehlen im Unterricht und das Nichterscheinen bei Madame Hooch der Grund sein. Sollte - oder besser wollte er sich das wirklich antun? Nein, wollte er nicht. Ein bitteres Lächeln folgte auf diesen Gedanken hin. Aber er konnte auch nicht die ganze Zeit davon laufen. Es würde immer Gerüchte und Gemunkel geben und damit musste er sich abfinden, also wäre es doch besser sich gleich den Problemen zu stellen, oder etwa nicht?

Er schloss seine Augen. Nein, heute befand er sich nicht in der Verfassung sich seinen Problemen zu stellen. Heute hatte er genug davon und das größte noch vor sich. Er würde noch genug Zeit dafür haben, also nichts überstürzen.

Während er hier so lag, überkam ihn eine erneute Müdigkeit. Versuchte er zunächst noch seine Augen offen zu halten, gab er schon nach wenigen Augenblicken nach und der Schlaf übermannte ihn erneut und riss ihn fort in seine Traumwelt.
 

Gegen Ein Uhr mittags ging die Tür des Schlafsaals und Sirius und James betraten diesen. Sie waren allein. Peter und Davy hatten es vorgezogen die restliche Mittagspause in der Bibliothek zu verbringen und die Hausaufgaben für Geschichte, die sie übers Wochenende aufbekommen hatten, zu erledigen. Die beiden Schwarzhaarigen gingen direkt zu Remus' Bett und fanden diesen, wie schon am Morgen, schlafend vor.

"Er hat sich umgezogen", flüsterte Sirius leise, um den Brünetten nicht zu wecken.

"Das seh ich auch", erwiderte James.

Er sah zum Tisch und stellte zufrieden fest, dass er alles aufgegessen hatte.

"Ich glaube wir sollten ihn schlafen lassen, meinst du nicht auch, Sirius? Er hat was gegessen, also dürfte es ihm etwas besser gehen."

Der Angesprochene nickte zustimmend.

"Ja, aber besser sieht er trotzdem nicht aus."

"Wir können ihn nach Kräuterkunde wecken. Wenn er immer noch so blass ist, dann bringen wir ihn zu Madame Pomfrey, einverstanden? Mach dir nicht so viele Gedanken, er wird schon nicht gleich spurlos verschwinden. Nachher kannst du dir immer noch Sorgen machen und jetzt komm endlich! Lass ihn schlafen."

James schob seinen Freund zur Tür. Sirius wehrte sich zunächst dagegen, gab jedoch schnell auf, da James ja recht hatte. Wo sollte Remus schon hingehen? Eine Frage beschäftigte ihn dennoch. Wieso machte er sich so verdammt große Sorge um den Kleinen? Lag es daran, dass sie sich zerstritten hatten und es eigentlich nicht Sirius' Absicht gewesen war, ihn so zu verletzen? Er wusste es nicht, wollte sich jedoch auch nicht weiter darüber den Kopf zerbrechen. Immerhin war Remus es gewesen, der mit den Streiterein begonnen hatte. Hatte er sie nicht als dumm abgestempelt und sie von sich gewiesen? War es nicht so gewesen? Stimmte es denn nicht? Er stutzte. Im Moment war er sich da gar nicht mehr so sicher.
 

Remus wachte auf, als er hörte, wie die Tür mit einem leichten Klicken ins Schloss fiel. Er sah müde auf, konnte jedoch niemanden entdecken. Hatte er sich getäuscht? Wahrscheinlich. Sein Blick wanderte erneut zur Uhr. Es war kurz nach Eins. Mittagspause. Sollte er etwas essen gehen? Er streckte alle viere weit von sich und gähnte laut. Nein, im Moment hatte er keinen Hunger. Zudem hatte er sich vorgenommen sich nicht die dummen Gerüchte anzuhören, die in der Großen Halle kursierten.
 

Er wartete bis zum Ende der Pause, dann stand er auf und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Es konnte nicht schaden schon jetzt zu Madame Pomfrey zu gehen und sie wegen des heutigen Abends zu fragen.

Sowohl der Gemeinschaftsraum, als auch die Gänge waren verwaist. Kein Wunder. Immerhin war gerade Unterricht. Das einzige Geräusch, welches zu hören war, waren die Schritte Remus' und deren Widerhall. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Einerseits war diese Ruhe sehr wohltuend und entspannend. Andererseits bekam Remus von ihr eine Gänsehaut. Irgendwie war die Vorstellung, dass er hier mutterseelenallein und niemand in seiner Nähe war, sehr beunruhigend. Es war so still, dass man selbst eine Stecknadel hätte fallen hören können und die Gänge waren so weit und leer, dass man sie auf Anhieb gefunden hätte, da das Sonnenlicht durch die Fenster hereinflutete und diese beleuchtet hätte, sodass sie sofort ins Auge gestochen wäre. Remus stellte sich vor, wie es war mit Professor McGonagall des Nachts durch das Schloss zu streifen. Für ihn war diese Situation noch beklemmender gewesen. Zwar war er nicht allein gewesen und hatte er auch keine Angst im Dunkeln, hatte ihn aber doch eine bizarre Form der Angst gepackt. Er konnte es sich auch nicht erklären. Selbst jetzt, als er zurückdachte, manifestierte sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend. Was war nur der Grund dafür gewesen? War es, weil er sich erst auf Hogwarts einleben musst? Weil alles für ihn neu war? Er schüttelte nachdenklich den Kopf. Nein, das war es nicht gewesen. Es war ihm so gewesen, als hätte ihn jemand oder etwas beobachtet. Und das hatte wohl kaum etwas mit dem Schloss an sich zu tun. Ihm schoss der Gedanke, dass Wände Ohren haben und die Menschen, die in ihnen wohnen, aushorchen, durch den Kopf, doch kam er ihm in nächsten Moment ziemlich absurd vor, auch wenn er es bei einem Ort, wie Hogwarts einer war, für nicht auszuschließen hielt. Zudem hatte er den Eindruck gehabt, dass ihnen jemand gefolgt sei. Ab und zu hatte er sich beim Laufen umgesehen, doch niemanden entdeckt. Er zweifelte an seinem Verstand und hatte sich an diesem Abend mit der Ausrede, es sei schon zu spät und zu viel passiert, zufrieden gegeben. Aber jetzt? Jetzt war er hellwach. Er hatte den halben Tag verschlafen - und trotzdem wurde er dieses ungute Gefühl in seinem Inneren einfach nicht los. Was hatte das nur zu bedeuten? Dieses Mal war das Gefühl anders. Dieses Mal spürte er keine Anwesenheit von irgendetwas. Heute war er sich sicher, dass er allein war, aber dennoch. Er war sich in diesem Augenblick zu hundert Prozent sicher, dass ihn etwas oder jemand beobachtet hatte. Obgleich er nicht wusste was es war, er wusste, dass dort etwas gewesen war. Es galt lediglich die Frage zu klären was.
 

Nach einiger Zeit hatte Remus die Krankenstation, nachdem er sich mehrere Male verlaufen hatte und mindestens dreimal an der selben Stelle vorbeigekommen war, endlich gefunden. Er klopfte leicht an und bekam ein "Herein!" als Antwort. Er folgte der Aufforderung und betrat das Zimmer.

Für einen kurzen Moment geriet er ins Staunen. Wie alles in Hogwarts, war auch der Krankenflügel riesig. Es standen links und rechts mehrere Betten. Von der Größe her, kam er der Großen Halle ziemlich nahe. Durch die großen Fenster flutete das Sonnenlicht herein und ließ alles in einem sterilen weiß erstrahlen.

Remus ließ seinen Blick suchend durch das Zimmer gleiten. Wo war Madame Pomfrey? Hatte er nicht gerade eine Frauenstimme vernommen? Somit musste sie hier irgendwo sein. Also wo war sie?

Er vernahm Schritte und wandte seinen Kopf nach links. Dort befand sich eine weitere Tür. Wohl ein mehr oder weniger kleines Nebenzimmer, aus welchem eine junge Frau trat. Sie trug die typische Kleidung einer Krankenschwester.

"Madame Pomfrey?", schlussfolgerte Remus.

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Die Angesprochene nickte leicht und lächelte den Jungen an.

"Ja die bin ich. Wie kann ich dir helfen? Du bist ein Erstklässler, wenn ich richtig in der Annahme gehe. Sonst würde mir dein Gesicht bekannt vorkommen."

Diesmal war es an Remus zu nicken.

"Eigentlich solltest du jetzt im Unterricht sein", sagte sie streng und trat ein Stück näher. "Aber du siehst recht blass aus. Sag mir bitte, was dir fehlt."

"Ähm, nein. Mir geht es soweit gut", erwiderte Remus. "Mein Name ist Remus Lupin. Ich-"

"Ah, du bist Remus?", fiel sie ihm plötzlich ins Wort.

Sie musterte ihn neugierig. Ihre Gesichtszüge wechselten von besorgt zu überrascht, zu interessiert und schließlich wieder zu äußerst besorgt und gleichzeitig wohlwissend und bedauernd.

"Verstehe. Ich hätte nicht gedacht, dass du jetzt schon kommst. Ich dachte, du würdest erst später kommen."

"Ich wollte etwas eher kommen. Mir hat niemand gesagt, wann ich bei Ihnen sein soll und da ich nicht wusste, wo sich die Krankenstation befindet, habe ich mich schon jetzt auf den Weg gemacht."

"Du hättest auch einen der Lehrer bitten können dich zu begleiten. Du hättest dich verlaufen können."

"Ich war nicht im Unterricht", murmelte Remus leise und schuldbewusst.

"Nicht im..." Madame Pomfrey stockte, nickte jedoch leicht. "Verstehe. Ich möchte das Schwänzen zwar nicht befürworten, aber wenn ich mir deinen Zustand so recht betrachte, dann war das die einzig richtige Entscheidung. Wieso bist du nicht schon heute morgen gekommen?"

"Ich habe geschlafen", antwortete er wahrheitsgemäß.

"Dann hast du ja noch gar nichts gegessen. Warte, ich hole dir etwas."

Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als er sie zurückhielt.

"Das ist nicht nötig, Madame Pomfrey. Die Jungs aus meinem Schlafsaal haben mir etwas zum Frühstück gebracht. Ich habe keinen Hunger."

Sie drehte sich zu ihm um und bedachte ihn mit skeptischen Blicken.

"Ich habe wirklich keinen Hunger", versicherte er ihr.

"Na schön. Aber heute Abend, bevor ich mit dir gehe, wirst du noch eine Kleinigkeit zu dir nehmen. Die Nacht wird nicht sehr angenehm und du solltest noch etwas zu Kräften kommen."

Wieder nickte Remus und signalisierte damit sein Einverständnis.

"Du bleibst den restlichen Tag hier", sagte Madame Pomfrey, während sie den Schüler zu einem der Betten brachte, worauf er sich setzte - jedoch nicht ganz freiwillig. "Ich will nicht, dass du irgendwo in der Schule herumgeisterst und dabei die Zeit vergisst."

Eigentlich wollte der Brünette etwas einwenden, doch kam er nicht dazu. Die Krankenschwester war im Nebenzimmer verschwunden und kam kurze Zeit später mit einem Stapel Bücher wieder. Sie legte sie auf den Nachttisch neben ihrem Patienten ab.

"Damit du dich nicht langweilst", erklärte sie kurz. "Wenn du mich brauchst, ich bin nebenan.

Mit diesen Worten verschwand sie wieder im Nebenzimmer und schloss die Tür. Remus kam sich vollkommen hilflos und überrannt vor. Madame Pomfrey war zwar nett, doch hatte sie ihn nicht einmal ausreden lasse. Zwar verstand er ihre Sorgen, dass etwas schief gehen könnte, dennoch hatte er eigentlich nicht vorgehabt den Rest des Nachmittags hier zu verbringen.

Er seufzte. Bei dieser Krankenschwester schien es äußerst schwer den eigenen Kopf durchzusetzen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben. Resignierend griff er nach einem der Bücher, schlug es auf und begann recht lustlos zu lesen.
 

Gegen sechs Uhr brachte Madame Pomfrey Remus sein Abendessen. Es war zwar noch früh, doch wollte sie nicht allzu spät mit ihm losgehen, da sie ihm ja noch alles erklären musste. Sie stellte das Tablett auf dem Nachttisch ab.

"Hier, jetzt iss erst einmal etwas und hör auf zu lesen", sagte sie und nahm ihm das Buch aus der Hand, in welches er sich gerade vertieft hatte.

Etwas verwirrt sah der Brünette auf.

"Komm - iss etwas", wiederholte die Krankenschwester und nickte Richtung Essen.

Remus kam dieser Aufforderung nach. Während er tat, was ihm geheißen, brachte Madame Pomfrey die Bücher zurück in das Nebenzimmer. Remus warf, während er aß, einen Blick aus dem Fenster. Es dämmerte bereits. Unbehagen breitete sich in seiner Magengegend aus. Nur noch wenige Stunden, dann würde der Mond voll und prall am Himmel stehen. Nur noch wenige Stunden und er würde Remus das Leben wieder einmal zur Hölle machen. Der Schüler kaute lustlos an seinem Brot herum. Keine einzige Wolke trübte das Firmament. Anscheinend wurden Remus' schlimmsten Befürchtungen Wirklichkeit. Er seufzte deprimiert.

Plötzlich hörte er ein leises Klopfen. Als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, entdeckte er einen ihm wohlbekannten Kauz, welcher mit seinem Schnabel gegen das Glas des Fensters klopfte. Er lief zu ihm und öffnete das Fenster, woraufhin sich das Tier auf Remus' Schulter niederließ.

"Theodor, was machst du dann hier?", fragte der Junge überrascht und strich über das Gefieder des Neuankömmlings.

Der Familienkauz der Lupins streckte sein linkes Bein von sich, an welchem ein Brief befestigt war. Remus löste die Schnurr und entrollte das Blatt Papier. Ohne weiter zu warten, begann Theodor mit den Flügeln zu schlagen und erhob sich in die Luft. Er kreiste kurz um den jungen Lupin, bevor er durch hinaus ins Freie flog und sich wieder auf den Rückweg machte.

"Danke, Theo! Pass auf dich auf und komm gut zuhause an!", rief Remus ihm hinterher.

Er sah dem Tier so lange hinterher, bis es lediglich ein kleiner schwarzer Punkt war und schlussendlich vom Horizont verschluckt wurde. Er schloss das Fenster und setzte sich auf den Fensterstock; er glättete das Papier und begann zu lesen.
 

Lieber Remus,

Ich hoffe, dass es dir gut geht und du wohlbehalten in

Hogwarts angekommen bist. Deine Mutter wollte dir schon

gestern schreiben. Sie ist voller Sorge um dich und konnte,

seit wir dich von King's Cross verabschiedet haben, nicht

mehr richtig schlafen. Sie redet von morgens bis abends

nur noch von dir und was dir alles zugestoßen sein könnte.
 

Remus lächelte, als er die Zeilen seines Vaters las. Er konnte sich das ganze nur zu lebhaft vorstellen. Wie schnell sich seine Mutter doch Sorgen machte. Dabei musste man sich weiß Gott mehr Sorgen um ihr Wohlbefinden, als um das Remus' machen. Im Moment lief sie wohl wie ein aufgescheuchtes Huhn durch's Haus und versuchte sich mit etwas abzulenken, um nicht an ihren Sohn denken zu müssen. Vielleicht backte sie ja gerade etwas oder strickte. Vielleicht trank sie auch Tee, dann aber - es war ja schon sehr später Nachmittag - bereits ihre fünfte oder sechste Tasse. Remus lachte bei dieser Vorstellung. Ja, so war seine Mutter. Das konnte er sich gut vorstellen.

Und sein Vater? Ja, auch er machte sich sicherlich Sorgen um ihn. Allerdings nicht nach so kurzer Zeit. Dafür war er zu optimistisch. Und selbst wenn er doch besorgter war, als Remus vermutete, so würde er sich mit seiner Arbeit versuchen abzulenken. Und sobald er zuhause war, musste er versuchen seine Frau zu beruhigen.

Remus' Stimmung war nun um ein ganzes Stück gestiegen. Wenn er an seine Eltern denken musste, überkam ihn ein warmes Gefühl. Er freute sich schon darauf, wenn er sie endlich wiedersehen würde. Zwar würde es noch ein ganzes Stück dauern, zu den Herbstferien würde er nicht nach hause fahren, vielleicht zu den Weihnachtsferien - er würde Weihnachten gern mit seinen Eltern verbringen - aber es würde sicherlich ein herzliches Wiedersehen werden.

Erneut überflog er die ersten Zeilen, bis er die Stelle fand, an der er aufgehört hatte zu lesen.
 

Es ist schlimm. Sie macht mich wirklich fertig. Strickt und

backt den lieben langen Tag.
 

Remus grinste. Seine Vermutungen bestätigten sich also.
 

Du kennst sie ja.
 

"Und ob ich das tue."

Wieder konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Vorstellung mit welcher Miene sein Vater diesen Brief schrieb - ausgelaugt, gestresst, geschafft und nur den Wunsch nach Ruhe und Schlaf verspürend - war einfach zu köstlich.
 

Sie hat sich erst zufrieden gegeben, als ich ihr versprochen

hatte, dir einen Brief zu schreiben - was ich hiermit nun ja

auch tue. Ich hoffe, dass du gut angekommen bist und

dass du dich bereits etwas eingelebt hast. Heute Abend ist

Vollmond. Ich hoffe du hast daran gedacht mit dem neuen

Direktor zu reden. Es wird sicher nicht leicht sein, diese Zeit

allein zu überstehen. Deine Mutter und ich würden dir gern

beistehen, doch geht das leider nicht. Der Himmel scheint

heute klar zu sein. Wie sieht es bei euch aus? Ich hoffe doch

bewölkt. Schreib uns sobald du Zeit hast zurück. Vorher

kann deine Mutter nicht mehr ruhig schlafen.
 

Viele Grüße von deiner Mutter. Pass auf dich auf.
 

Dad
 

Remus sah einige Zeit auf das Schreiben und faltete es schließlich zusammen und schob es ihn seine Hosentasche. Wie sehr er sich doch in diesem Augenblick zu seinen Eltern wünschte. Wie gern er die Stimmen der beiden vernehmen würde. Wie er ihren Geruch vermisste, wie er ihre Wärme und Zuneigung, die sie ihm entgegen brachten, vermisste. Dieser Brief war zwar nur kurz gewesen, doch auch in ihm hatte er einen Teil dieser Wärme gespürt. Wie sehr er seine Eltern doch vermisste. Erst jetzt wurde ihm klar, was er doch noch für ein kleines Kind war. Ohne seine Eltern war er vollkommen hilflos. Er kam sich schwach und unzulänglich vor. Jetzt, wo weder Vater noch Mutter da waren, überrannte ihn diese Erkenntnis regelrecht. Er kauerte sich auf dem Sims zusammen und starrte nach draußen, wo es allmählich immer finsterer wurde. Zwar hatte er sich nie für erwachsen gehalten, hatte er aber doch gedacht, dass er schon relativ selbstständig war. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass er noch so von seinen Eltern abhängig war und an ihnen hing. Zwar liebte er seine Familie, doch hätte er nie gedacht, dass es ihm so viel ausmachte, von ihr getrennt zu sein. Diese kurzen, wenigen Zeilen, die eigentlich nur mit Nichtigkeiten gefüllt waren, hatten es geschafft in Remus eine regelrechte Lawine der Gefühle auszulösen.
 

Madame Pomfrey kehrte ihn das Krankenzimmer zurück, wo sie Remus hatte warten lassen.

"Hast du aufgegessen?", fragte sie, als sie bemerkte, dass Remus nicht mehr in seinem Bett saß.

Sie ließ ihren Blick durch den Raum wandern, als sie den Jungen am Fenster sitzen sah. Sie trat näher. In ihrem Gesicht zeichneten sich einige Sorgenfalten, als sie Remus sah. Sein Gesicht war gerötet und in den Augenwinkeln hingen Tränen.

"Wieso weinst du?", fragte sie vorsichtig.

Remus sah auf, hatte er sie nicht kommen hören.

"Weinen? Ich?", fragte er verdutzt und fuhr sich verstohlen über die Augen.

Er lächelte die Schwester munter an.

"Ich hab nicht geweint. Nur gegähnt. Das Essen hat mich schläfrig gemacht", antwortete er und lachte leicht.

Madame Pomfrey schien sich mit dieser Erklärung zufrieden zu geben.

"Wir sollten jetzt langsam gehen", sagte sie und deutete dem Schüler an ihr zu folgen, während sie zur Tür ging.

Remus kam der Aufforderung nach. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war sieben Uhr abends. Wie schnell die Zeit doch vergangen war. Bis der Mond aufging, würde es nicht mehr lange dauern. Vielleicht ein oder zwei Stunden. Solang blieb er noch er selbst, dann würde die Bestie Besitz von ihm ergreifen.
 

Remus hatte sich schon gedacht, dass sie nicht den üblichen Weg durch die schülergefüllten Gänge nehmen würden, doch wo sie nun gingen, davon hätte er nie zu träumen gewagt. Zwar hatte er es für recht wahrscheinlich gehalten, dass Hogwarts ein Schloss mit vielen Ecken und Winkeln war, doch das schlug dem Fass den Boden aus. Madame Pomfrey führte den Schüler von einem Geheimgang zum nächsten. Waren sie vor wenigen Minuten noch oben in der Krankenstation gewesen, befanden sie sich nun in einem Zimmer voller Gemälde. Von nicht allzu weit her, drang das Klirren und Klappern von Besteck, welches über Teller schrammte, an Remus' Ohr. Die anderen Schüler aßen gerade zu Abend und wie es den Anschein hatte, befand sich die Große Halle ganz in der Nähe. Remus würde sogar fast darauf wetten, dass sie sich gleich nebenan befand, was jedoch eigentlich nicht möglich sein konnte. Zwar waren er und die Krankenschwester eine endloslange Treppe hinuntergestiegen, doch war sie kaum lang genug, dass sie vom Krankenzimmer bis hinunter zur Großen Halle reichte. Außer - Außer sie war verzaubert.

Während er noch grübelte begab sich Madame Pomfrey zur Tür rechts von ihnen. Sie öffnete diese und trat nach draußen. Remus war für einen Moment sprachlos. An das Zimmer grenzte die Eingangshalle. Also war die Treppe doch länger als angenommen gewesen. Noch immer grübelnd folgte er Madame Pomfrey. Hogwarts war schon ein seltsamer Ort. Es würde lange dauern, bis er ihn verstehen würde - wenn er es jemals konnte.

"Beeil dich etwas", mahnte ihn die Schwester.

Remus warf einen erneuten Blick auf seine Uhr. Es war bereits kurz vor halb Acht. Er beschleunigte seinen Schritt ein wenig und schloss auf. Es würde sicherlich nicht mehr allzu lang dauern, bis die ersten Schüler ihr Abendbrot beendet hatten und aus der Großen Halle strömen würden. Madame Pomfrey wollte dieses Risiko anscheinend nicht eingehen und trieb deshalb zur Eile. Zudem würde ihnen nicht mehr viel Zeit bis zum Mondaufgang bleiben.

Sie traten ins Freie. Kalte Nachtluft schlug Remus entgegen. Er begann zu frösteln. Eine leichte Gänsehaut bildete sich und überzog seinen gesamten Körper. In diesem Moment bereute er es zutiefst keine Jacke oder einen dicken Umhang oder ähnliches mitgenommen zu haben. Wieso hatte er nicht daran gedacht, dass es abends ziemlich frisch sein würde? Hatte ihn die gestrige vermeintliche Spätsommersonne in die Irre geführt. Er verfluchte sie. Sie und seine eigene Vergesslichkeit. Zitternd folgte er der Krankenschwester. Der Schüler verschränkte seine Arme vor der Brust und rieb diese mit seinen Händen, in der Hoffnung durch die Reibung etwas Wärme zu erzeugen und so ein wenig gegen die klirrende Kälte anzukämpfen.

Madame Pomfrey führte ihn über den Hof, hin zum Schlosstor, hinaus aus dem Schloss. Gemeinsam stiegen sie die scheinbar endlose Treppe hinunter und liefen anschließend ein ganzes Stück schweigend nebeneinander her. Gegen acht Uhr erreichten sie eine Weide. Doch wie Remus gleich auf den ersten Blick feststellte war dies keineswegs ein normaler Baum. Dieser hatte das Bestreben wild mit seinen Ästen herumzuwirbeln und alle sich nähernden Lebewesen mit eben diesen zu attackieren.

"Wie hatte Professor Dumbledore diesen Baum noch mal genannt?", fragte er unsicher.

Eigentlich war diese Frage eine rein rethorische Frage. Er kannte die Antwort, doch wollte er eine Bestätigung.

"Das ist die Peitschende Weide", antwortete Madame Pomfrey und lächelte, wobei das Lächeln ein wenig schief geriet.

Remus schluckte. Ja, Peitschende Weide. Eine Äußerst zutreffende Beschreibung, wenn er es recht bedachte. Als er den Name zum ersten Mal gehört hatte, hatte er gedacht, dass der Direktor ihn nur hatte auf den Arm nehmen wollen, doch als er das Gewächs nun in Lebensgröße vor sich sah, musste er sich eingestehen, dass dieses Grünzeug äußerst real und wenig ungefährlich schien.

"Du brauchst keine Angst zu haben", meinte Madame Pomfrey, wobei sie ihre Stimme nicht ganz ruhig halten konnte. "Wenn du das tust, was ich dir sage, dann ist sie vollkommen ungefährlich."

Remus nickte stumm. Keine Angst haben? Nein, er hatte keine Angst. Angst fühlte sich anders an. Im Moment hatte er lediglich ein sehr flaues Gefühl in seiner Magengegend. Auf eine seltsame Art und Weise war er von diesem Baum fasziniert. Noch nie zuvor hatte er so eine temperamentvolle Pflanze gesehen. Ob in ihr Baumgeister wohnte, die dafür sorgten, dass die Weide mit ihren Ästen umher schlug? Oder war sie verzaubert? Vielleicht war es auch eine besondere Art von Baum, die von Natur aus aggressiv ist. Ja, sie war wirklich faszinierend. In diesem Moment schoss ihm der abtrünnige Gedanke sie näher studieren zu wollen - sie untersuchen zu wollen durch den Kopf. Er verwarf ihn jedoch sofort wieder. Studieren? So ein Monstrum? Ein Monster, dass dich jeden Moment erschlagen könnte? Wie kam er nur immer und immer wieder auf solch dumme Ideen? Er lachte leicht. Ja, wissen tat er es selbst nicht. Mit einem Mal waren sie plötzlich da, spukten einige Zeit in seinem Kopf umher und nisteten sich irgendwo in seinem Hinterstübchen ein, bis er sie mit einer anderen belanglosen Kleinigkeit wieder ans Tageslicht förderte.

"-mus, Remus. Hörst du mir überhaupt nicht zu?"

Der Angesprochene schrak aus seinen Gedanken auf.

"Wie?"

Madame Pomfrey, welche einen langen Stock in der Hand hielt - wieso tat sie das? - sah ihn leicht ungeduldig, leicht sauer an. Röte stieg ihm ins Gesicht.

"Tut mir leid. War keine Absicht."

Die Krankenschwester seufzte.

"Gut, dann noch mal von vorn. Also, ich zeige dir jetzt wie man die Peitschende Weide erstarren lässt."

Erst jetzt viel dem Jüngeren auf, dass die Äste des Baumes sich nicht mehr bewegten. Das gesamte Gewächs war bewegungsunfähig und wirkte jetzt wie jeder andere normale Baum. Erst nach und nach begannen die Blätter zu zittern und neues Leben kehrte in die Weide ein.

"Also pass auf."

Sie zeigte ihm den Stock.

"Du nimmst dir einfach irgendetwas Langes. Siehst du den Knoten dort unten am Baum?"

Sie deutete mit dem Finger auf ihn. Erst jetzt bemerkte Remus diesen. Er war so unscheinbar, dass man ihn ohne einen speziellen Hinweis einfach übersah.

"Du nimmst den Stock und berührst den Baum damit."

Sie machte es ihm vor und als der Stock besagten Knoten berührte, erstarrte die Weide erneut.

"So, jetzt komm mit. Und beeil dich bitte. Die Weide bleibt nicht lange so."

Sie ging mit raschen Schritten auf das Gesträuch zu. Remus folgte ihr etwas widerwillig. Er warf unsichere Blicke nach oben, immerhin konnte es jederzeit gut möglich sein, dass es sich dieses temperamentvolle Grünzeug - wenn man es so nennen konnte, immerhin war es Herbst und der Baum war kahl - anders überlegte und die ungebetenen Gäste doch attackierte.

"Hier rein", forderte die Krankenschwester ihn auf und erst jetzt bemerkte Remus sie.

Unter der Weide befand sich eine kleine Nische, eine kleine Höhle. Auch diese war ihm in der nunmehr herrschenden Dunkelheit nicht aufgefallen, war sie doch markanter, als der Knoten. Tagsüber konnte man sie vielleicht schon eher ausfindig machen. Sicher wäre sie ein verlockender Anreiz für eine Mutprobe. Wer traut sich sich unter der Peitschenden Weide hindurch zu stehlen und in diesem Loch zu verschwinden, um zu sehen, wo es hinführt? Wer erreicht als erstes die Vertiefung? Oder wer schafft es am längsten unter der Peitschenden Weide zu bleiben, ohne von dieser getroffen zu werden? Solche oder ähnliche Spielchen konnte sich Remus gut vorstellen. Sicherlich würden James oder Sirius früher oder später dieser Versuchung nicht mehr widerstehen können und sich zu einem riskanten Manöver hinreißen lassen. Wie gut sie dabei wegkommen würden, würde man dann wohl am nächsten Tag feststellen können, wenn man sie auf der Krankenstation besuchte, während Madame Pomfrey hier unten noch immer ihre fehlenden Einzelteile zusammensuchte.

"Remus, träum nicht!", rief die Krankenschwester.

Im nächsten Moment hatte sie ihn auch schon am Arm gepackt und ihn zu sich hinunter in die Tiefe geholt. Gerade noch rechtzeitig. Denn da, wo der Schüler bis gerade eben noch gestanden hatte, ging einer der Äste wütend nieder und hinterließ - wortwörtlich - einen bleibenden Eindruck im Erdboden. Remus' Atem ging flach und schnell. Mit geweiteten Augen sah er nach oben.

,Das war knapp', dachte er erschrocken.

"Du sollst doch nicht so vor dich hinträumen. Wie oft hab ich dir das heute schon gesagt?", zeterte seine Aufpasserin. "Das hätte schief gehen können. Das ist keinesfalls ein Spiel. Du solltest dir langsam über den Ernst der Dinge klar werden. Ein Werwolf zu sein ist keine leichte Bürde. Du müsstest schon lang genug einer sein, um das zu wissen. Und dass ich dich an einen sicheren Ort bringe - nicht nur sicher für dich, auch für andere - ist auch keine leichte Aufgabe. Wenn du nicht daran denkst bei dieser Weide hier vorsichtig zu sein, dann bricht sie dir noch das Genick. Du solltest zumindest an Vollmondtagen nicht allzu zerstreut sein. Also hör auf weiter vor dich hinzuträumen, verstanden?"

Remus antwortete nichts - blieb einfach stumm. Was wusste sie schon davon, was es hieß ein Werwolf zu sein? Was wusste sie schon davon, was das für Probleme mit sich brachte? Wie viel Ärger es einem machte? Wie mühsam es war diese klitzekleine Kleinigkeit vor den anderen zu verbergen? Nichts wusste sie! Von alledem hatte sie noch nicht einmal den Ansatz einer Ahnung. Sie konnte sich nicht in ihn hineinversetzen. Und diese ständigen Träumereien? Waren sie nicht eine Hilfe für ihn? Halfen sie ihm nicht seine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten? Sie zu ordnen und somit wieder ein wenig Klarheit in die abertausend Windungen seines Gehirns zu bringen? Und sorgten sie nicht auch dafür, dass er für einen kleinen Moment seinen Alltag auch einmal vergessen konnte? Wieso sollte ihm das verwehrt bleiben? Wieso wollte sie, dass er sie verdrängte, die Träumereien, die ihn mit sich ziehen wollten, einfach von sich wies? Nichts wusste sie. Hätte sie gewusst, wie ihm manchmal zu mute war, hätte sie das gerade eben nicht gesagt. Ihm seine Gedankengänge verbieten - das war ja wohl die Höhe! Ein makaberer Scherz! Er lächelte bitter. Scherze trieben die Leute um ihn herum ja äußerst gern mit ihm. Dachte man nur einmal an Malfoy, diese Ausgeburt der Hölle - das Nonplusultra der Widerwärtigkeit und Niederträchtigkeit.

Remus verdrängte den Gedanken an besagten Slytherin. Heute war weiß Gott nicht der beste Tag, um über diese hinterhältige Schlange nachzudenken. Wenn der Gryffindor es genau nahm, so war es nie der richtige Tag. Eigentlich lohnte es sich gar nicht über diesen Widerling nachzudenken. Zu seinem Übel stahl der Platinblonde sich jedoch immer und immer wieder in seine Gedankengänge, ob er es nun wollte oder nicht. Da! Schon wieder! Erst wollte er nicht mehr an ihn denken und grübelte er doch weiter über ihn nach. Resignierend seufzend schüttelte Remus den Kopf. Wie hieß es so schön: einen klaren Kopf bewahren? In diesem Moment fragte er sich, wie man überhaupt einen klaren Kopf bekam. Ihn beschäftigte immer irgendeine Kleinigkeit. Wie schafften es dann andere Leute an gar nichts mehr zu denken?

Remus sah auf. In der Dunkelheit konnte er die Krankenschwester nicht mehr ausfindig machen. Wo war sie denn auf einmal? Bis gerade eben war sie doch noch direkt vor ihm gewesen. Wo war sie jetzt? War sie schon vorangegangen?

"Madame Pomfrey? Madame Pomfrey, wo sind Sie?", rief er in die Dunkelheit hinein.

Der Widerhall seiner Stimme erklang mehrere Male.

,Ein Tunnel?', dachte er etwas verwirrt.

Der Gang musste ziemlich lang und groß sein, wenn er an das Echo dachte. Er tastete sich an der Wand entlang, als er keine Antwort bekam. Seine Augen hatten sich noch nicht an die Finsternis gewöhnt, daher ging es nur schleppend voran. Immer und immer wieder stolperte er über kleine Erdhügel oder Baumwurzeln.

"Madame Pomfrey, wo sind Sie? Antworten Sie doch!"

Seine Stimme klang verzweifelt. Hatte er sich verirrt? Hatte es unter der Weide noch einen weiteren Tunnel gegeben, den er übersehen hatte und den seine Begleiterin genommen hatte? Hatte er den falschen genommen und sich nun unter der Erde verirrt? Wo führte dieser Gang nur hin? Er schien endlos zu sein. Langsam stieg in ihm Panik auf. Der Mond musste bald aufgehen. Was geschah, wenn er bis dahin noch immer hier unten war? Würde er sich verwandeln? Aber hier unten konnte er den Mond nicht sehen. Würde er normal bleiben? Er wusste es nicht. Und was geschah, wenn er später nicht mehr zurückfand? Wo war Madame Pomfrey? Wieder gingen ihm unzählige Fragen durch den Kopf, welche ihm allmählich Kopfschmerzen bereiteten. Der Gang begann anzusteigen. Eine leise Stimme drang an sein Ohr.

"Remus? Wo bist du?"

War das nicht Madame Pomfrey gewesen? Ja, das war sie! Da war er sich sicher.

"Hier! Ich bin hier!", rief er so laut er konnte.

Im nächsten Moment sah er einen Lichtschein. Weiter vorn machte der unterirdische Gang eine leichte Kurve. Er lief auf das Licht zu und wurde geblendet, als die Krankenschwester um die Ecke bog. Sie hielt ihren Zauberstab in der Hand, welcher ein gleichmäßiges, dennoch grelles Licht aussendete. Remus hob eine Hand vor das Gesicht und kniff die Augen zusammen.

"Ich dachte schon, ich hätte dich verloren", sagte Madame Pomfrey und atmete erleichtert auf.

"Dachte ich auch", erwiderte Remus und ein Hauch eines Lächelns stahl sich auf sein Gesicht, verschwand jedoch sofort.

Die Krankenschwester erwiderte das Lächeln.

"Wir sind gleich da. Es ist nicht mehr weit. Komm mit."

Sie machte eine Kehrtwendung und ging in die Richtung, aus der sie gerade eben gekommen war. Der Gryffindor folgte ihr und nach wenigen Minuten begann sich die Dunkelheit aufzulösen. Ein schwaches Licht strömte in den Gang hinein. Der Ausgang war nicht mehr weit. Sie blieben unter einer Öffnung stehen.

"Über uns ist die Heulende Hütte", erklärte Madame Pomfrey. "Dort bleibst du über Nacht. Wenn du wieder zu dir gekommen bist, dann komm als erstes zu mir auf die Krankenstation, damit ich deine Wunden verarzten kann."

"Ja, mach ich", gab Remus brav zur Antwort.

"Gut."

Madame Pomfrey lächelte.

"Ich hoffe, dass deine Nacht nicht allzu schlimm wird."

"Danke", murmelte der Brünette.

Zwar war dies nett gemeint, doch helfen würden diese Worte trotzdem nichts. Die Krankenschwester half ihrem Schützling nach oben und verabschiedete sich von ihm, bevor sie wieder in der Dunkelheit verschwand.

Remus stand auf und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Es war nicht allzu groß. Sowohl Möbel als auch Fußboden waren mit einer dünnen Staubschicht bedeckt. Die Tapeten begannen sich an den oberen und unteren Enden leicht zu lösen und durch die Fenster, welche durch Bretter vernagelt waren, drangen spärliche Lichtstrahlen ins Innere der Hütte. Wie hoch der Mond wohl stand? Anscheinend war er noch nicht vollständig aufgegangen, da der Schüler sich noch nicht verwandelt hatte, doch lange würde es sicher nicht mehr dauern. Es war schon spät, das wusste er. Heute würde der Erdtrabant ihn sicherlich nicht schonen. War er vielleicht noch nicht aufgegangen, war sein Licht jedoch schon sehr hell. Und das verhieß nichts gutes. Der Himmel war sicher sternenklar. Eine schlaflose Nacht stand ihm bevor. Wie er sie doch liebte. Ein Seufzer entrang seiner Kehle.

Er ließ seinen Blick ein zweites Mal durch das Zimmer gleiten. Diesmal erregte eine Tür seine Aufmerksamkeit.

,Vielleicht sollte ich mich etwas umsehen gehen.'

Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.

"Immerhin werde ich hier ab jetzt mehr Zeit verbringen."

Er öffnete die Tür und fand sich in einem langen, dunklen Korridor wieder, der ebenso verstaubt war, wie das Zimmer. Die Dielen knarrten unter seinen Füßen. An den Wänden befanden sich links und rechts kleine Lampen. Keine richtigen Lampen. In ihnen befanden sich kleine, heruntergebrannte Kerzenstummel. Die Gläser hatten stark Staub angesetzt. Waren sie ehemals durchsichtig gewesen, ähnelten sie nun Milchglas.

"Hier sollte unbedingt jemand mal sauber machen."

Vor Remus führte eine Treppe nach oben. Er überlegte, ob er sich dort umsehen sollte, entschied sich aber dagegen. Zunächst wollte er die unteren Zimmer inspizieren. Zu seiner Rechten befand sich eine Tür, welche er öffnete. Im Gegensatz zum Korridor oder dem Zimmer, welches er zuerst durch den Geheimgang betreten hatte, war dieses Zimmer hell - Aufgrund der Tatsache, dass sich in den vermeintlichen Lampen neue Kerzen befanden, welche still und leise vor sich hinloderten - und geräumig. Die Fenster waren, wie die anderen, vernagelt. An zwei Wänden standen Regale voller Bücher. Remus' Augen funkelten. Diese Menge und Vielfalt an Litanei erinnerte ihn an Flourish&Blotts. Er fuhr mit den Fingern über verschiedene Buchrücken und las dabei die Titel. Von allen Themen war etwas dabei. Wenn er richtig lag, befanden sich auch einige Muggelbücher - wie zum Beispiel Romeo und Julia, Sherlock Holmes und Antigone. Vielleicht konnte er sich einige Bücher mit ins Schloss nehmen. Sicherlich hatte niemand etwas dagegen. Das Haus stand leer und er ging in der Annahme, dass Professor dieses Zimmer für ihn hatte einrichten lassen. Remus hoffte, dass er in seiner Werwolfsgestalt nicht diese wertvollen Bücher zerstören würde. Sie waren wirklich alt und verlockten ihn geradezu dazu sie alle in sich aufzunehmen. Er sah sich im Zimmer um. An beziehungsweise in der dritten Wand befand sich ein Kamin, in dem ein Feuer brannte. Davor stand ein schwarzer Ledersessel, unter einem der Fenster ein Bett.

,Ein Bett? Sehr nett', dachte Remus sarkastisch. ,Wozu brauch ich ein Bett? Ich kann hier doch eh nicht schlafen.'

Der Direktor von Hogwarts hatte es anscheinend zu gut mit ihm gemeint. Fürsorglich war er ja - das musste Remus zugeben - doch übertrieb er es vielleicht ein wenig.

Der Gryffindor beschloss sich nun den anderen Zimmern zu widmen. Im Erdgeschoss befanden sich noch eine ehemalige Küche und ein Zimmer, das früher vermutlich als Wohnzimmer gedient hatte.
 

Als er die Treppe nach oben ging, knirschten die Stufen. Das Holz des Geländers war morsch und splitterte bereits.

"Das Ding könnte eine Generalüberholung gut vertragen", murmelte er, während er wieder durch einen der langen Korridore entlang lief.

Im oberen Stockwerk lagen lediglich einige Räume, die den ehemaligen Bewohnern als Schlafzimmer gedient haben mussten, sowie ein Badezimmer und ein Arbeitsraum. Eines der Schlafzimmer besaß einen Balkon. Zudem waren dort die Fenster nicht verriegelt. Remus öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Eiskalte Nachtluft schlug ihm entgegen. Er begann am ganzen Leib zu schlottern. Wie kalt es doch geworden war, innerhalb kürzester Zeit. Als er mit Madame Pomfrey das Schloss verlassen hatte, war es noch nicht annähernd so kalt gewesen. Er schlang seine Arme um sich und sah zu den Sternen empor. Sie funkelten ihm verheißungsvoll entgegen. In dieser tiefen Schwärze wirkten sie wie kleine Diamanten.

,Wunderschön', schoss es ihm durch den Kopf.

Plötzlich verspürte er einen heißen Schmerz in der Brust. Sein Herz schlug rasant und es war fast so, als würde es jeden Moment zerspringen. Er krallte eine Hand in sein Hemd, während er sich mit der anderen an der Brüstung festhielt. Suchend wanderte sein Blick über den Himmel und da - da entdeckte er ihn. Eine einsame kleine Wolke zog am Firmament vorüber und enthüllte seine volle Gestalt. Der Mond leuchtete in all seine Pracht. Das Gesicht, welches man zu erkennen meinte, kam Remus in diesem Moment wie eine hässliche Fratze vor und er konnte ein schallendes Gelächter von hoch über ihm vernehmen. Er machte sich lustig - der pralle Mond machte sich über ihn lustig - verspottete ihn.

Remus schrie unter Schmerzen auf. Seine helle Stimme durchdrang die Nacht und verwandelte sich in das wütende Gebrüll einer Bestie.
 

Wie in jeder dieser Nächte warte ich auf dich.

Mit jeder Minute, jeder Sekunde, die vergeht,

wächst meine Ungeduld und scheint mich zu erdrücken.

Langsam kommst du immer näher,

näherst dich mit vorsichtigen Schritten

und tastest dich zu mir hervor.

Du vertreibst sie.

Sie, die dich vor mir versteckt.

Sie, die mich vor dir versteckt.

Sie, die alles im Gleichgewicht hält.
 

Ich erblicke dich.

Mir wird ganz anders.

Deine Aura verzaubert mich.

Du schlägst mich in deinen Bann.

Vorsichtig schließt du deine Arme um mich.

Ich spüre deine Wärme, deine Nähe.

Und gleichzeitig spüre ich deine Kälte, deine Distanz.

Du streichst mir sacht über die Wangen,

wischst mir die Tränen hinfort und förderst andere zum Vorschein.
 

Sacht hauchst du mir deinen Atem entgegen.

Ich spüre ihm am ganzen Leib und erzittere.

Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken,

kleine Blitze durchzucken meinen Körper.

Dein Licht, welches du ausstrahlst, umhüllt mich,

blendet mich.

Es spielt mit meinem Körper und lässt ihn einen Schatten werfen.

Einen Schatten in die nahe Dunkelheit, die nur du allein von mir fernhältst.

Wo Licht ist, ist auch Dunkelheit,

wo Dunkelheit ist, ist kein Platz für Licht.
 

Das Licht, welches du mir spendest ist hell und klar,

rein und unbefleckt.

Der Schatten, den es erzeugt, ist dafür umso dunkler,

frisst mich nach und nach auf.

Schwarz und weiß, hell und dunkel.

Sie verschmelzen wie Licht und Schatten.

Eine Einheit.

Wir sind eins. Wir sind untrennbar.
 

Die Schmerzen, welche du mir bereitest,

die Angst, welche ich vor dir habe,

die Einsamkeit, welche ich deinetwegen ertrage.

Ich will sie nicht. Lass mich.

Ich will zu ihr, die, die für das Gleichgewicht zwischen uns beiden sorgt.

Wie lang bleibt sie fort?

Lass mich nicht warten.

Ich will fort.

Fort aus deiner Umarmung.

Fort von deinen Liebkosungen.

Fort aus deinem Licht.

Fort von dir und aus deinem Bann.
 

Die Schmerzen vergehen, mein Bewusstsein erwacht.

Du lässt von mir ab.

Hast du mein Flehen erhört?

Mir die Gnade erwiesen?

Oder bist du der Folter nur überdrüssig?

Ich spüre dich nicht mehr.

Hast du mich losgelassen? Mich im Stich gelassen?

Bist du einfach davongeeilt und hast mich allein in der Dunkelheit zurückgelassen?
 

Ich sehe sie. Sie kommt näher.

Kniet sich neben mich.

Küsst sanft die Tränen fort, für die du verantwortlich bist.

Sie nimmt mich behutsam in den Arm.

Ich fühle mich geborgen.

Wieder beschützt sie mich.

Beschützt mich vor dir und mir selbst.

So lang, bis du wieder deine Finger nach mir ausstreckst und mich in dein Reich entführst.

So lang, bis es dich wieder nach einem deiner Spielzeuge gelüstet,

mit dem du spielen und das du zerbrechen kannst.

Langsam zerbrechen.

Langsam und in tausend Stücke.
 

Die Sonne kletterte langsam am Horizont empor und tauchte alles in ein zartes Rot. Vögel begannen leise zu zwitschern. Sowohl im Gras, als auch an den Blumen und in den Bäumen hing der frische Morgentau. Die Sonnenstrahlen brachen sich in den kleinen Wassertropfen und wurden gestreut - in so genannte Spektralfarben zerlegt.

Das Sonnenlicht flutete durch die kleinen Spalten zwischen den Brettern. Im Licht tanzten Staubpartikel und kleine weiße Fusel.

Remus öffnete langsam die Augen. Er sah sich um. Es war bereits morgen und die Sonne war bereits aufgegangen. Diesen Alptraum hatte er also überstanden. Er drehte sich auf den Rücken und fuhr sich stöhnend mit den Händen durch das Haar. Sein Körper schmerzte und die Tatsache, dass er auf dem verstaubten Holzfußboden lag, machte die Lage nicht besser. Er setzte sich auf. Nierenprobleme oder eine Lungenentzündung - dank der kalten Dielen - konnte er im Moment nicht gebrauchen. Er sah an sich herab. Seine Kleidung war vollkommen zerrissen. Er war mehr nackt als angezogen. So konnte er keinesfalls zurück in die Schule gehen. Zunächst musste er sich wieder richtig kleiden. Er griff in seine noch intakte Hosentasche, in der er seinen Zauberstab am gestrigen Abend mit sich geführt hatte, musste jedoch feststellen, dass er nicht mehr da war. Er seufzte. Anscheinend hatte er ihn irgendwo im Haus verloren und durfte ihn jetzt suchen.

Er kämpfte sich auf die Beine und begab sich - stark schwankend, viele Reservekräfte hatte er nach dieser Nacht nicht mehr übrig - auf die Suche nach dem verlorenen Stück Holz. Während er das Haus durchstreifte, konnte er sich gleich einen Eindruck von den Ausmaßen seines Treibens machen. Etwas erleichtert stellte er fest, dass der Werwolf kaum gewütet hatte. Anscheinend war er am vergangenen Abend recht milde gestimmt gewesen. In dem ehemaligen Wohnzimmer fand er seinen Zauberstab und mit einem Spruch, den seine Eltern ihm beigebracht hatten, behob er den Schaden an seiner Kleidung. Prüfend strich er über den Stoff und lächelte zufrieden.

"Wie neu."

Auch seine Uhr hatte er repariert, war sie ebenfalls kaputt gegangen. Er warf einen Blick auf sie. Es war kurz vor zehn Uhr. Langsam war es an der Zeit sich auf den Rückweg zu machen, so fand er. Als er den Korridor entlang, zu dem Raum, den erst gestern als allererstes betreten hatte, entlang ging, blieb er vor einem Spiegel, den er in der Dunkelheit übersehen hatte, stehen und begutachtete sich. In seinem Gesicht waren nur leichte Kratzer zu sehen. Das war gut. So würden nicht allzu viele Fragen aufkommen. Der Rest sah jedoch anders aus, was er schon nach dem Aufwachen festgestellt hatte. Zu den alten Narben hatten sich neue hinzugesellt und es wurden immer mehr und mehr. Manchmal fragte er sich wirklich, ob er mehr Narbe oder mehr Mensch war.

"Du kannst auch noch auf dem Rückweg grübeln", ermahnte er sich und forderte sich so zum Gehen auf.

Doch bevor er ging, warf er noch einen Blick in das an eine Bibliothek erinnernde Zimmer und nahm sich eines der Bücher mit, welchem er schon am Abend zuvor mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Flüche&Gegenflüche. Er steckte es unter sein Hemd in den Hosenbund. Dann machte er sich endlich auf den Weg ins Schloss. Sicherlich wartete Madame Pomfrey schon auf ihn.

Unten im Geheimgang war es noch immer pechschwarz. Remus zog seinen Zauberstab.

"Lumos!"

Ein kleiner Lichtkegel, der von der Spitze seines Stabes ausging, erhellte den Tunnel. Nun sollte das Vorankommen kein Problem sein. Das einzige, was er hier unten hörte, waren seine Schritte und deren Echo. Der Gang war recht groß. Sicherlich würde hier auch Hagrid ohne Probleme hindurchpassen, obwohl er so riesig war. Allerdings würde sein Kopf, und da war sich Remus sicher, des Öfteren mit den von der Decke hängenden Wurzeltriebe kollidieren. Nachdem er den Pfad durchquert hatte, würde der Koloss wohl nur noch fluchen. Remus lachte. Er konnte sich diese Szene nur allzu gut vorstellen. Hagrid, der mit hochrotem Kopf unter der Peitschenden Weide hervor kroch. Seine Augen funkelten vor Zorn und in seinen Haaren, die leicht von Erde verdreckt waren, hingen Teile von Wurzeln.

"Armer Hagrid."

Während er selbst damit zu kämpfen hatte, dass er zu klein war, hatte Hagrid Probleme damit so groß zu sein. Wieder stahl sich ein Gedanke in Remus' Überlegungen.

,Ob er ein Riese ist?', grübelte er.

Sein Vater hatte ihm zwar gesagt, dass Riesen wesentlich größer waren, als normale Menschen - Hagrid übertraf sogar Dumbledore, der wirklich hochgewachsen war - doch sollten sie brutal, ungehobelt und grob sein. Und soweit Remus das bis jetzt beurteilen konnte, nannte der Wildhüter keine dieser Charakterzüge sein Eigen. Im Gegenteil. Er war warm, herzlich und nett. Konnte so jemand ein Riese sein? Oder war er einfach nur groß gewachsen?

,Vielleicht gibt es ja auch Ausnahmen. Vielleicht ist er auch nur ein freundlicher Riese.'

Ein etwas anderer Riese. Ja, das konnte Remus sich vorstellen. Schon als er Hagrid das erste Mal am Bahnhof gesehen hatte, hatte er sich gefragt, ob Hagrid ein Riese war oder nicht. Die einfachste Lösung wäre noch immer gewesen ihn zu fragen, doch konnte er das schlecht tun. Solch eine Frage war unhöflich - äußerst privat. Er konnte nicht einfach so zu Hagrid gehen und sagen "Hallo Hagrid. Ich wollte fragen, ob du ein Riese bist oder nicht. Das beschäftigt mich schon eine geraume Zeit." Zum einen wusste er nicht wie sein Gegenüber dann reagieren würde. Ob er ihn aus seiner Hütte bis in den Verlorenen Wald jagen würde oder ob er ihm eine Antwort gestand. Und selbst wenn er letzteres tat, so war keineswegs sicher, ob er Remus die Wahrheit sagen würde. Wenn er ein Riese war, würde er es einem neumalklugen Jungen, wie Remus ein er war, keinesfalls auf die Nase binden.

Der Erstklässler erreichte das Ende seines Weges. Durch den kleinen Spalt zwischen den Wurzeln der Weide drang strahlendes Sonnenlicht hinein. Kleine Partikel wurden sichtbar und tanzten in der Luft.

Remus kletterte nach oben und sah sich zunächst um. Niemand war zu sehen. Er streckte den Arm nach dem Knoten aus und berührte ihn. Fast augenblicklich erstarrte das sonst so wild um sich schlagende Gewächs. Der Schüler vergewisserte sich noch einmal, dass er allein war, bevor aus der Vertiefung hinauskletterte und sich schnellstmöglich von der Weide entfernte. Als er in sicherer Entfernung war, warf er ihr nochmals einen Blick zu - sie begann sich schon wieder in der Sonne zu rekeln - und machte sich dann auf den Weg hinauf zum Schloss. Alles um Remus herum war hell und leuchtete. Die Ländereien lagen in kräftigen Sommerfarben da. Von der klirrenden Kälte der vergangenen Nacht war nichts mehr zu spüren. Die Sonne schien dem Brünetten ins Gesicht und begann seinen steifgefrorenen Körper zu wärmen. Nach und nach wichen Taubheit und Müdigkeit aus seinen Glieder und er hatte heute zum ersten Mal das Gefühl endlich wach zu sein. Er stieg die Treppe empor, die er am vergangenen Abend zusammen mit Madame Pomfrey genommen hatte. Remus schritt durch das Schlossportal - es wunderte ihn, dass hier niemand war, hatte er mit dem Hausmeister, Hagrid oder einem der Lehrer gerechnet - und lief über den Hof. Auch hier befand sich niemand. Nicht einmal ein Schüler. Ob sie noch alle schliefen? Gut, es war Samstag, aber es war kurz nach halb Elf. Er zuckte mit den Schultern. Es konnte ihm ja eigentlich egal sein. Begegnete er niemandem, konnten ihm auch keine dummen Fragen - wie zum Beispiel wo er gewesen war - gestellt werden. Er betrat die Eingangshalle. Seine Miene hellte sich ein wenig auf. Auf den Treppen liefen einige Schüler und erzählten miteinander.

,Ich bin also doch nicht der Einzige', dachte er und machte sich auf den Weg nach oben.
 

Madame Pomfrey öffnete die Fenster in der Krankenstation und ließ frische Luft und die warmen Sonnenstrahlen hereinströmen. Sie atmete tief ein und wieder aus.

"Herrlich!"

Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie wandte sich um und rief ein fröhliches "Herein!"

Die Tür öffnete sich und der junge Lupin betrat das Zimmer. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht.

"Ah, guten Morgen Remus. Ich hatte dich schon früher erwartet."

"Guten Morgen, Madame Pomfrey."

"Wie war deine Nacht?"

"Nicht allzu schlimm."

"Das höre ich gern. Gut, dann will ich mir mal deine Wunden ansehen. Machst du dich bitte frei? Alles bis auf die Unterhose, okay?"

Remus nickte. Während Madame Pomfrey im Nebenzimmer verschwand und die Materialien für die Behandlung des Gryffindors holte, tat er was ihm geheißen wurde. Er legte seine Kleidung auf einen Stuhl und kurz drauf kehrte die Krankenschwester mit einer Metallschüssel zurück, die sie auf einem Nachtisch abstellte. Remus warf einen Blick hinein. In der Schale befanden sich mehrere kleine Fläschchen, eine Tasse, ein Löffel, Desinfektionsmittel, Wattebäusche und mehrere Lappen und ein Handtuch. Madame Pomfrey begutachtete ihren Patienten.

"Das sind keine schlimmeren Verletzungen", erklärte sie und lächelte ihn aufmunternd an. "Ich desinfiziere sie und dann gebe ich dir einen Trank, der sie schnell heilen sollte. Wenn du möchtest, dann mische ich dir noch ein paar Zutaten mit hinein, die zur Hauterneuerung führen."

"Und das heißt?"

Remus war sichtlich irritiert. Hauterneuerung? Sollte das vielleicht heißen-? Spielte sie vielleicht darauf an-? Seine Augen funkelten.

"Die Narben auf deinem Rücken verschwinden zum größten Teil. Ich dachte mir, dass du sie vielleicht loswerden möchtest."

"Das können Sie wirklich?", rief der Brünette begeistert und nickte sofort. "Ja bitte. Tun Sie das!"
 

Nachdem die Krankenschwester den Trank angerührt hatte, begann sie die Wunden des Schülers - Remus hatte auf einem Stuhl Platz genommen - zu säubern. Immer wieder zuckte er zusammen, da das Desinfektionsmittel brannte und seine Haut reizte. Während sie arbeitete, berichtete sie ihm vom vergangenen Abend.

"Gestern waren deine Freunde bei mir."

"Meine Freunde?", fragte Remus verwirrt.

Bis jetzt hatte er doch noch nicht wirklich einen Freund gefunden, oder etwa doch? Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein - er hatte es sich mit Severus, Lily und den anderen gründlich verscherzt. Als Remus' Freund würde sich doch niemand freiwillig bezeichnen.

"Ja. Einige Gryffindors. Wenn ich mich nicht irre waren zwei davon der junge Black und der junge Potter."

"Sirius und James? Und die anderen?"

"Auch aus Gryffindor."

"Peter und Davy?"

"Ja genau. Pettigrew und Gudgeon. Die vier wollten dich besuchen, aber ich habe ihnen gesagt, dass ich im Moment niemanden zu dir lasse, da dein Zustand nicht der allerbeste ist. Und heute morgen waren sie noch mal da. Ich sagte, du schliefest noch. Wer weiß, vielleicht tauchen sie bald noch mal auf."

Remus war wie vor den Kopf geschlagen. Die vier hatten ihn besuchen wollen? Hatten ihn freiwillig besuchen wollen? Er konnte es kaum glauben. Erst zerstritten sie sich, dann sagte Remus ihnen - zumindest James und Sirius - die Meinung, dann entschuldigten sie ihn bei Madame Hooch und im Unterricht und jetzt besuchten sie ihn auch noch auf der Krankenstation. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er wusste nicht mehr, was er von der ganzen Sache halten sollte, hatte er doch gedacht, dass sie ihn auf den Tod nicht leiden konnten - und jetzt das.
 

Nachdem er sich angezogen hatte, reichte Madame Pomfrey ihm die Tasse mit dem Trank.

"Trink alles aus."

Wieder folgte er gelehrig den Anweisungen und leerte das Gefäß. Er verzog den Mund leicht. Die Mixtur war bitter - äußerst bitter. Er hasste diesen Geschmack und hatte ihn noch nie gemocht.

Die Krankenschwester räumte die Sachen wieder zusammen.

"Du kannst jetzt wieder gehen. Der Trank müsste bis heute Abend seine volle Wirkung entfaltet haben."

Sie grinste verschmitzt.

"Vorm nächsten Vollmond will ich dich hier nicht sehen."

Remus schmunzelte ebenfalls.

"Ich denke, dass sich das arrangieren lässt."

Er verabschiedete sich von ihr und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Im Treppenhaus herrschte reges Treiben. Eine Flut von Schülern strömte ihm entgegen und machte ihm das Vorankommen sichtlich schwer. Wo wollten sie nur alle hin? Er warf einen Blick auf seine Uhr. Die Zeit war wie im Fluge vergangen und inzwischen war es kurz nach Zwölf. Zeit für's Mittagessen. Jetzt wusste er auch, wo die anderen alle so schnell hinwollten. Ihre Mägen waren hungrig und trieben sie in die Große Halle. Erst jetzt bei dem Gedanken an Essen wurde Remus endlich bewusst, was auch er für einen Hunger hatte. Sein Magen knurrte gefährlich und drängte ihn so schnell wie möglich etwas Essbares zu sich zu nehmen. Er seufzte. Gut - ging er eben erst einmal etwas essen bevor er sich in den Gryffindorturm begab. Allerdings konnte er sich nicht allzu viel Zeit lassen. Immerhin hatte er mehrere Unterrichtsstunden verpasst und musste sie dringend nachholen, wollte er den anderen nicht von Anfang an nachstehen. Zu dem Unterrichtsstoff gesellten sich außerdem die Hausaufgaben, die sie in den verschiedenen Fächern zwangsläufig aufbekommen haben mussten. Remus bezweifelte stark, dass die Lehrer ihnen ein erholsames Wochenende ohne eine einzige Hausaufgabe beschert hatten.

Er seufzte.

"Das wird ein langer Tag."
 

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1.Akt, Kap.VI - Ende

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1.VII.Hausaufgaben machen Freu(n)de

Kurz zu dem Gedicht von letztem Mal. Weiß nicht, ob es verständlich war oder nicht. Es ging um Remus (ich), den Mond (du) und die Sonne (sie). Kurz gesagt: Remus leidet unter dem Mond und den Verwandlungen und die Sonne erlöst ihn jedes Mal. Allerdings weiß er, wenn er die Schmerzen spürt, das er noch am Leben ist. Naja, so ähnlich. Die ganz kurze Variante: ich war zu faul die Verwandlung ausführlich zu beschreiben.^^'''
 

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1.Akt: Kapitel VII: Hausaufgaben machen Freu(n)de

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In der Großen Halle herrschte bereits reges Treiben, als Remus diese betrat. Wie immer schwappten ihm Wellen aus Gelächter, Getuschel und Gezeter entgegen. Er ging am Gryffindor-Tisch entlang und suchte nach einem freien Platz.

"Remus!", rief eine ihm bekannte Stimme.

Er ließ seinen Blick am Tisch entlang wandern und fand auch die Person, der sie gehörte. Sirius lächelte ihn an. Neben ihm war noch ein Platz frei. Remus zögerte nicht lang und gesellte sich zu ihm und den anderen Erstklässlern.

"Endlich wieder fit?", fragte der Schwarzhaarige und Remus konnte nur nicken, da schon die nächsten Sätze wie Wellen über ihm zusammenschlugen.

"Wir waren zweimal bei dir", meinte James vorwurfsvoll. "Aber Pomfrey hat uns kein einziges Mal zu dir gelesen. So eine Schreckschraube!"

"Das ist sie nicht!", warf Remus protestierend ein. "Sie ist eine gute Krankenschwester."

"Ja und?"

James schien nicht sehr beeindruckt von diesem Argument.

"Deshalb hätte sie uns trotzdem zu dir gehen lassen können. Immerhin hast du doch keine ansteckende Krankheit oder so."

Ansteckende Krankheit? Aber handelte es sich hierbei nicht um eine Art ansteckende Krankheit? Im übertragenen Sinne.

"Hast du dich da oben denn nicht gelangweilt?", fragte Peter mit vollem Mund. "Hattest doch nichts zu tun."

"Ich hab gelesen", gab der Brünette zurück.

"Gelesen?", fragte Davy skeptisch und biss von seinem Essen ab. "Die ganze Zeit? Das ist doch stinklangweilig."

Remus lächelte milde.

"Ich lese nun mal gern, von daher war es für mich nicht so langweilig wie du denkst. Außerdem hat sie ganz interessante Bücher."

"Ach ja? Was denn für welche?"

"Allerhand über Medizin", antwortete Remus. Eigentlich war das in einer Krankenstation ja selbstverständlich. "Über Zaubertränke, Flüche, Geschichte, Verwandlungen und wie man sie rückgängig macht und so. Eben Bücher zur Behandlung."

"Klingt ja wirklich spannend", murmelte Davy mit nicht gerade begeistertem Unterton.

Nun meldete Sirius sich wieder zu Wort: "Du hast echt was verpasst! In Zauberkunst hat Snapy sich beweisen wollen, der Idiot. Er hat seinen Federkiel in eine Schlange - eine Würgeschlange, 'ne Boa Contrictor - verwandelt, es dann aber nicht geschafft sie wieder zurückzuverwandeln. Das Vieh ist auf ihn losgegangen und hat ihn fast erwürgt! Und als Flitwick sie zurückverwandelt hat, hat die Feder Snape durchgekitzelt - die ganze restliche Stunde lang. Flitwick meinte nur, dass die Nebenwirkungen sicherlich nicht lange anhalten würden. Snape hat fast angefangen zu heulen, weil er sich das Lachen verkniffen hat. Hättest du sehen müssen!"

Die vier Jungs brachen in schallendes Gelächter aus, nur Remus konnte sich nicht wirklich an Severus' Leid ergötzen. Ein schwaches Lächeln war alles, was er zustande brachte. Wie konnte er sich denn über den Schwarzhaarigen lustig machen? Er hatte doch gar kein Recht dazu. Zwar war der Slytherin ihm gegenüber seit ihrer Ankunft abweisend gewesen, doch hatte Remus ihn noch immer nicht nach dem wahren Grund gefragt. Noch immer glaubte der Brünette an den guten Teil in Severus. Er würde mit ihm sprechen - ihn zur Rede stellen müssen, um Genaueres zu erfahren - um endlich Klarheit in die Sache zu bringen. So konnte es einfach nicht weitergehen.

Remus ließ seinen Blick am Tisch entlang wandern und verweilte bei Lily. Sie saß bei einigen Mädchen und unterhielt sich mit ihnen. Sie schien sich beobachtet zu fühlen, sah sie sich irritiert um. Als sich die Blicke der beiden Gryffindor trafen, wandte die Rothaarige sich gleich wieder ab. Sie war anscheinend noch immer sauer auf Remus und dachte nicht daran sich so schnell mit ihm zu versöhnen. Er seufzte. Was hatte er ihr denn getan? Er hatte ihr lediglich gezeigt, dass auch sie nicht so objektiv war, wie sie es dacht, es von anderen verlangte. Das auch sie in manchen Fällen nur schwarz-weiß und kein Grau sah.

,Man sollte den Menschen eben das, was sie nicht sehen wollen, auch nicht zeigen', dachte er bitter, war es keineswegs seine Absicht gewesen sich mit ihr zu zerstreiten.

Er sah sich weiter um. Andromeda saß ebenfalls zwischen mehreren Mädchen und schien angeregt mit ihnen über etwas zu diskutieren. Sie strich sich das lange Haar aus dem Gesicht und lachte über eine Bemerkung. Remus' Herz machte einen kleinen Sprung bei dieser Szenerie. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Bereits als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er nicht gewusst, was genau es gewesen war, dass ihn so in ihren Bann gezogen hatte. Auch die rothaarige Gryffindor hatte solch eine Wirkung auf ihn. Er konnte sich einfach nicht erklären, was diese beiden Mädchen an sich hatten, dass sie solch einen Eindruck bei ihm hinterließen.

Remus wandte sich wieder seinem Essen zu und musste feststellen, dass er seinen überladenen Teller schon fast geleert hatte. Dennoch verspürte er noch immer kein Sättigungsgefühl. Neue Köstlichkeiten erschienen und er begann nun bewusst zu essen.

"Du langst ja ganz schön zu", meinte Sirius und lachte, als er sah, dass Remus seine zweite Portion zum Großteil verinnerlicht hatte.

Der Brünette lief leicht rot an, war ihm das doch ein wenig peinlich.

"He, jetzt lass ihn doch", meinte James und lachte ebenfalls. "Wenn er viel isst, heißt das, dass er überm Berg ist. Ist doch auch was."

Der junge Lupin legte sein Besteck auf den Teller.

"Ich glaube, ich gehe jetzt."

"Wieso? Wo willst du hin?", fragte James verständnislos. "Wenn wir dich nerven, dann hören wir auch auf."

Ein Grinsen stahl sich in das Gesicht des Schwarzhaarigen.

"Ich kann auch ein paar Peinlichkeiten von unserem werten Herrn Black zum Besten geben."

"Untersteh dich!", knurrte dieser und kam damit einem bissigen Hund gleich.

James grinste und forderte seinen Freund regelrecht heraus.

"Nein, ihr stört mich nicht", warf Remus schnell ein, um die Gemüter zu besänftigen. "Ich muss nur den Stoff nacharbeiten und das wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen."

"Du kannst gern von mir abschreiben", meinte Peter. "Meine Sachen liegen auf meinem Bett."

"Danke."

Remus lächelte.

"Bis später."

Er stand auf und verließ die Große Halle.
 

Gegen acht Uhr abends kehren die Erstklässler Gryffindors in den Gemeinschaftsraum zurück. Sie hatten den Tag auf den Ländereien Hogwarts verbracht und ihrer Mannschaft beim Quidditch-Training zugesehen. Eigentlich begann die Saison erst Mitte-Ende November, doch Übung hatte das derzeitige Team Gryffindors allemal nötig. Das hatten James und die anderen auf den ersten Blick gesehen. Sowohl der junge Potter als auch der junge Black hatten sich ihre spöttelnden Kommentare nicht verkneifen können. Glücklicherweise waren diese für die Spieler auf ihren Besen - hoch oben in der Luft - nicht hörbar gewesen, hätten sie den Elfjährigen sonst die Leviten gelesen.

"Die Jäger sind zu überhaupt nichts zu gebrauchen", beschwerte sich James. "Andauernd haben sie den Quaffel fallen lassen und ihre Trefferquote liegt bei Null Komma Null."

"Und die Treiber sind Hänflinge", kommentierte Sirius ebenso mürrisch. "Richtige Schwächlinge. Die Klatscher haben sie doch andauernd fast von ihren Besen befördert. Und das, obwohl sie sie mit ihren Schlägern zurückschlagen wollten. Was für Versager."

"Und der Sucher erst!", warf nun seinerseits James ein. "Was der für dicke Brillengläser hat. Eine echte Blindschleiche! Wie konnte McGonagall nur so eine miserable Mannschaft aufstellen? Der einzig vernünftige Spieler ist der Hüter. Aber mit einem Spieler kann man nicht gewinnen. Kein Wunder, dass Gryffindor schon fünf Jahre in Folge die Letzten im Quidditch waren."

"Zu blöd, dass McGonagall keine Erstklässler will. Wenn wir mitmischen würden, dann würden sich unsere Chancen auf den Pokal im Nu verdoppeln."

James nickte zustimmend. Sirius hatte vollkommen recht. Die beiden waren gut im Quidditch, das wusste er genauso gut wie Sirius. Doch was brachte ihnen das, wenn sie nicht in der Mannschaft waren? Sicher war dieser Sport einer der gefährlichsten in der Zaubererwelt und Verletzungen waren an der Tagesordnung, doch wieso sollten sie denn nicht mitspielen dürfen. Sowohl Madame Hooch, als auch Professor McGonagall hatten sich auf besagte Verletzungsgefahr bezogen und sie daher abgewiesen, aber war das nicht ungerecht?! So einen großen Unterschied machte es nun auch nicht, ob sie bereits als Erstklässler dem Team angehörten oder als Zweit- oder Drittklässler. Beide waren sie über dieses Urteil keineswegs erfreut. Seit dem sie das Spielfeld verlassen hatten, konnte sie über nichts anderes als diese Ungerechtigkeit reden und urteilen.

Peter und Davy dagegen hörten ihnen nur unbeteiligt zu und versuchten sie zu beruhigen, was jedoch fehl schlug.

"Was meint ihr", begann Peter und versuchte so das Gesprächsthema zu ändern, "wie weit Remus ist? Beim Abendessen war er nicht."

"Ob er die ganze Zeit über an dem Schulkram saß?", grübelte Davy.

"Sieht so aus", gab James zur Antwort und lächelte sanft.

"Wie?"

Davy war sichtlich verwirrt. Der Schwarzschopf deutete auf einen der Sessel. Dort saß Remus friedlich schlummernd. Auf dem Tisch vor ihm lagen duzende von Pergamenten und Büchern, ein Tintenfass und in der Hand des Brünetten befand sich die Feder. Er lag mit dem Kopf auf den Armen - und diese auf einigen Schriftstücken ruhend - auf dem Tisch. Die Jungen traten näher und musterten ihn, wobei sie alle zu lächeln begannen. Remus' Atem war langsam und regelmäßig. Sein Gesicht war vollkommen entspannt. Er machte einen friedlichen, unschuldigen Eindruck.

"Sollen wir ihn wecken?", fragte Peter leise, doch Sirius schritt schon zur Tat.

Er rüttelte den Jüngeren sanft an der Schulter.

"He, aufwachen", sagte er mit leiser Stimme.

Remus begann zu murren und zu bewegen. Langsam hob er seinen Kopf und blickte verschlafen in die Runde, nicht wirklich realisierend, wo er war und wer vor ihm stand. Er gähnte herzhaft und rieb sich den Schlaf aus den Augen - dann blinzelte er einige Male und sah die vier Jungs verwundert an.

"Was macht ihr denn hier? Wie spät ist es?"

"Kurz nach Acht", antwortete James.

"Was?! So spät schon?!"

Damit hatte er nicht gerechnet. Wieso war es schon Abend? War es nicht gerade eben erst noch vier Uhr gewesen. Stöhnend griff er sich an den Kopf und fuhr mit der Hand durch sein zerwühltes Haar.

"Oh Mann. Ich bin eingeschlafen."

"Kein Wunder, wenn du dich Halsüberkopf in den Schulkram stürzt. Ich wäre auch eingenickt."

Sirius grinste ihn über das gesamte Gesicht hinweg a, doch er fand es keineswegs lustig.

"Ich muss den ganzen Kram noch abschreiben und die Hausaufgaben hab ich auch nicht wirklich angefangen. Das schaff ich nie."

"Dann helfen wir dir eben", gaben der Blondschopf und die zwei Schwarzhaarigen synchron zurück.

Sie sahen sich einen Moment schweigend an, bevor sie in lautes Gelächter ausbrachen. Lediglich Davy stimmte nicht mit ein, hegte er keinesfalls den Wunsch Remus bei irgendwelchen Hausaufgaben zu helfen. Wieso auch? War er ihnen nicht äußerst unfreundlich entgegengekommen? Hatte er ihnen nicht gesagt, dass sie sich nicht in seine Angelegenheiten einmischen sollten? Ja, so war es gewesen. Und Davy sah gar nicht ein, wieso er es also doch tun sollte. Nur verstand er die anderen ebenso wenig. Wieso waren sie plötzlich so nett zu dem Brünetten? Erst zogen sie ihn auf und jetzt das. Er verstand die Welt nicht mehr.

"Hör zu", sagte James und zog die Aufmerksamkeit der anderen Jungen auf sich. "Wir machen für dich die Hausaufgaben und du ruhst dich aus. Ich finde, du solltest dich nicht gleich von vornherein überanstrengen. Ich glaube Pomfrey hätte auch was dagegen, wenn du dich gleich so mit Arbeit zuschütten lässt. Meint ihr nicht auch?"

Er sah in die Runde. Sirius und Peter nickten. Davy enthielt sich und Remus machte einen unglücklichen Eindruck.

"Das kann ich nicht annehmen. Ich kann euch doch nicht noch meine Hausaufgaben zumuten."

Der junge Lupin wollte den anderen Erstklässlern keinesfalls etwas schuldig sein, zumal sie ja noch nicht einmal... Er verbot sich den Gedanken zuende zu denken. Nein, er konnte sie keinesfalls einfach so schamlos ausnutzen.

"He, das machen wir gern. Sieh es als eine Entschuldigung an", erwiderte Sirius und lächelte.

"Entschuldigung?"

Remus verstand nicht ganz. James legte Sirius eine Hand auf die Schulter und grinste.

"Naja, dafür, dass wir so große Hornochsen waren und dich aufgezogen haben. Wir würden dein Angebot gern annehmen. Stimmt's Sirilein?"

Der Angesprochene sah James scharf an.

"Wie war das?!", zischte er.

"Wir würden sein Angebot gern annehmen, habe ich gesagt. Also Sirius?"

Dabei überbetonte er das Sirius, welches nun recht genervt klang. Sirius sah ihn noch immer verärgert an, wandte seinen Blick - welcher sich augenblicklich aufhellte - dann jedoch zu Remus.

"Ja, das würden wir gern", stimmte er seinem Freund zu.

Für einen kurzen Moment war der braunhaarige Gryffindor sprachlos. Hatte er da gerade eben richtig gehört? Hatten sich die beiden Sturköpfe wirklich - jetzt und in diesem Augenblick - bei ihm entschuldigt? Meinten sie es wirklich ernst? Hatten sie ihm gerade wirklich die Freundschaft angeboten? War das diesmal auch kein Scherz ihrerseits? Und hatte er sich auch wirklich nicht verhört? Er sah unsicher vom einem zum anderen - sein Blick fragend, zweifelnd und gleichzeitig erwartend - doch sie lächelten ihn noch immer freundlich an und warteten auf eine Reaktion seinerseits. Sie meinten es also ernst. Sie meinten es wirklich ernst mit ihm! Remus begann vor Freude zu strahlen. Eine seltsame, aber angenehme Hitze durchflutete seinen Körper und seine Wangen färbten sich leicht rot.

"Wirklich?", war das einzige, was er über seine Lippen brachte. "Meint ihr das wirklich ernst?"

Er konnte es noch immer nicht glauben.

"Kein Witz?"

James und Sirius lachten.

"Kein Witz!", antworteten sie gleichzeitig und sahen ihn nun noch erwartender an.

"Ja, klar. Ich...also, ähm..."

Remus war sprachlos. Er wusste vor lauter Freude nicht, was er sagen sollte. Die beiden Reinblüter lächelten einander an. Wie Remus da so unsicher und ratlos vor ihnen saß, war einfach zu niedlich. Sie sahen sich mit unmerklich geweiteten Augen an. Hatten sie das beide gerade wirklich gedacht? Anscheinend schon. Sie grinsten sich an und brachen in schallendes Gelächter aus. Wie bizarr! Jetzt dachten sie sogar schon das selbe.

"Aber stimmt doch, oder?", fragte Sirius, als er sich wieder beruhigt hatte.

James warf einen kurzen Blick auf Remus, der noch immer mit geröteten Wangen im Sessel saß und sie nun mit großen, runden, fragenden Augen ansah. Er nickte zustimmend.

"Und wie!"

Wieder lachten sie. Remus selbst verstand nur Bahnhof. Wieso lachten sie? Hatte er etwas falsches gesagt? Hatte er etwas lustiges von sich gegeben und wusste selbst nicht, was genau es gewesen war?

"Was stimmt? Was ist so komisch?", fragte er schließlich. "Erklärt's mir! Ich versteh es nicht!"

Doch alles, was er zur Antwort bekam, war ein leichtes Kopfschütteln James', der eine Hand auf Remus' Schulter legt.

"Nicht so wichtig."

Er beugte sich über den Tisch und nahm die Schulsachen Remus'.

"He, wo willst du damit hin?", fragte dieser, als der Schwarzhaarige mit den Schreibutensilien Richtung Gemeinschaftsraum verschwand.

"Wir machen das für dich", gab er zurück. "Ruh dich aus."

Damit waren er und die anderen auch schon nach oben verschwunden. Remus sah ihnen verwirrt hinterher - ließ sich jedoch lächelnd zurückfallen und starrte in das knisternde Feuer, welches im nahe gelegenen Kamin brannte.

"Ihr seid wirklich eine Klasse für euch", murmelte er und schloss für einen Moment seine Augen.

Sein gesamter Körper war von einer wohltuenden Wärme erfüllt, die er nicht allein dem Feuer verdankte. Hauptsächlich trugen der junge Potter und der junge Black den Verdienst daran. Zum ersten Mal fühlte sich Remus hier in Hogwarts wirklich zuhause. Bis vor wenigen Minuten hatte er zwar den Schutz der Burg verspürt, doch erst jetzt hatte er das Gefühl hierher zu gehören. Das Gefühl einer unerträglichen Leere und Einsamkeit - Dinge, die er in der letzten Nacht nur allzu deutlich am eigenen Leib erfahren hatte - waren dem der Geborgenheit gewichen. Es kam ihm so vor, als sei mit diesen wenigen Worten eine zentnerschwere Last von ihm gefallen. Ja, es war fast wie... Remus öffnete seine Augen und sah sich im Gemeinschaftsraum um. An den anderen Tischen saßen weitere Gryffindor-Schüler und schwatzten miteinander. Diesmal kam es ihm nicht so vor, als sprachen sie über ihn. Was so wenig Worte doch für eine Wirkung hatten. Er lächelte. Ja, Hogwarts... Hogwarts würde von nun an sein zweites Zuhause sein. Zwar würde es hier sicherlich noch zu einigen Streitigkeiten kommen und alles nicht so laufen, wie er es sich erhoffte, doch mit Freunden wie James und Sirius es waren, konnte doch eigentlich gar nichts mehr schief gehen.

Er ließ sich ein wenig tiefer in den Sessel sinken und schloss seine Augen erneut. Er lauschte dem Knistern des Feuers und den anderen Schülern, die teilweise über ihren Hausaufgaben brüteten.

"Weißt du schon, was du in den Weihnachtsferien machst?", fragte ein Mädchen mit munterer Stimme.

"Wahrscheinlich zu meinen Eltern fahren", erwiderte ein anderes. "Vielleicht fahren wir auch zu meinen Verwandten. Weihnachtsessen ist bei uns Tradition, aber..."

Weihnachten? Wieso machten sie sich denn jetzt schon Gedanken über Weihnachten? Es waren noch gute drei Monate - ein viertel Jahr. Der Herbst hatte noch nicht einmal begonnen, geschweige denn der Winter. Wie konnten sie da nur schon über Weihnachten reden? Zwar waren die Weihnachtsferien die nächsten Ferien nach dem Sommer, doch hatten sie noch nicht einmal eine Schulwoche hinter sich gebracht.

"Aber Weihnachten mit deinen Verwandten, ist das nicht immer so langweilig?"

"Ja, schon. Meine Eltern sind richtige Spießer und meine Tanten und Onkel sind auch nicht besser. Aber wenn ich Glück habe, dann bekomme ich noch Herrenbesuch."

"Oh, wer ist denn der Glückliche?"

Remus öffnete seine Augen wieder und sah zu den beiden Plappermäulern. Wie konnte man nur so schlecht von seiner Familie reden? Waren bei manchen Familien die Verhältnisse wirklich so schlecht? Spießer - so hatte er seine Eltern noch nie bezeichnet. Anscheinend hatte das Mädchen keinen allzu guten Draht zu ihrem Vater und ihrer Mutter beziehungsweise anders herum.

Plötzlich fiel ihm wieder etwas ein. Er schob seine Hand in seine rechte Hosentasche und holte einen gefalteten und zerknitterten Briefumschlag heraus. Das Schreiben seines Vaters. Das hatte er vollkommen vergessen. Hatte Mr.Lupin ihn doch darum gebeten, ihn über die letzten Ereignisse und den Vollmond in Kenntnis zu setzen. Sicherlich warteten sie schon voller Ungeduld auf seinen Brief. Seine Mutter lief wahrscheinlich aufgeregt hin und her und sah immer und immer wieder zum Fenster, in der Hoffnung Remus' Eule Cassandra zu sehen und endlich eine Nachricht von ihrem Sohn zu erhalten.

Remus lächelte. Wie sehr sie sich immer um ihn sorgte. Sie behandelte ihn wie etwas Zerbrechliches, das schon bei der geringsten Berührung zerbarst.

Er setzte sich aufrecht hin, nahm Pergament und Feder - deren Kiel er in das Tintenfass tauchte - zur Hand und hielt kurz inne. Was genau sollte er den beiden denn schreiben? Alles? Nein, das konnte er unmöglich, würde dies seine Mutter keinesfalls beruhigen. Seine kleinen Auseinandersetzungen mit Malfoy würde er schon selbst irgendwie bewältigen müssen. Und die Sache mit Lily und Severus war ebenfalls noch nicht geklärt. Somit war es besser auch davon nichts zu schreiben. Nach einigen Überlegungen tauchte er den Kiel erneut in die schwarze Tinte und begann zu schreiben.
 

Liebe Mum, lieber Dad,

Entschuldigt, dass ich euch so lange auf eine Antwort

meinerseits habe warten lassen, allerdings war ich ein wenig

beschäftigt und habe nicht eher Zeit gefunden.

Ich habe mich hier in Hogwarts schon relativ gut eingelebt.

Sicherlich kann ich nach nicht einmal einer Woche noch nichts

Genaues sagen, aber eines schon. Hogwarts ist eine

fantastische Schule und ein atemberaubender Ort. Als ich mit

dem Hogwarts-Express hier angekommen bin, konnte ich es

zu Beginn kaum glauben, dass ich hier zur Schule gehen soll.

Ich glaube, ihr versteht, was ich damit sagen will, da es euch

sicherlich an eurem ersten Schultag nicht anders ergangen ist.

Der Vollmond war nicht allzu schlimm. Der Himmel war zwar

sternenklar, nichts desto trotz ist es nicht halb so schlimm

ausgefallen, wie ich es befürchtet hatte.

Die Verwandlung hat auch kein Problem dargestellt. Professor

Dumbledore hat an alles gedacht. Madame Pomfrey, die

Krankenschwester in Hogwarts, hat sich heute morgen um

mich gekümmert. Die Verwandlung und so weiter waren

eigentlich nicht das Problem der ganzen Sache. Viel mehr die

Unterrichtsstunden, die ich verpasst habe und wo ich den

Stoff nachholen musste. Ich hätte nicht gedacht, dass sie uns

gleich für das erste Wochenende so viele Hausaufgaben

aufgeben würden. Zum Glück helfen mir die anderen aus

meinem Schlafsaal dabei.

James und Sirius sind übrigens auch mit in Gryffindor - in

meinem Schlafsaal um genau zu sein. Waren ihre Väter

auch solche Sturköpfe?
 

Ich werde euch auf dem Laufenden halten. Macht euch also

keine Sorgen um mich. Vor allem du, Mama! Nur weil ich nicht

sofort antworte, heißt das noch lange nicht, dass ich tot

umgefallen bin. Du kannst beruhigt sein.
 

Euer Remus
 

Remus legte die Feder beiseite und las sich den Brief noch einmal durch. Er nickte. Ja, so konnte er ihn lassen. Zwar war er nicht unbedingt das, was er seinen Eltern hatte schreiben wollen und war auch etwas respektlos geraten, aber er würde sie damit zufrieden stellen und seine Mutter - und somit auch sein Vater - würde endlich wieder ruhig schlafen können.

Er kramte zwischen den restlichen Blättern, die die anderen nicht mit nach oben genommen hatte, nach einem Briefumschlag suchend, jedoch nicht fündig werdend.

,Dann muss ich ihn eben so abschicken', dachte er, wobei er das Schriftstück mehrere Male zusammenfaltete und sowohl Adresse als auch Absender hinauf schrieb. Er legte die Feder beiseite und stand auf, fiel jedoch in den Sessel zurück, als ihm etwas gravierendes einfiel. Wie sollte er einen Brief verschicken, wenn er nicht wusste, wo seine Eule war? Wo hatten sie Cassandra und die anderen Eulen und Käuze untergebracht? Irgendwo im Schloss mussten sie sein. Katzen, Frösche und anderes Kleingetier blieben bei ihren Besitzern. Aber wie war das mit Vögeln? Jemand musste sich doch um sie kümmern. Ob Hagrid für sie zuständig war? Ja, das beste war wohl, wenn er den Hünen fragen würde. Dieser würde ihm sicherlich weiterhelfen können.

Er warf einen raschen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor neun Uhr. Ihm als Erstklässler war es untersagt den Gemeinschaftsraum nach acht Uhr abends noch einmal zu verlassen. Remus haderte mit sich selbst. Was sollte er tun? Sollte er bis zum nächsten Morgen warten und sich dann auf die Suche nach Hagrid begeben oder sollte er jetzt noch einmal nach draußen gehen und es riskieren erwischt zu werden? Und wie würde der Koloss reagieren, wenn plötzlich im Dunkeln ein Erstklässler vor ihm steht? Andererseits warteten seine Eltern ungeduldig auf eine Nachricht von ihm. Also was tun?

Er seufzte. Sein Entschluss stand fest. Der Brünette stand auf, warf sich seinen Umhang - der über der Lehne gelegen hatte - über und machte sich mitsamt dem Brief auf den Weg.

Er trat durch das Porträtloch nach draußen und eilte mit leisen, schnellen Schritten den Korridor entlang.

,Hoffentlich sieht mich niemand', dachte er inständig, während er weitere Korridore durchquerte. Durch das Fenster flutete das spärliche Tageslicht, welches kaum mehr vorhanden war. Remus warf einen Blick nach draußen. Am Horizont kämpfte ein dünner rotorangegelber Streifen gegen die einbrechende Nacht, die bereits den Großteil des Himmels eingenommen hatte. Je weiter man sich dem Zenit näherte, desto dunkler wurde das Blau und verlor sich schließlich in einem tiefen Schwarz. Die Sterne hoben sich immer deutlicher ab und der Braunschopf hätte schwören können eine kleine Sternschnuppe gesehen zu haben. Er wandte sich vom Fenster ab und ging weiter. Allzu viel Zeit würde er sich nicht lassen können. Zehn Uhr hatten die älteren Jahrgänge ebenfalls Ausgehverbot und somit würden die Lehrer ihre Kontrollgänge verschärfter durchführen. Dann würde es um einiges schwieriger sein wieder unbemerkt in den Gemeinschaftsraum zu gelangen. Die Chance gefunden zu werden vergrößerte sich mehr und mehr, je länger er herumtrödelte - also war Eile geboten.

Es stellte sich als nicht gerade einfach heraus, unbemerkt durch Hogwarts zu schleichen. Wenn nicht gerade die Lehrer unterwegs waren, kreuzten ältere Schüler - meist Vertrauensschüler, die es garantiert nicht abwarten konnten Streunern, wie Remus es im Moment war, Hauspunkte abzuziehen, einige Strafarbeiten aufzuhalsen und damit in arge Schwierigkeiten zu bringen - seinen Weg. Es gelang ihm, sich zum Treppenhaus vorzukämpfen. Dort angekommen warf er einen Blick nach unten. Es ging tief hinunter, die Eingangshalle konnte er nicht erkennen. Aber er hatte Glück. Niemand kam die Treppe hinauf. Nichts desto trotz hielt er sich dicht an der Wand, um nicht sofort gesehen zu werden. Bei jeder Etage hielt er inne und überzeugte sich von Neuem, dass ihm niemand entgegen kam.

Unten in der Eingangshalle angekommen - die ebenso verwaist dalag, wie das Treppenhaus - hörte er, wie sich das große Eichenportal knarrend öffnete und jemand mit schnellen Schritten auf ihn zukam. Er versteckte sich hinter einer riesigen Säule und drückte sich tief in ihren Schatten, in der Hoffnung, nicht gesehen zu werden. Er fuhr zusammen, als er Professor Redwing - die Lehrerin für das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste - an sich vorbeieilen sah. Ihr Gesicht hatte im Schein der Kerzen einen makaberen Ausdruck angenommen, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

"Professor Redwing?"

Eine tiefe, raue und recht unfreundliche Männerstimme durchdrang die Stille. Wieder war Remus zusammengezuckt. Diese Schreckhaftigkeit war einfach grausam, doch wenn man bedachte, dass er hier gegen die Schulregeln verstieß - indem er sich noch nach der Sperrstunde im Schloss herumtrieb - konnte man sie nur allzu gut nachvollziehen - saß die Angst des entdeckt Werdens zu tief in seinen Knochen. Die Professorin hielt abrupt in der Bewegung inne und wandte sich um. Remus sah, dass sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete. Aber wen sah sie an? Er konnte ihren Gegenüber aus seiner momentanen Standposition nicht erkennen.

"Guten Abend, Professor."

Wieder ertönten Schritte - stumpfe, schwerfällige. Wieder sank dem jungen Gryffindor das Herz tiefer, als er die Person sah, welche Professor Redwing begrüßt hatte.

"Guten Abend, Fiona", erwiderte Professor Novis.

Seine Stimme klang nun ein wenig sanfter, als bei seinem ersten Satz.

"Was kann ich für Sie tun?", fragte die Angesprochene.

"Eher anders herum", entgegnete Novis nüchtern.

"Ach, entschuldigen Sie. Ich hatte es ganz vergessen. Haben Sie sich extra die Mühe gemacht und nach mir gesucht?"

Sie lächelte ihn entschuldigend an.

"Verzeihen Sie, dass ich Ihnen solche Umstände mache."

"Nicht der Rede wert", antwortete er. "Eigentlich war ich gerade auf dem Weg in die Bibliothek. Es war also vielmehr Zufall, dass ich Sie getroffen habe."

Die Professorin lachte.

"Na wenn das so ist. - Ich wollte mit dem Direktor sprechen. Wenn Sie wollen, könnte ich Sie ein Stück begleiten. Beziehungsweise Sie begleiten mich ein Stück."

Für einen kurzen Moment war es Remus so, als hätte sich das Gesicht Novis' bei dieser Bemerkung für den Bruchteil einer Sekunde verdunkelt. Dieser Gedanke verflog allerdings genauso schnell, wie er gekommen war. Der Ansatz eines Lächelns zeichnete sich auf dem Gesicht des Professors ab.

"Aber gern doch."

Er bot ihr den Arm an, den sie auch nicht ablehnte und in den sie sich einhakte und gemeinsam gingen sie zum Treppenhaus. Remus atmete auf. Das war noch einmal gut gegangen. Die beiden hatten ihn nicht bemerkt. Er sah sich um und vergewisserte sich, dass sie nicht mehr in der Nähe waren, bevor er aus der Nische hervortrat und die letzte Treppe - die hinunter in die Eingangshalle führte - nahm. Seine Gedanken kreisten noch immer um die Lehrer. Über was hatten sie geredet? Was hatte Professor Redwing vergessen und was hatte sie genau mit Professor Novis zu schaffen? Gut, sie waren beide Lehrer dieser Schule, aber viel schien sie nicht zu verbinden. Sie waren wie Tag und Nacht. Redwing war blass und schlank - fast schon dürr oder mager. Sie verstand sich zu kleiden. Die Sachen, die sie trug, wirkten elegant und dezent, gleichzeitig aufreizend und verführerisch. Sie hatte etwas an sich, dass der Brünette nur schwer beschreiben konnte. Eine mystische, unheimliche Aura umgab sie, trotz dessen wirkte sie nett. Er wusste nicht genau, wie er sie einschätzen sollte. Das würde sich wohl erst nach den ersten paar Unterrichtsstunden sagen lassen. Und Professor Novis? Ja, der war eine Art für sich. Sein Geschmack in Sachen Mode war katastrophal. Er sah keineswegs wie ein - gebildeter - Zauberer aus. Vielmehr glich er einem Muggel. Ja, hätte er nicht gewusst, dass er ein Zauberer ist, hätte Remus ihn als Musterexemplar eines Nichtmagiers - also Muggel - abgestempelt. Die schlimmste Art, die man sich nur hätte vorstellen können. Wieso? Wahrscheinlich - so dachte er - lag es daran, dass dieser Mann nicht gerade einen sehr positiven Eindruck machte. Sein Auftreten und sein ganzes Wesen empfand Remus als kalt und abweisend, geradezu - ja, geradezu als eine Qual. Und das dachte er, bevor er überhaupt nur ein einziges Mal mit ihm gesprochen, geschweige denn eine Unterrichtsstunde bei ihm gehabt hatte. Aber nach diesem kurzen Wortwechsel, war er ihm gleich unsympathisch geworden. Seine Stimme war arrogant und abweisend gewesen, fast so, als würde sich für etwas Besseres halten. Er erinnerte den jungen Lupin an-

"Malfoy", murmelte Remus leise.

Ja, alles an ihm schrie regelrecht nach diesem blonden Fatzken. Dieses falsche Lächeln, dieser gespielte schmeichelnde, sanfte Unterton und sein gesamtes Gehabe. Alles trug die Aufschrift Malfoy. Der Gryffindor verzog das Gesicht. Wieso gab es nur immer und immer wieder solche Menschen? Wieso in jeder Generation? Und es gab ja nicht nur einen von dieser Sorte. Nein - es waren mehrere. Was er einfach nicht verstehen konnte war, wie man so werden konnte? Wie man solche Ansichten und Vorurteile - Reinblüter sind besser, als Muggelstämmige - haben konnte. Er verstand es einfach nicht. Lag das an der Erziehung? Oder am Umfeld?

,Hör auf dir darüber den Kopf zu zerbrechen', ermahnte er sich. ,Erstens bringt das nichts, zweitens ist Malfoy diese Überlegung nicht wert und drittens solltest du nicht vorschnell über Leute urteilen, die du noch nicht kennst. Vielleicht war er auch nur müde und hat deswegen so einen finsteren Eindruck gemacht.'

Mit diesen Gedanken tat er die Angelegenheit als erledigt ab. Als er vor dem Eichenportal stand, schlang er den Umhang fester um sich - in der Annahme, dass es draußen recht frisch war - öffnete die Tür und ging nach draußen. Wie vermutet, schlug ihm ein kühler Wind entgegen. In seinem Gesicht fühle er sich hart an. Er peitschte ihm des Öfteren das Haar ins Gesicht. Remus schauderte. Es war kühler als erwartet. Seinen Sommerumhang würde er nicht mehr lange tragen können - würde ihn schon bald durch den Winterumhang ersetzen müssen.

Unten in Hagrids Hütte brannte Licht. Wieder schien der Schüler Glück zu haben und der Koloss war zu Hause. Mit raschem Schritt legte er die Distanz zwischen Schloss und Hütte zurück und nicht einmal zehn Minuten später hatte er das kleine Häuschen erreicht. Er warf einen vorsichtigen Blick durch's Fenster. Hagrid saß am Feuer und trank aus einer Flasche. Neben ihm lag ein großer, zotteliger, schwarzer Hund, der alle Viere von sich gestreckt hatte. Remus ging zur Vordertür und klopfte an.

"Ja, ich komme!", dröhnte Hagrids Stimme nach draußen.

Es polterte, dumpfe Schritte, kurz darauf stand der Hüne in der Tür und sah sich um.

"Nanu?"

Sein Blick wanderte weiter nach unten und erfasste Remus.

"Was machst du denn um diese Uhrzeit hier?", fragte er erschrocken und entsetzt zugleich klingend. "Hast du nicht schon längst Ausgangssperre?"

"Schon", murmelte Remus, "aber-"

"Komm erstmal rein. Wenn dich jemand sieht, dann bekommst du gewaltigen Ärger."

Remus wurde regelrecht hinein geschoben. Hagrid schloss rasch die Tür.

"Hagrid, ich-"

"Setz dich, setz dich!", sagte er und wies auf einen Stuhl.

Der Erstklässler folgte der Einladung, nahm den Stuhl und stellte ihn neben dem anderen, der bereits am Feuer stand. Hagrid öffnete eine zweite Flasche und öffnete sie, bevor er sie dem Jüngeren reichte.

"Hier."

Remus nahm sie zögernd an. Er roch kurz daran. Ein schwach süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Er drehte die Flasche hin und her und versuchte zu erraten, was sich darin befand, fehlte das Etikett.

"Was ist das, Hagrid?", fragte er vorsichtig, als er es aufgab.

"Butterbier", erwiderte dieser, während er sich auf seinen Stuhl setzten und nun seinerseits die halb geleerte Flasche zur Hand nahm. Der Brünette runzelte die Stirn.

"Alkohol? Aber ich darf doch noch gar nicht-"

"Nun sei mal nicht so", lachte der Bärtige, wobei sich seine Wangen leicht röteten. "So viel Prozent hat es auch wieder nicht. Es schmeckt gut und schaden tut es dir auch nicht. Draußen ist es kalt und du siehst ein wenig steifgefroren aus. Das wärmt dich ein wenig von innen. Also trink schon!"

Er selbst nahm einen Schluck, während Remus noch immer zögerte. Er spürte, wie sich die Flasche in seinen Händen auf eine angenehme Temperatur erwärmt hatte. Wieder haderte er mit sich selbst. Eigentlich hatte er sich geschworen nie wieder einen Tropfen Alkohol zu trinken. Am vorletzten Silvester hatte sein Vater ihm einen Schluck Whiskey, ein alkoholisches Getränk der Muggel - Remus' Vater meinte, sie verstanden sich darin Alkohol zu machen - angeboten. Nachdem er probiert hatte, hatte seine Kehle wie Feuer gebrannt. Noch nicht einmal gut hatte es geschmeckt. Das allerschlimmste war die Folgende Übelkeit gewesen. Er hatte es einfach nicht vertragen. Er schwenkte die Flasche noch immer in seiner Hand. Gut roch das Butterbier ja, das gab er zu. Er blickte zu Hagrid, der ihn aufmunternd ansah. Dieser war nicht betrunken, noch nicht einmal angeheitert. Also konnte nicht wirklich allzu viel Alkohol enthalten sein. Remus führte die Flasche an seine Lippen und nahm einen kleinen Schluck. Er staunte nicht schlecht, als er feststellen musste, dass das Butterbier ihm noch besser schmeckte, als es gerochen hatte. Er nahm einen etwas größeren Schluck und spürte dabei, wie sich eine wohlige Wärme in seinem Körper ausbreitete. Er sah zu Hagrid und erwiderte dessen Lächeln.

"Und?"

"Schmeckt wirklich gut."

"Na, was hab ich dir gesagt?"

Beide begannen zu lachen. Der Hund zu Füßen des Hünen sah zwischen den beiden abwechselnd hin und her, bevor er seinen Kopf wieder sinken ließ. Remus atmete tief durch. Die Hütte des Wildhüters hatte etwas anheimelndes an sich, dass den Jungen sehr beruhigte.

"Also was willst du so spät hier?", fragte Hagrid und griff den Faden erneut auf.

"Ach ja. Ich wollte einen Brief verschicken, aber ich weiß nicht, wo meine Eule untergebracht ist. Und da dachte ich, dass du mir vielleicht weiterhelfen könntest."

"Und deswegen kommst du im Dunkeln zu mir?", fragte der Schwarzhaarige - ungläubig eine Augenbraue nach oben ziehend. "Hättest du nicht bis morgen früh warten können? Wenn dich jemand sieht, dann bekommst du gewaltigen Ärger."

"Ich weiß", gab der Gryffindor kleinlaut zurück. "Aber ich muss den Brief noch heute abschicken."

"Und wieso?"

"Meine Eltern warten auf eine Antwort von mir. Meine Mutter macht sich riesige Sorgen um mich, wegen gestern. - Wegen Vollmond meine ich..."

"Hm. - Verstehe. Und du willst, dass sie wieder ruhig schlafen kann. Hab ich das richtig verstanden?"

Remus nickte schwach. Auf Hagrids Gesicht machte sich ein verstehendes, warmes Lächeln breit.

"Wenn das so ist, dann muss der Brief natürlich so schnell wie möglich verschickt werden."

Die Augen des Schülers blitzen hoffnungsvoll auf.

"Heißt das, dass du mir hilfst."

"'türlich! Was denkst du denn von mir?"

Remus sprang auf und umarmte den Wildhüter.

"Danke Hagrid! Du bist der Beste!"

"Haha, nicht so stürmisch, Remus! Du wirfst mich noch vom Stuhl."

Er zerstrubelte mit einer Hand die Haare der Schülers und lächelte.

"Dann lass uns gehen und deine Eule losschicken."

"Zeigst du mir den Weg?"

"Selbstverständlich. Sonst verläufst du dich noch und läufst einem der Professoren in die Arme."

Er zwinkerte dem Jungen zu, welcher nur lächeln konnte. Hagrid löste sich aus der Umarmung und warf sich seinen Mantel über. Der schwarze Hund lag noch immer vor dem Feuer und machte nicht die Anstalt sich zu bewegen. Nicht einmal, als sein Herrchen bereits an der Tür stand und seine Hand auf dem Türknauf ruhte.

"Ja Fang, bleib ruhig hier", meinte Hagrid mit vorwurfsvoller Stimme.

Remus konnte sich eines Grinsens nicht verwehren. Er ging neben dem großen Tier in die Hocke und streichelte es. Sein Fell war lang, aber dennoch flauschig. Hagrid pflegte ihn anscheinend gut. Dem Hund gefiel die Extrastreicheleinheit wie es schien sehr. Er hob seinen Kopf an und wandte sich dem Brünetten zu. Ehe Remus reagieren konnte, wurde er auch schon von einer nassen, warmen Zunge abgeleckt. Er begann zu lachen.

"Hilfe! Das kitzelt."

Auch Hagrid lachte.

"Jetzt komm, Remus. Wir sollten uns ein wenig beeilen."

Der Angesprochene drückte sich ein wenig von dem Haustier weg und stand auf.

"Ich komme."

Er schnappte sich seine Flasche Butterbier, tätschelte dem Hund noch einmal liebevoll den Kopf und folgte Hagrid schließlich nach draußen.

Der Himmel war nun in ein vollkommenes Schwarz getaucht. Die Linie zwischen Himmel und Erde - der so genannte Horizont - war kaum wahrnehmbar. Lediglich der Verbotene Wald hob sich ab, da dieser noch schwärzer war, als der Himmel.

"Wie heißt dein Hund?", fragte Remus, während er neben dem Hünen hinauf zum Schloss lief.

"Sein Name ist Fang. Schönes Tier, nicht?"

Hagrid klang stolz und schien Bestätigung zu verlangen.

"Ja, das stimmt. Du kümmerst dich wirklich gut um ihn. Sein Fell ist ganz weich."

Wieder lachte Hagrid, wie schon so oft an diesem Abend.

"Es hat mich ganz schön viel Mühe gekostet es so glatt zu bekommen. Weil es so lang ist, verfilzt es sich dauernd und die anschließende Kämmerei geht sowohl ihm, als auch mir auf die Nerven."

Remus lauschte ihm aufmerksam, während er einen weiteren Schluck Butterbier nahm, um die klirrende Kälte aus seinen Knochen zu verbannen. Wie konnte es nur binnen weniger Tage so kalt werden? Tagsüber war es doch noch so warm - wie konnte es da nachts so bitterkalt sein?

"Wie lang hast du Fang denn schon?"

"Wie lang? Tja, gute Frage. Ich weiß es selbst nicht mehr so genau. Ich hab ihn bekommen, als er noch ein kleiner Welpe war. Ist schon ziemlich lange her."

Da konnte Remus dem Hüter der Schlüssel und Ländereien Hogwarts nur Recht geben. Fang war stattlicher, ausgewachsener Hund, der Remus bis zum Becken ging. Vier, fünf Jahre musste er schon sein. Wahrscheinlich war er aber noch älter.

"Du solltest dein Butterbier austrinken, bevor wir ins Schloss gehen", meinte Hagrid. "Es macht keinen besonders guten Eindruck, wenn ein Erstklässler mit so etwas in der Hand herumläuft."

"Ja, ist gut", entgegnete Remus, trank jedoch nicht schneller, war es noch ein ganzes Stück Fußmarsch, bis sie das Schlosstor erreichen würden.

"Sag mal, Hagrid. Seit wann arbeitest du eigentlich in Hogwarts?"

Hagrid sah den Jungen überrascht an, hatte er mit solch einer Frage nun ganz und gar nicht gerechnet.

"Wieso willst du das wissen?"

Remus zuckte mit den Schultern.

"Einfach nur so. Ist mir grade so in den Sinn gekommen. - Also?"

"Nun ja, lass mich mal überlegen."

Einige Zeit verging, in denen der Brünette schweigend neben dem Wildhüter herlief, wobei dieser etwas vor sich hinmurmelte. Seine schwarzen, an Käfer erinnernden Augen blitzten.

"Jetzt weiß ich's. Es sind achtundzwanzig Jahre. Fast schon neunundzwanzig."

Achtundzwanzig Jahre?!", entfuhr es Remus laut.

Er starrte den Schwarzschopf ungläubig an. Achtundzwanzig Jahre? Veralberte ihn Hagrid nun wirklich nicht? Das konnte er kaum glauben.

"Achtundzwanzig Jahre? Ist das dein Ernst, Hagrid?"

"Sicher, was denkst du denn?"

Remus war wie vor den Kopf gestoßen. Das konnte doch unmöglich stimmen.

"Aber Hagrid, das glaub ich dir nicht. Ich meine achtundzwanzig Jahre - das ist ein schlechter Scherz! Wie alt bist du denn dann?"

"Dreiundvierzig."

"Aber... aber... du...dreiundvierzig???"

Der Schüler konnte nur noch stottern, wollten sich seine Gedanken einfach nicht mehr zu einem vernünftigen Satz zusammenreihen lassen.

"Geht's dir nicht gut?", fragte der Hüne besorgt. "Du bist so blass."

Remus griff sich mit der freien Hand an den Kopf und begann seine Schläfe zu massieren. Er schüttelte den Kopf leicht.

"Mir geht's gut", presste er mühsam hervor. "Ich versteh es nur nicht."

"Was verstehst du nicht?"

Nun war es Hagrid, der seinen Gegenüber ratlos ansah.

"Was mit den Erwachsenen hier los ist", seufzte der Gryffindor. "Keiner sieht so alt aus, wie er ist. Professor McGonagall hätte ich maximal auf fünfundzwanzig geschätzt, dabei ist sie mindestens vierzig. Professor Redwing hätte ich sogar auf siebzehn geschätzt! Und bei dir hätte ich nie und nimmer gedacht, dass du auch schon über vierzig Jahre alt bist! - Bei Professor Dumbledore trau ich mich noch nicht einmal zu schätzen wie alt er ist, da ich ja doch falsch liege."

Hagrids Gesicht hellte sich auf und nahm einen belustigten Ausdruck an.

"Und darüber machst du dir solche Gedanken? Das Alter spielt doch gar keine Rolle."

"Schon, das weiß ich auch. Es macht mich nur fertig - und ich weiß selbst nicht warum. Es ist einfach nur so komisch Leute zu sehen, die nicht so aussehen, wie man es von ihrem Alter her erwarten würde."

Hagrid lachte und legte seinem Schützling tröstend eine Hand auf die Schulter.

"Vergiss die ganze Sache doch einfach. Das ist besser, als wenn du dich deswegen verrückt machst."

Remus erwiderte nichts mehr. Der Wildhüter hatte ja recht. Es brachte wirklich nichts sich deswegen aus der Ruhe bringen zu lassen. Er fand sich ja schon selbst lächerlich. Was musste da Hagrid erst von ihm denken? Er schüttelte leicht den Kopf. Wie kindisch und peinlich er sich mal wieder benahm. Nicht zu fassen.
 

Wenig später erreichten die beiden das große Eichenportal. Remus hatte es geschafft die Flasche zu leeren. Hagrid hatte sie ihm abgenommen und in einer der vielen Taschen seines Mantels verschwinden lassen. Sie traten ein. Im Inneren des Schlosses herrschte bereits Dunkelheit. Das Mond- und Sternenlicht flutete durch die Fenster herein und spendeten der Eingangshalle eine spärliche Helligkeit. Wie spät mochte es sein, wenn bereits alle Kerzen gelöscht worden waren? Remus sah auf seine Uhr und versuchte das Ziffernblatt zu erkennen, um herauszufinden, wie spät es war - was jedoch kläglich misslang.

"Hagrid, wie spät ist es?", fragte er im Flüsternton, um nicht von jemand anderem, als dem Angesprochenen gehört zu werden.

"Weiß nicht", entgegnete dieser. "Hab keine Uhr mit. Sicher nach Elf. Vielleicht auch schon nach Mitternacht. Sonst wäre es nicht so zappenduster."

Nach Mitternacht? Aber so lang war Remus doch gar nicht fort gewesen. Oder hatte er sich bei Hagrid verplaudert und es war tatsächlich schon so spät? Plötzlich stieg in ihm wieder diese beklemmende Angst entdeckt zu werden auf, die er bereits wenige Stunden zuvor verspürt hatte.

,Hoffentlich entdeckt uns keiner', dachte er bei sich. ,Sonst bekomme ich wirklich Ärger und komme nicht nur mit einem blauen Auge davon.'

"Komm mit", forderte Hagrid ihn auf und ging auf die riesige Marmortreppe zu.

Der Schüler folgte ihm mit leisen Schritten.

"Du, Hagrid?", fragte er vorsichtig, wobei er sich ein wenig unruhig umsah.

"Ja?"

"Haben sie schon mal Schüler in der ersten Schulwoche rausgeschmissen?"

"Ich glaube nicht. Aber bis jetzt ist auch noch kein Schüler in seiner ersten Schulwoche mitten in der Nacht durch das Schloss geschlichen und hat sich dabei erwischen lassen."

"Und was ist, wenn ich erwischt werde?"

"Bis jetzt ist es doch noch nicht passiert, oder? Wir machen uns darum Gedanken, wenn es soweit ist. Ich bin ja auch noch da, also keine Panik."

Hatte Hagrid diese Worte zur Beruhigung Remus' ausgesprochen, war dies misslungen. Der Schüler sagte nun zwar kein Wort mehr - wollte er nicht Gefahr laufen so gefunden zu werden - hatte jedoch noch immer dieses gleich bleibende mulmige Gefühl in der Magengegend sitzen. Wie würden seine Eltern nur reagieren, wenn sie anstatt seines Briefes einen vom Schulleiter erhielt, in welchem ihnen mitgeteilt wurde, dass sie ihren Sohn unverzüglichst in Hogwarts abholen sollten, da dieser - Aufgrund mehrerer Verstöße gegen die Schulordnung - von dort verbannt worden war? Er schluckte. Nein, er wagte es noch nicht einmal sich das vorzustellen. Sicherlich mussten sie zutiefst von ihm enttäuscht sein. Erst hatten sie ihm den Wunsch erfüllt dort zur Schule zu gehen und ihm sein Schulzeug bezahlt und dann blamierte er sie so. Er wäre eine einzige Schande für seine Eltern.

"Hier lang", sagte Hagrid und riss den jungen Lupin so aus seiner Gedankenwelt.

Die beiden verließen das Treppenhaus und durchquerten unzählige Korridore. Remus hatte nicht Acht darauf gegeben, in welchem Stockwerk sie sich befanden. Hoffentlich brachte der Wildhüter ihn später zurück zu seinem Gemeinschaftsraum. Allein würde er sehr wahrscheinlich scheitern und bis zum nächsten Morgen in dieser Etage ausharren müssen, bis ihn andere Schüler fanden und ihm behilflich waren.

"Hagrid, wo sind wir hier?", fragte er, während er hinter dem Bärtigen lief.

"In der Nähe der Eulerei. Müssten gleich da sein."

"Eulerei?"

"Ja, da sind die Käuze und Eulen. Dort ist auch deine."

Eine Eulerei also. Davon hatte Dumbledore den Schülern nichts erzählt. Wie sollten die Schüler erfahren, wo sie ihre Tiere finden konnten, wenn man es ihnen nicht sagte? Es kam dem Brünetten fast so vor, als forderte der Direktor seine Schüler dazu auf das Schloss zu erkunden und sich so allein mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen. Remus wurde einfach das Gefühl nicht los, dass dieser alte Herr noch immer recht verspielt war - trotz seines fortgeschrittenen Alters. Er schien es zu lieben Schabernack zu treiben. Bei seinem Gespräch mit dem Schulleiter hatte er es ja selbst festgestellt. Erst kamen diese banalen Fragen - wie geht es dir, gute Reise gehabt, schon jemanden kennen gelernt? - und dann kam er direkt zum Punkt - du bist ein Werwolf. Remus fragte sich noch immer, wie man es schaffen konnte bei so einer Feststellung noch immer ein Lächeln auf den Lippen zu tragen.

"Wir sind da", meinte Hagrid und blieb vor einer Wendeltreppe stehen.

"Hier ist es?", fragte der Gryffindor verwirrt, hatte er gedacht, dass sich hier wenigstens ein Schild oder etwas in der Art befand, das darauf hinwies, dass sich hier die Eulerei befand - doch nichts dergleichen.

"Jetzt geh schon", forderte der Koloss den Jungen auf und schob ihn vor sich her - die Treppe hinauf.

Nach einigen Dreihundertsechziggraddrehungen - Remus wurde langsam von einem Schwindelgefühl gepackt - endete die Treppe und die beiden fanden sich in einem riesigen Raum mit hoher Decke wieder. An den Wänden befanden sich Reihen von Stangen und sowohl ganz oben, als auch ganz unten befanden sich überall kleine Fenster, durch die die Vögel hinein und hinaus gelangen konnten. Es waren nicht gerade viele Tier zugegen. Die meisten, so schlussfolgerte der Schüler, mussten wohl gerade auf Futtersuche sein.

"Ausgeflogen", meinte Hagrid und sah sich um. "Ist deine da?"

Noch bevor Remus diese Frage beantworten konnte, kam auch schon etwas großes auf ihn zugeflogen. Reflexartig hielt er seine Arme schützend vor sich. Er spürte, wie sich einige Krallen in seinen Ärmel krallten und sich so etwas schweres festhielt. Etwas zupfte ihm zutraulich in den Haaren, was den Braunhaarigen dazu veranlasste aufzusehen.

"Cassandra!", rief er glücklich und sein Gesicht hellte sich mit einem Schlag auf. "Hast du mich erschrocken."

Er strich ihr liebevoll durch die Federn. Sie begann vertrauensvoll an seinem Finger zu knabbern.

"Das ist deine Eule?", fragte Hagrid und lächelte.

Remus tat es ihm gleich und lächelte ebenfalls, während er bestätigend nickte.

"Ein schönes Tier", meinte der Wildhüter anerkennend und kraulte Cassandra vorsichtig am Kopf.

"Tut mir leid, dass ich dich erst jetzt besuchen komme", entschuldigte sich der Schüler bei seiner Eule. "Aber ich hab dich leider nicht auf Anhieb gefunden. Hagrid hat mir geholfen."

Er sah auf und schenkte dem Älteren ein Lächeln, dass so viel wie ,Vielen Dank' hieß. Der Hüne wurde rot.

"He, das war doch nicht der Rede wert."

Remus wandte sich wieder seiner Eule zu.

"Ich habe einen Brief für meine Eltern. Kannst du den bitte zu ihnen bringen? Jetzt? Das ist wirklich wichtig. Und ich denke mal, dass sie dich dafür auch belohnen. Also?"

Cassandra blinzelte und streckte ihr rechtes Bein aus, womit sie die Bitte ihres Besitzers nicht abzuschlagen schien. Remus holte den Brief heraus und band ihn mit einem kleinen Stück Schnur an ihrem Bein fest. Dann stand er auf und trug sie zum Fenster.

"Danke", sagte er und strich ihr noch einmal liebevoll über das Gefieder.

Cassandra stieß sich fast augenblicklich vom Arm des Schülers ab und flog hinaus in die Nacht. Des Mond ließ ihre Federn wie Bernstein glitzern und unwirklich erscheinen. Der junge Lupin sah ihr so lang hinterher, bis sie als kleiner Punkt vollständig mit dem nächtlichen Himmel verschmolzen war. Ein warmes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er wandte sich um. Seine Wangen waren von der Kälte leicht gerötet.

"Lass uns gehen, Hagrid", sagte er zum Wildhüter.

Dieser nickte und zusammen verließen sie die Eulerei über die Wendeltreppe.
 

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1.Akt, Kap.VII - Ende

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1.VIII.Kerkerstrafe

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1.Akt: Kapitel VIII: Kerkerstrafe

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Hagrid und Remus erreichten den Fuß der Wendeltreppe. Der Hüter der Schlüssel und Ländereien Hogwarts führte seinen Schützling durch die Korridore in Richtung des Treppenhauses. Remus lief schweigend neben ihm her, war er im Moment zu erschöpft um noch großartig viele Worte zu machen. Der Rückweg zu den Treppen erschien ihm wesentlich länger, als der Hinweg, was wahrscheinlich an seiner Müdigkeit lag. Wie spät war es wohl? Hagrid hatte vor geraumer Zeit auf Mitternacht geschätzt. Ob das gestimmt hatte? Was hätte Remus doch nur dafür gegeben in der im Schloss herrschenden Dunkelheit seine Uhr entziffern zu können, aber dies erwies sich als äußerst schwierig, war es ihm kaum möglich Hagrid von der Umgebung zu unterscheiden, wenn kein Fenster in der Nähe war, durch das ein wenig Mondlicht hereinströmte. Es war so still, dass der Brünette schon fast beim Laufen eingeschlafen wäre, hätte ihn nicht plötzlich eine scharfe Stimme aus der Trance gerissen.

"Wen haben wir denn da?"

Remus zuckte zusammen, als er diese Stimme vernahm. Hatte er sie heute nicht schon einmal gehört? Ein weiteres Mal fuhr er zusammen, als vor ihm ein Licht aufleuchtete und Professor Novis mit erhobenem Zauberstab auf sie zukam. Beide blieben abrupt stehen.

"Guten Abend, Professor", begrüßte ihn Hagrid, klang jedoch ein wenig nervös.

Novis ging nicht auf die Begrüßung ein. Stattdessen fixierte er Remus mit seinem Blick.

"Was macht ein junger Gryffindor - noch dazu ein Erstklässler - zu so später Stunde in einem Korridor, der sich noch nicht einmal in seinem Stockwerk befindet?"

Er klang spottend und tadelnd, gleichzeitig aber auch siegessicher. Der Schüler schrumpfte unter dem unnahbarem, verachtenden Blick regelrecht zusammen. Er brach in kalten Angstschweiß aus. Hatte er es nicht geahnt? Hatte er nicht gewusst, dass seine nächtliche Reise durch Hogwarts nicht unentdeckt blieb? In diesem Moment hätte der Brünette sich nur allzu gern selbst geohrfeigt. Das einzige, was er sich wünschte war, dass er nun in seinem Bett lag und das das alles gar nicht geschehen war. Der Professor sah müde und verstimmt aus. Sicherlich waren dies keine Pluspunkte dafür, dass er den jungen Gryffindor noch einmal glimpflich davonkommen ließ. Als Remus nichts erwiderte, wanderte Novis' Blick zu Hagrid.

"Und du Hagrid? Was hast du damit zu tun?"

"Nun, ich kann das erklären."

Novis runzelte die Stirn.

"Ich höre."

"Nun ja, ähm - die Knarle für die Prüfungen haben sich selbstständig gemacht und Remus war so freundlich mir beim Suchen zu helfen."

"Und ich soll glauben, dass sich die Knarle bis hierher verirrt haben?", fragte der Professor misstrauisch. "Na wo haben Sie denn die Tierchen?"

"Bis auf einen Knarl", warf Remus plötzlich ein, da Hagrid nicht mehr Herr der Lage zu sein schien, "haben wir alle gefunden, Professor Novis. Hagrid und ich wollten die Stockwerke durchsuchen, weil wir ihn draußen nicht mehr gefunden haben. Bis jetzt haben wir ihn aber noch nicht gefunden. Stimmt doch , oder Hagrid?"

Dieser nickte bestätigend.

"Der Kleine sagt die Wahrheit. Ich bitte Sie nachsichtig zu sein, Professor. Er kann wirklich nichts dafür, dass er um diese Uhrzeit noch nicht in seinem Gemeinschaftsraum ist."

"Tut mir leid. Das geht nicht. Egal was für Absichten dahinter steckten. Ich kann keine Nachsicht walten lassen. Nicht einmal, wenn er nichts dafür kann. Es gibt Regeln und an die haben sich die Schüler nun einmal zu halten. Vor allem die Erstklässler."

Noch immer sah er Remus mit einem Blick an, der einem das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen können. Der Braunschopf schwörte, dass es dazu auch gekommen wäre, hätte er nicht das Butterbier getrunken, das ihn sogar jetzt noch von innen her wärmte. Nach einiger Zeit der Stille brach Novis erneut das Schweigen.

"Ich werde Sie zu ihrem Gemeinschaftsraum geleiten, Mr. Lupin. Und Hagrid."

"Äh, ja?"

"Du gehst am besten ebenfalls zu Bett. Den Knarl kannst du auch noch später suchen. Er wird sich schon wieder anfinden."

"Ähm, ja gut. - Ja, mach ich, Herr Professor."

Novis packte Remus sacht, aber bestimmte an der Schulter und zog ihn mit sich.

"Gute Nacht, Hagrid", verabschiedete er sich und verschwand mit dem Jungen in einem anderen Korridor.

Remus' Magen verkrampfte sich regelrecht. Die Atmosphäre - so fand er - wurde mit jedem Schritt, den sie taten, erdrückender. Der Professor sagte kein Wort und gedachte dem Schüler nicht eines Blickes. Nichts desto trotz ließ er ihn nicht los. Wahrscheinlich - so vermutete Remus - hatte Novis Angst, dass er sich aus dem Staub machte, sobald der er ihn nicht mehr festhielt und somit seinen Streifzug fortsetzte. Er seufzte niedergeschlagen. War der Weg mit Hagrid schon unendlich lang gewesen, übertraf Professor Novis dies gekonnt. Es schien, als wäre die Zeit stehen geblieben und die beiden traten nur auf der Stelle. Sobald sie in einen neuen Gang abbogen, kam es Remus so vor, als ob dieser mit einem mal zu wachsen begann. Zwar schien das Licht des Zauberstabes weit, doch das Ende des Flures war nie zu sehen. Nach endlos langer Zeit erreichten sie das Treppenhaus. Der Professor ließ ab von seinem Zögling und ging voraus.

"Trödel nicht so", fuhr er ihn schroff an. "Ich will dich unterwegs nicht verlieren."

Mit diesen knappen Sätzen war das vermeintliche Gespräch auch schon wieder beendet. Lustlos trottete der Schüler hinter seinem Lehrer her. Mit der Hand glitt er über das Geländer. Der Stein war kalt und glatt. Wieder stieß er einen Laut der Unlust aus. Er beugte sich über das Geländer und warf einen Blick nach unten. Schwarz. Tiefes Schwarz. Das war alles, was er sah. Auch als er nach oben sah, entdeckte er nichts anderes. Für einen kurzen Moment fragte er sich sogar, ob er die Treppe nach oben oder nach unten ging, sah doch alles so gleich aus. Er erschrak heftig, als er unsanft an der Schulter gepackt und herumgerissen wurde. Professor Novis funkelte ihn wütend an.

"Du sollst dich beeilen, hab ich gesagt."

"E-entschuldigen Sie vielmals, Herr Professor. Kommt nicht wieder vor."

Novis murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und ging weiter.

"Komm!"

"J-ja!"

Remus' Herz schlug ihm bis zum Hals. Es drohte ihm fast zu zerspringen. Musste der Professor ihn so erschrecken? Nachts war es im Schloss schon unheimlich genug. So etwas konnte er erst recht nicht gebrauchen.

Wenig später erreichten sie den siebten Stock. Von hier aus war es nicht mehr sehr weit bis zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Remus war über diese Tatsache äußerst erfreut, dennoch beschäftigte ihn eine andere um so mehr. Hatte der Professor vorhin nicht etwas wie ,er könne keine Nachsicht walten lassen' gesagt? Hieß das denn nicht, dass er gedachte ihm eine Strafarbeit zu geben oder ihm zumindest Hauspunkte abzuziehen? Wieso hatte er also noch nichts dergleichen gesagt? Remus konnte nicht glauben, dass Novis jemand war, auf den die Beschreibung ,harte Schale, weicher Kern' zutraf. Weder ihre erste noch ihre zweite Begegnung am heutigen Tage hatten bei dem jungen Lupin Glücksgefühle ausgelöst. Ein gewisses Misstrauen ließ sich nicht leugnen - und das, obwohl er Leute nur ungern voreilig beurteilte. Nein, Professor Novis hatte es entweder vergessen oder das dicke Ende kam noch.

"Da wären wir", sagte der Professor plötzlich.

Remus hatte nicht auf den Weg geachtet und wäre aufgrund des abrupten Abbremsens Novis' beinahe in diesen hineingelaufen. Sein Lehrer wandte sich zu ihm um.

"Dürfte ich Sie um das Passwort bitten?", fragte er und klang ein wenig gereizt.

Der Schüler vermutete, dass Novis' Geduldsfaden aufgrund der späten Zeit bereits äußerst gespannt war, denn selbst Monster brauchten ein wenig Schlaf. Ein schwaches Nicken folgte der Aufforderung, welche als Frage getarnt worden war.

"Lunatic."

Das Bild schwang zur Seite und erlaubte den Beiden den Zutritt in das Innere. Als Remus durch das Porträtloch gestiegen war, schwang das Bild wieder zu. Sie betraten den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, der bereits verwaist vorlag. Langsam begann sich der Schüler an dieses Bild zu gewönnen, war er in den wenigen Tagen des Öfteren in den Turm zurückgekehrt und war anscheinend dessen einziger Bewohner gewesen. Diese Szene brannte sich ihm mit jedem Mal stärker ins Gedächtnis. Und was kam meist nach dieser Eintöne? Er überlegte kurz, dann fiel es ihm wieder ein. Ja, meist waren danach Sirius und James bei ihm aufgetaucht und hatten versucht ihn mit Witzen und bissigen Kommentaren aufzubauen, was meist jedoch gescheitert war - zumindest in fünfzig Prozent der Fälle. Er schmunzelte. Was ihn später wohl noch erwartete? Ob die beiden noch wach waren? Ob sie nur abwarteten bis der Professor verschwunden war und sich dann regelrecht auf Remus stürzten und ihn mit Fragen bombardierten? Dieser Gedanke kam ihm jedoch suspekt vor. Im Raum herrschte klirrende Kälte. Das Feuer war somit bereits seit längerem erloschen. Er und Novis waren auch nicht gerade lauthals hereingeplatzt. Gehört haben, das konnten die beiden Schwarzschöpfe sie ebenso wenig. Also schien es nicht gerade sehr wahrscheinlich, dass sie im nächsten Augenblick hier auftauchten. Und schlafen? Remus sah sich im Raum um. Eine Lampe leuchtete noch, hatte man anscheinend vergessen sie zu löschen. Sie warf ein spärliches Licht auf die Große Wanduhr. Zwei Uhr morgens kündigte sie an. Für einen kurzen Moment war der Braunhaarige erstaunt. Wie hatte er das nur geschafft? War er nicht erst kurz vor Neun gewesen, als er den Gemeinschaftsraum verlassen hatte? Wenn er es überschlug und einige Minuten unter den Tisch fallen ließ, dann war er geschlagene fünf Stunden unterwegs gewesen. Das konnte doch nicht stimmen! Wie hatte er das nur geschafft? Sicher, er und Hagrid waren einige Zeit durch das Schloss geirrt und der Rückweg, den er mit Professor Novis gegangen war, war ebenso wenig kurz gewesen - doch fünf Stunden?! Volle, ganze, ungekürzte fünf Stunden?! Das kam ihm wie ein schlechter Scherz vor. Er unterdrückte ein Stöhnen. Nein, das konnte nicht war sein.

"Nein, Sie sehen ganz richtig, Mr. Lupin. Zwei Uhr morgens."

Novis hatte Remus' missmutiges Gesicht gesehen, als dieser zur Uhr geblickt hatte. Seine Stimme tropfte nur so vor Genugtuung. Der junge Gryffindor sah ihn verzeihend und regelrecht um Gnade heischend an, auch wenn er ahnte - nein, wusste, dass es bei diesem Mann vergebens sein würde.

"Herr Professor, ich bitte Sie. Es lag wirklich nicht in meiner Absicht-"

"Schweigen Sie!"

Der Braunhaarige brach abrupt ab. Er wusste, dass es nicht zu seinem Besten war, wenn der seinen Pädagogen reizte, indem er ihm widersprach.

"Ich denke, Sie wissen, dass Sie mit ihrem nächtlichen Streifzug gegen die Schulordnung verstoßen haben."

Ein schwaches Nicken.

"Dieses Vergehen kann ich nicht ohne Konsequenzen lassen, selbst wenn Sie dies aus vermeintlich guten Absichten", er schien Remus und Hagrid die Geschichte der Knarlsuche nicht abgenommen zu haben, "getan haben sollten."

Der Schüler getraute sich noch nicht einmal mehr mit dem Kopf zu nicken. Und wartete einfach schweigend den Richterspruch ab.

"Ich werde dieses Mal von einem Punkteabzug absehen. Sie haben Glück. Da wir uns jedoch noch nicht im Unterricht begegnet sind, halte ich es für gut, wenn Sie sich ein wenig mit dem Fach vertraut machen würden. Finden Sie nicht auch?"

Wieder keine Antwort seitens Remus'. Der Junge hatte den Kopf gesenkt.

,Und wie soll dieses ,vertraut machen' bitte schön aussehen?', schoss es ihm durch den Kopf.

"Bis zum ersten des nächsten Monats werden Sie mir als Gehilfe zur Seite stehen."

"Gehilfe?"

Remus sah auf. Fragende Augen trafen auf ernste.

"Gehilfe", betonte der Professor nachdrücklich. "Sie werden mir vor dem Frühstück bei den Vorbereitungen auf den jeweiligen Unterrichtstag behilflich sein. Nach dem Unterricht werden Sie die Kessel und Utensilien säubern und anschließend werden Sie für mich frische Zutaten besorgen gehen."

Wieder keine Einwände.

"Gut, ich hoffe wir haben uns verstanden."

Ein süffisantes Grinsen machte sich auf Novis' Gesicht breit. Es schien ihn äußerst zu befriedigen Remus eine solche Last aufzubürden. Er wandte sich zum Gehen um.

"Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe, Mr. Lupin", wisperte er mit samtschwerer Stimme. "Wir sehen uns Montagmorgen, fünf Uhr vor den Unterrichtsräumen."

Das Porträt schwang einmal nach rechts, einmal nach links und schon stand Remus wieder allein da. Er war wie versteinert, wie hypnotisiert. Er bemerkte es noch nicht einmal, als er die Treppen nach oben in seinen Schlafsaal ging. Sein gesamter Kopf war wie vernebelt. Remus sollte Gehilfe sein? Gehilfe des Zaubertranklehrers? Assistent Novis'? Was hatte er ihm für Aufgaben gegeben? Morgens die Vorbereitungen, nachmittags die Reinigung der Gerätschaften und abends sollte er nach Zutaten - sprich: Kräuter, Echsen, Insekten etc. pp. - suchen? Das war doch eine Vollzeitbeschäftigung! Wie sollte er da noch seine Hausaufgaben machen? Sollte er die mitten in der Nacht machen? Und dann vollkommen verschlafen fünf Uhr morgens vor den Zimmern für Zaubertränke stehen? Wie lang hatte der Professor gesagt sollte das gehen? Bis zum ersten des nächsten Monats? Remus überlegte welches Datum heute war. Heute war der... Ach ja, der vierte, nein fünfte September, war es doch schon nach Mitternacht. Und er sollte bis ersten Oktober... Fast ein gesamter Monat. Remus verfluchte Novis. Wie konnte er Remus gegenüber nur so unfair sein? Es war das erste mal, dass er gegen die Schulordnung verstoßen hatte und er war noch nicht einmal eine Woche hier. Konnte man da nicht Gnade vor Recht ergehen lassen? Er seufzte schwer. Wäre er Professor McGonagall oder irgend einem anderen Lehrer in die Arme gelaufen - so war er felsenfest überzeugt - hätten sie ihm nicht eine solche Strafe auferlegt. Aber Novis - ja, Novis... Nein. Remus zwang sich diesem Gedanken nicht fertig zu denken. Nicht zu so später Stunde. Wie hieß es so schön? Im Dunkeln ist nicht gut munkeln? Eine Nacht drüber schlafen? Oder kommt Zeit kommt Rat? Er zweifelte, dass das wirklich etwas brachte. Am nächsten Morgen sah die Sache auch nicht gerade viel besser aus. Seufzend öffnete er die Tür und betrat den Schlafsaal der Erstklässler.

"Remus!"

Der Brünette zuckte zusammen. Hatte er noch nicht einmal die Tür ganz geöffnet, rief ihm schon jemand seinen Namen entgegen. Er trat ein und ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern. Es brannte noch Licht. Sirius und James saßen auf James' Bett und spielten gerade eine Partie Zauberschach. Peter lag schnarchend in seinem Bett und Davy las ein Buch, hatte aber aufgesehen, als Sirius Remus' Namen lauthals durch den Raum geschrieen hatte.

"Ah, ihr seid noch wach?", fragte der Braunschopf und klang dabei ein wenig nervös.

"Wo warst du so lang?", fragte James und machte dabei seinen nächsten Zug, wandte sich jedoch anschließend wieder zu dem Neuankömmling um.

"Ich? Ähm..."

Sirius grinste.

"Du bist ein Nachtschwärmer wie's aussieht."

"Wie bitte?"

Die Wangen des Kleineren verfärbten sich rot.

"Das stimmt doch gar nicht. Ich..."

"Ja?"

Alle Aufmerksamkeit galt ihm. Er resignierte. Nein - auch diese Sticheleien konnte er jetzt nicht verkraften.

"Ja, schön. Ich geb's ja schon zu. Ich war bis grade eben unterwegs."

Er zog seinen Mantel aus, war es im Schlafsaal recht warm. Er ging zu seinem Bett und blieb wie angewurzelt stehen. Auf seiner Schlafstätte türmten sich Berge von Pergament. Er deutete auf diese und wandte sich zu den anderen um.

"Was ist das?"

"Das sind die Hausaufgaben", gab Sirius grinsend zurück.

"Das alles?!"

Die zwei Schwarzschöpfe lachten und nickten dabei. Remus starrte sie noch immer ungläubig an.

"So viel? Aber wie habt ihr das alles-"

"-fertig bekommen?", ergänzte Davy und schlug dabei sein Buch zu.

Remus nickte. Genau das hatte er sagen wollen.

"Wie habt ihr den ganzen Berg geschafft?"

"Wir haben uns reingeteilt und jeder ein-zwei Fächer übernommen. War nicht so viel."

"Ach... Aha."

Remus lächelt.

"Vielen Dank. Ich weiß nicht, wie ich euch danken soll."

"Indem du uns sagst, was du so spät noch draußen gemacht hast", warf Sirius ein und beäugte den jungen Lupin.

"Was ich...gemacht hab?"

Sirius nickte und auch James tat es ihm gleich. Remus antwortete nicht gleich. Er nahm den Stapel Pergamente von seinem Bett und legte sie auf den Tisch, welcher im Raum stand. Langsam trottete er zu seinem Bett zurück und suchte nach seinem Schlafanzug, den er auch recht schnell fand. Er setzte sich auf sein Bett und spielte einige Zeit an seinem Nachtgewand herum.

"Ich hab einen Brief abgeschickt", gab er schließlich zur Antwort.

"Einen Brief?", entfuhr es den beiden wie aus einem Munde.

"Mitten in der Nacht?", hakte James nach. "Und dafür brauchst du stundenlang? Da warst ja schon vor Zehn verschwunden. Da hat Sirius nämlich nach dir gesehen. Beziehungsweise wollte er da nach dir sehen."

"Ich wusste nicht, wo sie die Eulen untergebracht haben", begann Remus weiter zu erklären. "Deswegen hab ich mir gedacht, dass mir Hagrid vielleicht weiterhelfen kann. Weil er doch der Wildhüter ist. Naja, und da hab ich mich bei ihm verquatscht und dann hat er mir den Weg gezeigt und auf dem Rückweg, da bin ich dann Professor Novis in die Arme gelaufen."

Er stieß seinen Atem schwer aus. Sirius und James wechselten kurz ihre Blicke.

"Du bist echt Novis in die Schussbahn geraten?", fragte Sirius.

Remus nickte niedergeschmettert.

"Autsch! Das hat sicher gesessen. Dem Typen will ich ja noch nicht mal am Tag begegnen."

James konnte sich ein fettes Grinsen nicht verkneifen. Ein Seufzer von Seiten des Jüngsten folgte.

"Und was hat er dir als Strafe aufgebrummt?"

Sirius schien heute Abend äußerst wissbegierig zu sein.

"Wisst ihr wo Zaubertrank stattfindet?", erwiderte der Braunschopf mit einer Gegenfrage.

"Soll das heißen, dass du da bei ihm antanzen darfst?"

Remus nickte schwach.

"Ja, leider. Ich darf bis nächsten Monat seine Aushilfskraft spielen."

"Das heißt?"

"Dass ich ihn morgens, nachmittags und abends tatkräftig unterstützen darf. Toll nicht? Eine echte Ehre. Er meinte, dass ich mich so besser und schneller mit dem Fach vertraut mache, da ich ja die erste Stunde verpasst habe."

Remus ließ sich nach hinten fallen und drehte sich auch die Seite. Er rollte sich wie ein Fötus im Mutterleib zusammen und schloss seine Augen.

"So eine hinterhältige Kanalratte!", zischte James. "Wie kann er nur so ungerecht sein? Ist ja genau so schlimm wie im Unterricht. Lass mich raten, er hat sich richtig gönnerhaft gegeben?"

Ein schwaches Nicken.

"Hm, meinte ich solle froh sein, dass er Gryffindor keine Hauspunkte abzieht und das ich Glück hätte."

"Tse, sieht ihm ja mal wieder ähnlich. Ich konnte ihn von Anfang an nicht leiden. Siehst du, Siri. Was hab ich dir gesagt?"

"Es gibt eben auch solche Zauberer", antwortete dieser mit einem resignierenden Seufzen. "Aber mach dir nichts draus, Remus. Der Monat geht schneller vorbei als du denkst."

Er sah zu dem Brünetten. Mehr als ein "Hm..." erhielt er nicht. Sirius stand auf und ging zu Remus' Bett. Er beugte sich über ihn und musterte den Jüngeren. Nach einer gewissen Zeit setzte er sich neben ihn. Die Matratze gab unter seinem Gewicht nach. Remus öffnete die Augen und sah zu dem anderen Gryffindor auf. Sirius lächelte.

"He, wegen diesem Idioten solltest du wirklich kein Trübsal blasen."

"Und wieso nicht?", nuschelte der Braunhaarige in seinen Schlafanzug, den er teilweise unter seinem Kopf, teilweise vor seinem Gesicht liegen hatte.

Der Schwarzhaarige lachte.

"Na weil es sich bei so jemandem einfach nicht lohnt."

Er strich dem Kleineren ein paar verwirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht, wobei sein Gesicht noch immer von einem milden Lächeln geziert wurde. Remus rührte sich nicht. Wagte es aus einem bestimmten Grund nicht sich zu bewegen. Er schloss die Augen. Er empfand das Gefühl, welches er verspürte, als Sirius ihm sanft durch das Haar fuhr, als äußerst angenehm und hoffte, dass dieser nicht so schnell damit aufhören würde. Es beruhigte ihn ungemein.

"Ich schlag vor du schläfst erst einmal 'ne Runde. Morgen sieht die Welt schon viel anders aus. Und wenn dir Novis wirklich fertig machen sollte, dann kannst du ihm immer noch einen Fluch an den Hals hexen."

Er begann verschmitzt zu grinsen und wandte sich zu dem jungen Potter um.

"Oder wir übernehmen das, stimmt's James?"

"Klar!"

Dieser schmunzelte leicht, während er das Schachspiel zusammenräumte und in seinen Pyjama schlüpfte.

"Für das Ekel würde uns sicher was einfallen."

"Lieb von euch", meinte Remus, während er sich aufsetzte und sich durch das - dank Sirius - zerzauste Haar fuhr. "Aber ich denke, dass ich das schon allein schaffe. - Irgendwie zumindest."

"Schon klar. Aber unser Angebot verfällt trotzdem nicht so schnell", meinte Sirius und lächelte.

Er schien quietsch fidel zu sein. Remus erwiderte das Lächeln und stand auf.

"Ich merk's mir. Komm drauf zurück."

Damit verschwand er im angrenzenden Badezimmer. Er schloss die Tür hinter sich und legte seinen Pyjama auf dem Regal ab. Seine alte Kleidung ließ er unachtsam auf dem Boden liegen und stieg in die Dusche. Er drehte das Wasser an. Es war warm - so warm, dass er das Gefühl hatte, dass es ihn versuchte einzuschläfern. Daher beendete er die nächtliche Waschung schon nach wenigen Minuten. Er stand sich abtrocknend vor dem Spiegel und musterte sein Spiegelbild nach Narben. Madame Pomfrey hatte nicht zu viel versprochen. Die Verletzungen waren wirklich alle verheilt. Selbst die älteren, welche seinen Körper schon seit einem längeren Zeitraum geschmückt hatten, waren verschwunden. Er drehte sich vorm Spiegel und wandte seinen Kopf um auch seinen Rücken halbwegs zu begutachten. Bis auf eine große Narbe, die er schon seit Jahren trug, waren alle verheilt und nichts war zu sehen. Er lächelte. Die Krankenschwester bewirkte wahrlich Wunder. Er war ihr zutiefst dankbar. Als der Schüler seinen gesamten Körper abgetrocknet hatte, schlüpfte er in seinen Schlafanzug, sammelte seine schmutzige Kleidung zusammen und verließ das Bad. Inzwischen hatten sich sowohl Sirius, als auch James in ihre Betten verkrochen, schwatzen jedoch noch recht munter miteinander. Davy hatte sein Buch beiseite gelegt und schien zu schlafen. Zumindest dachte Remus das im ersten Moment. Hätte dieser nicht um ein wenig Ruhe gebeten, war es doch schon spät, hätte der junge Gryffindor wirklich gedacht sein Zimmergenosse schliefe bereits. Lediglich an Peters Zustand hatte sich nichts geändert. Dieser schnarchte noch immer munter vor sich hin und schien sich bis kurz vor dem nächsten Frühstück auch nicht davon abbringen lassen zu wollen. Remus schritt durch das Zimmer zu seinem Bett und verstaute seine Sachen unter diesem. Er kroch unter seine Decke und verschwand für einige Augenblicke vollkommen unter dieser, bis sein Kopf wieder zum Vorschein kam. Er ließ seinen Kopf in das weiche Kopfkissen sinken, schloss die Augen und lauschte den beiden Schwarzschöpfen. Diese schienen sich angeregt über einige Mädchen zu unterhalten, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatten. Allerdings schienen sie noch nicht einmal deren Namen zu kennen, hieß es nur "die Blonde aus Ravenclaw" oder "die Kleine aus Hufflepuff" - keine genaueren Angaben also. Remus schmunzelte. Zumindest in einer Hinsicht waren die beiden den anderen Jungs ihres Alters weit voraus, so musste er feststellen. Bei Elfjährigen wurde das Thema Mädchen normalerweise noch nicht so oft beziehungsweise so hartnäckig durchgekaut, wie bei diesen beiden. Tja, als Schürzenjäger würde ihnen sicherlich keiner so schnell Konkurrenz machen.

"Ja, oder die mit den-"

"Seid endlich ruhig!", giftete Davy, wobei er James sein Kopfkissen an den Kopf schmiss.

Dieser rieb sich grummelnd den Kopf und warf es zurück.

"Is' ja schon gut. Keine Panik."

Er seufzte.

"Reden wir eben beim Frühstück weiter. Kann ja nichts dafür, wenn der werte Mr. Gudgeon keinerlei Sinn und Geschmack für das Wahre - die Kunst im Leben besitzt."

Sirius konnte sich bei den Worten seines Freundes einen Lachanfall nur schwer verkneifen. Er presste die Zähne stark zusammen. In seinen Augen hatten sich bereits Lachtränen gebildet. Davy murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und legte sich wieder schlafen.

"Also, wo waren wir stehen geblieben?", fragte James scheinheilig.

Sofort war Davy wieder hochgeschossen und hielt sein Kopfkissen schon wurfbereit in der Hand.

"Jetzt hört endlich auf", meinte Remus und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. "Wenn die Sonne aufgegangen ist, könnt ihr euch immer noch gegenseitig den Hals umdrehen."

Davy ließ das Kissen sinken und sah Remus äußerst missgestimmt an.

"Sag das den beiden! Oder willst du mir weiß machen, dass du bei ihrem Gequatsche schlafen kannst? Ich jedenfalls nicht."

"Ist ja schon gut", erwiderte James ein wenig beleidigt. "Das war ja nur ein Joke."

"Tse, toller Joke", grummelte Davy.

"Man, jetzt hab dich nicht so", stöhnte Sirius, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte. "Wir sind ja schon still."

Davy erwiderte nichts mehr. Er legte sich hin, schloss seine Augen und hoffte inständig darauf endlich schlafen zu können. Die anderen drei legten sich ebenfalls schlafen.

"Nacht, Remus", sagten die beiden Schwarzhaarigen synchron.

"Gute Nacht", erwiderte dieser, klang jedoch schon stark verschlafen.

"Nacht Siri-Mausi-Zuckerpüppchen", sagte James mit honigsüßem Unterton.

"Schlaf gut mein Jammy-Bärli-Zuckerschnütchen", erwiderte Sirius ebenso übertrieben spitz.

Davy stieß entnervt die Luft aus und presste sein Kopfkissen auf seine Ohren. Der Nachwuchs der Hauses Black und Potter brachen erneut in schallendes Gelächter aus. Remus ignorierte es gekonnt, war er schon fast im Land der Träume, Davy resignierte und hoffte auf Gottes Gnade, damit die beiden übergeschnappten Jungs ihm wenigstens ein paar ruhige Stunden Schlaf gönnten. Der Einzige, der von alledem noch immer nichts mitbekam, war der kleine Blondschopf Peter, der sich in seine Decke eingekuschelt hatte und seelenruhig den Schlaf der kleinen Leute schlief.
 

Der darauf folgende Tag verlief relativ ruhig. Remus verbrachte fast den gesamten Tag im Gemeinschaftsraum der Gryffindor und wiederholte den Stoff der verpassten Unterrichtsstunden und der Hausaufgaben. James und Sirius streunten im Schloss umher, auf der Suche nach ein paar interessanten Entdeckungen. Bis auf eine Standpauke seitens des Hausmeisters, da sie sich die Nasen an den frisch polierten Vitrinen mit den Quidditch-Pokalen und Quidditch-Plaketten platt gedrückt hatten, hatte sich für sie heute nichts wirklich weltbewegendes ereignet. Davy war mit einigen Ravenclaws und Hufflepuffs umhergezogen. Und Peter? Peter hatte Remus beim Lernen geholfen, hatte er selbst nichts besseres mit sich anzufangen gewusst. Die vier Jungs waren an diesem Abend recht früh zu Bett gegangen. Zu Gudgeons Glück hatten die beiden Schwarzschöpfe auf eine nächtliche Debatte verzichtet. So waren sie auch schon kurz nachdem sie in ihren Betten lagen auch schon eingeschlafen.
 

Gegen vier Uhr morgens wurde Remus aus seiner Traumwelt gerissen und kehrte in die harte Wirklichkeit zurück. Lauter Glockenschlag hatte ihn geweckt und klang noch immer in seinen Ohren. Müde und vor sich hingrummelnd tastete er nach seinem Zauberstab und umschloss diesen.

"Finite incantatem!", murmelte er leise und schon verstummten die Glocken.

Leise stöhnend richtete er sich auf und fuhr sich herzhaft gähnend durch das verwirrte Haar. Einige Haare hatten sich beim Schlafen verknotet. Vorsichtig fitzte er sie auseinander und sah sich dabei im Raum um. Soweit er das in der hier anherrschenden Dunkelheit sagen konnte, schienen die anderen vier noch zu schlafen. Er seufzte. Kein Wunder. Es war schließlich noch mitten in der Nacht. Remus stand leise auf und schauderte, als seine Füße den kalten Holzboden berührten. Er lief zum Fenster und schob den Vorhang ein wenig zu Seite. Draußen war es ebenfalls noch stockfinster. Nicht einmal ein schmaler Streifen des Sonnenlichts war am Horizont zu sehen. Nacht - es war Nacht. Selbst die Sterne konnte man perfekt beobachten, da sie noch immer nicht verblasst waren, trotz der fortgeschrittenen Nachtzeit. Remus zog den Vorhang wieder zu. Deprimiert so früh aufstehen zu müssen, schnappte er sich seine sauberen Klamotten samt Zauberstab und verschwand im Badezimmer. Er schloss die Tür. Auch hier war es noch dunkel, obwohl die Vorhänge des Fensters beiseite geschoben waren. Er legte seine Sachen auf den Schrank und nahm seinen Zauberstab zur Hand.

"Lumos!"

Von der Spitze des Stabes ging ein helles weißes Licht aus. Zwar war es spärlich und nicht allzu stark, dafür genügte es aber um den Raum notdürftig auszuleuchten. Hätte Remus gewusst, wo er Streichhölzer herbekommen könnte oder wie irgendein Feuerzauber ging, so hätte er die Kerzen, welche sich wie in der Heulenden Hütte in den Lampen an den Wänden befanden, entzündet, um nicht im Halbdunkeln da zu stehen. Er legte seinen Zauberstab neben seine Kleidung - so platziert, dass er den ganzen Raum ausleuchtete - und ging duschen, nachdem er sich seines Pyjamas entledigt hatte. Das kalte Wasser belebte seine Sinne und seinen Geist und brachte seinen Kreislauf allmählich in Schwung.

"Wie soll ich das heute nur durchstehen?", murmelte er ein wenig geistesabwesend, während er das Wasser abdrehte und sich abtrocknete. "Nicht nur, dass ich Novis vor und nach der Schule ertragen muss, nein, nach dem Frühstück gleich noch eine Doppelstunde Zaubertränke mit ihm."

Er seufzte resignierend und zog seine Schuluniform an. Nachdem er dies getan hatte, putzte er sich die Zähne. Als er damit fertig war, bleckte er sie. Sauber waren sie. Sein Blick blieb wie so oft an seinen Eckzähnen hängen. Er öffnete den Mund leicht fühlte mit seinem Daumen den rechten oberen Eckzahn ab. Sehr spitz - wie nach jedem Vollmond. Seine Zähne wuchsen, wenn er sich verwandelte - besonders die Eckzähne. Selbst wenn er sich zurückverwandelt hatte, dauerte es mindestens eine Woche, bis sie wieder ihre normale Länge erreicht hatten und er mit ihnen keinem Vampir mehr Konkurrenz machen konnte. Er schloss seinen Mund wieder und betrachtete sich im Spiegel. Unter seinen Augen - noch immer leicht verklärt - waren schwarze Schatten zu sehen. Anscheinend hatte er diese Nacht doch zu wenig geschlafen. Sechs Stunden waren anscheinend nicht ausreichend gewesen. Aber wenn er noch früher ins Bett gehen würde, wann sollte er dann noch die Zeit finden Schulaufgaben zu machen? Wieder seufzte er. Die Wochen mit dem Lehrer für Zaubertränke würden mit Sicherheit kein Zuckerschlecken werken. Nachdem er sich die Haare ausführlich gekämmt hatte - sie glänzten im schwachen Licht des Zauberstabes - hatte er sie am Abend noch gewaschen - und waren stark elektrisch aufgeladen - hatte er sich heute einen Pullover angezogen, wurde es draußen langsam immer kälter. Er wusch sich noch einmal mit das Gesicht um den restlichen Schlaf loszuwerden und kehrte anschließend mit Pyjama und Zauberstab - er hatte das Licht bereits wieder gelöscht um die anderen nicht zu stören - zurück in den Schlafsaal. Dort suchte er im Halbdunkeln die Sachen für den heutigen Unterrichtstag zusammen - ging er nicht in der Annahme, dass er vor dem Frühstück noch einmal hierher kam - warf sich seinen Mantel über und machte sich auf den Weg zu Professor Novis. Leise Schloss er die Tür hinter sich, schlich die Treppe hinunter, durchquerte den Gemeinschaftsraum, stieg durch das Loch nach draußen und fand sich nun in dem verwaisten Korridor wieder. Auch hier herrschte Finsternis.

"Lumos!"

Mit erhobenem Zauberstab lief er durch die Gänge, bahnte sich seinen Weg hinunter in die Eingangshalle und blieb in deren Mitte stehen. Er sah sich um. Sirius hatte gesagt, dass sich die Räumlichkeiten für Zaubertränke im Keller befanden. Das hieß, dass es hier eine Treppe geben musste, die weiter nach unten führte, endete die große Marmortreppe schließlich hier. Er wandte sich zur Marmortreppe um und ließ seinen Blick umherschweifen. Rechts von ihm befanden sich die große Halle und das Zimmer mit den vielen Bildern, in dem der Geheimgang endete, den Madame Pomfrey ihm gezeigt hatte. Links von ihm lag das Lehrerzimmer soviel er wusste. Und sonst? Er ging an der Treppe vorbei und wurde schnell fündig. Ganz in der Nähe der Treppe befand sich eine Art Durchgang. Treppenstufen führten weiter nach unten. Hier musste er richtig sein. Für einen kurzen Moment blieb Remus stehen. Es war fast so, als hielte ihn etwas zurück. Etwas hielt ihn vor dem Kerker zurück. Nur was war das? Was war das für ein merkwürdiges Gefühl? Mit einem Mal machte die Stufen, die in die Tiefe führten einen schrecklichen Eindruck auf ihn. Der Bogen, unter dem er stand, ähnelte einem riesigen Maul, das alles zu verschlingen drohte. Remus schluckte. Als er sich vorstellte wirklich von irgendetwas verschluckt zu werden, schauderte er. Doch gleich darauf schüttelte er den Kopf. Was er sich nur wieder für dumme Gedanken machte. Dies war nichts weiter als der Eingang hinunter in die Kerkergewölbe. Was war schon dabei, wenn er dort hinunter ging - zumal er dort hinunter musste. Seine Bedenken waren einfach kindisch. Als ob kalter Stein leben konnte.

"Remus, langsam wirst du wirklich seltsam", murmelte er und stieg endlich die Treppe hinab.

Er folgte den Gang bis zur ersten Abzweigung. Etwas unentschlossen stand er da. Wo sollte er lang gehen? Es gab drei Möglichkeiten. Geradeaus, links oder rechts. Da ihm das Grübeln als recht sinnlos erschien - kannte er sich hier nicht aus und brachte es ihn nicht gerade sehr viel weiter - entschloss er sich geradeaus zu gehen. Nach einiger Zeit machte der Flur einen Biegung nach rechts und Remus stand kurz darauf wieder an einer Abzweigung. Der erste Weg führte in eine Sackgasse, womit er halt machte und sich mit dem Zweiten Gang versuchte. Wenn er an eine Abzweigung kam, ging er zunächst immer geradeaus, konnte er sich so am wenigsten verlaufen. Irgendwann stand er vor einer schweren Holztür. Ob er hier richtig war? Er klopfte an. Keinerlei Reaktion. Kurzerhand öffnete er sie und fand dahinter eine Treppe vor, die weiter nach unten führte. Er vernahm einen leises Säuseln des Windes, welches aus der Tiefe zu ihm herauf stieg.

"Fehlanzeige", meinte Remus geknickt und schloss die Tür.

Dort unten würde er wohl nicht fündig werden. Somit blieb ihm nur eine Möglichkeit. Umkehren und den ganzen verfluchten Kerker noch einmal abzusuchen. Während er lief, warf er einen Blick auf seine Uhr. Es war kurz vor Fünf. Wenn er nicht allmählich die Unterrichtsräume fand, würde er zu spät kommen und der Professor würde ihm den Kopf abreißen. Vorausgesetzt Remus ging in diesem Wirrwarr aus Gängen nicht verloren. Das Kellergewölbe war riesig. Es erinnerte ihn an eine Art Labyrinth. Selbst die anderen Stockwerke waren nicht so verzweigt wie der Kerker. Der Brünette schlang seinen Mantel fester um sich. Je länger er lief desto steifer wurden seine Glieder. Hier unten herrschte eine Eiseskälte. Er hätte schwören können, dass hier unten bereits der Winter eingekehrt war. Wurde hier unten geheizt? Zumindest waren die Wände nicht eingefroren.

"Wo ist dieser blöde Unterrichtsraum?", grummelte Remus, während er sich seine Arme warm rieb.

Er bog um die nächste Ecke. Dort entdeckte er eine Tür. Er las das Schild und als dort das Wort Zaubertränke stand, erhellte sich sein Gesicht sofort. Er warf erneut einen Blick auf seine Uhr. Kurz vor fünf Uhr. Er war also noch pünktlich. Er klopfte gegen die schwere Holztür und wartete. Es dauerte einen Moment, bis er ein "Herein!" als Antwort erhielt. Er folgte der Aufforderung und trat ein. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, sah er sich um. Vom Professor, der ihn hereingebeten hatte, war keine Spur zu entdecken. Der Schüler war ein wenig verdutzt. Wo steckte er nur? Remus zuckte mit den Schultern. Je länger er ihn nicht zu Gesicht bekam desto besser. Der junge Lupin widmete seine Aufmerksamkeit dem Klassenzimmer. Das Zimmer war beleuchtet - und bildete so wohl die einzige Ausnahme im gesamten Schloss - was ihn veranlasste das Licht des Zauberstabes zu löschen und diesen wieder in seiner Manteltasche verschwinden zu lassen. Vor ihm standen mehrere leere Bänke, die anscheinend für die Schüler gedacht waren. Davor befand sich ein etwas größerer Tisch - sicherlich Novis' Platz. Remus stieg die Stufen zu besagtem Tisch empor und nahm das Regal an der Wand unter die Lupe. Es war vollgestellt mit unzähligen Glasfläschchen und Glaskolben, in denen sich die wundersamsten Dinge befanden. In einer gelben Flüssigkeit schwammen ein Paar kleiner Beine. Ob die einem Liliputaner gehörten? In einer roten Flüssigkeit - sie wirkte sehr zäh - befanden sich einige Zähne. Das meiste waren Eckzähne. Von welchem Tier die stammten, vermochte er nicht zu sagen. Remus ging weiter. Seine Augen weiteten sich, als er an einem größeren Glas vorbei kam. Der Deckel war aus Metall, in dem Luftlöcher waren. In dem Gefäß flatterte etwas wild umher. Es bewegte sich ziemlich schnell und funkelte im Licht von Remus' Zauberstab golden und ab und zu rot. Was war das? So was hatte er noch nicht gesehen. Für einen Moment hielt das Tier in der Bewegung inne und starrte seinen Betrachter an. Zumindest vermutete Remus dies, hatte das Tier anstatt Augen zwei blutrote Rubine. Es war ein kleiner Vogel, welcher mit einem runden Ball Ähnlichkeit hatte. Sein Gefieder war durch und durch golden. Sein Schnabel war sehr lang und dünn. Wieder schoss das Tier los. Remus Augen - welche zu funkeln begonnen hatten - folgten ihm unentwegt. Irgendwie erinnerte das Tier ihn an etwas. Nur an was? Es lag ihm auf der Zunge, doch kam er nicht drauf.

"Mr. Lupin."

Erschrocken fuhr Remus hoch. Novis schloss eine Tür zu Remus' Rechten und kam auf den Jungen zu.

"Guten Morgen, Professor", begrüßte er ihn ein wenig holprig.

Sein Herz schien ihm fast zu zerspringen, so schnell schlug es.

"Wenigstens pünktlich sind Sie", meinte Novis nur knapp, ohne ihn zu begrüßen. "Legen Sie Ihre Sachen irgendwo hin. Ich glaube nicht, dass Sie sie so schnell benötigen werden."

Der Braunhaarige kam dieser Aufforderung nach. Er ging zu den Schülerbänken und legte seine Schultasche und seinen Mantel dort ab. Dann drehte er sich wieder zu seinem Lehrer um. Dieser stand gerade vor einem Schrank und öffnete diesen.

"Kommen Sie", forderte er den Schüler auf.

Ein wenig missmutig - sich aber nichts anmerken lassend - trat er näher und warf einen Blick auf den Inhalt des Schrankes.

"Das hier sind der Vorratsschrank, in dem sich alle selteneren beziehungsweise gefährlicheren Zutaten befinden. Für Schüler ist er außer in den Stunden tabu. Auch Sie werden sich nur auf meine Erlaubnis hin mit seinem Inhalt beschäftigen. Haben wir uns verstanden?"

"Ja, Professor Novis."

"Gut, dann kommen wir zu Ihrer eigentlichen Arbeit."

Er wandte sich von Remus ab und ging zu einem weiteren Schrank und öffnete ihn. Eine Sammlung mehr oder weniger antik anmutender Kessel kam zum Vorschein.

"Diese Kessel werden Sie morgens und abends putzen."

"Morgens und abends? Aber Herr Professor, wenn Sie die während des Unterrichts benutzen, dann reicht es doch, wenn ich sie abends putze. Über Nacht können sie doch schlecht wieder verdrecken."

Remus schluckte, als er feststellen musste, dass er anscheinend etwas falsches gesagt hatte. Novis fixierte ihn. Sein Blick war so durchdringend, dass der Braunschopf Mühe hatte nicht am ganzen Leib zu schlottern.

"Wie bitte?", zischte der Lehrer. "Haben Sie sich gerade über meine Anordnungen beschwert?"

"Nein, aber ich meinte doch nur, dass..."

"Seien Sie still!"

Remus zuckte augenblicklich zusammen und verstummte. Novis kam auf ihn zu. In diesem Moment wirkte er wie eine Raubkatze, die sich ihrer hilflosen Beute näherte und nur auf den günstigsten Augenblick wartete, in dem sie sich auf sie stürzen konnte. Seine Augen funkelten.

"So etwas unverschämtes ist mir noch nicht unter die Augen gekommen. Ein Schüler, der meint etwas besser zu wissen, als die betreffende Lehrkraft. Tse. Glauben Sie nicht auch Mr. Lupin, dass ein ausgebildeter Zauberer für das Fach Zaubertränke auch genauestens über eben dieses Fach und über die verwendeten Utensilien bescheid weiß? Oder glauben Sie wirklich, dass Sie es besser wüssten?"

Er kam dem Jungen noch näher. Ihre Gesichter berührten sich fast.

"Denken Sie nicht, dass es für jemanden wie mich nur den Unterricht gibt. Ich bin ebenso zu anderen Dingen verpflichtet, was Forschungen - und somit den Gebrauch von Kesseln - nach der eigentlichen Schulzeit einschließt. Glauben Sie also wirklich, dass es so unratsam wäre sowohl früh als auch abends die Gerätschaften zu säubern? Wenn Sie der Meinung sind und mir überzeugende Argumente liefern, dass Sie es nicht für nötig erachten dies zu tun, dann verraten Sie sie mir doch."

Wieder schluckte Remus hart.

"Nein, Herr Professor. Ich... Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie... Verzeihen Sie bitte meine Anmaßung."

"Ich will auch sehr hoffen, dass es Ihnen leid tut. Aber was soll man schon anderes von einem dummen, kleinen, einfältigen Gryffindor erwarten?"

Novis bedachte seinen Schüler mit einem äußerst abwertenden Blick. Wieder erinnerte er Remus nur allzu stark an Lucius Malfoy. Er entfernte sich von Remus, welcher augenblicklich aufatmete.

"Beginnen Sie mit Ihrer Arbeit. Bürsten und Reinigungsmittel befinden sich ebenfalls im Schrank. Ich erwarte, dass Sie bis zum Frühstück damit fertig sind. Dann sind Sie entlassen."

"Ja, Herr Professor."

Remus tat was ihm geheißen wurde. Er räumte zunächst die größeren Kessel heraus, da diese mehr Zeit in Anspruch nehmen würden und es besser war mit diesen zu beginnen, würde er mit fortgeschrittener Zeit - so war er sich sicher - zu schludern beginnen. Er füllte Wasser in einen kleineren Kessel und dieses dann in den größeren, war es ihm unmöglich den größeren bis zum Wasserhahn zu schleppen. Er krempelte die Ärmel seines Pullovers zurück, gab den scharf riechenden Reiniger in den Kessel, nahm die Bürste und begann mit seiner Arbeit. Ab und zu sah er auf und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Dabei stellte er fest, dass der Professor nie am gleichen Platz war. Entweder wuselte er vor dem riesigen Regal oder einem der Schränke herum, saß an seinem Tisch und notierte sich etwas oder er war ganz verschwunden. Wenn letzteres der Fall war, schien Remus die ganze Schufterei viel leichter von der Hand zu gehen. Gegen sieben Uhr leerte er seinen letzten kleinen Kessel und wusch sich anschließend die Hände. Sie rochen ungemein nach allerlei Kräutern. Was hatte der Zaubertranklehrer da nur alles gebraut? Remus stellte den Kessel zu den anderen und verstaute Reinigungsmittel und Bürsten. Er rollte die Arme seines Pullovers wieder nach vorn. Dabei fiel sein Augenmerk auf seine Hände. Sie waren beide gerötet. Am Nachmittag würde er sicherlich Schwielen haben. Ein leises Seufzen entrang seiner Kehle.

"Herr Professor?"

Remus wandte sich zum Lehrertisch, an dem Novis saß. Dieser sah auf.

"Ja?"

"Ich bin fertig."

"Haben Sie auch keinen vergessen?"

"Nein, habe ich nicht."

"Gut, dann können Sie gehen."

Damit war für ihn das Gespräch beendet und er konzentrierte sich wieder auf die vor ihn liegenden Dokumente. Remus erwiderte nichts mehr. Er warf sich seinen Mantel über. Als er seine Schultasche nehmen wollte, hielt er inne.

"Ähm, Professor?"

"Ja, was ist denn noch?"

"Kann ich meine Sachen hier lassen? Nach dem Frühstück-"

"-haben Sie mit bei mir Unterricht. Ich weiß. Machen Sie, was Sie wollen!"

Novis hatte noch nicht einmal aufgesehen, als er mit Remus gesprochen hatte. Der Ton war unfreundlich gewesen, doch das ärgerte den jungen Gryffindor noch mehr.

"Danke", murmelte der Brünette und verließ das Zimmer.

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieß er zunächst erleichtert die Luft aus - froh darüber endlich aus diesem Zimmer heraus gekommen zu sein. Fast augenblicklich wurde er wieder von der klirrenden Kälte ergriffen, die schon Stunden zuvor in dem Kellergewölbe geherrscht hatte. Zwar hatten im Klassenzimmer genauso niedrige Temperaturen ihre Posten bezogen, doch während er gearbeitet hatte, hatte er sie kaum wahrgenommen. Die Gänge wurden nun von einigen Fackeln, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden angebracht waren, beleuchtet. Mit zielstrebigen Schritten lief er durch die Korridore und erreichte kurze Zeit später die Treppe, welche nach oben in die Eingangshalle führte. Eigentlich waren die Räumlichkeiten für Zaubertränke gar nicht so weit entfernt gewesen, doch wenn man den Weg nicht wusste - so wie Remus, der heute zum allerersten Mal den Kerker betreten hatte - konnte man sich hier unten nur allzu leicht verlaufen. Der Gryffindor stieg die Stufen nach oben. Als er am oberen Absatz angekommen war, flutete ihm gleißendes Sonnenlicht entgegen, welches durch die riesigen Fenster über dem Eichenportal hereinströmte. Er kniff die Augen zusammen um etwas sehen zu können, hatten sich seine Pupillen in der Dunkelheit stark geweitet. Einige Ravenclaws kamen gerade die Marmortreppe herunter und gingen in die Große Halle. Remus folgte ihnen. Erst jetzt bemerkte er, wie groß sein eigentlicher Hunger bereits war. Er betrat den Saal und sah sich um. Es hatten sich noch nicht allzu viele Schüler zum Frühstück begeben. Es wunderte ihn nicht. Schließlich war es erst kurz nach sieben Uhr. Normale Menschen standen zu dieser Zeit gerade erst auf. Die meisten Schüler saßen - wie man auf einem Blick erkannte - am Ravenclaw-Tisch. Bei den Hufflepuffs und Gryffindors hatte sich noch kein einziger Schüler blicken lassen und am Haustisch der Slytherins saß eine Hand voll älterer Schüler. Remus war unheimlich froh, dass sich ein gewisser Vertrauensschüler nicht unter ihnen befand. Mit gedehnten Schritten schritt er am Gryffindor-Tisch entlang und ließ sich ungefähr in dessen Mitte auf eine Bank fallen. Seinen Mantel zog er aus und legte ihn neben sich auf die Bank, war es hier angenehm warm. Vor ihm erschien ein Teller mit frischen Brötchen, Semmeln und Hörnchen. Sie waren so heiß, dass sie noch dampften. Auf einem anderen Teller erschienen die verschiedensten Brotsorten. Schwarzbrot, Toastbrot, Roggenbrot, Baguette, Zwiebelbrot, Fladenbrot und noch viele mehr. Er nahm sich ein helles Brötchen und warf es von einer Hand in die andere, war es noch recht heiß. Er ließ es auf seinen eigenen Teller fallen und blies in seine schmerzenden Handflächen. Nach dem er das Brötchen aufgeschnitten hatte, sah er sich nach Aufstrich oder etwas ähnlichem um. Die verschiedensten Käse- und Wurstsorten türmten sich vor ihm, verschiedenste Konfitüren, Honig, Nusscreme - Schokoladen- oder Nugataufstrich - auch Apfelmus stand da, welches für die Eierkuchen gedacht war. Er griff nach der Erdbeermarmelade und strich sie auf sein Brötchen. Danach begann er zu Essen. Nach und nach strömten immer mehr Schüler in die Halle. Auch der Gryffindor-Tisch füllte sich. Lediglich von den Erstklässlern dieses Hauses war nichts zu sehen. Allmählich begann Remus sich zu langweilen. Wo blieben die anderen nur. Er starrte bereits seit einer knappen viertel Stunde unentwegt zum Eingang, als eine Gruppe junger Ravenclaw endlich eintrat. Sofort hellte sich seine Stimmung auf, als er unter ihnen Andromeda ausmachte. Diese unterhielt sich angeregt mit den anderen Mädchen. Sie wollten sich schon nahe der Tür niederlassen, als Andromeda Remus entdeckte und mit einem Lächeln auf den Lippen um den Tisch der Hufflepuffs ging und auf ihn zu kam.

"Morgen Remus", begrüßte ihn die Schwarzhaarige und ließ sich ihm gegenüber an dem Gryffindor-Tisch nieder.

"Morgen Andromeda."

Er schenkte ihr ebenfalls ein fröhliches Lächeln.

"Wie war dein Wochenende?"

"So lala", meinte sie und seufzte. "Naja, ich war mit den Hausaufgaben beschäftigt. Blieb nicht wirklich viel Zeit. Und bei dir? Sirius hat gesagt, dass es dir nicht so gut ging. Warst du deswegen nicht im Unterricht?"

"Spricht sich das so schnell rum?"

Remus gefiel das gar nicht.

"Nein, nein. Ich hab ihn nur nach dir gefragt. Sirius ist immerhin mein Cousin."

"Ach so, stimmt ja. Hatte ich ganz vergessen."

Er begann zu lachen. Andromeda schmunzelte lediglich ein wenig, setzte jedoch ein ernstes Gesicht auf.

"Ich wollte mit dir sprechen."

"Mit mir sprechen? Worüber? Um was geht es?"

"Um Lily."

Remus hatte es sich schon denken können, wieso sich die junge Black zu ihm gesellt hatte, doch nun bestätigte sie seinen Verdacht.

"Was ist mit ihr?", fragte er unbeteiligt.

"Tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Ich rede von eurem Streit."

Als Remus ihr nichts entgegenbrachte, fuhr sie fort.

"Du solltest noch einmal mit ihr reden."

"Ich mit ihr reden?"

Remus lächelte bitter.

"Wie soll ich das denn machen? Immer wenn ich in ihre Nähe kommen, dann ignoriert sie mich und lässt mich einfach stehen."

"Naja, nachdem was du ihr an den Kopf geworfen hast..."

"Was ich ihr an den Kopf geworfen habe?"

Remus konnte seinen Ohren nicht glauben. Dachte Andromeda etwa wirklich, dass er an dem ganzen Schlammassel schuld war? Das er allein der Schuldige war? Das Lily recht hatte und er vollkommen daneben gelegen hatte? Langsam wurde er wütend. Wieso eigentlich immer nur er?

"Sie hat mir ebenso Dinge an den Kopf geworfen! Und sie hat mich noch nicht einmal zu Wort kommen lassen. Bevor ich etwas zu meiner Verteidigung vorbringen konnte, ist sie doch wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer gerannt."

"Immer mit der Ruhe, Remus. Jetzt fahr nicht gleich aus der Haut. So hatte ich das nicht gemeint. Ich ergreife weder für dich noch für sie Partei. Ich mag euch beide. Und ich finde, dass ihr euch wieder vertragen solltet. Ihr habt euch so gut verstanden, da kann ich es einfach nicht glauben, dass ihr euch wegen so einer Kleinigkeit zerstreitet und jetzt im Hader liegt. Ich wäre wirklich glücklich, wenn ihr beiden euch wieder vertragen würdet."

"Das sagst du so einfach", murmelte Remus und seufzte. "Was soll ich denn machen, wenn sie nicht mehr mit mir reden will?"

Andromeda lächelte. Remus schien diese verfahrene Situation ebenso wenig zu gefallen, wie ihr selbst. Er wollte sich anscheinend ebenso gern mit der Rothaarigen vertragen, wie Andromeda sich das wünschte.

"Das Beste ist, wenn du ihr etwas Zeit zum Nachdenken gibst. Wenn du jetzt gleich wieder zu ihr rennst und sie zu einem Gespräch zwingen willst, dann verläuft das im Sand."

"Du meist ich soll die ganze Geschichte sozusagen ein wenig abkühlen lassen?"

"Genau."

Remus sah Andromeda an und lächelte.

"Du bist zurecht eine Ravenclaw."

Kurzzeitig spiegelte sich Verwirrung in ihren Augen wieder, wurde jedoch von einem aufgeweckten Leuchten abgelöst. Sie stand auf.

"Ich wünsche dir viel Glück. Bis später."

Sie kehrte zurück an der Ravenclaw-Tisch und überließ Remus seinen Gedanken. Dieser beobachtete sie noch eine geraume Zeit lang. Mit diesem Gespräch war ihm ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Zum einen hatte Andromeda sich doch nicht von ihm abgewandt, zum anderen schien sie auch noch Hoffnung in Hinblick auf die Beziehung der beiden Gryffindors zu haben. Nicht nur das. Sie hatte ihm auch Mut zugesprochen und gemeint, dass er es sich mit der gefühlvollen Rothaarigen doch noch nicht ganz verspielt hatte. Es würde sicherlich nicht einfach werden sich wieder mit ihr zu vertragen, doch so leicht würde er sich nicht von ihr abwimmeln lassen. Früher oder später würde sie mit ihm reden müssen - das war ihm klar. Und auf diesen Moment würde er sich einfach vorbereiten müssen. Aber bevor dies geschehen konnte, musste Remus sich noch mit jemand anderem unterhalten. Er sah hinüber zum Haustisch der Slytherins. Severus saß zwischen den anderen Schüler und aß sein Frühstück. Seine Miene war finster wie eh und je. Ja - mit ihm würde Remus zuerst sprechen müssen um sich Klarheit zu verschaffen.
 

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1.Akt, Kap.VIII - Ende

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1.IX.Hogsmeade

So, wer weiß. Ich glaube kaum, dass ich bis zum 24.Dezember oder bis zum 31.Dezember einen neuen Teil fertig bekommen. Daher wünsche ich euch allen ein fröhliches Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich würde mich (sozusagen als Weihnachtsgeschenk) über ein paar Reviews/Kommentare freuen. Danke und Grüße an: Grauwolf, alanna-chan und Nara-chan.
 

Eure Kazu
 

PS: Ich werde versuchen die Bilder der Charakterebeschreibungen zu machen. Im Moment bin ich noch nicht wirklich dazu gekommen. Daher sind sie bis jetzt immer noch nur provisorisch.
 

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1.Akt: Kapitel IX: Hogsmeade

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Noch immer verspürte Remus einen regelrechten Heißhunger. Die morgendliche Arbeit unten im Kerker hatte ihn anscheinend doch mehr von seinen Kräften abverlangt, als er selbst gedacht hatte. Als er sich ein weiteres Brötchen nehmen wollte, erweckte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Nicht weit von ihm entfernt stand eine Schüssel, welche mit einem rosaweiß gestreiftem Pudding gefüllt war. Er nahm sich eine Portion von eben diesem.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es den hier auch gibt", meinte er mit einem Lächeln auf den Lippen und begann sich erneut den Magen voll zu schlagen.

Sirius, James, Peter und Davy betraten die Große Halle. Da der Haustisch der Gryffindors noch recht leer war, entdeckten sie Remus schon auf den ersten Blick.

"Morgen Remus", begrüßten sie ihn munter.

Er sah auf und lächelte.

"Morgen."

Die vier ließen sich bei ihm nieder.

"Sag mal, was ist du da für'n Zeug?", fragte Sirius, als er sich ein Hörnchen nahm und er Remus' vermeintliches Frühstück sah.

"Pwdin Mynwy", antwortete er und aß weiter.

"Bitte was?"

Auch die anderen konnten mit diesem Kauderwelsch nichts anfangen. Remus grinste sie über das ganze Gesicht hinweg an und konnte sich das Lachen nur schwer verkneifen.

"Entschuldigt. Gewohnheit. Ich meinte natürlich Monmouth-Pudding."

"Und wieso sagst du das nicht gleich?", fragte Sirius.

"Hab ich doch."

Noch immer schmunzelte der Braunhaarige sie an.

"Eben nur nicht auf Englisch."

"Und was war das dann?", bohrte nun James nach.

"Naja, Monmouth-Pudding ist eine Spezialität aus Wales."

"Dann kommst du aus Wales?"

Remus nickte.

"War das Walisisch?"

Wieder ein Nicken. Sirius seufzte.

"Ich hätte eher auf Liverpool getippt. Vom Dialekt her."

"Naja, Liverpool ist ja auch nicht so weit weg", erwiderte Remus, der die ganze Sache noch immer zum Lachen fand.

Als ob es so interessant wäre zu wissen, wo er wohnte. Früher oder später wären sie schon noch auf dieses Gesprächsthema gekommen. Nur hätte er nie gedacht, dass das über eines seiner Lieblingsgerichte geschehen würde.

"Wo wohnst du denn genau?", fragte Sirius.

"Swansea. Ist bei Cardiff in der Nähe. Aber bevor ihr mich hier noch ganz löchert würde es mich interessieren wo ihr herkommt."

"London", antworteten die beiden Schwarzschöpfe synchron.

"Southampton", gab Davy als Antwort und Peter sagte: "Birmingham."

Bevor sie ihr Gespräch fortsetzen konnten, flatterten Scharen von Eulen durch die riesigen Fenster. Sie zogen einige Kreise, hielten nach ihren Empfängern Ausschau und überbrachten, nachdem sie diese entdeckt hatten, ihre Nachrichten. Remus sah sich um. Er war sich nicht sicher, ob er heute Post bekommen würde oder nicht. Die meisten Tiere hatten sich bereits wieder auf den Rückweg gemacht, als eine große braune Schleiereule sich ihren Weg zu dem jungen Lupin bahnte. Er streckte den Arm aus, um sie willkommen zu heißen. Sirius und James, die ihm gegenüber saßen, zogen gerade noch rechtzeitig ihre Köpfe ein, um nicht von den Schwingen des Tieres getroffen zu werden. Die Eule ließ eine Zeitung vor ihrem Besitzer auf den Tisch fallen, bevor sie sich auf dem angebotenen Arm niederließ.

"Morgen Cassandra", begrüßte Remus sie freundlich und gab ihr zur Belohnung - da sie anscheinend einen recht anstrengenden Weg hinter sich hatte - etwas von seinem Frühstück ab, welches sie nicht abschlug.

"Ist das etwas deine?", fragte Peter, der seinen Mund nicht mehr zubekam.

"Ja. Schön, nicht?"

"Wow! Die ist wirklich toll."

"Was hat sie dir denn mitgebracht?", fragte James.

Er wartete jedoch nicht auf die Antwort, sondern nahm sich bereits die Zeitung, die vor dem Brünetten gelandet war. Er las die Überschrift.

"Du hast dir den Tagespropheten bestellt?"

Der Ton des Sprösslings der Potters hatte nicht gerade sehr positiv geklungen.

"Ja, hast du was dagegen?"

"Nein, nein. Aber du liest dir das Ding doch nicht von vorn bis hinten durch oder etwa doch?"

"Dafür sind Zeitungen doch da, oder? Dachte ich zumindest."

James verdrehte genervt die Augen.

"Schon klar, aber da steht eh nichts gescheites drin."

"Da bin ich mir nicht so sicher", meinte Sirius, der sich einen Einblick in den Propheten verschafft hatte. "Da steht was über Halloween."

James suchte nach der Anzeige, die Sirius gesehen hatte und fand sie auch prompt.

"Die neusten Trends zu Halloween", las er laut vor. "Tse. Und so was Anfang September. Halloween ist erst in über einem Monat."

"Tja, sie wollen halt sicher gehen, dass es niemand vergisst. Immerhin gibt es auch Leute, die recht vergesslich sind und denen man Dinge hundert mal sagen muss, bevor sie es sich endlich gemerkt haben."

"Sag mal, Sirius", James sah seinen Freund drohend an, "willst du mir damit etwas Bestimmtes sagen?"

Der Angesprochene grinste über das gesamte Gesicht.

"Klar, sonst hätte ich es ja wohl kaum gesagt."

James stürzte sich regelrecht auf seinen Nachbarmann.

"Sirius Black! Du bist der größte Arsch in ganz Hogwarts! Na warte! Ich bring dich um!"

James drückte Sirius auf die Bank. Sie lagen aufeinander. Der junge Black hielt die Fäuste seines Angreifers fest und lachte noch immer. Auch die anderen drei konnten einfach nicht anders, als zu schmunzeln. Solche kleinen freundschaftlichen Raufereien am Morgen machten den Tag schon viel interessanter.

"He, Jungs. Beruhigt euch wieder", meinte Remus, der endlich aufgegessen hatte und den zwei Streithähnen mehrere Minuten bei diesem vermeintlichen Kampf zugesehen hatte.

Lachend setzten sich die zwei Gryffindors wieder auf. Ihre Köpfen waren rot, war ihnen das Blut in der Liegeposition zu Kopf gestiegen. James schnappte sich erneut den Tagespropheten und las sich den Artikel über Halloween durch.

"He Leute. Wisst ihr, welche Kostüme dieses Jahr laut Umfrage in sind?"

"Spuck's schon aus. Du sagst es uns ja sowieso gleich", erwiderte Sirius desinteressiert.

"Bingo, Siri. Wie kommst du nur immer drauf? - Hier steht, dass Vampire und Werwölfe an der Spitze stehen. Dicht gefolgt von Kopflosen Rittern und anderem untoten Gesocks."

Remus musste bei dem Klang des Wortes Werwölfe unweigerlich schlucken.

"He, dann weiß ich, was du dieses Jahr machen kannst", warf Sirius ein und sah zu James.

"Vampir. Ist doch klar."

"Quatsch! Viel besser. Viel abschreckender. Unmenschlicher."

"Spinnst du?! Ich mach doch nicht Snape."

"Wer redet denn hier bitteschön von ihm? Ich meinte dich! Du brauchst dich überhaupt nicht zu verkleiden."

Für einige Minuten herrschte vollkommene Stille. Langsam wandte sich James an den anderen Schwarzhaarigen. Seine Augenbraue zuckte nervös. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass er nicht mehr weit von einem Wutausbruch entfernt war.

"Geht's dir nicht gut?", fragte Sirius mit Unschuldsmiene. "Mit deiner Augenbraue stimmt was nicht. Die zuckt so komisch."

"SIRIUUUUUUUUUUS!!!"

Doch bevor sich James erneut auf den jungen Black stürzen konnte, erhob Dumbledore seine Stimme.

"Guten Morgen, meine Lieben. Ich möchte euch nicht allzu lang vom Essen abhalten. Nichts desto trotz muss ich euch von einer Kleinigkeit in Kenntnis setzen."

Die Schüler wandten sich zum Lehrertisch. In der Großen Halle war schlagartig Ruhe eingekehrt.

"Gestern Nacht", fuhr der Direktor fort, "hat sich unser lieber Peeves sich einen Scherz erlaubt. Das gesamte Stockwerk steht unter Wasser. Aufgrund dieses kleinen Scherzes wird es dieses Jahr nicht möglich sein die Räumlichkeiten für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu verwenden, da die Behebung der Schäden ein wenig länger dauern dürfte. Professor Redwing wird ihren Unterricht in den Kerkerräumen abhalten."

Er ließ seinen Blick über seine Schützlinge schweifen, um zu sehen, ob ihm jeder zugehört hatte. Dann lächelte er.

"Danke für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche euch noch einen guten Appetit."

Damit nahm er wieder Platz.

"Noch mehr Unterricht im Kerker", stöhnte Sirius. "Das da unten ist ein einziger Eisbunker."

"Wem sagst du das?", seufzte James, der anscheinend die kleinen Sticheleien schon wieder vergessen hatte."

Remus warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach halb Neun. In knapp dreißig Minuten begann der Unterricht. Er schlug den anderen vor, dass sie ihre Sachen holen sollten. Auf die Frage hin, ob er mit ihnen nach oben kommen würde, verneinte er, wollte er den Tagespropheten noch ein wenig studieren. Außerdem hatte er seine Unterrichtsmaterialien ja bereits im Klassenzimmer für Zaubertränke.
 

Kurz vor neun Uhr holten James und die anderen Remus aus der Großen Halle ab und machten sich auf den Weg. Auf dem Gang des Kerkers warteten bereits die restlichen Gryffindors und die Schüler aus dem Hause Slytherin. Punkt Neun ließ Professor Novis sie ein. Remus nahm in der letzten Reihe Platz, wo er seine Schultasche abgestellt hatte. Sirius und James ließen sich vor ihm nieder, Davy und Peter an der Bank neben ihm. Der Brünette saß allein. Er sah sich um. Eigentlich waren sie eine gerade Anzahl von Schülern. Musste dann nicht noch jemand übrig sein? Er entdeckte den vermeintlichen Übeltäter. Er saß in der ersten Reihe. Allein - wie Remus.

"Severus", murmelte er leise.

Für einen kurzen Augenblick trafen sich ihre Blicke, doch der Schwarzhaarige wandte sich fast sofort wieder um. Remus hatte diesen Blick verstanden. Er bedeutete soviel wie, dass Severus lieber allein arbeitete, als mit irgend einem Gryffindor, irgendeinem Halb-Blut - nein mit Remus zusammenarbeitete. Die Stunde begann. Novis schritt zu seinem Tisch und nahm Platz. Sein Blick ging durch die Klasse und verweilte kurzzeitig auf dem jungen Lupin bevor er weiterschweifte. Er erhob seine Stimme.

"Heute scheint ihr es endlich geschafft zu haben vollzählig zu erscheinen."

Sein Ton war kalt, abweisend und rau wie immer.

"Da ihr es - bis auf eine Ausnahme", er sah zu Severus, "letzte Stunde nicht geschafft habt einen einfachen Schwellungstrank herzustellen, werdet ihr euch heute an etwas einem einfacheren, weniger anspruchsvollen Trank versuchen. Ihr werdet einen einfachen Trank zur Heilung von Furunkeln herstellen. Wenn ihr nicht völlige Nieten in diesem Fach seit, dann dürftet ihr ihn ohne weitere Probleme brauen können. Das ist wirklich unterstes Niveau. - Mr. Pettigrew."

Peter zuckte beim Klang seines Namens unweigerlich zusammen.

"Ich hoffe Sie werden es heute schaffen uns nicht alle durch ihre misslungenen Ergebnisse auszuräuchern."

Die Slytherins kicherten hinter hervor gehaltenen Händen. Peter lief rot an und man konnte regelrecht sehen, wie er in seinem Stuhl langsam vor Scham zusammenschrumpfte. Sicherlich wünschte er sich in diesem Moment an das andere Ende der Welt.

"Sie werden in Paaren zusammenarbeiten", fuhr Novis fort und sah sich um.

Abwechselnd sah er zu Remus und dann wieder zu Severus. Schließlich blieb er jedoch bei Remus.

"Mr. Lupin."

"Ja, Sir?"

"Haben Sie bereits Erfahrungen auf dem Gebiet der Zaubertränke?"

"Nein, Herr Professor."

"Dann werden Sie mit Mr. Snape zusammenarbeiten. Ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass Sie mir den Unterrichtsraum verunstalten."

"Ja, Herr Professor."

"Und Sie, Mr. Snape?"

"Ich habe verstanden", erwiderte dieser kurz angebunden.

Remus begann seine Sachen zusammen zu packen, um zu Severus in die erste Reihe sozusagen umzuziehen.

"Du tust mir leid", flüstere Sirius. "Wenn er dir blöd kommt, dann sag es uns und wir knöpfen ihn uns nach der Stunde vor."

"Ich mach das schon. Übertreib mal nicht", gab der Braunschopf mit einem schiefen Lächeln zurück. "Bis später."

"Mr. Lupin, wir warten."

Der Angesprochene fuhr herum.

"Ja! Verzeihung."

Remus lief nach vorn, legte seine Sachen ab und setzte sich neben den Schwarzhaarigen. Novis fuhr derweil damit fort die Zutaten aufzuzählen. Ein Stück Kreide notierte alles an der Tafel und die Schüler schrieben es sich auf ihre Pergamente.

"He, Severus", begrüßte Remus ihn.

"Sei still und schreib mit", gab dieser grimmig zurück.

"Was soll denn das heißen? Was hab ich dir getan?"

"Du bist ein Halb-Blut. Das allein reicht schon. Zu allem Überfluss bist du auch noch ein Gryffindor. Meine Intention mit dir zu reden tendiert folglich gegen Null."

"Was?"

Remus verschlug es regelrecht die Sprache. Hatte er richtig gehört? Hatte Severus das gerade wirklich gesagt? Der gleiche Severus, den er im Zug kennen gelernt hatte?

"Aber Seve-"

"Für dich Snape, klar?", zischte dieser und durchbohrte den Gryffindor dabei mit seinen eiskalten perlengleichen Augen. "Wenn es nicht um den Trank geht, den wir zusammen herstellen sollen, dann tu mir einen Gefallen und sei gefälligst ruhig."

Remus hatte seinen Mund bereits zu einer Antwort geöffnet, besann sich jedoch eines besseren. Im Moment war es wirklich nicht der richtige Zeitpunkt Severus zur Rede zu stellen. Es würde mehr Zeit brauchen, als sie hier hatten. Zudem gab es hier zu viele Zuhörer. Der Dunkelhaarige würde sich also kaum zu einer Debatte mit ihm hinreißen lassen. Er würde weiterhin seine kalte, gefühlslose Maske aufbehalten und sie keine Blöße geben. Remus blieb also nichts anderes übrig, als einen weiteren günstigen, unbeobachteten Moment abzuwarten.

Zu Beginn der zweiten Unterrichtsstunde hatten die Schüler ihre Tränke vollendet und auf dem Lehrertisch abgegeben. Laut Professor Novis hätten die Tränke eine smaragdgrüne Farbe annehmen sollen. Bei den meisten Schülern war es jedoch ein giftgrün geworden. Zwar hatte Peter diesmal den Raum unversehrt gelassen, dafür hatte sein Gebräu sich ziegelrot gefärbt.

"Peter, ich glaube du hast dich da ein wenig vertan", meinte James, als er Sirius' und seine Arbeit nach vorn trug.

"Meinst du? Denkst du die Farbe ist so ausschlaggebend?", fragte der etwas pummeligere Junge unsicher.

"Naja, ich denke schon. Sonst hätte Novis es doch kaum erwähnt..."

Sie kamen vorn am Lehrertisch an. Remus trug zwei Proben von sich und Severus.

"Und? Wie lief es bei dir?", fragte James neugierig. "Hat er dich sehr runter geputzt?"

"Nein, hat er nicht", gab er kopfschüttelnd zurück. "Wir hatten so was wie ein Einvernehmen. Wir haben uns nur auf das Nötigste an Wörtern beschränkt."

James schmunzelte: "Muss ja aufregend gewesen sein. Und euer Trank?"

Remus hielt die Flaschen hoch. Die Flüssigkeiten waren smaragdgrün und kristallklar. James stieß einen Pfiff aus.

"Nicht schlecht. Perfekte Arbeit würde ich sagen. War bei Snape aber nicht anders zu erwarten."

Remus grinste belustigt. War James etwa neidisch? Er schüttelte den Kopf. Ach, Quatsch. Das bildete er sich ein. Die drei Jungs stellten ihre Proben zu den anderen auf dem Lehrertisch und nahmen wieder Platz. Novis begutachtete die Probe und nahm zielsicher eines der Fläschchen zur Hand.

"Ich brauche den Namen noch nicht einmal zu lesen, um zu erraten, wer von ihnen dieses Ziegelrot zu verantworten hat. Oder Mr. Pettigrew?"

Dieser zog augenblicklich den Kopf ein. Wie schon zu Beginn der ersten Stunde lachten die Slytherin-Schüler über seine Reaktion. Lediglich Severus beteiligte sich nicht daran. Vielmehr schien ihn die noch immer währende Gesellschaft Remus' zu missfallen. In der zweiten Stunde behandelten sie das Thema Tränke für Verwandlungen. Zwar hörte Remus zu - es war ein interessantes Thema - und machte sich Notizen, doch aus irgend einem Grund langweilte er sich. Er hoffte sich inständig, dass die Stunde bald vorbei war und er endlich hier raus kam. Doch waren lag das? Er sah seinen Banknachbarn - der ebenfalls fleißig mitschrieb - von der Seite an. Ob es an Severus' Art lag, wie er Remus entgegentrat? Ob sich der Brünette deshalb nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte? Remus verdrängte den Gedanken, wollte er nicht schon wieder darüber nachdenken. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und hielt am Regal hinter dem Lehrertisch inne. Dort befand sich eine größere Lücke zwischen den Gläsern. Er war sich sicher, dass sie heute morgen noch nicht da gewesen war. Er grübelte einige Zeit, was dort gestanden haben könnte. Nach einigen krampfhaften Überlegungen fiel es ihm wieder ein. Genau dort hatte das Gefäß mit dem seltsamen flatterndem Etwas gestanden. Ein kleiner, kugelförmiger, goldener Vogel. Doch wo war er jetzt? Wo hatte Novis ihn hingebracht? Hastig nahm Remus seine Schreibfeder zur Hand und tunkte sie in sein Tintenfass als der Professor an ihm vorbei schritt. Der junge Gryffindor sah ihm aus den Augenwinkeln hinterher. Was hatte er nur mit dem Tier gemacht? Warum stand es nicht mehr da?

Am Ende der Doppelstunde gab Novis den Schülern die Hausaufgabe verschiedene Verwandlungs- und Tranformationstränke auszuarbeiten. Remus und Severus packten gemächlich ihre Sachen zusammen. Die anderen Schüler waren bereits gegangen. Severus machte sich noch vor Remus auf den Weg nach draußen, wurde jedoch in der Tür von Lily abgefangen. Diese lächelte.

"Hallo Severus. Ich wollte-"

"Lass mich zufrieden, Evans!", fuhr er sie - ohne sie aussprechen zu lassen - an.

Er ging an ihre vorbei und verschwand um die nächste Ecke. Die Rothaarige stand schockiert in der Tür und starrte ihm hinterher. Remus wollte gerade zu ihr gehen und mit ihr reden, als Novis ihn zurück rief.

"Denken Sie an heute Nachmittag. Ich erwarte, dass Sie halb fünf hier sind. Haben Sie verstanden?"

"Ja, Herr Professor."

"Dann gehen Sie."

Remus kam dieser Aufforderung nur zu gern nach. Er schnappte sich seine Tasche und trat nach draußen. Dort standen Sirius und ei anderen drei Erstklässler.

"Da bist du ja endlich. Wieso hat das so lange gedauert?"

"Tut mir leid", entschuldigte er sich mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Wir müssen uns beeilen", ermahnte Davy sie. "Sonst macht uns Professor McGonagall die Hölle heiß."
 

Die Verwandlungsstunde verlief recht ruhig. Professor McGonagall teilte die Aufzeichnungen der letzten Stunde (siehe Kapitel 4) aus. Sie lobte die Ausarbeitungen Andromedas, Lilys und Remus' und meinte sie hätten damit die volle Punktzahl erreicht. Normalerweise hätte er sich natürlich sehr darüber gefreut, doch aufgrund des vorgefallenen Streits zwischen Lily und ihm, wollte sich eben dieses Gefühl nicht bei ihm einstellen. Andromeda - die Vermittlerin zwischen den beiden - nahm den Aufsatz an. Sie warf Remus einen entschuldigenden Blick zu. Dieser lächelte, wenn auch ein wenig niedergeschlagen. Nach der Mittagspause von zwei Stunden, in der die Schüler der vier Häuser einen Teil ihrer Hausaufgaben erledigten, hatten die Erstklässler Gryffindors gemeinsam mit den Ravenclaws eine Stunde Geschichte der Zauberei mit Professor Binns. Er war ein alter und gebrechlich wirkender Zauberer. Remus fragte sich, wie lange er noch auf dieser Erde weilen würde. Diese letzte Stunde schien eine Ewigkeit zu dauern. Der Professor leierte die Jahreszahlen und damit verbundenen Namen und Handlungen herunter, sodass sie sie kaum mitkamen. Der junge Lupin fragte sich, ob der Professor zwischendurch auch einmal auf den Gedanken kam Luft zu holen. Nach dieser verwirrenden Stunde war Remus genau so schlau wie vorher. Dafür war sein Papier von oben bis unten beschrieben. Überall, ob nun am Rand oder zwischen die Zeilen gequetscht, standen kleine Ergänzungen und Vermerke. Remus nahm sich vor das ganze mit Hilfe des Lehrbuches ein wenig übersichtlicher und verständlicher zu gestalten.
 

Es war kurz nach sieben Uhr. Die Schüler hatten sich zum Abendessen in der Großen Halle versammelt. Die verzauberte Decke, welche den derzeit herrschenden Himmel wieder spiegelte, war pechschwarz. Der Regen prasselte auf das Schloss hernieder. Sirius und James unterhielten sich währenddessen wie immer sehr angeregt. Peter hatte es bereits aufgegeben ihnen zuzuhören, verlor er doch immer wieder den Faden. Gelangweilt ließ er seinen Blick am Lehrertisch entlang gleiten. Professor McGonagall war in ein Gespräch mit Professor Dumbledore vertieft. Flitwick und Sprout schienen ebenfalls über etwas zu diskutieren. Novis unterhielt sich mit Redwing. Wenn man das so nennen konnte. Immerhin war er es, der die ganze Zeit sprachen. Peter runzelte die Stirn.

"He, Jungs", setzte er an.

Sirius und James sahen ihn fragend an, waren das seine ersten Worte an diesem Abend gewesen. Davy schien es nicht zu interessieren, sprach er gerade mit zwei weiblichen Gryffindors.

"Was ist?", fragte James wenig neugierig.

Peter deutete auf den Lehrertisch - auf Novis.

"Wieso ist der schon wieder da? Wo hat er Remus gelassen?"

Das war eine gute Frage. Sirius sah sich um. Nirgends eine Spur von dem Braunschopf.

"Vielleicht lässt er ihn noch immer schuften", meinte James, der wie sein Banknachbar seinen Blick durch den Saal schweifen ließ.

In diesem Moment öffneten sich die großen Flügeltüren. Einige Schüler sahen auf und begannen hinter vorgehaltener Hand zu kichern. Lediglich die Slytherins verbargen ihre Belustigung nicht.

"He, Fiffy. Siehst ja aus wie ein begossener Pudel. Bist du vom Regen in die Traufe gekommen?", rief Malfoy und das Gelächter an seinem Tisch schwoll an.

Remus warf dem Siebzehnjährigen einen vernichtenden Blick zu, erwiderte jedoch nichts, ging stattdessen weiter. Nun hatte er auch Sirius' und James' Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch sie waren einige der Wenigen, die sich nicht über seine Erscheinung lustig machten. Sirius rutschte ein Stück zur Seite, sodass der Jüngere Platz nehmen konnte.

"Was ist denn mit dir passiert?", fragte er besorgt und musterte den Neuankömmling. "Du bist ja klatschnass."

Seufzend ließ sich Remus neben dem Schwarzhaarigen nieder, wobei er seinen regennassen Mantel auszog. Die Kleidung darunter war ebenfalls mit Wasser durchtränkt. Seine braunen Haare klebten in seinem Gesicht. Große Wassertropfen lösten sich von den Spitzen und flossen über seine gerötete Nase und Wangen. Mit dem Ärmel wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht.

"Ich war draußen", gab er als Antwort, während er sich die Hände rieb, welche eiskalt und bereits blau angelaufen waren.

"Draußen?", wiederholte James ungläubig, der sich auf den Tisch stützte, um vorbei an Sirius zu Remus sehen zu können. "Heißt das, dass dich Novis bei dem Sauwetter wirklich rausgeschickt hat?"

"Ja", erwiderte Remus mit einem schwachen Nicken. "Ich sollte am See neue Kräuter sammeln gehen."

"Bastard", zischte Sirius und warf dem Lehrer für Zaubetränke, über die Köpfe der Schüler hinweg, einen erbosten Blick zu.

In Gedanken hetzte er ihm bereits die schlimmsten Flüche, die ihm einfielen, auf den Hals, als er etwas Zitterndes an sich spürte. Er sah zu Remus. Dieser hatte seine Arme um sich geschlungen und schlotterte am ganzen Leib. Sein Gesicht war kreidebleich.

"Remus, du siehst gar nicht gut aus. Soll ich dich zu Madame Pomfrey bringen?"

Der Brünette schüttelte den Kopf.

"Geht schon. Mir ist nur etwas kalt", brachte er zwischen klappernden Zähnen hervor.

Sirius sah ihn skeptisch an. Er nahm eine von Remus Händen. Ein kalter Schauer durchlief ihn.

"Von wegen geht schon. Du bist ein einziger Eisblock", bluffte er ihn an. "Du musst aus den nassen Sachen raus!"

Er stand auf, schnappte sich Remus' Mantel und zog den Braunhaarigen - seine Hand immer noch nicht loslassend - hinter sich her. Selbst seine Proteste ignorierte er gekonnt.
 

Das Porträt der fetten Dame schwang zur Seite und die beiden Erstklässler betraten den Gemeinschaftsraum der Gryffindors.

"Jetzt lass mich schon los!", rief Remus verzweifelt und versuchte sich vergeblich aus Sirius' Handgriff zu winden, während er die Treppe zu den Schlafsälen nach oben gezogen wurde.

"Stell dich nicht so an", erwiderte der Schwarzhaarige gereizt. "Du tust ja so, als würde ich dich zur Schlachtbank führen."

Sirius stieß die Tür zu ihrem Schlafsaal auf, verweilte jedoch nicht lang darin. Er durchschritt ihn und ging mit dem Jüngeren in das angrenzende Badezimmer.

"Was soll das werden?!", fragte der Brünette und klang dabei ziemlich nervös.

"Du kriegst eine heiße Dusche."

"Was?!"

Remus Augen weiteten sich. Das war nicht Sirius' Ernst. Oder etwa doch? Nun stemmte er sich regelrecht gegen den Größeren.

"Ich brauch keine Dusche. Mir geht's gut. Wirklich!"

"Jetzt hab dich nicht so. Du bist ja noch schlimmer als ein Mädchen!"

Sirius drehte das heiße Wasser an. Remus hielt er noch immer fest. Dessen Gegenwehr beeindruckte ihn keinesfalls. Mit einem gezielten Griff packte dessen Pullover, zog ihm diesen über den Kopf und entblößte so seinen Oberkörper.

"Siehst du Remus. Was ist denn schon da-..."

Fassungslos starrte er die Brust des Jüngeren an. Er fasste den jungen Lupin an der Schulter, drehte ihn herum und musterte dessen Rücken.

"Aber... Remus, wieso..."

Der Braunhaarige entzog sich dem Griff und schnappte sich sein Oberteil aus den Händen des Älteren. Er wich einige Schritte vor ihm zurück und presste den Pullover an seine Brust, um dem Anderen die Sicht auf die Verletzungen zu verwehren.

"Wieso-? Woher hast du die ganzen Narben? Wer hat dir das angetan? Wer hat dich so zugerichtet?", fragte Sirius und schien vollkommen verwirrt und entsetzt zu sein, hatte er nicht damit gerechnet.

"Das geht dich nichts an!", rief Remus außer sich. "Ich hab doch gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst!"

Für einen Moment trat Schweigen ein. Sirius musste das alles erst einmal verarbeiten, um überhaupt einen klaren Gedanken fassen zu können.

"Remus, ich... Ich konnte doch nicht wissen, dass du deswegen so einen Aufstand gemacht hast. Es tut mir leid. Wirklich. Aber wieso hast du nichts gesagt?"

"Wieso ich nichts gesagt habe?!", schrie der Brünette den Schwarzhaarigen, der heftig zusammenzuckte, außer sich an. "Weil ich nicht will, dass jemand davon erfährt!"

"Und wieso nicht?"

"Wieso? Na weil..."

Remus bis sich auf die Unterlippe. Beinahe wäre es ihm herausgerutscht. Nein, er konnte Sirius unmöglich erzählen, woher die Narben stammten. Er senkte den Blick.

"Es ist mir peinlich", murmelte er kaum hörbar, doch Sirius konnte es klar und deutlich verstehen.

"Peinlich? Wieso?"

"Ein zerschrammter Körper ist nicht sehr ansehnlich. Ich will nicht, dass jemand mich so sieht, weil ich mir die peinlichen Blicke und Fragen sparen will. Solche Blicke, wie die, mit denen du mich gerade bedacht hast! Solche Fragen, wie die, die du mir gerade gestellt hast!"

Remus Augen waren voller Wut und Zorn, aber auch mit Angst und Unsicherheit gefüllt. Was war, wenn Sirius eins und eins zusammenzählen konnte? Was war, wenn er wusste, dass an dem Tag, als Remus krank wurde, Vollmond war? Nun, nachdem er die Narben gesehen hatte, war es nicht sehr schwer sich alles zusammenzureimen. Seine Furcht begann von einen Augen auf seinen gesamten Körper überzugehen. Er begann zu zittern.

"Remus..."

Der Junge machte einen kläglichen Eindruck. Er wirkte verschreckt und eingeschüchtert. Als Sirius sich ihm näherte, wich er zurück, bis er gegen die geflieste Wand stieß.

"Nein! Lass mich!"

"Remus. Es tut mir leid."

Nun stand er vor ihm. Die Beine des Braunhaarigen wurden weich wie wachs und er sank zu Boden.

"Lass mich in Ruhe..."

Der Schwarzschopf kniete sich vor ihn und legte ihm behutsam die Hände auf die Schulter. Mit sanfter Stimme sprach er zu ihm:

"Bitte verzeih, Remus. Ich wollte das wirklich nicht. Tut mir leid, dass ich dir die ganzen Fragen an den Kopf geworfen habe. Ich wollte dir nicht weh tun oder dich in irgendeiner Art bedrängen oder dir zu nahe treten. Das lag nicht in meiner Absicht. Ich... Ich werde auch nicht mehr davon sprechen, wenn du dich deswegen unwohl fühlst. Versprochen. Aber bitte verzeih mir."

Er hatte den Jüngeren in die Arme geschlossen und an sich gezogen. Remus war zu verwirrt und verstört, als das er Sirius' Worte oder Taten gleich begriff, doch allmählich begann er zu verstehen. Leises Schluchzen erfüllte den Raum, als er sich an Sirius klammerte und seinen Kopf in dessen Umarmung vergrub.

"Alles in Ordnung", flüsterte Sirius, während er Remus tröstend durch das Haar strich. "Alles gut."
 

Der weitere Abend verlief recht ruhig. Nachdem Sirius Remus zum Duschen und Kleiderwechsel überredet hatte, waren auch James und die anderen in den Gryffindorturm zurückgekehrt. Die beiden Erstklässler waren zu einer stillen Übereinkunft gekommen, dass sie kein Wort über den Vorfall verloren und sich wie gewöhnlich gaben. Sirius lag an diesem Abend noch lange wach. Eine Frage brannte ihm regelrecht auf der Zunge. Woher hatte Remus diese Verletzungen? Hatte er sie sich selbst zugefügt? Oder hatte jemand anderes ihn so zugerichtet? Zwar konnte er das Schweigen des Anderen verstehen, doch wieso behielt er es für sich? Sicherlich war das ganze mit einer Seelenqual, die auf dem jungen Lupin lastete verbunden, doch wenn er mit Sirius darüber sprach, konnte es vielleicht besser - erträglicher werden. Wieso hatte Remus solche Angst davor, dass die anderen davon erfuhren? Wieso hatte er Angst sich den anderen anzuvertrauen? Der Dunkelhaarige seufzte schwer. Das war nicht nur eine einzige schwierige Frage. Es war ein ganzer Fragenkomplex, den es zu ergründen galt. Er warf einen Blick zu dem Brünetten. Dieser schlief, wie auch die anderen Jungs des Schlafsaals, bereits tief und fest.

,Auch wenn du es mir nicht sagen willst', dachte er bei sich, ,Ich bekomme heraus, was mit dir los ist und dann helfe ich dir. Ob du meine Hilfe willst oder nicht.'
 

Die Woche kroch schleppend voran. Es schien, als würde sie kein Ende nehmen, doch schon fast wider Erwarten, kehrte der Samstag ein. Es war kurz nach zehn Uhr, als Remus an die Tür des Unterrichtsraumes für Zaubertränke anklopfte und nach einem ruppigen "Herein!" eintrat. Er wunderte sich noch immer, dass er erst jetzt hier erscheinen sollte. Nicht, dass es ihn sonderlich störte, doch war es schon sehr verwunderlich, als der Professor ihm am gestrigen Tag mitgeteilt hatte, erst später zu kommen.

"Sie sind fünf Minuten zu spät, Mr. Lupin."

"Entschuldigen Sie vielmals, Herr Professor. Ich wurde aufgehalten."

"Wieder auf Knarlsuche gewesen?", entgegnete der Lehrer ein wenig bissig, während er sich seinen Mantel überwarf.

"Ähm, nein."

Novis suchte einige Dinge zusammen, die er einsteckte, während Remus nur verwirrt dastand und sich fragte, was der Professor vorhatte. Bis jetzt hatte er ihm noch keine Aufgabe für diesen Tag gegeben.

"Herr Professor?", fragte der Brünette vorsichtig.

"Ja, was ist?"

"Was soll ich heute machen? Wieder Kessel putzen?"

"Nein" lautete die knappe Antwort.

"Und - äh - was dann?"

"Sie werden mich nach Hogsmeade begleiten."

"Nach Hogs-"

Remus sah die Lehrkraft verwundert an.

"Aber Sir, soviel ich weiß dürfen Erst- und Zweitklässler-"

"-nicht nach Hogsmeade", ergänzte Novis. "Ich weiß. Aber Sie werden mir bei einigen Besorgungen helfen."

"Besorgungen?"

"Ja! Und jetzt kommen Sie. Ich will keine Zeit vergeuden."

Remus folgte ihm recht widerwillig. Einerseits freute es ihn, Hogsmeade - eine der wenigen Städte, in denen nur Zauberer und Hexen und keine Muggel wohnten - kennen zu lernen und nicht erst ganze drei Jahre warten zu müssen. Andererseits stimmte es ihn nicht gerade sehr froh, wenn er daran dachte Novis' so genannten Bestellungen - er wollte sich nicht vorstellen, was darunter zu verstehen war - bis ins Schloss zurück zu tragen. Im Moment war er erleichtert darüber, seinen Mantel mitgenommen zu haben, würde er ihn jetzt auf dem Weg vom Schloss hinunter in die Stadt gut gebrauchen können.

Als sie die Eingangshalle erreichten, musste Remus eine unliebsame Entdeckung machen. Wie es schien, war heute ein Hogsmeade-Wochenende, an dem die Dritt- bis Siebtklässler und die Lehrer in eben diese Stadt gingen. Und um welchen Schüler hatten sich Scharen von Schülern - nein, Scharen von Slytherins gesammelt?

"Malfoy", murmelte der Brünette leise und warf diesem finstere Blicke zu.

In dieser Sekunde sah der Platinblonde auf und ihre Blicke trafen sich. Lucius setzte bereits zu einer spitzen Bemerkung an, unterließ es jedoch, da Remus in Begleitung Novis' war. Er grinste hämisch.

,Kann ja noch heiter werden', dachte der Erstklässler niedergeschlagen, während er Novis folgte.

Am Eichenportal wurde er vom Hausmeister - Filch sein Name - aufgehalten.

"Nicht so schnell. Wo willst du hin?", giftete er ihn an.

"Ich? Äh - nach Hogsmeade..."

"Glaubst auch nur du. Erstens bist du noch kein Drittklässler und zweitens hast du keine Erlaubnis."

"Ja, aber ich-"

"Kein aber. Du verschwindest auf der Stelle oder-"

"Lupin, wo bleiben Sie?!"

Novis, welcher schon vorausgegangen war, kehrte zurück und sah ein wenig zerknirscht von Remus zu Filch.

"Er ist mit Ihnen unterwegs, Professor?", fragte Argus sichtlich verwirrt.

"Das ist er. Würden Sie uns entschuldigen? - Lupin!"

Er sah seinen Zögling auffordernd an und wandte sich wieder zum Gehen um. Bevor der Braunschopf hinterher eilte, streifte sein Blick den Filchs - dieser funkelte ihn grimmig an. Der Junge schluckte hart und trat dann ins Freie. Der Lehrherr der Zaubertränke hatte einen Großteil der Treppe bereits hinter sich gebracht. Mit raschen Schritten lief er die Stufen hinab. Sie hatten das Eingangsportal vor kaum fünf Minuten durchquert und hatten nun bereits das Schlossgelände weit hinter sich gelassen. Der Pädagoge schien es recht schnell nach Hogsmeade kommen zu wollen. Für jeden seiner Schritte musste Remus zwei machen.

//Muss er sich unbedingt so beeilen?//, dachte er kapitulierend, während er bereits - völlig außer Atem - keuchte und sich die Seite hielt.

Zwar ging es ausschließlich bergab, doch durch das Tempo war der Marsch keineswegs annehmbar oder erholsam. Remus seufzte schwer. In diesem Moment bereute er es, mitten in der Nacht seinen Brief abgeschickt haben zu wollen. Hätte er seinen Eltern nicht auf Teufel komm raus unbedingt eine Nachricht zukommen lassen wollen, dann befände er sich nun nicht in dieser Situation und würde jetzt im Gemeinschaftsraum sitzen und ein Buch lesen, während im Kamin bereits - war es schon recht kalt geworden - ein kleines Feuer brannte und nicht stattdessen mit Novis hier draußen in der Kälte herumspazieren. Das einzig Gute, was er dieser Sachlage abgewinnen konnte, war die Tatsache, dass er Hogsmeade sehen würde. Sicherlich würde dies äußerst interessant werden, auch wenn das Faktum, dass Lucius Malfoy sich ebenfalls in besagter Stadt aufhalten würde, alles ein wenig trübte. Nach einiger Zeit hatte sich Remus mehr oder weniger an den Rhythmus Novis' gewöhnt und lief tiefer durchatmend hinter diesem her. Er ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Die meisten Bäume hatten damit begonnen ihr Laub abzuwerfen. Vielleicht zwei bis drei Wochen - so schätzte der Brünette - und sie standen vollkommen kahl da. Kalter Wind blies ihm entgegen und er hüllte sich stärker in seinen Mantel. Der Herbst war nun endgültig eingekehrt. Und der Winter würde sicherlich auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ob es weiße Weihnachten geben würde? Er hoffte es. Er konnte es sich nur allzu gut vorstellen. Ein verschneites Hogwarts erschien vor seinem geistigen Auge. Alles glitzerte im Sonnenlicht wie pures Silber. Der Schnee hatte eine leicht bläuliche Färbung, welche auf seine Sauberkeit - seine Reinheit schließen ließ. An allen nur erdenklichen Winkeln hingen Eiszapfen nach unten. Die Fenster waren mit Eisblumen bemalt. Kleine weiße Schneeflocken fielen vom Sternenhimmel und das Schloss wurde vom Licht unzähliger Kerzen erleuchtet. Sowohl in der Großen Halle, als auch im Gemeinschaftsraum der Gryffindors stand ein riesiger, geputzter Weihnachtsbaum. Das gesamte Schloss war festlich geschmückt. Und dann noch der Weihnachtsball. Ob er eine Partnerin zum Tanzen finden würde? Vielleicht Andromeda? Oder Lily? Vorausgesetzt natürlich sie hatten sich bis zu diesem Abend wieder vertragen. Das einzige Problem war die Sache mit dem Tanzen an sich. Zwar beherrschte er diese Kunst einigermaßen, doch eine wirklich gute Figur gab er dabei nicht ab. Er war sich sicher, dass er sich blamieren würde, wenn er vorher nicht noch einmal ausgiebig üben würde. Er sah Lucius' Gesicht schon regelrecht vor sich, wie er ihn zynisch und spöttisch ansah. Wie er ihn versuchte zu erniedrigen und zu demütigen und zu beweisen, dass er über Remus und den Dingen stand. Dass er etwas Besseres - ein Reinblüter - war und er - Remus - ein Nichts, ein Halbblüter, seine Eltern Blutsverräter. Bei diesem Gedanken knurrte er leise, ohne es selbst mitzubekommen. Er zwang sich dazu diese Überlegungen beiseite zu schieben und vorerst nicht daran zu denken. Zum Einen war es noch lange hin, bis Weihnachten vor der Tür stand, zum Anderen wollte er sich seinen letzten Funken Freude, den er in sich trug, nicht von jemanden wie Malfoy nehmen lassen. Während er mit seinen Gedanken gerungen hatte, hatten er und der Professor ein beachtliches Stück Weg hinter sich gebracht. Die ersten Häuser Hogsmeades waren kaum mehr zweihundert Meter entfernt. Ein leises Stimmengewirr schwappte zu ihnen herüber. Remus wandte sich um. Das Schloss war bei diesem Wetter - der Himmel war von Wolken verhangen und es hatte den Anschein, dass es jeden Moment regnen konnte - fast nicht zu sehen. Dafür war es zu weit weg. Wie lang hatten sie für diese Wegstrecke nur gebraucht? Er warf einen Blick auf seine Uhr. Es war kurz nach Elf. Wenn er es richtig in Erinnerung hatte, dann waren sie vor einer knappen halben Stunde aufgebrochen.

"Ein richtiger Marathon", murmelte er, während er sich wieder umdrehte und dem Lehrer für Zaubertränke folgte.

Als sie die letzte kurze Wegstrecke hinter sich gebracht hatten, sah sich Remus neugierig um. Die Häuser waren alle mehr oder weniger klein und schmiegten sich nahtlos aneinander. Vom Baustil her ähnelten sie Dorfhäusern aus dem Mittelalter, doch dem jungen Lupin gefiel eben diese Tatsache. Einige der älteren Behausungen waren windschief. Ihr Dachboden hatte sich vollkommen verzogen. Wenn er es sich recht überlegte, dann konnte man Hogsmeade nicht als Stadt bezeichnen. Dafür war es zu klein. Das hatte er auf den ersten Blick gesehen. Dorf war wirklich eine treffendere Bezeichnung. Die Straßen waren nicht ganz so groß, wie die in voluminöseren Orten, nichts desto trotz waren sie keineswegs klein. Ihm gefiel der Anblick. Im Winter war Hogsmeade sicherlich überaus faszinierend. Wenn der Schnee auf den Dächern lag und kleine Weihnachtssterne, Stechpalmzweige oder Misteln in den Schaufenstern hingen. Da es bereits mittags war, war bereits Leben in die Ortschaft eingekehrt. Novis wirkte ziemlich grimmig, als sie sich durch eine Schar alter Hexen kämpfen mussten. Vor einem größeren Gebäude blieben sie stehen. Der Schüler blickte auf. Das Haus wirkte ein wenig moderner, wenn auch nicht viel. Die Türen schienen aus neuem, lackierten schwarzen Ebenholz zu bestehen. Immer wieder flogen Eulen, Kauze, Uhus und viele andere Vögel ein und aus, wobei sie Briefe oder Pakete mit sich führten.

"Stehen Sie nicht so dumm herum", ermahnte ihn die Lehrkraft. "Kommen Sie."

Der Erstklässler folgte dem älteren Mann die Stufen hinauf. Als er den Eingang erreichte, las er die goldenen Buchstaben, welche auf einem Holzbrett - es war ebenfalls aus Ebenholz - neben der Tür prangten. Öffentliche Post- und Kurierdienste. Darunter standen die Öffnungszeiten. Hatte Novis sich seine Bestellungen etwa per Eule schicken lassen? Hatte er keine Eigene, die ihm seine Sachen hätte bringen können? Wieso hatte er sie auf umständlichen Weg erst hierher schicken lassen? Oder besaß er wirklich keine? Von innen sah das Haus noch interessanter aus, als von außen. Die Decke war höher, als Remus es gedacht hatte. Die Innenfassade, Decke und Fußboden waren mit lackiertem Ebenholz ausgekleidet. Remus spiegelte sich richtig im Boden. An den Wänden hingen Lampen, die jedoch im Moment nicht brannten, flutete genügend Licht durch die Fenster herein. Novis führte ihn zu einem Schalter, an dem eine junge Dame - an die fünfundzwanzig Jahre alt - mit langen, glänzenden braunen Haaren saß. Ihre Augen funkelten freudig, als sie den Professor nett begrüßte.

"Guten Tag, mein Herr."

Sie sah an ihm vorbei und schenkte Remus ein Lächeln, bevor sie sich wieder Novis zuwandte.

"Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Ich erwarte einige Pakete", gab er knapp zurück. "Sie sollten heute ankommen."

"Und wie ist Ihr Name?"

"Novis."

"Gut, einen Moment, Sir."

Sie stand auf und verschwand durch eine Tür ins Nebenzimmer. Nach wenigen Minuten kehrte sie zurück.

"Es tut mir leid, Mr. Novis. Die Eulen sind noch nicht eingetroffen. Durch einen Sturm wurden alle Tiere aufgehalten und verspäten sich. So auch die Ihrigen. Mein Vorgesetzter meinte, dass sie heute Nachmittag ankommen müssten. Wenn Sie in drei Stunden noch einmal vorbeikommen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar."

Novis nickte stumm. Mit wehendem Umhang verließ er das Gebäude. Remus verabschiedete sich kurz und folgte ihm. Sie liefen die Treppe hinunter.

"Herr Professor?"

"Ja?"

"Wollen Sie noch mal zurück ins Schloss?"

"Nein, das bringt nichts, Lupin. Wir werden die Zeit hier totschlagen."

Er wandte sich dem Jüngeren zu.

"Eigentlich verstößt es gegen die Schulordnung, aber ich entbinde Sie vorerst von Ihrer Arbeit. In drei Stunden finden Sie sich hier wieder ein. Solang können Sie tun und lassen, was Sie wollen."

Remus starrte ihn ungläubig an. Sein Mund hätte sperrangelweit offen gestanden, hätte er sich nicht ein wenig zusammengerissen, wollte er sich vor dem Professor keine allzu große Blöße geben. Er fragte sich, ob er gerade eben richtig gehört hatte. Hatte der Professor ihm gerade wirklich erlaubt, dass er sich hier allein umsehen durfte?

"Aber, Sir. Ich darf doch eigentlich gar nicht..."

"Ich weiß."

Novis sah ihn abwägend an.

"Aber ich glaube, ich kann Ihnen ein wenig Spielraum gewähren."

Wieder war es wie ein Hammerschlag. Solche Worte aus Novis' Mund? Also entweder träumte Remus oder heute war wirklich einer der besseren Tage.

"Zum Einen", fuhr der Mann fort, "schätze ich Sie als einen verantwortungsbewussten Menschen ein, zum Anderen gedenke ich nicht meine kostbare Freizeit mit einem Erstklässler aus Gryffindor - wie Sie einer sind - zu verbringen."

Mit diesen Worten ließ er den Braunhaarigen dastehen. Noch immer verwirrt, sah er ihn entgeistert nach. Novis benahm sich heute wirklich seltsam. Trotzdem hatte ihn der letzte Teilsatz wieder ein wenig beruhigt. Ein wenig Sarkasmus hatte sich der Professor anscheinend doch behalten. Der Schüler setzte sich langsam in Bewegung. Vielleicht war heute - so ging es ihm durch den Kopf - einfach nur ein äußerst guter Tag für den Tränkemeister. Oder vielleicht waren die Bestellungen, die er später abholen wollte, der Grund dafür. Er zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es ihm auch egal, wieso er für seine Verhältnisse so großzügig zu ihm war. Remus genoss einfach den Tag, auch wenn der Himmel nicht der allerbeste war und er sich Hogsmeade gern mit Sirius und James oder Lily, Andromeda und Severus angesehen hätte. Doch da diese nicht hier waren, musste er sich wohl oder übel allein die Zeit vertreiben. So schlecht war das ja auch wieder nicht. Zumal er noch ein wenig Geld einstecken hatte, welches sich bereits seit der Zugfahrt mit dem Hogwarts-Express in seinen Taschen befand. Während er die Straße entlang schlenderte, sah er sich um. Er las die verschiedenen Ladenschilder, während er einen Blick in die Schaufenster warf. Zuerst kam er zu Zonkos, einem Scherzartikelladen. Sicherlich hatten die Waren dieses Geschäfts schon für einige Aufregung in Hogwarts gesorgt. Wenn die beiden schwarzhaarigen Gryffindors erst einmal die Erlaubnis hatten hierher zu gehen, würden sie sicherlich Stammkunden werden. Remus ging weiter. Ganz in der Nähe war ein Süßigkeitenladen. Honigtopf stand auf dem Schild. Als er wieder einen Blick ins Innere warf, lief ihm das Wasser regelrecht im Munde zusammen. So viele Süßigkeiten auf einen Haufen. Er konnte es kaum glauben. Bevor er sich wieder mit dem Professor traf, würde er - so nahm er es sich vor - dem Honigtopf auf jeden Fall noch einmal einen Besuch abstatten. Er ging weiter. Es gab die Unterschiedlichsten Geschäfte. Der Blumenladen führte äußerst seltene Pflanzen, in der Apotheke - ein wirklich altes Haus - standen in einem Regal die wirklich widerwärtigsten und zugleich faszinierendsten Dinge, die man sich nur vorstellen konnte. Es gab sogar eine kleine Eisdiele, ein Geschäft für Umhänge und ähnliches - Remus fiel ein, dass er sich noch einen Festtagsumhang für den Weihnachtsball besorgen musste. Ob seine Eltern ihm einen kaufen und schicken würden? - und eine Tierhandlung. Wirtshäuser, wie zum Beispiel die Drei Besen gab es ebenfalls. Das einzige, was er noch vermisste, war eine Buchhandlung. Sicherlich würde sich hier keine so atemberaubende, wie Flourish&Blotts in der Winkelgasse, finden, doch eine kleine musste es doch hier irgendwo geben. Er hatte schon das halbe Dorf abgesucht. Viele Ecken und Winkel, wo sich der Laden verstecken konnte, gab es nicht mehr. Er entdeckte eine kleine unscheinbare Gasse, die er beim ersten Mal übersehen hatte. Vielleicht dort entlang? Kurz entschlossen betrat er sie. Durch die Dächer wurde das schwache Tageslicht fast gänzlich abgefangen, doch Remus hatte die schmale Durchführung fast hinter sich gebracht. Als er auf der anderen Seite wieder ins Freie trat, konnte er sein Staunen kaum verbergen. Er fand sich auf einem riesigen Platz, der nur durch dieses kleine Gässchen mit dem restlichen Teil des Dorfes verbunden war, wieder. Vor ihm lag zwei riesige Gebäude. Das rechte war ein wenig kleiner, als das andere. Seine Fassade war weiß und das Dach wurde von Steinsäulen gestützt. Das Gebäude links davon hatte gut vier Etagen. Es war grau und glänzte. Remus dachte, dass es aus Marmor bestand. Es hatte eine kleine Überdachung - diese wurde, wie bei dem anderen Haus, von Pfeilern getragen - damit die Kundschaft sich im Falle eines plötzlichen Regeneinbruches unterstellen konnte. Der Sims des Daches war mit kleinen Wasserspeiern versehen. Remus fühlte sich bei diesem Anblick der beiden Häuser irgendwie fehl am Platze. Diese beiden Bauwerke passten ganz und gar nicht in das Bild, welches er sich von Hogsmeade gemacht hatte und trotzdem gefielen sie ihm. Er ließ seinen Blick schweifen. An der rechten Seite, wurde der Platz von einem weiteren Laden begrenzt. Da ein Besen auf dem Schild, welches er aus dieser Entfernung nicht lesen konnte, zu sehen war, schloss er, dass es ein Geschäft für Quidditch-Utensilien war. Auf der linken Seite des Platzes befand sich eine kleine Kirche. Auch sie war reich an Verzierungen. Durch den Regen waren die Figuren allerdings schon recht stark verschlissen. Sicherlich waren sie aus Sandstein gemacht. Zwar war es wirklich ein herrliches Monument, doch Remus interessierte sich nicht wirklich für die Kirche oder irgendeine Religion. Als Atheist lies es sich noch immer am besten Leben, so fand er. Er konnte auch gut ohne einen so genannten gelobten Herrn - Gott, der die Erde in sieben Tagen erschaffen haben sollte, leben. Er wandte sich ab und ging zunächst zu dem Quidditchgeschäft. Seit seinen ersten Flugstunden, hatte er die Kunst des Fliegens immer mehr in seine Herz geschlossen. Zwar hatte er es vorher schon gemocht, doch nun lebte es regelrecht. Sirius und James hatten ihn mit ihrem Fachwissen in Sachen Quidditch bombardiert und ihn so mit diesem Wahn angesteckt. Anders, als bei den bisherigen Läden, sah er sich nicht das Schaufenster an, sondern betrat ihn gleich. Und er bereute es auch nicht. Wieder geriet er ins Staunen. So viele Besen, so viele Quidditch-Bälle und -Ausstattungen. Umhänge, Handgelenk- und Armschoner sowie Knieschoner, verschiedenste Handbücher und Pflegemittel. Er konnte es kaum glauben. Als der Verkäufer kam und fragte, ob er Hilfe brauchte, verneinte er dies. Eine gute halbe Stunde sah er sich hier noch um, bevor er sich dazu zwang zu gehen, hatte er nur noch knapp zwei Stunden übrig. Er wollte sich die beiden anderen Häuser, die sich auf diesem Platz befanden, ansehen. Außerdem hatte er sich ja auch noch vorgenommen den Honigtopf noch einmal zu beehren und etwas zu kaufen. Als er wieder hinaus ins Freie trat, ging er zunächst zu dem kleineren Gebäude. Es entpuppte sich als die lang ersehnte Buchhandlung. Er ging hinein und wurde auch schon freundlich empfangen.

"Kann ich dir helfen?", fragte eine ältere Dame und lächelte, wobei sich kleine Fältchen bildeten.

"Ähm, danke, aber ich möchte mich nur ein wenig umsehen."

Die Frau nickte: "Ich verstehe. Tu das ruhig."

Remus lächelte und ging weiter. Auch dieser Laden war äußerst anziehend und zusagend für ihn. Er freute sich diesen Platz gefunden zu haben. Er durchstöberte die Regale in beiden Etagen. Als er in der Abteilung mit den Büchern für und gegen Flüche angekommen war, stutzte er. Er nahm ein kleines Buch heraus und besah es sich.

"Flüche&Gegenflüche?", las Remus.

Es war genau das gleiche Buch, wie das, welches er sich aus der Heulenden Hütte mitgenommen hatte. Er hatte sich gefragt, wie viel das Buch wohl gekostet hatte und nun konnte er es nachprüfen. Er drehte es herum. Unten in der Ecke glühten einige Zahlen auf, die den Preis verrieten.

"Zwei Galleone und drei Sickel?", rief er überrascht aus.

Für so teuer hatte er es nicht gehalten. Sicher, es standen wirklich viele interessante Sprüche darin, was er beim Lesen hatte feststellen müssen, aber das es so teuer war, das hatte er nicht gedacht. Er stellte die Lektüre zurück und sah sich weiter um. Ein dickeres Buch stand ganz in der Nähe. Remus zog es heraus, stand auf dem Einband kein Titel. Es war in grünes Leder eingebunden und recht schwer. Auf dem Deckel prangten Silberne Buchstaben, die stark hervorstachen.

"Schwarze Magie für Anfänger und Fortgeschrittene", murmelte Remus.

Der Untertitel lautete Alle verbotenen Flüche von A bis Z - Wirkung, praktische Anwendung und Aufhebung. Remus schluckte. Was hatte er sich da nur gegriffen? Sein Verstand sagte ihm, er solle es wieder zurück stellen, doch seine Neugierde siegte. Er schlug es auf und begann darin zu blättern. Bei allen Flüchen hatte man die Seiten klar unterteilt. Zunächst kam ganz oben der Name, dann die Zutaten, die Wirkung und das Gegenmittel. Meist waren noch anschauliche Zeichnungen dazu, die Remus das Blut in den Adern gefrieren ließen. Er schlug den Wälzer zu und drehte ihn, wie schon das andere Buch, herum. Der Preis leuchtete auf. Vierzehn Galleonen und fünf Knut sollte es kosten. Er betrachtete wieder die Vorderseite und strich über den Deckel. Es war ein wirklich schönes Buch und irgendwie fesselte es ihn, doch der Inhalt war weniger erfreulich. Der Preis war keinesfalls verwunderlich. In den falschen Händen würde so etwas mächtiges zu einer Katastrophe führen. In den richtigen konnte es Menschenleben retten. Er stellte es zurück. Wie kam er nur schon wieder auf solche dummen Ideen? Seufzend schüttelte er den Kopf und ging wieder nach unten ins Erdgeschoss. Die ältere Hexe lächelte.

"Und? Hast du etwas gefunden?"

Er lächelte entschuldigend: "Nein, leider nicht. Aber wenn ich Drittklässler bin, dann komme ich wieder und dann finde ich sicherlich was."

Sie erwiderte das Lächeln warm.

"Tu das. Ich freue mich schon auf dich."

Remus verabschiedete sich und verließ das Geschäft. Während er in den Regalen gestöbert hatte, hatte er gar nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war. In einer guten halben Stunde würde er sich mit dem Professor treffen. Eigentlich hätte er gern noch das große Gebäude nebenan inspiziert, doch da er nicht mehr genügend Zeit hatte und noch einmal zum Honigtopf wollte, nahm er sich vor, dies auf seinen nächsten Besuch zu verschieben. Er durchquerte die schmale Gasse und lief mit zügigen Schritten zu dem Süßwarenladen. Die Straßen hatten sich inzwischen mit unzähligen Schülern gefüllt, die vergnügt schwatzend durch Hogsmeade schlenderten. Im Honigtopf herrschte reges Treiben. Einige Schüler sahen ihn verwirrt an und kicherten anschließend oder tuschelten und klangen dabei recht empört, was wahrscheinlich - so nahm er an - auf der Tatsache beruhte, dass er als Erstklässler gar nicht die Erlaubnis hatte, sich hier aufzuhalten und das sie in der Annahme gingen, dass er sich aus dem Schloss gestohlen hatte und dafür sicherlich Ärger bekommen würde. Doch da dem nicht so war, konnte es ihm egal sein, was sie dachten. Da er nicht viel Zeit hatte, nahm er sich von allem, was gut aussah, etwas und bezahlte dies. Er steckte die Süßigkeiten in eine seiner inneren Manteltaschen und machte sich dann auf den Rückweg zur Post. Schon nach wenigen Minuten kam diese in Sichtweite. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Er hatte noch gute zehn Minuten. Dann war es zwei Uhr. Dann würde der Professor auftauchen. Er beschloss am unteren Treppenabsatz auf ihn zu warten. Er stand noch nicht einmal eine Minute da, als er eine Stimme vernahm.

"Na wen haben wir denn da? Wenn das nicht unser kleiner Fiffy ist."

Remus sah auf und bedauerte es sofort, dass er diesen Kommentar nicht einfach ignoriert hatte. Kein Anderer als der platinblonde Slytherin kam auf ihn zu. Die älteste Schwester Andromedas hatte sich bei ihm eingehakt. Sie wurden von zwei Kolossen begleitet, die anscheinend Bodyguards darstellen sollten.

,Nicht der schon wieder', stöhnte Remus genervt, verkniff sich jedoch einen Kommentar.

"Na, wo hast du denn dein Herrchen gelassen?", fragte er noch immer höhnisch. "Du spielst doch neuerdings den Kriecher für Novis. Wie kommt es denn? Ist das deine Strafe dafür, dass du dich hast an mir rächen wollen?"

Die vier Slytherins lachten, verstummten jedoch fast augenblicklich, als Remus ein sarkastisches Grinsen aufsetzte. Was der Siebtklässler konnte, das konnte er schon lange.

"Wenn du das mit dem Wingardium Leviosa meinst, dann muss ich dich leider enttäuschen, mein guter Lucius."

Er sprach ihn ganz bewusst mit dem Vornamen an, um ihn so noch mehr zu reizen und zu provozieren. Sicherlich hatte es dieses Eckel gar nicht gern, wenn so etwas - wie sagte er so schön? - Schmutziges und Nichtsnutziges, wie Remus es war, ihn so vertraulich ansprach.

"Madame Hooch hat mir dafür keine Strafe gegeben, noch hat sie mich noch einmal belehrt. Es ist rein gar nichts passiert."

"Ach, und wieso dackelst du dann Novis hinterher?", gab der Blonde gereizt zurück.

"Geht dich rein gar nichts an."

Remus' Blick verdunkelte sich, doch Lucius begann zu grinsen.

"Rennst du ihm am Ende noch freiwillig hinterher?"

Er lachte.

"So etwas hätte ich selbst von dir nicht erwartet. Das so was wie du so tief sinken kann."

Langsam begann der Brünette sauer zu werden.

"Rede nicht so über Dinge, von denen du keine Ahnung hast. Verstanden?!"

"Wer wird denn gleich, wer wird denn gleich. Immer mit der Ruhe, Fiffylein. Oder soll ich dir einen Maulkorb verpassen?"

"Du...!"

Remus warf aufgesprungen und hatte bereits seinen Zauberstab gezogen, als sich eine raue und unfreundliche Stimme zu Wort meldete.

"Stopp!", rief Novis und trat auf die fünf Schüler zu. "Was wird das hier?", fragte er bissig und bedachte Remus, welcher seinen Stab sinken ließ und schließlich wieder einsteckte, mit bösen Blicken.

"Wir haben den Kleinen nur hierher gebracht. Er hatte sich verlaufen", gab Lucius zur Antwort und lächelte Remus überlegen an.

"Lupin?!", fragte Novis mit leiser Stimme und klang nun nur noch bedrohlicher.

"Das stimmt, Sir."

"Man kann Sie wirklich für keinen Augenblick aus den Augen lassen. Kommen Sie!"

Er ging die Stufen nach oben und ließ die Schüler zurück. Der Erstklässler warf dem Platinblonden einen zornigen Blick zu, bevor er sich umwandte und dem Professor folgte.

"Beeil dich etwas, Hündchen. Sonst wird dein Herrchen noch sauer, wenn du ihn warten lässt."

Die Slytherins lachten, doch Remus erwiderte nichts. Grummelnd betrat er das Gebäude und ging zu Novis an den Schalter. Dort türmten sich mehrere Pakete auf. Der Professor steckte zwei Briefumschläge ein und drehte sich dann zu Remus.

"Sie nehmen die Hälfte."

Mehr als ein schwaches Nicken brachte er nicht zustande. Er wollte die Päckchen gerade in die Hand nehmen, als Novis ihn anfunkelte.

"Sie wollen mich veralbern, oder Lupin?"

"Wieso, Sir? Sie sagten doch, ich-"

"Sie sollen sie nicht den ganzen Weg tragen. Ich dachte Sie sind so schlau und benutzen ihren Zauberstab. Aber wie es scheint, irre ich mich da schon wieder in Ihnen."

Remus verkniff sich den spitzen Kommentar, der ihm in den Sinn kam.

"Verzeihen Sie, Sir. Aber ich habe noch keinen Zauber gelernt, mit dem man Pakete transportieren könnte."

Entnervt schüttelte Novis den Kopf.

"Nehmen Sie Ihren Zauberstab und sagen Sie Locomotor Pakete und dann folgen Sie mir."

Während er den Zauber gesagt hatte, hatte er seinen Stab auf seinen Teil der Paketbündel gerichtet, welche nun vor ihm schwebten. Remus tat was ihm geheißen und auch sein Teil der Pakete begann in der Luft zu schweben. Gemeinsam machten sich die beiden auf den Rückweg zum Schloss. Der Gryffindor war froh, dass er Malfoy nicht noch einmal über den Weg gelaufen war. Wieder in Hogwarts angekommen, half er dem Zaubertranklehrer beim Entpacken und Einräumen der neuen Zutaten. Danach - Remus war äußerst dankbar dafür - entließ ihn Novis und der Schüler konnte den Rest des Tages im Gryffindorturm entspannen. Am Abend gab es im Jungenschlafsaal der Erstklässler noch eine hitzige Debatte. Während Remus ausführlich von seinem Ausflug nach Hogsmeade berichtete - Sirius und James spielten die Beleidigten, wären sie gerne mitgekommen, gönnten es dem Jüngeren jedoch nach all der harten Schufterei für Novis - flog die Tüte mit den Süßigkeiten durch das Zimmer und jeder bediente sich nach Herzenslust. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Remus gestand sich ein, dass die heutigen Erlebnisse - bis auf das Treffen mit Malfoy - gut getan hatten und er freute sich schon auf seinen nächsten Besuch in dem Zaubererdorf. Schade nur, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis sich die Gelegenheit dazu bat. Zufrieden und glücklich mit der Welt schlief er ein.
 

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1.Akt, Kap.IX - Ende

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1.X.Schach und matt

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1.Akt: Kapitel X: Schach und matt

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Es war Mitte Oktober. Die Erstklässler hatten sich allmählich an ihr Leben in Hogwarts gewöhnt oder zumindest begannen sie sich daran zu gewöhnen. Remus saß beim Abendessen und stocherte lustlos in seinem Essen herum. Heute war mal wieder nicht sein Tag. Heute hatte Lily ihm wieder die kalte Schulter gezeigt. Wie lange würde sie ihm das noch übel nehmen? Wie lange würde sie ihm noch einfach nicht zuhören? Bis jetzt hatte er noch kein einziges Wort über seine Lippen bringen können. Mit Ausnahme der Sätze "Lily, warte. Ich muss mit dir reden." worauf ein "Lass mich zufrieden. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben." gefolgt hatte. Aber auch nur dann, wenn es einer ihrer besseren Tage gewesen war. Sonst speiste sie ihm mit einem angewiderten oder zornigen Blick ab, drehte sich um und ging weiter.

,Was soll ich denn noch machen?', dachte er deprimiert. ,Wieso ist sie nur so stur...'

"-mus, Remus! Haaaaallooooooo!"

Sirius wedelte mit der Hand vor dem Gesicht des Braunhaarigen herum. Dieser schrak aus seinen Gedanken auf und sah ihn verwirrt an.

"Ja? Was? Was ist? Hast du was gesagt?"

Der Schwarzhaarige seufzte schwer, stützte den Kopf in eine seiner Hände - den Arm auf den Tisch stellend - und bedachte seinen Gegenüber mit besorgten Blicken.

"Mensch, Remi. Du bist schon wieder völlig weggetreten. Was ist denn heut schon wieder mit dir los?"

Remus ließ seinen Blick sinken und wendete sich wieder seinem Essen zu.

"Nichts weiter", murmelte er.

"Nichts weiter, nichts weiter...", grummelte Sirius. "Das sagst du immer. Jetzt rück schon mit der Sprache raus. Ich kann es nicht mehr sehen."

"Sirius hat recht", schaltete sich James ein. "Das kann man wirklich kaum noch mit ansehen, so oft wie du Trübsal bläst. Über schlechte Noten kannst du dich weiß Gott nicht beklagen und irgendeine Strafarbeit hast du auch nicht, also was ist mit dir los?"

Remus antwortete nicht. Er stocherte weiter lustlos in seinem Essen herum. Was sollte er den beiden denn sagen? Dass er sich mit Lily über Severus und sie - die beiden schwarzhaarigen Gryffindors - gestritten hatte und sie ihn vollkommen falsch verstanden hatte? Die beiden würden die Geschichte auch nur in den falschen Hals bekommen. Und mit Severus hatte er seit Wochen kein einziges Wort gewechselt. Das letzte Mal war im Zaubertrankunterricht gewesen, als Novis sie zu einem Paar zusammengestellt hatte. Und das war auch schon über einen Monat her. Er seufzte wehmütig. Wieso war das alles nur so kompliziert? Wieso konnte das Leben nicht ein einziges Mal fair sein? Nur ein einziges Mal!

"Oder hast du etwa Liebeskummer?", fragte James und war selbst ein wenig überrascht, als er diesen Gedanken aussprach.

Der kleine Remus konnte doch nicht wirklich von solch einem Elend gequält werden. Doch nicht der kleine, schüchterne, zurückhaltende Remus. Oder etwa doch? Man sagte immerhin, dass stille Gewässer tief und schmutzig waren. Ob das auf ihn zutraf? Ihr Jüngster schüttelte leicht den Kopf.

"Nein, das ist es nicht."

Sirius und James warfen sich viel sagende Blicke zu. Jetzt, wo Remus einmal einen längeren vollständigen Satz gesagt hatte, wollten sie auch die Ursachen seiner Deprimiertheit in Erfahrung bringen. Man konnte es mit einem Fischer vergleichen, der gerade einen Fisch an der Angel hatte. Er gedachte sicherlich nicht, ihn wieder loszulassen.

"Und was ist dann der Grund?", fragte James. "Jetzt sag schon. Wir bohren so lang weiter, bis du es uns sagst."

"Es ist wirklich nichts", beteuerte der Braunhaarige und sah die beiden bittend - fast schon flehend - an.

"Es ist nur zu deinem eigenen Besten", meinte Sirius, wobei er seinen Zauberstab zog und diesen dem Jüngeren vor das Gesicht hielt. "Also: sagst du uns jetzt endlich, was mit dir los ist oder soll ich dich zu deinem Glück zwingen? Und ich schwöre dir, dass dir letztere Variante nicht gerade sehr zusagen wird. Also?"

Ein Paar blauer Augen blitzte erwartungsvoll und auffordernd. Remus blinzelte, um sich zu vergewissern, dass ihm gerade wirklich ein Zauberstab unter die Nase gehalten wurde und nur darauf wartete einen Spruch ausführen zu können. Er seufzte, als er feststellen musste, das dies eine reelle Tatsache war.

"Na schön. Ist ja schon gut, aber nimm das Ding weg."

Er schob den Zauberstab von sich. Sirius ließ ihn wieder unter seinem Umhang verschwinden.

"Also?"

Erneut seufzte der Jüngere.

"Es ist wegen Lily."

"Also doch ein Mädchen", meinte James triumphierend.

Remus funkelte ihn finster an.

"Nicht so wie du schon wieder denkst."

"Und wie dann?"

"Sie ist sauer auf mich", erwiderte er schlicht. "Sie redet kein Wort mehr mit mir und das schon seit einem guten Monat."

"Und wieso?", fragte Sirius interessiert. "Hast du ihr irgendetwas Mieses an den Kopf geworfen?"

Er musterte Remus und lehnte sich dann zurück.

"Kann ich mir bei dir nicht vorstellen. Du bist viel zu nett für irgendwelche Gemeinheiten. Obwohl - oft haben es die Unscheinbaren faustdick hinter den Ohren."

"Danke", gab der Brünette mit einem säuerlichen Lächeln zurück, "aber das ist alles ziemlich kompliziert und ich glaube nicht, dass ihr mich verstehen würdet."

"Um was geht es denn?", fragte nun seinerseits James. "Erzähl es uns und wir versuchen es zu verstehen."

Der junge Gryffindor schüttelte schwach den Kopf.

"Nein, das geht wirklich nicht. Wenn ich euch das erzähl, dann wird die ganze Sache auch nicht besser."

,Ich befürchte eher das Gegenteil', fügte er in Gedanken hinzu.

"Und wieso?"

Wieder folgte ein schwaches Schütteln.

"Ich kann es euch wirklich nicht sagen. Tut mir leid. Hört bitte auf mich deswegen weiter zu löchern."

Die zwei Schwarzhaarigen wandten sich einander zu. Rehbraune Augen trafen tief blaue. Nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander und schienen eine schweigende Übereinkunft getroffen zu haben.

"Wisst ihr schon, als was ihr euch zu Halloween verkleidet?", lenkte Sirius zu einem neuen Thema.

"Ich werde als Vampir gehen", erwiderte James prompt.

Sirius sah ihn von der Seite an.

"Das hatten wir schon. Und ich hab dir gesagt, dass du einen lausigen abgeben würdest."

"Ach? Und wieso, Herr Neunmalklug? Würden Sie mir das freundlicher Weise verraten?!", gab James bissig zurück.

"Ganz einfach."

Sirius grinste.

"Dir fehlt der passende Stil."

"Stil?!"

Sirius nickte.

"Der fehlt dir. Das Einzige, was du kannst, ist protzen."

"Ach, und bei dir ist das wohl anders? Nur weil du ein Black bist, weißt du, was Stil ist?"

"Wenn du so willst."

"Nein! Ich will ganz und gar nicht so!"

"Wie du meinst."

"Hör auf damit so gleichgültig zu sein!"

James war kurz davor vollkommen aus der Haut zu fahren. Sirius lächelte amüsiert.

"Stress ist schlecht für den Blutdruck, mein Lieber. Reg dich wieder ab."

"Abregen?! Ich mich? Aber-"

"Ich geh auch nicht als Vampir", meinte Sirius und klang eindringlich.

Er schien den Streit beenden zu wollen.

"Ich hab da an jemand anderen gedacht."

"Und an wen?"

James begann in sein übliches Schmollstadium überzuwechseln, wobei das wen dehnte. Eigentlich wollte er es gar nicht wissen. Sirius deutete mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf seinen Gegenüber. Remus stutzte. Verwirrt deutete er auf sich selbst.

"Ich?"

Sirius nickte bestätigend.

"Remus?", fragte James.

Wieder nickte der Nachwuchs der Blacks.

"Du kannst unmöglich mich meinen. Ich weiß nicht was Stil ist."

Der Blauäugige Schwarzschopf lächelte noch immer.

"Glaub mir, Remus. Du hast Stil. Du weißt es nur noch nicht."

Der junge Gryffindor verstand nicht, worauf der Andere hinaus wollte.

"Wir werden dich für Halloween rausputzen, Remi. Dich wird keiner wieder erkennen."

Er grinste.

"Und uns auch nicht, James."

"Sollte mich das jetzt aufheitern?", fragte Remus, während James gleichzeitig sagte: "Sollte mich das jetzt milde stimmen?"

Die beiden sahen sich kurzzeitig an. Sirius' Grinsen wurde immer breiter.

"Das wird schon, Jungs. Ihr werdet sehen. Nach dem Essen geht's los!"

Er begann wahre Berge an Essen in sich hinein zu schaufeln. Die beiden anderen Gryffindors sahen ihm dabei skeptisch zu und seufzten hin und wieder resignierend.

,Das kann ja heiter werden', dachten sie frustriert.
 

Nach dem Essen gingen die drei nicht etwa in den Gemeinschaftsraum zurück, sondern liefen ein wenig ziellos durch das Schloss. Sirius allen voran.

"Sag mal, wo willst du eigentlich hin?", fragte James misstrauisch.

"Wirst du gleich sehen."

Der Sprössling der Potters murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart hinein. Remus lief stillschweigend neben ihm her. Er hatte keine Lust sich in irgendeiner Weise aufzuregen. Es brachte ja doch nichts. Sirius hatte nun mal einen Dickschädel.

"Was denkst du, wo er uns hinschleppt?", murmelte James leise.

Remus zuckte mit den Schultern.

"Sicher zur Bibliothek. Das ist das Einzige, was mir einfällt, was auf dieser Etage ist."

Remus behielt recht. Wenig später fanden sie sich im Eingangsbereich der Bibliothek vor.

"Was willst du hier?", wollte James wissen.

Er klang recht gereizt. Anscheinend wollte er in den Gryffindorturm zurück.

"Nach den Kostümen für Halloween suchen."

"Ach, und seit wann gibt es in einer Bibliothek Klamotten?"

Sirius sah ihn drohend an.

"Stell doch nicht so dumme Fragen. Jeder Narr weiß, dass es hier nur Bücher gibt."

"Und was willst du dann hier?"

James war am Verzweifeln.

"Bücher. Ist das so schwer zu verstehen?"

"Jaaaa!", stieß James entnervt aus.

"Er will sich Bücher holen, wo Hinweise oder Bilder für die Kostüme drin sind", meinte Remus. "Oder?"

Er sah Sirius fragend an. Dieser nickte.

"Du hast es erfasst. James, du bist wirklich schwer von Begriff."

"Bitte was?!"

"Psssst!"

Die drei zuckten zusammen und wandten sich um. Madame Pince - die Bibliothekarin - warf ihnen stechende Blicke zu. Diese hätten mit Leichtigkeit töten können. Sie lächelten entschuldigend. Sirius sah James wütend an.

"Jetzt sei still und komm mit."

Er ging voraus und die anderen zwei eilten ihm hinterher. In der Abteilung für Wahrsagen blieben sie stehen.

"Was willst du hier?", fragte James. "Willst du dich als Kristallkugel verkleiden?"

"Nein, Mr. Potter. Ich dachte eher daran, dass Sie sich als eine verkleiden", grummelte er entnervt. "Jetzt versuch endlich mal deinen Verstand an zu werfen und nach Büchern mit Todes- oder Unglücksomen zu suchen."

"Und wieso?"

"Tu es einfach! Um meiner Nerven willen!"

Von diesem Moment an schwieg James. Sirius war selten so aufgebracht und er wusste, dass lediglich ein weiterer Tropfen genügte und das Fass lief über.

Nachdem sie sich einige Bücher herausgesucht hatten, gingen sie in die Abteilung für magische Wesen, wo sie ebenfalls fündig wurden. Mit einem Stapel Büchern auf den Armen kehrten sie in ihren Gemeinschaftsraum zurück. Die anderen Gryffindors starrten sie verwirrt an. Remus war es ein wenig peinlich im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und war froh, als Sirius verschlug nach oben zu gehen. Dort angekommen, machten sie sich sofort an die Arbeit. Schließlich waren es nur noch knappe zwei Wochen - elf Tage um genau zu sein, heute war der zwanzigste Oktober - bis Halloween. Die Zeit drängte.
 

Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Sie investierten jede freie Minuten in ihre Kostüme. Für Peter hatten sie ebenfalls etwas gefunden und dieser beteiligte sich und stand ihnen tatkräftig zur Seite. Remus machte es Spaß alles vor zu bereiten, doch allmählich zerrte es an seinen Kräften, was auch daran lagen mochte, dass bald Vollmond war. Je näher er rückte, desto schlechter ging ihm alles von der Hand. Einen Tag vor Vollmond half er gar nicht mehr mit. Es gelang ihm gerade so sich zum Essen und zum Unterricht zu schleppen. Da konnte er nicht auch noch an dem Kostüm arbeiten. Und das, obwohl er wusste, dass es nur noch vier Tage bis Halloween waren. Ja, Halloween. Es würde das erste Mal sein, dass er ohne seine Eltern feiern würde. Halloween, sein Geburtstag. Nun würde er endlich elf Jahre alt werden. Er hatte schon überlegt, ob er den anderen sagen sollte, dass er an diesem Tag Geburtstag hatte, entschied sich jedoch dagegen. Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Sie würden sicherlich ein großes Trara darum machen. Er seufzte. Eigentlich wollte er nur mit seinen Eltern bei einem Stück Kuchen und einem Tee feiern. Mehr nicht. Und was war, wenn die anderen auf die tolle Idee kamen, ihm etwas zu schenken? Der Anstand gebot es, dass er ihnen etwas zurückschenkte. Aber seine Eltern waren weiß Gott nicht reich. Sicher, sein Vater verdiente gut und arm waren sie nicht, aber er wollte ihm kein Geld für Geschenke aus dem Kreuz leiern. Das brachte er einfach nicht über's Herz. Wieder seufzte er. Nein, er würde seinen Geburtstag einfach verschweigen. Das war das Beste. Und falls seine Eltern ihm ein Geschenk schicken würden, so würde er sie darum bitten, es entweder dezent zu verpacken oder es später am Tage zu schicken, damit es nicht zu viele mitbekamen.

"So ein Mist", knurrte Sirius und schlug die Tür hinter sich und James zu.

Remus sah auf.

"Was hast du?"

"Novis hat uns für morgen Nachsitzen aufgebrummt", gab James anstelle von Sirius zur Antwort. "Nur weil Peeves ein paar von seinen Zutaten ruiniert hat und wir zufällig in der Nähe waren."

"Zufällig?", fragte Remus ungläubig.

"Mehr oder weniger", murmelte James zur Ergänzung. "Aber es war Peeves Schuld", fuhr er lauter fort.

"Wir dürfen ihn morgen Abend in den Wald begleiten", meinte Sirius und ließ sich vollkommen ausgezehrt auf sein Bett fallen. Und dort dürfen wir Jäger und Sammler spielen. Das dauert sicher die ganze Nacht! Ich könnte ihn..."

"Nehmt es nicht so schwer", antwortete Remus und lächelte. "Der Freitag ist kurz und in Geschichte könnt ihr den verlorenen Schlaf nachholen."

Die Schwarzhaarigen seufzten synchron. Remus lächelte noch immer.
 

Der Donnerstag verlief mehr oder weniger ruhig. Dadurch, dass James und Sirius die ganze Nacht im Verbotenen Wald zubrachten, Peter recht zeitig einschlief und ein Langschläfer war und Davy sich um den Verbleib Remus' recht wenig kümmerte - er konnte ihn noch immer nicht leider - fiel niemandem die Abwesenheit Remus' auf. Am nächsten Morgen war er früh wach. Er kehrte gerade noch rechtzeitig in den Schlafsaal zurück, um sich umzuziehen, bevor Sirius und James - sie waren sichtlich geschafft - sich ebenfalls einfanden. Peter und Davy schliefen noch. Remus saß auf seinem Bett und schmökerte in einem Buch. Er sah auf, als sich die Tür öffnete und lächelte, als er die beiden Schwarzhaarigen erblickte.

"Morgen."

Sirius und James grummelten eine leise Begrüßung, die man allerdings weder als ,Guten Morgen' nach als ein ,Hallo' deuten konnte. Remus machte sich nichts daraus. Er konnte nur allzu gut verstehen, wie erschöpft die beiden waren. Immerhin hatte er selbst keine ruhige Nacht hinter sich gebracht. Sie war ebenso unangenehm gewesen, wie die ihrige. Er war sich sicher, dass die seine wesentlich unerträglicher gewesen war. Nichts desto trotz ließ er sich nicht anmerken. Er würde heute einfach etwas eher zu Bett gehen und damit den Schlafmangel ausgleichen. Sirius und James würden wahrscheinlich ebenso wenig das Bestreben haben heute an den Kostümen zu arbeiten. Und wenn doch, dann würde er selbst sich ziemlich zusammen reißen müssen, um nicht dabei einzuschlafen.

"Ihr seht richtig fertig aus. War es so schlimm?"

Mitleid klang in seiner Stimme mit. Die beiden ließen sich in ihre Betten fallen.

"Der Kerl ist nach dem Unterricht noch grausamer, als während der Stunden. Ich hatte das gar nicht für möglich gehalten", murmelte James. "Wie hast du das nur einen ganzen Monat lang ausgehalten? Du bist nicht normal."

Ein schiefes Lächeln zierte das Gesicht des Brünetten. Hießen James' Worte nicht, dass er unnormal war? Kein richtiger Mensch? Wenn er gewusst hätte, wie recht er mit diesen unbedacht gewählten Worten hatte. Sirius war schon fast wieder im Land der Träume, als Remus einen Blick auf die Uhr warf. Es war schon recht spät. In nicht einmal einer Stunde hatten sie Verteidigung gegen die dunklen Künste und sie hatten noch nicht einmal gefrühstückt. Es war also allerhöchste Zeit.

"He, ihr beiden. Nicht wieder einschlafen. Es gibt gleich Frühstück. Außerdem geht der Unterricht bald los."

Als Antwort erhielt er lediglich ein leises Brummen von James. Sirius war eingeschlafen. Der junge Lupin seufzte und versuchte die anderen zu wecken. Es gelang ihm mehr oder weniger sie wach zu bekommen. Allerdings bekam er das Kissen James' zu spüren. Er nahm es zähneknirschend hin.
 

Während des Unterrichts ergriff die Müdigkeit von den drei Nachtschwärmern Besitz. Professor Redwing störte sich nicht daran. Sie wusste von den Umständen der vergangenen Nacht. Zudem war sie eine recht milde, nette Person, die gern einmal über eine Sache oder Kleinigkeit hinwegsah. Sie fand, dass nicht alles Dinge zu verbissen gesehen werden sollten. Auch Geschichte verlief recht ruhig. Aufgrund der einschläfernden Wirkung von Professor Binns' Stimme - wie schaffte es ein Mensch nur so monoton und langatmig zu sprechen? - gelang es ihnen jedoch nicht wach zu bleiben. Bereits fünf Minuten nach Stunden beginn, waren sie in ein anderes Reich abgedriftet. Der Rest des Tages verlief ebenfalls recht ereignislos. Da die Kostüme kurz vor ihrer Vollendung standen, gönnten sich die vier eine Pause und beschlossen am folgenden Tag - Samstag, der dreißigste Oktober, ein Tag vor Halloween - ihr Werk zu vollenden.
 

Es war Samstag Abend. Remus war gerade dabei einen Brief an das Bein Cassandras zu binden. James und Sirius saßen ebenfalls am Tisch und spielten eine Partie Zauberschach.

"An wen schreibst du?", fragte Sirius, als er seinen Zug beendete.

"An meine Eltern."

Er stand auf und ging - mit seiner Eule auf dem Arm - zum Fenster. Er streichelte ihr Gefieder und öffnete das Fenster. Kalte Nachtluft strömte herein und ließ den Jüngsten erzittern. Es ging mit raschen Schritten auf den Winter zu. Es wunderte ihn, dass noch kein Schnee gefallen war. Soviel er wusste, musste Hogwarts recht weit nördlich gelegen sein. Irgendwo in Schottland.

"Und um was geht es?", fragte Sirius. "Deine Weihnachtsgeschenke?"

Remus entließ Cassandra in die Nacht und schloss das Fenster. Er drehte sich zu den beiden um und nickte Sirius zu.

"Ja, die Geschenke."

"Und was wünschst du dir? Schach."

James grummelte und überlegte sich seinen nächsten Zug.

"Ein paar Bücher", meinte der Braunhaarige und ließ sich am Tisch nieder.

"Bücher? Wie kannst du dir so was zu Weihnachten wünschen? Mit Büchern kannst du nichts anfangen. Schach."

"Wie wäre es damit sie zu lesen?", gab er seufzend zurück.

"Aber du kannst doch nicht die ganze Zeit über lesen. Schach."

Um James herum begann sich ein tiefes, schwarzes Loch aus Groll und Missgestimmtheit zu bilden. Sirius bedachte währenddessen Remus mit einem zweifelnden Blick.

"Für so einen Streber hab ich dich nicht gehalten."

Der Kleinere lächelte.

"Ich lese halt gern und sich weiterzubilden schadet auch nicht."

Er stand auf.

"Ach übrigens", er nahm eine Figur James' und setzte sie auf ein anderes Feld, "Schach und matt. Gute Nacht."

Sirius starrte ungläubig auf das Feld, während sich sein Gegenüber zu freuen begann.

"Ich hab gewonnen", meinte James.

"Das zählt nicht!", knurrte Sirius. "Remus hat den Zug gemacht."

"Na und? Du hast verloren!"

Die beiden begannen sich wie üblich zu streiten. Remus kümmerte sich nicht weiter darum. Er ging ins Bad. Dort duschte er und machte sich bettfertig. Als er in den Schlafsaal zurückkehrte, stritten sich die zwei Schwarzhaarigen noch immer. Zwischenzeitlich hatte sich Davy in dem hitzigen Wortgefecht beteiligt.

"Könnt ihr nicht endlich still sein und schlafen?! Eure ständigen Streitereien nerven echt."

"Wenn es dir nicht passt", gab Sirius zurück und klang dabei wie ein keifender, verärgerter Hund, "dann such dir halt einen anderen Schlafsaal."

"Du willst mich wohl unbedingt loswerden, oder?! Denkst du, ich hab noch nicht nachgefragt?!", rief Davy sauer. "Die sind alle voll. Ich kann nur hier schlafen."

"Die rücken schon ein Stück für dich zusammen", meinte der Schwarzhaarige, während er sich ein Handtuch und seinen Pyjama schnappte.

Er ging zum Bad und blieb in der Tür nochmals stehen, wobei er sich zu Davy umwandte.

"Irgendwo wird es schon ein paar Idioten geben, die dich aufnehmen."

Es klang sehr abwertend. Wäre der Schwarzhaarige nicht daraufhin ins Bad gegangen und hätte nicht die Tür hinter sich abgeschlossen, dann hätte sich der junge Gudgeon wohl auf ihn gestürzt. Dieser murmelte nur etwas leise vor sich hin und ging schließlich, ohne ein weiteres Wort an die anderen zu richten, zu Bett. Remus tat es ihm gleich. Er schlüpfte unter seine Decke und lag noch einige Zeit mit geöffneten Augen da, während er James dabei zusah, wie dieser das Schachbrett beiseite räumte und sich ebenfalls bettfertig machte. Sirius kehrte zurück. Er war ein wenig überrascht, die anderen Gryffindors bereits in ihren Betten wieder zu finden. Peter war bereits eingeschlafen. Er seufzte missmutig und löschte das Licht, bevor auch er sich schlafen legte. Remus beobachtete die Licht-Schatten-Spiele, die vorrangig an der Decke stattfanden. Ab und zu nahmen die Schatten makabre Formen an. Als er noch kleiner gewesen war, hatte er Angst im Dunkeln gehabt, waren die Vollmondnächte daran Schuld gewesen, hatte er sie stets allein verbringen müssen. Inzwischen hatte er seine Furcht überwunden. Die Schatten sah er vielmehr als einen kleinen Zeitvertreib an. Versuchte man in ihnen Formen zu erkennen, konnte man sich so einige Zeit lang ablenken und alles um sich herum vergessen. Nach und nach wurde es jedoch recht langweilig und eintönig. Der Brünette seufzte. Bald musste es Mitternacht sein. Bald war er wieder ein Jahr älter geworden. An Halloween Geburtstag zu haben, hatte sicherlich seine Vorteile, aber auch seine Nachteile. Der letzte Oktobertag war ein Tag, an dem gefeiert wurde. Hatte man Glück, dann bekam man ein gutes Feuerwerk zu sehen. Jeder dachte an diesen Tag und feierte ihn. Somit war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand den Geburtstag vergaß gleich Null. Andererseits diente Halloween früher dazu, um böse Geister, Ungetüme, Hexen und Zauberer zu vertreiben. Remus als Zauberer und gleichzeitig auch als Werwolf hasste es an eben dieses Faktum erinnert zu werden. Es trübte die Stimmung ein wenig. Geburtstag an einem Tag zu haben, der normalerweise dazu gedacht war seinesgleichen zu vertreiben. Und so einen Tag feierte man.

Sein Blick glitt zu einem der Fenster. Der abnehmende Mond warf sein Licht auf den Fußboden. Remus konnte einige Sterne am Himmel funkeln sehen. Am nächsten Morgen würde es wohl kühl werden. Ob es morgen regnen würde? Er hoffte es nicht. Wenigstens an seinem Geburtstag wollte er ein wenig Sonnenschein haben. Dieser kam in dieser Jahreszeit sowieso viel zu kurz, so fand er. Übergangszeiten hasste er, da sich das Wetter nie entscheiden konnte, ob es nun gut oder schlecht sein wollte. Meist waren diese Zeiten mit Regen und stürmischen Windböen verbunden. Er fragte sich, ob Cassandra seine Eltern noch rechtzeitig erreichen würde, bevor diese sein Geschenk abschickten. Heute war es windstill. Sicherlich würde sie schnell vorankommen, ohne großartig aufgehalten zu werden. Die Eule war ein äußerst schneller Flieger. Remus hoffte inständig, dass Cassandra es noch rechtzeitig schaffen würde. Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Ganz und gar nicht. Er liebte es ein wenig Ruhe zu haben. Würde er morgen einfach ein wenig entspannen können, dann reichte ihm das voll und ganz. Er seufzte und drehte sich auf die andere Seite. Cassandra würde es schon schaffen. Er traute ihr viel zu, war sie ein außerordentlich intelligentes Tier. Es war besser, wenn er sich nicht so viele Sorgen darum machte, wie der Tag morgen verlaufen würde. Er konnte es ohnehin nicht beeinflussen. Eine bessere Frage war doch, was ihm seine Eltern eigentlich schenken würden. Er hatte ihnen nicht gesagt, was er sich wünschte. Somit hatte er auch keinerlei Vorstellung davon, was sie ihm schenken würden. Er konnte sich keinerlei Bild davon machen, wie sein Geschenk aussehen würde. Seine Eltern hatten ihm bis jetzt alles mögliche geschenkt. Er hätte es wirklich zu gern gewusst. Ihn machte diese Vorstellung ganz wuschig. Wenn er Glück hatte, dann bekam er einen Besen. Einen eigenen Besen. Ja, den wollte er nur zu gern haben. Andererseits meinten seine Eltern, dass er noch zu jung dafür sei. Somit würde dies wohl als Präsent ausscheiden. Vielleicht ein paar neue Klamotten? Langsam begann er aus seinen alten Sachen herauszuwachsen. Es wurde also höchste Zeit. Andererseits waren Kleidungsstücke nicht gerade das, was Kinder - und zu denen zählte er ja noch immer - zum Geburtstag am meisten begehrten. Sein Vater und seine Mutter waren so verständnisvoll und würden nicht auf die Idee kommen, ihn mit neuen Gewändern zu beglücken. Immerhin waren sie eine Notwendigkeit und der Verschleiß war unumgänglich. Sie waren ein Teil der elterlichen Pflichten, schließlich hatten diese für ihr Kind aufzukommen.

Wieder wälzte sich Remus in seinem Bett herum. Aber wenn es weder neue Roben, noch ein Besen war, dann konnten es doch eigentlich nur Bücher sein. Oder etwa nicht? Doch genau genommen fielen diese bei seinen Überlegungen auch weg. Er hatte seinen Eltern nicht gesagt, ob und wenn ja, was er sich für eine Lektüre wünschte. Es war unwahrscheinlich, dass sie auf's gerate Wohl hinweg eines kaufen und damit riskieren würden, dass es ihrem Sohn missfiel. Oder etwa doch? Sie kannten ihn nun schon seit geschlagenen elf Jahren. In dieser Zeit hatten sie ihren Sohn kennen und lieben gelernt. Beide - vor allem seine Mutter - wussten um seine Interessen, wenn man das Fliegen nicht mit dazuzählte. Daher dürfte es keine allzu großen Schwierigkeiten darstellen, ihm mit dem richtigen Buch eine Freude zu bereiten. Wieder seufzte er und drehte sich zum unzähligsten Male auf die andere Seite. Das war wirklich eine schwierige Frage. In seinem Inneren kribbelte es wie verrückt, wollte er so schnell wie möglich die Antwort auf seine Frage finden. In diesem Moment bedauerte er es, ihnen geschrieben zu haben, dass sie das Geschenk eventuell später schicken sollten. Seine Neugierde war doch größer, als er gedacht hatte. Abermals drehte er sich. Diesmal knarrte sein Bett ein wenig.

"Remus", murmelte ein verschlafener Sirius, "versuch zu schlafen."

"Tut mir leid, ich kann nicht", murmelte der Braunschopf zur Antwort.

Er vernahm ein leises Seufzen. Eine Decke raschelte. Die Dielen knarrten unter dem Gewicht eines Körpers. Remus lugte aus seinem Bett und sah, wie ein dunkler Schemen im Mondlicht tanzte und langsam auf ihn zukam. Sirius kam an dem Bett des Jüngeren an und hockte sich hin, um auf Augenhöhe mit dem anderen Gryffindor zu sein. Er hatte ein schelmisches Grinsen auf dem Gesicht. Schalk glitzerte in seinen Augen. Oder war das nur das reflektierte Mondlicht?

"Hast du Lust auf eine Party Zauberschach?", wisperte der Schwarzhaarige leise.

"Um diese Uhrzeit?", fragte der junge Lupin, die Stirn kraus ziehend.

Sirius nickte.

"Du kannst nicht schlafen und ich auch nicht. Also wieso vertreiben wir uns nicht ein wenig die Zeit?"

"Und die anderen? Wir wecken sie doch."

Sirius' Grinsen wandelte sich in ein Lächeln.

"Dann spielen wir unten im Gemeinschaftsraum."

Remus seufzte resignierend. Er wusste, dass der Schwarzhaarige nicht von ihm ablassen würde. Er wollte seine Revanche und würde nicht eher ruhen, bevor er diese erhalten hatte.

"Ist gut. Geh schon mal vor. Ich komme gleich nach."

Der Sprössling der Blacks stand auf und schritt leise durch's Zimmer. Remus musste eingestehen, dass dieser Gang mit dem Wesen, das Sirius morgen spielen würde, einige Gemeinsamkeiten aufwies. Kurzzeitig klapperte es in der Dunkelheit. Sirius musste die Schachfiguren und das Spielbrett genommen haben und war damit aus dem Zimmer gegangen. Lautlos stand auch Remus auf und schlüpfte in seine Hausschuhe. Er suchte in der Finsternis nach seinem Mantel und fand ihn auch recht schnell. Diesen warf er sich über, bevor er dem Anderen folgte. Er zog die Tür hinter sich zu, welche gedämpft und kaum hörbar ins Schloss fiel. In der Stille der Nacht ging er die Treppe nach unten, wobei er den Weg mit seinem Zauberstab erhellte.

Sirius wartete bereits auf ihn. Das Spiel stand bereit. Remus sah sich um. Der Raum wurde lediglich durch die zwei Zauberstäbe der Schüler erhellt. Das Feuer im Kamin war bereits erloschen. Sogar die Glut hatte aufgehört zu glimmen. Die Lampen an den Wänden waren bereits gelöscht. Der Jüngere zog seinen Mantel fester um sich und ließ sich Sirius gegenüber in einen der feuerroten Sessel sinken.

"Ganz schön frisch hier", meinte Remus und sah sich um. Zu dieser Uhrzeit wirkte alles ein wenig verlassen und trostlos. An den Wänden hingen unzählige Bilder und tagsüber war in diesen auch viel los, doch zu so später Stunde schliefen ihre Bewohner. Manche Gemälde schienen sogar vollkommen leer zu sein. Vermutlich hatten sich ihre Insassen in die Tiefen der gemalten Welt geflüchtet.

"Du kannst anfangen", meinte Sirius und riss seinen Gegenüber so aus seinen Gedanken.

"Wie? Was hast du gesagt?"

"Dass du anfangen kannst."

"Ach so. Ja, gut."

Remus machten einen unwillkürlichen Zug. Schon bei diesem fragte er sich, ob er zu dieser Zeit noch in der Lage war, anständig nachzudenken. Eigentlich konnte er Sirius auch gleich den Sieg überlassen und sie gingen einfach schlafen. Wenn sie am nächsten Morgen nicht rechtzeitig aus den Federn kamen, dann war das einzig und allein die Schuld des Größeren. Einige Zeit herrschte absolute Stille zwischen den beiden, während sie Zug um Zug taten und sich das Spielfeld nach und nach leerte.

"Hast du dich inzwischen mit Lily wieder vertragen?", fragte Sirius plötzlich.

Remus sah ein wenig überrascht auf und hielt in seinem Zug inne, um die gestellte Frage erst einmal zu verarbeiten und zu analysieren. Er musste wirklich lang überlegt haben, sah ihn der Junge Black inzwischen ein wenig verwundert an, so als ob er sich fragte, ob sein Gegenüber die Frage verstanden hatte. Remus senkte den Blick und setzte seine Figur, die er seit geraumer Zeit in Händen hielt.

"Nein, hab ich nicht", gab er leicht missmutig von sich.

"Und wieso nicht?"

"Na weil sie noch immer nicht mit mir redet. Schach."

Sirius runzelte die Stirn.

"Hast du es mit einem kleinen Geschenk oder so probiert? Das kann manchmal wahre Wunder bewirken."

Remus schüttelte schwach den Kopf.

"Nein. Das würde nichts bringen. Ich hab es doch schon unzählige Male probiert, aber sie lässt mich andauernd abblitzen."

"Was ist denn der Grund dafür, dass sie nicht mehr mit dir redet?"

Sirius drehte gespielt eine Figur in seiner Hand.

"Als ihr euch kennen gelernt habt, da habt ihr euch doch blendend verstanden. Wieso der plötzliche Sinneswandel? Schach."

Der Brünette seufzte leise und sah Gryffindor ein wenig niedergeschlagen und gleichzeitig bittend an.

"Ich hab euch doch schon gesagt, dass ich euch den Grund dafür nicht sagen kann. Es tut mir ja außerordentlich leid, aber es geht nun einmal nicht. Das musst du verstehen. Das ist eine private Sache zwischen mir und Lily. Du würdest es nicht verstehen."

Während er seinen Bauern setzte, vergaß er ganz das ,Schach'.

"Ich weiß, dass es privat ist, aber ich kann es langsam nicht mehr mit ansehen. Immer wenn ihr euch über den Weg lauft, dann ziehst du ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. James und ich wollen dir nur helfen. Es würde dir sicherlich nicht schaden, wenn du dich uns anvertrauen würdest. Schach."

Remus lächelte und schüttelte leicht den Kopf.

"Du sagst das so einfach. Stellst dir das so einfach vor. Aber es ist nun mal nicht so einfach. Ich kann euch nicht um Rat bitten, da es auch um euch geht."

"Um uns?", fragte Sirius ein wenig überrascht. "Was haben wir denn mit der ganzen Sache zu tun?"

Remus setzte seine Spielfigur und stand auf.

"Vergiss die ganze Sache einfach. Lass es einfach meine Sorge sein, okay?"

Wieder sah er den Schwarzhaarigen bittend an.

"Früher oder später wird sie schon mit mir reden. Solang werde ich es weiterversuchen. Verschwende deswegen keine Gedanken an mich. Und das mit dir und James ist auch nichts weiter weltbewegendes. Das Einzige, was ich dir zu der Sache sagen kann ist, dass Lily meine Ansichten nicht so sehr gefallen haben. Mehr war da nicht. - Gute Nacht. Bis morgen."

Er wandte sich zum Gehen um und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum. Sirius blieb allein zurück. Er ließ sich nach hinten in den Sessel fallen und seufzte.

"Mehr war da nicht?", zitierte er Remus.

Wieder atmete er schwer aus.

"Ach, Remus. Wieso bist du nur so stur?"

Er rieb sich die Schläfe, während sein Blick über das Spielbrett wanderte. Er lächelte.

"Das war wohl wieder ein klares Schachmatt."
 

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1.Akt, Kap.X - Ende

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1.XI.Schwarz wie die Nacht

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1.Akt: Kapitel XI: Schwarz wie die Nacht

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Es war noch früh am Tage. Der Morgen begann langsam zu grauen. Im Schloss herrschte noch vollkommene Stille. Auch auf den Ländereien war alles ruhig. Nicht die geringste Regung war auszumachen.

Remus lag in seinem Bett und seufzte lautlos. Seit er vor gut einer Stunde aufgewacht war, hatte es nicht aufhören wollen zu regnen. Wieso war Mutter Natur nur so ungerecht zu ihm? Wieso schenkte sie ihm nicht einmal heute ein kleines Lächeln? Ein wenig Sonnenschein? Es war doch wirklich nicht zu viel verlangt. Oder doch? Vielleicht war er ja zu unbedeutend, als dass sie ihm diesen einen Wunsch gewährte. Vielleicht hatte Malfoy ja recht. Vielleicht waren einige Menschen wirklich besser als andere. Was wäre, wenn der blonde Schönling sich gutes Wetter gewünscht hätte? Hätte er es bekommen? Nur weil er angeblich besser war?

"Was denkst du da, Remus?", murmelte er leise, während er sich auf die Seite drehte.

,So etwas ist doch vollkommener Unsinn', mahnte er sich selbst. ,Was hab ich schon großartig erwartet? Die letzten Tage hat es wie aus Eimern gegossen. Wieso sollte sich da ausgerechnet heute etwas dran ändern?'

Wieder seufzte er. Was machte er sich nur für dumme Gedanken über das Wetter? Wenn es regnete, dann regnete es eben. Vielleicht würde es ja später aufhören und wenn nicht, dann war das auch nicht der Weltuntergang. Er musste den Tag möglichst positiv sehen. Heute war immerhin sein Geburtstag. Heute sollte es eigentlich keinen Anlass geben, der seine Laune trübte. Vor allem nicht Lucius. Wieso ließ sich der Erstklässler nur so stark von den Worten des Slytherins beeinflussen? Einige Menschen waren besser als andere? Reinblüter besser als Halbblüter oder Muggelstämmige? Das war doch ausgemachter Schwachsinn. Vollkommene Idiotie. Niemand war besser oder schlechter. Und kein Mensch hatte das Recht über einen seiner Zeitgenossen zu urteilen. Vor allem niemand, der so anmaßend, egoistisch und ichbezogen war, wie der Sprössling der Familie Malfoy. Wieder stahl sich ein nahezu geräuschloses Seufzen über die Lippen des Brünetten. Jetzt war er es, der über andere urteilte. Das war nicht gut. Egal wie schlimm eine Person auch sein mochte, so musste man möglichst objektiv bleiben. Wenn er weiter in diese Richtung nachdachte, dann würde er seinen Hass gegen den Platinblonden nur schüren und schlussendlich nicht besser sein, als dieser. Er wollte sich keineswegs auf dessen Niveau hinab begeben.

Sein Blick wanderte zur nahen Uhr. Es war kurz nach Acht. Eigentlich war es langsam an der Zeit aufzustehen, doch verspürte er keineswegs die Ambition dazu. Im Gryffindorturm herrschte eine klirrende Kälte, die er sogar noch unter seiner dicken Daunendecke fühlte. Sie schien sich durch die Federn zu ihm hindurchzutasten. Es war wie eine kalte Hand, die langsam über seinen Körper strich und ihm nach und nach eine Gänsehaut bescherte. Er zitterte am ganzen Leib, und um der Kühle ein wenig entgegen zu wirken, rollte er sich wie ein Embryo zusammen. Zwar brachte es nicht viel, doch etwas mehr Wärme konnte er sich so doch sichern.
 

Wenig später hörte der junge Lupin eine Decke rascheln. Er öffnete seine Augen und lugte ein wenig unter der Decke hervor, auf der Suche nach dem Übeltäter. Sirius saß in seinem Bett und streckte sich, wobei er lauthals gähnte und seine Knochen kaum wahrnehmbar knackten. Er sah sich verschlafen im Raum um und musste feststellen, dass die anderen noch schliefen. Doch als er Remus sah, lächelte er und murmelte ein stummes ,Guten Morgen.' Remus wunderte sich, dass der Schwarzschopf mitbekommen hatte, dass er wach war. Immerhin war er kaum zu sehen und hatte auch keine verräterischen Bewegungen gemacht. Gedanklich zuckte er mit den Schultern. Sirius musste es einfach erahnt haben. Er zog seine Decke wieder über den Kopf und versuchte noch ein paar Minuten zu ergattern, in denen er sich nicht der Kälte stellen musste. Er hörte, wie nackte Füße über Stein liefen und erschauderte. Wie konnte Sirius das nur? Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Remus fror jetzt schon und der Nachwuchs der Blacks tapste ohne Schuhe durch das Zimmer.

Der Braunschopf hörte Wasser rauschen. Anscheinend war Sirius unter der Dusche.

,Ob er auch noch kalt duscht?', grübelte er und schüttelte leicht den Kopf. ,Wie hält er das aus?'

Er rollte sich unter seiner Decke enger zusammen. Sein Zittern wurde langsam schwächer und er selbst spürte, wie sich allmählich sein Blut erwärmte. Wieder seufzte er. Was hätte er nur dafür gegeben, wenn der Sommer noch einige Zeit lang angehalten hätte? Der Herbst sagte ihm schon nicht allzu sehr zu und der Winter erst recht nicht. Das Übergangswetter war schrecklich, aber nichts im Vergleich zu den dicken Schneedecken, die in wenigen Wochen über Hogwarts und dessen Umgebung liegen würden. Sicher. Er hatte nichts gegen den Schnee. Im Gegenteil. Er liebte das strahlende Eisblau, das wie Silber wirkte. Er liebte es draußen herumzutoben, einen Schneemann zu bauen, Schlitten zu fahren oder an einer Schneeballschlacht teilzunehmen. Er war nun mal ein typisches Kind und liebte diesen Zauber einfach. Er liebte es vollkommen kraftlos in die warme Stube zurück zu kommen und bei einer heißen Tasse Schokolade vor dem Kamin zu sitzen und sich zu wärmen und dabei ein gutes Buch zu lesen, Musik zu hören, seinen Eltern bei irgendetwas zuzusehen oder eine Partie Zauberschach zu spielen. Das Einzige, was er am Winter hasste, war diese klirrende, unnachgiebige Kälte.

Die Tür ging und wieder ertönten Schritte. Doch diesmal trug Sirius Schuhe. Er musste sich wohl gleich im Bad angezogen haben. Remus lauschte angestrengt und versuchte auszumachen, wo sich der Schwarzhaarige ungefähr befand, doch plötzlich verstummten die Schritte und er hörte nur noch das Schnarchen Peters und das leise Prasseln der Regentropfen gegen das Fensterglas. Er wollte gerade nachsehen, als ihm vollkommen unerwartet die Decke weggezogen wurde. Er schrie auf, als der Morgen und somit die Kälte an ihm zerrte.

"Sirius!", fauchte er und bedachte den Schwarzhaarigen mit bösen Blicken, als er sich - die Arme um seinen Leib geschlungen - aufgesetzt hatte. "Gib mir sofort meine Decke wieder!"

Der Ältere grinste ihn nur belustigt an, während er die Decke zusammengeknüllt in Händen hielt.

"Hol sie dir doch, wenn du sie unbedingt willst."

"Hör auf mit mir zu spielen. Mir ist verdammt kalt, also her damit!"

Der junge Black machte noch immer keine Anstalten der Bitte Folge zu leisten. Sein Grinsen wurde immer breiter. Schalk glitzerte in seinen Augen.

"Jetzt steh endlich auf", meinte er schließlich gelassen. "Ich will frühstücken."

"Dann geh mit James oder sonst wem. Ich will noch nicht aufstehen. Meine Intention geht gegen Null. Ebenso wie meine Ambition."

"Aber die anderen schlafen doch noch", gab der Schwarzhaarige nun etwas kleinlaut und schmollend von sich.

Er klang in den Ohren des Braunschopfes wie ein verzogenes Kleinkind, dass darauf bestand seinen Willen durchzusetzen, es jedoch nicht so ganz klappen wollte. Braune Augen funkelten ihn zornig an.

"Jetzt gib mir endlich meine Decke. Es ist mir egal, ob du allein essen gehst oder mit irgendjemand anderem. Aber lass mich einfach in Ruhe. Ich will noch nicht aufstehen."

Seine Stimme klang inzwischen schon nicht mehr wütend. Im Gegenteil. Er hatte bereits resigniert. Im Moment klang es so, als würde ein Erwachsener einem unbelehrbarem Kind versuchen einen Sachverhalt so glaubhaft darzulegen, dass das nervtötende Balg - Remus fand diese Worte in seiner jetzigen Lage in Bezug auf Sirius nur für allzu angebracht - nicht anders konnte, als zu begreifen und sich geschlagen zu geben. Doch nicht so Sirius. Dieser hatte seinen Mund bereits zur Antwort geöffnet, als ihm jemand zuvorkam.

"Ich muss dir widersprechen, Sirius. Ich glaube jetzt sind wir wach."

Der Angesprochene wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. James saß in seinem Bett und streckte sich leicht, dann grinste er.

"Remus' Aufschrei war immerhin nicht zu überhören."

Peter und Davy waren ebenfalls wach und saßen in ihren Betten, schienen jedoch nicht daran zu denken aufzustehen. Peter zitterte wie Espenlaub. Er schlang seine Bettdecke um sich. Davy sah noch recht verschlafen aus.

"Heißt das, dass wir jetzt endlich frühstücken gehen können?", fragte Sirius hoffnungsvoll.

"Wenn du mir nicht sofort meine Decke wieder zurückgibst, dann wirst du nicht mehr in den Genuss eines Frühstücks kommen", knurrte Remus.
 

Gegen halb Neun fanden sich die Gryffindors in der Großen Halle ein. Es herrschte bereits reger Betrieb. Sie schienen zu den Letzten zu gehören, die an diesem Morgen den Saal betraten. Die einzigen Plätze, die sie noch ergattern konnten, waren am anderen Ende des Tisches, wo sie sich schlussendlich auch niederließen. Sirius begann unverzüglich alles, was sich in seiner Reichweite befand, zu verschlingen. James war froh, dass er aus Fleisch und Blut war und so dem gierigen Schlund seines Freundes entging. Remus ging alles etwas langsamer an. Er war noch immer leicht verstimmt und mied Sirius' Blick.

"Mensch, Remi. Das war doch nicht so gemeint", sagte dieser.

Seine Stimme hatte einen etwas flehenden, bittenden Unterton. Er sah seinen Gegenüber mit großen Augen an. Wäre er ein Hund gewesen, hätte Remus fast schon meinen können, ein Winseln gehört zu haben.

"Verstehst du denn keinen Spaß?", fragte er verzweifelt.

"Nicht am frühen Morgen", kam es knapp als Antwort zurück.

"Man, Remi. Du bist fies. Bitte. Sei nicht mehr sauer. Es tut mir ja leid. Ehrlich."

"Klar."

Der Spross der Lupins nahm einen Schluck von seinem heißen Tee. Es tat gut. Eine wohlige Wärme durchströmte seinen Körper. Er seufzte zufrieden.

"Remuuuuus!"

Sirius zog das U in die Länge und entstellte somit den Namen. Es klang einfach grauenhaft.

"Was?!", fuhr ihn der Kleinere an und schien ihn regelrecht mit seinen Blicken aufzuspießen.

"Sei wieder lieb", murmelte Sirius. "Bitte..."

Nun erweckte er wirklich den Anschein eines Hundes. Man konnte fast wirklich sehen, wie er die Ohren hängen ließ und seinen Schwanz einzog.

"Wenn du dann endlich aufhörst mir die Ohren voll zu jammern", meinte Remus und nippte an seinem Tee.

Sirius nickte leicht.

"Versprochen. Ich hör damit auf. Ganz bestimmt."

Wieder seufzte Remus.

"Schön. Dir sei vergeben."

Sirius jauchzte fröhlich auf. Remus stützte seinen Kopf in eine Hand und beobachtete den Schwarzhaarigen. Wie konnte man nur solche Gefühlsschwankungen haben? Einfach unverständlich. Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee. Na wenigstens eine Person freute sich an diesem Tag. Sein Blick wanderte hinauf zur verzauberten Decke. Zwar war es inzwischen heller geworden, doch der Himmel war noch immer wolkenverhangen. Es regnete in Strömen und wollte einfach nicht aufhören.

In diesem Moment schien sich das Rauschen zu verstärken. Doch Remus täuschte sich. Es war nicht der Regen, der zunahm. Durch die hohen Fenster flogen unzählige Eulen und Käuze in die Halle herein. Sie führten Zeitungen, Pakete, Briefe und unzählige andere Dinge mit sich. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Ob es Cassandra noch rechtzeitig geschafft hatte? Ob er jetzt ein Paket bekommen würde? Oder doch erst später? Er wurde nervös und rutscht unruhig auf seinem Platz hin und her.

"Was hast du?", fragte James, der den Jüngeren interessiert musterte.

"Wie?"

Remus senkte seinen Blick und starrte James verwirrt an. Er schüttelte den Kopf.

"Es... Ach, nichts weiter", stammelte er und sah wieder nach oben.

In diesem Moment hellte sich sein Gesicht auf, als er zwei Eulen, die ein Paket transportierten, auf sich zufliegen sah. Er stand auf und hob gerade noch rechtzeitig die Arme, um die Sendung aufzufangen, bevor diese auf dem Tisch landen konnte und das Geschirr laut scheppernd zerbarst.

"Wer schickt dir denn so ein großes Paket?", fragte Sirius, während er und Peter vor Remus auf dem Tisch Platz schufen, wobei der Schwarzhaarige immer wieder aufpassen musste, dass seine Ärmel nicht in der Butter landeten.

"Von meinen Eltern", meinte Remus und stellte sein dezent verpacktes Geschenk auf dem Tisch ab.

Die zwei Eulen kreisten noch über dem Haustisch der Gryffindors. Remus hob einen Arm und kurz darauf ließen sich die Tiere auf eben diesem nieder. Der Brünette lächelte und streichelte die Vögel sanft.

"Das habt ihr gut gemacht, Cassandra, Xander."

"Xander?"

James musterte den Uhu interessiert. Es war ein riesiges, prachtvolles Tier. Sein Gefieder war ebenfalls braun, wie das Cassandras. Allerdings hatte es einen leicht rötlichen Schimmer. Seine Augen waren gelblich bis braun. Remus lächelte.

"Er heißt Alexander. Er gehört meinem Vater."

Plötzlich kniff ihn der Uhu leicht in den Finger und hob kurz darauf sein Bein. Ab diesem befand sich ein Brief, den Remus noch gar nicht gesehen hatte. Der junge Lupin band das Schreiben mit der freien Hand ab und legte den Umschlag vor sich auf den Tisch. Er kraulte die beiden Tiere nochmals und lächelte erneut.

"Ich danke euch. Cassandra, du warst wirklich schnell."

Die Eule gurrte leise.

"Xander, bevor du zurückfliegst, kannst du dich oben in der Eulerei ausruhen. Du kennst den Weg sicher noch. Grüß Mum und Dad bitte."

Auch der Uhu gurrte zutraulich. Die beiden Tiere knabberten nochmals zutraulich an ein paar Haarsträhnen Remus', bevor sie die Halle wieder durch die Oberfenster verließen. Der junge Lupin sah ihnen noch einen kurzen Augenblick hinterher, doch dann senkte er seinen Blick und wandte sich dem Paket und dem Brief zu.

"Was ist denn da drin?", fragte Peter, der das quadratische Paket musterte.

Der Brünette hob die Schultern.

"Ich weiß es selbst nicht."

"Ein Geschenk?", fragte James.

Wieder antwortete Remus nur mit einem leichten Schulterzucken.

"Mach es doch auf. Dann wissen wir, was es ist", schlug Sirius vor und wollte schon fast zur Tat schreiten, doch der Jüngere zog ihm das Geschenk noch rechtzeitig aus den Händen.

"So nicht, Mr. Black. Das gehört nicht Ihnen", gab Remus mit einem Grinsen zurück.

Der Schwarzhaarige grummelte und ließ sich wieder auf die Bank fallen.

"Dann mach du es eben auf."

"Nicht so voreilig. Darf ich erstmal den Brief lesen?"

Das Geburtstagskind nahm den Umschlag und öffnete ihn. Es kam ein Pergamentstück zum Vorschein, welches er entfaltete und glättete. Er überflog die Zeilen.
 

Lieber Remus,

Ich hoffe es geht dir gut. Hast du den Vollmond gut

überstanden? Deine Mutter war mal wieder in Sorge,

aber allmählich sollte sie sich doch im Klaren darüber

sein, dass du kein kleines Kind mehr bist.
 

Remus schmunzelte, als er diesen Satz las. Sein Vater hatte ihn schon immer wie einen vollwertigen Erwachsenen behandelt und ihn ernst genommen. Seine Mutter hingegen machte sich immer und immer wieder Sorgen um ihn. Es war fast so, als glaubte sie, dass er viel zu zerbrechlich für diese Welt war. Dabei konnte man dies eher von ihr behaupten. Remus fühlte sich jedenfalls nicht sehr hilflos. Manchmal konnte er zum Tier werden - vor allen in den Vollmondnächten. Er las weiter.
 

Cassandra ist gerade noch rechtzeitig gekommen.

Eigentlich wollten wir Alexander gerade losschicken. Wir

haben improvisiert und noch zwei Lagen normales Papier

darüber geklebt. Pack dein Geschenk also lieber erst

später aus.

Wir hoffen natürlich, dass es dir gefällt. Wir waren uns

nicht ganz sicher, ob wir deinen Geschmack getroffen

haben.
 

Geschmack getroffen? Er runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? Hatten sie ihm vielleicht ein paar Anziehsachen geschenkt? Oder hatten sie ihm einen Kuchen oder etwas Ähnliches mitgeschickt? Immerhin war das Paket etwas zu groß, als dass es nur Kleidungsstücke enthielt. Zudem hätten diese wohl kaum in einen festen Karton verstaut werden müssen.

"Was steht denn nun drin?", fragte ihn Sirius ein wenig ungeduldig.

"Ich bin noch nicht durch", meinte Remus knapp und widmete sich wieder dem Schriftstück.
 

Es hat eine geraume Zeit gedauert, bis wir etwas

passendes gefunden haben. Wenn dir das Geschenk

nicht gefällt, dann kannst du es ruhig sagen.
 

Remus lächelte. Als ob er das konnte. So unhöflich war er nicht. Sein Eltern schienen sich wie immer sehr um ihn bemüht zu haben. So undankbar konnte er nicht sein. Auch wenn sich das Geschenk als ein Alptraum entpuppen sollte, würde er sich - gezwungenermaßen - darüber freuen.
 

Hoffentlich wird dein Geburtstag schön.
 

Die Handschrift hatte mit dieser Zeile gewechselt. Nun war es seine Mutter, die im Brief fortfuhr.
 

Das hiesige Wetter ist nicht das Beste, allerdings regnet

es nicht. Ich hoffe, dass dies bei dir auch der Fall ist. Es

wäre wirklich zu schade, wenn dein Geburtstag düster

und grau ist.

Heute ist ja auch Halloween. Verkleidet ihr euch? Ich

würde dich zu gern in deinem Kostüm sehen. Aber

benimm dich bitte, ja?
 

Remus lächelte. Ja, so war seine Mutter. Immer wieder mahnte sie ihn sich höflich und zivilisiert zu geben. Und auch in diesen wenigen Zeilen konnte man ihre Sorge um ihren Sohn regelrecht spüren. Ihre Hand hatte ein wenig gezittert. Ob es ihr gut ging? Machte sie sich vielleicht wirklich zu viele Gedanken um ihn? Remus hoffte es nicht. Zwar war es ein schönes Gefühl nicht in Vergessenheit zu geraten und sicher zu sein, dass jemand an einen dachte, doch wollte er nicht, dass seine Mutter regelrecht von ihm besessen war und so zu nichts anderem mehr in der Lage war. Auf Dauer war dies schlecht für ihre Gesundheit. Er nahm sich vor ihr nochmals einen Brief zu schreiben, in dem er sie ein wenig beruhigen würde und sie darum bat sich nicht mehr allzu viele Gedanken oder zumindest Sorgen zu machen. Immerhin konnte er sich wirklich nicht beklagen. Er hatte nicht mehr Probleme, als andere Zauberer in seinem Alter auch.
 

Ich hoffe, dass du dich mit den anderen noch immer

gut verstehst.
 

Wieso sollte er nicht?
 

Es würde mich freuen, wenn du mit ihnen feiern würdest.

Es tut dir nicht gut, wenn du dich nicht einmal ein wenig

entspannst. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist,

wenn die anderen wissen, dass du heute Geburtstag hast.

James und Sirius sind meiner Meinung nach sehr

nette Jungs. Was hast du vor ihnen zu befürchten?
 

Remus las die Zeilen noch einmal ungläubig. Seine Mutter riet ihm tatsächlich etwas auszuspannen? Seine Mutter? Seine Mutter, die immer wieder darauf bestand, dass er sein Bestes gab, um möglichst weit zu kommen? Er war wirklich erstaunt. Damit hatte er nicht gerechnet. Aber vor allem nicht damit, dass sie gegen seine Entscheidung war. Das war nur sehr selten der Fall. Insbesondere verstand er es nicht, da er ihnen doch im Brief erklärt hatte, wieso er nicht besonders versessen darauf war, dass die anderem von seinem Ehrentag erfuhren. Er schüttelte den Kopf und seufzte leise, bevor er weiter las.
 

Ich hoffe, dass du ein angenehmes Halloween verbringst

und würde mich freuen, wenn du uns bald zurück schreibst.

Hat Professor Dumbledore euch schon etwas über dem Weihnachtsball gesagt? Freust du dich schon darauf? Ich

habe ihn immer geliebt. Es ist einer der besten Wege um

ein Mädchen kennen zu lernen. Hast du vielleicht schon

jemanden ins Auge gefasst?
 

Es verschlug ihm regelrecht die Sprache. Solche Worte von seiner Mutter? Wie lang war er nicht mehr zuhause gewesen? Zehn Jahre? Hatte sie sich doch so sehr verändert? Er schüttelte den Kopf und lächelte. Wie war das damals mit seinen Eltern gewesen? Hatten sich die beiden nicht auf einem der Weihnachtsbälle Hogwarts' kennen und lieben gelernt? In der Tat eine sehr romantische Angelegenheit, doch er selbst würde wohl kaum in den Genuss kommen, mit dem Mädchen seiner Wahl zu tanzen. Immerhin gab es dieses Mädchen nicht. Noch nicht. Eine kleine Stimme in seinem Inneren stemmte sich jedoch gegen diese Gedanken. Oder gab es sie vielleicht doch?
 

Es würde mich für dich freuen.

Cassandra wird unruhig. Sie scheint wieder zu

dir zu wollen. Das heißt dann wohl, dass ich den Brief beenden

muss. Schade, ich würde gern noch mehr schreiben.

Papa und ich wünschen dir alles gute zum Geburtstag

und viel Spaß beim Halloween-Essen. Lass die Finger

von den schwarzen Gelee-Spinnen. Sie sind nicht

besonders gut für deine Gesundheit.
 

Pass bitte gut auf dich auf.
 

Mum und Dad
 

Remus lächelte und faltete den Brief zusammen, bevor er ihn wieder in den Umschlag steckte.

"Und?", fragte Sirius noch ungehaltener als zuvor. "Was ist drin?"

"Ich weiß es nicht. Haben sie nicht geschrieben."

Sirius machte ein gequältes Gesicht.

"Und wieso ließ du dann so lang?"

"Weil der Brief ein wenig länger war?", entgegnete er.

"Das ist mir schon klar", grummelte der Schwarzhaarige.

"Und wieso fragst du dann, wenn du die Antwort schon vorher kennst?"

Sirius sah Remus an und schien mit sich zu ringen, ihm etwas zu entgegnen oder es einfach dabei bewenden zu lassen. Er seufzte.

"Na schön. Dann mach das Paket doch wenigstens auf. Ich will wissen was drin ist."

Remus lächelte und stand auf. Der Schwarzhaarige sah ihn stirnrunzelnd an. Der Jüngere hob das Paket vom Tisch.

"Ich glaube ich pack es später aus."

Breit grinsend ließ er die anderen vier Gryffindors zurück. Sirius sah ihm ungläubig hinterher. Er wandte seinen Blick an James, deutete dabei jedoch auf den Braunschopf.

"Das hat er jetzt nicht wirklich gemacht, oder?"

"Was hat er nicht gemacht?"

James grinste breit.

"Dich nach Strich und Faden an der Nase herum geführt? Die zappeln lassen? Oder dich im Regen stehen lassen? Such dir was aus."
 

Remus saß in einem der weichen Ledersessel und war über den Tisch gebeugt. Er kritzelte auf einem Blatt herum und seufzte.

"Das klappt doch nie."

Er sank zurück und fuhr sich durch das wirre Haar, während er auf den Zettel in seiner Hand sah.

" ,Ganz einfach Remus. Das kriegen wir schon hin', sagt er, aber vorher ausprobieren tut er es natürlich nicht."

Er seufzte. Wieso hatte er sich nur auf Sirius' Bitte eingelassen? Am Anfang hieß es, dass sie sich gemeinsam Kostüme ausdachten, mit denen sie Eindruck schinden wollten. Remus hatte zunächst heftig dagegen protestiert, wollte er nicht Gefahr laufen sich wegen Sirius' Geltungsdrang zum Narren zu machen. Mit einiger Überredungskunst, hatte ihm der Schwarzhaarige dann doch sein Einverständnis abgerungen. Hätte er gewusst, dass es nicht nur bei handwerklicher Arbeit blieb, sondern sie sich auch der Zauberei bedienen würden - wobei viel schief gehen konnte, vor allen wenn man ungeübt war - hätte er in keinster Weise zugestimmt.

Remus nahm das Buch zur Hand, in dem er gelesen hatte und fügten seinen Notizen noch eine kleine Ergänzung hinzu. In diesem Moment schwang das Porträt am Eingang des Gryffindorturmes zur Seite und gab zwei Schülerinnen den Weg frei.

"Und du willst dich wirklich nicht verkleiden?", fragte eine ihm unbekannte Mädchenstimme.

"Nein", kam es kurz zur Antwort.

Der junge Lupin zuckte unmerklich im Sessel zusammen, als er den Besitzer der Stimme erkannte. Er ließ sich tiefer in das Leder sinken und hob das Buch vor sein Gesicht, sodass er nicht mehr zu sehen war. Verstohlen blickte er über den Buchrand.

"Wieso denn nicht, Lily?", fragte das blonde Mädchen.

"Das ist mir zu kindisch. Sich verkleiden - das machen nur kleine Kinder."

Ihre Begleiterin schmollte.

"Aber es macht Spaß."

Die Rothaarige lächelte sanft.

"Klar macht es Spaß, aber ich mag es nun mal nicht."

Sie liefen durch den Raum und ließen sich unweit von Remus in zwei andere rote Ledersessel sinken. Sie beachteten den jungen Gryffindor gar nicht.

"Was meinst du, ob sich die Jungs verkleiden?", meinte die Blonde.

"Ein paar sicher, wieso?"

"Naja, ich frage mich, ob sich Sirius und James verkleiden."

Lily verzog das Gesicht ein klein wenig

"Könnten wir das Thema bitte wechseln?", fragte sie in einem schon fast herrischen Ton, der klar machte, dass sie keinen Widerspruch gelten lassen würde.

"Man Lily, wieso bist du dann so schlecht auf die beiden zu sprechen?"

Der Spross der Evans' antwortete nicht. Die andere Gryffindor seufzte und schüttelte leicht den Kopf.

"Jetzt bist du kindisch, meine Liebe. Eigentlich haben dir die beiden nichts getan. Also solltest du auch nicht so ungerecht beziehungsweise unhöflich sein und sie gar nicht anreden. Und wenn, dann solltest du sie nicht immer gleich mit einem Blick ansehen, der töten könnte."

"Das ist ganz allein meine Sache", meinte Lily patzig und nun war sie es, die sich verteidigte.

Die Blonde seufzte erneut.

"Entschuldige, so war das auch wieder nicht gemeint."

Sie lächelte.

"Ich hab nur überlegt, ob die beiden auf albern, cool oder widerwärtig machen."

Lily grinste.

"Bei letzterem müssten sie sich ja noch nicht einmal verkleiden."

Für diese spöttische Bemerkung erhielt sie einen eisigen drohenden Blick. Doch dieser hielt die Rothaarige nicht davon ab, noch breiter zu grinsen.

"Ich halte bei den beiden alles für möglich", lautete schließlich ihre Antwort.

"Und Remus?"

Der Genannte zuckte wieder zusammen. Er schielte erneut über den Buchrand, aber nur kurz, damit die beiden nicht bemerkten, dass er der angebliche Leser war. Sein Herz schlug bis zum Hals, als er darauf wartete, was Lily sagen würde. Hatte sie noch immer eine so schlechte Meinung von ihm? Oder spielte sie ihm diese nur vor? Ihre Augen sprachen bereits Bände. Bei der bloßen Erwähnung seines Namens, war sie verstummt und mit einem Mal herrschte im Raum eine eisige Stimmung.

"Willst du mich heute bewusst reizen?", fragte sie grimmig. "Hab ich dir irgendwas getan?"

Die Blonde schüttelte den Kopf.

"Ach komm. Du kannst doch nicht auch noch sauer auf ihn sein. Langsam denke ich, dass du keine Jungs leiden kannst."

Lily lächelte hämisch.

"Nicht solche."

Es war für Remus wie ein tiefer Schlag in den Magen. Er zuckte leicht zusammen und sank weiter in den Sessel. Der Tonfall, in dem Lily gesprochen hatte, zeigte, dass sie ihm keineswegs verziehen hatte und noch mindestens genauso sauer auf ihn war, wie vor wenigen Wochen. Normalerweise wäre der Junge bei der nächsten Bemerkung der Blonden rot geworden, doch er nahm sie gar nicht richtig war.

"Aber Remus ist doch niedlich. Ich könnte ihn mir gut als kleinen Engel vorstellen."

Sie kicherte.

"Wohl eher als Wolf im Schafspelz."

Die junge Evans erhob sich und verschwand in Richtung Mädchenschlafsäle.

"Lily, jetzt warte doch", rief die Blonde und lief ihr hinterher.

Der Braunschopf ließ das Buch sinken und seufzte gequält.

"Womit hab ich das verdient, Lily? Wieso bist du so sauer auf mich?"

Er schloss die Augen und horchte in sich hinein. Sein Kopf war leer und außer einem kleinen nagenden Gefühl an seinem Herzen, spürte er überhaupt nichts.
 

Wenig später fanden sich auch James, Peter und Sirius im Gemeinschaftsraum ein. Remus saß noch immer mit geschlossenen Augen im Ledersessel und dachte einfach an gar nichts. Er sah auf, als die drei den Gang, der vom Porträtloch zum Gemeinschaftsraum führte, durchquerten und wenige Schritte hinter ihm stehen blieben.

"Und?", fragte der junge Black. "Was hast du geschenkt bekommen?"

Remus zuckte nur leicht mit den Schultern und lächelte ihn entschuldigend an.

"Ich hab noch nicht nachgesehen."

"Magst du keine Geschenke oder hast du Angst eine böse Überraschung zu erleben?"

Der Brünette grinste leicht und zuckte wieder leicht.

"Vielleicht ein wenig."

Sirius runzelte die Stirn und wollte etwas erwidern, als James das Wort ergriff.

"Was ist mit den Sprüchen?"

Remus griff auf den Tisch und nahm den kleinen Zettel, auf den er vor kurzem gekritzelt hatte, zur Hand und wedelte James damit vor der Nase herum.

"Alles fertig. Aber ich weiß nicht, ob ich da mitmache. Das Ganze ist nicht sehr einfach. Und wenn etwas schief geht-"

"-dann haben wir alle etwas zu lachen", beendete Sirius Remus' Satz.

Der Braunhaarige funkelte ihn sauer an.

"Ja, auf meine Kosten."

Der Nachwuchs der Blacks zuckte mit den Schultern.

"Auf meine und James' auch."

"Ihr habt die Sprüche ja wenigstens schon mal ausprobiert. Aber-"

"Das klappt schon, Remi. Glaub mir. Das wird großartig. Die anderen werden Augen machen."

"Klar."

Remus wirkte nicht sehr überzeugt und auch nicht begeistert. Er seufzte resignierend. Es hatte keinen Sinn sich mit dem Schwarzhaarigen zu streiten, da dieser so oder so seinen Kopf durchsetzen würde. Das war ihm klar. Sirius war nun einmal von Geburt an ein Dickschädel und das wusste dieser auch, dann als Remus den Laut des Unwillens ausstieß, begann er über das gesamte Gesicht zu grinsen.
 

Es war acht Uhr abends. Vor einer knappen halben Stunde hatte das Halloweenfest begonnen. Schüler und Lehrer befanden sich in der Großen Halle. Dumbledore hatte sich nicht lang mit großen Worten aufgehalten, hatte er seinen Zöglingen angesehen, dass sie vor Hunger fast umkamen. Die Stimmung war recht ausgelassen, selbst am Tisch der Slytherins. Severus lauschte Lucius' angeberischen Reden. Oder zumindest tat er so. Schon seit geraumer Zeit hatte er das Interesse an diesem Geschwafel verloren. Er hatte seinen Kopf in eine seiner Hände gestützt und strich sich gerade eine seiner schmierigen Haarsträhnen aus dem Gesicht, während sein Blick unstet durch den Saal wanderte. Einige Schüler hatten sich verkleidet. Bei manchen Kostümen wusste er nicht, ob er eher lachen oder weinen sollte. Ursprünglich waren sie sicher dazu gedacht im Dunkeln Angst einzuflößen, doch schlussendlich waren sie einfach nur lachhaft. An seinem eigenen Haustisch hatte sich niemand verkleidet. ,Ein Slytherin würde sich niemals so tief sinken lassen', hatte die älteste der Blackschwestern vernehmen lassen. Am Tisch der Ravenclaws hatten sich nur eine Hand voll Schüler verkleidet. Ihre Kostümierungen waren noch am erträglichsten, doch die der Hufflepuffs und der Gryffindors - bei diesen Häusern gab es kaum Schüler, die sich nicht verkleidet hatten - waren einfach grotesk. Erbärmlich. Ja, das waren sie. Erbärmlich. Sein Blick glitt am Haustisch der Gryffindors entlang. Er suchte nach ein paar Erstklässler, runzelte jedoch irritiert die Stirn, als er sie nicht ausfindig machen konnte.

,Wo stecken sie nur?'

Er hätte zu gern gewusst, als was sie die beiden Clowns Black und Potter verkleidet hatten, waren diese zu allem fähig. Geistig zuckte er die Schultern. Sie fehlten. Das machte nichts. Es konnte ihm egal sein.

Plötzlich ertönten die gellenden Schreie mindestens zweier Mädchen. Im Saal wurde es mucksmäuschenstill und alle wandten ihre Köpfe fragend den geöffneten Flügeltüren zu.
 

Die vier jungen Gryffindors gingen die steinerne Marmortreppe hinunter.

"Und wie hast du dir das genau vorgestellt?", fragte Remus.

James zuckte mit den Schultern und grinste.

"Es muss irgendwie cool rüberkommen. Wir müssen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das ist alles."

"Das ist alles", wiederholte Remus und seufzte. "Das sagst du so einfach. Ich weiß nicht, ob das wirklich klappt."

"Keine Angst. Wir bekommen das schon irgendwie hin. Nicht so pessimistisch."

Kaum hatte er dies ausgesprochen, blieb er abrupt stehen. Sirius wäre beinahe in ihn hineingerannt, konnte jedoch noch rechtzeitig stoppen.

"Verdammt, James! Was soll das? Wieso bleibst du-"

Der junge Potter brachte den Schwarzhaarigen mit einer Handbewegung zum Schweigen.

"Was ist?"

James deutete nach unten. Peter und die anderen beiden sahen an ihm vorbei. Unten am Treppenabsatz standen zwei Mädchen und unterhielten sich. Sie schienen noch nicht das Bestreben zu haben sich zu den anderen in die Große Halle zu gesellen. James grinste.

"Denkt ihr das selbe, wie ich?"
 

"Das ist doch nicht dein Ernst, oder?", fragte die Brünette in ungläubigem Ton.

"Wenn ich es dir doch sage", erwiderte die Schwarzhaarige grinsend. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie blöd sich die Schnepfe angestellt hat. Ich konnte mich vor Lachen kaum noch halten. Aber naja, was willst du von einer Gryffindor anderes erwarten? Das sind doch alles nur ein Haufen Versager. Ich weiß nicht, wer schlimmer ist. Gryffindor oder Hufflepuff."

Die zwei Slytherins lachten.

"Das ist eine wirklich gute Frage", meinte die Braunhaarige und wollte noch etwas hinzufügen, verstummte jedoch augenblicklich.

"Was hast du?"

Die Dunkelhaarige sah ihre Freundin mit fragenden Augen an.

"Hörst du das?", zischte ihre Gegenüber.

Der Schwarzschopf lauschte. Ein metallenes Scheppern erfüllte die Eingangshalle. Die Mädchen sahen sich ein wenig verwirrt und auch verstört an.

"Was ist das?", fragte die Schwarzhaarige.

"Ich glaube, dass ich das gar ni- Da! Da oben!"

Sie deutete die Marmortreppe hinaus. Die zweite Slytherin lies ihren Blick in diese Richtung schweifen und erstarrte zur Eissäule. Langsam schleppte sich ein Ritter in blecherner Rüstung, welche silbern glänzte, auf sie zu. Der Schimmer der Rüstung wurde jedoch durch mehrere schwarze Flecke und Streifen verdeckt.

"Ist das Blut?", keuchte die Brünette und verzog ihr Gesicht angewidert.

Wenige Schritte vor ihnen, blieb der Ritter stehen. Einige Zeit herrschte Stille.

"Wir sollten lieber gehen. Das gefällt mir nicht", murmelte die Braunhaarige.

"Ach quatsch!", gab die Schwarzschopf zurück. "Das ist nur Peeves, der uns einen Streich spielen will. - Stimmt doch Peeve, oder? Komm aus der alten Blechkonserve raus!"

Sie ging ihm entgegen, wich jedoch mit einem erschrockenen Schrei zurück, als der Ritter noch einen Schritt machte und dabei sein Kopf ins wanken geriet. Der Helm fiel von den Schultern und dort, wo ein Kopf hätte zum Vorschein kommen müssen, herrschte gähnende Leere. Klangvoll polterte die Kopfbedeckung die letzten Stufen hinunter und blieb vor den Füßen der Mädchen liegen. Die beiden keuchten schwer. Angst stand in ihre Gesichter geschrieben.

"Peeves! Das ist nicht witzig!", sagte die Dunkelhaarige, doch in ihrer Stimme schwang ein seltsamer Unterton mit.

Sie wollte ihm drohen, doch da schrie ihre Freundin neben ihr auf. Sie wirbelte herum und erstarrte, als sie das sah, was ihre Freundin erschreckt hatte. Ganz in ihrer unmittelbaren Nähe standen drei weitere finstere Gestalten und bewegten sich langsam auf sie zu.

"Das ist nicht Peeves", murmelte die Brünette. "Das... das..."

Sie konnte es nicht beschreiben, doch das musste sie auch nicht, denn in diesem Moment fehlten ihr schlagartig die Worte. Der kopflose Ritter hatte sein blutbeflecktes Schwert gezogen und dieses hoch über seinen Kopf geschwungen. Die beiden Slytherins kreischten panisch und suchten ihr Heil in der Flucht. Gerade noch rechtzeitig, denn dort, wo sie gestanden hatten, sprühten Funken, als Stahl auf Stein traf. Noch immer lauthals aus voller Kehle schreiend, liefen sie in die große Halle, wo sich die anderen Schüler umgewandt hatten und sie verdutzt anstarrten.

"Da... da sind...", keuchte die Brünette, konnte ihr Grauen aber nicht in Worte fassen.

Es war totenstill. Alles wartete auf eine Erklärung ihrerseits, doch die Mädchen rannten lediglich zu ihrem Haustisch, als sie wieder das scheppernde Geräusch hörten. Zunächst wurden sie noch von verwunderten Blicken bedacht, doch dann richtete sich wieder aller Aufmerksamkeit auf die Flügeltüren. Das Poltern kam immer näher. Licht reflektierte, als die lebendig gewordene Rüstung mit staksigen Schritten den Saal betrat. Die meisten Schüler sogen synchron die Luft ein, sofern sie noch dazu in der Lage waren. Der Ritter trug den Kopf unter seinem linken Arm, sein Schwert befand sich wieder in der Scheide.

Kurz vor den Haustischen blieb er stehen. Die vordersten Schüler drängten sich entweder so weit es ging nach hinten - von ihm weg - oder starrten ihn mit großen Augen an. Es herrschte erneut Totenstille. Die jungen Hexen und Zauberer waren zwischen Entsetzen und Erstaunen hin und her gerissen. Zumindest die meisten. Am Slytherin-Tisch hielten sich die Emotionen jedoch in Grenzen.

Lucius verzog seine Lippen zu einem hämischen Grinsen.

"Wer hat sich denn diesen makaberen Scherz ausgedacht? Das ist ja einfach lachhaft."

Severus sah gebannt zu der Rüstung. Er konnte sich bereits denken, war hinter diesem Zauber steckte. Es gab immerhin nur vier Schüler, die sich noch nicht in der Großen Halle zum Essen eingefunden hatten.

Einer der Hufflepuffs schrie bestürzt auf, als er grob am Kragen gepackt und in die Luft gerissen wurde. Die Umsitzenden kreischten und wichen noch weiter zurück. Der Junge baumelte hilflos in der Luft und trommelte mit seinen Händen gegen den Eisenhandschuh, in dessen Griff er sich befand, wobei er sich selbst weh tat, dem Ritter jedoch keinerlei Schaden zufügte. Der Würgegriff schnürte dem Schüler die Luft ab, wodurch seine Schreckensschreie erstickt wurden. Blankes Entsetzen und Panik zierten seine Miene, doch so schnell er von der Rüstung gepackt worden war, so schnell wurde er auch wieder fallen gelassen. Der kopflose Ritter ging mit lautem Scheppern zu Boden und blieb - wie auch der junge Hufflepuff - reglos liegen. Erneutes Gekreische folgte, als hinter dem Trümmerhaufen eine schwarze Gestalt wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Das Wehen seiner Robe wurde durch den Luftzug bewirkt, der durch das Zerteilen der Luft, als die Sense durch eben diese glitten war, entstanden war. Der Kerzenschein brach sich an dem Metall der Waffe, welches in einem seltsamen Glanz erstrahlte. Es war kein gewöhnliches Metall, welches das Licht in Rottönen zurückgeworfen hätte. Der Stahl - oder was immer es war - schimmerte in einem seltsamen Blau. Das Gerät wurde von einer knöchernen, weißen Hand eines Skelettes gehalten. Die Gestalt richtete sich langsam auf. Unter der Kapuze des schwarzen Mantels konnte man einen nackten Totenschädel erahnen. Zwei rotglühende Augen funkelten die Schüler- und Lehrerschaft herausfordernd an. Das Gewand des Todes wehte noch immer, obwohl der Windhauch schon längst vergangen war. Die Schüler waren inzwischen noch hektischer zurückgewichen. Gut das erste vordere Drittel der Haustische war wie leergefegt. Mit gemächlichen Schritten ging das schwarze Unheil auf den Lehrertisch zu. Sein Gang war federnd. Er glitt jedoch viel mehr über den Boden, als das er wirklich ging. Erneutes angsterfülltes Keuchen drang an sein Ohr.

Plötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne. Langsam - fast wie in Zeitlupe - wandte er sich um. Der Kopflose hatte sich gänzlich lautlos erhoben. Wie es schien hatte Gevatter Tod seine Arbeit noch immer nicht richtig getan, doch dies sollte ihn nicht weiter kümmern. Der Ritter schlug um sich, flatterte ein kleines Getier um ihn herum. Der Kopf des blechernen Hünen gab ein grimmiges Grunzen von sich. Er zog sein Schwert und attackierte das Tier, schlug jedoch lediglich ins Leere. Das Tier stieß immer wieder herab und brachte den Koloss somit ins Wanken. Das schwirrende Ungetüm gab ein helles, ohrenbetäubendes Kreischen von sich, als der kalte Stahl der Klinge es nur knapp verfehlte. Es flatterte ein Stück davon, auf das schwarz gewandete Scheusal zu, doch auf halber Strecke machte es kehrt. Je näher es auf die lebendige Rüstung zuflog, desto größer wurde es. Erst nahm das Tier eine formlose, klumpige Gestalt an, doch mit einem Mal stand eine Person auf dem schmalen Gang zwischen den Haustischen. Das Erscheinen des Subjekts blieb nicht ohne Reaktion. Nun mischte sich eine gewaltige Dosis Verwirrung unter die bereits vernebelten Gefühle der Schüler. Es war ein Junge, elf Jahre zählte er. Sein Haar war rabenschwarz und ein wenig kürzer, als dass man es als schulterlang bezeichnen konnte. Seine Augen hatten ein unnatürliches eiskaltes Blau, strahlten jedoch ebenso stark und hell, wie die des Gesellen. Seine Haut war fast transparent. Er war vollkommen in Schwarz gekleidet, lediglich die Innenseite seines Umhangs wich davon ab, war diese blutrot. Zwar war die Person - konnte man diese Erscheinung noch als solches bezeichnen - nicht besonders hochgewachsen, doch strahlte sie durch ihr gesamtes Auftreten eine unheimliche Aura aus. Vielleicht sogar noch stärker, als die des Gevatters an sich selbst. Womöglich war ein weiterer ausschlaggebender Faktor dafür, dass es sich bei dem Jungen um keinen anderen, als Remus Lupin - einen Erstklässler aus Gryffindor - handelte. Nur hatte er sich äußerlich - bis auf seine Gesichtspartie und seine Körpergröße - vollkommen verändert. Die Schüler waren ratlos. War dies nun Spaß oder Ernst? Schauspiel oder Realität? Es war Remus, also musste es zwangsläufig ein Scherz sein. Allerdings lag der junge Hufflepuff noch immer leblos am Boden. Sein Oberkörper hob und senkte sich nicht, sodass klar wurde, dass der Junge nicht mehr atmete. Und das konnte definitiv kein Scherz sein.

Mit geschmeidigen Schritten - einer Raubkatze gleich - lief er auf den Kopflosen zu. Dieser hatte bereits sein Schwert erhoben und schwang es nun berserkergleich. Remus duckte sich unter dem Schlag hinweg. Auch einen zweiten Hieb parierte er. Mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung, brachte er seinen Zauberstab zum Vorschein. Einen Augenschlag später knisterte die Luft und der Ritter ging abermals zu Boden. Langsam schlenderte der Schwarzhaarige auf seinen - wenn man es so bezeichnen mochte - Gegner zu. Dieser regte sich noch immer nicht. Langsam ließ sich der Junge auf die Knie sinken und streckte seine Hand aus. Ein weißer Schleier aus Dunst stieg von der Rüstung auf und begann sich um Remus zu hüllen. Wenige Atemzüge später war ein leises Ächzen von dem Helm, welcher einige Meter entfernt am Boden lag, zu vernehmen und kurz darauf verblasste der Ritter, bis er ganz verschwunden war. Der Spross der Lupins erhob sich und wandte sich dem Tode zu. Auf seinem Gesicht machte sich ein hämisches Grinsen breit. Mit seiner Zunge fuhr er über seine Zähne, wobei zwei gefährlich spitze Eckzähne zum Vorschein kamen.

Die Schüler keuchten erschrocken auf.

"Ein Vampir!"

Ein paar Mädchen kreischten, doch waren es weniger als zuvor. Der Schrecken saß allen in den Gliedern. Zudem wuchs die Ungewissheit von Moment zu Moment an. Der Gevatter hob seine Sense. Die Lichter der Kerzen begannen zu flimmern. Leises Gemurmel ging durch die Schülerscharen.

Nun erhob sich auch Dumbledore endlich aus seinem Stuhl. Bis jetzt hatte er alles für ein Spiel gehalten und amüsiert zugesehen, doch nun war er sich selbst der Sache nicht mehr ganz so sicher. Seine Augen weiteten sich unmerklich, als er eine weitere finstere Gestalt durch eines der hohen Fenster gleiten sah.

"Das kann nicht sein", murmelte er fassungslos.

Der schwarze Schatten glitt über die Köpfe der Mädchen und Jungen hinweg, welche bereits zum unzähligsten Male entsetzt aufschrieen. Ein dünner Nebelschleier sank von der Decke hinab. Die Getränke in den Kelchen und das Essen auf den Tischen wurden von einem dünnen Eisfilm überzogen. Das Gewand - konnte man es als solches noch bezeichnen, erinnerte es mehr an einen alten, zerschlissenen Fetzen - flatterte noch wilder und unbändiger, als das des Gesellen. Vielleicht wirkte dieses Geschöpf sogar noch angstheischender auf die Schüler, als es der Tod an sich tat, hatte diese Gestalt noch nicht einmal ein Gesicht. An Stelle des Kopfes befand sich ein schwarzes Nichts, dass alles in sich aufzusaugen drohte. Seine Hände waren noch abstrakter, als die der anderen dunklen Figur. Es waren mehr Klauen, als Hände. Sie waren ebenso knöchern, jedoch noch viel feingliedriger und spinnenartiger.

"Ein Dementor", stieß eines der jüngeren Ravenclawmädchen mit zittriger Stimme aus.

Das pechschwarze gespensterähnliche Wesen glitt nochmals über einen der Haustische, bevor es direkt auf Remus zuhielt. Dieser bückte sich und griff nach dem am Boden liegenden und letztlich verbliebenen Schwert des Ritters und hob es auf. Mit seinem Blick fokussierte er den Dementor, der mit rasender Geschwindigkeit näher kam. Als dieser nur noch ein bis zwei Armlängen weit entfernt war, riss der Vampir das Schwert in die Höhe. Die Klinge glitt durch kalte Luft und sirrte leise. Remus war dem Ungetüm mit seinem Blick gefolgt. Er nutzte den Schwung des Hiebes und kam von seiner knienden Position durch eine Rückwärtsrolle auf die Füße. Einen winzigen Wimpernschlag später stürzte sich die schwarze Gestalt auf den Jungen hinab, welcher mit einem kraftvollen Satz zur Seite auf eine der leeren Sitzbänke sprang. Der Dementor glitt dicht über dem Boden auf den Lehrertisch zu. Professor Flitwick quiekte erschrocken, als er das Monstrum immer näher kommen sah. Die anderen Lehrer - bis auf Novis und Dumbledore - wirkten ebenfalls nervös. Professor Sprout biss sich unruhig auf die Lippe, McGonagalls Hand wanderte langsam unter ihren Umhang, bereit ihren Zauberstab zu ziehen, sollte die Bestie einen der Anwesenden attackieren. Professorin Redwing rutschte näher zu dem ebenfalls in schwarz gekleideten und fahlen Mann neben ihr, der gut zehn, wenn nicht sogar zwanzig Jahre älter war als sie. Novis starrte mit eisiger Miene auf die dunkle Kreatur. Bei ihm regte sich kein einziger Muskel. Der Direktor stand vor seinem Stuhl und ragte über die Köpfe aller hinweg. Auch bei ihm konnte man meinen, dass er sich nicht regte und dem Grauen lediglich entgegenblickte, doch dem war nicht so. Wer genauer hinsah, konnte sehen, wie der Körper des alten Zaubermeisters leicht zu beben begonnen hatte. In seinen Augen flackerten zornige Flammen. Innerlich schien er einen regelrechten Kampf mit sich um seine Selbstbeherrschung zu führen. Der Dementor kam immer näher. Nur noch wenige Meter und er hatte den Lehrertisch erreicht. Hinter ihm schepperten Teller, Bestecke und Tassen. Die Schüler schrieen vor Schreck auf, als Kelche und Essen durch die Luft flogen. Remus stürmte über die Tische, dem schwarzen Giganten hinterher. Dabei achtete er nicht sonderlich darauf, wo er hintrat und hinterließ somit ein wahres Schlachtfeld. Der Dementor hielt auf den grauhaarigen, hochgewachsenen Zauberer zu, der sich noch immer nicht rührte. Er streckte seine Klauen gierig nach dem faltigen, runzligen Gesicht das Schulleiters aus. Der junge Vampir erreichte das Ende des Haustisches und stieß sich von eben diesem ab. Er ließ das Schwert über dem Kopf kreisen, packte es dann blitzartig mit beiden Händen und stieß es in den Körper des schwarzen gestaltgewordenen Nichts. Ein tiefer Basston erfüllte die Halle, was der Schrei des Monstrums zu sein schien. Das Schwert schlitzte einen Großteil der Robe auf, doch nagelte es den Dementor nicht am Boden fest. Dieser glitt zur Seite und hinterließ eine Spur aus schwarzer, wabernder, zäher Flüssigkeit. Der Erstklässler setzte ihm nach, doch der zweite Hieb verfehlte sein Ziel. Nichts desto trotz ereilte das Schicksal sein Opfer. Der Dementor stieg einige Meter an der Wand empor, bevor sein Körper sich langsam in zwei Teile teilte und ein kalter Erguss des schwarzen Saftes auf Remus niederging. Dieser keuchte auf und wischte sich leicht knurrend das dunkle Blut aus dem Gesicht. Er wandte sich um und stand dem Gevatter Tod gegenüber, welcher langsam seine Sense sinken ließ, mit der er gerade seine grausame Tat vollführt hatte. Die Klinge des Gerätes strahlte jedoch noch immer das seltsam fluoreszierende blaue Licht aus. Von schwarzem Blut war an ihr nichts zu erkennen. Hinter Remus flatterte das Kleidungsstück des Dementoren lautlos zu Boden. Von dessen Körper war nichts mehr übrig. Auf dem Boden begann sich ein großer finsterer See zu bilden. Für einen winzigen Moment wurde es totenstill in der gesamten Halle. Die beiden unmenschlichen Gestalten fixierten sich. Remus tastete seinen Gegenüber mit seinen Blicken ab, auf der Suche nach einer Schwachstelle, doch ihm blieb nicht genügend Zeit seinen Gegner zu analysieren, als sich dieser mit geschmeidigen Bewegungen - und ohne dabei einen Laut von sich zu geben - auf ihn stürzte und mit seiner Sense zuschlug. Um Haaresbreite entging der Untote dem Angriff. Stoff riss. Ein langer Riss zierte seine Brust, doch die Haut darunter war unversehrt. Weitere Hiebe folgten, bei denen der Junge immer wieder zurückweichen musste. Nur selten konnte er parieren. Eine Attacke seinerseits war undenkbar. Die Kräfteverhältnisse waren klar verteilt. Der Schwarzhaarige wich weiter zurück, bis eine der Sitzbänke ihn daran hinderte. Er duckte sich unter einem weiteren Schlag hinweg, bevor er rückwärts auf die Bank und schließlich auf den Tisch stieg. Der Gesell folgte ihm mit gleitenden Bewegungen. Die Schüler, die am entsprechenden Haustisch saßen, sprangen auf und zogen sich soweit es ging vom Schauplatz des Spektakels zurück, um nicht selbst getroffen zu werden. Einige der Mädchen und auch eine Hand voll Jungen hatten zu weinen begonnen. Getröstet wurden sie nur spärlich, waren die anderen Schulbewohner doch zu sehr vom hitzigen Gefecht mitgerissen. Wieder ging die Sense auf den jungen Lupin nieder, doch diesmal senkrecht. Er machte einen ausfallenden Schritt zur Seite. Das blaue Metall bohrte sich lediglich eine Hand breit neben ihm in das polierte Holz. Remus nutzte dieses Gelegenheit drehte das Schwert in der Hand, sodass es wieder richtig lag und stach zu. Der kalte Stahl bohrte sich tief in den Leib des schwarzen Mannes - hatte der Tod eigentlich ein Geschlecht? Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der die beiden reglos in dieser Position verharrten. Langsam begann sich ein triumphales und gleichzeitig spöttisches Grinsen in dem Gesicht des Elfjährigen breit zu machen. Unter der Kapuze war mit dem Stich auch das Glühen der Augen verschwunden. Der Vampir löste sich aus der Anspannung - ein fataler Fehler. Plötzlich loderte das flammende Rot blenden hell auf. Die knöcherne Hand umfasste das Handgelenk des Jungen. Dessen Augen weiteten sich vor Überraschung. Ehe er reagieren konnte, hatte der Tod ihn mit solcher Wucht in die Luft gerissen und über seine Schulter geworfen, sodass er nach einigen Metern des Fluges hart auf am anderen Ende des Haustisches aufschlug. Er ächzte laut auf und blieb reglos liegen. Sein Atem ging rasend schnell. Der Blick des Schnitters wanderte an sich hinab und blieb an dem Schwert hängen, welches noch immer in ihm steckte. Langsam schlossen seine Finger sich um den Griff der Waffe und schon fast gemächlich zog er sie aus sich heraus. Einige der Schüler und Schülerinnen würgten oder stöhnten leise. Hatte man erwartet, dass die Klinge von einer ebensolchen schwarzen Flüssigkeit, wie bei dem Dementoren, besudelt war, hatte man sich geirrt. Der harte Stahl glänzte so rein, als hätte man ihn gerade erst poliert. Einige Zeit lang sah der schwarz Gewandete noch auf das Schwert, als er es dann achtlos fort warf. Scheppernd fiel es auf den steinernen Boden. Es schlitterte noch einige Meter weiter, bis es vor den Füßen eines Hufflepuffs liegen blieb. Dieser wurde mit einem Mal kreidebleich. Er schien in Sekundenschnelle zu altern. Remus lag noch immer auf dem Tisch, hatte sich jedoch auf den Bauch gedreht und war nun auf allen Vieren, wobei er versuchte aufzustehen. Der Gevatter zog die Sense mit einem kräftigen Ruck aus der Tischplatte, welche dabei leicht vibrierte. Er wandte sich zu seinem jungen Gegner um und ging langsam auf diesen zu. Der Spross der Lupins kämpfte sich auf die Beine. Eines gequälten Stöhnens konnte er sich nicht verwehren. Er taumelte leicht. Sein gesamter Körper war von einem dumpfen Schmerz erfüllt, doch er ignorierte ihn, war es nicht gerade der passendste Zeitpunkt, sich seinen Wehwehchen zu ergeben. Er fixierte den schwarzen Hünen. Sein Blick war wieder fest und eisig geworden. Er wirkte so abweisend und kalt, dass selbst Malfoy mehr schlecht als recht damit hätte mithalten können. Sein Mund war von einem metallischen Geschmack erfüllt. Er fuhr sich mit seinem Handrücken über die Lippen. Warmes, rotes Blut blieb daran kleben. Genüsslich leckte er es weg - dabei seinen Widersacher nicht aus den Augen lassend. Dieser beschleunigte seinen Schritt, schien jedoch noch immer über alles hinweg zu gleiten. Ihm waren noch keinerlei Zeichen von Müdigkeit anzumerken. Auf den letzten Metern war sein Laufen in eine Art Rennen übergegangen. Remus sog die Luft ein und machte sich auf das Kommende gefasst. Es war klar, dass er ihm unterlegen war. Niemand kam gegen den Tod an. Noch nicht einmal ein Unsterblicher. Früher oder später würde sich der alte Sensenmann das holen, was ihm zustand. Diese Aussichten gefielen dem Blutsauger jedoch herzlich wenig. Das Arbeitsgerät des Hünen sauste auf den Knaben nieder. Der Alte hatte auf den Hals des Jüngeren gezielt, doch vergeblich. Der Hieb ging daneben. Allerdings sollte das noch nicht das Ende der Attacke sein - wie der Schwarzschopf gedacht hatte. Zwar war das Blatt der Sense vorbei, doch wurde er hart vom Griff das Werkzeugs getroffen. Die Wucht war so stark, dass er von den Füßen gerissen wurde und mit einem dumpfen Laut auf den Boden klatschte. Diesmal blieb ihm weniger Zeit, bis der Geselle ihn erreicht hatte. Der Vampir keuchte schwer, als er die schwarze Gestalt näher kommen sah. Er wollte sich aufrichten, doch misslangen die Versuche kläglich. Rote Augen funkelten ihn amüsiert an. Die Sense senkte sich langsam. Remus war wie gelähmt, als er sie auf sich zukommen sah. Er sog die Luft ein und spannte sich an, als die Spitze des Stahls über seine Wange schrammte und diese aufschlitzte. Eine feine dünne rote Linie zierte sein Gesicht. Warmes Blut floss über seine Wange. Wie in Zeitlupe hob sich das Schneidwerkzeug und senkte sich erneut, zielte jedoch diesmal auf das Herz seines Opfers. Dieses löste sich jedoch noch rechtzeitig aus seiner Betäubung. Er griff unter seinen Umhang und zog seinen Zauberstab. Ein roter Lichtblitz erfüllte den Raum. Als das grelle Licht langsam wieder abschwoll, war der Gevatter verschwunden. Der Junge richtete sich langsam auf und ließ seinen Blick kreisen, wobei er nach seinem Rivalen Ausschau hielt. Der Zauberspruch hatte lediglich dem Zwecke gedient das alte Knochengerippe auf Distanz zu halten, nicht um es verschwinden zu lassen. Wo war es also abgeblieben? Er wandte sich um, doch zu spät. Mit einem sirrenden Geräusch flog die Sense kreiselnd durch die Luft. Die blauen Augen wurden groß. Ein brutaler Schmerz schoss durch seinen Körper, als sich der blaue Stahl nur wenige Zentimeter unterhalb seines Adamsapfels in seine Kehle bohrte und ihn an die Wand nagelte. Remus röchelte leise. Mit jedem Blutstropfen, der aus der klaffenden Wunde floss, wich ein Teil seines Odems aus ihm. Seine Augen wurden stumpf. Der Tod schritt auf ihn zu. Dessen Augen glitzerten noch immer belustigt. Er ergriff das Ackerwerkzeug. Der junge Lupin stöhnte leise auf. Mit einem kräftigen Ruck zog er sein Arbeitsgerät wieder heraus, wobei dem Erstklässler ein halblauter Schmerzensschrei entwich, war er zu mehr nicht mehr in der Lage. Wenige Sekunden stand er noch auf seinen Beinen - das Blut floss weiter unaufhaltsam. Seine Lider begannen zu flackern. Langsam sank er ächzend zusammen und blieb reglos in einer Lache aus Blut liegen. Der schwarze Koloss wandte sich ab. Er besah seine Sense, von welcher der Lebenssaft tropfte. Mit einer schnellen Bewegung zerteilte er die Luft. Ein roter Regen ging nieder. Die Klinge blitzte wieder in verheißungsvollem Blau. Die Waffe senkte sich. Mit langsamen Schritten durchquerte der Gevatter den Raum der Breite nach. Vor den großen Flügeltüren blieb er stehen und wandte sich dem Lehrertisch zu. Im ganzen Raum war es still geworden. Selbst das Schluchzen einzelner Anwesender war verstummt. Zwar war sein Gesicht bis auf die Augen nicht sichtbar, doch wer den schwarz Gewandeten ansah, wusste, dass dieser lächelte. Es war ein kaltes Lächeln, dass einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die Kerzen im Raum flackerten stark. Gut die Hälfte war bereits beim Erscheinen des Dementoren erloschen. Der Tod hob eine seiner knöchernen Hände und vollführte eine langsame, ausladende Geste, mit der er den gesamten Raum bedachte. Nach und nach erloschen die Kerzen - eine nach der anderen. Die klirrende Kälte schien von einen auf den anderen Moment hin spürbar zuzunehmen. Der Atem der Schüler begann in weißen Dunstschwaden aufzusteigen. Im gesamten Saal brannte lediglich noch eine Kerze über dem Haupte des Skelettes. Seine Hand senkte sich und mit einem markerschütternden grausigen Lachen erlosch die letzte der Flammen und hüllte somit die gesamte Halle in Dunkelheit und Grabesstille.
 

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1.Akt, Kap.XI - Ende

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Und? Wie hat es euch gefallen. Dieses Mal ist das Kap doch ziemlich anders geworden, aber ich konnte es einfach nicht lassen eine Kampfszene mit einzubauen. Ich liebe solche Stellen einfach.^^ Allerdings kann ich sie nicht besonders gut beschreiben. Ich hoffe, dass es verständlich war. Soweit ich im Moment voraussehen kann, wird so schnell keine ähnliche Szene kommen. Aber es kommen noch welche (irgendwann^^). Ich würde mich daher freuen, wenn ihr mir sagen würdet, wie sie euch gefallen hat.

1.XII.Blutiger Kuss

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1.Akt: Kapitel XII: Blutiger Kuss

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Unter den Schülern brach regelrechte Panik aus, als das letzte Fünkchen Licht erlosch. Leises Wimmern setzte wieder ein. Das Stimmengewirr nahm an Lautstärke zu und dröhnte in der ganzen Halle wieder.

Plötzlich jedoch wurde es erneut strahlend hell. Die Blicke der Schüler wanderten zum Lehrertisch. Dumbledore hatte es nur eines Fingerschnipsens bedurft, um die Kerzen erneut zu entfachen. Er stand hocherhobenen Hauptes da und starrte zur Tür. Sein Blick war emotionslos, als er die Gestalten dort sah. Die Schüler folgten seinem Blick und keuchten erschrocken auf, als sie sahen was dort stand. Der Gevatter Tod war nicht mehr allein. Der Kopflose, der Dementor und Remus, der Vampir, standen neben ihm. Ihre Wunden waren allesamt vollkommen verschwunden. Das schwarze Quartett wirkte in seiner Gesamtheit noch wesentlich angsterfüllender, als sie es einzeln schon getan hatten. Lediglich bei dem Erstklässler konnte man die Emotionen ablesen. Er grinste verschmitzt über das ganze Gesicht. Langsam verneigte sich der Ritter. Der Dementor und der Blutsauger taten es ihm gleich. Schließlich und schlussendlich verneigte sich auch der Sensenmann. In der Halle war es erneut mucksmäuschenstill geworden. Schließlich durchbrach ein einzelnes verwaistes Klatschen das Schweigen. Ungläubig richtete sich alle Aufmerksamkeit der Schüler Dumbledore zu. Dieser klatschte und grinste breit. In seinen Augen glitzerte der Schalk.

"Ein wirklich sehr gelungenes Schauspiel", meinte er mit freudig heiterer Stimme. "Vielleicht ein wenig makaber, aber sehr unterhaltsam."

Er stieß sowohl bei Erwachsenen, als auch Minderjährigen auf Unverständnis. Der Direktor ließ sich jedoch nicht beirren und fuhr fort:

"Die Kostüme sind wirklich sehr einfallsreich und das Stück passt auch gut zu Halloween. Drei Hauspunkte für jeden von euch für Gryffindor."

"Kostüme?", rief einer der Ravenclaws ungläubig.

"Ein Theaterstück?", entfuhr es einem Hufflepuff.

"Hauspunkte für Gryffindor?", knurrte Malfoy sauer und empört.

Wieder wanderten die Blicke der Hogwartsbewohner zu den vier dunklen Gestalten. Der Ritter richtete sich langsam auf und nahm den Helm ab. Darunter kam der Kopf Peters zum Vorschein, der begonnen hatte zu feixen. Während der Dementor sich aufrichtete, streifte seine knöcherne Hand die Kapuze zurück, womit auch der Zauber brach. Mit seiner normalen Hand fuhr sich Sirius durch sein zerzaustes Haar und lächelte in die Runde. Während sich Remus aufrichtete umgab ein glitzernder Nebel ihn. Sein Zauber war auf Zeit begrenzt gewesen und nun stand er mit normaler Haar- und gesunder Hautfarbe da und lächelte zuckersüß, als ob er kein Wasser trüben könnte. Natürlich blieb für den vierten im Bunde nur noch einer übrig. Wie bereits der junge Black streifte das Skelett die Kapuze zurück. Auch James' Haar war sehr verwühlt, jedoch stellte es keinen sehr großen Unterschied zu seiner üblichen Art sein Haar zu tragen dar. Er grinste übers ganze Gesicht. Die vier jungen Gryffindors sahen sich an und schmunzelten, bevor sie sich den anderen vor ihnen zuwandten und synchron antworten:

"Süßes oder Saures."

Für einige Herzschläge sahen die anderen sie ungläubig an, bevor die ersten zu lachen begannen und schließlich der gesamte Saal mit einstimmte.

Die vier Erstklässler sahen sich an und konnten das Grinsen noch immer nicht unterdrücken.

Doch nicht alle Schüler hatten in das Gelächter mit eingestimmt. Einige Hufflepuffs waren stumm geblieben. Ihr Hausgefährte, welcher von Peter - scheinbar - gewürgt worden war, lag noch immer reglos am Boden. Sirius sah die skeptischen und besorgten Blicke. Er ging zu dem Jungen und hockte sich neben ihn. Mit der flachen Hand schlug er ihm mehrmals leicht ins Gesicht. Nach einigen Augenblicken öffnete der Erstklässler stöhnend die Augen und sah den Schwarzhaarigen verwirrt an. Der junge Black half ihm lächelnd auf.

"Ich glaub der Trank war zu stark, oder?"

Sein Gegenüber blickte ihn verständnislos an. Sirius - noch immer lächelnd - schob den Hufflepuff zu dessen Haustisch und drückte ihn mit sanfter Gewalt auf die Bank.

"Deine Freunde erklären dir alles", meinte er zwinkernd. Er wandte sich zu den drei Gryffindors um, die noch immer vor den großen Flügeltüren standen. Mit einer Kopfbewegung deutete er an, dass sie ihm folgen sollten. Er selbst ging zu seinem eigenen Haustisch und nahm Platz. James, Remus und Peter taten es ihm gleich. Für einen Moment herrschte Stille. Fast schon andächtig griffen sie jeder nach einem Knallbonbon. Erneutes Zögern. Synchron rissen sie die süßen Überraschungen entzwei. Vier Feuerwerke schossen zischend in die Höhe und tauchten die Halle in eine unsagbare Farbenpracht.
 

Die Feier ging bis in die späten Abendstunden hinein. Heute wurde für alle eine Ausnahme in Sachen Ausgangssperre gemacht. Nach einiger Verdauungsarbeit, war die Schmierenkomödie der vier Erstklässler im Allgemeinen auf positive Resonanz gestoßen. Sicherlich, nicht bei allen - waren da noch das Hause Slytherin und der Hufflepuff, der jedoch bereits wieder zu verzeihen begann - aber bei der großen Mehrheit. Sie wurden darüber ausgefragt, wie sie es geschafft hatten, solch echte Kostüme herzustellen. Alle vier hatten sie echt gewirkt. Der schwebende Dementor Sirius, der kopflose Peter, der sensenschwingende James und der blutsaugende Remus. Vor allem die Frage, wie die vier jungen Zauberer ihre qualvollen Tode überstanden hatten, bereitete den anderen Schülern einiges Kopfzerbrechen. Die vier Gryffindors schmunzelten bei diesen Fragen und gaben lediglich Bruchstücke ihres Wissen preis.

Remus nippte an seinem Kürbissaft und lauschte Sirius' Anekdoten, während er seinen Blick durch den Raum gleiten ließ. Es war bereits kurz nach Zehn, doch die allgemeine Festtagsstimmung war noch nicht getrübt. Es ging weiterhin fortwährend fröhlich und ausgelassen zu. Auch die Lautstärke der Gespräche schien sich mit fortgeschrittener Stunde nicht zu minimieren. Im Gegenteil. Sie schien weiter anzuschwellen. Der Braunschopf seufzte. Seine Gedanken begannen schwer zu werden. Er war wirklich müde. Das Duell mit Sirius und James hatte stark an seinen Kräften gezerrt. Zwar hatten sie die Szene mehr oder weniger durchgesprochen und geübt, doch letztendlich hatte der Zauber doch mehr von ihm abverlangt, als er selbst gedacht hatte. Er fühlte sich, als könnte er die nächsten Wochen einfach durchschlafen. Wie ein Bär, der seinen Winterschlaf hielt. Allerdings würde er es wohl kaum durchhalten so lang zu nächtigen. Sein Magen würde sich rechtzeitig zu Wort melden und ihm aus seinem Tiefschlaf wecken. Eine andere Frage war, wie er sich dann fühlen würde - abgemagert und ausgezehrt. Sicherlich noch schlimmer als im Moment. Er seufzte. Was dachte er sich schon wieder? Wie kam er nur immer auf so dumme Vergleiche? Es wäre wohl das Beste, wenn er schlafen ginge. Sonst würde er diese wirren Gedanken weiterspinnen und schlussendlich wieder an einer Stelle landen, an der er nicht hatte ankommen wollen. Einen Gähnen stahl sich über seine Lippen. Die Luft im Raum war mit der Zeit stickig und schwer geworden.

"He, langweile ich dich so?", fragte Sirius und zog ein gespielt beleidigtes Gesicht.

Remus konnte nur lächeln und schüttelte leicht den Kopf.

"Nein, es ist nur so warm. Und die Luft macht einen ganz schläfrig."

Der Schwarzhaarige nickte.

"Stimmt."

Remus stand auf.

"Ich mache einen kleinen Spaziergang. Luft schnappen. Bis später."

"Nimm dich vorm schwarzen Mann in Acht", meinte James und grinste. "Geh nicht zu weit weg und bleib auch nicht so lang weg."

"Ja, Mami. Ich denk dran, Mami", gab der junge Lupin lächelnd zurück.

Die anderen drei Gryffindors lachten bei diesem Kommentar, James allerdings erst, nachdem er dem Brünetten einen leicht säuerlichen Blick zugeworfen hatte. Remus wandte sich um und ging Richtung Flügeltüren. Aus den Augenwinkeln erblickte er eine Bewegung. Er sah zur Seite und folgte ihr. Severus war aufgestanden und ebenfalls auf dem Weg zum Ausgang. Anscheinend vertrug er die Wärme ebenso wenig. Der Braunhaarige drosselte seinen Schritt, sodass er kurz nach dem Slytherin bei den Türen ankam. Es war eine perfekte Gelegenheit, um mit ihm zu sprechen. Alle Schüler befanden sich in der Großen Halle und somit würde keiner ihr Gespräch in der Eingangshalle mitbekommen. Remus musste einfach mit dem Schwarzhaarigen sprechen. So ging es nicht weiter. Immer ignorierte er ihn. Und das, obwohl er nicht einmal wusste, was er Severus angetan haben sollte. Gut, er war ein Gryffindor. Und weiter? Das rechtfertigte das Verhalten des jungen Snapes in keinster Weise. Remus würde mit ihm reden. Ob Severus wollte oder nicht. Der Dunkelhaarige erreichte die Türen und verschwand nach draußen. Der Spross der Lupins beschleunigte seinen Schritt, um ihn einzuholen.

Draußen in der Eingangshalle angekommen, sah Remus sich um. Severus war bereits nicht mehr zu sehen.

,Wo ist er nur?', fragte sich der Braunschopf verwirrt und durchquerte das Foyer seinen Blick dabei schweifen lassend.

Seine Schritte leiteten ihn zum Kerker. An der Treppe, die in die Tiefe führte, blieb er stehen. Soviel er wusste, befand sich das Slytherinhaus irgendwo dort unten im dunklen Labyrinth aus Gängen und Gewölben. Er zögerte. Sollte er dort unten nach dem Älteren Ausschau halten? Vielleicht hatte er Glück und er würde ihn finden. Allerdings standen die Chancen, dass Severus sich bereits in seinem Gemeinschaftsraum befand und Remus sich dort unten verlaufen würde wesentlich besser. Schwer seufzend wandte er sich um und ging in den Eingangsbereich zurück. Es war keine sonderlich gute Idee nachts im Schloss herumzustromern. Zwar kontrollierten die Lehrer heute nicht, ob man im Bett lag, oder nicht, aber allzu verlockend, die Nacht schlafend auf dem harten Steinfußboden der Kellerkorridore zu verbringen, fand der Gryffindor diese Aussicht nicht. Er entschied sich nun doch für einen Spaziergang. Mit wenigen Schritten hatte er die Halle durchquert und war bei den Eichenportalen angelangt. Er zog an der Tür. Im ersten Moment rührte sich nichts. Er musste ein wenig mehr Kraft aufwenden, um die große Holztür aufzuziehen. Er ächzte leise. Als der Spalt breit genug war, stahl er sich hindurch. Mit einem lauten Knarren fiel die Tür hinter ihm zu. Im nächsten Augenblick schlug ihm bereits die eiskalte Abendluft entgegen. Seine Nackenhärchen stellten sich auf. Er schlang seinen Umhang fest um sich. Gleichzeitig kehrte eine angenehme Wärme in ihn zurück. Mit gemäßigtem Schritt ging er langsam voran und atmete tief die klare Nachluft ein. Seine Stimmung hob sich. Mutter Natur hatte sich im Laufe des Tages doch entschieden ihm ein wenig Sonnenschein zu Teil werden zu lassen. Die grauen Regenwolken vom Morgen hatten sich gänzlich verzogen. Der Himmel über ihm war mit funkelnden Diamanten besetzt, die den Abend ein wenig erhellten. Der Mond thronte über ihnen und lächelte den Schüler an. Dieser seufzte, als er ihn sah. Wie schön er doch war. Auch wenn er seine volle Pracht nur ein einziges Mal im Monat zeigte. Und dann auf für den Erstklässler grausame Weise. Doch dieser Anblick war einfach wundervoll. Im Augenblick begann der Erdtrabant abzunehmen und ging auf seine Neumondphase zu. Auch diese konnte faszinierend sein, wenn der Satellit vollständig in den Erdschatten eintauchte und in einem Blutrot über dem Horizont schwebte. Allerdings war dieses Phänomen recht selten. Zumeist war er nur teilweise rot und an anderen Stellen einfach nur schwarz, wobei er mit dem Himmel zu einer Einheit verschmolz.

Ohne es recht mitzubekommen, verließ der junge Lupin das Schulgelände. Zunächst berührten seine Füße kalten Stein. Kleine Kiesel und sandgroße Körner knirschten immer wieder unter seinen Schuhen. Doch bald schon wurde dies durch das leise Rascheln von Gras abgelöst. Remus hatte die lange Treppe hinter sich gelassen und lief nun über eine weite Wiese, deren Boden wesentlich weicher war und seine Schritte dämpfte. Vor ihm erstreckte sich in einiger Entfernung ein riesiges schwarzes Nichts, in welchem sich das Mondlicht brach - der See. Er lag ruhig und still da und bot dabei einen fast schon idyllischen Anblick. Allerdings empfand der Brünette diese Stille als zu friedfertig. Für diese Jahreszeit war es jedoch nicht allzu verwunderlich. Der Herbst war bereits spür- und sichtbar eingebrochen und hielt nun deutlich auf den Winter zu. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten hatte sich auch das Antlitz der Natur verändert. Die Bäume hatten bereits ihr Laub abgeworfen - besonders ein recht gereiztes Exemplar hatte es sehr eilig gehabt seinen Artgenossen zuvor zu kommen - und standen nun kahl in ihrer - für Remus so doch recht gewöhnungsbedürftigen - Pracht da. Auch das tierische Leben hatte sich im Vergleich zum Sommer stark geändert. Die Vögel waren schon vor mehreren Wochen nach Süden - in wärmere Regionen - aufgebrochen, wo sie den kommende Jahreszeit verbringen würde. Die Fische begannen sich in tiefere Wasserregionen des Sees zurückzuziehen. Einige Lurche gruben sich in das Erdreich ein oder verharrten in einer Winterstarre. Die Säuger zogen sich in ihre Unterschlüpfe - ob der Bär nun in seine Höhle oder der Fuchs in seinen Bau - zurück, wo sie überwinterten. Erst nach Frühlingseinbruch würden sie sich wieder sehen lassen. Und die Insekten? Auch von ihnen war nichts zu hören oder zu sehen. Das Zirpen der Grillen und das Summen und Brummen der Bienen war bereits verstummt. Es war einfach gespensterhaft still. Remus hatte nun den See erreicht. Die Wasseroberfläche war nahezu glatt. Der leichte Wind brachte sie immer wieder in gleichmäßigem Rhythmus zum Erzittern. In der Ferne verschmolzen die Wellen zu einer schwarzen Einheit. Der Gryffindor seufzte leise. Es war einfach herrlich. Diese Geräusche beruhigten ihn ungemein. Sie waren nichts im Vergleich zu dem Gelächter und Getöse oben im Schloss. Hier fühlte er sich wohl. Er schätzte die ruhigen Minuten, von denen man häufig nicht genug hatte. Er kostete jede einzelne Sekunde voll aus.

Plötzlich wurde die Stille von einem leisen Rascheln unterbrochen. Der Erstklässler sah sich um. War ihm jemand gefolgt? Doch weit und breit konnte er niemanden sehen. Kein wehender Umhang und auch keine verräterischen Schatten. Hatte er sich getäuscht? Spielten ihm seine Sinne einen Streich? Er lauschte angestrengt und musste feststellen, dass er es sich nicht eingebildet hatte. Er war nicht allein. Zwar war das Rascheln verstummt, doch hörte er dafür ein leises Schluchzen. Zumindest nahm er an, dass es eines war. Es klang seltsam - hoch und verzerrt. Sein Körper setzte sich von selbst in Bewegung und ging in die Richtung, aus welcher das Wimmern kam. Seine Schritte verlangsamten sich, als er in kurzer Entfernung eine Gestalt am Boden kauern sah. Das Mondlicht schien auf sie herab, doch sie warf keinen Schatten. Die silbernen Strahlen sickerten durch sie hindurch und trafen das Erdreich.

,Ein Gespenst', dachte Remus und hielt schließlich inne.

Es war ein kleines Mädchen mit langem wehenden Haar. Sie war so durchsichtig, wie die Hausgeister Hogwarts, doch ihre Erscheinung schimmerte leicht bläulich. Sie war fast noch ein Kind. In ihren Augen glitzerten weiß-silberne Tränen. Sie wirkte verängstigt und ein wenig niedergeschlagen. Langsam ging er wieder auf sie zu, doch sie schien keine Notiz von ihm zu nehmen, bis er sie schließlich ansprach.

"Was hast du? Wieso weinst du?"

Seine Stimme klang leise und hatte einen samtigen Unterton. Das Mädchen hob ihren Kopf und sah zu dem Schüler auf.

"Wer bist du?", fragte sie leicht interessiert, doch zitterte ihre Stimme dabei leicht.

"Mein Name ist Remus", erwiderte er lächelnd. "Und wie heißt du?"

"Elena", lautete die einsilbige Antwort.

Der Braunschopf trat neben sie und ließ sich zu ihr ins Gras sinken.

"Wieso weinst du, Elena?"

Das Mädchen, welchen ihn gerade so neugierig gemustert hatte, wurde mit einem Schlag von ihren Sorgen eingeholt. Sie wandte sich ab und starrte auf den See hinaus.

"Sie sind so gemein zu mir", murmelte sie und unterdrückte ein Schluchzen. "Immer ärgern sie mich."

"Wer ärgert dich?", wollte er wissen und sah das Geschöpf neben ihr leicht besorgt, leicht wissbegierig an.

Wovor konnte ein Gespenst schon große Angst haben? Immerhin war es doch tot. Gut, irgendwelche Schüler konnten sie sicherlich zur Weisglut treiben, aber er hatte das Mädchen noch nie im Schloss gesehen. Somit war die Wahrscheinlichkeit gering das einige Jungzauberer und -hexen die Übeltäter waren. Vielleicht ein paar Kobolde? Mit denen hatte man auch oft seine liebe Not.

"Meine Geschwister", flüsterte sie.

Hatte er da gerade richtig gehört? Geschwister? Wie konnte das sein? War hier vielleicht ein Unglück geschehen, sodass mehrere Kinder oder gar eine ganze Familie ihr Leben hatte lassen müssen? Eigentlich war es ausgeschlossen. Es war selten, dass Hexen oder Zauberer als Geister verblieben. Und eine ganze Familie erschien ihm daher als absurd. Er musterte das Gespenst. Sie sah so aus, wie die Spukgestalten im Schloss. Aber gehörte sie wirklich zu ihnen?

"Deine Geschwister?", fragte er nach einer halben Ewigkeit.

Das kleine Mädchen nickte leicht.

"Sie sagen, dass es meine Schuld ist. Wäre ich nicht so leichtsinnig gewesen, dann wäre das alles nie geschehen. Seit wir hier sind sticheln sie jeden Tag darin herum und lassen mich nicht zufrieden."

"Seit ihr hier seid? Wart ihr vorher wo anders?"

Als Antwort erhielt er lediglich ein weiteres schwaches Nicken. Anscheinend wollte sie ihm nicht allzu viel erzählen. Verständlich. Er war ein Fremder für sie. Doch je länger er bei ihr saß, desto mehr interessierte es ihn, was mit dieser Gestalt geschehen war.

"Und was ist deine Schuld? Sagst du es mir?"

Er war nicht sehr zuversichtlich, dass sie ihm diesen Gefallen tat. Sie wandte sich ihm wieder zu und sah ihn einen endlos langen Moment schweigend an, bis sie die Lider niederschlug.

"Es ist meine Schuld, dass wir hier sind. Und jeden Tag..."

Sie brach ab, schien sie nicht in der Lage weiterzusprechen. Doch der Spross der Lupins wollte nicht aufgeben.

"Und jeden Tag?"

Ihre Blicke trafen sich erneut. Eine schiere Unendlichkeit verging, in der sie nicht sprachen. Plötzlich begann Remus' Körper schwer zu werden. Es war als betäube ihn etwas. Ging dieses bizarre Gefühl etwa von dem Mädchen aus? Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass sie immer näher kam. Unerklärliche Angst schien in ihm auszubrechen. Am liebsten wäre er aufgesprungen und davongelaufen, doch er konnte nicht. Er war wie gelähmt - seine Kehle wie zugeschnürt. Das Nachtgeschöpf kniete nun vor ihm und beugte sich leicht über ihn. Schrecken erfüllte ihn, als er einen kühlen - nein, eisigen - Luftstrom auf seiner Haut spürte. Dieses Wesen atmete - und das taten Geister normalerweise nicht. Eine durchsichtige Hand legte sich auf seine Wange und streichelte ihn sanft. Die Berührung war nass. Das Wasser lief an ihm hinab und tropfte von seinem Kinn.

"Wer oder was bist du?", keuchte er erschrocken.

Als Antwort erhielt er lediglich ein sanftes und zugleich amüsiertes Lächeln. Die Augen des Mädchens begannen rot zu leuchten. Remus' Herz sank immer tiefer. Was war das? Mit was für einem Geschöpf hatte er es hier zu tun. Doch mit einem Mal wich das Leuchten aus ihren Augen und die Kreatur hatte ihn losgelassen.

"Entschuldige. Ich..."

Sie stotterte und sah ihn ein wenig aufgelöst an, während sie aufstand und einige Schritte zurückwich.

"Ich wollte nicht... Es kam über mich... Verzeih..."

Der Gryffindor konnte es noch immer nicht glauben. Was ging in diesem Wesen vor? Spielte es seine Spielchen mit ihm? Er schloss seine Augen und atmete tief durch, um sich ein wenig zu beruhigen. Als er seine Lider wieder aufschlug war er allein. Verwirrt sah er sich um. Wo war sie? Wie konnte sie nur so schnell verschwinden? Oder hatte er sich das alles nur eingebildet. Mit seiner Hand fuhr er über seine Wange. Sie war nass und eiskalt.

"Was war das?", wisperte er, verharrte jedoch weiter auf dem Boden.

Nach einiger Zeit ließ er sich auf den Rücken fallen und stöhnte leise. Was war das nur für ein merkwürdiger Tag? Sein Geburtstag... Das seltsame Mädchen beschäftigte ihn noch eine geraume Zeit, doch irgendwann schob er diese Gedanken beiseite. Das Gespenst - oder was immer es auch gewesen war - war verschwunden. Und so schnell würde es auch sicherlich nicht wieder auftauchen. Gedankenverloren starrte er in den Himmel. Die Sterne und der Mond funkelten ihm noch immer verheißungsvoll entgegen. Es war einfach herrlich. Wie lange hatte er nicht mehr einfach nur so dagelegen und das Firmament begutachtet. Als er noch zuhause gewesen war, hatte er das oft getan. Doch in Hogwarts gab es noch immer die Ausgangssperre. Somit wurde die nächtliche Müßiggängerei erschwert, wollte man sich keine Strafarbeiten oder einen Punktabzug einhandeln. Novis war ihm dabei sicherlich nur allzu gern behilflich. Remus lächelte bitter. Dieser Lehrer war eine einzige Pest. Die Wochen, die er als Schüler für alles bei diesem Widerling verbracht hatte, waren die Hölle gewesen. Er konnte getrost auf eine weitere solche Lektion verzichten. Er wollte seinen Mentor nicht öfters zu Gesicht bekommen, als unbedingt nötig. Wenn er ihn sah, dann ging es ihm wie den meisten anderen Schülern, die nicht dem Hause Slytherin - waren dies die Günstlinge des Pädagogen - entstammten. Ein Übelkeit erregendes Gefühl erfüllt ihn, welches einiges an Kraft kostete, um es niederzukämpfen.

Langsam begann die Kälte der Wiese sich durch seine Kleidung zu fressen. Eine Gänsehaut überzog ihn. Wie lang er wohl schon hier lag? Eigentlich hatte er Sirius und den anderen gesagt, dass er nur kurz nach draußen gehen würde. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Seine Augen blitzten. In weniger als einer viertel Stunde war Mitternacht erreicht. Er musste nun schon fast zwei Stunden draußen sein. Allmählich wurde es wirklich Zeit zurückzugehen, wenn er nicht wollte, dass die anderen sich wegen ihm Sorgen machten. Er kämpfte sich auf die Beine. Sein Körper hatte sich - während er dort gelegen hatte - ziemlich versteift und machte sich nun schmerzlich bemerkbar. Leise stöhnend streckte er sich. Es knackte leise. Er stieß die Luft gedehnt aus und endete schließlich in einem zufriedenen Seufzen, als er sich wieder entspannter fühlte. Er schlang seinen Mantel um sich und setzte sich langsam in Bewegung. Sein Blick glitt nochmals über den dunklen See. Seine Gedanken glitten abermals zu dem kleinen Mädchen zurück. Wer war sie? Und was hatten ihre Worte für eine Bedeutung gehabt? Für ihn blieb sie ein Rätsel.

"Elena", murmelte er leise.

Dieser Name sagte ihm nichts. Ob die Bücherei etwas über sie hergab? Er bezweifelte es stark. Er riss seinen Blick vom schwarzen Gewässer ab und ging weiter. Schon nach kurzer Zeit erreichte er die Steintreppe, welche zum Schloss hinaufführte. Soweit er von hier unten aus erkennen konnte, war die Große Halle noch immer voll erleuchtet. Anscheinend feierte man ohne Unterbrechung. Er lächelte. Sicherlich saßen auch Sirius und James noch immer am Haustisch. Den beiden traute er viel zu. Und Peter? Nun, dieser - so konnte er es sich sehr gut vorstellen - schließ bereiz oder leistete den beiden Schwarzhaarigen Gesellschaft, wobei er gegen die Müdigkeit ankämpfte. Der kleine Blondschopf war zuhause sichtlich verhätschelt wurden. Manchmal - so hatte Remus bereits in den ersten Wochen feststellen müssen - konnte der Freund recht nervenaufreibend sein, doch wenn man ihn näher kennen lernte, dann lernte man damit umzugehen. Ob der junge Black es jedoch schaffen würde mit Peter auf einen grünen Zweig zu kommen - war sein Geduldsfaden bei dem etwas dicklichen Gryffindor ziemlich kurz und häufig zum Zerreißen gespannt - das wusste der Brünette keineswegs zu sagen. Vielleicht gelang es ihm, vielleicht würde er auch irgendwann so nervlich ruiniert sein, dass er Peter die erstbesten Flüche an den Hals hexte, die ihm einfielen. Und das konnten sehr viele sein.

Er ließ die steinerne Treppe hinter sich und überquerte den Innenhof des Schlosses. Wenige Minuten später erreichte er das große Eichenportal. Diesmal gelang es ihm auf Anhieb die Tür zu öffnen, hatte er sich auf ihr Gewicht eingestellt. Mit einem dumpfen Laut schlug sie hinter ihm zu. In der Eingangshalle herrschte Gähnende Leere. Aus der angrenzenden Großen Halle strömte ihm heiteres Stimmengewirr entgegen. Ja, es schienen noch einige Schüler wach zu sein. Er wandte sich nach rechts und wollte sich gerade auf den Weg zum Saal begeben, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr nahm. Ein Schatten huschte an ihm vorbei. Verwirrt wandte er sich um, doch da war die dunkle Gestalt auch schon wieder verschwunden. Er war ein wenig ratlos. Hatte er sich das jetzt nur eingebildet oder war da gerade wirklich jemand gewesen. Vielleicht hatte er sich auch getäuscht, brannten hier schließlich keine Kerzen. Vermutlich spielte ihm sein Geist aufgrund der Geschehnisse am See Streiche. Ja, so musste es sein. Dennoch stand er einige weitere Augenblicke stumm da, wollte ein Teil in ihm dieser Idee nicht ganz Glauben schenken. Als er sich gerade entschlossen hatte die Sache auf sich beruhen zu lassen und nachzusehen, ob sich die anderen drei Gryffindors noch in der Halle befanden, wurde ein markerschütternder Schrei laut. Er kam aus der selben Richtung, in welche der Schatten verschwunden war.

"Also war das doch keine Einbildung", murmelte er.

Er zog den Zauberstab, wollte er auf alle Fälle sicher gehen. Seine Schritte führten ihn an der Marmortreppe vorbei, hin zu den Stufen, die unten im Kerker ihr Ende fanden. Er zögerte. Sollte er dort wirklich hinunter gehen? Vielleicht war es ratsamer einen Lehrer zu verständigen. Seine Meinung wurde jedoch schlagartig geändert, als ein weiterer spitzer Schrei ertönte. Nein, es war keine Zeit um jemanden zu holen. Diejenige - die Stimme war eindeutig weiblich - die dort unten in der Tiefe schrie, brauchte Hilfe - und das so schnell wie möglich. Er schob seine letzte Zurückhaltung beiseite und begab sich in die Kellergewölbe.

Hier unten hatte eine klirrende Kälte die Vorherrschaft an sich gezogen. Er hätte schwören können, dass es in den Gängen kälter war, als draußen am See, wo ihn der Wind unbarmherzig gepeitscht hatte. Seine Schritte hallten in den Korridoren wider. Es war seltsam. Zwar waren die Kerker ein einziges Labyrinth, doch - obwohl die Schreie bereits verstummt waren - nichts desto trotz bewegte er sich mit einer Schnelligkeit und Zielsicherheit, dass es einem Angst einjagen konnte. Sein Laufen hatte sich in ein Rennen gewandelt. Er bog um die nächste Ecke und erstarrte. Am anderen Ende des Ganges stand eine dunkle Gestalt. In ihren Armen schien sie etwas zu halten. Durch den schwarzen Umhang und die Dunkelheit war es Remus kaum möglich etwas zu erkennen. Ein leises Wimmern drang an sein Ohr. Wieder beschleunigte er seine Schritte.

"He! Lass das Mädchen sofort los!", rief er.

Die Gestalt zuckte zusammen und sah auf. Der junge Lupin spürte den giftigen Blick, mit dem er bedacht wurde, auch wenn er das Gesicht nicht erkennen konnte. Die Kreatur ließ das Mädchen los und verschwand in der Dunkelheit. Die Schülerin sank stöhnend zu Boden und blieb dort reglos liegen. Der Braunschopf beschleunigte seinen Schritt. Ihm war klar, dass er den Missetäter nicht mehr erreichen konnte - und selbst wenn er gekonnt hätte, das Mädchen war wichtiger. Als er bei ihr angekommen war, ließ er sich auf die Knie fallen und drehte sie auf den Rücken. Ihr Haupt bettete er auf seinen Schoß. Er erstarrte, als er sah, wie die Slytherin zugerichtet war. Von ihrem Hals rann jede Menge des roten Lebenssaftes hinab. Er presste seine Hände auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen - doch es gelang ihm nicht. Was hatte dieses Wesen nur mit ihr angestellt? Ein süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase, der ihm die Sinne betäubte. Etwas tief in ihm regte sich. Etwas Altes und Unbändiges - etwas, das regelrecht danach schrie freigelassen zu werden. Sein Kopf begann zu dröhnen. Eine Welle gemischter Gefühle schlug über ihm zusammen. Sein Verstand sagte ihm, er solle sofort Hilfe holen, würde das Mädchen sonst das nächste Sonnenlicht kaum mehr erblicke, doch im Moment begann sein Hirn langsam unter der Flut der Emotionen begraben zu werden. Er kämpfte sowohl gegen die aufsteigende Übelkeit als auch gegen dieses bizarre, bestialische Gefühl in seinem Inneren an, welches ihm allmählich die Kraft zur Konzentration raubten. Ein schwerer, bleierner Schleier schien sich über ihn zu senken. Gleichzeitig keimte eine Angst auf, die nur allzu leicht mit der vom See verglichen werden konnte. Er kannte das Gefühl in ihm. Er wusste was diese Bestie war. Und er wusste was sie wollte - was der Wolf in ihm wollte. Das Tier in ihm leckte bereits nach dem Blut der Slytherin - nein, es war für ihn keine Slytherin mehr, es war lediglich seine Beute - nicht mehr. Der Geruch des flüssigen Rots machte ihn halb wahnsinnig. Das Stechen hinter seiner Stirn wurde ihm unerträglich. Eine seiner Hände legte er auf seinen Mund, musste er die aufsteigende Übelkeit unterdrücken. Er schloss die Augen und versuchte wieder Herr über sich selbst zu werden.

,Ich muss ihr helfen. Und das schnell.'

Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, wurden schnelle Schritte laut. Er sah auf. Der Flur erhellte sich. Jemand kam schnell näher - Hilfe, Rettung. Einige Figuren bogen um die Ecke und erstarrten, als sie Remus und die Dunkelhaarige sahen. Erst jetzt erkannte der Erstklässler, wen er da in seinen Armen hielt. Es war eines der beiden Mädchen, die er und die anderen drei in ihren Kostümen in der Eingangshalle erschreckt hatten. Entsetzte Schreie und Keuchen schwappten vom anderen Ende des Ganges zu ihm heran.

"Monster!", rief ein Mädchen - ebenfalls eine Slytherin - aufgebracht. "Er ist doch ein Vampir!"

Ein anderes schluchzte.

"Was hat er nur getan?!"

Das Blut in den Adern des Gryffindors gefror augenblicklich. Anscheinend dachten die Neuankömmlinge er sei der Blutsauger, der über seine Fang hergefallen war und es nicht geschafft hatte rechtzeitig zu fliehen. Seine Augen weiteten sich vor Erschrecken, als ihm diese Tatsache bewusst wurde.

"Ich war das nicht!", keuchte er.

"Dein Mund ist blutverschmiert!", fauchte ein älterer Slytherin.

"Aber... aber, ich..."

Ihm fehlten die Worte. Im Moment musste sicherlich alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen sein.

"Macht Platz!", herrschte eine kalte Stimme die Schüler an, welche sofort auseinanderstoben.

Die Professoren bahnten sich ihren Weg zu Remus und der Verletzten - allen voran Novis - blieben jedoch kurz vor ihm stehen.

"Was um Himmels Willen-", stieß McGonagall aus und sah abwechselnd von der Langhaarigen zu ihrem Zögling. "Mr. Lupin! Wie ist das-"

"Das war ich nicht!", unterbrach er sie. "Sie müssen mir glauben, Frau Professor! Ich-"

In diesem Moment trat Dumbledore näher und dem Braunschopf blieben die Worte regelrecht im Halse stecken. Der alte Hexenmeister warf einen kurzen Blick auf das Vampiropfer, bevor er sich rasch an Professor Sprout und Flitwick wandte.

"Bringen Sie sie unverzüglich auf die Krankenstation!", befahl er.

Die beiden Lehrer gaben keine Widerrede. Dem Gryffindor wurde sie schon fast entrissen. Remus blickte den drei Gestalten hinterher. Erst die Stimme des Direktors riss ihn aus den Gedanken.

"Und du kommst mit mir, Remus."

Der Ton, in dem er mit seinem Schützling sprach, duldete keinen Einspruch. Gehorsam stand der Elfjährige auf. Sein gesamter Körper zitterte. Ihm war noch immer schlecht. Sein Blick flimmerte leicht.

"Gehen Sie zurück in ihren Gemeinschaftsraum", ordneten Novis und Redwing fast synchron an.

Sie warfen sich kurze Blicke zu. Die Schülerschar reagierte nicht sofort. Es bedurfte einer weiter Aufforderung, bis sie schließlich - vorher nochmals einen ängstlichen oder hasserfüllten Blick auf Remus werfend - in der Dunkelheit verschwanden.

"Kommen Sie", sagte die Hauslehrerin der Gryffindors zu dem jungen Lupin.

Dumbledore war ihnen bereits einige Schritte voraus. Der Junge nickte und folgte ihr und dem Schulleiter. Das Beben seines Leibes bekam er mehr oder weniger in den Griff. Er nahm jedoch nicht wirklich wahr, wie sie den Weg durch das Schloss zurücklegten, war er zu sehr in Gedanken. Was war da unten nur geschehen? Ein Vampir, der sich in Hogwarts herumtrieb? Wie konnte das sein? Seine Eltern hatten ihm gesagt, dass diese Schule einer der sichersten Orte auf der Welt sei. Wie hatte die Kreatur also ins Schloss kommen können und das arme Mädchen anfallen können? Wieder stieg die Galle in ihm hoch. Und zu allem Überfluss war er auch noch zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Was mussten die anderen nun von ihm denken? So wie sie die beiden vorgefunden hatten, mussten die Schüler zwangsläufig denken, dass er ihr das Blut ausgesaugt hatte. Dass er ein Vampir war. Und das, obwohl er vollkommen unschuldig war. Er war der Verzweiflung nahe. Was sollte er jetzt tun? Oder was konnte er tun? Nichts. Das Einzige, was ihm blieb, war, dass die Slytherin überlebte und sich der ganze Vorfall aufklärte. Kaum hatte er diesen Gedanken beendet, wurde er auch schon in die Realität zurückgerissen, als eine Tür hinter ihm zufiel. Er drehte sich verwirrt um. Professor McGonagall hatte die Eichentür des Büros geschlossen.

"Setz dich, Remus", sagte der Direktor hinter ihm.

Die Stimme war zwar keineswegs rau gewesen, doch er zuckt trotzdem leicht zusammen. Langsam wandte er sich dem alten Zauberer zu.

"Professor, ich bin es wirklich nicht gewesen. Als ich ankam und mich der Vampir gesehen hat, da ist er geflohen. Sie müssen mir glauben", beteuerte er, doch der Direktor schüttelte nur mit dem Kopf und bedeutete ihm Platz zu nehmen.

Der Erstklässler schluckte hart. Seine Kehle war staubtrocken. Zögernd ging er zu dem angebotenen Ledersessel und ließ sich auf diesem nieder.

"Ich weiß, dass du unschuldig bist, Remus", begann der Bärtige mit ruhiger Stimme.

"Sie wissen... Aber wieso haben Sie mich dann...", stotterte der Jüngere, schüttelte jedoch den Kopf und sah seinen Gegenüber an. "Und wissen Sie dann auch, wer dieser Vampir ist? Wer hat das Mädchen angefallen."

"Mir ist es leider nicht möglich dir dieses Frage zu beantworten", erhielt er als bedauernde Antwort. "Mir ist jedoch klar, dass du keine Schuld trägst. Vielleicht hast du heute den Vampir gespielt, aber als Werwolf hast du schon genug zu tun. Meinst du nicht auch?"

Wenn das witzig gewesen sein sollte, dann war es eindeutig der falsche Moment dafür.

"Und das Mädchen? Was ist, wenn sie-"

"Sie wird nicht sterben", beschwichtigte ihn der Zauberer. "Poppy versteht ihr Handwerk. Sei unbesorgt."

Der Schüler wollte etwas erwidern, erhielt jedoch nur ein leichtes Kopfschütteln.

"Mach dir darum bitte keine Gedanken. Lass das meine Bürde sein."

Der Graukopf lächelte milde. Seine Augen funkelten Remus freundlich an.

"Wenn, dann bin ich dir zu großem Dank verpflichtet."

"Dank?", wiederholte der Gryffindor.

Wieso sprach der Professor von Dank? Er wusste nicht, womit er diesen verdient hätte.

"Hättest du die junge Slytherin nicht gefunden", fuhr Dumbledore fort, "dann wäre sie sicherlich nicht so glimpflich davon gekommen."

Glimpflich?! Was verstand sein Gegenüber bitteschön unter glimpflich? Die Dunkelhaarige hatte kaum einen Tropfen Blut mehr im Leibe gehabt. Wie konnte der Schulleiter es dann als glimpflich bezeichnen? Der alte Mann schien eindeutig ein verzerrtes Bild der Realität zu besitzen.

"Hättest du den Vampir nicht vertrieben, dann wäre sie bereits tot gewesen, bevor wir zur Stelle gewesen wäre. Du hast ein Menschenleben gerettet. Also hör bitte auf dir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Wenn, dann solltest du stolz auf dich sein."

Der Brünette wandte seinen Blick ab und starrte auf seine besudelten Hände. Er sollte stolz sein? Worauf? Darauf, dass er beinahe dem Werwolf erlegen wäre und sich über das Mädchen hergemacht hätte? Dass er sich an ihrem Leid gelabt hätte? Dass er unfähig gewesen war diesem verfluchten Monster zu folgen und den Gar auszumachen? Nein. Darauf konnte er nicht stolz sein. Beim besten Willen nicht. Der Hexenmeister schien zu spüren, dass sein Schützling seine Worte anders aufgefasst hatte, als er es beabsichtig hatte. Ein leiser Seufzer stahl sich über seine Lippen.

"Ich glaube es wäre besser, wenn du schlafen gehen würdest. Es war ein ziemlich langer Tag. Ein wenig Schlaf würde dir sicherlich nicht Schaden. Außerdem musst du morgen früh aus den Federn, wenn du Professor Novis nicht verärgern willst."

Der Schüler nickte leicht.

"Ja, Herr Professor."

Dumbledore wandte sich an McGonagall.

"Würdest du ihn noch zum Gemeinschaftsraum begleiten, Minerva?"

"Sicherlich, Albus."

In just diesem Moment klopfte es an der Tür. Die Leiterin des Gryffindorhauses öffnete diese und Professor Redwing und Novis traten ein. Der Rektor schenkte ihnen einen kurzen Blick, bevor er sich wieder an den Schüler wandte.

"Du solltest jetzt gehen. Schlaf gut. - Minerva?"

Diese nickte und wartete darauf, dass ihr Schützling zu ihr kam. Jener stand langsam auf.

"Gute Nacht, Professor Dumbledore", murmelte er und ging auf die Tür zu.

Dabei kam er an den anderen beiden Lehrern vorbei. Redwing musterte ihn besorgt, während Novis ihn abwertend und kühl ansah. Remus fing ihre Blicke nur kurz auf.

"Gute Nacht, Professor Redwing. Professor Novis..."

Seine Stimme klang belegt. Er war noch immer viel zu sehr ihn Gedanken. Die Mentorin lächelte und verabschiedete ihn mit sanfter Stimme. Bei Novis sah das Ganze schon wieder anders aus.

"Nur weil Sie heute einiges durchgemacht haben, werde ich es morgen trotz allem nicht dulden, dass Sie zu spät erscheinen, Mr. Lupin. Sollten Sie zu spät kommen, können Sie mit einem Punktabzug rechnen."

Der Braunschopf bedachte ihm mit einem finsteren Blick, verkniff sich jedoch eine bissige Antwort. Wie er diesen Widerling doch hasste.

"Ja, Herr Professor. Ich merke es mir", erwiderte er lediglich und schloss zu seiner Hauslehrerin auf.

Diese verabschiedete sich mit einem knappen Kopfnicken und verließ mit ihrem Zögling den Raum. Gemeinsam stiegen sie die Wendeltreppe hinab. Der Wasserspeier am unteren Ende sprang zur Seite und gab ihnen den Weg frei. Sie liefen durch die Korridore. Von der heutigen Festtagsstimmung war nichts mehr zu spüren. Die Fackeln an den Wänden waren bereits alle erloschen. Die Hexe musste ihnen den Weg mit ihrem Zauberstab leuchten. Schweigend lief er neben ihr her. Sein Blick wanderte ab und an zur Spitze des Stabes. Das Licht sickerte es dessen Ende hervor und erhellte den Gang auf spärliche Art und Weise. Der Anblick ließ den Jüngeren schläfrig werden. Er riss sich von dieser Szene los, würde er sonst noch beim Laufen einschlafen und sich einfach auf den Flur legen. Keine besonders angenehme Art der Übernachtung. Er sah sich um. Diese Szene kam ihm nur allzu vertraut vor. Es war bereits das zweite Mal, dass er und McGonagall zusammen das Büro des Direktors verließen und zu zweit auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors waren. Wie beim ersten Mal war es finster und die Zeit bereits fortgeschritten. Das Schloss lag in einer trügerischen Stille da. In wenigen Stunden würde dies anders aussehen - das wusste er, war es jeden Tag so. Sobald die Sonne aufgegangen war, regten sich die ersten Schüler und spätestens zur Frühstückszeit war ganz Hogwarts von ihnen erfüllt. Er seufzte leise. Im Moment war ihm das Frühstück eigentlich egal. Der Appetit war ihm nach dem Anblick der jungen Slytherin gründlich vergangen. Das Einzige, was er wollte und dringend benötigte, war eine Mütze voll Schlaf. Mehr bedurfte es nicht. Er beäugte die Hexe neben ihm. Ob es noch öfter vorkommen würde, dass sie ihn des Nachts durch die Korridore führte? Er hoffte es nicht - hieß dies schließlich, dass irgendetwas - bei dem er nicht unbeteiligt gewesen war - geschehen war, was sicherlich nicht gerade positiv sein würde. Er korrigierte sich. Was sicher ganz und gar nicht positiv sein würde. Davon war er felsenfest überzeugt. Ein Besuch bei Dumbledore konnte nie etwas gutes bedeuten. Normalerweise - stellte man nichts an - wurde man ja auch nicht zu ihm zitiert.

Er seufzte leise. Hoffentlich bekamen seine Eltern von der Sache nichts mit. Vor allem seine Mutter würde sich um ihn Sorgen. Wenn sie fast schon in Hysterie verfiel, würde sie vielleicht noch auf die glorreiche Idee kommen ihn wieder von Hogwarts zu nehmen, war es hier ja anscheinend auch nicht mehr sicher. Vermutlich würde sie meinen, dass ihr geliebter Sohn nur bei ihr so sicher wie im Schoß Abrahams sei. Ob er dies jedoch wollte oder nicht, dass stand bei ihr dann nicht zur Debatte. Manchmal hasste Remus die Fürsorge seiner Mutter doch sehr. Er liebte sie - ja - aber das ewige Verhätscheln und die fast schon kranke Behutsamkeit, mit der sie sich um ihn kümmerte, machten es ihm doch recht schwer. Sicher - es ging jedem Kind in seinem Alter so. Noch waren sie längst nicht erwachsen. Sie zählten ja noch nicht einmal zu den Jugendlichen. Es war nur natürlich, dass die Eltern alles dafür taten, dass ihre Sprösslinge glücklich waren und eine angenehme Kindheit verlebten. Es war auch ganz natürlich, dass sie sie liebevoll großzogen und verhätschelten - wollten sie ihre Kleinen so lang wie möglich an sich binden. Wie sagten viele Leute doch? Kinder wachsen so schnell und werden so schnell erwachsen. Das war der Grund, wieso seine Eltern - besonders seine Mutter - so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollten. Er liebte sie wirklich. Allerdings fühlte er sich schon lange nicht mehr als kleines Kind. Seit sie wegen Hogwarts fast täglich zuhause diskutiert hatten, hatte er begonnen seinen eigenen Willen durchsetzen zu wollen - sich von zuhause losreißen zu wollen. Und als er es endlich - wirklich und wahrhaftig - geschafft hatte, war etwas in ihm losgetreten worden. Was genau es gewesen war, vermochte er noch nicht zu sagen. Doch was er wusste: es würde noch lange Zeit rollen. Aus einem losgelösten Kiesel wurde nach und nach ein Steinschlag - eine Steinlawine. Wann diese den Fuß des Berges - und somit den endgültigen Stillstand - erreichen würde, das lag noch im Dunkeln.

Während er wieder einmal in Gedanken versunken war, hatten sie den Weg zum Gemeinschaftsraum in gedehntem Schweigen hinter sich zurückgelegt. Die Professorin blieb vor dem Gemälde der Dame in Rosa stehen.

"Passwort", verlangte das Bild, doch wurde es missachtet.

McGonagall wandte sich zu dem Braunschopf um.

"Gehen Sie bitte unverzüglich ins Bett. Die Ereignisse des heutigen Abends sollten Sie nicht weiter kümmern. Ich kann Professor Dumbledore nur zustimmen. Sorgen Sie sich nicht weiter deswegen. Ihre Sorge würde uns nicht sehr hilfreich sein und ich denke, dass Sie bereits genügend schlaflose Nächte haben."

Remus nickte stumm. Ja, die hatte er in der Tat. Das Dasein als Werwolf war anstrengend genug. Die Hauslehrerin schien sich mit der knappen Antwort zufrieden zu geben.

"Schlafen Sie gut, Mr. Lupin."

Als sich auch Remus von ihr verabschiedet hatte, wandte sie sich um und verließ ihn mit wehendem Umhang. Der Lichtkegel wurde immer kleiner und schließlich blieb der Erstklässler im Dunkeln zurück. Von der Wand her drang ein unzufriedenes Grummeln an sein Ohr.

"Was ist jetzt mit dem Passwort? Willst du rein oder kann ich weiterschlafen?", fragte die fette Dame ein wenig kratzbürstig.

"Äh, ja... Lunatic", murmelte Remus.

Wie auf Kommando schwang das Porträt zur Seite und er konnte durch das Loch in der Wand schlüpfen. Auch im Gemeinschaftsraum herrschten gähnende Leere und Finsternis vor. Sein Blick fiel auf die große Uhr. Es war bereits kurz vor zwei Uhr morgens. Wie war das noch mal? Schlafen? Genügend schlafen? Wie sollte er das? In wenigen Stunden musste er wieder aufstehen. Und zu allem Übel war die erste Stunde, die er hatte, auch noch mit seinem geliebten Novis. Seine Laune stieg von Sekunde zu Sekunde je länger er daran dachte. Eine spannungsgeladene Doppelstunde Zaubertränke, in der er gegen die Müdigkeit ankämpfen durfte, von den anderen wegen des Vorfalles im Kerker schief angesehen, von Severus und Lily vehement ignoriert und von Novis angeschnauzt und schikaniert wurde. Oh ja! Er freute sich schon darauf. Wenn er viel Glück hatte, dann durfte er mit Peter zusammenarbeiten. Peter - dessen stärkstes Fach Zaubertränke war - natürlich nach Verwandlung, Fliegen, Zauberkunst und wie die anderen Fächer noch alle hießen. In Gedanken schalt er sich einen Narren. Wie konnte er nur so schlecht von Peter denken? Peter war sein Freund. Sicherlich war er nicht der beste Schüler, aber so schlecht war er nun auch wieder nicht. Ihm fehlte es einfach an Übung. Mehr war es nicht. Außerdem war er selbst ja auch kein Genie in Zaubertränke. Stöhnend fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar. Er bereute es Augenblicklich, blieben einige kleben. Er hatte ganz vergessen, dass seine Hände voller Blut waren. Inzwischen war es halbwegs eingetrocknet, doch es klebte noch immer höllisch. Ein erneutes Seufzen entrann seiner Kehle. Wieso musste es immer ihn treffen? Wieso wurde er immer in solche Dinge mit reingezogen? Er schüttelte leicht den Kopf. Es wäre besser, wenn er nicht weiter darüber nachdachte. Im Moment war er aufgestachelt und aufgewühlt. Er verrannte sich mit seinen Gedanken. Am besten ging er heiß duschen und anschließend schlafen ohne weiter über die Ereignisse des heutigen - nein, gestrigen Abends zu brüten. Mit schleichenden Schritten durchquerte er den Raum und ging die steinerne Wendeltreppe nach oben. Jeder Schritt, den er tat, fiel ihm schwerer. Er war unendlich müde. Alles in ihm schrie nach Schlaf. Nach Ruhe. Nach Erholung. Er erreichte die Tür zu seinem Schlafsaal und wollte sie aufschieben, hielt jedoch inne. Durch einen Spalt drang fahles Licht aus dem Zimmer. Er lauschte und musste sich nicht besonders anstrengen, um zu hören, was beziehungsweise das dort drin etwas vor sich ging. Füße tapsten über den Boden und immer wieder wurde ein verräterisches "Psst!" laut.

,Was machen die da drin?', fragte er sich verwirrt und überlegte, ob er wirklich reingehen sollte.

"Wo bleibt er nur?", fragte James laut. "Er muss doch bald mal kommen."

Warteten die anderen etwa auf ihn? Aber wieso? Doch ihm blieb nicht genügend Zeit, um weiter darüber nachzudenken, denn just in diesem Moment wurde die Tür geöffnet.

"Ich schau mal nach ihm", sagte Sirius an die anderen gewandt, ohne auf den Weg vor sich zu achten.

Remus wollte einen Schritt zurückweichen, doch zu spät. Der Größere lief direkt in ihn rein. Sie gingen beide ächzend zu Boden. Dem Braunschopf tat alles weh, war er hart auf den Stufen gelandet. Sirius blinzelte ihn verwundert an. Er lag auf dem Jüngeren - womit er weicher gefallen war - und grinste ihn an.

"Ich hab ihn gefunden!", rief er den anderen zu.

Er stand auf und reichte Remus die Hand, doch dieser nahm sie nicht an, sondern stand allein auf. Wieder blitzte in den Augen des Schwarzhaarigen Verwirrung auf. Hatte er was falsch gemacht?

"Entschuldige Remus. Sei nicht sauer. War keine Absicht."

Der angesprochene Gryffindor lächelte nur milde.

"Ich bin nicht sauer."

Sirius fragte sich sicherlich, wieso Remus sich nicht hatte von ihm aufhelfen lassen. Es lag ganz allein daran, dass seine Hände mit dem roten Lebenssaft besudelt waren. Er würde dem Dunkelhaarigen damit nur einen heiden Schreck einjagen. Bei seinem letzten Satz hatte sich das Gesicht des jungen Black erhellt. Er lächelte.

"Komm mit! Schnell!"

Er lief voraus. Der Brünette schmunzelte. Er zog seinen Umhang zu, um die Blutflecken zum größten Teil zu verbergen und folgte. Hinter ihm viel die Tür ins Schloss. Irritiert wandte er sich um. Peter lächelte, war er der kleine Hausgeist gewesen.

"Auf drei!", meinte James.

Diesmal drehte sich Remus zu dem Spross der Potters. Was sollte das Ganze?

"Eins - zwei - drei!"

"Alles Gute zum Geburtstag", gaben die drei Gryffindors synchron von sich.

Jetzt war er vollkommen ratlos. Durcheinander sah er seine Mitbewohner einen nach dem anderen an.

"Woher wisst ihr, dass ich... dass ich heute..."

"Dass du gestern Geburtstag hattest?", fragte Sirius lächelnd und deutete auf die Uhr, um ihm nochmals zu verdeutlichen, dass es bereits weit nach Mitternacht war.

Als Antwort erhielt er ein schwaches Nicken. James grinste.

"Naja, deine und meine Eltern sind ja gut miteinander befreundet. Deswegen war es nicht besonders schwer", erwiderte er schmunzelnd, doch auf seinem Gesicht machte sich etwas Fragendes breit. "Wieso hast du uns nicht gesagt, dass du Geburtstag hast?"

Der Braunschopf zuckte ein wenig unbeholfen mit den Schultern und senkte seinen Blick.

"Ich wollte nicht feiern. Ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen."

"Ja und? Einmal im Jahr geht das schon", meinte Sirius, der ihn noch immer unversonnen ansah.

"Ja, aber..."

Der junge Black lief zu ihm und lächelte. Er ging in die Knie und sah zu ihm auf.

"Nichts aber. Jetzt vergiss deine Vorsätze und feier' gefälligst! Das ist ein Befehl!"

"Ich..."

Er wandte seinen Blick ab. Eigentlich wollte er ja feiern, aber die anderen hatten es sicherlich nicht nur dabei belassen. Wahrscheinlich hatten sie ihm auch noch irgendwelche Geschenke besorgt. Genau genommen war das der ausschlaggebende Faktor gewesen. Wenn sie ihm etwas schenkten, dann war es nur allzu verständlich - allein des Anstandes wegen - wenn er ihnen wiederum auch etwas zurückgab. Aber ob es ihm auch finanziell möglich war? Er fühlte sich unwohl in seiner Haut. Wieso gab es so etwas wie Geburtstage überhaupt? Und wer hatte sich den Brauch ausgedacht, dass man dieser Tage etwas geschenkt bekam? Sicherlich niemand ohne Geld. Vielleicht ein Großvater, der seinen Enkeln eine Freude hatte machen wollen.

"He, Remi. Hör auf so ein Gesicht zu ziehen", meinte Sirius und fasste ihn am Arm. "Jetzt komm... Was hast du denn da gemacht?!"

Er sah geschockt auf die entblößte Hand Remus'. Er schob dessen Umhang beiseite. Auch die Kleidung des Geburtstagskindes war beschmutzt.

"Du bist ja voller Blut. Woher..."

Auch die anderen starrten ihn entsetzt an. In James' Augen blitzte es.

"Ach du warst das! Unten im Kerker. Die anderen haben etwas von Vampir gefaselt. - Du warst da unten, oder?"

"Stimmt das, Remus?", wollte Sirius wissen.

Der Braunschopf machte sich los und wandte sich von den anderen ab.

"Ja, das war ich", erwiderte leise. "Aber... Ich bin unschuldig."

"Was ist da unten genau passiert?", fragte der junge Potter.

Einige Zeit herrschte Stille, bis der Brünette sich schließlich in Bewegung setzte und Richtung Bad ging.

"He, Remus. Jetzt warte doch mal", rief der Schwarzhaarige und lief ihm hinterher.

"Ich geh duschen", sagte dieser nur und verschwand im Nebenzimmer.

Man konnte ein Klicken wahrnehmen. Die Tür war verschlossen. James blieb einen Moment reglos stehen, bevor er sich zu Sirius umwandte und ihn fragend ansah. Dieser zuckte lediglich mit den Schultern.
 

Remus seufzte gequält. Während er auf die Dusche zuging, pellte er sich aus seiner Kleidung und lies diese unbeachtet auf dem Boden liegen. Er drehte das Wasser auf und erschauderte zunächst, als ihm das kühle Nass über die Haut strömte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er sich an die Temperatur gewöhnt hatte und sich langsam entspannen konnte. Er besah seine Hände. Das Wasser vermischte sich mit dem daran haftenden Blut und schwemmte es langsam fort. Zu seinen Füßen bildete sich ein roter Strudel. Sein Blick trübte sich. Er musste unweigerlich an das Slytherinmädchen denken.

,Was für eine Bestie tut einem Menschen so etwas Grausames an?', dachte er betroffen. ,Wie konnte dieser Vampir nur ins Schloss kommen? Papa hat doch gesagt, dass Hogwarts einer der sichersten Orte auf der ganzen Welt sei und niemand so einfach ohne weiteres unbefugt hineingelangen kann. Wie ist er also reingekommen?'

Eine äußerst verzwickte Lage. Wenn er richtig lag, dann musste ihn gezwungener maßen jemand eingelassen haben. Aber wer sollte schon so dumm sein? Oder besser gesagt: wer sollte ein Motiv haben einen Blutsauger einzulassen, der womöglich die Hälfte der Hogwartsbewohner binnen kürzester Zeit ausgesaugt hatte? Ein Schüler? Nicht sehr reell. Die niederträchtigsten von allen befanden sich im Hause Slytherin und einen Schüler aus dem eigenen Hause anfallen? Schwer denkbar. Ein Lehrer? Aber waren die Lehrer nicht dazu da, um ihre Zöglinge zu beschützen? Dumbledore hätte wohl kaum jemanden eingestellt, der es darauf abgesehen hatte, seinen Schäfchen etwas anzutun. Wobei er sich da bei Novis recht unsicher war. Vielleicht hatte er ja doch... Am besten versuchte er dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Ein wenig Detektivarbeit konnte nicht schaden. Für alles musste es eine vernünftige Erklärung geben.

"Naja, mehr oder weniger vernünftig", murmelte er.

Er griff nach dem Shampoo und begann seine Haare zu waschen, waren diese ebenfalls verklebt.

,Es wird schwer werden genaueres herauszubekommen.'

Er seufzte. Im Moment war das Misstrauen seiner Schüler ihm gegenüber geweckt, hatte die anderen ihn mit dem blutüberströmten Mädchen in Armen gesehen. Sie würden ihm mit argwöhnischen Blicken hinterher sehen.

,Hör auf drüber nachzudenken, Remus', ermahnte er sich in Gedanken. ,Was geschehen ist kannst du nicht ändern. Das wird sich alles wieder einrenken. - Hoff ich zumindest...'

Er drehte das Wasser aus, griff sich ein Handtuch und trocknete sich mit eben diesem ab. Schließlich schlang er das Stück Stoff um seine Hüfte und hob seine Klamotten auf. Diese nahm er zu einem Bündel zusammen und steckte sie in den Wäschekorb. Kurz hielt er inne und verfluchte sich. Er hatte keine Sachen zum Umziehen mit rein genommen. Und so wollte er nicht rausgehen. Dann sahen die anderen seinen geschändeten Körper. Sein Blick glitt zu seinem Bademantel.

,Geht nicht. Dann muss ich mich draußen umziehen...'

Nachdem er den Raum ein zweites Mal abgesucht hatte, musste er über seine eigene Vergesslichkeit schmunzeln. Am Morgen hatte er sich hier umgezogen und glücklicherweise seinen Pyjama liegen lassen, in welchen er nun schlüpfte.

"Manchmal hat es doch seine Vorteile sich nicht alles merken zu können."

Er knöpfte den letzten Knopf zu und ging schließlich zur Tür. Mit einem weiteren Klicken schloss er diese auf und öffnete sie. Sirius, James und Peter sahen ihn gespannt an, doch schon nach einem Wimperschlag schlugen Sirius Gesichtszüge um.

"Äh, Remus...", begann er in ungläubigem Ton. "...wieso... hast du deinen Pyjama an? Du willst doch jetzt nicht wirklich schlafen gehen, oder?"

Der Brünette lächelte.

"Naja, ich dachte, dass ich nach der Party zu müde bin um mich noch umzuziehen. Und so kann ich mich dann schließlich gleich ins Bett fallen lassen."

Zunächst erntete er überraschte Blicke, doch bald schon begannen die anderen drei bis über das ganze Gesicht zu grinsen.

"It's showtime", meinte der junge Black feixend.
 

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1.Akt, Kap.XII - Ende

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1.XIII.Süßes Chaos - SPECIAL

Hi Leute.^^

So, eigentlich hatte ich ja gesagt, dass das neue Kap erst Ende April kommen wird, allerdings wurde ich von jemandem überredet *grauwolf anstarr* dass ich eine Szene schreibe, die ich eigentlich ganz gekonnt weglassen wollte. XD Eigentlich hatte ich keine Lust mir einen Kopf darum zu machen was Remus zum Geburtstag bekommt und wie er den mit den anderen Rumtreibern feiert, aber da sie *grauwolf wieder anstarr* unbedingt wissen wollte wie das ganze verläuft, hab ich mir halt den Kopf zerbrochen (extra wegen dir...) und geschrieben. Im Ganzen sind das bei mir jetzt 11 Seiten (+2 Zeilen XD) in Arial geworden und ich hab gegrübelt, ob ich das jetzt mit ins nächste Kap nehme oder ob ich es extra nehme. Ich hab mich für Letzteres entschieden, da es sonst 28 Seiten, sprich über 14000 Wörter, geworden während und das wäre dann doch etwas lang. Außerdem wollte ich euch nicht so lang warten lassen. Wie hast du es so schön bezeichnet, Wölfchen? Ein kleines Special für euch.^^ Ich hoffe euch gefällt dieser Teil, wenn er auch ein wenig kurz geraten ist. Naja, aber dafür, dass ich ihn ja eigentlich gar nicht mit eingeplant hatte... XD

Ach ja! Ach ja! Ach ja! Wichtig. *unruhig hin und her hüpft* Vergebung hab ich ja jetzt auch schon fertig. Also: DIE 100.000 Wörtergrenze wurde (ohne meine Kommentare und mit Überschriften gerechnet) überschritten. XD Außerdem sind das jetzt bei mir über 200 Seiten.^^ *champus aufmach* *jedem einschenk* Ich hoffe, dass es weiter so gut läuft und das ihr weiter reviewt. Vielleicht *schon mal in ecke kriech und kopf einzieh* wenn euch die FF wirklich gut gefällt, könntet ihr vielleicht (nur unter Umständen) eine Empfehlung schreiben? Ich weiß ich bin unverschämt, aber ich würde mich über sehr viel konstruktive Kritik sehr freuen. Über meine Stamm-Leserschaft freue ich mich natürlich sehr.^^ Ein kleines Dankeschön also an euch (Grauwolf [danke für deine Empfehlung und dass du mich immer zum Schreiben antreibst^^], _Tami_, Gaia00, alanna-chan, Shiruy und Alex_w_88; hab ich jemanden vergessen? sagt mir, dass ich niemanden vergessen hab. *heul* wenn doch, dann beschwert euch. XD)
 

Eine kleine Info am Rande, wer sich für den Ablauf der FF interessiert. Schaut euch auf www.hp-lexicon.org die Timeline an und ihr wisst das gröbste. Nach der richte ich mich. Und natürlich nach den Chats, bei denen JKR teilgenommen hat. (AOL, B&N, Scholastic und so) Natürlich gibt es auch noch meine eigenen Hirngespinste. *g* Und davon hab ich genügend.

Ich überlege, ob ich die FF in "Das Leben eines Werwolfes" umtaufe, da ich nicht nur die Schulzeit, sondern auch das danach behandeln werde. Sagt mir bitte ob euch der Titel gefällt oder nicht. Ich mach auch gern ein Voting. XD
 

Für die, die das EDIT in Kap 12 nicht mehr gelesen haben.^^
 

EDIT:

Nur eine kleine Bemerkung noch am Rande. Das ist eine kleine Nachricht für diejenigen, die sich fragen, wann ich endlich mal nett zu Remi sein werde. Ich hab grad so schön am nächsten Kap geschrieben und bin mein Stichwort-Dokument mal durchgegangen und musste feststellen, dass für den kleinen Lupin ungefähr ab Mitte/Ende von Kapitel 14 ("Vergebung") erstmal überwiegend sonnige Zeiten kommen. *seufz* Da muss ich doch noch was tun. *g* Geht doch so nicht. Ein glücklicher Moony? Das lässt mein Sadistenherz nicht zu. ^.- Nya, freut euch schon mal drauf. Jetzt muss ich aber weiterschreiben. *das nur kurz anmerken wollte*
 

Noch etwas zu den letzten Feedbacks:
 

@Shiruy: "Ich find, dass die Charaktere sich teilweise ein kleines bisschen zu erwachsen benehmen, dafür, dass sie erst elf sind"

Ist mir leider auch schon aufgefallen, aber ich bin der Meinung, dass Kinder sich durchaus erwachsen verhalten können. Vor allem, wenn sie in so schwierigen Zeiten leben, wie die Marauders es tun. Außerdem kann ich ihr Verhalten so plötzlich auch nicht mehr ändern, da ich es jetzt erstmal so festgelegt habe. Spaß am Rande ja, aber zu viel kindliche Naivität halte ich für schlecht.^^''' Ich hoffe du verstehst, was ich damit sagen will.
 

@Gaia00: "Aber der arme Remus hat es bei Dir ja echt nicht leicht. Ständig stolpert er in solche Geschichten."

Naja, ich bin halt ein kleiner Sadist. So ist meine Natur. Ich lasse meine Lieblinge leiden. Werdet ihr später auch noch sehen. *eg* Ich denke allerdings, dass das Leben nicht nur aus "Friede-Freude-Eierkuchen" besteht und das solche Schwierigkeiten einen abhärten und stärker machen. Daher kann es für mich nicht genügend Fettnäpfchen und "da-ist-ein-Haken-an-der-Sache" geben.
 

@Grauwolf (jetzt zu dir XD): "Aba hätte es nich gefetzt wenn Remi als Werwolf gegangen wäre XD"

Hab ich am Anfang auch überlegt, allerdings hielt ich es für keine gute Idee, da sonst zu schnell rauskommen würde, dass Remus wirklich ein Werwolf ist. *auf timeline deut* So lang musst du schon noch warten.^^

"Du bist gemein zu Remi V.V Bei dir muss er imma leiden *seufz* Hat er als Werwolf nich schon genug zu leiden"

*auf den comment von gaia und der antwort dazu deut*

"Remus macht sich eindeutig zu viele Gedanken"

Er ist eben jemand, der erst nachdenkt, bevor er handelt. (mehr oder weniger)

"Lunatic?"

= engl. irrsinnig, wahnsinnig; ich fand das Passwort einfach passend. *bg*

@alanna-chan: "Ich bin gespannt, wer Elena ist. Und natürlich wies mit dem Vampir weitergeht. Und auf die Party natürlich auch. Der arme Remus wird am nächsten Tag noch müder sein als er dachte, oder?"

Elena und der Vampir: Das kann ich jetzt leider noch nicht beantworten. Dauert noch.^^

Party und müde: Die Party hast du hier und das "müde" *smile* Ich kann dir nur zustimmen.
 

So, ich denke das sollte jetzt erstmal reichen. *seufz* Jetzt ist mein Geschwafel schon wieder so lang geworden... *drop* In der Kürze liegt die Würze. Also: Viel Spaß beim Lesen.
 

Eure Kazu^^
 

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1.Akt: Kapitel XIII: Süßes Chaos *~*S*~*P*~*E*~*C*~*I*~*A*~*L*~*

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"Setz dich!", sagte James und drückte Remus auf sein Bett. "Als erstes die Geschenke!"

Die drei Jungs kramten jeder in ihren Sachen und kamen kurz darauf zu dem verdutzten Braunschopf zurück.

"Als erstes meins", meinte James, der mit einem riesigen Blumentopf angewankt kam.

Die Pflanze hatte er in Geschenkpapier gehüllt - nicht sehr geschickt, wenn Remus es sich genau überlegte. Er grinste, sah das Objekt ziemlich bizarr aus.

"Interessant. Was ist das?", fragte er.

"Mach es auf. Dann siehst du es."

Der Schwarzhaarige drückte dem jungen Lupin die Pflanze in Händen und atmete erleichtert auf, als er die schwere Last los war. Mit neugierig blitzenden Augen zog er das Papier langsam von dem Gewächs und staunte nicht schlecht, als er sein Geschenk nun näher betrachten konnte. Überall trieben kleine Ranken aus, die im Laufe der Zeit sicherlich bis zum Boden hinabhängen würden. An allen möglichen und auch unmöglichen Stellen wuchsen Knospen, die jedoch noch vollkommen grün waren. Es würde noch lang dauern bis diese erblühen würden.

"Was ist das, James?", fragte er schließlich.

"Ein Vier-Jahreszeiten-Stern."

"Ein was?", fragten Sirius und Peter synchron.

"Ein Vier-Jahreszeiten-Stern", wiederholte der Spross der Potters nochmals grinsend. "Es gibt keine bestimmte Zeit, wann er erblüht. Das kann zu jeder Jahreszeit passieren."

"Ach und deswegen heißt er so?", fragte der andere Schwarzhaarige noch immer irritiert.

"Nein", gab James kopfschüttelnd zurück. "Deswegen nicht. Wenn er blüht, dann spiegeln seine Knospen unterschiedliche Jahreszeiten wieder. Während die eine zum Beispiel wie eine Sonnenblume aussieht, kann eine andere schon wie eine Eisblume aussehen."

"Ist die Pflanze nicht sehr selten? War doch bestimmt teuer", murmelte Remus mit deutlichem Unbehagen in der Stimme.

"Naja, selten ist sie schon, aber teuer war sie nicht. Meine Mutter hat ein paar davon in ihrem Garten und da hab ich sie gefragt, ob sie mir nicht eine gaben kann."

"Ach, wirklich?"

"Ja, jetzt glaub mir doch Remus."

James lachte. Wieso machte sich ihr Jüngster nur solche Gedanken wegen eines Geschenks? Das war wirklich zu niedlich.

"Weißt du, was meine Mutter mir zu dieser Pflanze gesagt hat?"

Als er nur ein schwaches Kopfschütteln erhielt, fuhr er lächelnd fort.

"Sie hat Heilkräfte. Wenn man ihre Frucht isst, dann soll sie sogar Tote lebendig machen."

Sein Grinsen wurde breiter.

"Naja, aber meine Mum übertreibt ganz gerne mal. - Allerdings... Wenn du mal ihren Marmorkuchen probiert hast, dann würdest du dir auch so eine Frucht wünschen, nicht Siri?"

Die beiden lachten und der Sohn der Black nickte bejahend mit dem Kopf.

"Das letzte Mal hab ich gedacht, ich müsste sterben, nachdem ich ein Stück gegessen hatte. Deine Mum ist zwar eine gute Köchin, aber mit Kuchen hat sie es nicht wirklich."

"Tja, kein Mensch ist perfekt, Mr. Black."

"Wie wahr Mr. Potter. Wie wahr."

Sirius wandte sich wieder Remus zu.

"Jetzt aber wieder zu den Geschenken. Hier, meins."

Er nahm dem Brünetten James' Geschenk aus den Händen und gab ihm nun seinerseits sein eigenes Geschenk. Das Gewächs stellte er auf dem Nachttisch des Jüngeren ab. In der Zwischenzeit hatte Remus auch das zweite Geschenk ausgepackt. Es war eine schlichte, aber schicke schwarze Kamera.

"Uh, eine Kamera. Ist dir nichts besseres eingefallen, Sirius?", fragte James spöttisch.

"Das ist keine normale Kamera", gab dieser ein bisschen angesäuert zurück, lächelte dann jedoch Remus an und erklärte weiter. "Mit der kannst du nicht nur normale Bilder machen, du kannst auch Gedanken fotografieren."

"Gedanken fotografieren?", fragte der Nachwuchs der Lupins und runzelte die Stirn.

"Ja, du hast richtig gehört. Wenn du vergessen hast Fotos zu machen, dann musst du dich nur dran erinnern und schon macht das Ding ein Bild. Oder wenn du wissen willst, was ein anderer gerade denkt. Dann gibst du ihm einfach die Kamera und schon hast du ein Bild von dessen Gedanken. Manchmal sind das aber auch nur Sätze. Kommt drauf an, ob derjenige es sich gerade bildlich vorstellt, oder nicht."

"Aber ist das nicht so etwas wie Spionage?"

"Ach Quatsch. Das ist einfach nur damit es ein wenig mehr Spaß gibt."

Er grinste über sein gesamtes Gesicht. Was Sirius sich wieder unter Spaß vorstellte... Das wollte Remus gar nicht wissen.

"So, genug zu deinem Geschenk", meinte James und schob Peter zum Geburtstagskind. "Jetzt das von Klein-Peter."

"Nenn mich nicht Klein-Peter. Das mag ich gar nicht", erwiderte dieser schmollend.

James grinste.

"Okay, wenn du noch ein paar Zentimeter wächst und mindestens so groß wirst wie Remus, dann nenn ich dich Groß-Peter. Aber so lang bleibst du Klein-Peter."

James einen bösen Blick zuwerfend, allerdings nichts weiter dazu sagend ging der Blondschopf nun zum Remus und überreichte ihm lächelnd das Geschenk.

"Alles Gute, Remus."

"Danke, Peter."

Ebenfalls lächelnd nahm er sein Präsent an. Es hatte eine merkwürdige Form, sodass er nicht sofort sagen konnte, was er da in Händen hielt. Auch nachdem er das Geschenkpapier entfernt hatte, war er noch immer ratlos. Er hielt ein unförmiges, silbernes Gebilde mit unzähligen Windungen und Verzierungen in Händen. Hier und da war es mit kleinen Edelsteinen bespickt.

"Was ist das, Peter?", fragte er und sah zu dem Kleineren.

"Naja, das kann ich dir auch nicht so genau sagen", meinte dieser und lächelte entschuldigend. "Als ich mit meiner Mutter in der Winkelgasse einkaufen war, da hab ich mich verlaufen und bin in irgendeiner Nebengasse gelandet. Da waren nur finstere Gestalten. Ich hatte ziemliche Angst. Da war dann plötzlich so ein komischer Kauz, der mir das Ding angedreht hat. Ich hab es ihm abgekauft, weil er sonst wahrscheinlich ziemlich unfreundlich geworden wäre. Da steht auch was drauf, aber ich kann damit nichts anfangen."

Nachdenklich drehte Remus das Gebilde und entdeckte die Schrift. Er las die wenigen Zeilen vor.

"Tod geboren, lebend gestorben, Licht und Dunkel, eins und keins."

Was sollte das bitte bedeuten?

"Ergibt überhaupt keinen Sinn", meinte Sirius. "Peter, was hast du dir da andrehen lassen?"

Doch bevor es zu einem Streit oder ähnlichem kommen konnte, lächelte Remus beschwichtigend.

"Danke Peter. Ich finde dein Geschenk ziemlich interessant. Und so ein kleines Rätsel regt doch auch mal zum Denken an. Und euch beiden muss ich natürlich auch danken. Danke für die Geschenke und danke, dass ihr drei an mich gedacht habt."

"Ist doch selbstverständlich", antworteten die drei synchron.

Sie sahen sich an und lächelten. Auch der Junge der Lupins tat es ihnen gleich.

"Zu einer Geburtstagsfeier", warf Sirius ein, "fehlt aber noch der Kuchen. Oder eine Torte."

"Du willst jetzt noch was essen?", fragte James zweifelnd.

"Du nicht?"

"Naja, eigentlich...", begann James und grinste. "Eigentlich schon."

"Siehst du? Ich wusste es. Und ich weiß auch wo wir einen Kuchen herbekommen. Kommt mit und zieht euch was dickeres an. Wird sonst kalt."

Mit diesen letzten Worten hatte er vor allem Remus gemeint, der sich ja schon umgezogen hatte.

"Wenigstens noch ein Pullover und ein Umhang."

Der Braunschopf nickte und tat was ihm indirekt geheißen. Nach wenigen Augenblicken machten sich die vier auch schon auf den Weg nach unten. Als sie den Gemeinschaftsraum durchquerten, warf Remus einen Blick auf die große Uhr. Drei Uhr morgens. Diese Uhrzeit gefiel ihm ganz und gar nicht. Um Sieben begann das Frühstück und gegen Neun die erste Unterrichtsstunde - Zaubertränke mit Novis. Viel Zeit zum Schlafen blieb also nicht mehr.

,Wenn wir um Acht frühstücken gehen, dann hätten wir jetzt noch fünf Stunden', überlegte er. ,Aber wenn das Ganze jetzt noch länger dauert, dann wesentlich weniger.'

Er seufzte leise. Wie gerädert würde er morgen - nein, heute früh nur sein? Sicherlich sehr. Wahrscheinlich würden es Sirius und James nicht nur bei einem gemütlichen, nächtlichen Kaffeetrinken lassen. Nein, dann wären sie nicht die, die sie waren. Ein weiterer Seufzer folgte. Hoffentlich ging das gut.

Sie kletterten durch das Loch hinter dem Porträt und traten auf den Gang hinaus. Die fette Dame sah stirnrunzelnd zu ihnen hinab.

"Was macht ihr zu so später Stunde noch hier draußen?", fragte sie und erhielt als einheitliche Antwort ein drohendes und zugleich eindringliches "Pssst!"

Sie blies die Luft aus ihren Wangen.

"Na schön", meinte sie gereizt. "Ihr müsst es ja wissen. Euch so spät noch im Schloss herumzutreiben. Eine Schande ist das. Wenn ihr erwischt werdet, dann ist das euer Pech. Zu meiner Zeit hätte es so was nicht gegeben. Also wirklich."

"Jajaja", stöhnte Sirius. "Seien Sie still. Sonst sind Sie dran Schuld, wenn uns jemand findet."

"Also, das ist ja... Du hast eine ganz schön große Klappe für dein Alter. Du-"

"Entschuldigen Sie bitte", mischte sich Remus ein. "Er hat es nicht so gemeint. Wären Sie vielleicht so gütig und wären etwas leiser? Sie müssen ihre Stimme schonen."

"Hm... Ja, du hast recht. Sonst kann ich nicht mehr singen."

Die Dame in rosa lächelte.

"Na schön, aber bleibt nicht zu lange weg, ja?"

Der junge Lupin erwiderte das Lächeln.

"Ja versprochen", gab er als Antwort und schon waren die vier Gryffindors im dunklen Gang verschwunden.

Auf leisen Sohlen schlichen sie durch den siebten Stock. Sirius grummelte leise vor sich hin.

"So eine blöde Kuh. Die hätte noch das ganze Schloss aufgeweckt", wisperte er.

"Ja, aber Remus hat uns ja noch mal gerettet", meinte James in fröhlichem Flüsterton.

Sirius grinste bis über beide Ohren.

"Oh ja. Stimme schonen. Das war wirklich gut. Ich wäre froh, wenn sie nicht mehr singen würde. Das hält ja kein Mensch aus. Wollen wir wetten, dass sie mit ihrem Gesang schon mehrere Tote wieder zum Leben erweckt hat. Kann ich mir sehr gut vorstellen."

Ein einheitliches leises Lachen von vier Stimmen erfüllte den Korridor. Allerdings währte es nicht lang, waren sich die Erstklässler bewusst, dass sie jedes noch so kleine Geräusch verraten konnte.

Nahezu lautlos bewegten sie sich durch Hogwarts. Remus begann sich zu fragen, wie es kam, dass er schon fast so oft nachts durch dieses Bauwerk schlich, wie er es tagsüber durchquerte. Langsam wurde dieser nächtliche Anblick zur Gewohnheitssache. Einen Haken hatte das Ganze jedoch. Bis jetzt war er immer wieder von irgendeinem Lehrer - zumeist Novis - erwischt worden. Ob er es vielleicht diesmal schaffen würde unentdeckt in den Gryffindor-Turm zurückzukommen? Wohl eher nicht. Immerhin schleifte Sirius sie gerade durch das gesamte Schloss. Sie hatten alle sieben Stockwerke hinter sich gelassen und gingen nun die steinerne Marmortreppe hinunter in die Eingangshalle.

"Sirius, wo willst du eigentlich hin?", fragte Remus und sah sich unsicher um, beschlich ihn schon die ganze Zeit ein merkwürdiges Gefühl.

"Wir sind ja gleich da. Warte noch etwas", meinte dieser nur und bog am unteren Treppenabsatz nach links ab und verschwand dort durch eine Tür.

Die anderen folgten ihm. Bis jetzt war Remus noch nie hier entlang gegangen. Eigentlich hatte er einen längeren Korridor oder etwas vergleichbares erwartet, doch stattdessen führte eine weitere Treppe vor ihnen nach unten in die Tiefe. Doch lange musste er nicht warten und schon fanden sie sich in einem breiten Gang wieder, der wie die anderen Hogwartsflure aus massivem Stein bestand. Zwei gravierende Unterschiede gab es allerdings. Während die anderen Teile der Schule bereits in vollkommenem Dunkel lagen, brannten hier an den Wänden, in regelmäßigen Abständen Fackeln. Ungewöhnlich für diese Uhrzeit, wie das Geburtstagskind fand. Zum anderen hingen an den Mauern überwiegend Stillleben - Obstschalen und dergleichen. Porträts gab es kaum.

,Seltsam... Fast nur essbares oder was zum Trinken... Bringt er uns etwa...?'

Langsam begann es ihm zu dämmern, wo Sirius seine drei Freunde hinführte. Eigentlich gab es kaum noch einen Zweifel. Zwar war er selbst noch nicht hier gewesen, aber die Bilder sprachen für sich. Er lächelte. Wie oft der Schwarzhaarige sich wohl schon nachts hier herunter gestohlen hatte?

Sie waren bis zum Ende des Korridors gegangen, als der junge Black schließlich vor einem Gemälde stehen blieb. Bevor einer der anderen Halbwüchsigen etwas sagen konnte, hatte er seinen Zeigefinger ausgestreckt und die grüne Birne in der silbernen Obstschale gekitzelt. Die Frucht begann zu kichern und sich zu winden, bis sie sich schließlich in einen großen grünen Türgriff verwandelte. Sirius drückte ihn hinunter und zog die Tür auf.

"Nach euch."

Die drei Gryffindors gingen voraus. Der Schwarzschopf folgte ihnen und schloss die Tür leise.

Staunend sah sich Remus um. Das Gewölbe, in dem sie sich befanden war riesig. Wenn er die Orientierung nicht verloren hatte, dann befanden sie sich nun genau unter der Großen Halle. Und dieser Raum war ebenso groß wie besagter Saal. An der Wand hingen Töpfe und Pfannen. Hier und da blitzen Messer und andere Gerätschaften auf. Wie auch in der Großen Halle standen hier vier riesige Holztische. Fast schon andächtig ging Remus auf einen dieser zu und nahm Platz. Er sah nach oben zur Decke. Ja, hier ungefähr hatte er zum Abendbrot gesessen.

"Ach so funktioniert das Ganze", murmelte er und nickte leicht.

Zum Abendessen mussten auch diese Tische hier prall gefüllt gewesen sein. Ebenso reichlich, wie diejenigen eine Etage höher. Wahrscheinlich wurden die Teller dann jeweils mit einem Gegenstück ausgetauscht. Einfach, aber raffiniert. Er senkte seinen Blick und nahm plötzlich Bewegungen war. Von hier und da kamen kleine Wesen angelaufen, die die vier Neuankömmlinge zwar zunächst verwundert musterten, sich dann jedoch verbeugten.

"Hauselfen?", fragte der kleine Peter, der neben James stand.

Sirius lächelte und ging auf diese zu.

"Entschuldigt, wenn wir euch geweckt haben. Schlaft einfach weiter und kümmert euch nicht um uns."

"Aber Sir, das geht nicht", begann ein älterer Hauself. "Wenn Sie etwas brauchen, dann bringen wir es Ihnen gern."

Der Dunkelhaarige schüttelte noch immer lächelnd den Kopf.

"Nein, wir kommen allein zurecht. Außerdem war das keine Bitte sondern ein Befehl. Also geht schlafen."

Der Alte nickte und verbeugte sich.

"Wie Ihr wünscht, Sir."

Und schon verschwanden sie wieder.

"Du weißt wie man mit Hauselfen umgeht", meinte James grinsend.

Sirius funkelte ihn an und seufzte leise.

"Wenn du so was wie Kreacher zuhause hast, dann musst du schon wissen wie man mit so etwas fertig wird."

James grinste. Er kannte Kreacher, hatte dieser kleine Bastard ihnen schon öfters Schwierigkeiten bereitet.

"Sag mal, Siri. Hattest du nicht etwas von Kuchen gesagt?"

Der Angesprochene grinste und rieb sich die Hände.

"Also Mädels. Hat schon mal eine von euch einen gebacken?"
 

"Hm, lecker!"

Die vier Erstklässler saßen lachend an einem der Tische und verzehrten ihre selbst geschaffene Kreation.

"Für den ersten Versuch gar nicht so übel", meinte James und verschlang gerade heißhungrig sein viertes Stück.

"Du meinst genial!", warf Sirius ein, der bereits bei seinem fünften war.

Wieder lachten sie. Ja, genial war wohl der passendste Ausdruck. Wenn sich Remus allerdings so im Raum umsah, dann mussten sie das nächste Mal wohl etwas mehr Beherrschung zeigen. Sowohl Tische, Boden als auch Wände waren mit Mehl und Teig zugekleistert. Die Schüsseln waren vollkommen verdreckt und auch einige Eier - nicht nur die Schalen, auch Eigelb und Eiweiß - lagen herum.

"Und wer macht das hier dann sauber?", fragte er und sah sich in der Runde um. "Die Hauselfen haben schon genug zu tun."

James zuckte mit den Schultern.

"Aber dafür sind sie doch da, oder nicht? Außerdem freuen sie sich sicher, wenn sie etwas zu tun haben."

"Ja, aber... machst du dir das nicht ein bisschen zu einfach?"

"Ach, Remus. Jetzt mach dir doch nicht so einen Kopf. Das geht schon in Ordnung."

James aß das letzte Stück des Kuchens und grinste.

"Jetzt aber noch ein bisschen Sport für die Verdauung."

Bevor auch nur einer der Jungs etwas dagegen sagen konnte, war der Spross der Potters aufgesprungen und aus der Küche hinaus gelaufen. Resignierend erhob sich Remus und folgte ihm, wie es auch die anderen beiden taten. Er sah nochmals auf das Chaos, welches sie zurückließen und bedauerte es den Hauselfen so viel Arbeit zurückzulassen. Zuhause hatten sie keine der kleinen Helfer und somit räumte der Brünette seinen Dreck stets selbst weg. Er war es nicht gewohnt einfach alles stehen und liegen zu lassen und darauf zu spekulieren, dass andere ihm hinterher räumten. Bei James sah das anscheinend ganz anders aus.

Der Schwarzhaarige führte sie zurück in die Eingangshalle. Von dort aus ging es jedoch nicht nach oben - im Gegenteil. Leise schob der Schwarzschopf das große Eichenportal auf. Remus blieb stehen und sah ihn fragend an.

"Du willst doch nicht wirklich raus, oder?"

"Wieso nicht?"

"Weißt du wie spät es ist? Wenn uns jemand erwischt, dann-"

"Dann ist es egal, ob er uns im Schloss oder draußen erwischt. Bleib doch mal ganz ruhig, Remus. Das passiert schon nicht. Und jetzt komm."

Recht widerwillig folgte er ihm. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Die Angst erwischt zu werden stieg für ihn von Minute zu Minute. Geduckt und mit schnellen Schritten huschten sie durch die Dunkelheit. Gras raschelte unter ihren Füßen. Nicht lang und James blieb plötzlich stehen. Der Jüngste sah sich um. Sie standen inmitten des eingeschneiten Quidditch-Feldes. Doch nicht nur auf dem Rasen lag eine dichte Schneedecke. Auch die Torstangen und die Zuschauerränge glänzten in einer silbrig weißen Pracht. Remus zog seinen Wintermantel fester zu, kam Wind auf.

"Wartet hier. Ich bin gleich wieder da", meinte James und verschwand im Dunkel.

"Das ist doch jetzt nicht sein Ernst", stöhnte das Geburtstagskind und sah zu Sirius und Peter. "James will doch jetzt nicht wirklich Quidditch spielen?"

"Ich weiß nicht", sagte Sirius gespielt grübelnd. "Wir stehen hier auf einem Quidditch-Feld, James hat etwas von Verdauungssport gesagt, er ist ein totaler Quidditch-Freak und er kommt gerade mit ein paar Besen angerannt. Also ich glaube nicht, dass er Quidditch spielen will. Wie kommst du denn nur da drauf."

Für diesen Kommentar landete ein großer Schneeball in seinem Gesicht.

"He, was soll denn das?", grummelte er und wischte sich das kalte Weiß von Stirn und Wangen.

"Weiß nicht", erwiderte Remus mit einem Schulterzucken und grinste ihn frech an.

Der Nachwuchs der Blacks wollte gerade zu einer Revanche ansetzen, als James auch schon wieder bei ihnen ankam und jedem einen Besen in die Hand drückte.

"Spart euch eure Kräfte für das Match", meinte er feixend.

"Match?", kam es von den anderen wie aus einem Mund.

Nickend beförderte James eine kleine goldene Kugel ans nächtliche Licht. Sofort begannen sich Flügel zu entfalten und wild zu flattern.

"Wo hast du die Sachen her?", fragte Peter interessiert.

"Hab ich mir mal von unserer Mannschaft ausgeliehen. Die schlafen ja sowieso noch."

"Ja, aber bestimmt nicht mehr lang", ließ Sirius verlauten.

"Ja und? Bis zum Training sind wir schon längst wieder weg. Also passt jetzt auf. Ich hab mir folgendes Gedacht. Wir machen ein kleines Wettrennen. Ich lass den Schnatz fliegen und wir geben ihm ein wenig Vorsprung. Auf ein Zeichen fliegen wir alle los. Wer den Schnatz zuerst fängt hat gewonnen. Na, was meint ihr?"

"Ich weiß nicht. Bei dem Wetter?", murmelte der Blondschopf. "Ist das nicht etwas gefährlich?"

Der leichte Wind hatte sich inzwischen in ein starkes Blasen verwandelt. Immer wieder trieben Schneewehen über das Feld.

"Jetzt sei doch nicht so ein Angsthase, Peter", brummte James genervt.

"Er hat doch recht", verteidigte Remus ihn. "Das ist wirklich gefährlich. Außerdem ist Peter kein besonders guter Flieger."

"Dann macht er eben Schiedsrichter", schlug Sirius vor. "Das kann er auch vom Boden oder von der Tretbühne aus machen."

Er lächelte den Kleinsten von ihnen an.

"Was meinst du?"

Als Antwort erhielt er ein zögerliches Nicken und ein leises "Ja". Er wandte sich dem Brünetten zu.

"Du machst aber schon mit. Oder Remus?"

Eine Zeit lang sah der Angesprochene seinen Gegenüber an und haderte mit sich selbst. Sollte er oder sollte er lieber nicht? Eigentlich hatte er nicht vor sich den Hals zu brechen, andererseits liebte er das Fliegen und das, was sie in ihrem Flugunterricht veranstalteten, das war wirklich Kinderkram. Die blauen Augen sahen ihn aufmunternd und zugleich auffordernd an. Sirius würde eine Ablehnung zwar akzeptieren, aber enttäuscht wäre er dann sicherlich doch. Und von ihrem kleinen Wettstreik ließen sich die beiden Dunkelhaarigen nicht abbringen. Wenn Remus nicht mitmachte, dann würden sie eben gegeneinander antreten. Und dann durfte er warten bis sie fertig waren, wobei seine Gliedmaßen nach und nach einfrieren würden.

"Ja, ich mach mit", meinte er schließlich.

Was schadete es schon? Ob er nun auf dem Besen oder am Boden zu einem Eisklotz erstarrte, das war ja wohl einerlei.

"Gut, dann lasst uns anfangen", meinte James grinsend und drückte Peter den Schnatz in die Hand. "Geh auf eine Tretbühne und lass ihn los, okay?"

Der Blondschopf nickte und lief auch schon auf die Gryffindorränge zu. Die anderen drei schwangen sich auf die Besen und flogen sich ein wenig warm. Während es Remus bei ein paar Bodenrunden beließ, mussten die anderen beiden sich natürlich gleich wieder unter Beweis stellen und einige Loopings und Schleifen drehen. Er sah kopfschüttelnd zu ihnen auf und grinste.

"Angeber."
 

Als Peter oben auf der Tretbühne angekommen war, reihten sich die drei in der Luft nebeneinander auf.

"Eigentlich müssen wir das gar nicht machen", sagte James und grinste. "Ich gewinne ja sowieso."

"Nur in deinen Träume", spottete Sirius. "Du wirst meinen Besen nur noch von hinten sehen."

"Ach, werde ich das? Das wollen wir ja mal sehen."

Remus belächelte die ganze Sache nur. Langsam wurden die kleinen Sticheleien auch für ihn zum Alltag, auch wenn er sich selbst noch nicht daran beteiligte. War er allerdings länger mit den beiden zusammen, dann - so war er sich sicher - würde dies früher oder später auch auf ihn abfärben. Ob das so schlecht war, war eine andere Frage. Er grinste.

"Und du, Remi? Sagst ja gar nichts", sagte Sirius, der ebenfalls feixte. "Wieso grinst du so?"

"Naja", begann er schmunzelnd, "vielleicht sieht James dich ja nur noch von hinten, aber dann auch nur, wenn ich den Schnatz schon in Händen halte."

"Unser Geburtstagskind zeigt Zähne", lachte er. "Na dann zeig mal, ob du dich in deiner Beute festbeißen kannst."

Es war für den Nachkömmling der Lupins wie ein sehr fester Schlag in die Magengegend. Mit dieser Assoziation hatte der junge Black ihn sowohl an seine Wolfsnatur als auch an den Vorfall in den Kerkergängen erinnert. Seine Gedanken wanderten schon wieder in besagte Richtung ab, doch um sich zu verrennen blieb ihnen keine Zeit, hatte Peter - nachdem er sich mühevoll und ächzend wieder aufgerichtet hatte, war er auf den Saum seines Umhanges getreten und schlussendlich über seine eigenen Füße gestolpert - gerade auf sich aufmerksam gemacht.

"Es geht los, Jungs", meinte James und ging, wie auch die anderen beiden, in Lauerstellung.

Peter rief ihnen etwas zu, doch durch den Wind verstand man kein einziges Wort. Zwar bemühten sie sich, doch noch nicht einmal Wortfetzen drangen an ihr Ohr. Sie konnten nur sehen, wie der Blondschopf schließlich die Schultern hängen ließ und resignierend mit dem Kopf schüttelte. Er hob den Arm. In seiner Hand blitzte es golden. Er öffnete sie und schon schoss die goldene Kugel davon.

"Auf drei", schlug Sirius vor und seine derzeitigen Rivalen nickten.

"DREI!", riefen er und James synchron, während Remus ihnen verdutzt hinterher sah.

Sauer, sich so einfach austricksen zu lassen flog auch er los. Die anderen beiden hatten schon einen gewaltigen Vorsprung. Den Schnatz sah er in dem dichten Schneetreiben schon gar nicht mehr. Als die Dunkelhaarigen einen Bogen flogen, beschloss er einfach abzukürzen, würde er so vielleicht ein wenig aufholen. Plötzlich sah er ein Glitzern zwischen den tanzenden Schneeflocken, dass schnell auf ihn zukam. Er runzelte die Stirn. Das sah nicht gerade wie ein Schnatz aus. Im allerletzten Moment konnte er sich noch ducken und entging dem bläulichen Strahl, der knisternd über ihn hinweg schoss, gefolgt von dem gesuchten goldenen Objekt. James und Sirius flogen in rasantem Tempo auf ihn zu. Letzterer hielt seinen Zauberstab in Händen.

"Wolltest du mich abschießen oder was sollte das?", rief er ihm sauer zu.

"War keine Absicht", erwiderte Sirius und schoss auch schon an ihm vorbei, dicht gefolgt von James.

Remus grummelte etwas vor sich hin. Keine Absicht also. Anscheinend hatten James und Sirius die Spielregeln ein wenig abgeändert. Aber was die beiden konnten, das konnte er schon lange. Und er würde sich allerdings an die Spielregeln halten. Wenn nicht, dann wäre er ja nicht mehr Remus. Zunächst einmal musste etwas gegen diese klirrende Kälte getan werden. Er holte seinen Zauberstab unter seinem Mantel hervor.

"Impervius!"

Remus spürte, wie es ihm gleich besser ging. Eigentlich war der Zauber nur dazu gedacht Wasser ab zu weisen, aber mit Schnee schien es ebenfalls zu funktionieren. Er lächelte. Endlich spürte er diese klirrende Kälte nicht mehr ganz so stark.

"Und jetzt noch etwas gegen diesen lahmen Besen."

Mit seinem Stab tippte er leicht gegen den Feger.

"Rapidus!"

Das Fluggerät zwischen seinen Beinen leuchtete kurz auf, bevor es auch schon leicht zu bocken begann und schließlich davon schoss. Der Erstklässler hielt sich mit aller Macht an dem Besenstil fest. Lange hatte er diesen Spruch nicht mehr genutzt und war somit vollkommen aus der Übung. Er hatte vergessen wie schnell so ein Besen doch nach diesem Spruch werden konnte. Und dieser legte ein wirklich rasantes Tempo vor.

Remus ließ seinen Zauberstab wieder unter seinem Mantel verschwinden. Im Moment konnte brauchte er beide Hände, um sich festzuhalten. Immer wieder schlugen Windböen gegen ihn, sodass er ins Wanken geriet und sich regelrecht am Besenstil festklammern musste. Mit wachsamen Auge hielt er sowohl nach den Jungs und dem Schnatz als auch nach umher fliegenden Zaubersprüchen Ausschau. Er nahm ein Funkeln aus den Augenwinkeln war, als auch schon der geflügelte, goldene Ball an ihnen vorbeischoss. Ohne weiteres Zögern nahm er die Verfolgung auf. Hinter ihm hörte er James und Sirius rufen, die anscheinend nicht damit gerechnet hatten, dass sich der Jüngste so schnell an die Spitze setzte. Plötzlich schlug der Goldene Schnatz wie ein Hase auf der Flucht einen Haken nach links. Remus legte sich so scharf in die Kurve, dass er fast augenblicklich eine Hundertachtziggradwendung hingelegt hätte. Allerdings nur fast. Er jagte der begehrten Kugel hinterher, während er hinter sich noch immer seine beiden Freunde hören konnte, die sich anscheinend schwer taten in einer engen Kurve zu wenden. Ein Blick zurück bestätigte seine Vermutung und ließ ihn grinsen. Der gute Sirius schoss noch einige Meter gerade aus, hatte er die abrupte Richtungsänderung nicht so schnell mitbekommen, während James in einem ausladenden Bogen auf ihn zuhielt. Sicher, die anderen stellten keine Gefahr mehr für ihn dar, wandte er sich wieder nach vorn. Seine Augen weiteten sich, als er die Fassade der Tretbühne genau vor sich sah. Er riss den Besenstil nach oben, in der Hoffnung nicht gegen die Holzwand zu prallen. Im Steilflug ging es nach oben. Er stöhnte leise auf, als er mit Knien und Ellenbogen über die Verkleidung schrammte. Einen sicheren Abstand einhaltend sah er sich nach dem Schnatz um. Dieser war wieder verschwunden, doch wo konnte er nur sein? Remus' Blick wanderte umher, als er die beiden anderen Gryffindors sah, die im Gegensatz zu ihm nach unten flogen.

"Oh, verdammt. Genau in die falsche Richtung."

Er schlug einen Looping und setzte zu einem Sturzflug an. Der Wind schnitt sich regelrecht in seine Kleidung, doch die Distanz zwischen ihm und den Gegenspielern nahm deutlich ab. Wenige Wimpernschläge später hatte er sie auch schon eingeholt. Sie warfen sich gegenseitig kurz Blicke zu, die verrieten, dass keiner von ihnen aufgeben würde. Mit brennendem Tempo schossen sie auf das Erdreich zu, doch keiner dachte daran aufzugeben. Wie im Chor streckten sie ihre Hände nach dem gesuchten Objekt aus. Sie kamen ihm immer näher und schlossen schließlich ihre Hände um ihn - ebenfalls synchron. Vollkommen zeitgleich fingen sie ihren Sturz ab und flogen dicht über den Rasen. Verwundert sahen sie sich an. Zunächst ein Grinsen, doch dann konnten sie sich das Lachen einfach nicht mehr verkneifen. Alle drei hatten sie die Hände um den Schnatz geschlossen und hielten ihn fest. Sie landeten, während Peter auch schon auf sie zugelaufen kam.

"Ich glaub das nicht", meinte James. "Das war vollkommen synchron."

"Und? Wer hat gewonnen?", fragte der Blondschopf und beäugte die drei interessiert.

Die Erstklässler sahen auf ihre Hände.

"Ganz synchron war das wohl doch nicht", ließ Sirius etwas bitter, jedoch lächelnd verlauten, als er losließ, hatte er als Letzter die Hand geschlossen.

"Ja, stimmt... Leider", bejahte James, der ein wenig ungläubig auf das Ergebnis sah.

Remus hatte es doch tatsächlich geschafft. Remus hatte ihn - James Potter - tatsächlich im Quidditch geschlagen. Seufzend ließ auch er los und sah den Gewinner an. Der junge Lupin sah ihn schon fast entschuldigend an, sodass er nicht anders konnte als zu grinsen. Er nahm ihn in den Arm und zerzauste sein braunes Haar.

"Remi hat mich doch wirklich geschlagen", lachte er.

Der Brünette wandt sich im Griff des Älteren.

"James. Lass los!"

Dieser grinste nur sadistisch.

"Wieso sollte ich? Du hast mich in die Knie gezwungen. Denkst du das lass ich mir so einfach gefallen? Nein. Das tu ich nicht. Und weißt du, was das für Konsequenzen für dich hat?"

Remus schluckte. Konsequenzen? Wenn er an James dachte, dann konnte er sich sehr viele Dinge vorstellen, auf die der Schwarzhaarige kommen konnte. Doch bevor er länger darüber nachdenken konnte, wurde er auch schon in den Schnee gedrückt. Zu seinem Leidwesen hatted er Impervius-Zauber bereits seine Wirkung verloren, sodass er die ganze brutale Stärke der Kälte spüren konnte. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Mit aller Macht drängte er James von sich und stieß ihn nun seinerseits in den Schnee. Dieser riss dabei Sirius und Peter mit zu Boden. Zwischen den vier Gryffindors entbrannte eine heiße Schneeballschlacht, die den Frost und die Nacht aus ihren Gemütern bannte.

Sie hätten wohl noch einige Zeit lang so weiter gemacht, hätte sie nicht ein dezentes Husten zur Räson gebracht. Sie erstarrten in ihrer Bewegung und ließen ihre Blicke in die Richtung wandern, aus der das markante Geräusch gekommen war. Keine fünf Meter von ihnen entfernt standen zwei dunkle Gestalten, die im Schneetreiben wie zwei schwarze Schatten wirkten. Mit einem leisen Knirschen kamen sie näher. Die schmaler und kleinere Person der beiden entpuppte sich als Professor Redwing. Die zweite war ihr Begleiter, der am vergangenen Abend neben ihr am Lehrertisch gesessen hatte.

"Professor Redwing", murmelten die vier in ungläubigem Ton.

Die Angesprochene sah auf ihre Schützlinge hinab. Sie sah keinesfalls sauer aus. Im Gegenteil. Sie lächelte.

"Was macht ihr denn zu so früher Stunde hier draußen?"

"Früh?", fragte Sirius verwirrt. "Wieso früh?"

"Nun ja", meinte die Lehrerin lächelnd, "Fünf Uhr ist meines Erachtens nach früh. Nicht? Natürlich könnte man es auch als sehr, sehr spät bezeichnen."

Die Jungen sahen sich an. Das es schon so spät war hatten sie nicht gedacht.

"Ihr habt mir meine Frage noch nicht beantwortet", stellte sie fest.

"Oh, Verzeihung", sagte Remus schnell und stand auf. "Wir konnten nicht schlafen und da es bald Frühstück gibt haben wir uns gedacht, dass wir uns auch bis dahin etwas die Zeit vertreiben könnten."

"Mit einer Schneeballschlacht?"

"Ähm, nein, Professor. Eigentlich haben wir Quidditch gespielt. Aber..."

"Das war die Siegertaufe", warf James frech ein und grinste.

Die Erzieherin lächelte.

"Verstehe. Nun, ich will eure Stimmung nicht trüben, aber ich halte es für besser, wenn ihr in euren Gemeinschaftsraum geht. Hier draußen ist es doch ein wenig frisch und ich denke es ist nicht gerade sehr ratsam im Schlafanzug im Schnee herumzulaufen."

Sie bedachte Remus mit einem liebevollen, aber auch besorgtem Blick.

"Außerdem solltet ihr um diese Uhrzeit weder im noch um das Schloss herumstromern. Der Vorfall von gestern Abend ist immer noch nicht geklärt und so lang ist es in Hogwarts nicht wirklich sicher. Wie ihr seht habe selbst ich mir eine starke Begleitung mitgenommen."

Sie schmunzelte zu dem Mann zu ihrer Rechten. Dieser zeigte jedoch keine Gefühlsregung. Er bedachte die Jungs mit kalten Blicken, welche sie schaudern ließen. Remus runzelte die Stirn. Was war das nur für ein komischer Kauz? Vom Auftreten her, hätte er ihn glatt für eine ältere Ausgabe Severus' halten können. Er sah ebenso unnahbar aus, wie der Slytherin. Ob das ganze jedoch nur Maskerade war, wusste er in diesem Moment nicht zu sagen.

"Wenn ich vorstellen darf", sagte Professor Redwing, als sie Remus' neugierige Blicke auffing, "Mr. Redwing - bevor ihr noch irgendwelche Mutmaßungen anstellt."

Sie lachte.

"Jetzt tut mir aber bitte einen Gefallen und geht schlafen Jungs. Ihr seht wirklich sehr müde aus. Wenn ich richtig informiert bin, dann habt ihr doch nachher mit Professor Novis, nicht? Er wird sicherlich nicht sehr erfreut sein, wenn ihr ihm mitten im Unterricht einschlaft oder zu spät kommt. Hatte er da nicht vorhin etwas gesagt, Remus?"

Der Erstklässler nickte und erinnerte sich an die nicht gerade freundlichen Worte Novis'. Ja, wenn sie zu spät kommen, dann war das Unheil regelrecht vorprogrammiert.

"Gut, dann geht jetzt. Ihr hattet sicher eine anstrengende Nacht hinter euch. Wir werden die Besen zurückbringen, nicht?"

Sie sah zu Mr. Redwing. Dieser gab nur ein unwilliges Brummen von sich.

"Jetzt komm schon, Vlad. Sei nicht so ein Miesepeter. Gute Nacht, Jungs. Wenn ihr das nächste Mal eine Nacht durchmacht, dann tut das lieber an einem Tag, wo ihr dann keine Schule mehr habt."

Sie lächelte ihnen noch hinterher, während ihr Mann bereits die Besen einsammelte. Redwing streckte die Hand nach dem Schnatz, der schon die ganze Zeit über um sie herumgekreist war, aus und fing ihn ein.

Ein wenig verwirrt setzten die Jungs zum Rückweg an. Remus sah mehrfach zurück, bis er schließlich an Tempo zulegte und zu den anderen aufholte. Diese Lehrerin war ein Rätsel für ihn. Sie hatte ihnen die Geschichte mit der Schlaflosigkeit nicht abgekauft. Sie hatte gewusst, dass sie nicht in ihrem Schlafsaal gewesen waren. Aber das war nicht das, was ihn verwirrte. Wenn sie es so genau wusste, wieso ließ sie sie so einfach gehen? Ohne Punktabzug oder ähnlichem? War sie einfach nur nett? Hatte sie gute Laune? Oder wollte sie ihren Zöglingen nach so einer schwierigen und nervenaufreibenden Nacht nicht noch zusätzlichen Kummer bereiten? Wenn er genau darüber nachdachte, dann waren es wohl alle drei Dinge gewesen. Die Professorin war einfach ein von Grund auf guter Mensch. Man spürte es in jeder Unterrichtsstunde wieder. Bis jetzt hatte sie nur gelobt und hier und da ein wenig getadelt. Punktabzug oder vergleichbares hatte sie jedoch noch nie gegeben. Und laut hatte sie bisher auch noch nicht werden müssen. Kein Wunder. Mit ihr kam jeder Schüler gut zurecht. Und wer sollte schon etwas gegen gute Noten sagen? Er lächelte. Wieder einmal war er auf einem seiner nächtlichen Ausflüge von einer Lehrkraft erwischt worden, doch glücklicher Weise war es diesmal nicht Novis gewesen. Vielleicht sollte er ja allmählich eine Strichliste oder anderweitige Statistik darüber führen wie oft er von welchem Mentor aufgegriffen würde. Unter Umständen könnte man eine Disziplin daraus machen. "Fangt den Remus" Er grinste. Nein. "Fangt den Rumtreiber"
 

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1.Akt, Kap. XIII - Ende

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1.XIV.Vergebung

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1.Akt: Kapitel XIV: Vergebung

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Schnelle Schritte hallten in den Kerkergängen wieder. Atem rasselte leise.

"Beeilung!", keuchte einer der Jungs. "Wir kommen zu spät. Er bringt uns um."

"Von wegen umbringen. Er frisst uns mit Haut und Haaren", meinte ein Zweiter.

"Ich bin zu jung zum Sterben", wimmerte ein Dritter.

"Du kannst später jammern, Peter!", rief nun wieder der Zweite.

Remus verkniff sich seinen Kommentar, war er schon so genug außer Atem. Wieso hatte er auch ja zu der Feier gesagt? Wieso hatten sie bis in die Nacht hinein feiern müssen? Warum? Nur wegen ihm hatten sie verschlafen und kamen nun zu spät zum Zaubertrankunterricht. In diesem Moment nahm er sich vor nächstes Jahr seinen Geburtstag ausfallen zu lassen oder die Feier zumindest auf das Wochenende zu legen.

Sie erreichten den Unterrichtsraum für Zaubertränke und betraten diesen nachdem ein unfreundliches "Ja?!" auf das Anklopfen hin gefolgt hatte.

"Ah, wen haben wir denn da?", durchschnitt Novis' Stimme den Raum.

Er musterte seine vier Zöglinge verärgert.

"Pettigrew, Black, Potter und - Lupin."

Remus schluckte schwer, als sein Professor seinen Namen nachdrücklich betonte.

"Mr. Lupin - Hatten Sie mir nicht gestern abend noch versichert, dass Sie heute Morgen pünktlich sein würden?"

"Ich kann das erklären, Herr Professor", gab er kleinlaut wieder.

"Ich will keine Erklärungen, Lupin", fauchte Novis. "Sie sind zu spät. Sie und ihre drei Begleiter. Zehn Punkte Abzug für Gryffindor."

"Zehn?! Aber das können Sie doch nicht-", warf Sirius entsetzt ein, wurde jedoch unterbrochen.

"Ja, zehn, Black. Und zwar für jeden von Ihnen. Und wenn Sie nicht rechnen können. Das macht insgesamt vierzig Punkte Abzug. Wenn Sie noch irgendwelche Einwände haben, dann kann ich auch gern noch ein wenig höher gehen. Wären Ihnen fünfzig oder sechzig lieber?"

"Wieso nicht gleich hundert?!", erwiderte der Schwarzhaarige bissig. "Ist doch eine schöne runde Zahl, nicht?"

"Sirius!", riefen Remus und James synchron, packten ihn mehr oder weniger grob und hielten ihm den Mund zu.

Der Schwarzhaarige zappelte aufgebracht in ihren Armen und versuchte frei zu kommen, doch es nutzte nichts, half Peter schließlich ebenfalls mit den Spross der Blacks ruhig zu halten. Novis lächelte nur amüsiert.

"Sie haben recht, Black. Hundert ist eine wirklich vorzügliche Zahl."

Er wandte sich an die gesamte Klasse.

"Sie haben es gehört. Dank Mr. Black wurden Gryffindor gerade einhundert Hauspunkte abgezogen. Bedanken Sie sich ruhig bei ihm. Aber erst nach der Stunde."

Die versammelten Slytherins lachten schadenfroh, während die anderen Gryffindors synchron stöhnten und den Schwarzhaarigen mit einem "am liebsten würde ich dir jetzt auf der Stelle den Hals umdrehen"-Blick an. Novis wandte sich den Zuspätkommern wieder zu.

"Ich denke, dass Sie sich noch ein wenig nützlich machen sollten. Aus einem Punkteabzug allein lernt man nicht viel. Sie werden mir hier die nächsten zwei Wochen für Ordnung sorgen. Lupin, Sie müssten darin ja genügend Erfahrung gesammelt haben, nicht wahr?"

"Ja, Sir. Ich denke schon", erwiderte er mit ruhiger Stimme, doch Sirius stiller Schmerzensschrei, als Remus' Griff um seinen Arm wesentlich stärker wurde, verriet etwas anderes.

"Gut, dass wir uns so prächtig verstehen", gab der Lehrer ironisch zurück. "Und jetzt setzen Sie sich endlich. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht den ganzen Tag Zeit."
 

"Wie - ich - ihn - hasse!", knurrte Sirius, während er einen vollkommen verdreckten Kessel schrubbte.

"Nicht nur du, Sirius. Nicht nur du", grummelte James, der gerade seine Hände betrachtete.

Diese waren vom Schrubben schon vollkommen wund. Hier und da hatte er kleinere Hautabschürfungen. Seit geschlagenen drei Stunden waren die vier jungen Gryffindors schon hier und gingen ihrer Arbeit nach, die ihnen vom Zaubertranklehrer aufgetragen wurden waren. Dieser hatte sich bereits nach einer halben Stunde in seine Gemächer zurückgezogen und hatte sich bis jetzt nicht wieder blicken lassen.

"Was denkt sich dieser arrogante Fatzke eigentlich?!"

Wütend warf James die Bürste in den Kessel. Es schepperte laut.

"Meine Hände sind schon ganz wund."

"Meine auch", meinte Sirius mit unterdrückter Wut. "Der Kerl behandelt uns wie seine Sklaven."

"Wären wir nicht zu spät gekommen", begann Peter, der die ganze Zeit über nur langsam schrubbte, hatte er nicht vor mit wunden Händen, so wie die beiden Schwarzhaarigen sie hatten, schlafen zu gehen, "dann würden wir hier jetzt nicht herumsitzen. Dann müssten wir nicht diese dummen Kessel sauber machen."

"Hätte, wenn und aber bringen uns jetzt auch nichts mehr", meinte Sirius gereizt.

"Aber ich hab doch recht!", protestierte der Blondschopf. "Und hättest du ihn nicht auch noch angestachelt, dann hätte er es vielleicht bei einer Stunde Nachsitzen belassen. Wie willst du eigentlich die hundert Punkte, die uns abgezogen wurden, wieder gutmachen? Kannst du mir das mal verraten?"

Der junge Pettigrew musste sich bücken, als plötzlich eine Bürste quer durch den Raum flog und ihn nur um ein Haar verfehlte.

"Jetzt bin ich also Schuld, ja?", fauchte Sirius und funkelte Peter zornig an.

Dieser schluckte. Eigentlich war er ja eher sehr zurückhaltend, doch heute war Peter kaum wieder zu erkennen.

"Nur weil du noch kein Abendbrot hattest, brauchst du nicht gleich so patzig sein", fügte der Spross der Blacks hinzu.

"Wie bitte?! Was soll das denn heißen?!", erwiderte Peter ungläubig und sauer zugleich.

Remus, der bis eben ganz in Gedanken war, seufzte schwer, als er den beiden Streithähnen so zuhörte.

"Jetzt regt euch doch nicht so auf", meinte er ruhig. "Wir sind alle daran Schuld. Schließlich haben wir ja alle verschlafen. Außerdem bringen eure Streitereien nichts. Es ist zu spät dafür. Also beruhigt euch wieder und schrubbt weiter."

"Ich denk ja gar nicht dran noch mal irgend so eine Bürste in die Hand zu nehmen. Ich hab keine Lust mehr."

Remus sah Sirius so an, wie es normalerweise ein Erwachsener tat, der sich einem unbelehrbaren Kind gegenüber sah.

"Wenn du es nicht tust, dann sind wir Mitternacht noch nicht fertig. Also entweder machst du weiter oder du kannst dich hier schon mal für die Nacht einrichten."

Ohne ein weiteres Wort fuhr der Brünette mit seiner Arbeit fort und ging seinen Gedanken wieder nach. Auch die anderen beruhigten sich wieder, mussten sie sich eingestehen, dass ihr Jüngster recht behielt. Recht widerwillig fuhren sie fort. Dabei wurde es mucksmäuschenstill, war die Stimmung schon so gereizt genug, wollten sie nicht wieder einen Konflikt heraufbeschwören.

Remus verfiel erneut in seine Träumereien, wenn man es so nennen konnte. Heute war ganz und gar nicht sein Tag. Mit dem Putzdienst konnte er ja leben, aber das Mittagessen und der gesamte restliche Schultag waren eine einzige Hölle für ihn gewesen. Überall hatte man ihn mit misstrauischen, angsterfüllten oder zornigen Blicken gemustert. Hinter seinem Rücken hatten sie alle getuschelt. Immer wieder waren Worte wie "Bestie", "Monster" oder "Blutsauger" gefallen. Er hatte sich sehr beherrschen müssen, um die Kontrolle über seinen Körper und sein Handeln zu behalten. Er war unschuldig. Er war kein Vampir - höchstens ein weiteres Opfer dieses Wesens. Aber wie sollte er das den anderen beweisen? Bis auf James, Sirius und Peter mieden sie ihn alle. Was konnte er also tun, um das ganze Missverständnis aufzuklären? Die Slytherin, die angefallen worden war, befand sich noch immer in der Obhut von Madame Pomfrey - und wie es aussah, würde es auch noch einige Zeit lang so bleiben. Und selbst wenn sie wieder bei Kräften war, konnte er sich noch nicht einmal sicher sein, ob sie seine Weste wieder reinwaschen würde. Immerhin war sie eine Slytherin. Und das Letzte, was ihr sicherlich im Sinn stand, war, einem Gryffindor - einem Halbblut zu helfen. Vielleicht machte sie sich sogar einen Scherz daraus und behauptete zu allem Überfluss auch noch, dass er der Attentäter war. Er seufzte leise.

,Ich sollte mir nicht so viel Gedanken darüber machen. Ich bekomm das schon irgendwie hin... Hoffe ich zumindest.'
 

Die Tage vergingen und der letzte Abend, an dem die vier Gryffindors ihren Dienst bei Professor Novis hatten zubringen müssen, neigte sich dem Ende zu. Je näher sie diesem Tag gekommen waren, umso besser war ihre Laune geworden. Zumindest bei drein von ihnen.

"Sie können Schluss machen", meinte ihr Mentor, der gerade ihre Arbeit begutachtete.

"Na endlich", murmelte Sirius erleichtert.

"Haben Sie gerade eben etwas gesagt, Mr. Black?"

"Nein, Sir", gab dieser Rasch zur Antwort.

Noch mehr Strafarbeiten wollte er sich nun wirklich nicht aufhalsen, war er froh die zwei Wochen endlich hinter sich gebracht zu haben. James grinste seinen Freund nur an, verkniff sich allerdings jeglichen Kommentar.

"Sie können jetzt gehen", meinte Novis an die Jungs gewandt, während er den kleinen Kessel an seinen angestammten Platz zurückstellte. "Ich werde mir überlegen, ob ich mir ihre Dienste demnächst nicht wieder zu nutze mache."

Er lächelte die vier kühl an.

"Als Ausgleich für Ihr nächstes Zuspätkommen. - Gehen Sie."

Das ließen sich die Erstklässler nicht zweimal sagen und schon beim nächsten Wimpernschlag waren sie verschwunden.
 

In gemäßigtem Tempo gingen sie nach oben in die Große Halle. Der Hunger trieb sie dorthin, war es höchste Zeit etwas zu Essen.

"Oh Mann. Endlich sind wir den Giftmischer los. Hätte ich ihn noch eine Sekunde länger ertragen müssen, dann hätte ich mich freiwillig im nächst besten Kessel ertränkt", gab Sirius von sich, während er seine müden Glieder ausgiebig streckte und dabei leise stöhnte. "Mir tut alles weh..."

James gähnte leise.

"Das Einzige, was ich jetzt noch will, ist etwas zu Essen, eine heiße Dusche und mein Bett. Mehr brauch ich nicht um glücklich zu sein."

Peters Magen knurrte bei dem Stichwort "Essen". James grinste.

"Ich glaub du brauchst nur was zu Futtern, hm?"

Der Blondschopf lief rot an.

"Du bist gemein."

"Ne, ich war nur zu lang bei Novis. Färbt halt ab."

Er grinste den Jüngeren an und klopfte ihm leicht auf die Schulter.

"War nicht so gemeint. Und jetzt kommt! Lasst uns was essen. Wenn ich nicht bald was zwischen meine Zähne bekomme, dann sterbe ich."

Lachend betraten die beiden Schwarzhaarigen den Saal. Der junge Pettigrew konnte nur zurückhaltend lächeln, während Remus keinerlei Regung zeigte. Der Braunschopf ließ seinen Blick durch die Halle gleiten. Einige finstere Blicke trafen ihn - verstärkt vom Slytherin-Tisch. Er senkte seinen Blick und ging weiter. Er hörte wieder das Gemurmel hinter seinem Rücken. Eine leichte Gänsehaut überzog seinen gesamten Körper. Wie er es doch hasste. Diese Heimlichtuerei. Wieso sagten sie ihm nicht einfach offen ins Gesicht, was sie dachte - was sie wollten - was er für sie war. Seine schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden. Zwar hatte die Slytherin ihn nicht beschuldigt, dafür war sie von hinten angegriffen worden und hatte ihren Peiniger nicht erkennen können. Zudem hatte er sie schnell in die Bewusstlosigkeit getrieben, sodass sie weder sagen konnte, ob es Mann, Frau, Kind oder Erwachsener gewesen war. Sie tappten somit vollkommen im Dunkeln. Und solang nicht eindeutig klar war, wer sich an ihr vergangen hatte, würde der Nachwuchs der Lupins weiterhin der Verdächtige bleiben. Und so lang würden sie auch weiterhin über ihn reden. Ob nun hinter seinem Rücken oder nicht.

Er ließ sich neben Sirius an ihren Haustisch nieder und griff sich einen feuerroten Apfel, in den er hinein biss.

"Jetzt, da jeder weiß, dass er es war, kann er nur noch in Äpfel beißen", flüsterte eine Hufflepuff am Nachbartisch.

,Ich hör gar nicht drauf', dachte Remus und biss nochmals hinein.

Er nahm seinen Kelch in die Hand und nahm einen Schluck.

"Lecker, Kirschsaft", sagte Peter, der bereits seinen zweiten Becher leerte.

"Ob das für den Blutsauger ausreichend Ersatz ist?", meinte ein anderer Hufflepuff, der Remus verstohlen ansah.

Mit lautem Scheppern stellte der Gryffindor seinen Kelch ab. Sirius und die anderen, sowie die Hufflepuffs und einige andere Schüler, sahen irritiert an.

"Ich geh schon mal nach oben", murmelte der Brünette als Erklärung und stand auf.

"Aber Remus. Du hast doch gar nichts gegessen", widersprach der Schwarzhaarige und musterte ihn noch immer verwirrt.

"Ich hab keinen Hunger. Bis später."

Er lächelte schwach. Noch ehe der Spross der Blacks oder die Anderen etwas sagen konnten, hatte er sich auf den Weg gemacht. Sirius runzelte die Stirn und sah einige Zeit lang zu den großen Flügeltüren des Saals - obgleich Remus schon länger fort war. Am Nebentisch unterhielten sich die Hufflepuff und lachten.

"Klar, dass er keinen Hunger hat. Kirschsaft und Äpfel sind eben nicht das Gleiche."

Das Gelächter verstärkte sich. Sirius beäugte sie misstrauisch. So langsam begann er zu verstehen warum seinem Freund so plötzlich der Appetit vergangen war.

"..."
 

Draußen tobte ein Schneesturm. Es war kaum möglich weiter als drei Meter zu sehen. Die Ländereien um Hogwarts und das Schloss selbst waren in ein monotones Grau bis Schwarz getönt. Hier und da bahnte sich Licht aus der Schule ihren Weg in die dunkle Weite, verlor sich jedoch schon bald im Chaos der dichten Schneeflocken.

Mit ausdrucksloser Miene saß Remus am Fenster und starrte hinaus in das Dunkel. Seine Gedanken stockten. Immer wieder drehten sie sich im Kreis.

,Womit habe ich das verdient? Ich habe niemandem etwas getan.'

Er kauerte sich auf dem Fenstersims zusammen und hüllte sich stärker in die Decke.

,Vampir... Ich bin keiner.'

Ein leises Seufzen entrang seiner Kehle.

,Wenn sie es mir wenigstens ins Gesicht sagen würden. Aber das können sie ja nicht. Sie können ja nur hinter dem Rücken über einen lästern. Von den Slytherins bin ich es ja gewohnt...'

Aber das die gesamte Schülerschaft über ihn sprach - das war neu. Hätte die ganze Sache Hand und Fuß - hätte nur ein klein wenig Wahrheit darin gesteckt, dann hätte er es vielleicht hinnehmen können, aber so... Er war vollkommen unschuldig. Und nun sollte er zur Rechenschaft gezogen werden.

"Das ist nicht fair. Das ist einfach nicht fair."

Es tat weh. Tief in seinem Inneren loderte ein Feuer, dass auszubrechen drohte. Am liebsten hätte er geschrieen - seine Unschuld kund getan. Doch es war niemand da, der ihm glaubte, der es hören konnte - hören wollte. Erst waren es nur Severus und Lily, die sich von ihm abgewandt hatten und nun hatte er die gesamte Schule gegen sich. Er stand allein da. Vollkommen allein. Die Einsamkeit nagte an ihm und ließ seinen Körper beben. Ein leises Schluchzen entrang seiner Kehle. Tränen liefen über seine Wangen hinab. Wie er es doch hasste. Wie er die anderen hasste - und wie er sich selbst hasste. Jetzt zerging er auch noch in Selbstmitleid - wieder einmal. Und das nur, weil er zu feige war den anderen die Wahrheit zu sagen. Sich gegen sie durchzusetzen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Das Einzige, was er konnte, war sich zu einem Häufchen Elend zusammen zu kauern und in einer stillen Ecke vor sich hinzujammern.

Plötzlich spürte er eine Hand, die sich vorsichtig auf seine Schulter legte. Er zuckte erschrocken zusammen und sah auf. Seine verklärten Augen trafen auf ein Paar funkelnder blauschwarzer, in welchem er einen stummen Schmerz und sehr viel Mitgefühl lesen konnte.

"Remus...", hauchte Sirius leise.

Der Angesprochene riss seinen Blick los und starrte aus dem Fenster.

"Was machst du hier, Sirius?", fragte er, wobei er versuchte die Tränen zurückzudrängen.

"Ich hab mir Sorgen gemacht."

"Sorgen?"

Der Brünette sah leicht überrascht und auch verwirrt auf. Der junge Black nickte leicht und sah ihn ernst an.

"Um dich, Remus."

Bei diesen Worten setzte sein Herz für einen winzigen Moment aus. Etwas in ihm wurde losgetreten, sodass neue Tränen über seine Wangen flossen. Er versuchte sie gar nicht erst wegzuwischen, wusste er das es sinnlos war. Zwar war es ihm peinlich, doch der Schwarzhaarige hatte ihn nun schon so gesehen - aufgelöst und verstört - was sollte das Versteckspiel also?

"Um mich?", japste der Kleinere, wobei sich sein Blick in Unglauben wandelte. "Wieso?"

"Wieso fragst du?"

In der Stimme des Älteren klang Belustigung und ein wenig Ironie mit. Doch Remus wusste, dass es nicht so gemeint war. Sirius setzte sich zu dem Jüngeren auf den Fenstersims und zog ihn leicht in seine Arme. Der Andere protestierte stumm, doch er ließ nicht locker. Mit sanfter Gewalt hielt er Remus in seinen Armen. Nach wenigen Augenblicken entspannte sich dieser. Gegenwehr brachte nichts.

"Remus", begann der Spross der Blacks mit sanfter Stimme, "ich habe Augen im Kopf. Denkst du wirklich, dass das, was die da unten mit dir abziehen an mir vorbei geht?"

Hoffte der Gryffindor auf eine Antwort, so wartete er vergebens. Ein leiser Seufzer stahl sich über seine Lippen.

"Ach, Remus... Hör doch einfach nicht auf sie. Sie wissen nicht, was sie sagen."

"Sie sagen...", begann der Schüler leise, "...dass ich...daran Schuld bin, dass das Mädchen angefallen wurde. Dass ich der Vampir bin. Aber... Aber dabei habe ich sie nur gefunden. Wäre ich nicht da gewesen, dann hätte er sie ganz... ganz..."

"Pssst... Schon okay, Remus. Beruhige dich", flüsterte der Schwarzschopf und strich dem Weinenden sanft durch die Haare.

"Nur weil ich... weil ich... nicht in der Halle war... denken sie, dass ich..."

"Beruhige dich. Alles in Ordnung... Wo warst du denn so lang an dem Abend, hm?"

"Spazieren... unten am See. Dabei hab ich die Zeit vergessen und dann, als ich zurück kam, da hab ich... da hat das Mädchen geschrieen und ich hab nachgesehen und..."

"Du hast sie dann gefunden", beendete der Gryffindor den angebrochenen Satz.

Der wie Espenlaub Zitternde nickte nur stumm und murmelte ein leises: "Ich bin unschuldig."

"Ich glaube dir, Remus. Ich glaube dir", beteuerte der Ältere und drückte den Nachwuchs der Lupins fester an sich. "Und James und Peter auch. Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind für dich da. Die anderen reden nur dummes Zeug. Du weißt es doch besser. Also hör einfach nicht drauf. Sie plappern nur das nach, was ihnen jemand erzählt. Die Wahrheit ist ihnen doch egal."

Gedankenverloren strich er dem Braunhaarigen durch das Haar. Remus schluchzte noch immer leise. Wahrscheinlich, so nahm Sirius an, würde sich das so schnell auch nicht ändern. Zwar spielte der Junge in seinen Armen immer den Starken und Erwachsenen, aber im Grunde seines Herzens war er nur ein einfaches Kind - wie auch er selbst - welches man schnell verletzen konnten. Selbst wenn es nur Worte waren. Nein, vor allem wenn es Worte waren.

"Die ganze Schule ist gegen mich", murmelte der Hagere.

"Nein, Remus. Du redest Unsinn. Du-"

"Erst ignoriert mich Severus und dann auch noch Lily. Und jetzt werfen sie mir alle hasserfüllte Blicke zu..."

Der Dunkelhaarige runzelte die Stirn.

"Was hast du da gerade mit Severus gesagt? Er ignoriert dich, oder wie war das?"

Remus zuckte zusammen, als Sirius ihn das fragte. Er konnte das Misstrauen in der Stimme des Älteren regelrecht aus der Luft heraus schmecken.

"Remus?"

Er hatte sich verplappert. Dabei hatte er sich doch vorgenommen vor den anderen nicht über Severus zu sprechen. Sie hassten den Slytherin. Und er - Remus - hatte daher verheimlichen wollen, wie er über den Jungen dachte. War das Gesprächsthema auf den blassen, schmächtigen Knaben gefallen, so hatte er sich dezent heraus gehalten. Und nun passierte ihm so etwas.

"Was ist mit Snape? Jetzt sag schon. Oder soll ich dir alles aus der Nase herausziehen?"

"Sprich nicht in so einem Tonfall von ihm", murmelte der junge Lupin schließlich.

"Wie bitte?!"

Sirius traute seinen Ohren nicht. Was war denn nur mit dem Brünetten passiert? Seit wann nahm er diese Schlange Snape in Schutz?

"Remus, ich versteh dich nicht. Was ist mit dir los?"

"Nichts ist mit mir los..."

Er hob seinen Kopf und sah über seine Schulter hinweg in das Gesicht Sirius'. Vollkommen verwirrte Augen sahen ihn an. Lange konnte er dem Blick nicht standhalten. Remus wandte sich wieder ab und sah aus dem Fenster. Es schneite noch immer heftig und schien kein Ende zu nehmen.

"Severus ist nicht so schlecht, wie ihr denkt..."

Er konnte spüren, wie Sirius bereits die Luft eingesogen hatte und zu einer Antwort ansetzte, doch es kam nichts. Der Schwarzhaarige blieb stumm. Anscheinend hatte er beschlossen den Anderen zunächst ausreden zu lassen - und dafür war ihm Remus unendlich dankbar.

"Du und James, ihr habt mich doch damals gesucht... Im Hogwarts-Express meine ich. Ich hab euch nicht gefunden und da die anderen Abteile alle voll waren, bin ich schlussendlich bei Severus und Lily gelandet."

Er seufzte leise.

"Wir haben uns unterhalten und... glaub mir. Severus ist wirklich kein schlechter Mensch, auch wenn es seine Eltern sein sollten. Oder auch sein gesamtes Umfeld..."

Sirius' Brustkorb bebte leicht, musste er sich das Lachen verkneifen.

"Binde mir bitte keinen Bären auf. Snape ist-"

"Ein guter Mensch", warf Remus energisch ein und stahl sich - die Verblüffung des Anderen ausnutzend - aus der Umarmung.

Er sprang vom Fenstersims, ging einige Schritte in die Decke gehüllt und wandte sich dann wieder seinem Gegenüber zu.

"Vielleicht gibt er sich nach Außen hin ja eiskalt und unnahbar, aber er ist wirklich, WIRKLICH KEIN schlechter Mensch."

Einige Zeit herrschte zwischen den beiden eine unheimliche Stille, in der Remus glaubte sterben zu müssen, wenn Sirius nicht bald etwas sagte, doch schließlich durchbrach der hochgewachsene Gryffindor das Schweigen. Er lächelte.

"Du kennst seine Lebensumstände doch gar nicht. Du täuschst dich in ihm. Weißt du, seine Eltern sind fanatische Schwarzmagier, schlimmer als meine. Sie würden alles dafür geben, um die Halbblüter und Muggelgeborenen zu beseitigen, sodass nur noch Reinblüter existieren. Sie würden nicht zögern Leute wie dich oder Lily umzubringen. Und Snape... Er wurde genau so erzogen. Hast du ihn schon mal in Nähe seiner Eltern reden hören? Glaub mir. Du kannst dir nicht vorstellen, was er da so von sich gibt. Er und ein guter Mensch? Nur in deinen Träumen, Remus."

Vollkommen sprachlos starrte ihn der Jüngere an. Das hatte der Schwarzhaarige doch jetzt - eben gerade - nicht wirklich gesagt. Oder etwa doch?

"Sirius..."

"Ich sage nur die Wahrheit. Glaube mir, oder nicht. Ich will nur das Beste für dich, also solltest du es lieber wahrhaben. Vergiss den Kerl. Er ist nicht gut für dich."

"Sei still... Sei still! SEI STILL!", schrie der Spross der Lupins aufgebracht und funkelte seinen Konversationspartner an.

Die Wut - nein, der Zorn - begann in ihm zu brodeln und langsam in jede Vene seines Körpers zu strömen. Unter der Decke hatte er die Hände zu Fäusten zusammengeballt. Seine Knochen stachen darunter schon weiß hervor. Die Trauer war inzwischen aus seinen Augen gewichen. Nun loderten darin kleine Flammen, die den Größeren aufzufressen drohten.

"ICH hab keine Ahnung?! Nein! DU hast keine Ahnung! Wie kannst du so über ihn reden? Vor allem du müsstest es doch besser als jeder andere wissen. Du bist doch derjenige, der das gleiche Umfeld, wie Severus aushalten muss. Du bist doch derjenige, der sich von seinen Eltern nichts sagen lässt. Der ihnen etwas vorspielt. Der sich, trotz ihrer schlechten Erziehung, den richtigen Weg ausgesucht hat. Wieso glaubst du also, dass Severus ein schlechter Mensch ist?! Was ist, wenn es ihm genauso wie dir geht? Was ist, wenn er in Gegenwart seiner Eltern einfach nur eine Maske aufsetzt, damit sie nicht mitbekommen, wie er wirklich denkt?! Das weißt du doch gar nicht! Saßt du mit ihm in einem Zugabteil und hast ihn etwas näher kennen gelernt, oder war ich das? Hast du schon mal unter vier Augen mit ihm geredet, mit der Gewissheit, dass euch niemand aus eurem ach so tollen Bekanntenkreis belauscht? Hast du?! Na? Du sagst ja gar nichts mehr! Hat es dir die Sprache verschlagen, oder was?!"

Sirius sah ihn wirklich ungläubig und verständnislos an. Er schien nicht mit diesem plötzlichen Wutausbruch Remus' gerechnet zu haben. Er brachte kein Wort über die Lippen. In diesem Moment bereute es der Jüngere auch schon ein wenig. Seine Anspannung löste sich allmählich und auch sein Gesichtsausdruck wurde weicher und ein wenig mitleidiger.

"Sirius, bitte."

Seine Stimme war sanft und dennoch eindringlich und appellierend.

"Du kennst doch das Sprichwort mit den schwarzen Schafen. Was ist, wenn sich unter einen ganzen Haufen schwarzer Schafe ein weißes verirrt hat? Hat es es dann nicht verdient, dass ihm geholfen wird? Sirius, ich denke du verstehst mich. Du bist auch so ein weißes Schaf. Nur bist du stark genug, um dir selbst zu helfen. Severus ist das nicht. Deshalb ist er auch in Slytherin gelandet. Er hat sich gewünscht dorthin zu kommen, damit seine Eltern nichts bemerken und er ist auch dort gelandet. Ob das aber wirklich gut für ihn ist, das vermag ich nicht zu sagen. Das Einzige, was ich weiß ist, dass ich ihm helfen will. Ich will sein Freund sein. Und es ist mir egal, was du mir dazu rätst oder was James dazu sagen wird. Meine Eltern haben mir immer eingebläut für meine Freunde zu kämpfen und Severus gehört - genau wie du, Peter und James - zu meinen Freunden. Und Lily will ich auch zurück. Bitte, Sirius. Verurteile mich nicht dafür, dass ich zu Severus halte. Bitte."

Wieder bahnten sich die Tränen ihren Weg nach draußen. Verzweifelt wischte sie Remus weg. Sein Körper begann wieder zu beben. Er unterdrückte das Schluchzen und die Tränen krampfhaft, misslang es aber.

"Bitte Sirius, ich will doch nur Lily und Severus zurück. Ich will, dass sie mir vertrauen und... dass sie meine Freunde sind."

Weiter kam er nicht, übermannten ihn Schmerz und Tränen. Durch einen dicken Tränenschleier nahm er war, wie Sirius sich erhob und auf ihn zu kam. Sanft drückte der Ältere den Gryffindor an sich und strich ihm beruhigend über den Rücken. Der junge Lupin krallte seine Hände in die Robe der Dunkelhaarigen und ließ seinen Tränen freien Lauf.

"Es tut mir so leid, Remus. Verzeih mir bitte. Es tut mir so unendlich leid..."
 

Der Abend verging recht ruhig. Sirius hatte es geschafft, dass Remus sich mehr oder weniger beruhigte. Durch den Tag entkräftet, war der Brünette in den Armen seines Freundes schließlich eingeschlafen. Eine geraume Weile lang hatte der Schwarzschopf noch an dem Bett des Anderen gewacht, bis auch Peter und James im Schlafsaal eingekehrt waren. Natürlich hatten sie sich über das Befinden des Werwolfes erkundigt, doch hatte der junge Black nicht besonders viel erzählt. Remus sollte selbst entscheiden, ob und wenn ja wann er sich den anderen beiden anvertraute. Er wollte dem Jüngeren nicht noch mehr Probleme bereiten, hatte er davon doch schon mehr als genug.

Der Tag brachte den Erstklässlern keine weiteren besonderen Ereignisse, waren auch sie von der Strafarbeit entkräftet und sehnten sich nur noch nach Schlaf. Sie schliefen früh ein, wollten sie den kommenden Tag - ein Samstag - in vollen Zügen auskosten.
 

Die Sonne verspätete sich an diesem Tag, verdeckten dicke Schneewolken noch immer den Himmel. Das Schneetreiben schien einfach kein Ende nehmen zu wollen. Zum Frühstück hatten sich nur wenige Schüler in den grauen Morgenstunden eingefunden. Unter ihnen die vier Gryffindors. Sie saßen am Tisch und schwatzten ausgelassen, während sie aßen. Besser gesagt unterhielten sich James und Sirius. Peter nickte und stimmte ab und an zu, während Remus noch immer vollkommen abwesend schien. James hatte ihn schon des Öfteren deswegen angesprochen, hatte jedoch bis jedoch bis jetzt keine Antwort erhalten. Irgendwann hatte er es schließlich aufgegeben und sich voll und ganz auf das Thema Quidditch konzentriert.

Remus ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Außer ihnen waren nur eine Hand voll Schüler aus den verschiedenen Häusern zugegen. Unter ihnen auch Severus. An diesem blieb sein Blick hängen. Der junge Slytherin wurde von ein paar anderen Mitschülern seines Hauses - ebenfalls aus ihrem Jahrgang, Wilkes, Rosier, Avery und einer der Gebrüder Lestrange - beschwatzt. Er blickte recht gelangweilt drein und tat ab und zu seine Meinung kund. Er schien den Blick des Gryffindors zu spüren, sah er sich misstrauisch im Raum um.
 

Severus runzelte die Stirn, als sein Blick Remus traf, der daraufhin sofort in eine andere Richtung sah.

,Was will er denn schon wieder von mir? Hat er es immer noch nicht verstanden?'

Doch ihm blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken, flogen in diesem Moment auch schon die Eulen in die Große Halle ein und brachten Post. Eigentlich hatte der Schwarzhaarige am heutigen Tage mit nichts gerechnet, doch plötzlich segelte ein Brief zu ihm herab und blieb vor ihm auf dem Tisch liegen. Er nahm ihn zur Hand und begutachtete ihn.

,Seltsam...'

Auf dem Umschlag stand lediglich sein Name. Nicht einmal eine Anschrift. Und auch kein Absender. Der junge Snape sah sich um. Eine der Eulen musste doch der Übeltäter gewesen sein. Ihm stach eine große, braune Schleiereule ins Auge, flog sie ohne Packet, Brief oder auch Zeitung durch den Raum. Er sah ihr aufmerksam hinterher. Das Tier hielt auf den Gryffindor-Haustisch zu und landete auf dem ausgestreckten Arm eines ihm sehr bekannten Erstklässlers. Ihre Blicke trafen sich erneut.

,Was willst du, Remus?'

Recht skeptisch widmete er sich dem Brief. Er brach ihn und holte das Pergament heraus. Es waren nur wenige Zeilen.
 

Lieber Severus,
 

Ich möchte etwas Wichtiges mit dir besprechen. Bitte

komm, falls es dir die Zeit erlaubt. Ich warte nach dem

Abendessen auf dem Dach des Westturmes auf dich. Ich

werde versuchen Lily ebenfalls zu überreden, dass auch

sie kommt.
 

Remus
 

Gedankenversunken ließ er das Schreiben sinken und sah auf. Remus sah ihn noch immer erwartungsvoll an.

"Von wem ist der Brief?", fragte der Blondschopf Avery neben ihm.

"Unwichtig."

Er knüllte Pergament und Umschlag zusammen und murmelte einen Zauber, woraufhin das Papier in seiner Hand sofort in Flammen aufging. Mit einem eiskalten Lächeln auf den Lippen blies er die verbliebene Asche fort und fixierte den jungen Lupin dabei mit stechendem Blick. Selbst über diese Distanz konnte er dessen Unglauben in seinen Augen lesen.
 

Schockiert blickte der Erstklässler hinüber zu den Slytherins. Das hatte Severus nicht getan. Oder etwa doch? Seine Augen waren geweitet. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. Er hatte doch nicht wirklich das Schreiben verbrannt. Er hatte ihn doch nicht wirklich mit einem so eisigen Blick bedacht, der Verachtung und zugleich Belustigung widerspiegelte. Doch - das hatte er. Gekränkt ließ Remus seinen Blick sinken. Dafür gab es sicherlich eine einfache und plausible Erklärung. Dass sie wirklich nicht mehr befreundet waren, dass konnte er nicht glauben. Nein. Das war nur Maskerade. Er musste den Unnahbaren spielen, um nicht aufzufallen. Ja. So musste es sein. Severus hatte das sicherlich nicht getan, um Remus seine Abneigung zu verdeutlichen. Davon war der Gryffindor felsenfest überzeugt. Er seufzte leise und sah Cassandra beim Fressen zu. Der Dunkelhaarige würde kommen. Nun galt es nur noch Lily zu überreden. Doch wie sollte er das anstellen? Sie redete schließlich noch immer nicht mit ihm. Wie sollte er also... Er lächelte, als er eine Hand voll Ravenclaws den Raum betreten sah. Unter ihnen Andromeda - seine Rettung. Sie würde ihm gewiss helfen.

Die Gruppe Ravenclaws ließ sich - wie auch James, Sirius, Peter und Remus es getan hatten - in der Mitte des Haustisches nieder. Der Brünette seufzte leise. Schön. Jetzt durfte er um die ganzen Tische laufen, um zu seiner Freundin zu gelangen. Nein, dazu hatte er keine Lust, dauerte es zu lang, wollte er jetzt sofort mit ihr sprechen. Die Blicke der anderen ignorierend kletterte er einfach über die Haustische der Gryffindors und Hufflepuffs und blieb schließlich vor Andromeda stehen. Diese lächelte ihn an.

"Morgen, Remus. Ist das bei dir jetzt Tradition, dass du über Tische läufst? Hast du an Halloween ja auch gemacht."

Sie lachte leicht. Ein wenig rot im Gesicht schüttelte der Gefragte den Kopf.

"Nein, ich wollte nur mit dir reden. Besser gesagt, ich wollte dich etwas fragen."

"Ach, und was?"

"Äh, können wir vielleicht kurz... unter vier Augen...?"

Die Schwarzhaarige lächelte und stand auf.

"Natürlich."

Sie wandte sich kurz zu ihren Hausgenossen um.

"Bin sofort zurück."

Dann hakte sie sich bei dem Gryffindor ein und ging mit ihm zum Eingang der Halle. Dort blieb sie schließlich stehen.

"Also?", fragte sie freundlich und strahlte ihn noch immer mit sonnigem Gemüt an.

"Es geht um Lily."

Ihre gute Laune schien schlagartig zu verblassen. Ernst war in ihren Zügen zu lesen.

"Wenn ich ein gutes Wort bei ihr einlegen soll, dann tut mir das sehr leid für dich, Remus. Ich hab schon alles Mögliche versucht, aber sie will einfach nicht mit sich reden lassen. Außerdem hat sie mir gedroht, wenn ich noch mal versuche-"

"Nein, nein, nein. So hab ich das nicht gemeint", unterbrach sie der Jüngere rasch. "Hör zu: ich wollte mich heute abend mit Severus treffen und mit ihm über die ganze Sache reden. Und ich dachte mir, dass es eine gute Idee wäre, wenn Lily auch dabei ist. Immerhin möchte ich mich mit beiden vertragen. Und Severus war ja auch der Grund, wieso wir uns gestritten haben. Wenn sie auch mit dabei ist, dann glaubt sie mir, dass ich mit ihm geredet habe. Wenn ich es ihr nur erzähle, dann denkt sie, dass ich ihr einen Bären aufbinde."

"Verstehe... Wann sagtest du triffst du dich mit Severus?"

Remus lächelte und Andromeda tat es ihm gleich.

"Du bist einfach phänomenal, Andromeda!", rief er aus.

Er umarmte sie freudestrahlend. Das Mädchen lachte ebenfalls und legte ihre Arme auch um den jungen Lupin. Nach einigen Augenblicken lösten sie sich wieder voneinander.

"Es freut mich ja, dass du dich freust, Remi, aber sagst du mir jetzt Ort und Zeit?"

"Auf dem Westturm. Nach dem Abendessen", meinte dieser nur und konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Manchmal vergaß er doch selbst das Wichtigste. Nachdem ihm Andromeda noch hunderte Male versichert hatte, dass sie Lily überreden würde und es auch auf keinen Fall vergessen würde, hatte er sich zufrieden gegeben und endlich von ihr abgelassen. Fröhlich ging er zu den anderen Gryffindors zurück und ließ sich auf der Bank nieder.

"Sag mal, was war denn das für eine Aktion?", fragte ihn James irritiert.

Remus konnte nur lächeln und sah ihn freudig an.

"Heute ist einfach ein herrlicher Tag", gab er als Antwort und begann munter zu frühstücken - sofern man das noch frühstücken nennen konnte, schlang er alles, was in seiner Nähe war heißhungrig hinunter.

Der Spross der Potters beäugte ihn perplex und auch Peter schien sprachlos zu sein. Einzig und allein Sirius hatte sich von der guten Laune seines Freundes anstecken lassen und belächelte dessen - das war wohl der richtige Ausdruck - Fressorgie.
 

Bis zum späten Nachmittag hatten sich die dicken Schneewolken noch immer nicht verzogen. Am Abend konnte man wieder mit starken Schneestürmen rechnen. Ja, dieser Winter würde ein strenger werden.

Remus saß in der Bibliothek und sah aus dem Fenster. Er hatte kurzzeitig seine Arbeit unterbrochen und hing seinen Gedanken nach. Ob es seinen Eltern gut ging? Hoffentlich hatten sie noch genügend Holz vorrätig, damit es im Haus war blieb. Oder Kohlen. Wenn bei dieser Kälte kein Feuer im Kamin brannte, dann würden sich sein Vater und seine Mutter früher oder später erkälten. Seinem Vater mochte eine kleine Grippe vielleicht nicht viel ausmachen, doch das Immunsystem seiner Mutter war schon so schwach genug.

,Hoffentlich bleiben sie beide gesund.'

Hier in Hogwarts ging es ihm gut. Die Hauselfen kümmerten sich um alles und sorgten dafür, dass es niemandem an etwas fehlte.

,Die armen Elfen, die für die Slytherins zuständig sind...'

Sicherlich hatten sie in diesem Haus nicht besonders viel zu lachen. Und bei Professor Novis sicher auch nicht. Remus kuschelte sich in seinen dicken Wintermantel, den er von seinen Eltern zum Geburtstag bekommen hatte, war sein alter löchrig gewesen und hatte dem Wind nicht mehr besonders gut stand gehalten. Der Junge seufzte, als seine Gedanken wieder zu sich nach Hause glitten. Bis zu Weihnachten war es nicht mehr lang hin. Er hatte schon des Öfteren überlegt, ob er nach hause fahren sollte oder nicht. Er würde gern mit seinen Eltern feiern, andererseits hatten diese vermutlich viel zu tun. Und ob sie Zeit hatten ihn auch noch vom Bahnhof abzuholen, das bezweifelte er. Zudem fand in diesem Jahr der Weihnachtsball in Hogwarts statt. Solch eine Veranstaltung war nur selten. Es war gut möglich, dass sich dieses Event so schnell nicht wiederholte. Seine Eltern würden darauf bestehen, dass er hier blieb, wollten sie, dass er sich so gut wie möglich amüsierte und etwas mit seinem Leben anstellte. Aus ihrer Sicht konnte er auch noch in seinen Sommerferien bei ihnen versauern. Es war ihnen lieber, wenn er sich mit seinen Freunden vergnügte, anstatt sich mit seinen alten Herrschaften herumzuschlagen. Ein Lächeln huschte bei dieser Vorstellung über seine Lippen. Also würde er den Heiligen Abend hier in Hogwarts verleben. Die anderen hatten immerhin verlauten lassen, dass auch sie hier bleiben würden. Bei Sirius kein Wunder. Wenn Remus an dessen Verwandtschaft dachte... Und James konnte seinen besten Freund ja nicht so einfach im Stich lassen. Ja, und Peter? Der wäre wohl lieber heim gefahren, allerdings hatte ihm seine Mutter geschrieben und daraufhin hatte er sich umentschieden. Anscheinend herrschte im Haushalt der Pettigrews eine Frau vor. Das erklärte auch, wieso der Blondschopf oftmals ein kleines Muttersöhnchen war. Der junge Lupin schmunzelte.

,Du kommst schon wieder vom Thema ab, Remus. Mach lieber deine Hausaufgaben', ermahnte er sich.

Es dauerte nicht lang und er hatte das Referat für Professorin Redwing fertig. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es noch etwas bis zum Abendessen dauerte. Etwas gelangweilt blätterte im Lehrbuch herum.

"Feen, Irrwichte, Trolle, Hippogreife, Einhörner, Leprechans..."

Er seufzte. Nichts interessantes. Doch plötzlich stoppte er, als ihm eine kleine Gestalt entgegenblickte.

"Selkies...", hauchte er leise.

In dem Buch, welches er gerade in Händen hielt, sah er eine exakte Zeichnung von dem Mädchen, welches er vor nicht ganz zwei Wochen unten am Wasser gesehen hatte.

"Elena ist ein Wassermensch..."

Die Abbildung glich dem Mädchen wirklich haargenau, doch eigentlich konnte dies nicht sein, oder doch? Die Zeichnungen waren alt. Sehr alt. Aber Elena war doch noch ein Kind. Und so viel älter wurden Wassermenschen doch nicht, oder? Er las sich den Abschnitt durch.
 

Wassermenschen

Gattungen: Sirenen, Selkies, Merrows etc. pp.
 

Die Wassermenschen leben, wie auch die Menschen, auf

dem gesamten Globus. Ihr Äußeres unterscheidet sich

stark, wie auch ihre Sitten und Gebräuche, die vom

jeweiligen Lebensraum und der entsprechenden

Gesellschaft beeinflusst werden. Die ältesten, uns

bekannten Vertreter dieser Art sind die Sirenen, welche in

Griechenland lebten. Zu ihnen zählten unter anderem

auch die Meerjungfrauen beziehungsweise Nixen. In

schottischen Gewässern sind die Selkies, in irischen die

Merrows heimisch. Bei diesen Wesen ist die Liebe zur

Musik stark ausgeprägt.
 

Ein Selky also. Aber so wirklich sicher konnte er sich da auch nicht sein. Als Elena ihn angegriffen hatte, hatte er das Gefühl gehabt, dass sie ihn mit Haut und Haaren auffressen würde. Doch hier in diesem Abschnitt stand weder, dass Selkies Menschen aßen, noch, dass ihre Augen rot leuchteten, sobald sie ihre Beute anvisierten.

Einige Zeit blätterte er noch in dem Buch herum, schlug es dann jedoch zu, als er nichts weiter zu dem Thema fand. Sicherlich stand Näheres dazu erst im zweiten Band, dass sie dann nächstes Jahr durchnahmen. Wassermenschen waren mit XXXX in der ZM-Klassifizierung eingestuft wurden. Somit waren sie nichts für Anfänger. Das Einfachste wäre die Bibliothekarin zu fragen, doch was würde er ihr sagen, wenn sie wissen wollte, wieso er Bücher über Wassermenschen suchte? Dass er einen gesehen hat und sich deshalb erstmal genauer informieren wollte? Nein, so konnte er die Sache nicht angehen. Am besten suchte er ohne ihre Hilfe. So würde er unnötigen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Apropos gehen. Für ihn wurde es höchste Zeit. Es war kurz nach Sieben. Das Abendbrot hatte bereits begonnen. Er räumte seine Sachen zusammen und verließ die Bibliothek mit raschen Schritten.
 

Gegen halb Acht fand sich Remus im Saal ein. Er schien so ziemlich zu den Letzten zu gehören, die zum Essen erschienen. Während er am Gryffindor-Tisch entlang ging, sah er sich sowohl nach Lily, als auch Severus um. Als er die Rothaarige im Vorbeigehen ansah, schenkte sie ihm keinen einzigen Blick. Hatte Andromeda vergessen ihr bescheid zu sagen? Oder ignorierte sie ihn einfach? Er sah zu den Ravenclaws und erspähte die Schwarzhaarige schnell. Sie lächelte und gab ihm ein Zeichen, dass ihn verstehen ließ. Lily wusste bescheid, doch wollte sie nicht mit ihm reden.

,Hoffentlich kommt sie', dachte er und warf ihr noch einen kurzen Blick zu, bevor er sich neben Peter nieder ließ.

"Wo warst du so lang?", fragte ihn James interessiert.

"In der Bibliothek. Hab Hausaufgaben gemacht."

James seufzte schwer.

"Mensch, Remus. Das war so schönes Wetter. Du hast eine Schneeballschlacht verpasst. Hättest Snape mal sehen müssen. Ich hab ihn richtig eingeseift."

Er grinste den Brünetten an. Dieser lächelte nur schwach und sah zum Slytherin-Tisch. Vergeblich suchte er den Erstklässler. Er sah lediglich die Miniaturausgabe von Malfoy - Avery - und das Original selbst. Von Severus keine Spur.

"Hast du ihn verletzt?", fragte der Gryffindor leicht besorgt an den Schwarzhaarigen gewandt.

"Nein, eigentlich nicht. Ist halt nur etwas nass geworden. Hab mit ihm Schneemann gespielt. - Wieso fragst du?"

James wandte sich um und sah sich ebenfalls nach dem Slytherin um.

"Ich seh den Kerl ja gar nicht. Komisch."

Er drehte sich wieder um und grinste über das gesamte Gesicht.

"Hat wahrscheinlich nur die Schnauze voll. Mehr nicht. - Sag mal, Siri. Wieso hast du eigentlich nicht mitgemacht?"

James sah ihn schräg von der Seite an. Der Angesprochene zuckte nur mit den Schultern.

"Ich hatte keine Handschuhe mit. Und wegen dem Kerl frier ich mir doch nicht die Hände ab."

James lachte.

"Ja, da hast du recht."

Remus aß mit mäßigem Appetit weiter. Das hatte James ja toll hinbekommen. Wenn er Pech hatte, dann würde Severus sich später nicht blicken lassen. Sirius allerdings war er dankbar. Der Schwarzschopf hatte ihm am vergangenen Abend wohl doch zugehört und sich die ganze Sache zu Herzen genommen. Ansonsten hätte er es sich wohl kaum nehmen lassen dem Slytherin ein paar Streiche zu spielen. Die Entschuldigung er habe keine Handschuhe dabei gehabt war ja wohl mehr als unglaubwürdig. Schließlich war es Sirius Black, der das gesagt hatte. Gut, bei Peter konnte er sich so etwas vorstellen, aber nicht bei Sirius. Die Blicke der beiden trafen sich kurz und Remus lächelte leicht. Sirius verstand das stumme "Danke", erwiderte er das Lächeln.
 

Es war fast Mitternacht und noch immer war nichts von Severus oder Lily zu sehen. Kurz nach dem Abendessen hatte das Schneetreiben - zunächst sehr schwach - wieder eingesetzt. Nun, vier Stunden später, konnte man kaum noch die Hand vor Augen sehen. Remus saß zusammengekauert gegen die Brüstung gelehnt da und schlotterte am ganzen Leib. Er spürte seine Gliedmaßen kaum noch. Einige Zeit lang hatte er es mit hin- und herlaufen probiert, doch nach und nach hatte auch das an Wirkung verloren. Der Brünette war von oben bis unten eingeschneit. Hätten hier und da nicht noch ein paar schwarze Flecken seines Umhangs hervorgeschienen, hätte man ihn für einen Schneehaufen halten können. Sein eigener Atem hatte sich der Umgebungstemperatur fast vollkommen angepasst. Manchmal stiegen vereinzelte dünne Wölkchen auf - aber eben nur manchmal. Die Kälte war in seine Knochen gekrochen und begann ihn von innen heraus zu vereisen. Er wusste schon lang nicht mehr zu sagen was kälter war. Der Wind, der an ihm zerrte und immer weiter mit Schnee bedeckte oder das Blut in seinen Adern, dass immer langsamer floss. Wie bei einem Tier im Winterschlaf hatte sich sein Puls stark verringert. Mit diesem Trick versuchten Tiere die kalte Jahreszeit zu überdauern. Das dumme daran war nur, dass sie sich vorher ihr Winterfett anfraßen. Davon hatte Remus allerdings nicht besonders viel zu bieten. Sein Atem wandelte sich in ein Rasseln, dann in ein Keuchen. Wenn er Glück hatte, dann kam er mit einer Erkältung, einer Grippe oder einer Unterkühlung davon. Wenn er Pech hatte - und daran glaubte er von Minute zu Minute immer mehr - dann würden sie ihn im nächsten Frühling finden. Vielleicht auch eher - wenn sie sich sorgten - vielleicht auch später - wenn sie nicht wussten, wo sie suchen sollten. Ja, vielleicht auch gar nicht.

,Severus, Lily, wo bleibt ihr?'

Die Hoffnung wich aus dem Nachwuchs der Lupins. Ob die beiden sich zu dieser Zeit noch blicken ließen? Wohl kaum. Sie hatten ihn versetzt. Und das gnadenlos. Aber wie konnten sie so etwas tun? So hatte er die beiden nicht eingeschätzt. Gut, Severus war schwer berechnen, aber so etwas tat er normalerweise nicht. Hatte er sich etwa so sehr in dem Anderen getäuscht? Sollte Sirius am Ende doch recht behalten? Entpuppte sich der junge Zauberer schlussendlich doch als falsche Schlange? Als Schwarzmagier? Als Lügner und Betrüger? Schlug er tatsächlich nach seinen Eltern und seinen Bekannten? Hatten sie wirklich einen solch starken Einfluss auf ihn? War er wirklich so feige, dass er sich nicht getraute zu kommen? Wollte er wirklich nichts mit dem Halbblut, das Remus eindeutig war, zu tun haben? Vertrat Severus die Auffassung der Blutslehre? So wie seine Eltern. War Severus ein richtiger Slytherin? Und war dieser Slytherin einfach nur ein Snape? War Severus, wie Sirius gesagt hatte, ein Snape wie er im Buche stand?

"Nein. Severus ist nicht so. Er kommt. Er kommt", murmelte Remus leise und kauerte sich stärker zusammen. "Severus, bitte..."

"Was "bitte"?", fragte eine ihm vertraute Stimme.

Fast wie in Zeitlupe ging Remus' Kopf nach oben. Überraschte, braune Augen sahen in ruhige, schwarze.

"Severus..."

Mit langsamen Schritten kam der Slytherin näher, blieb jedoch ein paar Schritte von Remus entfernt stehen. Dieser rappelte sich keuchend auf und schüttelte den Schnee ab.

"Ich... Ich dachte du kommst gar nicht mehr."

"Dachte ich auch."

"Wie bitte?"

Der Gryffindor sah ihn entgeistert an. Wie sollte er das nun wieder verstehen?

"Wie meinst du das? Ich verstehe nicht ganz..."

Einige Zeit herrschte zwischen den beiden Stille. Severus schien seine Worte abzuwägen, seufzte dann jedoch und verwarf die zurecht gelegten Sätze.

"Eigentlich wollte ich nicht kommen."

"Was? Aber wie-"

"Wieso?"

Er lachte leicht und sah seinen Gegenüber mit spöttisch funkelnden Augen an.

"Dafür gibt es genügend Gründe. Du bist ein Halbblut und ich ein Reinblüter. Deine Eltern sind gemeine Blutsverräter, meine ehren die Linie. Du bist mit diesem vermaledeiten Potter befreundet, dem es große Freude bereitet mir das Leben schwer zu machen. Oder wie wäre es damit? Du bist ein Gryffindor und ich ein Slytherin."

Das Gesagte stand im Raum. Selbst Wind und Schnee konnten sie nicht fortwehen. Der Unglauben in dem Gesicht des Kleineren nahm an Intention zu.

"Sag das bitte noch mal, Severus."

Doch den Gefallen tat ihm sein Gegenüber nicht.

"Verdammt, Severus!", schrie der Jüngere aufgebracht. "Sag das noch mal! Sag mir, dass du nur deswegen hierher gekommen bist! Sag mir, dass du dich nur wegen diesen paar Sätzen hier hoch gequält hast! Hast du mich nur deswegen so lang in dieser verdammten Kälte warten lassen?! Wenn das so ist, denn hättest du dir den Weg hierher sparen können. Du hättest ruhig dort unten in deinem verdammten Kellerloch bleiben können. Dort unten ist es wenigstens halbwegs warm. Wenn du nicht gekommen wärest, dann hätte ich gewusst woran ich bin. Sag mir, warum du mich so lang hast warten lassen. Sag mir, warum du doch noch gekommen bist. Und verdammt noch mal: sag mir die Wahrheit und lüg mich nicht an. Ich kaufe dir das so nämlich nicht ab. Weder das mit dem Blut, noch das mit James, noch das mit den Häusern!"

Remus bebte vor Wut. Seine Augen sprühten regelrecht Feuer. Hätten Blicke töten können, dann wäre Severus schon längst leblos zusammengesunken. Doch trotz der Raserei des Jüngeren, ließ sich der Slytherin keinesfalls aus der Ruhe bringen. Er behielt seine kalte Maske weiterhin auf, auch wenn er sich eingestehen musste, dass der Gryffindor ihn bereits voll und ganz durchschaut hatte.

"Du hast recht", begann er gedehnt. "Es gab einen anderen Grund, dass ich erst jetzt komme."

Er wandte sich von Remus ab und überquerte die Terrasse. An der Brüstung blieb er stehen und stützte sich mit seinen Armen auf dieser ab. Er ließ seinen Blick über die Ländereien schweifen, obgleich er nur dunkle Schemen erkennen konnte.

"Ich war im Gemeinschaftsraum der Slytherins und saß vor dem Kamin. Ich habe überlegt, ob ich kommen sollte, oder nicht. Immerhin sprechen einige Dinge dagegen. Wenn die anderen herausfinden, dass ich mit jemandem wie dir befreundet bin, dann wird das für mich in Slytherin kein Zuckerschlecken, glaub mir. Meinen Eltern werden nicht sehr davon angetan sein. Hier hat schließlich alles Augen und Ohren."

Der Braunschopf war näher gekommen und hatte sich neben ihn an die Brüstung gestellt. Interessiert sah er den Älteren an, sagte jedoch kein Wort. Jetzt war es an ihm zuzuhören.

"Während ich nachgedacht habe, sind Malfoy und die anderen gekommen und haben mich in Beschlag genommen. - Bis gerade eben. Sonst wäre ich früher gekommen. Wesentlich früher."

Er sah den Jungen neben sich an und zum ersten Mal schenkte er ihm ein Lächeln. Ein ehrliches, warmes Lächeln - kein kaltes, wie es sonst seine Art war. Die Maske war gebrochen.

"Ich habe mich entschieden, Remus. Für dich und Lily."

Stille... Hatte er das jetzt gerade eben wirklich gesagt? Hatte Severus Snape das gerade wirklich gesagt? Und lächelte ihn der eiskalte Severus Snape gerade wirklich an? Remus konnte es nicht fassen. Er war einfach sprachlos. Er musste vollkommen geschockt sein, denn Severus' Blick wandelte sich schnell zu Besorgnis.

"Geht es dir nicht gut, Remus?"

Mit einem Schlag war der Spross der Lupins wieder zurück. Er schüttelte heftig den Kopf.

"Nein. Alles bestens."

Er begann zu strahlen.

"Und du bist wirklich... Und du willst wirklich Lilys und mein..."

Der Slytherin nickte und lächelte wieder sanft.

"Ja, ich will wirklich euer Freund sein. Auch wenn das ziemliche Probleme geben kann. Aber in meinem Haus findest du so was wie Freunde nicht. Dort ist jeder nur auf seinen Vorteil bedacht und-"

Wieder schüttelte Remus den Kopf und lächelte.

"Ich bin froh. Ich bin so froh!"

Er fiel dem Älteren stürmisch um den Hals. Dieser schien das Ganze nur teilweise zu realisieren. Freundschaft, schön und gut, aber musste der Gryffindor gleich so sentimental werden? Das war für seinen Geschmack ein bisschen übertrieben. Plötzlich stach ihm etwas ins Auge. Er runzelte die Stirn.

"Warte mal kurz", sagte er und schob Remus leicht von sich, welcher ihn verwirrt ansah.

Der Brünette sah Severus hinterher. Dieser ging langsam auf die Tür, hinter der das Treppenhaus lag, das nach unten führte, zu und verschwand im Inneren. Er wollte ihm gerade nachgehen, als der Slytherin wieder zurückkam. Doch nicht allein. Hinter ihm lief ein Rotschopf, der sich sichtlich schwer tat auf den Braunhaarigen zuzugehen und schließlich stehen blieb.

"Lily", stellte Remus schlicht fest und ging auf sie und Severus zu. "Was machst du denn hier? Ich dachte du kommst nicht."

Sie sah auf. Ihr Blick war entschuldigend und zugleich schuldbewusst.

"Ich bin schon länger da."

"Schon länger? Seit wann?"

"Ich bin kurz nach dir gekommen..."

"Was? Aber wieso... Und Severus? Er hätte dich doch sehen müssen als er gekommen ist."

Lily schüttelte den Kopf.

"Ich hab mich versteckt. Unsichtbarkeitszauber..."

"Aber... wieso hast du dich so lang versteckt?"

"Ich war sauer auf dich, Remus. Immer noch. Ich wollte erst wissen, was du und Severus... Ob ihr euch wieder vertragt. Ich konnte vorher einfach nicht... Ich... Es tut mir leid. Verzeih mir, Remus. Ich habe dir Unrecht getan. Es tut mir so unendlich leid. Du glaubst gar nicht wie sehr-"

"Schon gut, Lily. Ist okay. Ich bin dir nicht sauer", erwiderte er lächelnd. "Ich war dir auch nie böse. Glaub mir. Vergeben und vergessen."

"Wirklich?", fragte sie mit noch leicht ungläubiger, nichts desto trotz hoffnungsvoller Stimme.

"Wirklich... Vergeben und vergessen."

"Oh, Remus!"

Nun war es Lily, die Remus um den Hals viel. Anders als Severus erwiderte er die Umarmung. Er spürte, wie die Wärme vom Körper der Rothaarigen auf den seinen überging und er langsam wieder zum Leben erwachte. Hatte sich der Slytherin zunächst dezent zurückgehalten, waren solche Gefühlsausbrüche nichts für ihn, wurde er nun eines Besseren belehrt. Die energische Gryffindor zog auch ihn zu sich. Keine andere Wahl habend, ging auch er auf die ungewohnte körperliche Nähe ein.

Remus selbst fiel an jenem Abend eine zentnerschwere Last vom Herzen. Endlich war es ihm geglückt einen großen Stein aus dem Weg zu räumen auf seinem Lebenspfad weiterzuschreiten. Bis jetzt noch ohne die Gewissheit, ob und wenn ja wie viele solcher Felsen es noch zu beseitigen galt. Doch in diesem Moment war es ihm vollkommen egal. Mit Freunden wie Severus, Lily, Andromeda und den anderen drei Gryffindors würde er jede Hürde nehmen können. Davon war er überzeugt.
 

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1.Akt, Kap. XIV - Ende

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1.XV.Versöhnung unter Feinden?

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1.Akt: Kapitel XV: Versöhnung unter Feinden?

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"Nicht so lahm! Eure Gesichter sollen sich im Boden spiegeln. Dass das klar ist!"

"Ja! Wir haben ja schon verstanden."

"Sei nicht so vorlaut, Bengel! Oder willst du etwa noch mehr Arbeit? Kannst du gern haben. Dann hab ich nicht so viel zu tun, Rotznase."
 

Remus spießte den Hausmeister mit seinen Blicken auf. Er hätte ihm zu gern alle möglichen Dinge an den Kopf geworfen, doch es schien ihm besser und auch vorteilhafte, wenn er nichts mehr dazu sagte. Als Filch keine Antwort erhielt, sah er noch einmal herablassend auf den Schüler hinab.

"Wehe ihr vergesst mir auch nur eine kleine Ecke. Ich will vom Boden essen können."

Mit diesen Worten verschwand er die Treppe nach oben. Der Gryffindor sah ihm mit vor Gift sprühenden Blicken hinterher. Er warf den Lappen achtlos in den Wassereimer zurück, wodurch das inzwischen vollkommen verdreckte Wasser nach oben spritzte und sich auf dem Boden verteilte.

"Iih! Remus! Kannst du nicht aufpassen?", fuhr ihn jemand von rechts an.

Stöhnend ließ sich der Erstklässler nach hinten fallen und starrte nach oben. Trotz der fortgeschrittenen Tageszeit konnte man wie gewöhnlich nicht die Decke sehen. Dafür war das Treppenhaus zu hoch.

"Entschuldige, Lily. War keine Absicht", murmelte er, während er sich seine Hände besah.

Vom Schrubben, Fegen und Wischen waren sie schon ganz wund und hatten Schwielen bekommen. Wäre es jetzt stockfinster, hätten sie sicherlich den ganzen Raum erhellt, leuchteten sie in einem wunderbaren, kräftigen Rot. Das Blut pulsierte spürbar darin.

"He, ausruhen kannst du dich später", sagte nun eine andere Stimme. "Wir wollten doch bis zum Mittagessen fertig sein."

Der Braunschopf überstreckte seinen Hals ein wenig und sah in das Gesicht Severus'. Auch dieser schien - wie auch Lily und er selbst - fertig mit der Welt. Es grenzte nahezu an ein Wunder, dass er trotz der harten Schufterei weiter seine kühle Maske aufbehielt und nur wenige Worte von sich gab. Remus setzte sich auf.

"Ich mach ja gleich weiter", meinte er. "Gönn meinen Händen nur eine kurze Verschnaufpause, ja?"

Für einen Wimpernschlag huschte ein angedeutetes Lächeln über die Züge des Slytherin. Ohne eine Antwort machte er sich wieder an die Arbeit. Der junge Lupin lächelte. Es war schon eine seltsame Art, wie der Dunkelhaarige seine Gefühle zeigte, doch so langsam begann er sie doch zu spüren und wahrzunehmen. Sicher ging es Lily nicht anders. Am gestrigen Abend hatte Severus sich ihnen geöffnet. Und das weiter, als Remus es für möglich gehalten hatte. Sicherlich hatten sie mehr davon gehabt, wenn nicht wieder das geschehen wäre, womit der Schüler bereits gerechnet hatte. Er seufzte leise und besah sich seine Hände erneut. Wie hatte er das nur wieder geschafft?
 

So leise wie möglich schlichen die drei Erstklässler die Wendeltreppe im Westturm hinab. Es war bereits weit nach Mitternacht und Hogwarts lag in tiefen Schweigen und ebenso tiefem Dunkel da. Mucksmäuschenstill stahlen sie sich durch die Gänge und blieben immer wieder an Ecken und dort wo sich die Flure kreuzten stehen um zu lauschen. Zwar war es ja Wochenende, doch die Lehrer sahen es trotzdem nicht besonders gern, wenn ihre Zöglinge des nachts durch das Gemäuer zogen. Und besonders Remus hatte die Angewohnheit Erzieher und andere Autoritätspersonen magisch anzuziehen. Es grenzte schon an ein Wunder, dass ihnen bis jetzt noch niemand begegnet war. Severus spähte um die nächste Ecke.

"Ich sehe niemanden", wisperte er leise und wandte sich wieder den anderen beiden zu. "Ich werde dann mal."

Die beiden Gryffindors lächelten ihn an.

"Ja, tu das", flüsterte Lily. "Pass auf, dass dich niemand sieht."

Der Schwarzhaarige nickte.

"Ihr auch."

"Tun wir", meinte Remus. "Gute Nacht."

Wieder nickte der Schwarzschopf und verschwand auch schon um die Ecke, wo er fast augenblicklich von der Dunkelheit verschluckt wurde. Die beiden Gryffindors sahen sich nochmals um, bevor sie weitergingen. Ohne Licht war es ziemlich schwierig den richtigen Weg zu finden, doch wollten sie kein zu hohes Risiko eingehen.

"Wir müssten eigentlich gleich beim Treppenhaus sein", sagte der Brünette, hielt jedoch plötzlich inne.

Der Rotschopf stieß gegen ihn und grummelte.

"Was machst du denn? Wieso bleibst du plötzlich stehen?!"

"Pssst!"

"Was?"

"Leise!"

Angestrengt lauschte der Schüler. War da nicht gerade ein Geräusch gewesen? Er war sich ganz sicher etwas gehört zu haben. Er schloss die Augen und spitzte seine Lauscher. - ... - Nichts. Alles war ruhig. Er atmete erleichtert wieder auf.

"Ich hab mich getäuscht."

Auch Lily beruhigte sich wieder und entspannte sich.

"Musst du mir so einen Schrecken einjagen? Ich dachte schon, dass-"

Remus runzelte die Stirn, als seine Freundin nicht weiter sprach. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Mit einem Mal erhellte sich der Gang und er konnte das verschrockene Gesicht seiner Gegenüber sehen. Langsam wandte er sich in die Richtung, in welche sie blickte und erstarrte ebenfalls. Das konnte doch nicht wahr sein. Nicht schon wieder. Am anderen Ende des Ganges stand Filch, der sie sauer anfunkelte. Er hatte Severus grob am Arm gepackt und fuchtelte leicht mit seiner Laterne, was soviel hieß, wie, dass sie näher kommen sollten. Der Gryffindor vermochte nicht zu sagen wessen Blick finsterer war. Der des Hausmeisters, der nicht besonders erpicht war Schüler in der Nacht aufzugabeln. Oder der des Reinblüters, wie er besagten Hausmeister anstarrte und ihm dabei die verschiedensten Flüche an den Hals wünschte.

,Wieso passiert so was eigentlich immer mir?', dachte sich Remus im Geheimen, während er und Lily dem Befehl recht widerwillig Folge leisteten.
 

Großzügiger Weise hatte Filch davon abgesehen sie zu Dumbledore oder einen der Hauslehrer zu schleifen. Statt dessen hatte er sie zum Hausputz verdonnert. Bis zum Mittag sollten sie das gesamte Treppenhaus und den Eingangsbereich geputzt haben. Glücklicherweise trieb sich der Hausmeister meist unten in den Kellergewölben herum, hatte Peeves sein Spielterritorium seit Neustem dort hinunter verlegt. Sicher würde es nicht mehr lange so bleiben, befand sich das Slytherin-Haus dort unten. Und wo Slytherin war, war der Blutige Baron nicht weit. Doch solang Peeves aus dem Weg war, war auch Filch mitsamt seiner Katze aus den Augen und aus dem Sinn. Die drei Erstklässler hatten dies genutzt und einige Eimer, Lappen und Besen so verzaubert, dass sie ihnen einen Großteil der Arbeit abnahmen. Bis zum Essen würden sie es somit mit Leichtigkeit schaffen. Remus schnappte sich seinen Lappen und tauchte ihn in das Putzwasser. Er wrang ihn aus, klatschte ihn mit einem schmatzenden Geräusch auf den Boden und wusch weiter. Auf den Knien robbend arbeitete er sich langsam weiter voran, bis er schließlich am untersten Treppenabsatz ankam. Er hörte leises Getrippel, das schnell näher kam. Er stöhnte leise. Nicht schon wieder. Immer wieder kamen Schüler vorbei und ruinierten ihre Arbeit. Er sah auf, um zu sehen, wer ihnen gleich wieder zusätzlichen Dreck machte. Doch noch ehe er reagieren konnte, wurde er auch schon freudig begrüßt und nach hinten zu Boden gerissen. Er stöhnte leise und schlug die Augen auf. Auf ihm saß fröhlich vor sich hin grinsend Andromeda.

"Morgen!"

Vollkommen perplex starrte er sie an. Es dauerte einige Moment bis er sich wieder gefangen hatte.

"Womit habe ich eine so stürmische Begrüßung verdient?", fragte er lächelnd.

"Naja, immerhin habt ihr euch endlich wieder vertragen. Da darf man sich doch mal freuen."

Die Ravenclaw sprang auf und fiel Lily in die Arme, die vor Schreck den Besen fallen ließ. Remus sah dem schwarzhaarigen Sonnenschein dabei zu, wie sie sich mit der Rothaarigen fröhlich lachend im Kreis drehte. Nach der dritten Umdrehung löste sie sich von der Gryffindor und wirbelte noch einmal herum, bevor sie sich Severus zuwandte.

"Untersteh dich", knurrte er und bedachte sie mit drohenden Blicken.

"Severus, du denkst doch nicht wirklich, dass du mir so Angst einjagen kannst, oder?"

Andromedas Augen funkelten angriffslustig. Dem Slytherin sah man die Unlust an. Anscheinend hatte er sich schon des Öfteren mit den Launen der Black abfinden müssen.

"Ich habe es dir schon hundert mal gesagt, Andromeda. Ich kann es nicht ausstehen, wenn du mir auf irgendeine Weise zu nahe kommst. Und es ist mir egal, ob du mich über den Haufen rennst, mich umarmst, mich anspringst oder mich mal wieder übersieht und mich mit den Besen niederstreckst."

"Jajajajaja, das sagst du immer. Du hast aber das aus dem Fenster werfen, in den Teich stoßen, Zaubertränke an dir ausprobieren - da gab es aber so schöne Nebenwirkungen, musst du zugeben - Messer werfen, Flüche testen und als Köder nehmen vergessen."

"Ihr habt aber eine bewegte Vergangenheit", witzelte der Nachwuchs der Lupins. "Was für eine Beziehung pflegt ihr beide bitteschön?"

Die beiden Schwarzhaarigen antworteten gleichzeitig, wobei die Antworten selbst ganz unterschiedlich ausfiel.

"Wir pflegen überhaupt keine Beziehung. Sie raubt mir nur den letzten Nerv", gab Severus zurück.

"Eine ganz innige. Klein-Sev kümmert sich doch immer so liebevoll um mich. Und das schon seit ich denken kann", rief Andromeda, die sich gerade an den jungen Snape anpirschte.

"Ich hab dir verboten mich so zu nennen!", knurrte der Slytherin.

"Wie denn? Klein-Sev?"

"Ja, genau so!"

"Aber warum denn? Du bist doch jünger als ich. Ganze 23 Tage."

"Ja, vielleicht bin ich jünger, aber wenn du so weitermachst, dann werde ich wesentlich älter als du werden."

"Ach, wieso denn?", sie grinste und schlich näher. "Sei doch nicht gleich so bissig, Severus."

Dieser hielt sie mit dem Besen, den er gerade in Händen hielt, auf Distanz.

"Du weißt, dass ich eigentlich keinem Mädchen etwas zuleide füge, aber bei dir mache ich gern eine Ausnahme. Du bist kein Mädchen, du bist eine Plage."

"Ach, Sev. Das hast du aber schön gesagt."

Sie duckte sich unter einem Hieb seitens des Verteidigers hinweg und nutzte die Deckungslücke. Mit einem Satz war sie bei ihn und drückte den Jungen an sich. Der Slytherin stöhnte auf und verdrehte genervt die Augen. Er ließ seinen Widerstand fallen. Immerhin war es zwecklos sich jetzt noch zu wehren.

"Und? Bist du jetzt endlich zufrieden?"

"Ja!"

Sie nickte, machte jedoch keinerlei Anstalten ihr Opfer loszulassen. Remus schmunzelte. Es war einfach ein göttliches Bild. Severus, der aussah, als hätte er gerade in einen sauren Apfel gebissen und Andromeda, die wie ein Honigkuchenpferd strahlte. Der Brünette musste sich das Lachen verkneifen. Sollten die beiden später mal ein Paar werden, dann würde es in ihrem Haushalt sicher heiß her gehen.

"Jetzt lass doch mal den armen Severus los", mischte sich Lily ein, die anscheinend die gleichen Gedanken hegte wie er, grinste sie ebenfalls von einem Ohr zum anderen. "Du bist doch sicherlich nicht nur hergekommen, damit du uns beim putzen stören kannst, oder?"

"Erwischt", gab Andromeda als Antwort und ließ den Erstklässler wieder los. "Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du es dir inzwischen überlegt hast."

"Ich weiß nicht", seufzte die Rothaarige. "Eigentlich hab ich nicht wirklich Lust. Zu viel Arbeit."

"Das sagen sie alle. Deswegen macht auch keiner weiter mit. Aber wenn das so weiter geht, dann können wir die ganze Sache gleich vergessen."

"Was könnt ihr vergessen?", fragte Remus, der inzwischen aufgestanden und näher zu den dreien getreten war.

"Den Weihnachtsball", grummelte Andromeda. "Bis jetzt hat sich kaum jemand dazu bereiterklärt die Dekoration und die ganze Organisation überhaupt in die Hand zu nehmen. Alle haben sie keine Lust oder keine Zeit oder fahren nach hause. Eben dumme Ausreden. Aber am Ende wollen sie natürlich alles pikobello sehen und wundern sich, wieso der Ball dann abgeblasen wird."

"Wie viel Leute machen denn bis jetzt mit?"

"Zu wenig. Drei aus der Siebten, eine aus der Fünften und ich. Eigentlich wollte ich Lily fragen, ob sie uns hilft, aber sie will ja anscheinend auch nicht."

"Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich da überhaupt in Hogwarts bin oder ob ich über Weihnachten nach hause fahre", grummelte diese ein wenig beleidigt.

Andromeda bedachte sie mit einem abwertenden Blick und wandte sich wieder dem Jüngsten zu. Sie stieß die Luft aus.

"Das sind doch alles nur Ausreden. - Jedenfalls bräuchten wir noch ein paar Helfer. Vor allem männliche wären nicht schlecht. Das alles den Mädchen zu überlassen finde ich schon ein wenig ungerecht. Meinst du nicht auch?"

"Ja, stimmt schon", meinte Remus. "Aber-"

"Dann sind wir uns ja einig", strahlte die Ravenclaw. "Danke, dass du mitmachst. Lily nimm dir ein Beispiel an Remus. Er hilft uns wenigstens. Wenn er mitmacht, dann musst du auch mitmachen. Und du Sev-"

"Vergiss es", fauchte der Slytherin sofort und diesmal klang er wirklich bedrohlich. "Wenn du auf dumme Gedanken kommst, dann hast du wirklich nicht mehr lange zu leben."

"Versteh schon", meinte sie grinsend. "Na schön. Dann geh ich euch mal einschreiben, ihr beiden. Um Drei in der Bibliothek. Da treffen wir uns alle und planen. Wehe ihr kommt nicht. Dann werde ich sauer."

Fröhlich vor sich hin pfeifend lief sie nach oben. Die beiden Gryffindors sahen ihr ungläubig und völlig übertölpelt hinterher.

"Ich geh Wasser holen", meinte Lily monoton und schnappte sich die Eimer.

Remus schüttelte jedoch den Kopf und nahm sie ihr augenblicklich wieder ab. Einen der beiden reichte er dem Dunkelhaarigen.

"Das machen Severus und ich. Mädchen sollten keine Eimer schleppen."

Mit dieser kurzen Erklärung verschwanden die beiden Jungen in einem Seitengang, von dem sie wussten, dass sich dort eine Toilette befand. Während sie schweigend den Korridor entlang liefen, wurde sich der Sohn der Lupins langsam des Geschehens vor wenigen Sekunden bewusst.

"Wie hab ich das nur wieder geschafft?", seufzte er. "Wie hat sie mich so einfach dazu überreden können? Naja, genau genommen hat sie mich ja gar nicht überredet. Sie hat mich ja noch nicht mal gefragt, ob ich überhaupt mitmachen will."

"So ist sie eben. Sie weiß, wie sie ihren Kopf durchsetzt. Bei der Familie kein Wunder", erzählte Severus.

"Wie meinst du das?", fragte der Kleinere und sah ihn verwundert an.

"Sie ist das Nesthäkchen der Familie. Allerdings würde man sie wohl als schwarzes Schaf einordnen."

"Ich versteh kein Wort", grummelte der Gryffindor neben ihm.

"Du weißt doch, dass sie zwei ältere Schwestern hat..."

"Ja. Narcissa und Bellatrix."

"Nach zwei Töchtern hatte sich ihr Vater eigentlich einen Sohn gewünscht, den er als seinen Erben einsetzen kann. Allerdings hat seine Frau wieder eine Tochter bekommen. Andromeda."

"Was ist daran so schlimm? Er kann doch ebenso gut eine seiner Töchter als Erbin einsetzen. Oder nicht?"

Der Gefragte zuckte mit den Schultern.

"Denkst du ich weiß, was im Kopf eines solchen Mannes vorgeht? Vielleicht könnte ich es mir vorstellen, aber begreifen würde ich es sicher nicht. Wahrscheinlich geht es ihm vielmehr um das Heiraten."

"Heiraten? Aber Andromeda ist noch ein Kind. Und ihre Schwestern sind auch noch nicht volljährig."

"Das ist doch so was von unwichtig, Remus. Leuten wie den Blacks geht es nur darum die Blutlinie weiterzuführen. Immerhin gibt es immer weniger Reinblüter."

"Verschone mich bitte damit. Ich will das nicht schon wieder hören."

"Ich sage dir nur die Wahrheit."

"Das mag schon sein, aber ich will das nicht wirklich hören. Das hatten wir doch gestern Abend schon."

"Man sollte den Dingen immer ins Auge sehen", meinte Severus lediglich und öffnete die Tür zur Toilette.

Die beiden traten ein. Der Braunschopf ging ans Waschbecken und kippte den ersten Eimer aus. Anschließend drehte er den Wasserhahn auf und ließ frisches Wasser hineinlaufen.

"Vielleicht hätte ich ihr auch einfach nein sagen sollen", murmelte Remus, der in Gedanken schon wieder beim Weihnachtsball angekommen war.

"Ja, vielleicht hättest du das tun sollen."

Der Halbblüter warf seinen Konversationspartner einen bösen Blick zu. Dieser konnte nur grinsen.

"Lass das lieber. In Sachen böse Blicke und kalte Schulter kannst du mich nicht schlagen, Remus."

"Jaja. Du bist ein Meister der Maske, nicht?"

Er seufzte missmutig und drehte das Wasser ab. Nachdem die beiden Schüler die Eimer getauscht hatten, verfuhr er mit dem Zweiten wie mit dem Ersten.

"In Sachen Handarbeit bin ich eine Niete", beklagte sich der junge Zauberer weiter. "Bei uns zuhause macht das alles normalerweise meine Mutter."

"Bei uns die Hauselfen."

"Ja, so was wäre praktisch..."

"Habt ihr keine?"

"Nein", antwortete der Erstklässler kopfschüttelnd. "Aber so viel, dass wir es nicht mehr allein schaffen würden, gibt es bei uns auch wieder nicht zu tun."

Wieder drehte er das Wasser ab und machte sich mit seinem Begleiter auf den Rückweg.

"Weißt du, meine Mutter wollte, dass ich auf den Ball gehe."

Severus reagierte darauf nicht. Von James, Sirius oder Peter wäre nun sicher ein interessiertes "Ach wirklich?" oder etwas in dieser Richtung gekommen, doch der Spross der Snapes blieb stumm und lief neben seinem Kameraden her. Remus lächelte. Solang Severus ihn nicht um Ruhe bat, konnte er wohl getrost weiterreden. Wenn der andere es für richtig hielt, dann würde er schon etwas zu dieser Unterhaltung beitragen.

"Sie meinte ich sollte mit einem netten Mädchen hingehen und mir einen schönen Abend machen."

Er lachte leise.

"Manchmal ist sie einfach umwerfend."

Mit seinen Blicken musterte er den Freund neben sich. Noch immer keine Antwort. Wie es schien dachte der andere gerade über etwas nach. Der Braunschopf richtete seinen Blick wieder nach vorn, wollte er nicht unbedingt nähere Bekanntschaft mit einer Wand machen, waren sie auf dem Hinweg einmal abgebogen.

"Eigentlich hab ich ja nichts gegen den Ball und das mit der Dekoration bekomme ich sicher auch hin, das einzige Problem ist das Tanzen. Das ich nicht tanzen kann, das sag ich ja gar nicht. Es ist nur... So was wie Walzer oder so kann ich nicht. Da blamier ich mich sicher."

Er lachte leicht. Wenn er sich vorstellte wie er sich über die Tanzfläche bewegte. Da würden keine Füße heil bleiben. Er würde zum absoluten Gespött der Schule werden.

"Dann lass es doch einfach."

Überrascht sah Remus zu dem Slytherin. Eigentlich hatte er nun nicht mit einer Antwort gerechnet. Doch wie so oft kam es anders als gedacht.

"Aber das geht doch nicht. Wenn ich auf einen Ball gehe, dann wohl mit einem Mädchen und dann muss ich mit großer Wahrscheinlichkeit auch tanzen."

"Dann geh eben allein hin. Dann fordert dich auch niemand auf und dann machst du dich auch nicht lächerlich."

"Aber dann brauche ich ja gar nicht erst hinzugehen. Was soll ich denn dann bitte die ganze Zeit machen? Rumsitzen und Däumchen drehen?"

"Zum Beispiel."

Dem Jüngeren fehlten die Worte. Das konnte doch nicht wirklich Severus' Ernst sein. Oder etwa doch? Er sollte sich einfach hinsetzen und Däumchen drehen? Das ging doch nicht.

"Das würdest du doch auch nicht machen. Das wäre doch noch peinlicher."

"Ich geh erst gar nicht hin."

"Was? Aber wieso denn nicht?"

Als er keine Antwort erhielt runzelte der Gryffindor die Stirn, musste dann jedoch schmunzeln, als ihm ein Licht aufging. Ja. So langsam machte das alles einen Sinn.

"Verstehe... Du kannst auch nicht tanzen. Gib es zu."

Die Miene des Schwarzhaarigen verdunkelte sich. Er mied vehement den Blick des Schülers neben ihm.

"Ich hab also recht."

"Ja und?"

"Weißt du, Severus. Mir kommt da gerade eine Idee."

"Ich will gar nicht wissen was."

"Oh doch. Hör erstmal zu. Du kannst nicht tanzen. Ich kann nicht tanzen. Und wir beide wollen uns auf dem Ball nicht blamieren. Aber hingehen würden wir schon gern."

"Wir würden gern? Ich finde es interessant, dass du von dir selbst im wir sprichst."

"Ich meinte dich und mich", brummte Remus. "Das weißt du ganz genau. Jedenfalls könnten wir doch einfach zusammen üben."

Der junge Snape blieb abrupt stehen. Verwirrt wandte sich der Braunschopf zu ihm um.

"Was hast du?"

"Sag das noch mal."

"Ich will mit dir üben, und?"

"Nur über meine Leiche."

"Wieso denn?"

"Ich will nicht. Ganz einfach. Ich mach mich doch nicht lächerlich."

"Sei doch nicht so borniert. Außer mir sieht dich doch keiner beim Üben. Außerdem stell ich mich sicher genauso ungeschickt, wenn nicht noch ungeschickter an als du."

"Das kannst du vergessen. Wie gesagt: nur über meine Leiche."

Remus lächelte ihn zuckersüß und unschuldig an.

"Meinst du das ernst?"

"Ja. Das tue ich."

Das Engelsgesicht wandelte sich in ein sadistisches Grinsen.

"Schön, dann werde ich dich wohl oder übel beim Wort nehmen müssen."

Severus schluckte schwer.

"Du verbringst eindeutig zu viel Zeit mit Potter und Black."
 

Die Große Turmuhr der Schule schlug Zwölf, als die Schüler nach und nach in die Große Halle strömten um dort ihr Mittagessen zu sich zu nehmen. Nachdem Lily, Severus und Remus das Putzzeug weggeschafft hatten - Filch hatte nichts an ihrer Arbeit tadeln können, man spiegelte sich tatsächlich im Boden - gingen auch sie in den Saal.

"Noch viel Spaß mit Andromeda", meinte Severus und ging zu seinem Haustisch hinüber.

Die beiden Gryffindors sahen sich an und waren sich auch ohne Worte einig. Es wäre ihnen besser ergangen, hätten sie die Ravenclaw einfach ignoriert. Beide hatten sie keine Lust an der Ballgestaltung mitzuwirken. Wieso das bei Lily so war, das wusste Remus nicht, doch bei ihm waren es wohl die zwei linken Hände in Hinsicht auf handwerkliche Dinge. Ob es dagegen einen Zauber gab, der Abhilfe schaffte? Wenn ja, dann hätte er ihn äußerst gut gebrauchen können. Wer weiß, vielleicht gab sich sein Ungeschick im Laufe der Zeit, doch wohl nicht rechtzeitig für den Ball. Er musste sich wohl oder übel so durchschlagen.

Sein Magen riss ihn aus den Gedanken, knurrte dieser leise. Zusammen mit der Rothaarigen ging er auf den Gryffindor-Tisch zu. Sirius pfiff nach ihnen. Lily verdrehte leicht genervt die Augen, sagte jedoch nichts. Die beiden nahmen bei den drei Erstklässlern Platz.

"Habt ihr euch also wieder vertragen?", fragte James grinsend.

"Wonach sieht das denn aus?", giftete ihn die junge Evans an.

"Lily, bitte", meinte Remus und sah sie eindringlich an.

Die Ermahnte grummelte etwas, das wie "arrogant" und "eingebildeter Fatzke" klang und begann zu Essen. James sah sie mit angesäuerter Miene an und murmelte ebenfalls etwas - "blöde Zicke" und "unverschämt" soweit Remus verstand - und aß weiter. Remus tat es seiner Freundin gleich, wobei er einen Blick hinüber zum Slytherin-Tisch warf. Severus hatte sich bereits gesetzt. Zu seiner Linken der platinblonde Siebtklässler und dessen Gefolge. Zu seiner Rechten die anderen Reinblüter ihres Jahrganges. Er sah, wie Lucius eindringlich mit dem Jüngeren redete. Er schien erregt. Als er kurz aufsah und eine heftige Kopfbewegung Richtung Gryffindor-Tisch - es hätte jeder andere Tisch sein können, aber Remus wusste, dass es dieser war - machte, trafen sich ihre Blicke. Einen Moment setzte der Herzschlag des Erstklässlers aus. Die eiskalten Augen waren voller Abscheu und Hass. Schlimmer noch als sonst. Auch Severus sah auf und einige der umsitzenden Slytherins wandten sich um. Das alles dauerte nur wenige Sekunden, bis sie sich wieder von dem Braunschopf loseisten und Malfoy - Remus als Einziger nicht aus den Augen lassend - weitersprach. Der dunkelhaarige Erstklässler war bis jetzt weitestgehend ruhig geblieben, doch Remus spürte, wie auch in diesem der Zorn aufloderte. Und er behielt recht. Der bis eben stumme Nachkomme der Snapes begann nun in eine heftige Debatte mit dem Älteren zu verfallen. Sie zogen die Aufmerksamkeit einiger Schüler auf sich. Auch Sirius blieb das ganze nicht verborgen, war er dem Blick seines Freundes gefolgt.

"Geht ja ganz schön heiß her", meinte er tonlos.

Remus zuckte zusammen, hatte er nicht damit gerechnet, dass der Schwarzhaarige es mitbekam. Sirius wandte sich wieder um und sah den jungen Lupin mit einem wissenden Blick an.

"Du hast also mit ihm gesprochen?"

Remus nickte.

"Ja, hab ich. Gestern Abend."

"Über was hast du mit wem gestern gesprochen?", fragte James interessiert, dem das Geschehen am - für ihn - feindlichen Haustisch nicht entgangen war. "Geht es um Snape?"

"Severus!", betonte Lily nachdrücklich. "Nicht Snape. Verstanden?"

"Ach, und wieso nicht, wenn ich fragen darf, Miss Evans?!", spöttelte er.

"Weil er-"

"Weil er Lilys und mein Freund ist", unterbrach Remus sie.

"Wie bitte?! Ich glaub ich hör nicht richtig! Sag das noch mal", stieß James entsetzt aus und starrte den neben ihm Sitzenden entgeistert an. "Das ist doch nicht dein Ernst, oder?!"

"Doch, das ist Remus' Ernst!", rief die Rothaarige sauer.

"Dich hab ich nicht gefragt. Halt dich da gefälligst raus, Evans! Das geht dich nichts an."

"Natürlich geht mich das was an! Severus ist mein Freund. Wenn du schlecht über ihn redest, dann hör ich da nicht einfach stumm zu. Außerdem kann es dir doch egal sein mit wem Remus befreundet ist und mit wem nicht!"

"Das gilt für dich genauso! Wenn ich mit ihm reden und du nicht gefragt bist, dann bist du still, klar?!"

"Willst du mir etwa den Mund verbieten, Potter?!"

"Wenn du so willst, dann j-"

"RUHE!"

Ein einheitliches erschrockenes Zucken ging durch die Halle. Alle wandten sich zum Gryffindor-Tisch um. Als sie jedoch die Blicke Remus' auffingen, drehten sie sich so schnell wie möglich wieder fort. Er wandte seine Aufmerksamkeit den beiden Streithähnen zu. Mit gezügeltem Temperament setzte er leise, aber zugleich bedrohlich und eindringlich wieder an.

"Ihr solltet euch nicht darum streiten wen ich zum Freund habe und wen nicht. Schon gar nicht genau vor meiner Nase. James - Du, Sirius und Peter; Lily - Du, Andromeda und Severus. Ihr seid alle meine Freunde und ich ziehe niemanden von euch irgendjemandem vor, klar?"

Er sah in die haselnussbraunen Augen des Schwarzhaarigen.

"James - auch wenn du es mir nicht glauben willst - Severus ist kein schlechter Mensch. - NEIN, ICH WILL JETZT KEIN WORT VON DIR HÖREN! - Vielleicht ist er ja in Slytherin und seine Familie ist nicht gerade die beste, aber er ist wirklich in Ordnung. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du ihn zukünftig in Ruhe lassen würdest. Wenn ich euch bei irgendeinem Streich erwische, der gegen ihn geht, dann gnade euch Gott! Und hör auf Lily ständig anzumotzen. Sie hat dir gar nichts getan."

Nun wandte er sich der Rothaarigen zu.

"Lily - ich weiß, dass du James vielleicht nicht ausstehen kannst, aber für ihn gilt das gleiche, wie für Severus. Du hast gesagt, dass du allen einen faire Chance gibst, aber bei James hast du das nicht getan. Bitte versuche dich mit ihm zu vertragen. Ich will nicht, dass sich meine Freunde ständig untereinander fertig machen. Dafür gibt es schon genügend andere Widerlinge hier in der Schule."

Einige Zeit herrschte Stille zwischen den fünf Gryffindors. James fand als erstes seine Sprache wieder.

"Wieso lässt du dich mit Snape ein, Remus? Weißt du nicht mehr, was er dir zu Schuljahresanfang für Beleidigungen an den Kopf geworfen hat? Außerdem hat er dich die ganze Zeit über ignoriert und wie Abschaum behandelt. Willst du wirklich mit ihm befreundet sein?!"

Er schluckte, als er die vor Überzeugung glitzernden Augen des Jüngsten sah.

"Was er damals gesagt hat, das war ein Scherz. Du und Sirius - ihr habt es nur falsch aufgefasst. Und ich kann mir auch gut vorstellen warum er sich so verhalten hat, wie du es gerade beschrieben hast. Und daher kann ich dir mit Gewissheit antworten. Ja, ich will mit ihm befreundet sein. Und daran kannst selbst du nichts ändern."

Dem Schwarzschopf fehlten die Worte. Es war für seinen Freund wirklich unumstößlich. Er war davon überzeugt und stand zu seinem Wort. Nun mischte sich Lily ein.

"Und was ist, wenn er", sie deutete auf den elfjährigen Potter, "sich nicht an die Abmachung hält? Was ist, wenn er Severus doch das Leben schwer macht?!"

"Das wird er nicht. Oder James?"

Dieser murmelte ein leises "Hm..." und stand auf.

"Ich geh nach oben. Hab keinen Hunger mehr."

Mit einem leisen Seufzen ging er auf die Flügeltüren zu. In exakt dem gleichen Moment erhob sich auch Severus. Anscheinend war auch seine Unterhaltung mit Lucius beendet. Beide funkelten sie sich zornig an, bis auch der Slytherin auf den Ausgang zumarschierte. Dort traf er auf James. Die beiden sahen sich kurz an und warfen sich angewiderte Blicke zu, bis sie zeitgleich nach draußen verschwanden und ihre getrennten Wege gingen.

Remus starrte noch eine Zeit lang zu den Türen. War der Ausgang dieser Geschichte nun gut oder schlecht gewesen? Gut, es lebten noch alle und er konnte endlich mit offenen Karten spielen und musste weder mit James und Sirius, noch mit Severus und Lily Katz und Maus spielen. Aber die Reaktionen waren doch heftiger ausgefallen, als er erwartet hatte. Eigentlich war es recht verblüffend, dass sie alle noch heil und unversehrt waren. Es war ebenfalls erstaunlich, dass sich die beiden Reinblüter eben gerade nicht gegenseitig an die Wäsche gegangen waren. Vielleicht war dies ja doch ein kleiner Lichtblick. Vielleicht aber auch nur Täuschung. Vermutlich saß die Verwirrung und der - wenn man es so nennen konnte - Schock noch zu tief in James' Knochen. Doch lange würde die geistige Lähmung sicherlich nicht währen. Ließ sie nach, so würde Remus als erster die Konsequenzen des heutigen Mittagessens spüren. Im Moment war ihm lediglich der Appetit vergangen. Wie auch den anderen Beteiligten.
 

"Da seid ihr ja endlich!"

Remus blieb abrupt stehen, als er Andromeda auf sich zustürmen sah. Er und Lily hatten kaum die Bücherei betreten, da kam ihnen die Ravenclaw auch schon entgegen. Sie warfen sich gegenseitig vielsagende Blicke zu und kamen zu einer stummen Übereinkunft. Andromeda war eindeutig zu aktiv. Es wäre wohl besser, wenn man sie ein wenig bremsen würde.

"Was schaut ihr denn so? Ist was?"

"Nein, nichts", antworteten sie zeitgleich und grinsten sich an.

"Versteh einer die Gryffindors... Egal. Jetzt kommt! Die anderen warten alle schon."

Ohne weitere Diskussion kamen die beiden Erstklässler der Aufforderung nach und folgten der Schwarzhaarigen.

"Sag mal, wer ist "alle"? Hast du nicht gesagt, dass da nur noch drei aus der Siebten und jemand aus der Fünften ist?", fragte Remus neugierig.

"Exakt. Das meinte ich auch mit "alle"."

"Aber dann sind wir ja nur zu siebt", meinte Lily. "Reicht das denn? Ich meine, immerhin müssen wir die ganze Große Halle dekorieren. Sind da sieben Leute wirklich genug?"

"Ich denke schon. Sieben ist doch eine gute Zahl. Nicht zu wenig und nicht zu viel."

Andromeda grinste ihre Freundin an. Lily enthielt sich ihres Kommentars, wie auch Remus. Als er die junge Ravenclaw kennen gelernt hatte, war er von ihr ebenso angetan gewesen, wie von Lily. Diese beiden hatten einfach eine phänomenale Ausstrahlung, die schwer in Worte zu fassen waren. Bereits zu Beginn hatte er sie als recht emotionale und liebenswerte Personen eingestuft, was sich bis jetzt auch bestätigt hatte. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass Andromeda so vor Energie spross. Wenn man genauer darüber nachdachte, dann konnte man schon Angst bekommen. Es wunderte ihn stark, woher sie nur diese Kraft nahm. Er schmunzelte. Die junge Black war die weibliche Verkörperung des Wortes Dynamik. Oftmals wurde diese Überschwänglichkeit von den Erwachsenen mit den Worten "Das liegt an der Pubertät." abgespeist, allerdings fragte sich Remus, ob dies auch bei Andromeda galt oder ob sich das auch nach der besagten Reifezeit bei ihr fortsetzen würde. Immerhin hatte sie sich - laut Severus - auch schon in frühster Kindheit so benommen. Und das Kleinkindalter betrachtete man normalerweise nicht als Pubertät. Er lächelte. Was er schon wieder für Überlegungen anstellte. Ob sich das bei ihm noch einmal ändern würde? Manche Menschen konnten einen recht radikalen Wandel ihrer Persönlichkeit im Laufe ihres Lebens vollziehen, andere änderten sich wohl nie. Hätte er sich selbst einschätzen sollen, dann hätte er es für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten, dass aus ihm mal jemand wie beispielsweise Sirius oder James wurde. Andererseits würden dies die Leute, die genannte Hundertachtziggradwendung vollzogen, ebenso sagen. Was war also für ihn wahrscheinlicher? Ob er eine - wenn man es so nennen konnte - Entwicklung durchmachen würde? Und wenn ja - zum Guten oder zum Schlechteren? So, wie er jetzt war, war er so gut? Oder war er so schlecht? Oder war er okay? Einfaches Mittelmaß?

"He, Remus! Hallo! Erde an Mond. Erde an Mond. Hörst du mich?"

Der Braunschopf schreckte aus seinen Gedanken auf und sah Andromeda irritiert und ein wenig erschrocken - aufgrund des Wortes Mond - an.

"Wie? Was? Entschuldige... Hast du was gesagt?"

"Remus...", stöhnte Andromeda leise.

Am Tisch hinter ihr saßen ein paar Mädchen und kicherten.

"Wie niedlich", meinte eine Blonde. "Der ist ja noch niedlicher, als du ihn beschrieben hast, Ann."

Andromeda grinste das Mädchen - vermutlich die Fünftklässlerin - an.

"Und noch verträumter, als ich gesagt habe."

Die Ravenclaw wandte sich wieder dem Erstklässler zu.

"Ich hatte euch gerade vorgestellt. Aber wenn du mal wieder in deinen Tagträumen versinkst."

"Das waren keine Tagträume", entgegnete Remus ein wenig patzig.

"Und was dann?"

"Ich hab nur nachgedacht. Mehr nicht."

"Also doch Tagträume", sagte Andromeda grinsend.

Remus warf ihr einen finsteren Blick zu.

"Denk doch was du willst", erwiderte er grummelnd.

"Ach wie süß!", rief eine der Siebtklässlerinnen. "Jetzt schmollt er auch noch."

"Sag mal, bist du noch zu haben?", fragte eine zweite Schülerin des ältesten Jahrgangs.

Dem jungen Gryffindor stand die Verwirrung sichtlich ins Gesicht geschrieben. Remus fragte sich, was das Ganze sollte. Auf die Frage hin färbten sich seine Wangen leicht rot, woraufhin die älteren Schülerinnen erneut ihre Angetanheit kund taten. In diesem Moment bereute er es zutiefst zugesagt zu haben. Er allein. Mit einem Haufen Mädchen? Das ging doch nicht gut. Andromeda hatte zwar gemeint, dass sie männliche Unterstützung brauchten, doch ob er da der Richtige war? In zehn Tagen stand der Vollmond schon wieder bevor. Im Moment spürte er glücklicherweise noch keine Anzeichen des nahenden Tages. Aber das würde sich auch bald ändern. Und dann würde er den Mädchen sicherlich keine große Hilfe mehr sein. Immerhin konnte er dann nicht mehr wirklich tatkräftig mit anpacken, geschweige denn vernünftig denken, würde sein Kreislauf sicherlich wieder verrückt spielen. Er seufzte leise. Wieso konnte er kein einfaches, normales Leben führen, wie alle anderen auch? Wieso musste er sich mit dem Wolf in seinem Inneren abgeben? Wieso musste er immer wieder gegen diesen ankämpfen, obwohl der Kampf so oder so sinnlos war? Zwar hieß es, dass Herausforderungen zu bewältigen stark macht, doch was, wenn man sich einer Herausforderung stellte und diese nicht bewältigen konnte? Egal wie sehr man sich anstrengte. War es dann nicht verständlich, wenn man nach und nach seinen Mut verlor? Die Kraft langsam nachließ? Der Wille zur Wehr schrumpfte? Manches Mal ging es dem Brünetten wirklich so. Ab und an fragte er sich, wieso er sich so quälte. Wieso er nicht einfach aufgab und alles auf sich zukommen ließ.

,Ich sollte nicht so pessimistisch sein. Das Selbstmitleid ist ja fast krankhaft', dachte er betrübt. ,Ich kann es nicht ändern, also muss ich damit leben. Finde dich damit ab, Remus.'

Eh er es sich versah, wurde der Gryffindor auch schon auf einen Stuhl gedrückt. Andromeda und Lily nahmen links und rechts von ihm Platz.

"Als erstes sollten wir die Aufgabenverteilung besprechen", meinte die Brünette Siebtklässlerin. "Also bis jetzt haben wir folgende Bereiche: Musik, Licht, Dekoration der Decke, Dekoration von Wänden und Boden, Essen und Getränke, Dekoration von Tischen und so weiter und dann natürlich noch der Einlass. Die Eingangshalle sollte auch etwas geschmückt werden und außerdem muss sich jemand um die Gäste kümmern. Das sind dann also sechs bis sieben Bereiche. Wer will was machen?"

"Wir würden gern für die Musik und Essen und trinken sorgen", äußerte die dunkelhaarige Siebtklässlerin, die dabei auf sich und die letzte Siebzehnjährige deutete.

"Und ich bin für die Beleuchtung zuständig", warf Andromeda ein und ließ dabei keine Widerworte gelten.

Die Brünette Siebtklässlerin nickte nur zustimmend und schrieb die Namen und den jeweiligen Arbeitsbereich auf.

"Gut, dann mach ich den Einlass und was sich da noch bietet", überlegte sie, "Und du Sarah willst doch sicher die Deko der Tische und Stühle und so weiter, nicht?"

Die Blonde Fünftklässlerin nickte und grinste.

"Wie hast du das nur wieder erraten?"

"Tja, ich kann eben deine Gedanken lesen, Schwesterherz. - Okay, jetzt haben wir noch die Dekoration von Wänden, Boden und Decke übrig", sagte sie, während sie Lily und Remus lächelnd ansah. "Macht ihr beiden das zusammen?"

"Wir sollen die ganze Halle schmücken?", fragte die beiden synchron und in gleicher überrumpelter und ungläubig entsetzter Tonlage.

"Ja, sollt ihr", kam es fünfstimmig und auch ein wenig schadenfroh zurück.

Die anderen grinsten sich schelmisch an. Die beiden Gryffindors warfen sich entnervte Blicke zu. Sie hatten wohl keine andere Wahl als sich geschlagen zu geben. Die Mehrheit entschied und sie gehörten eindeutig nicht dazu. Remus fragte sich, wieso sie noch gleich zugesagt hatten. Nun ja, wenn man es genau nahm, dann hatten sie dies eigentlich gar nicht getan. Wenn man es genau nahm, dann hatte sie ihre Freundin ausgetrickst. Freiwillig hätten die beiden sicher nicht zugesagt. Und das hatte die Ravenclaw auch gewusst. Daher hatte sie sie auch einfach umgangen. Ein leiser Seufzer stahl sich über seine Lippen. Nun war es zu spät sich weiter solche "Hätte-wenn-und-aber"-Fragen zu stellen.

,Augen zu und durch...'
 

Es war schon recht spät geworden. Die Diskussion hatte recht lang gedauert, sodass sie das Abendessen hatten ausfallen lassen. Geschafft kletterte Remus durch das Porträtloch und betrat den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, dicht gefolgt von Lily. Im Gemeinschaftsraum hatten sich hier und da kleine Grüppchen gebildet. Am Kamin waren glücklicherweise noch zwei Plätze frei. Der Braunschopf deutete zu diesen und Lily nickte nur zustimmend. Sie ließen sich in den roten Ledersesseln nieder und genossen die Wärme des Feuers. Nach einem solchen Tag tat ihren müden Knochen ein wenig Erholung gut.

"Was denkst du?", fragte die Rothaarige leise. "Ob der Ball was wird?"

"Weiß nicht", seufzte der Spross der Lupins leise. "Aber ich denke schon. Ist zwar alles ein wenig chaotisch, aber irgendwie schaffen wir das schon."

"Ja, du hast wohl recht", erwiderte die Erstklässlerin lächelnd. "Wenigstens machen wir die Deko zusammen."

Das Einzige, was Remus noch über seine Lippen bekam war ein leises "Hmmm..." begann die Wärme ihn einzulullen. Aber er konnte Lily nur zustimmen. Da sie gemeinsam Unterricht hatten und im gleichen Haus waren, sahen sie sich oft. Um die ganzen Planungen durchzuführen, war dies auch notwendig. Daher war es praktisch, dass sie für die Dekoration der Halle verantwortlich waren. So konnten sie sich einfach und schnell absprechen. Nichts desto trotz ärgerte er sich doch. Immerhin hatten die anderen ihnen den wohl schwierigsten Teil und auch den umfassendsten aufgehalst. Lily und er durften sich keine Fehler erlauben. Es musste einfach perfekt werden. Schließlich würde schlussendlich alles auf sie zurückfallen. Da war es doch wesentlich angenehmer Lob entgegenzunehmen, als höhnisches Gelächter und spitze Kommentare. Von denen hatte er in letzter Zeit genug einstecken müssen. Zwar waren inzwischen ein paar Wochen vergangen, seit sich das Unglück mit dem Vampir ereignet hatte, doch noch immer mied ihn ein Großteil der Schüler. Noch immer spürte er hier und da abwertende oder gar ängstliche Blicke und das Trieb ihn so manches Mal in den Wahnsinn. Äußerlich hatte er sich nichts anmerken lassen und ganz nach dem Prinzip "harte Schale, weicher Kern" gehandelt - und das, obgleich er wusste, dass man seinen Frust und Ärger nicht herunter schlucken sollte, würde sich dies alles irgendwann ein Ventil suchen, durch welches es nach draußen dringen konnte. Und die Person, die zu dieser Zeit in Remus' Nähe war, würde nichts zu lachen haben. Ob sie nun Schuld an der ganzen Misere trug, oder nicht. In einigen Nächten hatte er lange wach gelegen und über alles nachgedacht, doch seine Gedanken waren wie vernagelt. Mit denken kam er einfach nicht voran. Es war ihm klar, dass er den Vampir finden musste. Ob er wollte oder nicht. Allerdings wusste er ja noch nicht einmal, ob das ganze nur eine einmalige Sache gewesen war oder ob der Blutsauger sich noch immer irgendwo hier im Schloss aufhielt. Vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken darüber und der Täter war schon längst nicht mehr in der Gegend. Wenn dies so war, dann würde sich eine solche Tat nicht wieder zutragen und er musste nur die Zeit verstreichen lassen, bis auch die anderen Schüler von seiner Unschuld überzeugt waren.

Während er gegrübelt hatte, hatte er gedankenverloren in das Feuer gestarrt. Es musste einige Zeit verstrichen sein, war aus den Flammen ein leichtes Glimmen geworden. Er sah auf. Der Raum hatte sich weitestgehend geleert. Ein sanftes Lächeln zierte seine Züge, als er Lily schlafend im Sessel neben sich entdeckte. Er stand auf, ging zu ihr und beugte sich leicht zu ihr vor.

"He, Lily. Wach auch", wisperte er ihr ins Ohr.

Ein paar Mal musste er sie ansprechen, bevor sie langsam verschlafen die Augen öffnete. Remus zog den Kopf ein Stück zurück und lächelte sie an.

"Du solltest lieber in deinem Bett schlafen. Das ist bequemer."

"Ich...bin eingeschlafen?", fragte der Rotschopf verwirrt und gähnte leise, eine Hand vor den Mund haltend.

"Ja", erwiderte der junge Lupin leise und lächelte sie noch immer an. "Es ist schon spät. Lass uns schlafen gehen."

Lily nickte und stand auf. Sie sah ihn an und erwiderte sein Lächeln warm.

"Gute Nacht Remus."

"Gute Nacht Lily."

Der Nachwuchs der Evans' verschwand die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hinauf. Remus begab sich zu der, die zu den Räumlichkeiten der männlichen Gryfindorbewohner führte. Erst jetzt, als er nicht mehr in dem gemütlichen Ledersessel saß und nachdachte, begann die Müdigkeit in seinen Leib zu fahren. Ein leises Gähnen stahl sich über seine Lippen. Es war wirklich spät. Das Einzige, wonach er sich nun sehnte, war sein Bett. Ob die anderen noch wach waren? Seit dem Mittagessen hatte er sich nicht mehr gesehen. Er seufzte. Ja, das Mittagessen. Wie katastrophal es doch ausgefallen war. Jetzt wussten auch Sirius, James und Peter genauestens bescheid - und auch ein Großteil der anderen Schüler und morgen früh wusste es mit Bestimmtheit die gesamte Schule. Ob James inzwischen über alles nachgedacht hatte? Sicherlich gefiel ihm das alles nicht, doch musste er damit Leben. Remus grauste es davor, wenn er das nächste Mal mit dem Schwarzhaarigen sprach. Er würde sicherlich ein Donnerwetter erleben. Immerhin hatte er - Remus - ihn - James - angeschrieen und vor den anderen bloßgestellt. Ohne großes Federlesen hatte er dem anderen seinen Willen aufgezwungen und auch noch Forderungen gestellt. Der junge Potter - mit seinem nicht zu kurz geratenem Ego - würde dies gewiss nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Neben einer verbalen Auseinandersetzung würde eventuell auch noch eine handgreifliche folgen, so fürchtete Remus.

Vor der Tür zum Schlafsaal angekommen, blieb er zunächst zögernd stehen. Innerlich flehte er, dass der andere bereits schlief und das ihm das Alles zumindest bis morgen - am besten ganz - erspart bleiben würde. Er atmete tief ein und betrat schließlich das Zimmer. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lies er seinen Blick durch den Raum schweifen. Er schluckte schwer, als er James auf seinem Bett sitzen sah und dieser gedankenverloren vor sich hinstierte. Erst, als der Braunschopf sich aus seiner Starre löste, hob der andere seinen Kopf und sah den Neuankömmling unverwandt an. Wieder blieb Remus stehen, war er nicht sicher was er jetzt tun sollte. Nachdem sie sich einige Zeit lang stumm angesehen hatten, durchbrach James die Stille mit leiser und kraftlos wirkender Stimme.

"Willst du da ewig stehen bleiben?"

Der Jüngere schüttelte den Kopf und ging zu James' Bett. Die anderen schliefen bereits, wobei er sich bei Sirius nicht wirklich sicher war, holte dieser übertrieben stark Luft, nur um zu demonstrieren, dass er atmete und wirklich schlief. Der Spross der Blacks war wirklich ein schlechter Schauspieler.

"Darf ich mich setzen?", fragte Remus vorsichtig und erhielt als Antwort ein leichtes Nicken, worauf er bei James Platz nahm.

"Ich versteh es immer noch nicht", murmelte dieser nahezu lautlos. "Wie konntest du dich mit Snape anfreunden? Das will nicht in meinen Kopf rein."

Remus lächelte milde. Er war von den Worten des Anderen zutiefst gerührt. Wegen ihm und seiner Freundschaft zu Severus hatte sich der junge Potter den Kopf zerbrochen und hatte nicht aufhören können über dies alles nachzudenken. Nur ein wahrer Freund nahm sich die Dinge so zu Herzen, wie James es gerade tat. Es rührte ihn sehr, dass der Schwarzhaarige sich wegen einer so kleinen Lappalie derart den Kopf zerbracht.

"Erklär es mir, Remus. Selbst Sirius hat sich mit dieser Tatsache einfach abfinden können. Wieso kann ich das also nicht auch? Sirius hat mir versucht die ganze Sache zu erklären und mich zu beruhigen, aber ich versteh es einfach nicht."

Der Ältere sah seinen Gegenüber mit hilflosem und flehendem Blick an. Der Brünette könnte nur lächeln.

"Ach, James", begann er mit sanfter Stimme. "Du kennst doch sicherlich das Sprichwort "Wo die Liebe hinfällt", oder nicht?"

Sein Konversationspartner nickte leicht und sah ihn irritiert an.

"Ja, schon. Aber was hat das bitte mit-"

"Und mit der Freundschaft ist es genauso. Ich kann dir auch nicht erklären, wieso Severus - genau wie du - mein Freund ist. Es hat sich so ergeben. Und eigentlich bin ich auch sehr froh darüber, dass es so ist, wie es jetzt ist. Severus ist nicht so, wie du vielleicht denkst. Er ist wirklich - WIRKLICH kein schlechter Mensch, James. Zwar läuft er immer mit einem "ich kann alles"-, "ihr interessiert mich alle einen Scheißdreck"- und einem "sieben Tage Regenwetter"-Gesicht durch die Gegend, aber wenn du ihn näher kennen lernst, dann wirst du vollkommen anders von ihm denken. Glaube mir."

"Snape näher kennen lernen? Nie im Leben!"

James warf Remus einen angewiderten und ungläubigen Blick zu. Der Nachwuchs der Lupins schüttelte leicht den Kopf.

"Nein, ich will ja gar nicht, dass du ihn näher kennen lernst. Das Einzige, worum ich dich bitte ist, dass du ihn als meinen Freund akzeptierst. Mehr nicht. Du musst ihn nicht über alle Maßen lieben, du musst ihn noch nicht einmal mögen können. Ich würde mir nur wünschen, dass du mir meine Freundschaft zu ihm gönnst und dass du ihn mit deinen Streichen und Sticheleien verschonst."

Remus lächelte James an.

"Ich bin froh Menschen wie euch alle gefunden zu haben und ich würde euch - dich, Sirius, Peter, Severus, Andromeda und Lily - um keinen Preis in der Welt wieder hergeben. Also bitte ich dich, James. Bitte sei nicht sauer auf mich. Sag bitte ja. Bitte."

Der Braunschopf sah seinen Gegenüber mit flehendem Blick an. In James begann es wie wild zu arbeiten. Voller Ungeduld beobachtete Remus den anderen. Er achtete auf jede noch so kleine Reaktion. Und da! Ein sehr leichtes Nicken und ein nahezu stimmloses "Ja." Stürmisch fiel der Jüngere dem Dunkelhaarigen um den Hals.

"Danke, James! Danke, danke, danke!"

Der Angesprochene erwiderte die Umarmung ein wenig zögernd.

"Freunde dich an mit wem du willst. Verstehen tu ich es trotzdem nicht", seufzte James ein wenig entnervt, aber auch erleichtert.

Doch nicht nur Remus war derjenige, der sich freute. Auch über die Züge des vermeintlich schlafenden Sirius' huschte ein zufriedenes Lächeln.
 

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1.Akt, Kap. XV - Ende

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1.XVI.Übung macht den Meister

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1.Akt: Kapitel XVI: Übung macht den Meister

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"Wieso ist das hier unten immer so eiskalt?", murmelte Lily, die ihren Umhang enger um sich schlang.

"Das hat das Kellergewölbe so an sich", meinte Remus lächelnd.

"Wieso müssen wir den Kerl ausgerechnet Montagmorgen haben? Da ist gleich die ganze restliche Woche versaut", grummelte Sirius und James und Peter hinter ihm nickten nur zustimmend.

"Und ausgerechnet mit den Slytherins", stöhnte der junge Potter. "Das kleine Aas Avery nervt mich so dermaßen. Das glaubt ihr gar nicht."

Lily funkelte ihn verstimmt an.

"Jetzt, wo du Severus nicht mehr ärgern kannst, da suchst du dir gleich jemand anderen aus. Typisch."

James erwiderte ihren Blick trotzig.

"Können tu ich schon", meinte er, "aber ich soll ja nicht. Außerdem kann es dir doch egal sein, mit wem ich meine Späßchen treibe und mit wem nicht. Oder soll ich es mal mit dir probieren?"

"Versuch es doch mal, Potter."

"James, Lily, könnt ihr bitte damit aufhören?", fragte Remus und sah die beiden bittend an. "Nicht so früh am Morgen."

Die zwei Erstklässler grummelten leise, ließen jedoch kein weiteres Wort verlauten. Als die Schüler Gryffindors in den nächsten Gang einbogen, erspähten sie auch schon die Slytherins, die wartend vorm Unterrichtsraum für Zaubertränke standen. Professor Novis hatte sie wie immer noch nicht eingelassen. Er wartete stets bis Punkt Neun, bevor die Schüler das Zimmer betreten durften. Solang mussten sie in dem kalten Korridor ausharren. Wobei man bedenken sollte, dass es im Klassenzimmer nur eine winzige Spur wärmer war als hier draußen. Die Slytherins warfen ihnen abwertende und teilweise auch hasserfüllte Blicke zu. Wie jedes Mal, wenn sie die Zöglinge aus dem verfeindeten Haus sahen. Sirius und James konnten mit Leichtigkeit den Blicken der Slytherins-Schüler standhalten. Remus fragte sich, wessen Blicke furchterregender waren. Die seiner Freunde oder die der anderen. Ein wenig abseits der Slytherins stand Severus, der gerade in seinem Zaubertränkebuch blätterte - jedoch nichts zu finden schien. Remus und Lily gingen auf ihn zu.

"Guten Morgen", begrüßten die beiden ihn freundlich.

Er sah auf und lächelte leicht, als er sie sah.

"Morgen", erwiderte er in fast schon sanftem Ton.

Die anderen Junghexen und Jungzauberer um sie herum sahen Severus unglaubwürdig, irritiert oder gar schockiert an. Sahen sie da gerade richtig? Der eiskalte Severus Snape lächelte? Der verbohrte Slytherin sprach mit zwei Gryffindors? Noch dazu einem Halb- und einem Schlammblut? Und hatten sie auch richtig gehört? Der aalglatte Snape hatte die beiden gerade mit sanfter Stimme angesprochen. Keine Spur von Abweisung oder Ähnliches. Nichts. Stimmte es also? Das, was man sich am gestrigen Tage erzählt hatte? Waren ein Slytherin und zwei Gryffindors wirklich miteinander befreundet? Waren das nicht nur Gerüchte gewesen? Die Anwesenden konnten es wirklich nicht glauben.

James hatte seine Mimik gut im Griff. Er hätte schwören können, dass ihm gerade die Kinnlade heruntergeklappt war, als er Severus hörte und sah. Aber dem war glücklicherweise nicht so. Hatte Remus doch recht? War unter der groben Oberfläche doch ein recht ansehnlicher Kern?

,Von wegen! Doch nicht Snape. Er ist und bleibt eine vermaledeite Schlange.'

Sollte Remus doch mit dem Slytherin befreundet sein. Er hatte ihn gewarnt. Wenn der Braunschopf unbedingt blindlings in sein Verderben rennen wollte. Bitteschön. Sollte er das doch tun. Schaden machte bekanntlich klug.

Den Slytherins gefiel die Sache ganz und gar nicht. Einer der ihren beging gerade den größten Verrat, den man sich denken konnte. Mit zornig glitzernden Augen ging der Spross der Averys auf das Trio zu.

"Snape, was soll das?", fragte er in grantigem Tonfall.

Der Angesprochene wandte sich langsam zu ihm. Das Lächeln war schon wieder verschwunden. Er sah ihn mit gelangweilter Miene an.

"Was willst du, Avery?"

"Halt dich gefälligst von diesen Missgeburten fern."

Der Schwarzschopf funkelte seinen Gegenüber bedrohlich an.

"Ich warne dich, Avery. Noch ein falsches Wort und du wirst es bereuen je geboren worden zu sein."

"Du wagst es mir zu drohen?!", knurrte der Blondschopf.

Als Antwort erhielt er nur einen weiteren durchdringenden Blick, der verriet, dass Severus keinesfalls gedachte von seinem Standpunkt abzurücken und sich von dem Gleichaltrigen auch nicht einschüchtern lassen würde. Nun erhielt der aschblonde Slytherin jedoch Unterstützung von Lestrange.

"Also stimmt es tatsächlich?", fragte der leicht untersetzte Lestrange und sah den Schwarzhaarigen abschätzend an. "Du hast Malfoy also gestern keinen Bären aufgebunden? Das hast du wirklich ernst gemeint?"

"Sehr richtig, mein lieber Rastaban", erwiderte Severus mit öliger Stimme. "Wenigstens du scheinst zu verstehen."

Lestrange ging nicht auf die Beleidigung ein und hoffte, dass Avery es ebenfalls nicht tat. Er sah den Spross der Snapes ungerührt an.

"Wie konntest du so tief sinken, Snape? Gryffindors. Und noch dazu keine Reinblüter."

Rastabans Blick glitt an seinem Gegenüber vorbei und blieb an Remus und Lily haften. Während der Braunschopf ein wenig unglücklich drein schaute, war ihm dieser ganze Konflikt zuwider und hoffte er noch immer ihn in irgendeiner Weise friedlich beilegen zu können, funkelte die Rothaarige den jungen Lestrange nur grimmig an. Eigentlich hatte sie bis eben nichts gegen ihn oder Avery gehabt, aber so, wie die beiden über Severus und sie und Remus sprachen, konnte sie es nicht auf sich sitzen lassen. Sie setzte schon zu einer bissigen Bemerkung an, als Rastaban sich abwandte und wieder mit seinem Gegenüber - Severus - sprach.

"Du solltest dir das Ganze lieber noch mal gut überlegen, Snape", meinte er in eindringlichem Ton. "Du weißt, dass du mit Leuten wie den beiden nicht besonders weit in Slytherin kommen wirst und wie wenig wir und die anderen eure Freundschaft", er spie dieses Wort regelrecht aus, "gutheißen werden. So dumm bist du nicht, mein Guter, dass du die Konsequenzen nicht kennst."

Severus lächelte kühl.

"Wie rührend. Ich danke dir, dass du dir solche Sorgen um mein soziales Leben machst. Aber ich denke, dass ich gut selbst entscheiden kann, wer meine Freunde sind und wer meine Feinde."

"Behalt deine Anspielungen für dich!", knurrte Avery wütend. "Du hast deine Chance verspielt. Ich verspreche dir, dass das ein Spießrutenlauf für dich wird, Snape! Deine Tage als Slytherin sind gezählt."

Das einzige, was der Blondschopf für seinen unkontrollierten Wutausbruch erntete, war das höhnische und spöttische Gelächter Severus', das kalt und dumpf im Kerkergang widerhallte.

"So schaffst du es nie wie dein Götterbild Malfoy zu werden, Avery", ließ der Dunkelhaarige verlauten und sah den anderen Slytherin mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen an. "Im Gegensatz zu dir hat sich der gute Lucius im Griff. Selbst Rastaban hat mehr von Lucius als du, Taylor."

"Halt deine verdammte Klappe, Snape! Ich werde dir dein Leben zur Hölle machen! Das verspreche ich dir!"

"Avery! Lass dich nicht provozieren. Beruhig dich endlich", meinte ein braunhaariger Junge hinter ihm.

"Sei still, Rosier!", fuhr ihn der junge Slytherin an. "Er hat mich beleidigt. Das lass ich doch nicht auf mir sitzen!"

"Wenn du rumschreist, dann bringt dir das auch nichts, Avery", meinte Lestrange ruhig und fixierte Severus. "Das ist dein letztes Wort, Snape?"

Dieser lächelte noch immer kühl.

"Das ist es."

Er bedachte Taylor mit seinen Blicken.

"Und drohen lasse ich mir von euch nicht. Ihr seid nicht in der Position dafür. Lernt erst einmal ein Zehntel der Zaubersprüche, die ich beherrsche, dann können wir noch einmal darüber reden."

"Mit deiner spitzen Zunge wirst du dich noch einmal um Kopf und Kragen reden, Snape", erwiderte Lestrange mit belustigtem Unterton. "Du wirst schon sehen."

Der Schwarzhaarige Slytherin lächelte und lachte leicht.

"Ich freu mich schon drauf. Wer ließt mir denn dann die Leviten? Du? Avery? Rosier? Wilkies?"

"Wir werden sehen."

Kaum war die verbale Auseinandersetzung beendet, öffnete sich auch die Tür des Klassenzimmers. In recht ruppigem Ton forderte Novis die Schüler auf hereinzukommen und Platz zu nehmen. Remus ließ sich neben Severus nieder, wollte er nicht wieder allein sitzen und hatte er das dringende Bedürfnis mit dem Slytherin zu reden. Der Lehrer für Zaubertränke gab ihnen die Aufgaben - einen Schrumpfsaft brauen - und setzte sich dann selbst an seinen Tisch und begann einen Brief zu schreiben. Während Remus die Zutaten besorgt hatte, hatte Severus bereits das Feuer unter dem mit Wasser gefüllten Kessel entfacht und ihre benötigten Utensilien - Messer, Waage und weiteres - bereitgelegt.

"Tut mir leid", meinte der junge Gryffindor, als er die Kräuter zerkleinerte. "Ich wusste nicht, dass-"

"Dass die Freundschaft zu euch mir solche Schwierigkeiten bereitet?"

"Ja... Hätte ich das gewusst, dann-"

"Vergiss es, Remus", gab Severus mit einem leisen Seufzen zurück. "Es ist gut, so wie es ist."

"Aber-"

"Kein aber. In Slyhterin gibt es keine Freunde. Es gibt nur Herrscher und Beherrschte. Ganz einfache Spielregeln. Und dann gibt es noch die Außenseiter."

"Ich verstehe dich nicht", murmelte Remus und sah ihn fragend an.

"So schwer ist das nicht. Es gibt zwei Wege, wie man zum Außenseiter wird. Der eine ist, wenn du dich nicht unterwerfen lässt. Wenn du kein Schleimer und Kriecher werden willst und dich nicht der Gruppe anschließen willst. Wenn du so bist, dann gibt es für dich noch die Option zum Anführer zu werden. Aber meiner Meinung nach keine anstrebenswerte Position. Wenn ich mir vorstelle mich mit solchen Idioten wie Avery herumzuschlagen. Nein danke. Viel zu anstrengend. Also bleibt nur noch, dass man zum Außenseiter wird. Der zweite Weg von allen Slytherins verachtet zu werden, ist, wenn du dir die für Slytherin-Maßstäbe falschen Freunde aussuchst. Und wenn ich die Wahl habe zwischen einem Außenseiter, der von der gesamten Schule gehasst wird und einem Außenseiter, der Freunde hat, dann entscheide ich mich doch nur zu gern für letzteres."

Er lächelte Remus an.

"Also gib dir jetzt bitte nicht die Schuld. Ich bin zufrieden, so wie es ist. Und solange ich euch beide - dich und Lily - habe, sind mir diese Spinner egal. Außerdem können sie mir wirklich nichts anhaben. Ich kenne mindestens genauso viele Zaubersprüche, wie Malfoy. Also mach dir keine Sorgen."

"Und deine Eltern? Du hast doch gesagt, dass sie Leute wie mich und Lily abgrundtief hassen."

"Stimmt schon, aber da mach dir mal keine Sorgen. Die Einzigen, die meinen Eltern etwas von der Sache erzählen könnten, wären die Blacks oder Lucius. Andromeda wird nichts sagen, Narcissa interessiert sich zu sehr für Lucius und Bellatrix hat nur Augen für ihren Rodolphus. Von den dreien hab ich also nichts zu befürchten. Und Lucius. Nun ja, er wird nichts sagen. Eigentlich sollte er ja auf mich aufpassen. Wenn rauskommt, dass ich mit euch befreundet bin, dann werden ihm seine Eltern die Hölle heiß machen, dass er es so weit hat kommen lassen."

"Ich hoffe du hast recht."

Severus lächelte.

"Das habe ich. Und jetzt wirf endlich die Wolfswurz hinein, sonst können wir mit dem Trank von vorn anfangen."

Er lachte. Remus schmunzelte leicht. Vielleicht hatte der Spross der Snapes wirklich recht. Manchmal machte er sich einfach zu viele Gedanken. Er hatte sich doch gewünscht, dass Severus sich nicht davon beirren ließ, dass sowohl die Slytherins, als auch sein Elternhaus gegen ihre Verbindung sein würden. Und nun tat er es auch nicht. Dafür Remus selbst. Der Gryffindor sollte die Dinge wohl besser ebenfalls so akzeptieren, wie sie waren und sich für und mit Severus freuen. Er und Lily waren für den Dunkelhaarigen da, wie auch er für sie da sein würde. Das stand fest. Und so leicht würde sie niemand entzweien können.
 

Die Sonne schien strahlend hell vom Himmel. Der Schnee schillerte in allen möglichen Farben. Die Schneedecke war dick und man sank darin ein.

"Herrlich."

Remus lächelte, als er durch den Schnee lief. Nach den heftigen Schneestürmen der vergangenen Tage, herrschte nun tadelloses Winterwetter vor. Die Luft war klar und frisch. Der Braunschopf atmete tief ein und langsam wieder aus. Sein Atem stieg in einer großen Wolke gen Himmel.

"Fast wie in einem Märchen", meinte er verträumt.

"Nur, dass dann zumeist ein böses Erwachen kommt."

Remus lachte.

"Jetzt sei doch nicht so negativ, Severus. Außerdem kommt nach dem bösen Erwachen das Happy End. Und da der Schneesturm dein "böses Erwachen" war, ist das hier mein "Happy End". Ist doch schön, nicht?"

"Träumer", erwiderte der Slytherin seufzend.

Wieder lachte der Gryffindor. Sollte Severus ihn doch für einen Träumer halten. Diese wunderbare Landschaft und das ausgezeichnete Wetter machten aus jedem noch so engstirnigen Geist einen aufgeschlossenen, heiteren Menschen. Der Nachwuchs der Snapes selbst wirkte heute viel munterer und aufgeweckter. Auch seine Miene war nicht ganz so finster wie gewöhnlich. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass sie die morgendlichen Zaubertrankstunden hinter sich hatten und die Auseinandersetzung mit Avery und den anderen weitestgehend vergessen war.

Ihr Weg führte die beiden Erstklässler hinunter zum See. Remus staunte nicht schlecht, als er sah, dass ein Großteil des riesigen Gewässers zugefroren war. Lediglich in der Mitte prangte ein großes Loch in der sonst dicken Eisdecke. Der Braunschopf wandte sich seinem Begleiter zu.

"Hast du nicht Lust ein wenig Schlittschuh zu laufen?"

Severus hob eine Augenbraue und bedachte den jungen Lupin mit einem skeptischen Blick.

"Schlittschuhlaufen ohne Schlittschuhe?"

"Wieso nicht? Geht doch auch so."

"Wenn ich es könnte, dann würde ich eventuell ja sagen, aber da ich es nicht kann, halte ich es für eine dumme Idee."

Remus lachte.

"Na wenn du es nicht kannst, dann bring ich es dir bei. Komm mit!"

Er fasste den Slytherin am Handgelenk und zog ihn hinter sich her. Die Gegenwehr, die Severus ihm entgegenbrachte, zeigte keine Wirkung. Remus' Optimismus und gute Laune waren zu stark, als dass der andere etwas hätte ausrichten können. Kaum hatten die Füße Snapes die Eisfläche berührt, kam dieser auch schon ins Schlittern. Der Braunschopf hatte sich zu ihm umgewandt und auch bei der zweiten Hand ergriffen. Auch er geriet durch Severus' Ungeschick ein wenig ins Taumeln, doch fand er das Gleichgewicht schnell wieder. Er lächelte seinen Gegenüber an.

"Also pass auf. Ist eigentlich ganz einfach. Du musst einfach nur leicht mit deinen Füßen schlittern und dann geht es fast wie von selbst. Aber du darfst nicht zu weit gleiten, sonst verlierst du das Gleichgewicht. Wenn du Pech hast, dann endet das alles in einem Spagat."

Remus grinste. Severus funkelte ihn an.

"Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich es gar nicht lernen will?"

"Ja, hast du. Jetzt gerade eben."

"Dann hören wir auf damit."

"Nichts da. Ich bring es dir bei und damit basta. Du kannst dich noch so sehr sträuben."

Der Brünette grinste noch immer und zog den Erstklässler hinter sich her. Dieser stieß einen stummen Schrei aus, als er aus der Balance geriet, hatte er nicht damit gerechnet.

"Schön im Takt bleiben, Sev. Das kannst du gleich als erstes Tanztraining nehmen."

"Ich will weder Tanzen noch Schlittschuhlaufen lernen!", rief er sauer. "Hör endlich auf damit!"

"Nichts da! Wir stehen das zusammen durch, mein Lieber."

Severus hatte etwas erwidern wollen, doch da geriet er erneut aus dem Gleichgewicht und stürzte diesmal. Da Remus ihn festgehalten hatte, riss er diesen mit sich. Der Schwarzschopf stöhnte leise, war er hart auf dem Rücken gelandet. Der Gryffindor hingegen war weich gefallen. Er lag auf dem jungen Snape und sah ihn ein wenig verdutzt an. Dann grinste er breit.

"Das ist gar nicht witzig", stöhnte Severus, dem alles weh tat.

"Nein, ist es nicht", erwiderte Remus und verkniff sich das Lachen nur schwer. "Tut mir leid."

Er lachte leise, doch langsam ging dieses in haltloses Gelächter über, das ansteckend wirkte, stimmte schließlich auch der sonst so tiefgefrorene Severus mit ein.
 

"Geht doch!", rief Remus strahlend, als er neben Severus über das Eis lief.

Es wurde schon langsam dunkel. Sie hatten den ganzen Nachmittag geübt und inzwischen hatte der Slytherin den Dreh weitestgehend raus. Ab und zu wirkte das Ganze noch ein wenig ungeschickt, doch langsam machte sich der junge Snape. Langsam glitten sie zum Ufer zurück und Severus schien über alle Maßen erleichtert endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

"Nie wieder", rief er sauer und stapfte durch den Schnee davon.

"Aber wieso denn?", fragte Remus und schloss zu ihm auf.

"Darum! Ich mach mich doch nicht lächerlich."

"Aber das hast du doch gar nicht. Außerdem kannst du es doch jetzt."

"Von wegen."

"Mein Gott, Severus. Wieso bist du so verbohrt?"

Während sie zum Schloss zurückliefen, kühlte der Wind ihre Gemüter und als sie die Eingangshalle betraten, war ihre Stimmung schon wieder bei angenehmen Plusgraden angelangt.

"Ich habe mir übrigens auch schon Gedanken gemacht, wo wir tanzen üben können", meinte der Gryffindor gut gelaunt.

"Ich hab dir doch gesagt, dass ich es nicht lernen will", kam die etwas patzige Antwort.

"Du hast auch gesagt, dass du kein Schlittschuhlaufen lernen willst und ich hab es dir trotzdem beigebracht. Also keine Widerworte."

"Du bist noch nerviger, als Andromeda", stöhnte der Schwarzhaarige.

Remus grinste.

"Danke."

"Jetzt sag schon. Was hast du dir gedacht?"

"Wir könnten nachmittags oder abends üben. Wie du willst. Und Musik dürfte auch kein Problem sein. Am Anfang kommen sowieso die Trockenübungen."

"Und wo willst du bitte üben?", fragte Severus ein wenig entnervt.

"Im dritten Stock", lautete die einfache Antwort.

"Und wieso ausgerechnet da?"

"Weil wir da ganz unter uns sind und garantiert niemand zusehen wird. Peeves hat den Stock doch unterwassergesetzt. Deswegen wurde der Unterricht mit Professor Redwing auch in den Kerker verlegt. Und Dumbledore meinte ja, dass dieses Stockwerk erst nächstes Jahr wieder genutzt werden kann, weil die Behebung der Schäden länger dauert. Also ist das doch für unser Vorhaben der perfekte Ort, meinst du nicht?"

"Und wo genau willst du üben? Der dritte Stock ist groß."

"Das weiß ich noch nicht. Ich wollte mal auf Erkundungstour gehen. Wir können uns ja dann morgen im Treppenhaus treffen und ich sag dir dann, wo wir hingehen."

Severus wägte den Vorschlag ab und nickte schließlich leicht.

"Meinetwegen. Aber ich will nicht jeden Tag üben. So viel ist mir der Weihnachtsball auch wieder nicht wert. Schule geht vor."

"Schon klar, schon klar. Was hältst du von dienstags, donnerstags und sonntags gegen - sagen wir mal - achtzehn Uhr? Und dann bis zum Abendessen? Also eine Stunde. Ich denke, dass das ganz gut ist."

Wieder erhielt er von dem Slytherin ein leichtes Kopfnicken, womit dieser sein Einverständnis kund tat. Dreimal die Woche war mehr als genug. Bis Weihnachten dauerte es immerhin noch einen guten Monat. Wenn es sein musste, dann konnten sie in der Woche vor Heiligabend - wenn die Weihnachtsferien begannen - noch ein paar zusätzliche Stunden einplanen. Remus lächelte zufrieden, war doch alles gut - und nach seinem Plan - gelaufen.
 

Remus lief durch die Gänge und sah sich um. Im Halbdunkeln war dies keine einfache Angelegenheit. Er versuchte sich den Weg, den er ging so gut wie möglich einzuprägen, war er nicht sehr versessen darauf sich zu verlaufen. Zu gern hätte er seinen Zauberstab benutzt, allerdings hielt er es für keine gute Idee. Die Lehrer hatten ihnen untersagt in den dritten Stock zu gehen um die Renovierungsarbeiten nicht zu stören. Das keine Schüler hier waren, hieß jedoch noch lang nicht, dass auch keine Lehrkraft oder ihr guter alter Hausmeister ihr Unwesen trieben. Der Braunschopf bog um die nächste Ecke. Am Ende des Ganges konnte er eine Tür ausmachen, auf die er langsam zuging. Wenn er sich recht entsann, dann war das der Unterrichtsraum für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Vielleicht war das ja ein geeigneter Raum für ihn und Severus, wo sie üben konnten. Die Zimmer, in denen er bis jetzt nachgesehen hatte, waren entweder zu klein gewesen oder noch zu feucht, sodass sich schon leichte Spuren von Schimmel gebildet hatten, die die verzauberten Putzgegenstände zu entfernten versuchten. Er fand sich in seiner Vermutung bestätigt, als an der Tür ein Schild mit der Aufschrift "Verteidigung gegen die dunklen Künste" angebracht worden war. Zu seiner Enttäuschung musste er jedoch feststellen, dass die Tür verschlossen war.

,Was mach ich jetzt?'

Er begann zu grübeln. Wie bekam er die Tür am besten auf? Er kannte einen Spruch, aber er wollte ihm Partout nicht einfallen.

"Alohomara", sagte eine Stimme hinter ihm.

Der Türrahmen leuchtete und die Tür ging auf. Überrascht wandte sich Remus um und lächelte, als er Severus entdeckte, der gerade auf ihn zukam und seinen Zauberstab in seine Tasche zurückgleiten ließ.

"Was machst du denn schon hier?", fragte der Spross der Lupins neugierig.

"Wir waren doch verabredet."

"Ja, aber erst in einer halben Stunde."

Der Slytherin machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Ist doch egal. Willst du hier üben?"

Remus wandte sich wieder dem Unterrichtsraum zu.

"Ich such noch nach einem geeigneten Zimmer", ließ er verlauten und betrat den Raum.

Er schnüffelte leicht. Die Luft roch gut. Weder war sie vermodert, noch stieg ihm der beißende Geruch von Putzmittel in die Nase. Auch gab es hier keine störenden Putzgeräusche oder ähnliches. Und groß musste der Raum auch sein, hallten seine Schritte leicht wieder.

"Etwas dunkel", stellte er fest und schwenkte seinen Zauberstab leicht. "Lumos!"

Ein gleißendes Licht erhellte den Raum und zeigte, dass der Braunschopf mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Er ging einige Schritte weiter und durchquerte die Tischreihen, wo üblicherweise die Schüler saßen. Der fordere Teil des Raumes, zwischen Lehrerpult und Schülertischen, war leer. Hier fand wohl meist der praktischere Teil des Unterrichts statt. Remus lächelte. Auf jeden Fall war es genügend Platz für sie. Der Raum war perfekt. Er wandte sich zu Severus, welcher gerade die Tür geschlossen hatte, um und lächelte.

"Was meinst du?", fragte er interessiert. "Ist doch perfekt. Nicht?"

Severus murmelte ein leises "Hm..." und durchquerte, wie sein Freund zuvor, den Raum und sah sich aufmerksam um.

"Und?", stachelte Remus nach, als der Schwarzhaarige neben ihm angekommen war.

"Naja..."

"Was naja?"

"Entspricht zwar nicht ganz meinen Vorstellungen, aber ich denke ich werde mich damit zufrieden geben müssen", erwiderte der junge Snape arrogant und eingebildet.

Remus sah ihn leicht verwirrt und auch etwas fassungslos an. Hatte der andere das jetzt wirklich ernst gemeint? War er wirklich so affektiert. Doch ein leichtes Schmunzeln verriet den Slytherin, als er sich über das Gesicht des Kleineren amüsierte. Remus grummelte und zeigte die Zähne während er grinste.

"Severus, dafür werde ich dich heute in keinster Weise schonen."

Der Slytherin lachte und der Gryffindor fiel in dieses nach einigen Momenten mit ein.

Nachdem sie die Kerzen, welche sich in den Haltern an den Wänden befanden, entfacht hatten, setzte Remus sich auf eine der Schulbänke, während Severus es bevorzugte stehen zu bleiben.

"Ich bin dafür, dass wir ersteinmal die Theorie durchgehen, bevor wir zur Praxis kommen", meinte der Jüngere.

"Und wie willst du das bitte anstellen?", fragte der Schwarzschopf stirnrunzelnd.

"Das hab ich mir auch schon überlegt", erwiderte der Angesprochene grinsend und zog seinen Zauberstab.

Einen Zauberspruch und wenige Sekunden später waren sie nicht mehr zu zweit, sondern zu viert ihm Raum. Eine Dame und ein Herr waren erschienen, die die beiden freundlich anlächelten. Severus warf dem anderen einen fragenden Blick zu.

"Unsere Tanzlehrer", meinte der Gryffindor nur und lächelte. "Oder Anschauungsobjekt. Stand in einem Buch aus der Bibliothek. Die sind nicht echt. Reden können sie auch nicht. Aber dafür tanzen sie umso besser."

Er wandte seinen Blick den beiden erwachsenen Trugbildern zu.

"Wir würden gern für den Weihnachtsball das Tanzen lernen. Vielleicht Walzer, oder so was?"

Er lächelte sie verlegen an, wusste er nicht wirklich, was es alles an Tänzen gab. Die Dame lächelte und nickte leicht. Sie sah ihrem Tanzpartner in die Augen. Sie schienen zu einer stummen Übereinkunft zu kommen. Sie gingen in die richtige Ausgangsposition. Wie aus dem Nichts erklang plötzlich Musik. Die ersten paar Takte verstrichen, dann setzten sich der Herr und die Frau in Bewegung und tanzten ihm Rhythmus. Remus verschlug es die Sprache. Das Duo schwebte regelrecht über die Tanzfläche. Die Bewegungen waren fließend und wirkten - vor allem bei der Frau - sehr anmutig. In diesem Moment zweifelte er stark, ob er es je schaffen würde eine so gute Figur abzugeben. Als die Musik verstummte, stoppte das Paar langsam. Sie lösten sich und sahen die beiden Erstklässler lächelnd an.

"Das war einfach toll", sagte Remus und erwiderte das Lächeln. "Nicht, Severus?"

Als Antwort erhielt er nur ein schwaches Kopfnicken. Anscheinend hatte sich der Nachwuchs der Snapes ebenfalls in den Bann der zwei Tanzenden ziehen lassen, wirkte er noch immer ein wenig abwesend. Der Gryffindor musste sich das Lachen verkneifen. Einen verträumten Severus bekam man nicht alles Tage zu sehen. Bevor er weiter seinen Gedankengängen folgen konnte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er sah auf und blickte in das Gesicht der Tänzerin, die ihn anlächelte. Offenbar war es nun an ihm das Tanzbein zu schwingen. Einen Seitenblick auf Severus verriet, dass auch dieser einen weiblichen Tanzpartner - der Mann hatte sich verwandelt - gefunden hatte. Dann hieß es für die beiden jetzt wohl oder über üben, üben, üben. Immerhin wollten sie zum Ball keine allzu große Blamage erleben. Das einzige, was ihnen - außer dem Tanzen lernen - noch im Weg stand, um einen vollkommenen Abend zu verleben, war eine Partnerin, mit der sie sich blicken lassen würden. Aber wer kam da alles in Frage? Darüber hatte sich Remus noch nicht wirklich den Kopf zerbrochen.
 

Geschafft lag Remus auf seinem Bett. Seine Glieder schmerzten und er litt regelrechte Höllenqualen. Die letzte Tanzstunde mit Severus lag nun schon mehr als einen Tag zurück. Es hatte länger gedauert, bis sich seine Muskeln bemerkbar gemacht hatten. Remus wusste nicht, ob er sich über diese Tatsache freuen sollte oder nicht. Im Moment bereitete ihm sein Körper schon genug Probleme. Am morgigen Abend - Mittwoch, der 24.November - war es wieder einmal soweit. Vollmond stand vor der Tür. In der letzten Woche hatten seine körperlichen Kräfte immer mehr nachgelassen und auch seine Haut war blasser und er selbst immer leiser geworden. Den anderen war es natürlich nicht entgangen. Sie hatten ihn immer häufiger gefragt, ob es ihm auch gut ginge und ob er wirklich nicht krank war. Und immer wieder hatte er sie mit einem sanften, aber auch etwas kraftlosen, matten Lächeln beruhigt und ihnen erklärt, dass es ihm gut ginge und wahrscheinlich nur daran lag, dass die Vorbereitungen für den Ball ein ziemlicher Stress waren. Was auch stimmte. Lily sah selbst etwas übermüdet aus, waren sie einige Nächte länger aufgeblieben und hatten diskutiert.

Heute Morgen war er früh aufgewacht. Gerne hätte er noch etwas geschlafen, doch gelang es ihm nicht. Zwar war er ausgezerrt und wünschte sich nichts sehnlicher, als noch etwas zu schlafen, doch war er zu munter, als dass er es wirklich konnte. Er hatte die Zeit genutzt und sich bereits für den Unterricht fertig gemacht. Alle viere von sich gestreckt lag er da - die Augen geschlossen. Er lauschte den Geräuschen, die im Raum herrschten. Peter, der leise und rhythmisch vor sich hinschnarchte, James und Sirius, die ruhig und gleichmäßig atmeten und Davy, der sich ab und zu von einer Seite auf die andere drehte. Ja, Davy. Der war eine Sache für sich. Hatte er sich nicht mit Sirius darüber gestritten, dass er es hier nicht aushielte? Dass er in einen anderen Schlafsaal wollte, dass die anderen allerdings voll waren? Remus seufzte. Davy schien nicht besonders gut auf ihn - Remus - zu sprechen zu sein. Aber wieso? Was hatte der andere gegen ihn? Der junge Lupin hatte selbst nichts gegen den anderen Gryffindor. Hatte er ihm vielleicht etwas getan und er wusste nicht was? Unabsichtlich? Oder mochte Davy ihn einfach nicht. So etwas gab es immerhin auch. James konnte Severus ja auch nicht ausstehen, wobei dies sicherlich mehr daran lag, dass Severus ein Slytherin und James ein Gryffindor war. Die verfeindeten Häuser eben.

Während Remus in Gedanken war, raschelte es leise. Er runzelte die Stirn und öffnete seine Augen. Sirius war leise aufgestanden und ging durch den Raum, Richtung Badezimmer. Er sah sich um, ob die anderen noch schliefen, als er den Spross der Lupins sah. Er lächelte. Remus erwiderte es und murmelte ein stummes "Morgen". Nahezu lautlos verschwand der Schwarzhaarige nach einem begrüßenden Kopfnicken im Nebenzimmer. Remus warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor Sieben. In ein paar Minuten ging das Frühstück los. Es war also ratsam langsam aufzustehen. Er setzte sich auf und streckte seine Glieder. Leise knackte es. Ein Stöhnen entwich ihm. Wenn er sich vorstellte, wie er sich nach Vollmond fühlen würde, dann war das hier noch gar nichts.

Die Tür des Bades öffnete sich wieder und ein umgezogener, aufgeweckter Sirius kehrte zurück, der den Braunschopf mit seinen blauen Augen fröhlich anleuchtete.

"Morgen, Remus", sagte er und ließ sich neben ihm aufs Bett fallen. "Gut geschlafen?"

"Ja, hab ich", erwiderte der Angesprochene mit einem leichten Lächeln.

"Wirklich? Du bist immer noch blass. Vielleicht sollten wir dich doch lieber auf die Krankenstation bringen. Pomfrey sollte mal ein Auge auf dich werfen."

Bei dem besorgten Unterton des anderen konnte er nicht anders als weiter zu Lächeln.

"Wenn es mir morgen Abend nicht besser geht, dann geh ich, einverstanden?"

"Morgen erst?"

"Ja, morgen erst. Mach dir nicht so viel Gedanken. Ich bin wirklich okay."

Remus stand auf und streckte sich erneut.

"Lass uns frühstücken. Ich hab Hunger."

Bei diesem Satz erhellte sich Sirius' Gesicht ein wenig. Wenn sein Freund Hunger hatte, dann konnte er wirklich nicht so krank sein. Er nickte leicht und stand auf. Gemeinsam gingen sie nach unten. Die anderen ließen sie schlafen. Davy hatte sich am gestrigen Abend wieder darüber aufgeregt, dass er in diesem Irrenhaus zu wenig Schlaf bekam und James und Peter würden schon rechtzeitig zur ersten Stunde - Zauberkunst - da sein.
 

Unten in der Großen Halle angekommen, musste Remus feststellen, dass sie sich wohl noch etwas Zeit hätten lassen können. Bis jetzt waren kaum Schüler anwesend. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass das Frühstück gute zwei Stunden - von Sieben bis Neun - ging. Die versammelten Lehrer und Schüler konnte man an einer Hand abzählen. Als die beiden gerade zu ihrem Haustisch gehen wollten, rief sie jemand von hinten. Sie wandten sich um und schon im nächsten Moment lächelten sie, als sie Andromeda auf sich zukommen sahen.

"Morgen, Remus, Cousinchen", begrüßte sie sie fröhlich und umarmte sie kurz.

"Morgen Andromeda", lächelte der Braunschopf. "Was machst du denn so früh hier?"

"Weiß nicht. Ich glaube ich wollte frühstücken."

Sie grinste und Sirius tat es ihr gleich.

"Du weißt genau was ich meinte", schmollte Remus.

"Jaja, ich weiß. Ich wollte etwas an der Beleuchtung grübeln. Mehr nicht. Für den Ball."

Der letzten Teil fügte sie für Sirius an, war sie sich nicht sicher, ob er wusste, was ihr Aufgabenbereich war.

"Setz dich doch mit zu uns", meinte der junge Black und lächelte seine Cousine an. "Im Moment ist von deinen Leuten ja noch niemand da."

Andromeda kicherte.

"Meine Leute? Aber ich hab doch euch zwei Hübschen."

Während die beiden Blacks lachend zum Gryffindor-Tisch gingen, folgte Remus etwas verwirrt und mit leicht geröteten Wangen. Was hatte Andromeda da gerade eben gesagt? Er - Remus - war hübsch?

,Was bildest du dir da wieder ein? Das hat sie nur so gesagt. Genau so wie das mit dem niedlich in der Bibliothek.'

Er schob diese Gedanken beiseite und nahm neben der Schwarzhaarigen Platz.

"Habt ihr - du und Lily - schon mit der Deko-Planung angefangen?", fragte Andromeda neugierig, während sie sich einen Apfel nahm und hineinbiss.

"Ja, haben wir", erwiderte der Braunschopf. "Allerdings sind wir noch nicht wirklich weit gekommen. Wir überlegen noch."

"Aber nicht zu lang", lautete eine halb gelachte Antwort. "Sonst ist es etwas zu spät und wir müssen die anderen auf den Tischen tanzen lassen."

"Tanzen?", fragte Sirius stirnrunzelnd. "Du hast mir nicht gesagt, dass wir tanzen müssen."

Andromeda zuckte mit den Schultern.

"Ist doch selbstverständlich. Ist doch ein Ball. Und auf einem Ball wird getanzt."

Der dunkelhaarige Gryffindor seufzte.

"Dann muss ich mir ja noch eine Begleitung suchen. Wen nehme ich denn da?"

"Nicht nur du", murmelte Remus und trank einen Schluck Tee.

"Mein Gott, Jungs. So schwer ist das auch wieder nicht. Ihr müsst einfach nur fragen. Und dir, Sirius, sollte es jedenfalls nicht schwer fallen jemanden zu finden. Du mit deinem Ego. Bist du nicht immer der Meinung, dass dein Charme jedes Mädchenherz höher schlagen lässt?"

"Willst du mir vielleicht irgendwas sagen, Cousinechen?", fragte er grinsend.

"Hättest du wohl gern, hm?", meinte sie lächelnd.

Er wank ab.

"So nötig hab ich es auch wieder nicht."

"Was soll denn das bitte schön heißen, Mr. von und zu Black?"

"Nichts, nichts."

Ein leichtes Schmunzeln hatte sich auf Remus' Lippen gebildet, als er seinen zwei Freunden bei ihren kleinen Neckereien zuhörte. Es war richtig erfrischend so etwas am frühen Morgen zu sehen. Für einen kurzen Moment vergaß er sogar seine eigene Müdigkeit.

"Remus, sag doch auch mal was", forderte Andromeda. "Sag dem Kerl, dass er unausstehlich und ein Weiberheld ist."

"Sirius, du bist ein unausstehlicher Weiberheld", meinte Remus grinsend.

Dieser sah den Braunhaarigen verstimmt an.

"Jetzt schlägst du dich auch noch auf ihre Seite?"

"Ich denke dein Ego ist groß genug, dass du auch gegen uns beide ankommst", lautete die freche Antwort.

"Ja, gib's ihm, Remi!", rief die Ravenclaw fröhlich und begeistert aus.

Sie funkelte Sirius an.

"Deshalb mag ich Jungs wie Remus so. Er weiß zu wem er halten muss und ist - im Gegensatz zu dir - charmant, höflich, niedlich und nett."

Sie umarmte ihn und drückte den Spross der Lupins an sich. Sirius blies die Luft aus seinen Wangen.

"Mach doch was du willst", schmollte er.

Der Rotton in Remus' Gesicht intensivierte sich. Immerhin wurde er nicht jeden Tag von einem Mädchen so an sich gedrückt und zudem noch gelobt. Nach einigen Augenblicken ließ die Erstklässlerin wieder los und sah ihren Verwandten an.

"Und Severus ist auch viel zuvorkommender als du."

"Dann geh doch mit ihm zu diesem dämlichen Ball", grummelte Sirius beleidigt, schien er nicht gern gegen den Slytherin zu verlieren.

Andromedas Augen funkelten. Sie wandte sich Remus zu.

"Sag mal, du hast doch gesagt, dass du noch niemanden für den Ball hast, oder?"

"Ähm, ja. Schon. Wieso?", fragte er verwirrt.

"Und Sev?"

"Der auch nicht..."

"Perfekt!", rief sich und grinste.

Remus war etwas zusammengezuckt und sah sie irritiert an.

"Was ist perfekt?"

"Lily und ich haben noch keine Begleiter und ihr beiden auch noch nicht. Also was hältst du davon, wenn wir zusammen gehen? Wird bestimmt lustig. Und Lily hat garantiert auch nichts dagegen. Also was meinst du?"

"Wir vier?", fragte er nochmals, woraufhin Andromeda schnell nickte. "Ich... Wieso nicht."

Er lächelte.

"Klar. Ich hab nichts dagegen. Gerne. Aber ich weiß nicht, ob Severus so berauscht davon sein wird."

Andromeda grinste.

"Lass das mal meine Sorge sein. Ich regle das schon mit ihm."
 

Die erste Stunde hatte vor wenigen Minuten begonnen. Professor Flitwick betrat den Raum mit etwas Verspätung - James, Peter und Davy im Schlepptau, die verschlafen hatten. Die drei Gryffindors wirkten etwas verärgert, hatten sie anscheinend Strafarbeiten bekommen. Remus hatte etwas Mitleid mit ihnen, amüsierte sich nichts desto trotz. Auch Sirius war von Schadenfreude besessen, grinste er, wie auch sein Banknachbar. James und Peter ließen sich vor ihnen nieder. James warf den beiden hinter sich einen bösen Blick zu.

"Wieso habt ihr uns nicht geweckt?", zischte er.

"Sonst wachst du doch auch von allein auf", meinte Sirius grinsend.

Bevor der junge Potter etwas erwidern konnte, hatte der Professor das Wort ergriffen.

"Heute möchte ich mit euch einen praktischen Test machen, in dem wir die Zaubersprüche der ersten drei Lektionen wiederholen."

Ein Stöhnen ging durch die Klasse, hatte keiner mit einem Test gerechnet. Einige der Schüler begannen in ihren Aufzeichnungen zu blättern und wollten sich die Sprüchen nochmals schnell in Erinnerung rufen, während andere - wie beispielsweise auch Sirius, James und Remus - sich damit geschlagen gaben und darauf warteten, dass der Professor begann. Anstatt eines Gruppentest jedoch prüfte der Lehrer jeden Schüler einzeln, und das wahllos.

"Schön, schön, Miss Black. Zehn Punkte für Ravenclaw."

Andromeda lächelte zufrieden und setzte sich wieder neben Severus, um mit diesem weiterzudiskutieren. Remus lächelte, als er dessen Gesichtsausdruck sah. Anscheinend ging es um den Ball.

"Mr. Lupin? Wenn ich bitten darf?", sagte Flitwick.

Der Angesprochene stand auf und trat vor.

"Hm, was könnten wir denn für Sie nehmen, Mr. Lupin", grübelte Flitwick. "Oh, ja. Ich weiß. Der Haarfärbezauber."

Die anwesenden Slytherins lachten.

"Den hatten wir nur mal kurz", meinte Avery und grinste Remus höhnisch an. "Das kriegt der Versager nie im Leben hin. Gryffindors sind doch nur Nieten."

Der Gryffindor zog ruhig seinen Zauberstab und deutete auf den Slytherin.

"Capillus colorare!", rief er und im nächsten Moment war der Raum von schallendem Gelächter erfüllt, hatte Avery anstatt blonder plötzlich grellgrüne Haare.

Remus' Gesicht zierte ein hauchdünnes sadistisches Lächeln, als er das entsetzte Gesicht des anderen sah.

"Mach das sofort rückgängig!", rief er sauer.

"Wieso denn? Die Farbe von Slytherin ist doch grün, nicht?", meinte der Gryffindor ruhig.

"Lupin! Wenn du nicht sofort-"

"Mr.Avery, Mr.Lupin, wenn ich bitten dürfte", mischte sich der Professor ein.

Er wies Remus an sich zu setzen und im nächsten Moment war die ursprüngliche Haarfarbe von Taylor auch wieder hergestellt.

"Mit grün sah er besser aus", meinte Sirius und lachte zusammen mit Remus. "Das war genial, Remi."

"Ich weiß", meinte dieser nur grinsend.
 

Es dauerte nicht lang und Avery war an der Reihe. Noch immer war er wütend auf Remus und warf ihm daher finstere Blicke zu.

"Der Schwebezauber, Mr.Avery."

Dieser nickte leicht, als er die Aufgabe gestellt bekam. Er lächelte und nun war es an ihm Rache zu nehmen.

"Wingardium Leviosa!", rief er und keine Sekunde später hing Remus in der Luft.

Der Braunschopf seufzte.

,Wieso hab ich das nur geahnt?', dachte er bei sich und zog seinen Zauberstab.

Er setzte dazu an einen Spruch zu sagen, doch da flog er auch schon durch den Raum, hatte der Slytherin seinen Stab geschwenkt.

"Lass das!", rief Remus ihm zu, erhielt jedoch nur ein höhnisches Lächeln. "Avery, ich warne dich."

"Ich glaube nicht, dass du in der Position für Verhandlungen bist, Lupin."

Professor Flitwick wollte sich einmischen, doch es nützte nichts. Avery ließ Remus quer durch den Raum fliegen. Die meisten Schüler sahen geschockt dabei zu, während die Slytherins schadenfroh lachten.

"Das reicht!", rief Remus, dem schon ganz schwindlich war. "Expelliarmus!"

Avery flog der Zauberstab aus der Hand und im nächsten Moment landete Remus unsanft auf dem Boden. Während er sich aufrappelte, hatte der Blondschopf seinen Stab wieder aufgehoben. Sie funkelten sich wütend an.

"Duell! Duell!", riefen die anderen Schüler im Chor, abgesehen von einigen Ausnahmen.

Die Luft knisterte regelrecht vor geballtem Zorn.

"Wenn ich mit dir fertig bin, dann wirst du den Krankenflügel die nächsten Wochen nicht mehr verlassen, Lupin."

"Werden wir ja sehen", schmunzelte Remus. "Rictusempra!"

Avery war zu überrascht, als das er ausweichen konnte. Im nächsten Moment begann er haltlos zu lachen. Zwischen seinen Lachern bekam er ein "Lumos!" hervor, welches den gesamten Raum in ein gleißendes Licht tauchte. Remus kniff die Augen zusammen, um etwas sehen zu können, doch da traf ihn auch schon ein Fluch und streckte ihn nieder. Noch bevor er sich aufrichten konnte, wurde er von einem weiteren Spruch getroffen, der sich wie Feuer in seinem Leib ausbreitete. Es kostete ihn alle Kraft bei Besinnung zu bleiben. Mit seinem Stab fixierte er Avery, der langsam näher kam.

"Schon kriechst du vor mir im Staub", höhnte die Miniaturausgabe Malfoys.

"Glaubst du! Silencio!"

Es geschah nichts. Avery sah ihn etwas verwirrt an, grinste und sprach. Nein, er wollte sprechen, allerdings verließ kein Ton seinen Mund. Er erbleichte.

"Du verstehst schnell", sagte der junge Gryffindor und rappelte sich langsam auf. "Ohne Stimme kein Spruch. Ohne Spruch kein Sieg. Also gib lieber auf. Oder soll ich weiter machen?"

Der Slytherin warf ihm wütende Blicke zu, die regelrecht "Das nächste Mal bring ich dich um!" riefen, doch dann wandte er sich abrupt um und ließ sich auf seinem Platz nieder. Remus lächelte. So dumm schien Avery anscheinend doch nicht zu sein. Kein Wunder. Slytherins waren nur auf ihr eigenes Wohl bedacht und wussten wann es zu viel des Guten war.

"Mr.Lupin."

Der Angesprochene schluckte und wandte sich langsam um. Professor Flitwick sah ihn fast genauso finster an, wie Taylor es getan hatte.

"Sie und Mr.Avery kommen nach dem Unterricht zu mir."
 

Remus seufzte leise, als er den Gang entlanglief. Das war ja wirklich toll gelaufen. Dank Avery hatte er nun einen Haufen Strafarbeiten aufgehalst bekommen und durfte die nächsten drei Kapitel bis zur nächsten Stunde - also innerhalb von zwei Tagen - durcharbeiten. Die einzige Genugtuung war, dass es Avery ebenfalls musste. Zudem konnte er von seinem monatlichen Problem, welches sich zu Vollmond ergab, sicherlich diesmal ein wenig Profit schlagen. Immerhin wusste der Professor, wie es um ihn stand und dass er morgen zu kaum etwas zu gebrauchen war. Glücklicherweise war er nicht wie Novis, dem dies nichts anging. Somit würde er wohl eine Schonfrist für die Strafarbeiten erhalten.

Remus musste sich beeilen, um zur nächsten Stunde zu kommen, hatte sein Zauberkunstlehrer ihn ziemlich aufgehalten. Avery lief still neben ihm her, hatte er allerdings keine andere Wahl, wirkte der Spruch Remus' noch immer und hatten sie nun gemeinsam Verteidigung gegen die dunklen Künste. Remus erwägte, ob er seinen Begleiter nicht ein wenig reizen sollte, konnte er sich so etwas abreagieren, war er noch immer sauer auf den Slytherin, entschied sich jedoch dagegen. Es würde auffallen, wenn sie gemeinsam zur nächsten Stunde gingen und nur Remus allein ankam.

Gerade noch rechtzeitig erreichten sie das Klassenzimmer. Sie warfen sich kurze, finstere Blicke zu, als sie Platz nahmen. Severus, der neben dem Brünetten saß, sah ihn interessiert an.

"Und?", fragte er.

"Alles in Ordnung", meinte Remus lächelnd. "Nur eine Strafarbeit und eine Verwarnung."

"Du hättest dich nicht provozieren lassen sollen", kommentierte Severus etwas tonlos.

"Ich konnte nicht anders. Sag mal, Andromeda hat doch wegen dem Ball mit dir gesprochen, oder?"

Severus verzog das Gesicht.

"Natürlich."

"Und?"

"Was glaubst du?"

Remus grinste.

"Ich glaube, dass sie dich überredet hat."

"..."

"Und?", fragte der Gryffindor. "Hab ich recht?"

Severus nickte schwach.

"Leider... Ich muss mit ihr hin. Du gehst mit Lily."

"Ich, mit Lily?", fragte Remus etwas verwirrt, hatte er angenommen, dass er mit Andromeda gehen würde.

"Sei froh. Andromeda hat nicht locker gelassen, dass ich mit ihr gehe. Du hast wirklich Glück. Lily treibt einen nicht zur Weißglut."

Wieder grinste der Braunschopf.

"So schlimm ist Ann auch wieder nicht. - Aber ich wäre lieber mit ihr gegangen."

"Ach, wieso das?", fragte Severus stirnrunzelnd.

"Na weil der Größenunterschied da nicht so auffällt", lachte Remus und Severus musste bei diesem Kommentar unweigerlich mit einstimmen.

"Mr.Lupin, Mr.Snape, würden Sie uns sagen, was so lustig ist?", fragte Professor Redwing lächelnd.

"Entschuldigen Sie, Professor", erwiderte Remus schnell. "Wir wollten nicht stören."

Die Lehrerin lächelte noch immer.

"Schön, dann kann ich ja jetzt weitermachen. Also, wie ich bereits sagte, möchte ich heute mit euch über Vampire sprechen. Der Direktor hält dies für eine gute Idee. Der Vorfall zu Halloween ist zwar schon etwas her, aber man weiß nie, ob man nicht noch einmal einem Vampir begegnet. Also. Meine erste Frage. Was sind die Merkmale eines Vampires? Miss Evans?"

"Lange, spitze Eckzähne und eine blasse Haut", sagte Lily.

"Richtig. Besonderheiten? Ah, ja? Mr.Black."

"Sie können sich in Fledermäuse verwandeln", antwortete Sirius.

"Ja, das stimmt", meinte Redwing lächelnd. "Allerdings nicht alle. Die meisten, aber nicht alle. Vampire sind Animagi müsst ihr wissen, allerdings nicht von Anfang an. Sie müssen es erst lernen. Es fällt ihnen nicht schwer. Zumeist verwandeln sie sich in Fledermäuse, andere Tiere sind aber ebenfalls möglich."

Ein Murmeln ging durch die Klasse - anscheinend waren die Schüler ziemlich überrascht über diese Tatsache.

"Nun, was wisst ihr darüber, wie man gegen diese Wesen vorgehen kann?", fragte die Lehrkraft.

Remus hob seine Hand.

"Ja, Mr.Lupin?"

"Vampire hassen soviel ich weiß Knoblauch, Kruzifixe und Weihwasser."

Die Lehrerin lächelte.

"Das ist teilweise richtig. Vampire haben eine sehr feine Nase. Der Knoblauch hat einen starken Geruch. Er reizt ihre Schleimhaut sehr. Für sie ist dieser Geruch kaum aushaltbar. Allerdings ist die Annahme, dass er für sie giftig ist, falsch. Sie hassen ihn einfach. So wie kleine Kinder Spinat hassen."

"Und Kruzifixe und Weihwasser?", fragte eine der Gryffindors.

"Weihwasser wirkt wie Säure", antwortete die Professorin. "Und Kruzifixe, nun, sie wirken sich eigentlich nicht auf sie aus. Sie mögen sie nicht. Früher, zu Zeiten der Inquisition, wurden sie, wie auch Hexen und Zauberer, von der Kirche verfolgt. Für die Kirche steht nun einmal das Kreuz. Daher hassen sie es, aber damit anhaben kann man ihnen nichts."

"Und wie kann man sie umbringen?", fragte Rosier begierig und sah zu Remus, der genervt die Augen verdrehte und die Hand hob.

"Mr.Lupin?"

"Mit Sonnenlicht, Pfählen oder indem man ihnen den Kopf abschlägt."

"Wohl dein Fachgebiet, Lupin?", mutmaßte Wilkies.

"Klar", grummelte der Braunschopf.

"Meine Herren, benehmt euch", tadelte Redwing. "Was wissen Sie über genannte Methoden, Mr.Lupin?"

"Nun ja", begann dieser, "das Sonnenlicht verbrennt sie. Mit dem Pfahl muss man ihr Herz pfählen, dann zerfallen sie zu Staub und wenn man ihnen mit dem Schwert beispielsweise den Kopf abschlägt, dann zerfallen sie ebenfalls zu Staub."

"Dann weiß ich ja, wie wir ihn loswerden", flüsterte Rosier zu Wilkies.

"Ich glaube, wenn ihr einem normalen Menschen einen Pflock ins Herz treibt oder den Kopf abschlagt, dann ist er genauso tot, wie ein Vampir", erwiderte Severus ironisch.

Die Slytherins sahen ihn finster an, nur Remus lächelte seinen Banknachbarn dankbar an.

"Und was ist mit Verbrennen?", fragte Lily.

Die Professorin lächelte abermals.

"Nein, das ist keine Möglichkeit. Sie sind resistent. Auch das hat sich zu Zeiten der Inquisition eingeschlichen. Da dran ist nichts."

Professor Redwing durchschritt den Raum und kehrte zu ihrem Pult zurück.

"Euer Wissen ist recht gut, was diese Wesen anbetrifft. Nichts desto trotz solltet ihr eure Kenntnisse vertiefen. Schlagt bitte Kapitel fünfzehn auf und arbeitet den Text durch."
 

"Remus, du bist blass."

"Ich weiß, Sirius. Ich weiß", murmelte der Braunschopf und stocherte weiter lustlos in seinem Essen herum.

Er seufzte leise. Schon seit gestern Mittag hatte er keinen Hunger mehr, wenn er daran dachte, was ihm in wenigen Stunden bevorstand. Es war Mittwochabend und Remus saß mit den anderen am Haustisch. Bald würde er gehen müssen. Noch war der Mond nicht aufgegangen, doch er spürte, dass es heute eher sein würde als gewöhnlich. Glücklicherweise hatte Sirius ihn bereits auf eine passende Ausrede gebracht.

"Du solltest etwas essen", meinte der Schwarzhaarige besorgt.

"Hab keinen Hunger."

"Du scheinst wirklich krank zu sein", stellte James fest und trank dabei etwas Kürbissaft.

"Vielleicht solltest du mal zu Madame Pomfrey", äußerte Peter in ebenfalls fürsorglichen Ton.

"Stimmt, du hast mir versprochen, dass du zu ihr gehst, wenn es dir nicht besser geht", erinnerte sich Sirius und sah Remus auffordernd an.

"Ich geh ja schon, ich geh ja schon", gab dieser gespielt genervt von sich und stand auf. "Aber dann könnt ihr sicher sein, dass sie mich länger da behält. Ihr wisst doch, wie sie ist."

"Soll ich dich noch bringen?", fragte der junge Black, erhielt jedoch nur ein schwaches Kopfschütteln zur Antwort.

"Das schaff ich schon allein. Mach dir keine Umstände."

Mit dieser etwas patzigen Antwort verließ Remus den Saal. Er spürte die Blicke der Professoren auf sich, wandte sich jedoch nicht um. Anstatt die Treppe nach oben zum Krankenflügel zu gehen, machte er sich gleich auf den Weg zur Peitschenden Weide, war er der Meinung, dass es unnötig sei erst die Krankenschwester zu holen und schließlich doch wieder hier herunter zu gehen.

Mit gemäßigtem Tempo ließ er das Schloss hinter sich und nur wenig später fand er sich im Erdgeschoss der Heulenden Hütte wieder. Er verließ den heruntergekommenen Raum, in welchem er sich befand und trat hinaus in den Flur. Seine Schritte lenkten ihn wie üblich in das obere Stockwerk. Dort hatte er bis jetzt jeden Vollmond - drei an der Zahl, der heutige war der Vierte - verbracht, hatte er nicht riskieren wollen die kleine Miniaturbibliothek im Erdgeschoss in seiner Raserei zu verwüsten und die kostbare Litanei zu zerstören, hatte er sich vorgenommen im Laufe der Zeit alle Bücher, die sich hier befanden, zu lesen. Oben angekommen, betrat er das Schlafzimmer, welches einen Balkon besaß. Er hatte schon deutliche Spuren hinterlassen. Die Wände, Türen und die Bretter vor den Fenstern waren allesamt zerkratzt. Die Tapete, die schon vorher abgeblättert war, hing nur noch in Fetzen hinab. Hier und da waren rotschwarze Streifen oder Flecken - mehr oder minder getrocknetes Blut - zu sehen. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und gähnte leise. Die Müdigkeit zerrte an Remus' Kräften. Am liebsten hätte er sich nun in sein weiches Himmelbett im Gryffindorturm fallen lassen und die restlichen Wintermonate einfach verschlafen. Zu schade nur, das da noch die große, hellleuchtende Kugel am Firmament war, die nach und nach aufstieg und sich immer stärker bei ihm bemerkbar machte. Schon oft hatte Remus versucht zu schlafen und so vielleicht den Unannehmlichkeiten der Verwandlung zu entgehen. Allerdings waren die Schmerzen jedes Mal so unerträglich gewesen, dass er aus seinen Träumen geschreckt war und sich vor Qualen gewunden hatte.

Ein leises Seufzen entwich seiner Kehle, als er durch den Raum schritt und auf den Balkon hinaus trat. Seinen dicken Wintermantel hatte er bereits unten ausgezogen, damit dieser die Nacht heil überstand. Der junge Lupin schlang seine Arme um sich um die Kälte aus seinen Knochen zu verbanden - oder es zumindest zu versuchen. Sein Blick wanderte am Horizont entlang. Er entdeckte den Erdtrabanten. Ein heißer Stich durchfuhr seinen Leib, verschwand jedoch augenblicklich wieder. Noch war es nicht so weit. Allerdings würde es wohl kaum noch eine halbe Stunde dauern. Er sog die klare Luft ein und stieß sie langsam wieder aus. Heute war er seltsam ruhig. Normalerweise spielte sein Herz verrückt und sein Puls raste, wenn es nur noch wenige Augenblicke waren. Aber heute war es anders. Vielleicht, weil er dieses Mal die Gewissheit besaß nicht allein zu sein. Weil er sich endlich mit Severus und Lily vertragen hatte und Sirius und James - und Peter - es mehr oder weniger gut aufgenommen hatten. Der junge Lupin betrachte sich im Augenblick als fast schon normalen, glücklichen Jungen an. Alles lief bestens. Selbst die Slytherins konnten seine gute Laune nicht trüben. Zur Not konnte er Avery und seine Bande einfach gekonnt ignorieren. Es wunderte ihn, dass Lucius ihn schon länger nicht mehr belästigt hatte, machte sich aber nicht wirklich etwas daraus, kam es ihm nur zugute. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Ja, wenn der Vollmond nicht wäre, dann wäre er wirklich vollauf zufrieden. Dann wäre alles nahezu perfekt.

Plötzlich durchfuhr ihn ein weiterer heißer Schmerz, der jedoch nicht verflog und ihn in die Knie zwang. Er keuchte schwer auf und sah gen Himmel. Mit starrem Blick stierte er den silbrigen Ball am Firmament an, welcher sich emporgearbeitet hatte, während Remus vor sich hingegrübelt hatte.

"Nicht..."

Sein Brustkorb schmerzte und langsam begann sich die Qual auf seinen ganzen Körper auszubreiten. Mit letzter Kraft schleppte er sich nach drinnen und verschloss die Balkontür - wollte er sicher gehen, dass ihn niemand sah. Er sank zu Boden und kauerte sich zusammen. Schmerzenslaute entwichen seiner Kehle.

,Ich halte das nicht aus. Es tut so weh.'

Wenige Tränen rannen über seine Wangen. Seine Arme hatte er wieder fest um sich geschlungen. Die Finger gruben sich in den Stoff und die Haut. In Gedanken war er bei seinen Freunden und flehte, dass sie ihm beistanden, auch wenn er genau wusste, dass sie nichts von seinem schrecklichen Geheimnis wussten oder auch nur ansatzweise ahnten. Remus bäumte sich auf und stieß einen markerschütternden Schrei aus, welcher nach einigen Sekunden in das Geheule eines Wolfes überging.
 

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1.Akt, Kap. XVI - Ende

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So, damit wäre Kapitel 16 geschafft. Entschuldigt das Ende, ich konnte nicht anders. *gerne quält* Apropos Quälen. Ich hatte ja überlegt, ob und wenn ja, wie ich den Titel der FF abändern kann. Er hat mir von vornherein nicht soooo wirklich gefallen. Naja, mir ist nichts besseres eingefallen. Ich wollte fragen, ob ihr damit zufrieden seid oder ob ihr vielleicht ein paar Vorschläge zum Ändern habt? *lieb guck* Das einzige, was mir einfallen würde, wäre "Remus' Leiden" (wieso wohl? XD), "Sterntaler" (XD ich weiß, dämlich, aber wenn ich an der ff schreib und an remi denk und überleg, was ich genau schreiben soll, dann muss ich irgendwie immer an das Märchen denken *verrückt ist*), "Wenn Wölfe weinen" (schöne Alliteration und Grund genug zum Weinen hat er ja dank mir *eg*) oder vielleicht "Was damals geschah..." (Untertitel wäre dann aber noch Remus, Moony oder so. Hab nämlich überlegt, ob ich, WENN ich das hier irgendwann mal fertig hab [und das dauert XD] vielleicht noch aus Sicht von jemand anderem schreib. Z.B. Sirius, Lily oder Sev. *schulterzuck* *g* Aber ich glaube das würde ich nicht mehr fertig bringen. XD)

Naja, was meint ihr? Wie klingen die Titel? Oder soll ich es alles beim Alten belassen? *lächel*
 

Hai, ano... Ich mach jetzt mal Schluss. Bis zum nächsten Kapitel.^^ Oder ENS oder ja nachdem. *bg*
 

Danke für's Lesen.

Eure Kazu^^
 

PS: Ach ja, grobe Schätzung wie viele Kapitel das erste Jahr noch bekommt. *grübel* Also, da wäre... und... also... naja, soo... schätzungsweise 7 Stück. Insgesamt dann circa 23 Kapitel.^^ He, dann war ich mit der Rechnung von circa 20 nicht schlecht.^^ Das heißt es dauert noch 7 Monate, bis ich das erste Jahr fertig hab. XD Okay, Sommerferien. Also wohl nicht ganz so lang. Vielleicht auch nur 3, wenn ich schnell bin. Werdet mir nicht untreu. XD
 

PPS: Und hier ein kleines FAQ. Eigentlich hab ich die Fragen schon beantwortet. Via ENS oder in alten Kommentaren, aber ich hab die verschiedenen Fragen noch mal zusammengestellt. Wenn ich die FF überarbeite, dann ordne ich die dem jeweiligen Kapitel zu. Das hier ist erstmal vorübergehend.^^
 

FAQ:
 

1. generell

Q: Aber warum geht es erst wieder nächsten Monat weiter?

A: Weil ich das Kapitel erst schreiben muss.^^''' Gomen. Schneller geht's nur in den Ferien.
 

2. generell

Q: Schick mir bidde eine ENS, wenn das neue chap on is, ja?

A: Mach ich gerne. Sagt mir einfach, wenn ich euch benachrichtigen soll. Ansonsten schreib ich das Erscheinungsdatum in mein Vor-/Nachwort und in das Feld, wo eigentlich ein Textauszug hinkommt.^^'''
 

3. generell

Q: Aber der arme Remus hat es bei Dir ja echt nicht leicht.

A: Jaja, ich weiß.^^' Die Frage hatte ich schon mal geklärt. Naja, ich bin halt ein kleiner Sadist. Was soll ich machen? Ich quäle meine Lieblinge gern und dafür ist das kleinste Glück, was darauf folgt doch gleich viel süßer, schöner und viel mehr wert.^^
 

4. zu "Post mit Folgen"

Q: Im 1. Kap in der Winkelgasse hasste dich am 1. HP Band orientiert oder?

A: Ja, hab ich. Ich dachte mir, dass es vielleicht so besser zum Reinfinden/Reinlesen ist. Allerdings ist es vielleicht etwas zu extrem und ich ändere es beim Nachlesen noch mal ab.^^
 

5. zu "Der Hogwarts-Express"

Q: Aber war Lucius nich mit Severus zusammen in einer Klasse und genauso alt wie Remus, James und Co.?

A: Nein, war er nicht. Ich habe mich extra ein wenig schlau gemacht. Er war wirklich schon älter. Wäre mir natürlich lieber, wenn er im gleichen Jahrgang gewesen wäre, aber es hat nicht sollen sein. *g*
 

6. zu " Unerwartete Briefe"

Q: Und waren die Weasleys nicht auch mit James und Co. auf Hogwarts?

A: Nein, sie kamen alle erst nach ihnen. (leider... *seufz*)
 

7. zu "Fliegen und andere Probleme"

Q: hetz bei einer vollmondnacht Remus auf ihn ja? [AN: mit ihn ist Lucius gemeint^^']

A: Eigentlich ist das nicht geplant. Mal sehen, was sich machen lässt. Vielleicht in den Frühjahrsferien oder so. *g*
 

8. zu "Vollmond"

Q: Was sollte eigentlich dieses...Gedicht (?) in der mitte des Kapis?

A: Ich war einfach zu faul die Verwandlung zu beschreiben.^^' Außerdem hab ich mir noch kein richtiges Bild von Remus als Werwolf gemacht. Ich denke es wird nicht das einzige Gedicht oder auch Lied bleiben. Wenn es sich ergibt, dann werde ich sicherlich wieder mal eins mit reinbringen.
 

9. zu "Hausaufgaben machen Freu(n)de"

Q: Ob sich Sirius und Co. schon Sorgen um den kleinen Werwolf machen?

A: Ich denke nicht. Sie wissen ja noch nicht, dass er ein Werwolf ist und so schnell kommt es auch nicht raus.^^' Sie wundern sich höchstens, aber bis jetzt konnte er es ja auch gut geheim halten, dass er des Öfteren verschwindet.
 

10. zu "Kerkerstrafe"

Q: du machst mir jetz imma fotos >.< *ham will*

A: Ich kann nur zeichnen. XD Aber gut. Ich versuch es. Ach ja, wenn ihr wollt, dann kann ich auch versuchen auf Wunsch Bilder zu malen. *gern mach*
 

11. zu "Hogsmeade"

Q: Aber was is ein Atheist?

A: Jemand, der nicht an Gott glaubt.^^ Also jemand wie ich. *g*
 

12. zu "Hogsmeade"

Q: Und wo is der Vogel (Fawkes X3) hin?

A: Soviel sei gesagt: Das war nicht Fawkes. Und wo er ist. *schulterzuck* Ausgeflogen?^^
 

13. zu "Hogsmeade"

Q: Weiß Severus eigentlich das Remus n Werwolf is?"

A: Nein, woher denn?^^ Und er wird es so schnell auch nicht erfahren.
 

14. zu "Schach und Matt"

Q: Ich find, dass die Charaktere sich teilweise ein kleines bischen zu erwachsen benehmen, dafür, dass sie erst elf sind, aber ist ja auch egal.

A: Das hab ich schon selbst feststellen müssen und es haben mir auch schon mehrere Leute gesagt, aber ich finde, dass Remus und Co. in einer nicht gerade sehr einfachen Zeit leben. Daher denke ich, dass sie sich schon ein wenig erwachsener benehmen sollten. Das Kindliche werde ich natürlich versuchen nicht in den Hintergrund zu drängen, auch wenn es mir schwer fällt. Ich bin da selbst etwas... bizarr. *g* Entweder total kindisch und überdreht oder naja, annehmbar.^^'''
 

15. zu "Blutiger Kuss"

Q: Ich hätte gedacht Siri is der Sensenmann.

A: Ich sage nur: Ironie.^^ Hoffe du verstehst.
 

16. zu "Blutiger Kuss"

Q: Aba hätte es nich gefetzt wenn Remi als Werwolf gegangen wäre XD Bräuchte sich nimma verkleiden ^^

A: Hatte ich auch erst überlegt, aber meines Erachtens würde es dann zu schnell auffliegen, dass Remus ein Werwolf ist. James und Sirius sind ja nicht auf den Kopf gefallen. Und wenn ein blutrünstiger Werwolf plötzlich alle Schüler zerfleischt, dann sollte das zu denken geben, nicht?
 

17. zu "Blutiger Kuss"

Q: Hu? wer und was is diese Elena?

A: Bis Ende des Schuljahres weißt du es.^^ Versprochen.
 

18. zu "Blutiger Kuss"

Q: Lunatic?

A: Wahnsinnig, irre. *g* So wie ich.
 

19. zum SPECIAL

Q: Woher weiß Siri wo die Küche is?

A: Ihn plagt halt öfters mal der Hunger. *g* Oder seine Nase ist sehr gut entwickelt.
 

20. zum SPECIAL

Q: Im dunklen Quidditch spielen? O.O sehen die überhaupt was?

A: Öhm... Jaja! XD Die Sonne geht schon langsam auf, weißt du. XD (*denk* Klingt das logisch? Ich hoffe. *schwitz*)
 

21. zu "Vergebung"

Q: Ich fands total süss, wie Sirius ihn ummarmt hat! Und noch süsser, das er ihm zuliebe Severus nicht eingeseift hat. Allerdings wird das wohl nicht allzu lange anhalten, oder?

A: Doch, eigentlich schon. Vorerst. Soweit ich bis jetzt geplant hab.^^ Also so bis fünftes, sechstes Schuljahr hatte ich geplant. Weiß noch nicht genau. Also eine ganz schön lange Zeit, oder?
 

22. zu "Vergebung"

Q: Aber ich schätz mal dass es dafür umso trauriger wird, wenn sie sich wieder streiten.

A: ^^ Es gibt Höhen und Tiefen, wie ich bereits sagte. Natürlich kommt auch irgendwann nach dem Sonnenschein auch mal wieder eine Gewitterwolke. Oder auch ein Sturm.
 

23. zu "Vergebung"

Q: Und dann denke ich immer, dass das ja noch Ewigkeiten gehen wird, bis allein die 7 Hogwarts Jahre um sind, geschweige denn, wenn du noch das restliche Leben von Remus beschreiben willst! Oder beschriebst du die Hogwarts- Jahre und machst dann einen Zeitsprung?

A: Ja, das denke ich auch immer wieder. Eine ganze Ewigkeit. *seufz* Aber das wird schon.^^ Ich frage mich wie viele Wörter das werden. Eine Million? Wie lang ist die derzeit längste FF bei Mexx? *drop*

Ob ich einen Zeitsprung mache, weiß ich noch nicht. Sicherlich werde ich die Jahre nicht so ausführlich beschreiben. Vielleicht schick ich Remus ein wenig studieren und beschreib da noch was, aber so gaaaaanz ausführlich wird es sicher nicht. Sonst sitz ich in 30 Jahren noch dran.^^''' Außerdem muss ich ja noch irgendwie einen Bogen zum Prolog spannen und dann zum Ending kommen. Weiß auch noch nicht genau, wie ich das mache. Vielleicht kommt zu dem Prolog noch etwas dazu. Ein Pro-Prolog sozusagen.^^' Ich weiß noch nicht.
 

24. zu "Versöhnung unter Feinden?"

Q: Ich bin auf das Fest schon sehr gespannt, vorallem nach dem letzten.

A: Ich hoffe ich werde euren Erwartungen gerecht. *schwitz* Ich glaube nicht... Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Bälle hasse? *drop* *sich dringend was einfallen lassen muss*

1.XVII.Unverhofftes Widersehen

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1.Akt: Kapitel XVII: Unverhofftes Widersehen

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Remus saß in einem roten Ledersessel vor einem prasselnden Feuer im Kamin der Gryffindor-Gemeinschaftsraumes. Er nahm einen Schluck seines heißen Tees. Nachdem er die Tasse auf dem Tisch neben ihm abgestellt hatte, kuschelte er sich wieder in die Decke und schloss seine Augen. Er war müde und fühlte sich schlapp. Sein ganzer Körper war ausgezehrt. Das Einzige, was er wollte, war Schlaf, auch wenn er eigentlich schon genug davon gehabt hatte. Nach Vollmond war er in einem Bett im Krankenflügel aufgewacht. Es war Donnerstag abends gewesen. Madame Pomfrey hatte ihn aus der Heulenden Hütte abholt, war er nicht von allein zurückgekommen. Die Krankenschwester hatte ihn gut gepflegt und am nächsten Morgen - vor circa zwei Stunden - entlassen. Sie hatte ihm noch einen Trank mitgegeben, den er mit etwas Tee zu sich nehmen sollte, damit er schnell wieder zu Kräften kam. Er wäre heute gern wieder zum Unterricht gegangen, aber Madame Promfrey hatte es ihm verboten. Er musste sich schonen, hatte sie gesagt. Wäre nicht Freitag, dann hätte sie ihn gar nicht erst entlassen. So stand immerhin das Wochenende für ihn zum Ausruhen vor der Tür. Remus dachte an Sirius und die anderen, die sich gerade mit Professor Flitwick die Zeit vertrieben. Er dachte an den Strafaufsatz, den er eigentlich gestern hätte abgeben müssen, verdrängte diese Grübelei aber schnell. Er war zu müde um auch nur ein Wort zu schreiben. Sicher konnte er noch nicht einmal eine Feder gescheit in der Hand halten, konnte er sich ja selbst nur schwer auf den Beinen halten. Bei nächster Gelegenheit - so nahm er sich vor - würde er in der Bibliothek nach einem Zauber suchen, womit man mitschreiben konnte ohne selbst zu schreiben. Eine selbst schreibende Feder oder so etwas in der Richtung hatte er in einem Laden noch nicht gefunden. Aber vielleicht gab es ja einen passenden Spruch.

Sein Magen knurrte. Seit der Verwandlung vorgestern Nacht war es das erste Mal, dass er wieder ein wenig Hunger verspürte. Auf der Krankenstation hatte ihm die Krankenschwester zwar etwas gebracht, doch war er wieder eingeschlafen, bevor er wirklich etwas hatte zu sich nehmen können. Er öffnete seine Augen und sah zur Uhr. Es war kurz nach halb Zwölf. In einer halben Stunde begann das Mittagessen. Und dann wären die anderen auch mit Zauberkunst fertig.

Er trank seinen Tee aus, legte die Decke zusammen und stand auf. Zwar war er etwas wacklig auf den Beinen, doch ging es ihm einigermaßen gut. Er verließ den Gryffindorturm und ging hinunter in die Große Halle. Sie war noch leer. Weder Schüler noch Lehrer waren zu sehen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er noch eine gute viertel Stunde warten musste, bis er jemanden zu sehen bekam. Er ließ sich an seinem Haustisch nieder und stützte seinen Kopf auf seine Hände. Er war müde. Sehr müde. Aber auch hungrig. Er befand sich in einem Zustand, der irgendwo zwischen Wachen und Schlafen lag, trug die Stille in diesem riesigen Raum nicht gerade dazu bei ihn munter zu machen.
 

Punkt Zwölf deckten sich die Tische wie von Zauberhand. Remus, der es geschafft hatte nicht einzunicken, tat sich zwei Schöpfkellen Suppe auf den Teller. Heute wollte er es zunächst bei leichtverdaulicher Kost belassen.

Es dauerte nicht lang und die Schüler strömten in die Halle. Zu den Ersten zählten auch James und die anderen beiden. Sirius' Gesicht hellte sich auf, als er den Erstklässler sah.

"Remus!", rief er freudig und ging mit den anderen beiden im Schlepptau zu ihm und ließ sich bei ihm nieder. "Wie geht es dir? Besser?"

Remus nickte leicht.

"Ja. Danke der Nachfrage."

"Wann hat dich Pomfrey rausgelassen?", fragte James, der sich schon einen Berg an Essen auf den Teller geladen hatte.

"Heute morgen. Eigentlich wollte ich ja zum Unterricht kommen, aber sie hat gesagt, dass sie mir die Hölle heiß macht, wenn ich gehe, weil ich noch nicht wirklich gesund bin."

Er lächelte schwach.

"Ich bin nur wegen was zu Essen runtergekommen, wenn ich ehrlich bin."

Sirius lächelte.

"Das ist wenigstens ein Zeichen, dass es dir besser geht. Weißt du, eigentlich wollten wir dich besuchen, aber Poppy hat es uns verboten. Hat gemeint du schläfst."

"Poppy?", fragte der Brünette stirnrunzeld. "Wieso Poppy?"

"Ach, weißt du", begann der junge Black und grinste. "Hab ich zufällig aufgeschnappt, als Dumbledore nach dir gesehen hat."

"Professor Dumbledore war da?"

Der Schwarzhaarige nickte.

"Ja. Frag mich nicht wieso. Vielleicht Kontrollgang oder so", meinte er lachend. "Jedenfalls hat er Pomfrey Poppy genannt. Deshalb."

Remus erwiderte das Lächeln leicht und aß seine Suppe weiter. Er sah zum Lehrertisch und erblickte den Direktor, der gerade mit Professor McGonagall sprach. Der alte Zauberer hatte ihn also aufgesucht? Sicherlich hatte er sich um ihn gesorgt. Immerhin war er für seinen Schützling - solang dieser in Hogwarts war - verantwortlich. Remus runzelte leicht die Stirn. Bei den letzten beiden Vollmonden hatte er sich allerdings auch nicht blicken lassen. Wieso also diesmal?

,Vielleicht hat er sich ja wirklich einfach nur Sorgen gemacht', dachte er und schob die groben Mutmaßungen beiseite.

Ja, so musste es sein. Immerhin war er nicht von allein ins Schloss zurückgekehrt. Madame Pomfrey hatte ihn sicherlich erst davon in Kenntnis gesetzt, bevor sie ihn abholen gegangen war. Daher hatte er sich später auch nach Remus' Befinden erkundet.

"Da fällt mir ein", begann er und sah seine Freunde an. "Könntet ihr mir vielleicht eure Aufzeichnungen geben? Ich würde sie gern abschreiben."

Er war recht verdutzt, als er anstatt einer Antwort nur das Grinsen seiner Freunde zu Gesicht bekam. Was sollte das? Wieso sahen sie ihn so an? Hatte er irgendetwas Falsches gesagt?

"Was-"

"Daran haben wir doch schon gedacht", unterbrach ihn Sirius und feixte noch immer.

"Wir haben für dich mitgeschrieben. Ist alles oben im Turm", meinte James und lächelte.

"Und deinen Strafaufsatz haben wir für dich auch schon gestern abgegeben", fügte Peter rasch hinzu.

"Meinen... Aber ich hab doch noch nicht ein Wort geschrieben."

"Das wissen wir", begann Sirius und die anderen beiden beendeten den Satz synchron, "aber nicht Flitwick."

Die Farbe wich aus Remus' Gesicht. Hatte er da gerade eben etwa richtig verstanden? Hatten die drei etwa wirklich...?

"Das habt ihr nicht getan", murmelte er.

"Doch", erwiderte James in beruhigendem Ton. "Keine Bange. Er wird es nicht mitbekommen. Wie haben die Feder so verhext, dass es wie deine Handschrift aussieht. Also mach dir da mal keine Gedanken."

Der Braunschopf seufzte leise und gab sich geschlagen. Es hatte ja doch keinen Sinn. Drei gegen einen war unfair. Außerdem, wieso sollte er sich eigentlich beschweren? Sie hatten ihm geholfen. Eigentlich sollte er ihnen einfach nur dankbar sein.

"Ihr seid einfach unmöglich", brummte er.

Doch er verriet sich selbst, huschte ein Grinsen über seine Züge. Dieses blieb von den Gryffindors nicht unbemerkt und auch sie begannen zu schmunzeln. Plötzlich hörte Remus jemanden seinen Namen rufen. Er sah sich um und erspähte einen Rotschopf, der gerade auf ihn zu kam. Am Eingang der Halle standen Severus und Andromeda, die ihm - Severus mehr oder weniger, eher weniger - muntere Blicke zuwarfen, sich dann jedoch zu ihren Haustischen begaben. Lily ließ sich neben dem jungen Lupin nieder und sah ihn freudig, gleichzeitig aber auch besorgt an.

"Remus! Geht's dir besser? Du bist immer noch blass. Wieso hast du nicht gesagt, dass du krank bist? Ich hab mir Sorgen gemacht. Ich-"

"Lily", unterbrach er sie und lächelte. "Mir geht es wieder gut. Glaub mir. Alles in Ordnung. Bitte beruhige dich, ja? Bitte."

Sie seufzte leise und nickte leicht.

"Entschuldige. Es ist nur - wir haben uns wirklich Sorgen gemacht. Andromeda, Severus und ich. Erst bist du nicht beim Frühstück und dann auch nicht beim Unterricht."

"Jetzt bin ich ja wieder da", meinte er lächelnd.

Der Rotfuchs konnte nicht anders und lächelte ebenfalls.

"Ja, ich sehe es."

Sie begann zu essen, sah nach einigen Augenblicken jedoch wieder auf.

"Hast du was dagegen, wenn wir uns heute Abend noch mal wegen der Deko zusammensetzen? Ich würde das Ganze auch gern bald mal ausprobieren. Theoretisch ist immer noch etwas Anderes als praktisch. Außerdem müssen wir uns bald mal mit den anderen treffen um alles fertig zu machen. Ich glaube die letzten ein bis zwei Wochen würden dafür zu stressig werden. Oder was meinst du?"

"Da stimme ich dir zu, aber wärest du auch mit morgen Abend zufrieden?", fragte er und sah sie bittend an. "Ich glaube nicht, dass ich heute etwas Vernünftiges zustande bekommen. Außerdem würde ich mir gerne das ansehen, was ich verpasst habe - unterrichtsmäßig."

"Natürlich. Reicht voll und ganz", meinte sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, dass so manches Jungen- beziehungsweise Männerherz höher schlugen ließ.

Der Spross der Lupins dankte ihr für ihr Verständnis. Heute hatte er wirklich keinen Bedarf irgendetwas zu tun. Gut - zum Unterricht würde er gern gehen, aber zu nichts weiter. Ihm taten noch immer alle Knochen weh und er war froh, wenn er wieder oben im Gryffindor-Gemeinschaftsraum war, eine weitere Tasse Tee trinken konnte und sich einfach nur vor dem gemütlichen Feuer, welches im Kamin loderte, vor sich hindösen und einfach nur entspannen konnte. Nach dem Mittagessen folgte für die Erstklässler ohnehin lediglich noch eine einzige Stunde Kräuterkunde. Zwar mochte er das Fach, doch freiwillig brachten ihn keine zehn Irrwichte hinaus in die eisige Kälte, die sie hinter sich bringen mussten, wenn sie zum Gewächshaus gehen wollten - oder besser sollten.
 

"Und? Was meinst du?", fragte Lily und lehnte sich in dem Ledersessel zurück.

Remus betrachtete sich das Konzept.

"Ich finde es nicht schlecht. Aber ob das auch praktisch so funktioniert..."

Er sah sie skeptisch an. Lily lächelte nur sanft und nickte leicht.

"Ich weiß was du meinst, aber mit den richtigen Zaubersprüchen müsste es eigentlich klappen. Ich war heute Morgen in der Bibliothek und hab gesucht."

Sie legte ein paar Notizzettel auf den Tisch.

"Die hier müssten uns eigentlich weiterhelfen. Wir müssen sie nur noch etwas miteinander abstimmen und dann können wir das Ganze ausprobieren."

"Du bist wirklich auf alles vorbereitet", schmunzelte der Braunschopf und erhielt als Antwort ein leichtes Lachen seitens der Rothaarigen.

"Muss ich doch, wenn du krank bist."

Der Jüngere schmollte leicht.

"Ich hab mich doch schon entschuldigt. Tut mir ja leid."

Wieder erntete er nur ein sanftes Lachen. Belustigte grüne Augen funkelten ihn an.

"Das war ein Scherz, Remus. Wenn du krank bist, dann bist du eben krank. Und? Davon geht die Welt nicht unter. Und jetzt schau nicht so. Lass uns lieber weiterarbeiten. Ich würde das Ganze nachher gern ausprobieren."

"Nachher?", fragte ihr Gegenüber stirnrunzelnd.

"Nach dem Abendessen."

"Aber das geht doch in einer halben Stunde los."

"Um so schneller sollten wir weiterarbeiten. Außerdem kommen die anderen auch. Wir wollten das mal alles durchspielen."

"Und wieso ausgerechnet heute noch?"

"Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen", tadelte Lily, lachte dann jedoch wieder.

Remus grummelte leicht, konnte sich das Grinsen allerdings nicht verkneifen. Lily wusste wie sie sich durchsetzen konnte. Oder wusste er einfach nicht wie man auf seiner Meinung beharrte?

In diesem Moment schwang das Porträt, welches den Eingang zum Gryffindorturm versperrte, zur Seite und einige Gestalten betraten den Raum. Remus lächelte als er ein paar völlig verschneite, ihm bekannte Erstklässler sah. James klopfte den Schnee von seinem Umhang, während Sirius durch seine schwarzen Haare wuschelte und die Flocken so aus diesen verbannte. Seine Haarpracht glitzerte in verschiedenen Tönen, brach sich das Licht, welches den Gemeinschaftsraum erhellte, in den Wassertropfen des geschmolzenen Eises. Peter tapste hinter den beiden her. Er hatte seinen Mantel bereits ausgezogen und schüttelte ihn aus. Dabei traf der Schnee andere Schüler, die sich darüber aufregten und den jungen Pettigrew böse anfunkelten. Dieser lief rot an und zog den Kopf ein wenig ein. Er schloss schnell zu den Schwarzschöpfen auf.

"Ihr seht ja ziemlich fertig aus", meinte Remus lächelnd.

James grinste.

"Ja, fertig, aber es hat sich gelohnt."

"Ach, und weshalb?"

Auch Sirius grinste.

"Weil wir uns gerade eben eine Begleitung für den Ball organisiert haben."

Lily runzelte die Stirn.

"Und deshalb seht ihr so aus? Wie habt ihr es denn angestellt? Wer hat sich denn erbarmt?"

Der Spross der Potters warf ihr einen abwertenden Blick zu.

"Es hat sich niemand erbarmt. Eher im Gegenteil. Sie haben sich uns an den Hals geworfen."

Die Lippen der Erstklässlerin zuckten leicht in den Mundwinkeln.

"Ach, und wer sind die Glücklichen?"

"Ein paar Hufflepuffs."

Lily antwortete nicht mehr. Sie lächelte nur leicht und hüllte sich in Schweigen. Doch für James schien es schon Antwort genug zu sein. Er wandte sich von ihr ab und ging Richtung Treppe, die hinauf zu den Jungenschlafsälen führte. Sirius warf Remus und Lily einen entschuldigenden Blick zu, bevor er und Peter dem jungen Potter hinterher gingen. Als die drei verschwunden waren seufzte der Rotfuchs schwer.

"Ich kann es nicht", murmelte sie. "Ich kann zu diesem Kerl einfach nicht nett sein. Das geht nicht."

Sie sah den Erstklässler im Sessel neben ihr an.

"Es tut mir leid Remus. Eigentlich wollte ich wirklich nicht schon wieder so... sagen wir mal unausstehlich zu ihm sein. Aber ich konnte einfach nicht anders..."

Der Angesprochene lächelte nur mild.

"Schon okay. Ich weiß ja, dass du es wenigsten versuchst, aber James ist ja auch nicht der Einfachste."

Ein Seufzer entrann seiner Kehle.

"Wie dem auch sei - lass uns was essen gehen, ja? Er beruhigt sich schon wieder, also mach dir darüber mal keine Gedanken."

"Hm... Ja, ist gut", meinte Lily etwas zögernd, lächelte dann jedoch. "Warte hier, ich bin gleich wieder da."

Sie räumte die Sachen, welche sie beide auf dem Tisch verstreut hatten, zusammen und schaffte sie hinauf in ihren Schlafsaal. Wenig später kehrte sie lediglich mit ein paar kleinen Notizzetteln zurück, die sie wie versprochen später ausprobieren würden. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Großen Halle.
 

Das Abendessen verlief recht ruhig und gesittet. Kurz nach Acht war die Halle fast leer. Am Ravenclaw-Tisch saßen Remus und die anderen, welche sich über die Dekoration des Weihnachtsballes Gedanken machten. Am Lehrertisch war nur noch Dumbledore zu sehen, der sich mit Professor McGonagall und Redwing unterhielt. Sonst war der Saal leer. Für die Erst- bis Drittklässler herrschte bereits Ausgangssperre, welche jedoch nicht für die Planer des Balles galt. Allerdings mussten sie sich zur allgemeinen Sperrstunde - zehn Uhr um genau zu sein - ebenfalls in ihre Häuser zurückgezogen haben.

Remus und Lily brüteten über einen ihrer Sprüche.

"Ob der so funktioniert... Ich weiß nicht, Remus..."

Dieser lächelte nur.

"Lass es uns ausprobieren. Dann werden wir ja sehen."

"Und was, wenn er uns ganz misslingt?"

"Dann haben wir immer noch die anderen, die uns helfen, nicht?"

Andromeda hatte zugehört und grinste.

"Natürlich. Auf uns könnt ihr euch verlassen. Außerdem sind ja auch noch ein paar Lehrer da, wenn es total schief geht."

Die Rothaarige kräuselte die Lippen.

"Zu freundlich..."

"Aber immer doch. Und jetzt zeigt doch mal, was ihr euch ausgedacht habt."

Die beiden Gryffindors warfen sich fragende Blicke zu, wussten sie nicht, wer von ihnen beiden es am besten probierte.

"Mach du nur", meinte Lily und lächelte.

Remus nickte. Er zückte seinen Zauberstab und konzentrierte sich. Leise murmelte er den Spruch und schwenkte den Stab. Er erleuchtete den Raum und als das Licht verblasste, war das Schloss verschwunden. Er und die anderen waren von einem undurchdringbarem schwarz umgeben. Auch die Kerzen, die in der Luft schwebten mochten diese nicht zu erhellen. Der junge Lupin seufzte schwer und wandte sich zu Lily um.

"Ich hab doch gesagt, dass es nicht funktioniert."

"Aber immerhin etwas. Du musst es nur noch ein wenig ausbessern. Dann klappt es schon. Außerdem haben wir ja noch genügend Zeit, um die ganze Sache ausgiebig zu testen und vorzubereiten."

Andromeda grinste.

"Naja, aber wenn das Endergebnis schlussendlich doch so aussieht, dann muss ich mir mit der Beleuchtung ziemlich viel Mühe geben. Sonst tappen wir sprichwörtlich alle im Dunkeln."

Remus wollte etwas darauf erwidern, als plötzlich eine laute Stimme im nicht mehr vorhandenen Raum ertönte

"Mr.Lupin", begann der Direktor, der sich zusammen mit den beiden Professorinnen näherte.

Er lächelte seinen Schützling an.

"Waren Sie das?"

Ein leichtes Kopfnicken folgte auf die Frage hin.

"Ja Sir. Es war allerdings keine Absicht. Der Spruch ist noch nicht so ganz... ausgereift. Lily und ich testen noch."

Der alte Zauberer schmunzelte.

"Verstehe. Nun", er hob seinen Arm und machte eine kleine Handbewegung, kurz darauf tauchte die Halle wieder in ihrem ursprünglichen Zustand auf, "dann sollten Sie noch etwas daran arbeiten. Aber ich denke bis es soweit ist, werden Sie beide es schaffen."

Er warf einen Blick in die Runde.

"Ich wünsche euch viel Glück und ich hoffe, dass es ein gelungenes Weihnachten wird. Weihnachten ist eines der schönsten Feste im Jahr. - Bleibt aber bitte nicht mehr allzu lang wach. Ihr wisst ja, der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste. Und ausgeschlafene Schüler sind mir lieber als übernächtigte. Also, gute Nacht."

Er verabschiedete sich mit einem kurzen Kopfnicken von seinen Schützlingen und verließ den Saal. Auch Redwing und McGonagall machten sich nach ein paar wenigen Worten auf den Weg.

"Okay, also wo waren wir?", fragte Andromeda und grinste breit.

Als Remus dieses sah, sank seine Laune ein wenig. Er wusste, dass die Ravenclaw solang nicht ruhen würde, bis sie ein halbwegs akzeptables Ergebnis vorzuweisen hatten. Immerhin war sie für die Beleuchtung zuständig. Und solang die beiden Erstklässler aus Gryffindor es nicht geschafft hatten die Halle in ihren Endzustand zu versetzen, konnte sie auch nicht mit ihrem Teil der Arbeit beginnen. Somit würde es eine lange Nacht werden. Er war sich sicher, dass sie die vorgegebene Zeit zur Ausgangssperre mit Leichtigkeit überziehen würden.
 

Völlig fertig lies Remus sich auf sein Bett fallen. Er stöhnte leise. Endlich - Endlich hatten sie es geschafft. Nach knapp zwei Wochen Arbeit hatten Lily und er es endlich geschafft und den Spruch bewältigt. Und es hatte sich gelohnt. Es hatte wirklich atemberaubend ausgesehen. Andromeda und die anderen waren völlig aus dem Häuschen gewesen. Der Ball konnte nur gelingen. Oder zumindest an der Dekoration sollte er nicht scheitern.

Der Braunschopf rollte sich auf den Rücken und starrte in das Dunkel. Es war schon spät. Die anderen waren allerdings noch nicht zurück. Bis zwei Uhr morgens hatten sie zusammen mit den Hufflepuffs noch Astronomie. Er war froh, dass er und Lily aufgrund der Vorbereitungen nicht kommen mussten. Es war wirklich ein Segen. Immerhin hatten sie erst weit nach Mitternacht die Große Halle verlassen. Als er und Lily nach oben gegangen waren, hatte auch sie wie erschlagen gewirkt und ihre Augen nur noch schwer aufhalten können. Allerdings hatte sie genau wie er ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen gehabt, das die ganzen Strapazen vergessen machte. Sein eigenes Lächeln wurde ein wenig breiter, als er an Lily dachte. Sie war ihm freudestrahlend um den Hals gefallen, als es ihnen endlich gelungen war. Er mochte jedoch nicht zu sagen, weshalb sie so überglücklich gewesen war. Weil sie mit ihrer Arbeit fertig waren, weil sie sich endlich eine Pause gönnen konnten, weil sie sich nun überlegen konnte, welches Kleid sie tragen solle - in den letzten Tagen redete sie nur noch davon, ob nun mit ihm, Andromeda, Severus oder jemand anderem - oder weil sie sich auf den Ball freute. Vielleicht auch alles zusammen. Er schmunzelte und fuhr sich seufzend durch's Haar. Er war ebenfalls erleichtert. Heute war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Als erstes hatten Avery und die Slytherins es wie immer nicht lassen können auf ihm und den anderen herumzuhaken - wodurch sie alle nur knapp einer Strafarbeit und Punktabzug entgangen waren - danach hatte er Novis' Launen ertragen müssen - in letzter Zeit wirkte dieser immer häufiger verstimmt - und anschließend hatte er sich in Geschichte zusammennehmen müssen, dass er nicht einschlief. Nach der Mittagspause hatten sie noch zwei Stunden Kräuterkunde gehabt, in denen sie Alraunen umgetopft hatten. Für Sirius, James und ihn hatte der Unterricht schnell geendet, hatte Peter vergessen seine Ohrenschützer aufzusetzen, sodass sie ihn auf die Krankenstation bringen mussten. Vor dem Abendessen hatte er mit Severus noch ein wenig für den Ball geübt. Er musste zugeben, dass sie inzwischen keine so schlecht Figur mehr abgaben. Remus war sich sicher, dass sie sich beim Ball nicht mehr blamieren würden und Severus - so glaubte er zu wissen - dachte dies mit Bestimmtheit auch. Nach dem Tanzunterricht hatten sie sich sputen müssen, um in die Große Halle zu kommen. Das Essen war bereits in vollem Gange gewesen. Die Stimmung war mal wieder äußerst gut gewesen. Viele Schüler hatten sich über den anstehenden Ball unterhalten. In drei Tagen, am kommenden Samstag - der 18.Dezember - begannen immerhin die Weihnachtsferien. Langsam mussten sich die Schüler wirklich entscheiden, ob sie heimfuhren oder nicht. Aber soviel der Spross der Lupins mitbekommen hatte, würde der Großteil wohl im Schloss verweilen. Sie wollten sich das Spektakel an Weihnachten anscheinend nicht entgehen lassen. Ihm waren Zweifel aufgekommen, ob sie die anderen vielleicht enttäuschen würde, aber nachdem Lily und ihm der Zauber gelungen war, hatte er alle Bedenken verworfen. Ja - es würde schon alles mehr oder weniger schief gehen.

Leise gähnte er. Sein Blick wanderte zur Uhr. Es war kurz vor zwei Uhr morgens. Die anderen würden wohl bald kommen. Er überlegte, ob er nicht vielleicht noch schnell duschen und sich umziehen sollte, doch eine bleierne Müdigkeit hielt ihn zurück. Er konnte kaum noch mehr die Augenlider öffnen, so erschöpft war er. Er bemerkte, wie seine Gedanken immer mehr stockten. Nein. Duschen konnte er auch noch morgen. Und so schlimm war es ja auch wieder nicht, wenn er einmal in seinen Klamotten schlief. Davon ging die Welt auch nicht unter. Er kuschelte sich in sein Kissen und seufzte leise. Wie er sein weiches Himmelsbett doch liebte. Nach wenigen Sekunden war Remus auch schon mit einem seligen Lächeln auf den Lippen ins Land der träume hinüber geglitten.
 

"Hast du die Hausaufgaben gemacht?", fragte Lily und gähnte leicht.

Remus schüttelte leicht den Kopf.

"Nein. Ich hatte nicht wirklich Zeit dafür. Aber ich denke nicht, dass sie uns den Kopf abreißen wird. Immerhin weiß sie ja, dass wir mit dem Ball beschäftigt waren."

Die junge Evans nickte leicht.

"Ja, du hast wohl Recht."

Sie lächelte.

"Soviel Verständnis wird sie wohl haben."

Gemeinsam betraten die beiden den Unterrichtsraum und nahmen an einem Tisch vor Severus Platz. Dieser las gerade im Lehrbuch.

"Severus?", fragte Lily, als sie ihre Sachen ausgepackt hatte.

"Hm?"

Er sah auf.

"Ja?"

"Remus und ich waren mit den Vorbereitungen für den Ball beschäftigt. Kannst du uns vielleicht sagen, um was es in der Hausaufgabe ging? Wir haben sie beide nicht gemacht."

"Es ging um Doxys. Wie sie aussehen, wo man sie findet und so."

Er suchte das Pergamentstück mit seinen Aufzeichnungen heraus und reichte es Lily.

"Ihr könnt es euch ja durchlesen."

"Vielen dank Severus", erwiderte sie mit einem herzlichen Lächeln.

"Nicht der Rede wert, aber lasst es nicht zur Gewohnheit werden."

"Werden wir nicht", antwortete nun Remus. "Nochmals danke."

Er und Lily überflogen die Notizen kurz. Allzu viel war es wirklich nicht. Als sie fertig waren, wollte Remus Severus den Zettel zurückgeben, als er innehielt. Verwundert sah er Richtung Tür. Sah er da etwa richtig? In der Tür stand Professor Redwings Mann, nicht die Professorin. Remus runzelte die Stirn. Was trieb ihn hierher? Und wo war seine Lehrerin? Mr. Redwing schloss die Tür hinter sich und ging auf den Lehrertisch zu. Die Schüler sahen ihn dabei mit neugierigen oder auch misstrauischen - ab und an auch etwas ängstlichen, war er nicht gerade der Vertrauenserweckendste - Blicken an.

"Wer ist denn das?", fragte Lily leise.

"Mr. Redwing", erwiderte Remus.

Der Rotschopf wandte sich dem Jüngeren zu.

"Woher weißt du das?"

"Peter, James, Sirius und ich hatten schon das Vergnügen mit ihm."

"Und wann?"

Doch diese Frage beantwortete der Gryffindor nicht mehr, ergriff der in schwarz Gekleidete das Wort.

"Wenn ich mich vorstellen darf? Mein Name ist Vladimir Redwing. Meine Frau wird euch in nächster Zeit nicht unterrichten können. Ich werde sie solang vertreten."

Eine Slytherin hob die Hand. Der neue Lehrer nickte ihr leicht zu, als Zeichen, dass sie sprechen konnte.

"Und wo ist Professor Redwing?"

"Sie ist für den Direktor unterwegs."

"Und weshalb?", fragte nun Rosier.

"Normalerweise stellt der Lehrer die Fragen und nicht der Schüler, oder?", gab der schwarzhaarige Mann ein wenig säuerlich zurück. "Lasst uns mit dem Unterricht anfangen. Wenn ich richtig informiert bin, dann solltet ihr bis heute das Thema Doxys ausarbeiten. Also, darf ich bitten?"

Sein Blick glitt durch den Raum. Bei Remus blieb er stehen.

"Sie vielleicht Mr. Lupin?"

Der Angesprochene schluckte leicht. Das fing ja gut an. Er ordnete seine Gedanken. Gut, was hatte noch mal alles bei Severus gestanden? Er wusste, dass er diese Stunde nur schwer überstehen würde.
 

"Bist ja ganz schön ins Schwitzen gekommen", meinte Sirius grinsend und nahm einen Schluck von seinem Kirschsaft.

Der Spross der Lupins seufzte leise.

"Ich hatte wirklich Glück. Ich hab schon gedacht, dass er mich gar nicht mehr in Ruhe lässt."

"Woher wusstest du das eigentlich alles?", fragte James, der ein Stück Brot kaute. "Der Großteil stand gar nicht im Lehrbuch. Und ich dachte, dass du die Hausaufgaben nicht gemacht hast."

"Nicht?", fragte Remus und sah seinen Gegenüber verwundert an, während er ein wenig Tee trank.

Der Schwarzschopf musterte Remus ein wenig skeptisch.

"Was soll denn das schon wieder heißen? Hast du dir das ganze etwa aus den Fingern gesogen? Du musst den Text doch gelesen haben oder woher wusstest du das alles."

"Naja...", gab Remus ein wenig zurückhaltend und mit mulmigem Gefühl in der Magengegend zurück, wusste er, dass James die Antwort nicht gefallen würde, "Ich hab mir Severus' Notizen durchgelesen und das gesagt, was mir eingefallen ist."

Bei der Erwähnung des Namen des Slytherin verfinsterte sich die Miene James' ein wenig, aber er sagte nichts.

"Wie steht's eigentlich mit dem Ball?", fragte Sirius ablenkend, damit die Stimmung nicht ganz auf Null fiel. "Wie weit seid ihr denn?"

"Eigentlich soweit fertig", erwiderte der Braunschopf. "Lily und ich zumindest. Andromeda ist auch schon ziemlich weit. Und die anderen... Weiß nicht so genau. Aber ich glaube die auch."

Er lächelte leicht.

"Ich denke mal, dass wir den Ball schon irgendwie zum Laufen bekommen. Das wird schon. Ich bin recht zuversichtlich. Lily und ich wollten am Wochenende noch mal alles durchgehen. Eigentlich dürfte es soweit keine Probleme mehr geben."

"Und wie wird die Deko aussehen?", fragte Peter interessiert und nippte an seinem Getränk.

"Das verrate ich nicht", meinte Remus grinsend. "Hab ich doch schon mal gesagt. Das wird eine Überraschung. Ihr werdet schon sehen."

"Und einen Anhaltspunkt gibst du uns auch nicht?", fragte der junge Black.

"Nein."

"Auch keinen kleinen? Auch nicht, wenn wir dich ganz lieb darum bitten?", wollte nun James wissen, der sich anscheinend wieder beruhigt hatte.

"Nein, auch dann nicht. Gebt auf. Von mir erfahrt ihr kein sterbends Wörtchen", lachte er, "und von den anderen auch nicht. Glaubt mir."

Der junge Potter begann leicht zu schmollen.

"Das ist gemein."

"Ist es gar nicht", meinte Remus nur und trank etwas von seinem Saft.

"Natürlich ist es das. Vor seinen Freunden hat man keine Geheimnisse. Nicht wahr Sirius?"

James sah auffordernd zu dem Angesprochenen, welcher seinen Freund natürlich nicht im Stich ließ und zustimmend nickte.

"Das stimmt. So etwas gehört sich nicht. Freunde haben keine Geheimnisse voreinander."

"Siehst du", meinte der andere Schwarzhaarige und funkelte den Spross der Lupins herausfordernd an. "Also: raus mit der Sprache. Raus mit allem, was du uns verheimlichst."

Er grinste den Braunschopf an ohne zu wissen, was er für eine Lawine der Gefühle bei diesem mit so einem einfachen - nicht überdachten, ahnungslosen - Satz bei ihm auslöste. Remus' Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürrt. Er sollte ihnen alles sagen, was er ihnen verheimlichte? Nein, das ging nicht. Das ging nun wirklich nicht. Gut - sicher hatte James damit nur das Schulfest gemeint, aber was, wenn er vielleicht doch eine Ahnung hatte, wieso der junge Lupin monatlich des Nachts verschwand? Vielleicht war der Satz ja absichtlich so gewählt. Vielleicht wollte er ihn so zu einem Geständnis - nein, vielmehr einer Beichte zwingen? Remus schluckte schwer. Aber er konnte doch unmöglich - hier vor alles Augen und Ohren - zugeben, dass er ein Werwolf war. Nein, das konnte er nicht. Wenn er das tat, dann würden spätestens morgen früh die ersten Eulen eintreffen und seinen Schulverweis mit den transportierten Briefen fordern. Nein, er konnte es James nicht sagen. Aber was sollte er dann tun? Er hatte völlig die Fassung verloren und leichter Schweiß war ihm ausgebrochen. Er bekam gar nicht mit, dass ihn seine drei Freunde verwundert und gleichzeitig besorgt ansahen.

"Remus?", fragte Sirius. "Geht's dir nicht gut?"

Der Braunschopf wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah nun ein wenig verstört und verwirrt in die blauen Augen.

"Was?", entfuhr es ihm leise.

"Tut mir leid", meinte James. "Ich wusste nicht, dass dich meine Frage so aus der Fassung bringt."

Er lächelte.

"Ich versteh schon, dass du uns nicht sagen willst, was ihr genau für das Schulfest geplant habt. Tut mir leid. Vergiss einfach meine Frage. Aber deswegen musst du nicht gleich so ins Schwitzen geraten."

Remus sah den Braunäugigen noch immer verwundert an, nickte jedoch leicht. Natürlich, der Weihnachtsball. Wie hatte er auch nur so dumm sein können und annehmen können, dass James oder die anderen etwas von seinem Geheimnis wussten? Bis jetzt hatte er sich nicht allzu auffällig benommen und alles war gut gegangen. Sehr viel Verdacht dürfte er noch nicht geweckt haben. Er lächelte leicht.

"Entschuldige, aber die anderen haben mir eingebläut nichts zu sagen. Du weißt ja wie Mädchen sind. Geheimniskrämerei und so. Wenn ich nur ein Wort zuviel verliere, dann darf ich mich schon mal auf eine gehörige Standpauke gefasst machen."

James und Sirius lachten und nickten leicht.

"Ja, so sind die Mädchen", meinte Sirius und grinste über das ganze Gesicht.

"Wie sind wir?", fragte jemand hinter ihm.

Er wandte sich um und sah in ein Paar Augen giftigen Grüns.

"Oh, Lily..."

Er grinste leicht.

"Abend. Auch schon da?"

Sie sah ihn skeptisch an und nahm dann neben ihm Platz.

"Im Gegensatz zu anderen, müssen manche Leute lernen."

Der junge Black strich sich auf arrogante Art und Weise eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah herablassend auf Lily herab.

"Tja, manche Leute haben es eben nicht so nötig zu lernen, wie andere."

Ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment hörte Remus die Luft zwischen den beiden regelrecht knistern, doch dann brachen beide in herzhaftes Lachen aus, welches ihn sofort beruhigte. Für kurze Zeit war sein Herz stehen geblieben, hatten ihn Sirius' Worte recht heftig getroffen. So hatte er den Schwarzhaarigen noch nie sprechen gehört. Doch glücklicherweise war das ganze nur Spaß gewesen und Lily hatte diesen auch so verstanden, denn sie wusste: wer Schläge austeilte, der musste auch einstecken können.
 

Das Abendessen verlief recht ruhig. Remus verlies die Tafel schon eher, musste er sich bis zum morgigen Tag noch gute zehn Seiten des Geschichtsbuches zu Gemüte führen. Es würde wohl ein öder Abend werden und er selbst war nicht gerade sehr erpicht darauf sich Geschehnisse vor über zweitausend Jahren zu merken. Gut, es konnte durchaus interessant sein, hatte man einen Lehrer, der das ganze spannend darstellte, aber bei seinem Professor war Hopfen und Malz bereits verloren.

Er hatte gerade die große Halle verlassen, als ihn jemand rief. Er wandte sich um und sah Lily auf ihn zukommen.

"Du willst wirklich schon in den Turm?", fragte sie und lächelte sanft.

Zur Antwort nickte er leicht.

"Ja, eigentlich schon. Warum fragst du?"

"Naja..."

Sie wippte leicht nach vorn und zurück, wusste sie nicht genau, wo sie anfangen sollte.

"Ich... Eigentlich wollte ich noch mal runter an den See. Aber allein ist das langweilig. Kommst du vielleicht noch mal mit?"

Sie sah ihn bittend an. Einen Moment lang war er irritiert und fragte sich, weshalb Lily so spät noch nach draußen wollte. Und wieso ausgerechnet mit ihm.

"Ich... ähm... Eigentlich wollte ich ja noch-"

"-lesen. Ich weiß. Ach, bitte, Remus!"

Als sie ihn mit einem durchdringenden Hundeblick ansah, brach sein letzter Widerstand. Er seufzte leise und nickte.

"Einverstanden. Ich komm mit."

Ihr Gesicht hellte sich auf und der Rotfuchs begann regelrecht zu strahlen.

"Danke Remus! Du bist der Beste."

,Nein, nur der, der am leichtesten Rumzukriegen ist', dachte er resignierend.
 

Gemeinsam hatten sich die beiden Erstklässler auf den Weg gemacht und liefen nun am Ufer des zugefrorenen Sees entlang. Lily hatte sich bei Remus eingehakt und an ihn gedrückt, war es hier draußen unsagbar kalt und fror sie stark. Sie lächelte zufrieden vor sich hin und ging stumm mit - dem im Gesicht feuerrot angelaufenen - Remus weiter. Diesem war durch den engen Kontakt recht warm geworden und sein Puls hatte sich ein wenig erhöht. Es wunderte ihn, dass Lily eine solche Wirkung auf ihn hatte. Gut, sie war schön - sehr schön - aber sie war seine Freundin. Wie auch Andromeda. Auch bei der Schwarzhaarigen hatte er des Öfteren Schmetterlinge im Bauch, sogar noch stärker, als jetzt bei Lily. Andere Male war alles normal. Er hatte sich schon öfters den Kopf darüber zerbrochen, die Gedanken jedoch immer wieder beiseite geschoben. Doch nun, da die junge Evans und er in trauter Zweisamkeit das Ufer - in schon recht starker Dunkelheit - entlang schlenderten, kamen diese Hirngespinste wieder in ihm hoch. War da vielleicht mehr als nur Freundschaft? Empfand er mehr für die beiden Mädchen, als er dachte? Andererseits - so zweifelte er - war es schon seltsam. Solche Gefühle konnte er schlecht für zwei Mädchen auf einmal empfinden. Das war falsch. Das war einfach... Er wusste es nicht zu beschreiben. Nein, es konnte unmöglich sein, dass er mehr für die beiden empfand. Sicher bildete er es sich nur ein. Gut, bis jetzt hatte er sich noch in niemanden verliebt, aber dass er sich mit einem Mal in zwei weibliche Wesen... Nein, das war ausgeschlossen. Und wenn doch, dann war das alles nur vorübergehend. Immerhin waren sie alle noch Kinder. Für so etwas hatte er auch später noch Zeit. Ein Lächeln stahl sich auf seine Züge. Ja, es waren einfach nur freundschaftliche Gefühle. Bei Severus und Sirius empfand er ja auch ähnlich und in die beiden würde er sich nie verlieben. Da war er sicher.

Bei diesem Gedanken lachte er leicht.

Nein. In einen Jungen würde er sich niemals verlieben. Das war ausgeschlossen. So verquer war er nun wirklich nicht.

"Wieso lachst du?", fragte Lily plötzlich und sah ihn mit ihren großen, grünen Augen an.

Er schüttelte nur leicht den Kopf und lächelte.

"Nur ein Gedanke. Mehr nicht."

"Ach so...", erwiderte der Rotschopf nachdenklich und schenkte ihm ein sanftes Lächeln.

Remus ließ seinen Blick über den See gleiten. Die Eisschicht, welche ihn bedeckte, hatte ihn nun fast vollständig vereist. Der Winter war noch lang. Ob er ganz zufrieren würde? Noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, spürte er ein leichtes Zittern. Er sah zu Lily.

"Ist dir sehr kalt?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Nein, nur ein wenig."

"Sollen wir zurückgehen?", fragte er fast schon mütterlich. "Sonst wirst du noch krank."

Die Gryffindor lachte leicht und verneinte abermals.

"Ist schon in Ordnung. Ich will noch nicht zurück."

"...Wie du willst...", seufzte er leise. "Aber sag mir eins. Wieso wolltest du mit mir spazieren gehen? Jetzt?"

Sie grinste ihn an.

"Dir kann man nichts vormachen, hm?" Als Remus ihr keine Antwort gab, fuhr sie fort: "Ich wollte mit dir wegen dem Ball sprechen."

"Und weswegen?"

"Ich habe zwei Kleider zur Auswahl und weiß nicht, welches ich von beiden nehmen soll."

Der Jüngere blieb abrupt stehen und sah seine Begleiterin ungläubig an.

"Und deswegen die Umstände?"

Sie war irritiert, hatte sie nicht mit einer solche - geschockten - Reaktion gerechnet.

"Naja, ich wollte nicht im Gemeinschaftsraum drüber reden. Das bekommt sonst gleich jeder mit. Ich möchte die anderen überraschen."

"Entschuldige, aber ich verstehe immer noch nicht..."

"So schwer ist das doch nicht", meinte sie ein wenig resignierend, schien sie sich zu wundern, dass Remus nicht wusste, worauf sie hinaus wollte. "Wir gehen zusammen zum Ball und ich möchte, dass unsere Sachen so gut wie möglich zusammen passen."

"Und weiter?"

"Naja, ich will bleibenden Eindruck hinterlassen."

"Und für wen? Oder bei wem?"

"Remus", stöhnte sie leise. "So schwer ist das wirklich nicht."

Sie funkelte ihn an.

"Bei James und den Slyhterins natürlich."

"Bei J- Aber wieso denn?"

Sie wandte sich von ihm ab, ging ein paar Schritte weiter und drehte sich dann zu dem jungen Lupin um und lächelte.

"Um James mal zu zeigen, dass er nicht der Größte der ganzen Schule ist. Er bildet sich doch so gern was auf sich ein und ich habe mir gedacht, wenn er sieht, dass es ein Paar gibt, dass besser aussieht, als er und seine Begleitung, dann steigt er vielleicht endlich mal von seinem hohen Ross. Und bei den Slytherins ist das so ähnlich. Die denken doch auch, dass alles, was nicht reinblütig ist, Abschaum ist. Denen will ich auch endlich Mal das Gegenteil beweisen. Zumindest Avery und den anderen. Eigentlich macht es mir ja nichts aus, wenn sie über uns herziehen, da ich weiß, dass es dummes Gewäsch ist, aber bei so einem Ereignis kann ich einfach nicht anders. Deshalb. Deshalb wollte ich mit dir drüber sprechen."

Als sie endete, sah sie ihren Gegenüber erwartungsvoll an. Einige Zeit blieb es ruhig, bis Remus nicht anders konnte als zu Grinsen und kopfschüttelnd weiter zu gehen. Verwundert blickte sie ihm nach.

"Warum grinst du? Was hab ich denn gesagt? Was war lustig?"

Er schüttelte nochmals den Kopf.

"Nichts, Lily. Nichts. Ich dachte nur nicht, dass es dich so auf die Palme bringt."

Er sah zu ihr zurück und lächelte nun.

"Lass uns das morgen alles besprechen. Mir ist das heute zu spät. Aber wenn du unbedingt willst, dann mache ich gern mit. Avery treibt mich manchmal auch zur Weißglut und wenn du ihm ein Schnippchen schlagen willst, dann sag ich nicht nein. Aber jetzt lass uns gehen. Wir müssen in den Gemeinschaftsraum. Es ist schon spät."

Der Nachwuchs der Evans' nickte rasch und schloss auf. Sie schmiegte sich wieder an ihn, war ihr noch immer kalt. Doch nun ging es ihr besser, hatte sie es endlich los geworden. Gut, es war nur eine kleine Nichtigkeit gewesen, aber diese Art von Dingen konnte manchmal sehr erdrückend sein.

Remus konnte sein Lächeln noch immer nicht verbannen. Es ging einfach nicht. Es amüsierte ihn, über was Lily nachdachte. Über solche Dinge würde er aller Wahrscheinlichkeit nie im Traum nachdenken. Noch eine kleine Gemeinsamkeit, die die beiden teilten. War er sich überlegte, über welche Angelegenheiten er sich ab und an den Kopf zerbrach, dann musste Lily diese als ebenso überflüssig erachten.

Seine Gedanken gerieten ins Stocken, als er seltsamer, unnatürlicher Laut an sein Ohr drang. Seine Schritte wurden langsamer und schließlich blieb er stehen. Er kannte das Geräusch. Wann hatte er es zuletzt gehört? War es nicht... Seine Augen weiteten sich. Ja natürlich. An seinem Geburtstag. Kurz bevor er ins Schloss zurückgekehrt war und über das blutüberströmte Mädchen gestolpert war. Er ignorierte Lilys Fragen und ging auf einen kahlen Baum am Ufer zu. Das Schluchzen wurde lauter. Und da sah er sie. Die kleine schmächtige Gestalt, welche nahezu durchsichtig war und leicht blau schimmerte. Ihr Haar wehte im Wind. Sie hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte herzzerreißend.

"Elena", hauchte er leise und blieb ungläubig stehen.

Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Lily war ihm nachgegangen und sah interessiert auf das fremde Mädchen.

"Wer oder was ist das?", wisperte sie leise.

Noch bevor Remus ihr antworten konnte, hatte sich das geisterhafte Wesen erschrocken zu beiden umgedreht. Ihr Blick glitt von dem einen Gryffindor zum anderen. Rasch wischte sie sich ihre Tränen fort, auch wenn der Spross der Lupins stark bezweifelte, dass dies etwas brachte. Soweit er in Erinnerung hatte, waren Elenas Berührungen sehr nass und sehr unangenehm gewesen. Ob sie so die Tränen wegwischen konnte? Er glaubte nicht. Stumm sahen sie sich mehrere Augenblicke an, bis die rothaarige Gryffindor schließlich auf das Mädchen zuging.

"Lily! Nicht!", rief Remus warnend. "Sie ist-"

"-ein kleines Mädchen, das weint", meinte Lily verständnislos und ging weiter.

Remus fluchte innerlich. Wieso wollte die Erstklässlerin nicht hören? Er wusste es schließlich besser. Als er dieses Geschöpf das erste Mal gesehen hatte, hatte sie auch geweint und schließlich war sie über ihn hergefallen, hatte es sich nur im letzten Moment anders überlegt und war verschwunden. Nun gut. Vielleicht würde sie es heute nicht tun. Immerhin waren sie zu zweit.

"Wieso weinst du?", fragte Lily sanft und ließ sich neben der Gestalt in die Hocke sinken. "Und wieso sitzt du hier im Schnee? Ist dir nicht kalt? Willst du meinen Umhang?"

Elena schüttelte den Kopf.

"Mir ist nicht kalt", meinte sie mit leise Stimme.

Remus blieb hinter Lily stehen und sah auf die Kreatur hinab.

"Was machst du hier, Elena?", fragte er in nüchternem Ton.

Lily sah zu ihm auf.

"Du kennst sie?"

Er nickte leicht.

"Ja. - Das letzte Mal hat sie auch geweint und ist dann über mich hergefallen."

Die junge Evans runzelte die Stirn und sah zu Elena.

"Was meint er damit?"

Das kleine Mädchen senkte den Blick.

"Das war keine Absicht", antwortete sie mit piepsiger Stimme. "Es tut mir leid, Remus."

"Was bist du?", fragte dieser und versuchte sich nicht von ihr rühren zu lassen, obwohl sie eine wirklich mitleidserweckende Erscheinung bot. "Bist du ein Geist? Oder ein Wassermensch? Oder was bist du?"

Sie schüttelte leicht den Kopf.

"Ich bin kein Geist. Und ein Wassermensch bin ich auch nicht..."

"Kein Wassermensch?"

Remus wusste nicht mehr genau, was er denken sollte.

"Aber in einem der Bücher, welches ich gelesen habe, da war ein Bild von dir. Erklär mir das."

Sie zuckte mit den Schultern und sah zu ihm auf. Ihre Augen waren mit silbernen Tränen gefüllt.

"Ich weiß nicht... Aber ich bin kein Wassermensch."

"Und was dann?"

"Das... Das geht dich nichts an."

Er wollte etwas erwidern, doch Lily warf ihm nur einen warnenden Blick zu, bevor sie sich an die Kleine wandte.

"Wieso weinst du?"

Elena warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, ehe sie zu Boden sah.

"Er ist weg. Und er kommt nicht mehr wieder."

Die Erstklässlerin sah das Mädchen verwundert an. Auch ein fragender Blick zu Remus, der nur mit den Schultern zucken konnte, half ihr nicht weiter.

"Wer ist weg?", fragte sie mit sanfter Stimme. "Sagst du uns das?"

Elena schluchzte leise.

"Das ist alles meine Schuld. Und jetzt hassen sie mich noch mehr. Sie meinen, wenn ich nie geboren worden wäre, dann wäre das alles nie passiert. Sie..."

Die blauschimmernde Gestalt erstarrte, als ein gröllendes Geräusch die Gegend erfüllte. Hörte man genau hin, dann konnte man mit sehr viel Fantasie Elenas Namen heraus hören. Sie sprang auf und sah die beiden Schüler gehetzt an.

"Ihr müsst gehen! Wenn sie mich mit euch sehen, dann... Verschwindet! Sonst bekomme ich gewaltigen Ärger. Und ihr werdet euren nächsten Geburtstag nicht mehr erleben."

Die beiden Gryffindors sahen sich verdutzt an. Was sollte das Ganze? Von wem sprach sie? Als sie sich wieder Elena zuwenden wollten, war diese wie vom Erdboden verschluckt.

"Was-", sagte Lily leise, beendete die Frage jedoch nicht.

"So ging es mir das letzte Mal auch schon", meinte Remus noch immer stark verwirrt. "Vielleicht ist es doch besser, wenn wir gehen. Ich hab so ein ungutes Gefühl bei der Sache."

Lily nickte nur zustimmend.

"Ja, du hast recht. Es ist wirklich besser..."

Remus warf noch einmal einen Blick zum See. Dieses Mädchen war ihm wirklich äußerst suspekt. Von Mal zu Mal mehr. Er schüttelte die Gedanken ab und wandte sich um. Gemeinsam mit dem Sprössling der Evans' ging er zum Schloss zurück. Sie kamen zu der Übereinkunft das Alles für sich zu behalten, würde ihnen so oder so niemand glauben. Und solang sie nicht wussten wer oder was Elena war und was mit ihr genau nicht stimmte, solang würden sie kein Wort über sie verlieren. Es war besser so. Sowohl für sie beide, als auch für Elena.
 

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1.Akt, Kap. XVII - Ende

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1.XVIII.Rotkäppchen im Anzug

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1.Akt: Kapitel XVIII: Rotkäppchen im Anzug

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"Und? Was meinst du? Welches von beiden?"

"Ich weiß nicht... Ist das nicht egal?"

"Nein, ist es nicht. Das hab ich dir doch gestern schon erklärt."

"Entschuldige, aber danach ist noch einiges passiert."

"Ich dachte wir wollten nicht darüber reden?"

"Worüber wolltet ihr nicht mehr reden? Was habt ihr denn gestern Abend Schönes gemacht?"

"Das geht dich gar nichts an!"

Sirius saß leicht erschrocken auf seinem Stuhl, hatte er nicht mit so einem Ausbruch gerechnet. Remus und Lily hatten ihm synchron geantwortet und das nicht gerade auf sanfte Art und Weise. Sie funkelten ihn böse an und wandten sich wieder nach vorn um. Sirius' Lächeln geriet leicht schief.

"Mein Gott sind die heute mies drauf."

James lachte leicht.

"Mach dir nichts draus. Liegt nur an Lily. Langsam färbt sie auf den guten Remus ab."

"Ja, ich glaube auch."

Der Schwarzschopf seufzte resignierend.

"Würde mich trotzdem interessieren, was die da die ganze Zeit reden."

Remus seufzte gequält. Wieso ging ausgerechnet er noch mal mit Lily zum Ball? Ach ja. Weil Andromeda auf die glorreiche Idee gekommen war, dass sie zu viert gehen konnten und sie unbedingt mit Severus hatte gehen wollen, obgleich dieser ganz entschieden dagegen gewesen war. Und was nun? Jetzt durfte er sich schon die ganze Stunde über Fragen zu Lilys Kleidern anhören. Und das, obwohl er ihr immer wieder sagte, dass sie sicherlich in beiden eine umwerfende Figur abgab. Aber nein. Sie konnte und wollte einfach nicht auf ihn hören.

"Lily... Ich hab keine Ahnung, was ich anziehen soll. Ich denke nicht, dass ich etwas Passendes für eines deiner Kleider habe."

"Macht doch nichts. Ist doch noch Zeit bis zum Ball. Da fällt uns schon was ein. So schwer kann das doch nicht sein. Wie wäre denn Silber? Oder vielleicht weiß?"

"Ich geh doch auf keine Hochzeit."

"Aber es würde dir ganz sicher stehen", meinte Lily leicht kichernd und lächelte dabei.

Remus lief um die Nasenspitze herum leicht rot an. Er wusste, dass es keinen Sinn machte jetzt noch mit dem Rotfuchs zu diskutieren. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann würde sie dies auch durchziehen. Egal was er oder andere dazu sagten. Und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Normalerweise bevormundete nur seine Mutter ihn, aber allen Anschein nach, hatte er hier und heute einen blendenden Ersatz gefunden. Lily stand seiner Frau Mama in keinster Weise im Punkt Maßregeln in etwas nach. Er seufzte leicht.

"Na schön, wie du meinst. Dann überlass ich dir die Entscheidung, was ich anziehe. Dann kann ich nichts falsch machen."

"Wie bitte?", fragte sie ein wenig empört. "Jetzt soll ich mich auch noch um deine Garderobe kümmern?"

Er sah sie ein wenig verstimmt an.

"Du machst dir doch die ganze Zeit über Gedanken darüber, was wir anziehen könnten und wie wir den besten Eindruck machen? - Ich meine, auf mich hörst du doch so oder so nicht, da kannst du auch für mich entscheiden, wenn dir das solchen Spaß macht."

Mit dieser patzigen Antwort fing er sich zornige Blicke seitens Lily ein.

"Du bist ja schon genauso schlimm wie James! Ich kann es nicht fassen, was dieser Kerl für einen schlechten Einfluss auf dich hat."

"Was ist mit mir?", fragte der Genannte und beugte sich neugierig nach vorn, um besser lauschen zu können.

Grüne Augen funkelten ihn sauer an.

"Ãœberhaupt nichts! Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nichts angehen."

"Wie bitte?! Wenn ihr über mich redet, dann geht mich das sehr wohl was an."

"Wenn Lily meint, dass du dich raushalten sollst, dann tu doch einfach, was sie sagt", meinte Siriuss, der gerade eben noch in seinem Geschichtsbuch geblättert hatte, aufgrund des Trubels neben sich jedoch diese Aktivität kurzzeitig unterbrochen hatte.

"Was mischst du dich denn da jetzt noch ein?!", fauchte James ihn streitlustig an. "Du solltest zu mir halten und nicht zu ihr. Also lies du lieber weiter, sonst verpasst du vielleicht noch einen toten Doxy für deine Strichliste."

"Dann solltest du aber auch weiter lesen", warf Lily nun ihrerseits ein. "Immerhin hast du ebenso wenig mitzureden."

Zwischen den beiden begannen die Fetzen zu fliegen. Remus hatte sich inzwischen wieder nach vorn gewandt und damit begonnen seinen Blick durch den Raum schweifen zu lassen. Die Aufmerksamkeit der anderen Insassen galt eindeutig ihnen. Jeder Schüler hatte inzwischen mitbekommen, was sich hinten bei ihnen abspielte und beschlossen sich das Spektakel anzusehen, war dies spannender, als der zweiundfünfzigste Doxy, der gerade von einem Todesfluch getroffen worden war. Alle hatten es bemerkt, bis auf Professor Binns - ihren Geschichtsleser. Dieser saß gerade vorn in seinem Stuhl und war vertieft in sein Buch. Er schien alles rund um sich herum vergessen zu haben. Während Remus bereits die Ohren vom Geschrei seiner beiden Freunde klingelten, blätterte die Lehrkraft langsam auf die nächste Seite und gab sich dann wieder den Buchstaben hin. Es wunderte den Braunschopf, wie man nur so abwesend sein konnte. Entweder war der alte Zauberer wirklich schon taub oder er hatte sich taub gehext, sodass er nichts hörte. Natürlich konnte es auch gut möglich sein, dass er einfach nur perfekt im Ignorieren von Dingen war, die er nicht mitbekommen wollte, aber das hielt der Spross der Lupins für ausgeschlossen.

"Wenn Professor Binns nicht bald eingreift", meinte Sirius, der hinter ihm neben James saß und ebenfalls gelangweilt in der Weltgeschichte umher sah, "dann hat Gryffindor bald zwei Schüler weniger."

Remus lächelte nur leicht und wandte sich wieder zu ihm um.

"Sie kriegen sich schon wieder ein - hoffe ich."

Sirius sah ihn fragend an.

"Worüber habt ihr eigentlich geredet, dass sie so ausrastet?"

"Ihr Kleid für den Weihnachtsball und was ich anziehe."

Der Schwarzschopf grinste leicht und nickte. Das Grinsen ging in ein wissendes Lächeln über.

"Verstehe. Ja, das hab ich auch schon hinter mir."

"Und?"

"Schwarz."

"Hätte ich mir eigentlich denken können", erwiderte Remus und musste sich das Lachen verkneifen.

"Naja, ich hab der Kleinen aus Hufflepuff einfach gesagt, dass ich nicht wirklich was anderes in meinem Kleiderschrank hängen habe, außer Schwarz. Außerdem seh ich in allem gut aus, was ich anhabe."

Nun musste der Jüngere wirklich lachen.

"Einbildung ist auch eine Bildung."

"Das sind knallharte Fakten."

"Jaja, schon klar. Weißt du, dass Hochmut vor dem Fall kommt?"

Sirius machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Wie sagen die Muggel so schön? Aus Schaden wird man bekanntlich klug."

Remus schmunzelte leicht.

"Na wenigstens ist bei dir noch nicht ganz Hopfen und Malz verloren."

Zwei blaue Augen sahen ihn fragend an.

"Wie bitte?"

"Nicht so wichtig."

Sirius schien einige Sekunden über den Ausspruch des anderen nachzudenken, schien dann aber zu beschließen es dabei zu belassen und zurück zu dem Thema zu kommen, über das sich Lily und James neben ihnen noch immer stritten, ohne dabei wirklich von dem Notiz zu nehmen, was Remus und Sirius gerade besprachen.

"Und du und Lily?", fragte der Dunkelhaarige. "Wie steht es mit euren Sachen?"

Remus zuckte mit den Schultern.

"Das haben wir ja gerade diskutiert, aber sie scheint mir im Moment ein wenig abgelenkt."

"Ach, findest du?"

Der Brünette schmunzelte nur und zuckte abermals mit den Schultern.

"Ich denke. Nur so ein Gefühl."
 

Ein leises Seufzen entrang Remus' Kehle. Er hatte seine Arme verschränkt und seinen Kopf auf diese sinken lassen. Er ließ seinen Blick durch den großen Raum wandern. Man hörte leises Federkratzen und langsame Schritte, die von Professor Flitwick ausgingen, der hin und her lief um sich die Beine zu vertreten.

"Wieso so geknickt?"

Der Braunschopf sah auf. Severus, der neben ihm saß, sah ihn leicht fragend, andererseits aber wieder uninteressiert an. Der junge Lupin gab abermals ein gequältes Seufzen von sich und zuckte leicht mit den Schultern.

"Ich weiß auch nicht. Heute ist einfach nicht mein Tag."

Der andere fragte nicht nach, aber Remus wusste, dass ihm das Warum auf der Zunge lag.

"Irgendwie ist heute alles nur Schreibarbeit. Erst arbeiten wir bei Mr. Redwing das Buch durch ohne eine praktische Übung, in Geschichte löchert mich Lily wegen dem Ball und jetzt schreiben wir wieder nur anstatt zu üben. Ich meine, gut. Heute gehen die Ferien los. Da machen wir nicht mehr viel, aber wieso machen wir dann nichts Praktisches?"

Ein Lächeln deutete sich auf den Zügen des Slytherin an.

"Ich denke dass das dann nach den Ferien kommt. Als seichter Einstieg. Oder möchtest du, wenn die Schule wieder losgeht, gleich mit unzähligen Seiten Lehrbuch eingedeckt werden?"

"Nein", murmelte Remus nur und kratzte sich leicht am Hinterkopf, wobei er gähnte und sich anschließend wieder halb auf den Tisch sinken ließ. "Aber es ist nur so langweilig. Das ist alles."

Severus beendete den Text, den sie hatten abschreiben müssen und stellte die Feder in das Tintenfass zurück. Er lehnte sich zurück und ließ kurz seinen Blick schweifen, während er zu Remus meinte:

"Ich verstehe, was du meinst. Mir geht es ähnlich. Aber wenn du willst, dann können wir ja nach dem Unterricht was zusammen machen. Dann wirst du vielleicht wieder munter. Außerdem könntest du ein wenig frische Luft vertragen. Du bist blass."

Remus lächelte und musste sich ein Lachen verkneifen.

"Sagst ausgerechnet du."

"Das ist normal bei mir", meinte Severus nur ein wenig kurz angebunden. "Aber du siehst wirklich nicht gut aus. Vielleicht solltest du mal zu Madame Pomfrey gehen."

Der Gryffindor wank ab.

"Nein, nein. Geht schon. Ich brauch nur Ferien mehr nicht."

Severus sah ihn leicht skeptisch an, sagte aber nichts und wandte sich wieder ab. Remus warf ihm einen undefinierbaren Blick zu, bevor er in seinen Gedanken versank und vor sich hinstarrte. Sah man es ihm denn wirklich so sehr an, dass es ihm nicht so besonders gut ging? Außer Severus hatte von den anderen keiner ein Wort verloren. Aber das würde sicherlich noch kommen. Immerhin waren es nur noch vier Tage bis Vollmond. Spätestens am Montag würden James und Sirius wieder kommen und ihm erzählen, dass er auf die Krankenstation gehen sollte. Er fragte sich, wieso die anderen sich eigentlich noch nicht bei ihm erkundigt hatten, wieso er so häufig krank war. Langsam musste es wirklich auffallen. Gut, bis jetzt hatten sie es vielleicht nicht so oft mitbekommen, dass er gefehlt hatte. Immerhin war er entweder vermeintlich auf der Krankenstation gewesen, die anderen hatten Strafarbeiten bekommen, er hatte sich rausreden können, dass er noch mit Lily, Andromeda oder Severus unterwegs gewesen war und vieles mehr. Aber langsam gingen ihm die Ausreden aus. Und das bereits nach gerade einmal einem viertel Jahr. Wie sollte er da bitte die sieben Schuljahre hinter sich bringen ohne das die anderen etwas von seinem Geheimnis erfuhren? Er hatte ja sogar schon seine kranke Mutter vorgeschoben. Viele Optionen blieben da wirklich nicht mehr. Und was sollte er ihnen am Dienstag erzählen? Warum er so blass war? Wieso er in der Nacht verschwunden war? Warum Madame Pomfrey sie nicht zu ihm auf die Krankenstation ließ?

"Langsam wird es schwierig", murmelte er leise zu sich selbst.

"Was wird schwierig?"

Severus hatte ihn gehört und sich dem Jüngeren wieder zugewandt. Dieser schreckte aus seinen Gedanken auf und sah den Schwarzschopf leicht verstört und irritiert an.

"Was? Hast du was gesagt?"

"Nein, aber du."

"Hab ich das?"

Severus nickte leicht.

"Was wird schwierig?", fügte er hinten an.

Remus schluckte. Das hatte er doch nicht wirklich laut gesagt? Aber anscheinend doch. Was sollte er ihm denn jetzt sagen? Seine Gedanken rasten.

"Ich, ähm... Nicht so wichtig."

Er lächelte leicht, wobei dieses ein wenig schief geriet. Sein Gegenüber musterte ihn noch einige Augenblicke lang, schien er ihm nicht ganz zu glauben, sagte aber nichts weiter und beließ es dabei. Wenn Remus es ihm nicht sagen wollte, dann war das auch gut. Immerhin hatte doch jeder Mensch seine Geheimnisse.

"Wollen wir am Dienstag noch mal üben?", fragte er um die Stille zwischen ihnen zu brechen.

Remus schüttelte leicht den Kopf.

"Tut mir leid. Da muss ich sicherlich mit Lily wegen dem Ball sprechen. Letzte Änderungen und so."

Er lächelte.

"Außerdem denke ich nicht, dass uns die eine Übungsstunde noch etwas bringt. Wir sind doch inzwischen gar nicht mal so schlecht. Ich denke das es erst einmal reicht."

"Zum Blamieren allemal."

Remus lachte leicht bei diesem Kommentar.

"Du weißt wie ich das gemeint habe, Severus."
 

Die Zauberkunst-Stunde ging so friedlich zu Ende, wie sie begonnen hatte. Die anschließende Mittagspause wurde von den Schülern zum Essen und teilweise auch zum Kofferpacken genutzt. Zwar fuhren nicht viele Schüler nach hause, aber da der Hogwarts-Express bereits am Abend ging und manche jungen Hexen und Zauberer nicht die schnellsten beim Einpacken waren, wurde die freie Zeit genutzt. Am frühen Nachmittag gingen die letzten Stunden los. Für die Erstklässler aus Gryffindor und Hufflepuff hieß dies, dass zwischen ihnen und ihren wohlverdienten Ferien noch exakt eine Stunde Kräuterkunde stand. Wie auch die vorangegangenen Stunden, schien diese ebenfalls ereignislos. Bis auf die Tatsache, dass der Spross der Pettigrews beinahe von einer riesigen Schlingpflanze gefressen worden wäre, glücklicher Weise aber noch rechtzeitig von seinen Schulkameraden befreit worden war und im Endeffekt mit Schreck und Schleim davonkam, blieb die Stunde so ereignislos wie die vorangegangenen.
 

"Lumos!"

Ein gleißend helles Licht erfüllte den weiten, steinigen Gang. Leise Schritte hallten wieder. Remus gähnte leise und fuhr sich über die Augen, während er durch den Tunnel ging. Dieser Vollmond war kräftezehrend gewesen. Er hatte den gesamten Tag verschlafen. Eigentlich hatte er erwartet spätestens mittags aufzuwachen, aber stattdessen hatte er bis weit nach Sonnenuntergang geschlafen. Bis zur Mitternacht war es nicht mehr lang hin. Ob die anderen sich schon Sorgen machten wo er steckte? Immerhin hatte er sich am vergangenen Abend unter dem Vorwand er ginge zur Krankenstation, fühlte er sich nicht besonders wohl, davongestohlen. Sicherlich hatte Madame Pomfrey einige Schwierigkeiten gehabt Sirius und James davon abzuhalten nachzusehen, ob bei ihm alles in Ordnung war. Die beiden konnten sehr stur sein, wenn sie wollten, aber glücklicher Weise war die Krankenschwester auch nicht gerade zimperlich in Sachen abwimmeln. Es hatte sicherlich einiges an hin und her gegeben, aber letztendlich hatten sich seine beiden Freunde wohl geschlagen geben müssen.

Der Gang stieg an. Remus löschte das Licht seines Zauberstabes, würde er gleich unter der Peitschenden Weide ankommen und hegte er nicht den Drang von jemandem entdeckt zu werden. Keine Minute später erreichte er auch schon den Spalt zwischen den Wurzeln des Baumes. Er spähte hinaus. Als sich nichts regte, drückte er den Knoten in den Wurzeln, damit der Baum verharrte, währenddessen er sich hinaus stahl. Mit schnellen Schritten entfernte er sich. Die Richtung war ihm dabei egal. Hauptsache er befand sich außerhalb der Reichweite des aggressiven Grünzeugs, hatte er nicht gerade das Bedürfnis sich noch heute mit dem Geäst zu plagen. In sicherer Entfernung wurden seine Schritte langsamer. Erst jetzt begann er die Nacht wirklich entspannt zu genießen und wahr zu nehmen. Ein seichter Wind blies über die schneebedeckten Hügel und Ebenen. Die Bäume wiegten sich leicht hin und her. Der Himmel war wolkenverhangen. Weder Mond noch Sterne waren zu sehen, doch Remus war dies ganz recht. Nach der letzten Nacht war sein Wunsch die leuchtende Kugel am Nachthimmel zu sehen nicht besonders groß. Seine Intention tendierte gegen Null. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er den Mond nicht mehr zu Gesicht bekam. Zwar war der Erdtrabant ein wunderschönes Objekt, aber wenn es ihn nicht mehr gab, dann hatten auch seine Leiden ein Ende. Und nicht nur er wäre erlöst - immerhin wer er nicht der einzige Werwolf auf der Welt. Viele Menschen wären erleichtert und froh darüber die Himmelskugel nicht mehr zu sehen. Aber dieser Wunsch - diese Sehnsucht - würde sich niemals erfüllen. Und das wussten sie alle. Ein leises Seufzen stahl sich bei diesen Gedanken über Remus' Lippen. Dieser Traum würde sich für ihn nie erfüllen. Nie Wirklichkeit werden. Er würde sich damit abfinden müssen bis zu seinem Tode mit diesem Fluch zu leben - auch wenn es kaum erträglich war. Von wem stammte eigentlich der Ausspruch "Wünsche können war werden"? Sicherlich von einem Muggel, der ein recht gutes Leben führte und sich nicht monatlich in einen anderes Wesen verwandelte. Von jemandem, der in seinem Leben alles erreicht hatte, was er hatte erreichen wollen. Für den Erstklässler würde das mit Gewissheit noch ein steiniger, langer Weg werden.

Apropos Weg - wohin war er denn, während er nachgedacht hatte, gegangen? Er sah sich um und stockte leicht, als er die spiegelnde Eisfläche sah, über welche der Wind kleine Schneewehen blies. Wieso war er schon wieder hier? Hatte er sich nicht das letzte Mal zusammen mit Lily vorgenommen so schnell nicht mehr an den großen See zu gehen? Zumindest nicht mitten in der Nacht? Und nun? Nun stand er wieder am Ufer und starrte auf das gefrorene Gewässer hinaus. Er ließ seinen Blick wandern. Innerlich wusste er, dass er nicht die Natur begutachtete. Nein, das tat er wahrhaftig nicht. Stattdessen suchte er etwas oder jemanden. Remus hatte sich ganz automatisch umgesehen, noch bevor er an sie dachte. Er wusste, dass sie hier irgendwo sein musste. Er konnte sie nahezu riechen. Von ihr ging ein seltsamer Geruch aus und er wusste noch genau wie er roch. Nein. Er wusste nicht wie er roch, er wusste wie er schmeckte. Er konnte sie schmecken und nicht riechen und das machte ihm Angst. Es war ein kalter, eisiger Geschmack. Leicht bitter - eher modrig. Aber gleichzeitig auch wässrig und erfrischend. Er konnte es nicht beschreiben. Allerdings fragte sich der Gryffindor, wieso er sie schmecken konnte. War sie in der Nähe? Oder lag es nur daran, dass er an das kleine Mädchen dachte? Erzielte der bloße Gedanke an sie bereits eine so starke Wirkung auf ihn? Oder lag es am vergangenen Vollmond? Nach seiner Transformation waren neben seinen Zähnen auch seine Sinne geschärft. Waren es die tierischen - die wölfischen Instinkte, die ihn so sehr reizten? Ihn alarmierten? Ihn aufmerksam machten? Aber wieso war seine Wahrnehmung von Elena dann so intensiv? Hier war nichts. Oder übersah er etwas? Übersah er sie?

Er ließ seinen Blick schweifen. Außer einer weiten Dunkelheit, die hier und da leichte Abstufungen in ihrer Intention aufwies, war nicht merkwürdiges zu sehen. Der See war verlassen. Er war allein mit der Natur. Nur er, der See, der Wind, die Bäume die sich wiegten, ein paar dunkle Gestalten, die sich unter besagten Gewächs aufhielten, Hogwarts, in dem kaum mehr ein Licht brannte. Moment... Sein Blick glitt zu der großen Eiche unten am Ufer zurück. Seine Augen hatten ihn nicht getäuscht. Dort war wirklich jemand.

,Um diese Uhrzeit?', wunderte er sich und runzelte die Stirn.

Wer trieb sich zu so später Stunde noch auf den Ländereien herum? Elena konnte es nicht sein. Bis jetzt war sie immer allein gewesen. Er nahm nicht an, dass es diesmal anders war. Aber wer war es dann?

Die Neugierde trieb ihn voran. Langsam ging er auf die Gruppe zu. Er fragte sich, wieso er es eigentlich wissen wollte. Zu viel Wissbegierde war nicht gesund und das wusste er. Wenn er Pech hatte, würde er auf Novis stoßen und sich wieder eine Strafarbeit einhandeln. Also wieso riskierte er es und ging nachsehen? Wieso ging er nicht einfach in den Gryffindor-Turm zurück und schlief ein wenig? Er schmunzelte leicht. Weil er es nicht konnte. Und das wusste er. In der kurzen Zeit in Hogwarts hatte er sich stark verändert. In den wenigen Wochen war es ein Spaß für ihn geworden nachts herumzustreunen. Auch wenn es oft nur unabsichtlich gewesen war. Aber nach und nach fand er Gefallen daran. Und sein angeborenes Interesse wirkte sich bei der ganzen Angelegenheit als nicht gerade förderlich aus. Er wusste, dass er es sich nicht verzeihen würde, wenn er nicht nachsah wer oder was sich hier so spät noch rumtrieb. Obgleich sich sein Gewissen und sein Verstand einschalteten und ihm vehement davon abrieten, konnte das ganze nicht gut gehen. Aber dazu war es schon zu spät. Er näherte sich langsam. Stimmen wurden lauter.

"Woher soll ich das bitte schön wissen?!", rief eine Mädchenstimme.

"Weil ihr die Letzten wart, die ihn gesehen haben", gab ein Junge grantig wieder. "Also raus mit der Sprache!"

"Wir suchen ihn genauso wie ihr", entgegnete eine dunkle Stimme ruhig. "Also werde nicht ausfällig, Potter."

"Mit dir hab ich nicht gesprochen, Snape. Also sei still."

Remus runzelte die Stirn. Hörte er da etwa richtig? Waren das etwa wirklich James und die anderen? Aber was taten sie hier mitten in der Nacht?

"Von dir lasse ich mir nichts vorschreiben, Potter. Aber es wundert mich, wie jemand so schnell die Geduld verlieren kann. Dein Geduldsfaden scheint nicht gerade sehr lang zu sein oder irre ich mich da?"

Der Gryffindor gab ein gefährliches Knurren von sich, wurde jedoch von einer anderen Gestalt festgehalten, die der Spross der Lupins im Dunkeln nur erahnen konnte.

"James, beruhig dich. Wir sind nicht hier um einen Streit vom Zaun zu brechen", meinte Sirius und hielt seinen zappelnden Freund fest, während Peter nur unbeteiligt daneben stand und nicht so recht wusste, was er tun sollte.

"Lass mich los! Ich mach den Kerl fertig! Versprechen hin oder her! Ich hab es satt. Ich will nicht mehr! Ich kann mich nicht mehr beherrschen, wenn ich sein Gesicht seh!"

Eine weitere, etwas kleiner Person trat zwischen ihn und Severus.

"James, bitte", meinte die Mädchenstimme, welche Remus ohne Probleme Andromeda zuordnen konnte. "Das ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit."

"Das stimmt", meinte Lily, die schräg hinter ihr stand. "Wir sind hier um Remus zu suchen und ihr auch, also lasst und das zusammen tun und nicht aufeinander losgehen."

James riss sich von Sirius los und grummelte.

"Na schön, na gut. Gehen wir, ehe ich mich vergesse."

Er funkelte Severus sauer an, doch dieser erwiderte den Blick nur kühl und ausdruckslos. Die Gruppe war gerade in Begriff sich in Bewegung zu setzen, als Remus aus seinem provisorischen Versteck hervortrat und sich ihnen in den Weg stellte. Die Erstklässler stockten, als sie ihn sahen und zuckten teilweise auch ein wenig zusammen, hatten sie nicht damit gerechnet, entspannten sich aber augenblicklich, als sie feststellten, wen sie da vor sich hatten.

"Remus!", riefen sie alle nahezu gleichzeitig und keine zwei Sekunden später, hatten Lily und Andromeda ihn schon in ihre Arme geschlossen und ihn an sich gedrückt.

Es dauerte ein Stück, bis sie von ihm abließen und ihn erleichtert, aber auch fragend ansahen.

"Was machst du hier?", fragte Sirius.

"Wieso treibst du dich nachts hier draußen rum?", wollte James wissen.

"Wieso bist du nicht auf der Krankenstation?", kam es von Peter.

"Wir haben uns Sorgen gemacht, als du nicht da warst", meinte Andromeda.

"Und Madame Pomfrey konnte uns auch nicht sagen wo du bist", warf Lily ein.

"Wieso bist du nicht nach Gryffindor und läufst stattdessen mitten in der Nacht am See herum?", fuhr Severus ihn an.

"Was hast du dir dabei gedacht?", lautete nun wieder die synchrone Frage aller.

Ein wenig überrumpelt und perplex sah er seine Freunde an, wusste er nicht genau welche Frage er zuerst beantworten sollte, geschweige denn was er ihnen sagen sollte. Immerhin hatte er nicht damit gerechnet, dass er sie nun treffen würde. Normalerweise durften seine Freunde zu dieser Zeit nicht mehr hier draußen herumlaufen, also hatte er auch nicht gedacht sie jetzt zu sehen und sich so schnell eine Ausrede einfallen lassen zu müssen. Nun steckte er in der Klemme.

"Wir haben dich überall gesucht", sagte Lily. "Wo warst du? Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht. Wieso warst du nicht mehr auf der Krankenstation, als wir nachgesehen haben?"

"Ich... Tut mir leid."

Er sah die anderen um Entschuldigung bittend an.

"Mir war langweilig. Und als Madame Pomfrey endlich mal nicht da war, da hab ich mich angezogen und bin gegangen. Frische Luft schnappen."

"Und wo warst du die ganze Zeit? Und wieso bist du so zerkratzt?"

Sirius war näher getreten und strich Remus die Haare aus dem Gesicht.

"Dein ganzes Gesicht ist zerschrammt."

Der Jüngste schlug die Hand weg.

"Das ist nichts weiter. Ich war nur ein wenig im Wald. Manche Pflanzen waren ein wenig gereizt, mehr nicht."

"Du warst allein im Verbotenen Wald?!", bluffte ihn Sirius wütend an, woraufhin Remus zusammenzuckte. "Bist du vollkommen übergeschnappt?! Du kannst da doch nicht mitten in der Nacht reingehen. Was hast du dir dabei gedacht?"

Doch eine Antwort erhielt er darauf nicht. Remus sah zu Boden. Sein Herz schlug rasant gegen seinen Brustkorb. Er hatte nicht gewusst, dass der Dunkelhaarige so sauer werden konnte. Das war neu für ihn. Und was sollte er ihm denn darauf bitte schön antworten? Er konnte ihm ja schlecht die Wahrheit sagen. Das ging einfach nicht. Wenn er das tat, dann würde er auf einen Schlag all seine gewonnenen Freunde verlieren. Da war er sich sicher. Sie mussten einfach Angst vor Werwölfen haben. Das war normal. Das verstand er.

"Ich..."

"Was hast du da gemacht?", fragte Sirius abermals.

Remus sah auf. Er wusste wirklich nicht was er sagen sollte, aber das ständige Gefrage reizte ihn. Wieso konnte der Nachwuchs der Blacks es nicht dabei belassen?

"Jetzt sag schon", meinte der schwarzhaarige Gryffindor abermals.

"Was ich da gemacht hab, willst du wissen?!", fuhr ihn Remus an. "Ich war Blumen pflücken, für meine Großmutter, bin vom Weg abgekommen und beinahe vom bösen Wolf gefressen worden. Deswegen bin ich auch so zerkratzt!"

Er stieß Sirius beiseite und stapfte davon. Er wollte nur noch weg. Wollte jetzt nicht darüber sprechen. Konnte jetzt nicht darüber sprechen. Er hoffte, dass Sirius ihm den Austicker verzieh, hatte er es schon eine Sekunde später nicht mehr so gemeint - obgleich er bezweifelte, dass sein Freund etwas damit anfangen konnte, war ihm Rotkäppchen wohl kaum bekannt.

Remus war keine fünf Schritte weit gekommen, da hielt ihn auch schon jemand am Arm fest. Das Zerren um los zu kommen brachte nicht sehr viel, sodass er sich wütend umdrehte, um die Person anzufahren, die ihn in festem Griff hielt. Doch als er in die Augen Sirius' sah, blieben ihm die Worte im Halse stecken. Sein Freund sah ihn mit entschuldigendem und bereuendem Blick an.

"Tut mir leid, Remus. Ich wollte dich nicht..."

Er ließ ihn los.

"Es ist nur, wir haben uns wirklich Sorgen gemacht. Dir hätte wer weiß was passieren können. Es ist gefährlich im Wald herumzustreunen. Ich wollte dich nicht bevormunden oder so... Verzeihst du mir?"

Lang sah der Braunschopf ihn stumm an, bevor er seinen Kopf sinken ließ.

"Nein... Du musst dich nicht entschuldigen", murmelte er leise. "Ich wollte dich nicht anschreien. Tut mir leid... Ich... das war nicht so gemeint. Ich muss mich bei dir entschuldigen."

Als er aufsah, sah er wie Sirius sanft lächelte. Der Ältere machte einen Schritt auf ihn zu, nahm ihn leicht in die Arme und wuschelte dem Lupinjungen durch die Haare.

"Schon in Ordnung. Schwamm drüber."

Remus erwiderte das Lächeln und auch die anderen - selbst Severus - konnten nicht anders. Sie freuten sich, dass alles wieder im Lot war und das sie den Erstklässler gesund und munter - nur leicht zerkratzt - wieder hatten.

"Gehen wir zurück", meinte Andromeda.

Remus, der noch immer von Sirius festgehalten wurde, nickte leicht.

"Ja. Morgen ist der Ball. Etwas Schlaf wäre nicht schlecht", meinte er nur.

"Außerdem bist du der reinste Eiszapfen", erwiderte Sirius schmunzelnd und knuddelte seinen Schützling ein wenig. "Wir müssen dich wieder warm kriegen."

Remus schmollte leicht.

"Sag mal, für was hältst du mich? Für deinen Teddybär?"

Sirius grinste.

"Dafür bist du ein bisschen zu groß und du hast zu wenig Pelz."

Das Schmollen der Brünetten verschwand. Ja, wenn Sirius wüsste. In der vergangenen Nacht sah das alles noch viel anders aus. Aber das ließ er gekonnt unter den Tisch fallen. Er drückte sich von dem Nachwuchs der Blacks weg.

"Gehen wir."

Er warf einen Blick in die Runde. Kurz stockte er, als er einen hellen Schemen ganz in der Nähe sah. Er blinzelte kurz. Im nächsten Augenblick war er weg. Während die anderen schon langsam vorausgingen, blieb er stehen und sah irritiert auf die Stelle.

,War das nicht gerade...?'

"Remus, wo bleibst du?", rief James.

"Ich komme!", gab er als Antwort, wandte sich irritiert ab und folgte.

,Das hab ich mir nur eingebildet.'

Er lächelte leicht und schloss zu der anderen auf.

"Warum trödelst du so?", fragte James.

"Unwichtig. - Ach ja. James."

Er funkelte ihn an.

"Wie war das vorhin mit dir und Severus?"

"Ich weiß nicht wovon du sprichst", erwiderte dieser schnell.

Während sie zum Schloss zurückliefen hielt ihr Jüngster James eine Strafpredigt, bei welcher sich dieser nicht drücken konnte und gehörig den Kopf gewaschen bekam. Das kleine Mädchen, das unter der großen Eiche sah und mit ängstlichem Blick auf den See hinaus starrte, bekam dabei niemand mit. Ebenso wenig wie die anderen Figuren, ganz in ihrer Nähe.
 

"Au, au, au, au, AUUUUUUUU!!!"

Remus saß auf der Pritsche und stöhnte vor sich hin, während Madame Pomfrey seine Wunden versorgte.

"Jetzt sei nicht so zimperlich. Wärest du gestern gekommen, dann hätte sich das alles nicht entzündet und es würde jetzt nicht so brennen. Das ist deine eigene Schuld."

Er beobachtete die Hexe bei ihrer Arbeit und biss sich leicht auf die Unterlippe um den Schmerz zu verdrängen, bereute es aber augenblicklich, hatte er seine spitzen Eckzähne vergessen, die der Vollmond ihm als Souvenir gelassen hatte. Er leckte sich mit der Zunge das Blut von der Lippe.

"Da konnte ich auch nichts dafür", meinte er nur. "Ich hab den ganzen Tag verschlafen. Ich bin praktisch direkt hergekommen."

Die Schwester warf ihm einen tadelnden Blick zu.

"Natürlich. Direkt. Und vorher hast du erst einmal eine Nacht in eurem Schlafsaal verbracht, nicht?"

"Das ist was anderes..."

"Nein, ist es nicht."

Und damit war die Unterhaltung beendet. Remus wusste, dass er auf verlorenem Posten stand und das Madame Pomfrey ja eigentlich Recht hatte. Ob er wollte oder nicht.

"Aber zum Ball kann ich trotzdem gehen?", fragte er nach einigen Minuten des Schweigens.

"Ja, das kannst du. Wenn die Kratzer in deinem Gesicht weg sind, dann hindert dich eigentlich nichts daran."

Sie lächelte.

"Diesmal ist es ja nicht so schlimm."

Sie ließ von ihm ab.

"Du kannst dich erstmal anziehen. Ich hole etwas für dein Gesicht und etwas gegen die Müdigkeit. Du musst ziemlich geschafft sein, nicht?"

"Ja, ein wenig", meinte er nur, bevor die Heilerin auch schon im Nachbarzimmer verschwand.

Er besah sich ihre Arbeit. Sie hatte ihn wie immer verbunden. Heute Abend vor dem Ball würde er die Binden wieder abnehmen können, hatten ihre Mixturen dann ihre Wirkung gezeigt. Nach einer kurzen Dusche würde er sich dann auch zurechtmachen und mit Lily - obgleich er eigentlich gar nicht mehr so wirklich wollte - das Tanzbein schwingen. Während er sich Hemd und Pullover angezogen hatte, war Madame Pomfrey auch schon wieder zurückgekehrt. Sie gab ihm eine Tasse mit einer dampfenden Flüssigkeit. Er kannte sie bereits. Sie schmeckte nach nichts weiter, aber danach fühlte er sich jedes Mal wieder voller Energie. Nachdem die Tasse gelehrt war und sein Gesicht versorgt, entließ ihn die Hexe mittleren Alters. Doch anstatt in den Gryffindor-Turm zurück zu gehen, machte er sich auf den Weg zum Astronomieturm. Er wusste, wenn er jetzt in ihren Gemeinschaftsraum ging, dann würde dort Lily auf ihn warten und sehen wollen, ob ihre Roben für heute Abend wirklich zusammen passten. Obgleich sie dies bereits am Dienstag getan hatten. Glücklicherweise hatte sie ihm damit eine Ausrede verschafft, weshalb er diesmal zur Krankenstation gegangen war. Die ganzen Ballvorbereitungen und Kleideranproben hatten ihm ja so sehr zu schaffen gemacht, dass er es nicht mehr hatte aushalten können. Er war so geschafft gewesen, dass er sich eine Auszeit genommen hatte. So hatte er es mehr oder weniger offiziell gesagt. Er seufzte leise. Ob es so gut war seine Freunde zu belügen? Erst in der vergangenen Nacht hatte er es wieder getan. Und diesmal ohne großartig darüber nachzudenken. Nach und nach ging es ihm in Fleisch und Blut über und das, obwohl er ganz und gar nicht zum Lügner mutieren wollte. Das war das Letzte, was er wollte.

Kalte Luft schlug ihm entgegen, als er oben auf dem Astronomieturm angekommen war. Er ließ sich auf einer der Zinnen nieder und sah auf die Ländereien hinab. Er atmete die frische, kühle Luft ein und stieß sich mit einem wohligen Gefühl im Inneren aus. Ja, das war genau das, was er jetzt gebraucht hatte. Ein wenig Ruhe, Frieden und Entspannung. Eigentlich hatte er ja spazieren gehen wollen, aber nach gestern Abend schien ihm das keine gute Idee. Er hatte noch immer das ungute Gefühl Elena zu sehen, wenn er das nächste Mal an den See hinunter ging. Zudem würden um diese Zeit einige andere Schüler dort unten ihre freie Zeit bis zum Fest verbringen, war es erst früher Nachmittag. Und solang Remus' Gesicht noch nicht ganz verheilt war, wollte er so wenig Menschen wie möglich sehen. Das hieß noch lange nicht, dass er allein sein wollte, allerdings wollte er sich auch nicht in die Massen stürzen, wenn er es vermeiden konnte. Und hier oben ließ es sich doch auch ganz gut aushalten.

"Was machst du hier oben?", fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm.

Er wandte seinen Kopf und erspähte Sirius, der langsam auf ihn zukam.

"Könnte ich dich auch fragen", meinte Remus und lächelte.

"Ich hab dich gesehen, wie du aus dem Krankenflügel gekommen bist und da bin ich dir hinterher gegangen. Und was machst du hier?"

Remus zuckte mit den Schultern.

"Entspannen."

"Wäre das nicht vorm Kamin in einem Sessel viel gemütlicher?"

Der Spross der Lupins lächelte.

"Schon, aber die Aussicht hier gefällt mir besser."

Sirius schmunzelte und lehnte sich gegen das Mauerwerk.

"Ja, da hast du Recht. - Weißt du, Lily sucht nach dir. Letzte Besprechungen und so."

"Hab ich mir schon gedacht. - Du verrätst mich doch nicht, oder?"

Der Dunkelhaarige schüttelte den Kopf.

"Nein. Keine Sorge."

Remus ließ seinen Blick über die Ländereien gleiten und lächelte sanft.

"Ich hoffe, dass der Ball uns heute Abend gelingt."

"Ich denke schon", meinte Sirius. "Wieso sollte er nicht? Ihr habt euch so viel Mühe gegeben. Und man sieht trotzdem nichts."

Beim letzten Satz musste er grinsen. Remus ebenso.

"Blödmann."

"He! Ich sag Lily gleich wo du bist."

"Untersteh dich!"

"Was hält mich davon ab? Du?"

Und im nächsten Moment hatte Sirius einen Batzen Schnee im Gesicht. Der Brünette lachte leicht und nahm sich noch ein wenig vom weißen Gold, das auf der Brüstung lag und machte sich für eine eventuelle Attacke Sirius' bereit. Dieser wischte sich den Schnee aus dem Gesicht und funkelte Remus an.

"Lass das. Das ist unfair. Ich kann nicht angreifen, weil du sonst einen Abgang machst."

Und noch eine Ladung traf ihn.

"Tja, dann weiß ich wer gewinnt."

Und noch ein Schneeball folgte, doch das ließ sich der junge Black dann nicht mehr bieten. Er zog Remus von der Brüstung und dann begann die Schlacht.
 

"Wo warst du? Und wie seht ihr eigentlich aus? Ihr seid ja klatschnass."

Sirius und Remus grinsten sich leicht an.

"Uns ist ein wenig Schnee in die Quere gekommen", gab Ersterer zur Antwort.

Lily stieß stöhnend die Luft aus.

"Typisch Jungs... Naja, vielleicht solltet ihr euch was Neues anziehen. Sonst holt ihr euch den Rest. Und du, Remus. Beeil dich. Das Abendessen ist schon vorbei. Wir haben keine Zeit mehr."

"Ja, ist in Ordnung. Ich beeil mich. Aber du solltest dich auch langsam fertig machen, nicht? Wir haben nur noch eine Stunde."

Lily lächelte.

"Ich bin schnell fertig. Keine Sorge. Und jetzt geh duschen. So geh ich nicht mit dir zum Ball."

Der Gryffindor nickte nur leicht und verschwand mit Sirius nach einem kurzen "Bis gleich." nach oben.

"Ein Wunder, dass sie nicht ausgerastet ist", flötete Sirius und drückte die Tür zu ihrem Schlafsaal auf.

"Nicht heute. Dafür ist die Vorfreude auf den Ball bei ihr zu groß."

Remus schloss die Tür hinter sich, ging zu seinem Bett und holte seinen Koffer unter dem Bett hervor. Er suchte ein paar frische Sachen raus und legte diese auf das Bett.

"So gehst du aber nicht auf den Ball, oder?", fragte Sirius und schnappte sich die Weste, die der Kleinere gerade abgelegt hatte. "In Schuluniform?"

Remus grinste.

"Doch, doch."

Sirius sah ihn skeptisch an.

"Das ist doch nicht dein Ernst, oder?"

Sein Gegenüber lachte leicht.

"Natürlich nicht."

"Und wieso holst du die Sachen dann raus?"

"Weil das, was ich anziehe darunter liegt und ich schlecht einfach reingreifen kann und es rausziehe, damit dann alles durcheinander ist?"

Nachdem er dies gesagt hatte, förderte er etwas Bersteinfarbenes zutage und legte es ab. Kurz darauf folgte noch etwas Bräunliches. Danach begann er die Schulkleidung wieder einzupacken. Sirius besah sich die Kleidungsstücke auf dem Bett.

"Interessant... Ich glaube mir würde die Farbe nicht stehen."

Er grinste.

Remus schob den Koffer zurück unter das Himmelsbett und stand auf.

"Sie muss ja auch nicht dir sondern mir stehen."

"Sag mal, woher hast du die Sachen? Die erinnern mich an Muggelklamotten."

Der Spross der Lupins lächelte.

"Naja, Lily und ich waren in der Bibliothek. Dort haben sie auch Muggelbücher und Bücher über Kleidung. Dort haben wir uns was rausgesucht."

"Und wie kommt ihr vom Buch zum fertigen Kleidungsstück?", fragte er, während er die dunkelbraune Hose wieder zurücklegte.

Der Gefragte machte eine Handbewegung, als würde er mit seinem Zauberstab schwingen.

"Mit ein wenig Magie und Zauberei ist alles möglich."

Er grinste.

"Ich geh duschen."

Und damit verschwand er samt Abendrobe ins Badezimmer und lies Sirius allein zurück. Er beeilte sich mit dem Duschen, war es wirklich nicht mehr lang hin, bis der Ball begann. Und bis dahin mussten er und die anderen, die den Ball vorbereiteten noch kräftig mit anpacken. Nach nicht einmal fünf Minuten stieg er schon wieder aus der Dusche und trocknete sich ab. Zwar hatte er heiß geduscht, aber die Zeit hatte nicht gereicht um ihn aufzutauen. Nachdem er trocken war, begann er sich anzuziehen. Dafür ließ er sich ein wenig mehr Zeit, wollte er später nicht wie eine Vogelscheuche auftreten. Nachdem er sich die Krawatte umgebunden hatte, kämmte er sich das Haar. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr, begann sein Herz schneller zu Schlagen.

"Mist, ich hab keine Zeit mehr", grummelte er.

Er besah sich kurz im Spiegel. Soweit er sah, konnte er hier nichts mehr richten. Er zog das Jackett an, zupfte Kragen und Hemdärmel zurecht und verließ dann das Bad. Er war schon im Begriff aus dem Zimmer zu stürmen, als er von einem Pfeifen zurückgehalten wurde. Irritiert wandte er sich um.

"Willst du schon gehen?", fragte Sirius, der auf Remus' Bett saß.

"Ja, ich muss. Was ist denn noch."

"Willst du den nicht mitnehmen?", fragte er und wedelte mit dem Zauberstab des anderen, aus welchem ein Strauß Rosen kam. "Ich dachte du und Lily habt einen Spruch für die Deko vorbereitet."

Er nahm die Blumen und roch an ihnen. Remus schüttelte nur lächelnd den Kopf und nahm Sirius den Stab ab.

"Danke", meinte er, steckte den Zauberstab ein und ging zur Tür.

"Ach übrigens", warf der Dunkelhaarige ein.

Fragend sah der junge Lupin ihn an.

"Der Anzug steht dir wirklich gut."

Remus lächelte und bedankte sich abermals.

"Aber an mich kommst du trotzdem nicht ran. Da liegen wollten dazwischen", fügte der Spross der Blacks hinzu.

"Zieh dich erst einmal um und dann reden wir noch mal drüber", gab der Kleinere zur Antwort, verschwand nach draußen und machte sich auf den Weg hinunter zur Großen Halle.
 

Die Schule war wie ausgestorben. Anscheinend bereiteten sich die anderen Schüler und auch die Lehrer auf den Ball vor. Remus hetzte derweil die Treppe nach unten. In diesem Moment fragte er sich, wieso er sich nicht einfach einen Schulbesen schnappen konnte und damit durch das Schloss flog. Es würde viel schneller gehen und zudem wäre er nun nicht so außer Atem. Keuchend erreichte er die Pforten des Saales. Von den anderen war noch niemand zu sehen. Er sah sich um, hatte er angenommen, dass zumindest Lily da sein würde. Doch da hatte er geirrt. Nach Luft ringend warf er einen Blick auf die Uhr. Ihnen blieb kaum mehr eine halbe Stunde bis die anderen Schüler kamen.

,Wo ist sie nur?'

"Da bist du ja endlich", sagte eine Stimme hinter ihm.

Er lächelte, wusste er, dass es der Rotfuchs aus Gryffindor war. Langsam wandte er sich um. Als er sie begrüßen wollte, stockte ihm der Atem. Lily trug ein langes giftgrünes Kleid, welches sich an ihre Körperrundungen schmiegte. Über dem Grün lag noch eine hauchdünne Schicht weiß-silbernen Organzas. Dieser bildete die Arme - war das grüne Unterkleid ärmellos - endete in einer silbernen Kette um Lilys Hals und verlor sich in ein hauchdünnen Oberrock, der an der Vorderseite offen war und in Hüftregion von einem dünnen, silbernen Gürtel gehalten wurde. Das giftgrüne Kleid unter dem Organza war ebenfalls an der vorderen Seite geöffnet. Der fehlende Stoff wurde durch weißen, gefalteten ersetzt.

Remus wusste nicht, was er sagen sollte. Es hatte ihm tatsächlich die Sprache verschlagen. Zwar hatte er das Kleid bereits im Buch und auch in echt gesehen, aber nun, da die Erstklässlerin es trug, war diese kaum wieder zu erkennen. Sie strahlte noch mehr als sonst. Hätte er nicht gewusst, wer sie war, er hatte sie mit Gewissheit für eine Fee oder etwas Vergleichbares gehalten.

"Du kannst deinen Mund wieder zumachen", meinte sie und kicherte leicht.

Der Angesprochene blinzelte kurz und sah sie leicht irritiert an, nickte dann jedoch.

"Ähm, ich..."

"Lass uns einfach anfangen."

Sie fasste ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her in die Halle hinein. In dem Erstklässler begannen Schmetterlinge zu tanzen, als er ihre warme, weiche Hand spürte, die sich um die seine geschlossen hatte. Er schluckte schwer und besah sich die Rothaarige.

,Was ist das nur für ein komisches Gefühl?'

Es fühlte sich gut an, andererseits fand er es auch ein wenig beängstigend, hatte er es noch nie zuvor gespürt. Er musterte sie ein wenig. Das Kleid stand ihr wirklich ausgezeichnet, das musste er zugeben. Damit würde sie nicht nur bei ihm, sondern auch bei all den anderen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zwar hatten sie beide zunächst befürchtet, dass sich ihr feuerrotes Haar zu stark mit dem Gewand beißen würde, aber nun, da er es sah, machte erst der Kontrast etwas her. Das grüne Kleid, das weit und weich fiel und das flammende Haar, das seidig und geschmeidig bei jedem ihrer Schritte leicht hin und her wogte, am Moment jedoch dort verharrte. Und die grünen Augen, die ihn gerade ansahen und so perfekt zu dem samtenen... Er schluckte, als er bemerkte, dass die Gryffindor ihn bereits ein wenig mürrisch ansah.

"Wollen wir anfangen oder soll ich es doch allein machen?", fragte sie leicht gereizt, allerdings bemüht nicht wirklich wütend zu klingen.

Sie hatte bereits ihren Zauberstab herausgeholt und Remus' Hand losgelassen, während dieser noch weiter vor sich hingeträumt und es nicht wirklich mitbekommen hatte.

"Ich, nein... Entschuldige."

Er holte seinen Zauberstab ebenfalls heraus.

"Ich bin soweit."

"Dann ist ja gut."

Sie lächelte und hob synchron mit ihm ihren Stab. Sie schwanken ihn langsam in der Luft und murmelten dabei ein paar wenige Worte. Funken sprühten aus den Spitzen ihrer Stäbe und wirbelten hoch über ihnen in der Luft. Es begann finster zu werden. Ein eisiger Hauch wehte durch die Halle und lies die beiden Erstklässler zittern. Alles um sie herum wurde schwarz. Selbst den Nachthimmel über ihnen konnte man nicht mehr sehen. Um sie herum gab es lediglich ein weites Nichts. Die Funken ihrer Stäbe begannen sich zu verteilen und ließen hier und da einige Gebilde erscheinen, die sich bewegten. Andere, welche Sternen ähnelten, standen still am Firmament. Vor Remus begann sich ein riesiges dunkles Etwas zu bewegen, was man nur ausfindig machen konnte, verdeckte es immer wieder Sterne und gab andere frei, während es sich in einiger Entfernung bewegte. Hinter ihm begann ein gleißend helles Licht zu erscheinen, das den Boden unter ihnen erhellte und ebenso alles in ihrer Umgebung. Er sah zu seinen Füßen hinab. Leichter Staub wurde aufgewirbelt. Er lächelte, als er die Kacheln sah. Als er seinen Kopf wieder hob, erblickte er die blaue Kugel direkt vor sich. Zufrieden ließ er gleichzeitig mit Lily, welche mit dem Rücken zu ihm stand, den Stab sinken und betrachtete die Erdkugel, die sich vor ihm drehte.

"Ich glaube ich sehe Europa", meinte er grinsend.

"Und ich glaube ich brauche eine Sonnenbrille, meinte Lily, die ihre Augen abschirmte.

Remus drahte sich zu ihr um und verstand das Problem.

"Ich glaub die Sonne ist uns zu hell geraten, nicht?"

Er schwenkte seinen Zauberstab erneut.

"Nox."

Der Feuerball nahm in seiner gleißenden Helligkeit stark ab, sodass man ohne weitere Probleme in ihn hineinsehen konnte. Zufrieden lächelte Remus.

"Besser?"

Lily nickte leicht.

"Ja, aber jetzt noch der Rest. Die Band kommt gleich."

Sie taktierte mit ihrem Stab und nach und nach begannen auf der steinernen Plattform, auf welcher sie standen, Eissäulen zu wachsen. Remus lächelte und half ihr. Er zauberte ein paar Tische und Stühle hervor, einen langen Tisch für die Getränke und das Essen und ganz in der nähe eine weitere Plattform, auf der die Band Platz Einzug halten konnte.

"Wer sagt, dass es auf dem Mond kein Leben gibt?", fragte Lily und grinste. "Jetzt gibt es sogar eine Tanzfläche und einen Säulengang."

Remus lächelte. Ja, der Säulengang war wirklich eine gute Idee seitens Lily gewesen, um wieder hinaus nach Hogwarts zu finden. Ohne Anhaltspunkt waren sie hier hoffnungslos verloren. Immerhin war die Große Halle von den beiden so verhext wurden, dass es genügend Platz für ihr Universum gab. Da musste man schon wissen, wo es nach draußen ging.

Remus steckte seinen Zauberstab ein.

"Ich denke jetzt können wir nichts mehr tun."

Lily nickte. Und wie auf's Stichwort erschienen die anderen Ballhelferinnen mit Essen, Getränken und der Band. Alle erschienen sie in wundervollen Kleidern, doch die Einzige, die Remus ebenso um Sprache und Verstand brachte, war Andromeda. Sie trug ein langes, blauschwarzes Kleid, das - wie bei der Rothaarigen - weit und weich fiel. Ihr Ausschnitt war mit zwei Glockenvolants aus fließendem silberschwarzem Voile verschönert. Das Kleid war ärmellos. Knapp unterhalb der sich ausbildenden Brust schloss sich der Rockteil an. Er wies eingelegte Falten auf. Die Ravenclaw trug einen dünnen, halbdurchsichtigen schwarzen Umhang aus Organza, der leicht flatterte, während sie auf ihre Freunde zulief. Ein einfaches schwarzes Halsband, an welchem ein silberner Anhänger, mit blauem Saphir bespickt, baumelte, zierte ihren Hals. Ihr sonst glattes Haar, hatte vorn ein paar Locken erhalten, welche ihr Gesicht rahmten. Zwei dickere Strähnen hatte sie zusammengebunden und hielten so die Locken vorn und den geglätteten Teil hinten.

"Du siehst toll aus", entgegnete Lily lächelnd.

"Danke. Ihr aber auch."

Sie sah sich um.

"Ihr habt euch wirklich Mühe gegeben. Ich gratuliere. Und die Erde sieht auch toll aus. Das habt ihr wirklich gut gemacht."

"Danke."

Lily lächelte.

"Aber das Licht ist noch nicht in Ordnung."

Andromeda grinste.

"Lass mich nur machen. Ist schließlich mein Aufgabenfeld."

Es dauerte nicht lang und jeder Teil der Festfläche hatte einen angemessenen Lichtanteil bekommen. Vornehmlich hatte Andromeda die Tanzfläche und die Band beleuchtet. Der Rest war nicht ganz so wichtig, zudem auf den Tischen ja auch noch Kerzen in blauem Schein brannten. Als auch die anderen Ballhelfer fertig waren, konnte es losgehen.

"Dem Ball steht nichts mehr im Wege", meinte Andromeda lächelnd.

"Dann können wir ja anfangen", erwiderte Remus, der inzwischen seine Sprache wieder gefunden hatte.

Gut gelaunt liefen sie durch den Säulengang um in der Eingangshalle die bereits wartenden Schüler zu begrüßen. Kurz bevor sie die Flügeltüren erreichten, atmete Remus ein.

,Hoffentlich geht alles gut...'
 

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1.Akt, Kap. XVIII - Ende

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1.XIX.Blutrotes Haar

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1.Akt: Kapitel XIX: Blutrotes Haar

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Remus schien recht zu behalten. Als er und die anderen wieder in der Eingangshalle waren, mussten sie feststellen, dass diese bereits vollkommen überfüllt war. Die anderen Junghexen und Jungzauberer schienen leicht ungeduldig, wollten sie wohl sehen, was die fleißigen Ballhelfer für sie bereit hielten. Als jedoch Lily und Andromeda erschienen, wurde es mucksmäuschen still. Aller Augen waren auf die beiden gerichtet. Remus lächelte. Wie es schien, hatte Lily ihr Ziel erreicht. Sie fiel auf. Die Reaktion der anderen sprach Bände. Selbst die älteren Mitschüler schienen beeindruckt von ihrem und dem Auftreten Andromedas.

Zwischen den Massen konnte er seine Freunde erkennen. Auch sie gaben ein Bild für die Götter ab. Voller Unglauben starrten sie Remus' Begleitung an. James kaute wütend auf seiner Unterlippe herum. Sicherlich ärgerte es ihn, dass Lily so viel hermachte. Die junge Hufflepuff, mit der er ging, konnte da nicht mithalten. Dabei hatte er doch erst am vergangenen Abend so große Töne gespuckt, dass Lily nur angab und auf dem Ball nicht gerade sehr auffallen würde. Aber da hatte er sich wohl sehr geirrt.

Während noch alles still stand, schlängelte sich eine dunkle Gestalt durch die Reihen. Zunächst konnte der Sprössling der Lupins nicht sagen wer es war, war dafür hier viel zu viel los. Erst, als sich Severus an einigen Ravenclaws vorbei gestohlen hatte, konnte der Gryffindor ihn auch als eben diesen identifizieren.

"Du siehst gut aus, Lily", entgegnete er, als er bei den dreien angekommen war.

"Danke", meinte diese nur und lächelte zufrieden. "Du aber auch. Der schwarze Anzug steht dir. Auch wenn du dadurch noch blasser wirkst."

"Wenn das ein Kompliment war, dann war es nicht besonders gut."

Die Rothaarige lachte.

"Entschuldige. War nicht so gemeint."

"Und ich?", fragte Andromeda und zupfte leicht an Severus' Ärmel. "Was ist mit mir?"

"Hm, ja. Ganz nett."

Wütend blies sie die Wangen auf und sah den Slytherin sauer an.

"Was heißt denn hier bitte ganz nett?"

"Wunderschönes Kleid, aber du bist trotzdem vollkommen überdreht. Außerdem hast du mich gezwungen mit dir hierher zu gehen, also erwarte nicht zu viel von mir."

Doch die kleine Black lächelte.

"Das Kleid gefällt dir? Na dann ist ja alles in Ordnung."

Sie hakte sich bei ihm unter.

"Das wird sicher ein toller Abend", meinte sie fröhlich, wobei Severus leicht genervt sein Gesicht verzog, dann aber wieder eine gleichgültige Miene aufsetzte.

Remus grinste ein wenig. Ihm tat der Erstklässler ja schon ein wenig leid, aber wenn er die beiden Schwarzhaarigen nun so nebeneinander sah, gaben so eigentlich ein herrliches, ideales Bild ab. Die zwei passten wirklich gut zusammen. Auch wenn es Severus vielleicht nicht ganz wahrhaben wollte. Remus war sich sicher, dass der andere nicht ganz so zu der Hexe neben ihm stand, wie er es vorgab. Die beiden kannten sich schon wirklich lang. Und so, wie der Braunschopf den Slytherin inzwischen einschätzte, so glaubte er, dass dieser nicht im Entferntesten so sehr abgeneigt war, wie er vorgab. Zwar hatte er ein starkes Gemüt und einen langen Geduldsfaden, aber irgendwann würde selbst dieser reißen. Und wenn er und Andromeda sich wirklich schon so lang kannten und die Dunkelhaarige die gesamte Zeit über so - wie sollte er es am besten sagen? - hyperaktiv war, dann musste Severus sie zwangsläufig mögen. Ansonsten hätte er es wohl schon lange aufgegeben und würde sich nicht mehr mit ihr abgeben.

Remus zuckte zusammen, als er etwas an seinem Arm spürte. Er sah an sich hinab und sah einen Arm, der sich bei ihm eingehakt hatte. Sein Blick glitt nach oben und er sah in das Gesicht der lächelnden Lily.

"Wollen wir rein gehen? Ich denke die anderen schaffen das mit dem Einlass schon."

Sie begann leicht zu schmunzeln.

"Außerdem habe ich die Reaktion, die ich wollte, bekommen."

Remus nickte leicht.

"Ähm, ja... Ja, lass uns rein gehen."

Er lächelte sanft. Sein Herz schlug ungewöhnlich schnell und das nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Langsam begann er sich zu fragen, ob es noch normal war oder ob er Madame Pomfrey vielleicht einen Besuch abstatten sollte. Es war wirklich seltsam, dass Lily ihn immer wieder so sehr erschreckte, wenn sie ihn aus seinen Gedanken riss. Oder das sie und Andromeda ihn immer wieder aus der Fassung brachten. Das war doch sonst nicht so.

Er seufzte leise. Sicherlich bildete er sich das alles nur ein. Er war überarbeitet - mehr nicht. Erst die ganze Aufregung mit dem Ball und dann auch noch Vollmond. Das war eindeutig zu viel gewesen. Sobald der Ball vorbei war und er seine Ferien genießen konnte, würde sich schon wieder alles einpendeln. Davon war er überzeugt. Immerhin hatte er dann auch die Zeit sich zu erholen. Der nächste Vollmond war erst nach den Ferien - Mitte Januar. Bis dahin würde alles wieder normal sein und seinen geregelten Lauf nehmen. Davon war er überzeugt. Und wenn nicht - wenn er wirklich krank war - dann konnte er noch immer auf die Krankenstation gehen und um Hilfe bitten.

"Träum nicht schon wieder vor dich hin", meinte der Rotschopf lachend und zog Remus mit sich nach drinnen.

Hinter ihnen liefen Andromeda und Severus. Erstere hatte sich an ihren Begleiter geschmiegt, welchem das Ganze jedoch sichtlich nicht wirklich gefiel. Der Slytherin grummelte leise vor sich hin. Remus schmunzelte und wandte sich leicht zu ihm um, als er dies mitbekam.

"Denk dran, Severus. Immer schön lächeln und freundlich bleiben. Damit es ein unvergesslicher Abend wird."

Der Angesprochene grummelte leise und funkelte seinen Fordermann an.

"Ich glaube das wird auch so ein unvergesslicher Abend..."
 

Leise Musik ertönte. Gedämpftes Licht erhellte die Tanzfläche, welche im Moment von nur einer Hand voll Paaren genutzt wurde. Die Zeit war fortgeschritten. Die Band hatte vor geraumer Zeit mit den schnellen Liedern geendet, waren die Stunden der Besinnlichkeit - und für die Älteren die des Beisammenseins - angebrochen. Es hatten sich bereits einige Schüler zurückgezogen, aber im großen und Ganzen war noch immer viel los. Das Buffet hatten die Hexen und Zauberer schon längst geleert. Zu Beginn hatte man es immer wieder nachfüllen lassen, doch nach und nach waren die Speisen - bis auch einige Kleinigkeiten - verschwunden und nur die Getränke blieben zurück.

"Nicht so schnell. Ich komm nicht mit."

Remus lächelte.

"Das ist nicht so schwer", meinte er mit sanfter Stimme. "Einfach im Takt."

Lily schmollte.

"Das sagst du so leicht. Du kannst tanzen. Ich nicht. - Wo hast du das gelernt?"

"Geheimnis."

Er nahm die Hände der Älteren und legte sie vorsichtig auf seine Schultern, bevor er die seinen auf Lilys Hüfte legte und sie anlächelte.

"Es ist ganz einfach. Du musst nicht viel tun. Ich führe und du bewegst dich mit, okay?"

Doch er wartete ihre Antwort gar nicht mehr ab, sondern setzte sich einfach in Bewegung. Immerhin war die Praxis lehrreicher, als jegliche Theorie. Der Nachwuchs der Lupins hatte sich die gesamte Zeit über Sorgen deswegen gemacht, dass er sich beim Tanzen blamieren könnte. Daher hatte er ja auch mit Severus geübt. Und wofür? Nur um festzustellen, dass die anderen es auch nicht konnten und Lily ebenfalls ein wenig Übung bedurfte. Sie war nicht schlecht - das musste er ihr zugute halten - allerdings mussten seine Füße schon grün und blau sein. So fühlten sie sich zumindest an. Glücklicherweise schien der Rotfuchs schnell zu lernen, sodass es kaum mehr vorkam, dass sie ihn trat.

Ein Lächeln stahl sich auf die Züge Remus'. Ja, Lily gehörte wirklich zu der Sorte Leuten, die schnell begriffen. Auch wenn es hin und wieder ein paar Ausnahmen gab. Wie beispielsweise Geschichte. Der Gryffindor fiel es unsagbar schwer sich etwas aus diesem Bereich zu merken. - Gut es ging sicherlich einigen Schülern so, war das Fach nicht besonders interessant, aber Lily konnte sich so sehr abmühen, wie sie wollte, sie konnte Zahlen und Ereignisse einfach nicht für sich behalten. Manchmal gab es hierbei einige mehr oder weniger lustige oder auch unterhaltsame Diskussionen, die oft mit einer Resignation oder einem geistigen Kollaps seitens der jungen Evans endeten. Er grinste leicht. Ja, es konnte wirklich amüsant werden. Allerdings durfte er sich auch nicht zu viel bei ihr erlauben. Meist folgte die Rache schon sehr bald. Spätestens in den Zaubertrankstunden, in welchen Lily immer wieder neu aufblühte.

Während er gegrübelt hatte, hatte er gar nicht mitbekommen, dass das Lied geendet hatte. Lily sah ihn ein wenig leidlich an.

"Remus. Bitte...", stöhnte sie leise.

Dieser blinzelte kurz und sah sie irritiert an.

"Äh... was?"

"Pause. Bitte. Sei gnädig."

Sie sah ihn flehend an, sodass er nicht anders konnte, als der Bitte nachzukommen. Er nickte leicht und lies sie lächelnd los.

"Natürlich. Wenn du willst."

"Danke."

Sie schien erleichtert. Ein großes Laster schien von ihren Schultern zu fallen.

"Meine Füße tun weh."

Der Spross der Lupins blickte sie entschuldigend an.

"Tut mir leid", murmelte er. "Ich hab es wohl übertrieben..."

"Nein, nein. Schon in Ordnung", meinte sie kopfschüttelnd und schmunzelte. "Das Tanzen mit dir macht wirklich Spaß, aber irgendwann ist die Luft raus. - Ich geh mich mal abkühlen, ja? Ich beeil mich auch. Dann können wir gern weitertanzen, wenn du willst."

"Ja, ist okay. Ich warte dann solange bei Severus und Andromeda", er wies auf die beiden. "Du kannst dir ruhig Zeit lassen."

Die Gryffindor nickte leicht und verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen. Remus sah ihr noch kurz hinterher, bevor er sich abwandte und langsam die Tanzfläche - welche im Moment noch recht gut gefüllt war - überquerte. Er hielt direkt auf die beiden schwarzhaarigen Individuen zu, welche an einem Tisch saßen und jeder ein Getränk vor sich stehen hatte. Noch saßen die beiden ganz friedlich beieinander. Selbst Severus schien nicht so übellaunig dreinzublicken, wie der Jüngere es erwartet hatte. Aber nachdem Remus sein Resumé über den bisherigen Abend zog, so war ihm klar, warum der Slytherin noch relativ guter Dinge war. Zwar hatte seine umwerfende Begleitung immer wieder versucht ihn zum Tanzen zu bewegen, war aber schlussendlich gescheitert. Wenn er sich recht entsann, hatte Severus nur läppische zwei Male nachgegeben und sich ihrer erbarmt. Allerdings nicht um sich selbst zu amüsieren, wohl eher um das Gemüt des heutigen Anhängsels zu beruhigen und selbst ohne nervenzerreißende Kopfschmerzen schlafen gehen zu können.

Bei diesem Gedanken konnte Remus nicht anders als zu grinsen. Es war doch immer wieder herrlich, wie sich der Spross der Snapes anstellte, wenn er partout nicht nachgeben wollte und ihm die Dinge - so wie sie sich verhielten - einfach nicht in den Kram passten. Als er die beiden schon fast erreicht hatte, konnte er in beider Augen ein hoffnungsvolles Glitzern sehen. Sein Schmunzeln wurde breiter. Das Funkeln hatte bei ihnen wohl unterschiedliche Ursachen. Grob gesagt war es den Zweien der Gedanke an Erlösung. Allerdings erhoffte sich Severus wohl, dass er nun endlich jemanden - wenn Remus richtig lag, würde der Schwarzschopf ihn als vernünftig bezeichnen - zum mehr oder weniger stummen, aber verständigen Unterhalten gefunden hatte, währenddessen Andromeda darauf zählte Remus noch ein wenig entführen zu können, solang Lily nicht da war. Zumindest schätzte der Jüngste sie so ein. Ob er Recht behielt lag auf einem anderen Tablett.

"Wo hast du Lily gelassen?", überrumpelte ihn die Erstklässlerin prompt.

Bevor er auf die Frage einging, nahm er links von Severus und somit rechts von Lily Platz.

"Sie wollte sich ein wenig abkühlen", gab er schlicht zur Antwort.

"Warum das denn? Hast du sie zu sehr strapaziert."

Er lächelte auf diesen leicht überraschten Kommentar hin.

"Vielleicht hätte ich die letzten beiden Tänze lassen sollen. Sie konnte kaum noch stehen. Ich hab es übertrieben."

Andromeda schüttelte den Kopf.

"Ach Quatsch. Denk ich nicht. Lily meinte, dass sie sich vor allem auf das Tanzen freut. Und das Gefühl danach richtig am Ende zu sein."

Sie lachte leicht.

"Naja, das hast du ja dann auch geschafft, nicht?"

Der Gryffindor lief ein wenig rot an. Es war ihm unangenehm. Ja, vielleicht hatte Lily es so gewollt, aber es war nichts desto trotz falsch gewesen.

"Es tut mir trotzdem leid. Ich hätte es nicht übertreiben sollen."

"Jetzt kannst du es auch nicht mehr ändern", brachte Severus sich ein. "Schon sie den Rest des Abends als Wiedergutmachung."

"Und faul hier rumsitzen?", platzte es aus seiner Gegenüber heraus. "Das ist doch stink langweilig."

"Wenn es dir nicht gefällt, dann hättest du dir eben eine andere Begleitung suchen sollen. Du wusstest von Anfang an, dass ich nicht zum Ball wollte. Und dass ich dann auch nicht sonderlich viel tanzen will liegt doch da auf der Hand. Oder etwa nicht?"

Sie blies ihre Wangen auf.

"Severus Snape, du bist ein so was von aufgeblasener, besserwisserischer Tunichtgut. Das ist ja kaum noch zum Aushalten. Ich hab mich so gefreut und jetzt hocken wir hier schon eine geschlagene Stunde, weil du zu faul bist und ich dich ja schlecht allein sitzen lassen kann."

"Meinetwegen hättest du das gern tun können. Dann hätte ich wenigstens meine Ruhe gehabt."

"Wie bitte?!"

Sie sah ihn sauer an und wollte schon kontern, als Remus - der sich zurückgehalten hatte - dazwischen ging.

"Jetzt hört doch auf zu streiten. Das ist doch dumm. An so einem schönen Abend sollte man nicht streiten."

Er sah zu Andromeda. Sein Blick war fest. Ebenso wie seine Stimme. Er war von seinen Worten überzeugt.

"Wenn er nicht mit dir tanzen will, dann solltest du ihn nicht dazu zwingen. Und du Severus, du könntest ruhig netter sein. Ihr kennt euch schon so lang. Da solltest du mit ihr umzugehen wissen."

Er seufzte leise.

"Ihr streitet euch wie kleine Kinder."

Andromeda schmunzelte und kicherte.

"Aber Remus, wir sind doch noch Kinder. Du hörst dich schon wie ein alter Mann an. Vielleicht solltest du nicht mehr so viele Moralpredigten halten, sondern dich ein bisschen mehr an unseren Haarspaltereien beteiligen. Die gehören nun mal zu Kindern. Und du bist auch ein Kind. Also sieh nicht immer alles so ernst."

Sie lächelte Severus an.

"Außerdem hab ich das ja nicht so gemeint. Ihr wisst doch wie ich bin."

"Ja, leider", gaben die Jungs synchron von sich.

Sie sahen sich an, blickten zu der schon wieder leicht wütenden Andromeda und konnten nicht anders als - gemeinsam mit der Ravenclaw - zu lachen. Es war mal wieder typisch. So verschieden und doch ein und der selben Meinung.
 

Die Zeit verging rasch. Die drei Erstklässler hatten sich über den bisherigen Abend ausgetauscht. Die Organisation war wirklich perfekt gewesen. Bis jetzt war noch nichts schief gegangen. Bis auf die Tatsache, dass Andromeda bis jetzt kaum Gelegenheit hatte sich ihre Füße wund zu tanzen, wie sie immer wieder betonte. Irgendwann hatte Remus beschlossen sich einen der gestapelten Zaunspfähle zu schnappen und seiner Freundin den indirekten Wunsch zu erfüllen. Einen Tanz hatte er ihr geschenkt, wobei er es sofort bereute nicht eher auf ihre Bedürfnisse eingegangen zu sein. Sie war eine fabelhafte Tänzerin. Anders als Lily trat sie ihm kein einziges Mal auf die Füße. Sie passte sich perfekt seinen Bewegungen an, drehte sich schwungvoll, lies sich ohne Probleme führen. Bei jeder Drehung flog ihr Rock mit und schmiegte sich, wenn sie wieder zur Ruhe kam, eng an ihren Körper, wobei der Stoff hin und wieder auch Remus streifte. Mit ihr über die Tanzfläche zu gleiten war einfachtraumhaft, so dachte der Nachwuchs der Lupins. Innerlich war er wirklich enttäuscht, als die Musik schließlich verklungen war und sie ihn lächelnd ansah. Wobei ihr Atem ein wenig erhöht war. Eigentlich hatte er sie um einen weiteren Tanz bitten wollen, aber nachdem sie sich kurz nach der Uhrzeit erkundigte, wurde ihm erst recht bewusst wie spät es eigentlich schon war und wie lang seine eigentliche Begleitung schon fehlte. Abrupt lies er von Andromeda ab.

"Ich geh mal nach Lily suchen", meinte er entschuldigend. "Sie ist schon ziemlich lang weg. Wenn sie draußen ist und die Zeit vergessen hat, dann holt sie sich den Tod."

"Ja, versteh ich. Aber versprich mir nachher noch mal mit mir zu tanzen!"

Den letzten Satz hatte sie ihm hinterher gerufen, hatte er sich bereits auf den Weg gemacht.

Zurück in der Eingangshalle blieb Remus stehen und lies seinen Blick schweifen. Bevor er sich auf die Suche nach Lily machte, musste er sich wohl oder übel überlegen wo sie sein konnte. Würde er einfach Hals über Kopf drauflos rennen, dann würde er früher oder später in einer Sackgasse landen und nochmals von vorn anfangen müssen. Wenn er Pech hatte, dann würde er sie unter Umständen gar nicht mehr ausfindig machen und am nächsten Morgen eine ihrer Standpauken aushalten müssen, da sie wieder beim Ball gewesen war, er allerdings verschwunden geblieben war. Er seufzte leise. Nein, eine Moralpredigt der Rothaarigen war das Letzte, was er hören wollte.

Ein paar Schritte ertönten. Remus sah sich um und erspähte Professor Redwing, welche eingehakt bei ihrem Mann, langsam auf ihren Schüler zukam. Sie redete mit ihrem Begleiter und bekam den Jungen erst mit, als sie wenige Schritte von ihm entfernt waren. Ein seichtes Lächeln zierte ihr Gesicht.

"Guten Abend, Remus", begrüßte sie ihn mit sanfter Stimme.

"Guten Abend, Professer. Mr. Redwing."

Die junge Lehrerin lachte leicht.

"Sei doch nicht so verkrampft. Nicht an einem solchen Abend."

Der junge Gryffindor wurde ein wenig rot und nickte nur leicht.

"Was tust du so allein um diese Uhrzeit hier? Ich dachte du bleibst bis zum Schluss. Immerhin hast du mit bei den Vorbereitungen geholfen. Oder hast du keine Lust mehr?", fragte sie neugierig.

"Doch, doch!", gab er rasch zur Antwort und lächelte ebenfalls. "Es ist nur... Ich suche meine Begleitung. Sie müsste schon vor einiger Zeit zurück gekommen sein, aber da sie das nicht ist, habe ich beschlossen sie zu suchen."

Der Blick Professor Redwings wurde von Besorgnis geziert.

"Sollen wir dir vielleicht helfen?"

Ein wenig zaghaft schüttelte er den Kopf. Fast so, als wäre es ungehörig oder unverzeihlich dieses Angebot abzulehnen.

"Ich denke ich werde sie schon finden. Weit wird sie denke ich nicht sein."

Seine Erzieherin seufzte leise und nickte.

"Wie du meinst. Aber wenn du es dir anders überlegst, dann sag uns bescheid, ja?"

Sie lächelte erneut.

"Ich bin deine Lehrerin und da um dir zu helfen, ja?"

"Ja", erwiderte er kurz.

Es tat ihm inzwischen schon regelrecht leid abgelehnt zu haben, aber so lang dürfte es sicherlich nicht dauern sie zu finden. Die Hexe hakte sich bei ihrem Begleiter ein und schmunzelte ihn an.

"Noch einen schönen Abend, Remus. Ich hoffe du findest Lily bald. - Komm Vlad."

Sie setzte sich in Bewegung und zog den Hünen hinter sich her. Leicht irritiert sah der Brünette ihnen hinterher. Er fragte sich in diesem Moment wie es eigentlich möglich war, dass die beiden zusammen gekommen waren. Bis auf den Kleidungsstil - schwarz - waren Mr. und Mrs. Redwing so verschieden wie Tag und Nacht. Er schien schon ein wenig älter zu sein - fünfunddreißig vielleicht - war riesig und sprach kaum. Sie war an die zwanzig bis fünfundzwanzig - so alt musste sie mindestens sein, war sie Lehrerin, ansonsten hätte er sie für weitaus jünger geschätzt - hatte eine normale Körpergröße und war äußerst nett und schien auch gern zu reden. Grübelnd kratzte er sich am Hinterkopf. Wie hieß es doch so schön? Gegensätze ziehen sich an. Er seufzte leise, als er bemerkte, dass seine Gedanken in falsche Richtungen gingen. Lily war im Moment entscheidend.

,Also was hat sie gesagt? Sie wollte sich abkühlen?', dachte er bei sich und sah zum großen Eichenportal.

Vielleicht war die Erstklässlerin nach draußen gegangen. Ein wenig frische Luft und kühlender Nachtwind tat gut, allerdings blieb dies zu bezweifeln. Es war bereits Winter und somit eiskalt. Lily hatte ohne Mantel die große Halle verlassen. Wenn sie nach draußen gegangen wäre, dann wäre sie niemals so lang fortgeblieben. Wenn doch, dann müsste ihre Haut inzwischen eine bläuliche Färbung angenommen haben und die Gryffindor müsste vollkommen unterkühlt sein. Zudem würde Lily sicherlich des nachts nicht mehr das Schloss verlassen wollen. Weshalb? Ihr und Remus war das Ereignis mit Elena noch zu gut im Gedächtnis. Der Rotschopf hatte selbst gemeint, dass sie nur ungern in nächster Zeit hinunter zum See gehen wollte. Zwar war dieser ein Stück vom Schloss entfernt, allerdings konnte Lily einfach nicht rational bleiben und hegte ab und an den Verdacht, dass "diese seltsamen Wesen" - wie sie Elena und die grollenden Geräusche selbst tituliert hatte - sich nachts weiter von ihrem Gewässer entfernten und es nicht auszuschließen sei, dass sie vielleicht sogar ins Schloss eindringen könnten. Bei diesem Gedanken lief es Remus eiskalt den Rücken hinunter, auch wenn er sich das Ganze selbst nicht vorstellen konnte. Allerdings war es kein anregender Gedanke - so fand er. Aufgrund der Befürchtungen jedoch hielt er es für recht unwahrscheinlich, dass die junge Evans zu dieser Zeit - es war inzwischen weit nach Mitternacht - noch nach draußen gegangen war. Aber wo konnte sie dann sein?

"Fiffy, lang nicht gesehen", unterbrach eine schneidende Stimme seine Gedankengänge.

Der Spross der Lupins biss sich leicht auf die Unterlippe. Er kannte diese eiskalte, herablassende Stimme nur zu gut. Und es gab nur einen einzigen Menschen, der ihm so wenig Respekt entgegen brachte und ihn mit Hundenamen rief.

"Ist unser kleiner Straßenköter etwa schwerhörig geworden? Soll ich dir vielleicht ein wenig behilflich sein mit einem Sonorus? Vielleicht hörst du uns ja dann? Oder sollen wir dir die Ohren putzen. Scheinst das ja länger nicht gemacht zu haben, so wie du aussiehst."

Wütend fuhr Remus herum und starrte in die kalten blauen Augen des Siebtklässlers.

"Noch ein Wort und du wirst es bereuen je geboren worden zu sein!"

Für diese ruppige Antwort erntete er lediglich Gelächter. Sowohl von Malfoy, als auch von dessen Begleitern - die zwei ältesten der Blackschwestern, die Lestrangebrüder, der Nachwuchs des Hauses Crabbe und der des Hauses Goyle.

"Fiffy, Fiffy, Fiffy. Es ist wirklich nicht normal, dass du immer so schnell aus der Haut fährst. Du solltest dir helfen lassen, sonst könnte es chronisch werden."

"Das Einzige, was hier chronisch ist, das ist deine krankhafte Ignoranz, deine krankhafte Ichbezogenheit und dein übersteigertes Selbstwertgefühl! Für wen oder was hältst du dich überhaupt?"

Amüsiert blitzte ihn der Ältere an. Ein Hauch eines Grinsens deutete sich auf seinen Lippen an.

"Für einen reinblütigen, talentierten Zauberer", erwiderte Narcissa anstelle ihrer Begleitung.

Sie sah ebenso herablassend auf den Jüngeren hinab, wie es ihr Verlobter tat. Lucius' Schmunzeln wurde bei diesem Kommentar deutlicher. Anscheinend hatte sie genau das gesagt, was ihm auf der Zunge gelegen hatte.

"Vielleicht sollte ein Halbblüter - wie du - es sich genau überlegen was er wie sagt", fuhr sie in fast schon drohendem Ton fort. "Du gehörst einer Bande von Blutsverrätern an, also solltest du einem Reinblüter gegenüber mehr Respekt zeigen. Aber allen Anschein nach fehlt dir der. Aber wer soll ihn dir schon beigebracht haben? Deine Eltern sind sicher ebenso unnütze Taugenichtse wie du. Was willst du da schon an Manieren gelernt haben?"

"Sei still! Du weist doch gar nicht, was du da sagst!", entfuhr es dem Braunschopf. "Meine Eltern sind keine Taugenichtse! Sie sind sicher mehr wert als eure ganze Bagage zusammen! Wenn sich jemand nicht zu benehmen weiß, dann ja wohl ihr. Oder was sind das für ein Benehmen, wenn man andere Leute grundlos fertig macht und piesackt? Sehr viel gehört dazu sicher nicht."

"Es wundert mich", warf die andere Blackschwester ein, "dass ein Bengel wie du das Wort Bagage überhaupt in seinem Wortschatz hat."

Die Slytherins lachten laut und gehässig auf. In Remus stieg die Wut empor. Wieso musste er sich mit diesem... diesem Pack abgeben? Wieso konnten sie ihn nicht einfach zufrieden lassen? Wenigstens heute? Aber anscheinend war das zu viel verlangt. Er ballte seine Hände unbemerkt zu Fäusten. Er spannte und entspannte sie immer wieder um sich leicht abzuregen. Er lies seinen Blick durch die Gruppe schweifen, blieb schlussendlich jedoch wieder an dem Platinblonden hängen, welche langsam auf ihn zukam - mit einem selbstsicheren Grinsen auf den Lippen. Kurz vor Remus begann er die Richtung ein wenig zu ändern. Mit bedächtigen Schritten umrundete er den Erstklässler ohne ihn aus den Augen zu lassen. Remus sah ihn ebenfalls an, blieb jedoch stehen. Er hörte wie Lucius die Luft ausstieß.

"Weißt du was ich mich gefragt hab, Fiffy?", begann er in nachforschendem Ton, erhielt jedoch keine Antwort. "Hast du sie wirklich gebissen?"

Verständnislosigkeit stand in den Augen des Erstklässlers geschrieben.

"Unten im Kerker", wisperte Malfoy und setzte zur zweiten Umrundung an. "Die Slytherin. Das blutüberströmte Mädchen."

Mit einem Schlag begann sich im Gryffindor alles zusammen zu ziehen. Sein Herz hämmerte in kaum vorstellbarem Rhythmus gegen seinen Brustkorb. Seine Fingernägel gruben sich tief in seine Handflächen; den Schmerz bemerkte er gar nicht. Die Pupillen Lupins verengten sich - fast schon zu Schlitzen - und starrten geradewegs ins nichts. Sie zitterten leicht. Nein, nicht nur seine Pupillen. Sein gesamter Körper hatte sich augenblicklich versteift und zu zittern begonnen. Er brach in kalten Schweiß aus.

Wieso spielte der Slytherin auf diese Sache an? Remus hatte gehofft, dass sich alles bis jetzt wieder gelegt hatte. Das man ihn deswegen nicht wieder behelligen würde. Gerade hatte er die Sache weitestgehend verarbeitet und für sich abgeschlossen und nun riss Malfoy ohne Vorwarnung die verheilte Wunde mit aller Gewalt wieder auf. Beim bloßen Gedanken an das Szenario wurde ihm schlecht. Sein Hals war wie zugeschnürt. Vor seinem geistigen Auge spielte sich alles wieder ab. Sein erstes Treffen mit Elena... Später hatte er in der Eingangshalle gestanden - genau wie jetzt - und diesen seltsamen Schatten gesehen, ihn jedoch für Einbildung gehalten. Erst als er den gellenden Mädchenschrei in seinen Ohren hatte klingeln hören, hatte er begriffen was für einen fatalen Fehler er begangen hatte, als er den Schatten - der sich später als Vampir entpuppt hatte - für ein Hirngespinst gehalten hatte. Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht, als er seinen Gedanken weiter folgte. Er war in den eiskalten Kerker hinab gerannt und hatte schließlich den Missetäter auf frischer Tat ertappt und in die Flucht geschlagen. Nach und nach gingen die Erinnerungen in Fetzen - Bruchstücke über. Das Mädchen, welches verblutend in seinen Armen lag - der süßliche Geruch, welcher in seine Nase stieg - der Blutrausch, welcher langsam von ihm Besitz ergriff und das brutale, gefühlskalte Tier in ihm weckte - die erschrockenen Schrei der anderen, das grobe Entreißen der Verletzten - ... - die Verurteilung durch die anderen. Diese grausamen Blicke. Diese bedrückende Kälte. Alles stieg wieder in ihm auf und ließ ihn schwer schlucken.

"Erinnerst du dich?", wisperte Lucius in das Ohr des Jüngeren, welcher daraufhin erschrocken zusammen fuhr, hatte er nicht damit gerechnet.

Mit einem sadistischen Lächeln umkreiste Malfoy sein Opfer abermals.

"Hast du sie gebissen?", fragte er in tonlosem, fast schon quälendem Ton. "Hast du dich an ihr gelabt? Hast du sie fast blutleer gesogen?"

Immer wieder murmelte Remus auf die Fragen hin ein leises, ängstliches "Nein." Er wollte sich verteidigen, aber es viel ihm unsagbar schwer. Er hatte sich schon so oft gerechtfertigt. So viele Nächte aufgrund der Vorwürfe sich selbst gegenüber kein Auge zugetan. Er konnte nicht mehr. Er wollte das nicht mehr.

"Hast du nicht?", flüsterte der Reinblüter in neugierigem Ton. "Und warum hast du dann solche Angst? Wenn du unschuldig bist, dann sollte es dir nicht so viel zu schaffen machen."

"Ich hab nichts getan!", rief er aus und fuhr zu dem Siebzehnjährigen herum.

Es ging schneller, als der Nachwuchs der Lupins es erwartet hatte. Lucius hatte ihn noch in der Bewegung geschnappt. Mit Daumen und Zeigefinger hielt er den Kopf des Jüngeren fest, dass er diesen nicht mehr fortdrehen konnte. Die anderen Finger ruhten unterm Kinn. Die kalten Augen erdolchten ihn förmlich.

"Soso, hast du das also nicht."

Fast schon behutsam strich der Siebtklässler ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte dabei fast schon herzlich.

"Vielleicht glaub ich dir das sogar, Lupin", meinte er im Plauderton. "Einem kleinen Unschuldslamm wie dir ist so eine grässliche Tat nur schwer zuzutrauen. Findest du nicht auch?"

Der Erstklässler konnte nichts erwidern. Er war wie gelähmt vor Schreck. Seine Gedanken verrannten sich ineinander. Was sollte das Ganze? Was wollte Malfoy? Und wieso spielte er plötzlich den Freund? Den heiligen Samariter, der alle Vergehen sofort für null und nichtig erklärte und zu ihm stand? Hier musste es mehr als nur einen Haken geben.

"Aber weist du", fuhr er fort, wobei sich seine Mimik veränderte und wieder die teuflischen Züge von vor wenigen Minuten annahm. "Wie heißt es so schön? Stille Wasser sind tief und schmutzig. Außerdem sind deine Eckzähne recht gut zum Beißen zu gebrauchen, wenn ich mich recht entsinne."

Grob und wie bei einem Hund, besah er sich Remus' Gebiss. Dieser stieß ihn heftig von sich und landete durch die Wucht selbst auf dem Boden. Erschrocken sah er Malfoy an. Sein Herz schlug noch immer rasant. Das Blut pochte in seinen Schläfen.

"Was soll das?!", schrie er den Blondschopf an.

"Bei deinen Zähnen kann man wirklich Angst bekommen", meinte Malfoy lachend. "Vielleicht ist Fiffy für dich doch nicht die richtige Bezeichnung. Blutsauger passt da schon eher."

"Sei still!", rief Remus und zog seinen Zauberstab.

Zu einem Zauberspruch kam er jedoch nicht mehr, wurde ihm der Stab auch schon aus den Händen gerissen. Sein Blick irrte zu den anderen Slytherins. Einer der Lestranges hielt seinen eigenen Zauberstab - welcher noch glühte - in Händen und schüttelte den Kopf.

"Du solltest dich nicht mit uns anlegen", meinte er nur in teilnahmslosem Ton.

Remus knurrte leise. Natürlich. Wie hatte er vergessen können. Die Slytherins spielten nicht fair. Besser gesagt, sie taten es schon. Sieben Slytherins gegen einen Gryffindor war natürlich fair - in ihren Augen. Wie hätte er auch etwas anderes denken können?

Als er sich wieder zu Malfoy umwandte, blieb sein Herz stehen. Der Ältere hielt ihm seinen Zauberstab direkt vor's Gesicht. Der Nachwuchs der Lupins schluckte schwer. Sicher würde der Siebtklässler nicht zögern ihn zu verfluchen. Weshalb auch? Der Gryffindor war in seinen Augen nur Abschaum. Nicht nur aufgrund des Hauses. Ebenso wegen seiner Familie und seines Blutstatus'. Und soweit er Malfoy kannte, würde er sich diese Chance nicht entgehen lassen ein potentielles Opfer zu quälen.

"Du sagst ja gar nichts mehr", witzelte Lucius und schmunzelte belustigt. "Hat es dir etwa die Sprache verschlagen?"

Remus' Blick wanderte zwischen der Spitze des Holzstabes und dem Antlitz seines Angreifers hin und her. Kalter Schweiß stand ihm ins Gesicht geschrieben. Wut stieg in ihm auf. Sowohl auf sich, dass er sich so leicht hatte in die Enge treiben lassen, als auch auf den Slytherin, da dieser es immer wieder problemlos schaffte ihn zu erniedrigen und dabei noch ungeschoren davon kam.

"Spielen wir ein kleines Spielchen, Fiffy?", fragte er lächelnd. "Das macht sicher Spaß. Gut, vielleicht nicht dir, aber uns."

Der Braunschopf knurrte leise. Wie er ihn hasste. Diesen selbstgefälligen, ignoranten Egozentriker. Nie hatte er es für möglich gehalten solche Gefühle zu hegen. Aber nun - da er Lucius kannte - war es für ihn ein Leichtes. Das Knurren Remus' wurde lauter. Tief in sich spürte einen unbändigen Zorn aufsteigen. Ein Groll, den er für gewöhnlich nur an Vollmondnächten hegte, wenn der Wolf in ihm durchbrach. Niemals Tage vorher. Seine Pupillen verengten sich noch ein wenig. Nicht vor Angst - wie es der Siebtklässler vielleicht denken mochte. Es war eher dem Reflex ähnlich, wenn ein Jäger seine Beute fixierte. Für einen Bruchteil einer Sekunde flimmerte der Blick des Jüngeren. Alles nahm einen grauen Schleier an, doch dann war wieder alles scharf und in Farbe. Doch dieser Augenblick hatte gereicht um Malfoy aus der Fassung zu bringen. Leichtes Überraschen stand in sein Gesicht geschrieben. Er rührte sich nicht. Remus nutzte diesen Moment und entriss dem Älteren seinen Zauberstab und stieß ihn zu Boden. Selbst sprang er auf die Füße und nahm nun selbst eine drohende Haltung über dem anderen ein. Er keuchte leise und hatte die Spitze des Stabes an Malfoys Hals gesetzt.

"Spielen willst du?!", keifte er ihn in lautem Ton an. "Das kannst du gern haben! Wir amüsieren uns so lang, dass du nicht mal mehr eins und eins zusammenzählen kannst!"

Der im Moment Unterlegene starrte ihn nur voller Unglauben an.

"Was bist du?", wisperte er. "Was bist du für eine Kreatur?"

Remus entglitten die Züge. Wie bitte? Was sollte das heißen? Hatte Malfoy etwa wirklich Angst? Oder spielte er nur? Oder hatte er Remus' kurzen Fassungsverlust mitbekommen? Doch zum Nachdenken blieb ihm keine Zeit, verspürte er einen stechenden Schmerz in der Seite, wobei er von den Füßen gerissen wurde und einige Meter durch den Raum flog. Keuchend blieb er am Boden liegen und hielt sich einen Teil der rechten Körperhälfte. Es dauerte einige Minuten bis er wieder klar sehen konnte. Er blickte auf und sah, wie die Horde Slytherins auf ihn zukam. Fast schon panisch sah er sich nach seinem Zauberstab um, konnte ihn jedoch nicht entdecken. Er hatte sich dafür wohl mehr Zeit genommen, als er gedacht hatte, wurde er ohne Vorwarnung in den Magen getreten. Stöhnend drehte der Gryffindor sich auf den Rücken und starrte in die Gesichter der älteren Hexen und Zauberer. Lucius hatte sich seinen Zauberstab inzwischen zurückgeholt und stand nun über ihm. Sein Gesicht sah keineswegs entspannt aus. Allerdings war der Anflug von Angst schon wieder nahezu verflogen.

"Ich weiß nicht was du bist, Lupin", begann er, "aber eine normale Küchenschabe wie das Rothaarige Schlammblut sicher nicht."

"Sprich nicht so von Lily", brachte er zähneknirschend hervor.

"Du bist nicht so harmlos wie du anderen Glauben machst", fuhr der Platinblonde fort ohne auf ihn einzugehen. "Aber solchen Kreaturen sollte man von Anfang an zeigen, wer das Sagen hat, damit sie es gleich verstehen."

Nun kam wieder das sadistische Grinsen hindurch.

"Und ich weiß auch schon wie."

Er richtete seinen Zauberstab auf den Jüngeren.

"Sonorus."

Remus erblasste. Er wusste was das hieß. Oder besser - was es nicht hieß. Ohne Stimme würde ihn niemand hören... Er war den Launen der Sieben ausgeliefert. Das Grinsen des Ältesten wurde breiter.

"Ich gebe dir heute nur eine einzige Lektion. Schätz dich glücklich. Aber wenn du nicht lernst dich zu benehmen, dann könnten daraus auch mehr werden. - Sag: weißt du wie es sich anfühlt, wenn du von innen her verbrennst?"

Bei diesen letzten Worten ging ein gedämpftes Lachen durch die schwarz gekleideten Gestalten. Noch langsamer als in Zeitlupe schüttelte Remus seinen Kopf. Ein stummes "Nein" entfleuchte seinen Lippen.

"Doch. Crucio!"

Remus Augen weiteten sich. Er krallte sich mit den Fingern in den Boden. Unerträgliche Hitze wallte durch sein Inneres und drohte ihn zu verbrennen. Alles in ihm schien zu glühen. Seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Es fühlte sich so an, als würde er am lebendigen Leibe in siedendem Öl gebraten werden. Nicht nur Haut und Knochen. Selbst die Knochen fühlten sich hundert Grad heißer an als normal. Sein Kopf und sein Herz schienen fast zu zerplatzen, rauschte das kochende Blut durch seine Venen und brachte ihn fast um den Verstand. Er schrie nach Leibeskräften und aus voller Seele, doch vergeblich. Es nützte nichts. Kein Laut kam über seine Lippen. Verzweifelt und der Qual vollkommen unterworfen wand er sich am Boden. Er drehte sich zur Seite und kauerte sich schließlich auf allen vieren zusammen. Der Verzweiflung nahe presste er sich gegen die kalten Steinfließen, doch Kühlung verschafften sie ihm nicht. Hoffnungslos - von dieser Pein erlöst zu werden - schlug er mit seiner Faust gegen den Boden. Sein Blick verschleierte. Es fehlte nicht viel - das wusste er - und er würde der Ohnmacht erliegen. Innerlich flehte er um Erbarmen und Erlösung. Heiße Tränen traten aus seinen Augen und liefen seine Nase hinab, bevor sich von deren Spitze auf den Boden träufelten. Das Gelächelter der Slytherins hallte während der ganzen Zeit in seinen Ohren wider. Er schrie. Schrie sich Leib und Seele heraus, doch nichts. Alles still.

Und plötzlich. Der Schmerz verschwand so plötzlich wie er gekommen war. Kraftlos und betäubt lies er sich gänzlich auf den Boden sinken und blieb mit rasselndem Atem liegen. Das Einzige, was er noch von den Schülern um sich herum mitbekam waren die letzten Worte seines Peinigers, bevor dieser sich auf und davon machte und den Abend auf sich beruhen ließ.

"Lass dir das eine Lehre sein, Fiffy. Das nächste Mal beschäftige ich mich ein wenig länger mit dir. - Ach und versuch ruhig deinen Freunden von heute Abend zu erzählen. Es gelingt dir ohnehin nicht."

Eine Ewigkeit schien zu vergehen bis Remus es fertig brachte sich hinzusetzen. Zusammengesunken hockte er da und rang noch immer nach Atem. Alles in ihm schmerzte. Das Schwindelgefühl war stark und er glühte immer noch. Denken konnte er nun nicht mehr. Selbst seine grauen Zellen schienen unter diesem Leid gelitten zu haben, wollten sie nicht arbeiten und versagten den Dienst. Die gesamte Motorik stand nur einen winzigen Schlag vom Versagen entfernt. Leise wimmernd und die Übelkeit unterdrückend kämpfte sich Remus auf die Beine. Im Moment wusste er nur eines. Er brauchte dringend Abkühlung. Mehr nicht. Wasser um wieder zu Sinne zu kommen und klar denken zu können. Ohne recht zu wissen wohin er ging, taumelte er durch die Eingangshalle. Alles wackelte und flimmerte vor seinen Augen. Wenn er aus dem Gleichgewicht geriet, so spürte er nicht, wenn er gegen eine kalte Steinmauer lief, tat ihm ohnehin alles weh. Er taumelte durch die Halle. Mit einer Hand tastete er sich an der Wand entlang und schleppte sich voran. Mit einem Mal wurde ihm schwarz vor Augen. Fast schon krampfhaft versuchte er die Balance zu halten, doch sinnlos. Er kippte nach recht weg und fiel erneut gegen etwas Hartes. Doch diesmal war es kein Stein. Als er gegen es geschlagen war, hatte es ein dumpfes Geräusch gegeben. Mit seiner Hand fuhr er über die raue Oberfläche.

,Holz...'

Er hob seinen Kopf und sah auf. Er lehnte gegen eine Tür. Sie führte zur Mädchentoilette. Einen Moment zögerte er, drückte dann jedoch die Klinke nach unten um hinein zu stolpern. Um diese Uhrzeit war niemand hier, also würde es nichts ausmachen, wenn er sich hier Kühlung verschaffte. Ob er es bis zur Jungentoilette in diesem Zustand schaffte war fraglich, also konnte er auch gleich hier bleiben. Er stolperte durch das Dunkel, waren die Lampen schon gelöscht. Gerne hätte er den Raum erhellt, allerdings lag sein Zauberstab noch immer irgendwo in der Eingangshalle. Er hatte vergessen ihn mitzunehmen. Doch dies tat im Moment nichts zur Sache. Er würde ihn sich später holen. Er würde schon nicht abhanden kommen.

Keuchend erreichte er das Waschbecken. Verkrampft hielt er sich an dessen Rand fest und starrte in den Spiegel. Das Mondlicht zeigte ihm in was für einem grauenhaften Zustand er eigentlich war. Er war kreidebleich und wirkte vollkommen ausgezehrt. Unter seinen Augen hatten sich Augenringe gebildet. Fast so, als hätte er nächtelang nicht geschlafen - genau so fühlte er sich auch. Mit zitternden Händen drehte er das Wasser auf. Er atmete erleichtert auf, als das kühle Nass über seine Handgelenke floss. Langsam senkte der Braunschopf seinen Kopf und hielt diesen unter den Wasserstrahl, wobei er die klare Flüssigkeit immer wieder zusätzlich in sein Gesicht spritzte. Ab und an nahm er ein paar wenige Schlucke, behielt die Erfrischung einige Sekunden im Mund und schluckte sie schließlich hinunter. Er konnte regelrecht spüren wie sie seine ausgedörrte Kehle hinab rann. Remus drehte das Wasser ab und richtete sich auf. Er wischte sich mit dem Ärmel über's Gesicht um sich so ein wenig zu trocknen. Abermals sah er in den Spiegel und murmelte vor sich hin, wie schrecklich er doch aussah, allerdings erfüllte kein einziger Ton den Raum. Zähneknirschend wandte er sich ab und lehnte sich leicht gegen das Waschbecken. Nicht mal sein Seufzen hatte Klang. Und woran lag dies? An diesem vermaledeiten Malfoy. Hätte er ihn nicht diesen Sonorus-Zauber auf den Leib gehetzt, dann wäre er nun stumm wie ein Fisch. Normalerweise verflog dieser Fluch schnell. Der Siebtklässler schien ihn jedoch besser zu beherrschen, als Remus gedacht hatte. Oder er hatte ihn verändert. Sonst war es kaum möglich, dass der Gryffindor noch immer nichts sagen konnte. Aber im Moment tat dies nichts zur Sache. Wenn er seinen Zauberstab wiederhatte, dann würde er sich davon schon befreien können. Um sein Zauberutensil jedoch zu erhalten, musste er zurück in die Eingangshalle. Resignierend setzte er sich in Bewegung, kam jedoch nicht weit, stolperte er über etwas Großes. Da er noch immer nicht voll auf der Höhe war, ging er recht unsanft zu Boden. Stumm fluchend sah er sich um über was er gefallen war. Dabei verzog er leicht das Gesicht, als er eine klebrige, zähflüssige Substanz an seiner Hand spürte. Langsam hob er sie an und roch daran, um festzustellen in was er gegriffen hatte. Sein Herz setzte für einen Moment aus. Das konnte doch unmöglich das sein, wofür er es hielt. Abrupt wandte er sich auf dem Boden um um nachzusehen wer oder was hier lag. Seine Augen weiteten sich, als er die Gestalt erkannte. Ein stummes "Nein" kroch über seine Lippen. Millimeter für Millimeter kroch er näher, wollte und konnte er es nicht wahrhaben. Er schüttelte den Kopf.

,Bitte nicht... Nein...'

Tränen begannen über seine Wangen zu laufen, als er die Rothaarige in ihrer eigenen Blutlache liegen sah. Er griff nach ihrer Hand, welche eiskalt war. Sein Körper begann zu zittern.

,Lily... Bitte. Das darf nicht war sein...'

Fast schon behutsam zog er sie in seine Arme und strich ihr das verklebte Haar - ironischer Weise konnte man es heute wirklich als blutrot bezeichnen - aus dem Gesicht. Immer wieder wisperte er ihren Namen, doch alles blieb still. Er saß mit ihr in diesem dunklen, vereinsamten Raum, der lediglich durch spärliches Mondlicht erhellt wurde. Leise schluchzte er und schüttelte die Ältere sacht. Er flehte sie an die Augen zu öffnen, doch sinnlos. Voller Verzweiflung starrte er auf ihr blutverschmiertes Antlitz. Sein Blick war durch die Tränen verschwommen. Verzweiflung erfüllte ihn. Was sollte er nur tun? Wie sollte er ihr helfen?

Der süßliche Geruch des Blutes stieg ihm in die Nase und begann ihn zu betäuben. In ihm begann der Wolf nach frischer Beute zu lechzen. Er fletschte regelrecht die Zähne nach dem zarten Frischfleisch. Angewiderte schüttelte Remus den Kopf und atmete tief durch.

,Reiß dich zusammen. So etwas darfst du noch nicht einmal denken.'

Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, sodass er wieder klar sehen konnte.

"Ich helfe dir, Lily. Keine Angst", wisperte er, noch immer ohne sich selbst zu hören.

Er kreuzte die Arme der Rothaarigen vor der Brust und schob seine eigenen unter den Achseln hindurch, um die Gryffindor - ähnlich wie beim Rettungsschwimmen - ebenfalls überkreuzt festzuhalten. Er kämpfte sich auf die Beine und begann Lily mit sich zu ziehen.

,Das wird wieder, Lily. Keine Angst. Madame Pomfrey kriegt das wieder hin.'

Langsam rückwärts laufend kämpfte er sich zur Tür vor. Er keuchte leise, war die Ältere eindeutig zu schwer für ihn. Schweiß stand auf seine Stirn geschrieben. Mit einigen Umständen gelang es ihm mit dem Ellenbogen dir Türklinke nach unten zu drücken. Mit dem Fuß stemmte er sie auf und schleifte die Freundin weiter. Dort, wo ihre Füße den Boden berührten, blieb eine Blutspur zurück. Noch immer stieg ihm dieser seltsame, süßliche Geruch in die Nase. Remus musste sich sichtlich beherrschen, dass er nicht der inneren Bestie nachgab. Mehrmals hatte er die Augen schließen müssen und war blind den Gang entlang getappt, um sich selbst zu besinnen und nicht wirklich noch die Kontrolle zu verlieren. Mit rasselndem Atem erreichte er die Eingangshalle. Hilfe suchend sah er sich um. Jemand musst ihm doch helfen. Er schrie aus voller Kehle nach Hilfe, doch vergebens. Noch immer wirkte der Fluch. Erneut rannen ihm Tränen über das Gesicht, war er voller Verzweiflung. Noch spürte er einen schwachen Puls bei Lily, aber wenn nicht bald jemand half...

Schritte wurden laut. Sein Blick wanderte umher und blieb an zwei dunklen Gestalten, wobei eine der beiden die Hände erschrocken vor's Gesicht geschlagen hatte. Der Blick des jungen Lupins war zu verschleiert um genaueres zu erkennen. Die zwei Figuren kamen schnell näher. Als er in ihnen Severus und Andromeda erkannt, entspannte er sich fast schon. Doch das war ein Fehler, verlor er dadurch den halt und ging mit Lily zu Boden. Ihm war schwarz vor Augen, doch er war noch immer da. Er hörte, wie die beiden mit ihm und Lily redeten, doch antworten konnte er ohnehin nicht, selbst wenn er es gewollt hätte. Er spürte, wie sie den Rotfuchs sacht von ihm zogen und ihn selbst auf den Rücken drehten. Die Augen konnte er nicht öffnen. Grässliche Übelkeit erfüllte ihn.

"Ich hole Madame Pomfrey", meinte Andromeda schnell. "Kümmere du dich um die beiden."

Der Gryffindor hörte, wie sie sich mit schnellen Schritten entfernte. Dann riss Stoff und es war still - bis auf leises Rascheln. Ganz langsam öffnete Remus die Augen. Er sah überall Sternchen.

"Bleib liegen", meinte Severus mit bestimmender Stimme.

Remus drehte leicht den Kopf und sah zu ihm. Er hatte ein Stück seiner Jacke abgerissen und die blutende Wunde an Lilys Hals verbunden, welche ihr Begleiter des Abends in seinem Zustand selbst nicht mitbekommen hatte.

"Was ist passiert?", fragte Severus und sah kurz zu ihm, kümmerte sich dann aber weiter um die Erstklässlerin, war diese eindeutig schlechter dran. "Wer hat sie so zugerichtet? Und wie geht's dir."

Remus wollte antworten, aber noch immer drang kein Laut über seine Lippen. Leicht schüttelte er den Kopf und blieb erschöpft liegen. Es hatte ohnehin keinen Sinn. Solang ihn niemand vom Sonorus befreite, konnte er sich eigentlich jedes Wort sparen, blieb es so oder so ungehört. Malfoy würde er dafür zahlen lassen, ganz sicher. Aber bevor dies geschah, musste Lily geholfen werden. Was für ein Glück war es gewesen, dass Andromeda und Severus gerade zur Stelle gewesen waren.

"Wir haben uns Sorgen gemacht", meinte der Dunkelhaarige als es klar wurde, dass er keine Antwort erhielt. "Und da der Ball sowieso gleich vorbei ist, haben wir uns gedacht, dass wir euch suchen."

Ein spitzer Schrei lies Remus auf dem Boden leicht zusammenzucken. Er stützte sich ächzend auf den Ellenbogen und sah sich um. Aus der Großen Halle strömten die verbliebenen Schüler, blieben jedoch wie erstarrt stehen, als sie die drei sahen. Einige Mädchen hatten sich ängstlich an ihre Begleitung gekrallt und zitterten am ganzen Leib, schienen sie es nicht wahr haben zu wollen.

"Er hat es schon wieder getan", rief ein älterer Hufflepuff. "Er hat schon wieder ein Mädchen angefallen!"

"Das ist der Beweis", keifte ein Slytherin. "Er ist doch ein Vampir! Er hat uns allen was vor gemacht!"

Ein riesiger Tumult brach aus. Alle möglichen Anschuldigungen gingen auf den Spross der Lupins nieder. Dieser starrte nur ungläubig auf die Schülermassen und war sprachlos. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Nun hielten sie ihn also wirklich für schuldig... Für die anderen jungen Hexen und Zauberer musste es so aussehen, als habe Severus ihn auf frischer Tat ertappt - aber so war es gar nicht. Doch für die Wahrheit würde sich wohl kaum einer von ihnen interessieren. Wie bereits beim ersten Mal - in den Kerkergängen - war er für sie schuldig. Nur würde es diesmal sicher nicht in Vergessenheit geraten, war es nun schon das zweite Mal, dass er zur - sehr falschen - Zeit am - ebenso falschen, verhängnisvollen - Ort gewesen war. Er schluckte schwer. Wie sollte er das nur wieder gerade biegen? Das würde ein Spießrutenlauf werden. Er sah in die vorwurfsvollen Gesichter und schien förmlich unter ihnen Worten und Blicken immer mehr zusammenzuschrumpfen. Noch nicht einmal wehren konnte er sich - dank Malfoy.

"RUHE!", rief plötzlich eine herrische Stimme, worauf hin alles Gerede erstarb.

Ungläubig sahen die Anwesenden zum Nachwuchs der Snapes. Severus funkelte sie wütend an. Er holte kurz für seine Moralpredigt Luft.

"Was fällt euch ein über ihn so daher zu ziehen?! Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung, was hier überhaupt passiert ist. Nicht einmal rechtfertigen kann er sich vor euch. Obwohl - das muss er auch gar nicht. Ihr habt mit alledem nichts zu tun, also verschwindet entweder oder helft, aber steht nicht dumm in der Gegend herum, beschuldigt Leute und erdreistet euch eines Urteils!"

"Es ist bereits das zweite Mal, dass so etwas passiert und dass er in der Nähe ist!", warf eine Ravenclaw ein. "Da liegt es fast schon auf der Hand, dass er schuldig ist oder nicht?"

"Außerdem kann er sich doch rechtfertigen. Hindert ihn jemand daran?", rief ein Hufflepuff.

Severus sah zu Remus. Sie hatten Recht.

"Sag doch was, Remus. Was ist passiert."

Fast schon verzweifelt blickte der Braunschopf seinen Freund an und schüttelte mit dem Kopf. Es war ihm nicht möglich etwas zu sagen.

"Siehst du", spöttelte ein Slytherin. "Er sagt nichts. Und Schweigen kann man mit einem Geständnis gleichsetzen."

"Von wegen!", zischte jemand in ihren Reihen. "So ein Unsinn!"

Der Gryffindor sah auf. Er kannte die Stimme, nur konnte er sie im ersten Moment niemandem zuordnen. Er sah, wie sich Sirius, dicht gefolgt von James und Peter, durch die Massen kämpften und auf die drei Erstklässler zukam. Fast schon beschützend blieben die zwei Schwarzhaarigen vor ihm stehen - Peter stand ein wenig verloren an der Seite, fast so, als frage er sich, was er hier überhaupt tat - und warfen den anderen Schülern drohende Blicke zu.

"Er ist an überhaupt nichts Schuld", brachte sich James ein. "Wenn er wirklich ein Vampir wäre, dann müssten wir schon längst blutleer sein. Immerhin schlafen wir mit ihm in einem Schlafsaal. Sehen wir für euch in irgendeiner Art und Weise angeknabbert aus?!"

"Er ist ebenso wenig ein Vampir", meinte Sirius bemüht zurückhaltend, "wie wir es sind. Oder wie ihr es seid. Also lasst diese dummen Anschuldigungen!"

"Genau. Das hat er nicht verdient", rief nun Peter, der anscheinend ebenfalls nicht tatenlos zusehen wollte, wie sein Freund fertig gemacht wurde. "Außerdem, hat er sich vielleicht vor euren Augen schon mal in eine Fledermaus verwandelt oder ist er schon mal zu Staub zerfallen, als er nach draußen in die Sonne ist? Daran kann ich mich nicht erinnern. Und ich denke, wenn ihr einen ganzen Eimer Weihwasser über ihm auskippt, dann wird er - denke ich - ganz fürchterlich nass, so wie jeder normale Mensch auch. Aber auflösen wird er sich dann trotzdem nicht."

Severus und James stimmten dem Blondschopf dabei nur zu und verteidigten weiter. Remus hatte bei dem Wort Weihwasser schlucken müssen. Vielleicht war er ja kein Vampir, aber noch immer ein Werwolf. Ein Freund von Weihwasser war er da wirklich nicht.

"Ich denke", begann eine tiefe Stimme und zog die Aufmerksamkeit aller auf sich.

Auf der Treppe stand Professor Dumbledore, der - zusammen mit Professor McGonagall, Novis und Madame Pomfrey - Andromeda nach unten gefolgt war. Er sah in die Runde.

"Ich denke, dass wir gut und gerne darauf verzichten können, dass einer der hier Anwesenden baden geht. Findet ihr nicht auch?"
 

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1.Akt, Kap. XIX - Ende

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1.XX.Remus, the singing werewolf

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1.Akt: Kapitel XX: Remus, the singing werewolf

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Es war still. Totenstill. Stumm blickten die Schüler zu ihrem Direktor auf, der mit langsamen Schritten die letzten Stufen der Marmortreppe hinter sich lies und sich schlussendlich Remus und seinen Freunden zuwandte. Er nickte nur kurz und gab ein kurzes Zeichen, sodass Madame Pomfrey die letzten Meter überwand und neben Lily zur Ruhe kam. Severus war zur Seite gewichen und lies sie zu ihrer Patientin heran.

"Das sieht schlimm aus", murmelte die Hexe leise und sah zu Remus. "Wie geht es dir."

Dieser nickte nur leicht, als Zeichen, dass er eigentlich in Ordnung war. Gut. Genau genommen war er ganz und gar nicht in Ordnung brannte sein Körper noch immer auf seltsame Weise, allerdings brauchte der Rotfuchs eher Hilfe, als er. Also musste es ihm zwangsläufig gut gehen. Madame Pomfrey nickte dem Spross der Lupins nur leicht zu, zog ihren Zauberstab und im nächsten Moment hatte sie die junge Gryffindor mit einem Schwebezauber in die Luft gehoben. Sirius und James wichen zur Seite, sodass die Krankenschwester mit eiligen Schritten die Treppen nach oben laufen konnte - neben ihr die Verletzte in der Luft mit dem Zauberstab taktierend. Die Blicke der Schülerschaft war ihnen gefolgt, doch als sie außer Sicht waren, ergriff Professor Dumbledore wieder das Wort und zog somit alle Aufmerksamkeit auf sich.

"Meine Lieben. Ich bitte euch diesen Vorfall für heute auf sich beruhen zu lassen und schlafen zu gehen. Ich möchte eure Gemüter zu so später Stunde nicht beunruhigen, was eigentlich schon zu spät ist. Morgen beim Frühstück werden wir das Ereignis genauer diskutieren - in Anwesenheit aller Schüler. Solang möchte ich euch darum bitten ruhig zu bleiben und keinen falschen Anschuldigungen nach zu gehen. Zum Wohl aller."

"Keine falschen Anschuldigungen?", rief eine Slytherin außer sich. "Aber es ist doch klar war Schuld an alledem hat."

Sie deutete mit scharfer Geste auf Remus. Fast augenblicklich zog sich alles in dem Werwolf zusammen. Jetzt war es also wieder soweit. Nun musste er sich wieder den Spott, die Verachtung, den Hohn der anderen antun. Ihn ertragen, verdrängen, verarbeiten.

"Er! Immer ist er da, wenn es um einen vermeintlichen Vampirangriff geht! Es kann nur dieser kleine-"

"Halten Sie Ihre Zunge in Zaum, Miss Bloxam", schnitt eine kalte Stimme ihr das Wort ab.

Die Schülerin sah irritiert und auch leicht erschrocken auf. Novis funkelte sie drohend an. Wie es Remus schien, schien sie ihren Ohren nicht glauben zu wollen. So wie er es ebenso wenig tat. Hatte Novis gerade wirklich Partei für ihn ergriffen? Wenn ja, warum?

"Aber Professor...", begann sie ein wenig zerstreut, doch wusste nicht mehr, was sie zu sagen hatte und lies somit ihren Blick beschämt zu Boden sinken.

"Ihr habt den Direktor gehört. Heute Nacht keine Beschuldigungen und Belanglosigkeiten. Geht schlafen. Wer in fünf Minuten noch hier ist riskiert 10 Punkte Abzug für das jeweilige Haus. Also, wenn ich bitten dürfte."

Betretenes Schweigen trat ein. Es dauerte lang bis die ersten Schüler sich stumm in Bewegung setzten. In nur wenigen Minuten hatte sich die Eingangshalle geleert. Remus saß noch immer neben Severus auf dem Boden - sprachlos. Das Schwindelgefühl, die Übelkeit, die Hitze - sie erfüllten den Körper des Jungen ohne abzuklingen. Doch erst jetzt, nachdem Lily in Sicherheit war, spürte er sie wieder. Mit einem lautlosen Stöhnen griff er sich an den Kopf, sah er bunte Flecken vor seinen Augen tanzen.

"Alles in Ordnung?", fragte Severus mit besorgt klingender Stimme und legte ihm besänftigend die Hand auf den Rücken.

Remus konnte nur ein wenig nickten. Es ging ihm mehr oder weniger gut. Er sah auf. Auch die Blicke der anderen Anwesenden ruhten auf ihm. Sie schienen sich wirklich Sorgen um ihn zu machen. Gut. Vielleicht nicht alle. Novis blickte wie 7 Tage Regenwetter - wenn dies überhaupt reichte - drein. Um zu zeigen, dass es ihm gut ging, kämpfte er sich auf seine Füße. Auch wenn er ein wenig schwankte, er stand. An seiner Schulter spürte er eine ihn stützende Hand. Severus musste ihn festhalten. Das wusste er ohne hin sehen zu müssen. Wer sonst?

"Ich bitte euch in mein Büro", sagte der alte, bereits ergraute Zauberer in sanftem Ton. "Auch wenn ihr den Schlaf nötig habt. Ich möchte und kann es nicht aufschieben."

"Aber Professor", warf Andromeda ein, die still auf der Treppe stand und gewartet hatte, "Remus geht es nicht gut. Das sehen Sie doch. Vielleicht sollte er lieber auch auf die Krankenstation."

Der Schulleiter warf erst dem jungen Gryffindor und dann der Ravenclaw einen Blick zu. Er lächelte sie an.

"Es tut mir leid, Andromeda. Aber es muss sein. Ich kann keinen Aufschub dulden."

Wieder drehte er sich zu Remus um.

"Bist du damit einverstanden, Remus?"

Die Stimme klang zwar beschwichtigend, aber einen Unterton eines Befehls war nicht zu überhören. Selbst wenn er gewollt hätte, er konnte nicht anders, als zu nicken. Was sollte er schon tun? Wenn der Zauberer mit ihm reden wollte, dann würde er mit ihm reden. Ob der Schüler es wiederum wollte oder nicht, das tat nichts zur Sache.

"Gut. Gehen wir."

Die Schüler und Professoren setzten sich in Bewegung. Severus half Remus dabei die Stufen zu erklimmen, schien es für ihn zu offensichtlich, dass sein Freund nicht mehr konnte, obgleich der Jüngere sich nichts anmerken lies. Außer einem leichten Zittern ab und an und ein wenig erhöhter Temperatur war äußerlich nichts zu sehen oder zu spüren. Remus konnte nicht anders, als leicht zu lächeln.

,Severus...'

Als sie nach oben gingen, kam er an Andromeda vorbei, die noch immer starr dastand und ihn musterte. Sie erschien ihm aufgewühlt und durcheinander.

"Alles in Ordnung?", fragte sie mit leicht belegter, bebender Stimme.

Remus nickte nur ein wenig, konnte er ihr auf keine andere Weise antworten.

"Ganz sicher?"

Sie wollte ihm nicht glauben. Konnte ihm nicht glauben. Der Braunschopf wusste, dass sie weiterfragen wollte, doch als ihr Cousin ihr die Hände auf die Schultern legte, sie aufmunternd anlächelte und ein paar Stufen nach oben schob, ergab sie sich. Wahrscheinlich, so dachte sie, musste Remus es selbst besser wissen. Wenn er nicht wollte, dann konnte sie ihm nicht zu seinem Glück zwingen. Es wäre falsch. Und schlecht. Nicht nur für ihn. Auch für die anderen. Unglücklichsein steckte an.

Die ganze Kolonne war schweigend durch das Schloss gewandert. Erst als Dumbledore das Passwort zu seinem Büro gesagt hatte - warme Honigmilch - hatte er sich zu den Schülern und Lehrern umgewandt.

"Ich würde zunächst gern mit dir allein sprechen, Remus", begann er und warf diesem einen kurzen Blick zu, bevor er mit den anderen hier Anwesenden sprach. "Ich bitte euch so lang hier zu warten. Es wird nicht lang dauern."

Ein Großteil nickte, Novis tat nichts und Sirius - der schien seinen Ohren nicht zu trauen und begehrte auf.

"Aber Professor. Warum können wir nicht gleich mit raufkommen? Remus sagt uns doch sowieso was passiert ist."

Der Direktor lächelte milde.

"Natürlich. Aber ich möchte trotzdem gern ein Wort unter vier Augen mit ihm wechseln. - Folge mir, Remus."

Und damit war die - wirklich sehr kurze - Unterredung beendet. Ohne ein weiteres Wort ging der alte Zauberer voraus. Sein Schützling folgte ihm stumm. Man konnte Sirius' Proteste noch immer laut und deutlich vernehmen. Kurz darauf hörte man, wie er sich mit James stritt, schien dieser ihn besänftigen zu wollen. Besänftigen? James Sirius? Ja, manchmal war des Leben makaber. Die anderen - zuminderst Andromeda - schienen sich ebenso einzumischen, doch davon bekam Remus schon nichts mehr mit. Er war zu sehr in Gedanken. Nein. Eigentlich konnte er im Moment nicht wirklich denken. Er war einfach nur aufgelöst und starrte vor sich in die Leere. Die Treppe begann sich hinauf zu winden. Unten sprang der Wasserspeier wieder vor den Eingang und lies die anderen warten. Als sie die Bürotür der Schulleiters erreicht hatten, stoppten die Stufen. Dumbledore öffnete die Tür und trat ein. Er hielt sie seinem Schüler auf und wartete, dass dieser ihm folgte. Hinter Remus schloss er die Tür wieder, ging an ihm vorbei und auf seinen Schreibtisch zu. Dabei wies er auf den Ledersessel vor seinem Arbeitsplatz.

"Bitte setzt dich, Remus."

Schweigend und ohne Widerworte ging der Gryffindor auf die gepolsterte Sitzgelegenheit zu und lies sich nieder. Sein Blick war gesenkt. Er starrte auf die blutbefleckten Hände, die verschlungen ineinander in seinem Schoß lagen. Sein Blick war stumpf und starr. Zwar sah er seine Hände, sah sie aber zugleich nicht. Er nahm lediglich das von Lily an ihm haftende Blut war. Und es tat weh es zu sehen. Es schmerzte daran zu denken was für Höllenqualen seine Freundin gerade litt. Sie stand mit einem Bein im Grab, das wusste er nur zu genau, war die Attacke wirklich ernst gewesen. Doch helfen konnte er ihr trotzdem nicht. Ihr Schicksal lag nun in Madame Pomfreys Händen und er hoffte inständig, dass es ihr gelang den Rotschopf wieder gesund zu pflegen. Er wusste, dass sie ihre Arbeit wirklich gut verstand und auch ausführte, aber das beklemmende Gefühl in seiner Brust lies sich trotz des Gedanken nicht lindern. Es schnürte ihm halb die Kehle zu, mit der Ungewissheit im Nacken, dass Lily vielleicht...

"Möchtest du einen Tee? Er ist gut für die Seele", sagte Dumbledore mit sanfter, aber auch eindringlicher Stimme.

Remus schüttelte nur leicht den Kopf. Für seines Seele würde noch nicht einmal der Hogwartssee voll mit Tee genügen. Ein leises Seufzen drang an sein Ohr, doch er sah nicht auf.

"Remus... Ich weiß es ist schwer, aber glaube mir - Poppy wird sich gut um Lily kümmern. Sei unbesorgt. In ein paar Tagen geht es ihr besser."

Der junge Zauberlehrling sah auf. Wollte ihm an den Kopf werfen, wie er sich da so sicher sein konnte, waren die Verletzungen doch wirklich schlimm; doch über seine Lippen drang kein Ton. Nur seine Augen zeugten von Schmerz. Verbittert biss er sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Er ballte die Hände zu Fäusten. Ärger stand ihm ins Gesicht geschrieben. Malfoy würde dafür bezahlen. Ganz sicher. Das schwor sich Remus in diesem Moment.

"Was wolltest du sagen?", fragte sein Gegenüber.

"Egal. Ich bekomme ohnehin kein Wort über meine... Lippen?"

Irritiert sah Remus auf. Seine Stimme war mit einem Mal wieder da. Er blickte den Zauberer an, welcher sanft lächelte.

"Besser?"

"..."

Remus nickte leicht. Vor ihm auf dem Tisch stand eine einladende Tasse, deren Dampf nach oben in die Luft stieg und schon nach wenigen Zentimetern verflog.

"Bitte trink", forderte der Direktor ihn auf und nahm selbst seine Tasse zur Hand.

Er trank einen Schluck und lies dabei seinen Schützling nicht aus den Augen. Nach einigen Momenten des Zögerns griff der Erstklässler nach dem Trinkgefäß und hielt es mit beiden Händen fest. Er besah sich die klare Flüssigkeit. Sein Gesicht spiegelte sich ein wenig in ihr. Soweit er das beurteilen konnte, sah er grauenhaft aus. Fast so, als hätte er Nächte lang nicht geschlafen. Die Oberfläche der Labung bebte leicht, was wohl an seinen zitternden Händen lag. Der Spross der Lupins war sehr angespannt. In ihm herrschten noch immer Angst und Schrecken vor, die er so leicht nicht unterdrücken oder gar vergessen konnte. Still hob er die Tasse langsam zu seinen Lippen und trank zunächst einen kleinen, dann aber einen großen Schluck, mit dem insgeheimen Gedanken sich so von allem Vergangenen rein zu waschen, wohl mit dem Bewusstsein, dass es ihm nicht gelingen würde. Aber es war ihm einen Versuch wert.

"Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist", begann der alte Mann langsam - gedehnt. "Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass so etwas noch einmal geschieht."

Remus' Augen verengten sich ein wenig. Da hatte sein Mentor tatsächlich Recht. Schon beim ersten Angriff hatte er geschworen etwas gegen den Vampir zu unternehmen und nun war es wieder passiert. Diesmal war es sogar noch schlimmer gewesen, als beim letzten Mal. Und diesmal war es zudem noch jemand aus seinem Bekanntenkreis. Nein, nicht Bekanntenkreis. Aus seinem Freundeskreis. Und wieder hatte der Direktor nicht helfen können. Hatte nun nur leere Worte - Floskeln für ihn. Mitleid. Dabei brauchte er kein Mitleid, hatte er selbst schon genug davon für sich übrig. Das, was Remus benötigte waren Taten - Hilfe. Lily bedurfte Hilfe. Und es musste endlich jemand gegen diesen Blutsauger vorgehen. Man konnte ihn doch nicht einfach ungeschoren davonkommen lassen. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Es war nur eine Frage der Zeit wann er wieder zuschlagen und ein neues Opfer fordern würde. Sah Dumbledore das denn nicht? War er auf seine alten Tage so blind geworden? Oder war er einfach so naiv? Selbst Remus war nicht so dumm dem Leitsatz des Direktors - "Jeder verdient eine zweite Chance." - in dieser Hinsicht zu folgen. Es war nicht einfach nur falsch. Es war frevelhaft.

"Ich weiß, dass ich meine Pflichten als Schulleiter auf abgrundtief schlechte Weise vernachlässigt habe", fuhr der Lehrer fort, "und ich weiß auch, dass du mit Sicherheit zornig bist, dass ich nichts unternommen habe, Remus. Aber bis jetzt war es mir nicht möglich zu Handeln."

"Warum?", fragte der Schüler und sah auf. "Warum ist es Ihnen nicht möglich etwas zu unternehmen?"

Der Zauberer mit schütterem Haar schüttelte nur leicht den Kopf.

"Tut mir leid, aber diese Frage kann ich dir nicht beantworten, Remus."

"Warum sagen Sie es mir dann? Wenn Sie mir die Frage ohnehin nicht beantworten? Ich verstehe Sie einfach nicht", fuhr der Braunschopf seinen Gegenüber in schroffer Weise an. "Wieso haben Sie nichts unternommen, als der Vampir das erste Mal sein Unwesen getrieben hat? Wieso haben Sie gewartet? Warum? Warum musste erst noch Lily angefallen werden? So etwas ist unverantwortlich! Unverzeihlich! Ich dachte Ihnen ist die Sicherheit ihrer Schüler wichtig. Aber so wie Sie handeln ist es mir ein Rätsel wie Sie ihre banale Versprechung in die Tat umsetzen. Es ist mir gleich, ob die anderen mich für den Schuldigen halten. Würden Sie den Vampir endlich ausfindig machen, dann wäre es ohnehin geklärt. Aber ich will nicht noch mehr unschuldige Opfer verzeichnen lassen. So kann das doch nicht weiter gehen. Ich meine... Meinetwegen können die anderen gern auf mir herumhacken solang niemandem etwas passiert. Ich bin ein Werwolf und kein Vampir! Aber Sie sollten etwas unternehmen, dass der Bluthund nicht noch mehr Schüler - ja, vielleicht auch Lehrer oder Leute aus Hogsmeade oder was weiß ich wen anfällt! Das ist ihre verdammte Pflicht!"

Während er geredet - oder eher geschrieen - hatte, hatten sich Tränen ihren Weg gebahnt. Mit roten Augen und nassem Gesicht sah er den Zauberer auf der anderen Seite des Schreibtisches an. Sein Körper zitterte noch immer heftig. Nach wenigen Sekunden riss er seinen Blick los und starrte zu Boden. Erst jetzt wurde ihm bewusst was er gesagt hatte und vor allem wie und warum er es gesagt hatte. Eigentlich war der Direktor vollkommen unschuldig. Remus hatte einfach nur nach einem Ventil gesucht um seinen aufgestauten Frust und seine Wut los zu werden. Und dieses Ventil war Dumbledore. Er war einfach nur zur falschen Zeit bei seinem Zögling gewesen. Hätten sie morgen über die Sache gesprochen, hätte Remus' Reaktion wahrscheinlich ganz anders ausgesehen.

"Entschuldigung... Es tut mir leid. Ich wollte nicht..."

"Du musst dich nicht entschuldigen, Remus. Du hast vollkommen Recht."

Zögernd sah der Gryffindor auf. Hatte er da etwa richtig gehört? Hatte Dumbledore ihm etwa zugestimmt? Ohne Kompromiss? Ohne Widerspruch?

"Ich hätte mehr tun müssen. Ich hätte es vielleicht verhindern können. Aber nun ist es zu spät. Ich kann nur noch hoffen, dass Lily wieder gesund wird. Allerdings kann ich mich nur wiederholen, dass Madame Pomfrey ihre Arbeit wirklich versteht. Auch wenn es wie eine Ausrede klingt. Ich verspreche dir, Remus, es wird sich klären. Ich kann dir nicht viel sagen, nur soviel, dass ich ahne wer hinter allem steckt."

"Wer?", fragte der Erstklässler rasch und erntete ein leichtes Lächeln, seitens seines Gegenüber.

"Tut mir leid. Das kann ich dir wirklich nicht sagen, da ich noch nicht sicher bin. Und falsche Anschuldigungen gehören zu den fatalsten Dingen, die ein Mensch sich leisten kann. Ungeklärte Dinge sollte man unausgesprochen lassen."

"Ich verstehe", antwortete Remus mit einiger Verzögerung und nickte leicht. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Verzeihen Sie, dass ich so unhöflich war."

"Du bist noch ein Kind", lautete die einfache Feststellung.

Zwar klang es wie eine Beleidigung, doch der junge Lupin empfand sie als keine.

"Kinder sind manchmal unhöflich, sprechen dafür aber die Wahrheit. Sie bringen sie auf den Punkt und beschönigen sie nicht auch noch."

Ein sanftes Lächeln deutete sich an.

"Dafür liebe ich sie. Dafür liebe ich sie und all die anderen Menschen, die in der Lage sind die Wahrheit zu sagen, die in diesen Tage so selten geworden ist. Doch wenn man einen Menschen richtig anfasst, dann kann man ihn dazu bewegen ein wenig mehr von seiner lichten Seite zu zeigen und der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Darum sollte man jedem die Möglichkeit für eine zweite Chance geben. Niemand hat es verdient sofort verurteilt zu werden. Du weißt doch selbst wie schmerzlich es ist, nicht? Man muss dem Menschen immer wieder neue Chancen geben. Manchmal benötigen sie mehr, als nur eine Zweite. Manchmal bedarf es einem Dutzend oder noch mehr. Aber wenn man nicht aufhört sich zu bemühen, dann kann es etwas werden. Dann ist es durchaus möglich anderen den richtigen Weg zu weisen."

Schweigend saßen sie da. Remus wusste nichts auf diese Worte zu antworten. Sie waren verwirrend, aber gleichzeitig auch sehr beruhigend und klar. Der Zauberer hatte recht. Man durfte die Flinte nicht ins Korn werfen, nur weil man einmal nicht ins Schwarze traf. Irgendwann klappte es sicher.

"Vielleicht solltest du jetzt gehen, Remus."

Ein sanfter, aber auch besorgter Blick ruhte auf dem Erstklässler.

"Eigentlich wollte ich mit dir über den Vorfall reden, aber ich denke, dass du dringend Ruhe benötigst. Man sollte seinem Selbst nicht zu viel zumuten. Es wäre mir lieb, wenn du schlafen gehen und dich ausruhen würdest. Ich weiß, dass es dir schwer fällt in so einer Situation zu entspannen, aber das ist das Beste für dich. Morgen sieht alles ganz anders aus."

"Darf ich... Darf ich Lily besuchen gehen, Sir?"

"Nicht heute. Morgen. Sobald du gefrühstückt hast, kannst du jederzeit zu ihr gehen."

Remus nickte leicht und stellte seine halbvolle Tasse auf den Tisch.

"Ich danke Ihnen, Professor."

"Nein. Ich habe zu danken. Du hast Lily gefunden."

Remus antwortete nicht und stand nur langsam auf.

"Darf ich gehen?", fragte er mit unsicherer Stimme und erhielt ein Kopfnicken als Antwort.

"Sicher. Aber könntest du mir noch einen Gefallen tun? Die Große Halle müsste noch entdekoriert werden."

"Der Zauber verfliegt gegen drei Uhr."

Er warf einen Blick auf die nahe Uhr.

"In einer halben Stunde ist der Saal so gut wie neu."

Dumbledore nickte abermals.

"Wenn du willst, kannst du gehen. Wenn du nach unten gehst, schicke mir bitte die anderen vorbei. Damit wärest du mir eine große Hilfe."

"Sicher..."

Der Erstklässler ging zur Tür und verschwand nach draußen. Mit gemächlichem Schritt ging er die Stufen nach unten, während sich die Treppe zusätzlich abwärts wand. Unten angekommen sprang der Wasserspeier abermals zur Seite und gab den Weg zum Korridor frei. Dort standen noch immer die anderen und sahen ihn gespannt an.

"Professor Dumbledore wartet", war das Einzige, was er sagte, bevor er an ihnen vorbei ging und langsam in der Dunkelheit verschwand.

Hinter ihm ertönten die irritierten Rufe Sirius', die jedoch schnell verstummten, schien er es einzusehen, dass er seinem Freund im Moment so nicht zusprechen oder helfen konnte.

Mit langsamen Schritten durchquerte Remus das Schloss. Sein Blick war starr gerade aus gerichtet. Ein kalter Schauer durchlief ihn, war es inzwischen recht kalt geworden. Es war eine beängstigende Kälte. Es fühlte sich nicht normal an. Nicht so, als ob sie von außen her auf ihn einwirkte. Es fühlte sich so an, als ob die Kälte tief in seinem Inneren zu entstehen hatte begonnen. Seine Haut selbst fühlte sich noch angenehm war - inzwischen vielleicht sogar ein wenig heiß - an, während sein Blut - so fühlte es sich zumindest an - immer kälter würde. Remus glaubte, dass flüssiges Eis durch seine Venen floss. Oder halb flüssig, tat es ab und an weh. Fast so, als ob kleine Splitter die Gefäße verletzten oder durchbohrten - auch wenn es kein allzu schlimmer Schmerz war. Ob das Ganze die Nachwirkungen des Cruiatus waren? Fühlte es sich immer so grauenhaft an, wenn der Körper die letzten Schritte gegen einen der starken, verbotenen Flüche anwandte? Oder waren es die ersten Anzeichen der nahenden Vollmondnacht, die sich mit den heutigen Erlebnissen einfach nicht zu vereinen wussten? Heute war der achtzehnte - nein, inzwischen der neunzehnte Dezember. Und am Dienstag - in zwei Tagen - war Vollmond. Nur noch eine kurze Zeit. Es war nicht verwunderlich, dass der Nachwuchs dem Lupins daher so elend zumute war. Eigentlich war es eine einfache Reaktion des Körpers. Und trotzdem. Noch nie hatte er sich so schlecht gefühlt. Plötzlich riss ihn eine schrille Stimme aus seinen Gedanken. Er sah auf und erblickte das Porträt der in rosa gekleideten fetten Dame. Die Farbe des Kleides stach ihm auf entsetzliche Weise in die Augen, die sich gerade so sehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

"Oh mein Gott. Wie siehst du denn aus? Du bist ja blutüberströmt. Also ist das, was man sich erzählt wirklich war? Also hat schon wieder ein Vampir eine Schülerin angegriffen?"

"Justitia", murmelte Remus nur matt das Passwort.

"Eine Gryffindor, wenn ich richtig gehört habe", fuhr die Dame fort ohne auf ihn einzugehen. "Geht es ihr gut? Ist sie schwer verletzt? Jetzt sag doch etwas, Junge."

"Justitia..."

"Jaja, ich lass dich ja gleich rein. Aber jetzt sag schon. Geht es ihr gut?"

"Verdammt noch mal! Justitia!", fuhr Remus sie an und musste sich beherrschen nicht wieder wie bei Dumbledore seinen Frust raus zu lassen.

Die fette Dame verstummte augenblicklich und sah den Erstklässler schweigend an. Ohne ein weiteres Wort schwang sie zur Seite und gab den Weg zum Gemeinschaftsraum frei. Dieser war bereits leer, finster und kalt. Im Kamin glimmte die Glut noch ein wenig vor sich hin. Auch hier war es nicht wärmer, als in den anderen Teilen des Schlosses. Ohne sich weiter aufzuhalten ging Remus nach oben zu den Jungenschlafsälen. Als er den der Erstklässler erreicht hatte, öffnete er leise die Tür und schloss sie hinter sich, nachdem er eingetreten war. Er lief durch den Raum und ging ins Bad. Auch hier war es finster. Er war im Begriff seinen Zauberstab zu ziehen und ein Lumos zu murmeln, als ihm einfiel, dass das Zauberutensil noch immer irgendwo in der Eingangshalle lag. Ein leises Fluchen später zog er seine besudelten Sachen aus und lies sie auf den Boden fallen. Er ging unter die Dusche und drehte das Wasser auf. Nasse Hitze schoss ihm ins Gesicht. Das Wasser kochte regelrecht, doch Remus spürte es nicht. Er nahm es als warm wahr, fror er noch immer innerlich. Langsam begann er das Blut abzuwaschen. Er war zu dunkel, als das er sah, dass er wirklich alles erwischt hatte, aber es war ihm gleich. Egal wie lang er an einer Stelle schrubbte, sie fühlte sich nie sauber an. Auch Stellen, wo er im Unterbewusstsein wusste, dass sie sauber sein mussten, fühlten sich befleckt an. Der bloße Gedanke daran, dass ein Teil von Lily an ihm hafte war ihm zuwider. Er mochte den Rotschopf sehr, aber diese Art und Weise war einfach grässlich und beängstigend. Er ekelte sich selbst an. Hatte er nicht die Lust nach frischer Beute verspürt, als er sie in Armen gehalten hatte? Als er den süßlichen Geruch des Blutes in seiner Nase hatte? Hätte er es auch noch geschmeckt - diesen metallenen, eigensinnigen Geschmack - hätte er die Bestie in sich dann zurückhalten können? Hätte er es schaffen können? Oder hätte er sich selbst vergessen und sich an Lilys Leid - an Lily selbst gelabt? Selbst die Gedanken daran schreckten ihn ab und ließen ihn sich noch minderwertiger und unreiner fühlen. Fast schon verzweifelt versuchte er sich mit dem kochenden Wasser, welches seine Haut - ohne das er es merkte - bereits extrem gerötet hatte, seine Seele zu säubern und den Schmerz zu lindern, aber es funktionierte nicht. Immer gröber kratzte er sich über sie Haut, um den Dreck ab zu bekommen, doch vergebens. Tränen liefen erneut und er konnte sie nicht stoppen. Wieso war das alles nur geschehen? Warum? Und wieso ausgerechnet ihm?

Mit einem Mal hielt jemand seine Hände fest, damit er sich nicht selbst weiter verletzte und den Brustkorb aufkratzte, flossen ohnehin bereits dünne Rinnsäle hinab. Der andere hinter ihm schien seine Kleidung noch zu tragen, fühlte dieser sich weich, aber gleichzeitig auch kratzig an.

"Hör auf damit, Remus", wisperte Sirius leise.

Der Werwolf wollte sich erst wehren, doch es brachte nichts. Matt lies er seine Hände sinken. Als sie ganz unten waren, lies der junge Black von ihnen ab und legte seine Arme um Remus, um diesen leicht an sich zu ziehen.

"Du darfst dir nicht selbst weh tun, hörst du?"

Ein weiterer Arm - auch bekleidet, aber nicht zu Sirius gehörend - drehte das Wasser ab. Sirius löste sich von Remus. Er fasste den Jüngeren bei der Hand und zog ihn herum. Noch immer leise schluchzend sah der Jüngste auf. Sirius' war vollkommen durchnässt. Seine Sachen klebten an seinem Körper. James Ärmel ebenso, als er das Wasser abgedreht hatte. Er hielt ein großes Handtuch in Händen und kam auf Remus zu. Behutsam legte er es um den Braunschopf und hielt es solang fest bis der Spross der Lupins es eigenhändig ergriff. Peter stand mit dem Zauberstab in der Hand an der Tür und erhellte das Zimmer.

"Komm", sagte Sirius sanft und zog Remus mit sich. "Du solltest schlafen."

Er ging mit ihm - vorbei an James und Peter - in den Schlafsaal zurück und brachte ihn zu Remus' Bett. Auf dieses drückte er ihn behutsam.

"Sind deine Klamotten im Koffer?", fragte er und beäugte den Jüngeren neugierig.

Dieser nickte nur leicht und sah zu, wie der Schwarzschopf das Gepäckstück unter seinem Bett hervorholte und darin kramte. Es dauerte nicht lang und er hatte dem Gryffindor ein paar Kleidungsstücke für die Nacht rausgeholt und auf das Bett gelegt. Nachdem der Koffer wieder verstaut war, erhob er sich und sah seinen Gegenüber mit besorgtem Blick an.

"Wie geht es dir?"

"Was denkst du?", murmelte Remus leise und schluchzte noch immer ein wenig.

Behutsam legte der Ältere ihm die Hand auf die Wange und strich die Tränen beiseite. Ohne Vorwarnung glitt die andere zum Handtuch und zog es leicht beiseite, sodass er freien Blick auf den geschändeten Oberkörper hatte. Remus zuckte zusammen und verbarg seine Haut schnell.

"Was soll das?", fragte er erschrocken.

Die Augen funkelten im Halbdunkel. Sirius dürfte nicht viel gesehen haben, auch wenn das Mondlicht direkt in das Zimmer und auf sie beide fiel.

"Warum hast du das gemacht?", wollte der Nachwuchs des Hauses Black wissen. "Warum hast du deinen Oberkörper aufgekratzt?"

Betroffen sah der Werwolf zur Seite und schwieg. Was sollte er ihm bitte antworten?

"Ich weiß es nicht", wisperte er nach einiger Zeit, in welcher auch James und Peter ins Zimmer zurück gekommen waren. "Ich fühl mich so schmutzig... Ich wollte sauber werden, aber es geht einfach nicht..."

Sirius schüttelte den Kopf und nahm den Kleineren wieder in den Arm.

"Du bist nicht schmutzig, Remus. Ganz und gar nicht, hörst du? Du bist der beste, netteste und reinste Mensch, den ich kenne. Ich will nicht, dass du dir solche dummen Sachen einredest, verstehst du? Du bist nicht Schuld an dem, was Lily passiert ist. Und sobald sie wieder auf den Beinen ist, wird sie das sicher auch bezeugen. Sei dir da sicher. Aber bis es soweit ist, musst du stark sein. Du darfst dich nicht selbst fertig machen. Das hast du nicht verdient. Wir sind für dich da. James, Peter, ich - ja und auch Andromeda und Severus, hörst du? Wärest du so ein schrecklicher Mensch, wie du es dir gerade einredest, dann wären wir doch wohl kaum mit dir befreundet, oder? Hör zu, Remus. Du darfst dir das wirklich nicht einreden. Und du darfst auch nicht auf die anderen hören, die keine Ahnung haben. Vergiss das Gerede. Wir sind für dich da und passen auf dich auf."

Während Sirius geredet hatte, war der Tränenfluss wieder unaufhaltsam stärker geworden. Remus hatte sich ihm entgegengedrückt und seine Arme um ihn geschlungen. Er erlag den Tränen. Sein Körper bebte unter dem Schluchzen. So gut es ging, krallte er sich in den Schwarzschopf und lies ihn nicht mehr los. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er nicht gekonnt.

"Sirius..."
 

Das Frühstück lief still ab. Der Vorfall des vergangenen Abends hatte bei einigen Gesichtern deutliche Zeichen hinterlassen. Die Atmosphäre war angespannt. Es knisterte regelrecht. Seit der Ansprache Professor Dumbledores vor wenigen Minuten, waren auch die letzten Worte erstorben. Die Schülerschar stocherte still in ihrem Essen herum. Zwar war es still, doch man konnte eine Aufbruchsstimmung spüren. Der Direktor hatte verkündet, dass am heutigen Tage - eine Stunde nach Beendigung des Abendessens - Kutschen vor dem Schloss warten würden und alle willigen Schüler, die nicht den Drang verspürten hier zu bleiben, sondern nach hause zu fahren, die Gelegenheit dazu bot und sie nach Hogsmeade brachte, um von dort aus mit dem Hogwarts-Express gen London zu fahren. So wie es aussah, würden viele Schüler dieses Gelegenheit ergreifen. Remus, der gerade seinen Tee trank, fragte sich, ob er - und Lily natürlich - der Einzige war, der hier bleiben würde. Wer wollte schon mit einem Vampir unter einem Dach leben und damit dem Risiko ausgesetzt sein als Mitternachtsmahl herhalten zu müssen? Viele wagemutige Junghexen und Jungzauberer würde es sicherlich nicht geben. Wie viele der Geschichte glauben schenkten, dass er der Schuldige war, das stand wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Leise seufzend stellte er die Tasse ab und fuhr sich durch sein zerzaustes Haar. Heute morgen hatte er keinen Elan gehabt sich besonders viel Mühe beim Zurechtmachen zu geben. Er war aufgestanden und hatte sich sehr, sehr langsam angezogen. Der Pullover, den er trug - sehr weich und in einem strahlenden, sauberen Weiß - war ein bis zwei Nummern zu groß für ihn, aber genau das brauchte er im Moment. Er brauchte etwas, worin er sich ein wenig verstecken konnte, nur um den Blicken der anderen zu entgehen. Sein Haar - offen schulterlang - war heute so verwirrt, wie das James'. Gekämmt hatte er sie nicht. Seine morgendliche Wäsche hatte aus Zähne putzen und Wasser ins Gesicht klatschen bestanden. Zu mehr hatte er keine Kraft gehabt. Unter seinen Augen waren dunkle Schatten. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er schluchzend in Sirius' Armen eingeschlafen war. Seine Nacht war traumlos gewesen. Als er am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte er sich noch immer erschlagen gefühlt. Ihm war noch immer eiskalt gewesen, obwohl er - dank Sirius - dick angezogen und in die Decke eingepackt war. Zum Glück war es nur eine ganz normale Kälte gewesen. Keine so schmerzhafte, wie vom Tag zuvor.

Sein Blick glitt über Sirius und die anderen Gryffindors. Auch sie schienen vollkommen fertig zu sein. Inzwischen hatten die beiden Dunkelhaarigen ihr Gespräch wieder aufgenommen. Zwar wirkte es locker, doch die üblichen Scherze blieben aus. James' Haar war noch verwühlter, als sonst und das, obwohl er es sich gekämmt hatte und dabei sich fast einige Strähnen ausgerissen hätte, waren sie sehr verfitzt gewesen. Durch seine heute sehr blasse hat, war der Kontrast zu seinem Haar noch schlimmer, als sonst. Ansonsten war er aber ganz der Alte. Vielleicht ein wenig müde, aber sonst nichts weiter. Peter saß am Tisch und trank still seinen Kakao. Mal hörte er den beiden zu, mal Davy, der sich mit ein paar Gryffindor-Mädchen unterhielt. Aber so wirklich schien er nicht da zu sein. Seine Augen waren matt und das sein Pullover in seinen Cornflakes hing, das bemerkte er anscheinend nicht. Remus griff nach dem Arm des Blondschopfes und hob ihn an. Ein verwirrter Blick folgte. Peter starrte auf seinen Ärmel, von dem die Milch tropfte.

"Oh... Danke Remus."

"Schon in Ordnung."

Er lächelte leicht und sah sich weiter um. Sirius neben ihm sah wohl noch am Besten aus. Ihm sah man die Nacht auf den ersten Blick nicht an. Nur wenn man ihn besser kannte, bemerkte man es. Auch in seinen Augen vermisste er den sonst vorhandenen überschwänglichen Glanz. Zudem fehlte das für ihn typische Lächeln, was ihn ab und an so smart erscheinen lies. Andromeda war zum Frühstück nicht erschienen. Innerlich hoffte Remus sie später bei Lily zu sehen. Allerdings war Severus da, was ihn beruhigte. Der Slytherin saß neben Malfoy und versuchte ihn wohl zu ignorieren. Wahrscheinlich sprach der Blondschopf gerade über ihn - Remus - wanderte der Blick immer wieder zu ihm herüber. Sicherlich wollte er Severus damit ein wenig anstacheln, war es offensichtlich, dass er ihre Freundschaft nicht billigte, hatten sie deswegen schon öfters Differenzen gehabt, doch beim Spross der Snapes stieß er heute Morgen augenscheinlich auf stumme Ohren. Dieser laß den Tagespropheten und ließ sich vom Geschwafel des Älteren nicht aus der Ruhe bringen. Von Weitem war dem Erstklässler nichts anzusehen, trug er wie so oft seine kalte, gleichgültige Maske, wenn er unter Leuten war. Remus würde ihn nach dem Essen abpassen und bitten mit auf die Krankenstation zu kommen. Sicherlich wollte Severus Lily ebenfalls sehen und sich vergewissern, dass es ihr gut ging.

"Fährst du heim, Remus?"

Remus zuckte zusammen und sah auf. James musterte ihn fragend.

"Was?"

"Ob du heim fährst", wiederholte der junge Potter erneut seine Frage.

"Ach so... Nein", erwiderte er kopfschüttelnd. "Meine Eltern hätten keine Zeit mich abzuholen. Außerdem ist es nicht schlecht, wenn sie mal wieder ungestört Weihnachten feiern. Und wie steht es mit euch? Fahrt ihr?"

Synchron schüttelten Sirius und James den Kopf.

"Das letzte was ich will, ist mit meiner Familie Weihnachten feiern", meinte Sirius. "Seit ich nach Gryffindor gekommen bin, lassen sie kein gutes Haar an mir. Darauf kann ich gut und gerne verzichten. Außerdem, wenn ich Pech habe, müsste ich die Malfoys und so weiter ertragen. Soweit ich weiß wollten meine Eltern zum Essen einladen."

Er zuckte mit den Schultern.

"Mir auch egal."

"Und ich fahr nicht, wenn ihr hier alle versauert", meinte James. "Das find ich ungerecht."

"Hm... Und du Peter?"

Remus sah zu dem Blondschopf, der noch immer an seiner Tasse nippte.

"Meine Eltern wollten, dass ich heim komme", meinte Peter und legte den Kopf ein wenig schief. "Aber ich will nicht. Ich bleib lieber hier."

"In Hogwarts, wo sich ein Vampir herumtreibt?", fragte James und sah ihn überrascht an, hatte er wohl gedacht, dass Peter sofort die Flucht ergreifen würde, war dieser ja nicht gerade der Mutigste.

"Ja... Es ist doch sicher hier. Ich meine, wenn man nicht mitten in der Nacht allein durch das Schloss rennt, oder? Warum sollte ich mir da Sorgen machen?"

Er lächelte ein wenig.

"Ihr seid doch noch da, oder nicht?"

James grinste.

"Ich glaub dich werde ich nicht so schnell begreifen, Peter."

Peter hakte das Ganze nur mit einem Lächeln ab und leerte seine Tasse. Remus tat es ihm gleich und stand auf, als er sah, dass Severus ging.

"Bis später, Leute. Ich hab noch was vor."

"Wo willst du hin?", fragte James irritiert.

"Zu Lily."

Damit war er auch schon aufgestanden und lief nach vorn, wo er kurz mit Severus redete, ein leichtes Nicken erntete und dann mit ihm nach draußen verschwand. Der Spross der Potters seufzte leise und nahm einen Bissen von seinem Brot.

"Ich weiß immer noch nicht, was er so genau an Snape findet... Langsam fang ich zwar an zu verstehen, aber wissen tu ich es trotzdem nicht."

"Heißt das, du lässt Severus jetzt endgültig zufrieden?", wollte Sirius wissen und musterte seinen Freund, der nur mit den Schultern zuckte.

"Ich weiß nicht. Er ist mir ein Rätsel. Wenn ich ihn sehe, dann tut er immer so unnahbar und spielt Mr. "Ich brauche keine Hilfe. Ich bin ohnehin der Beste". Aber wenn er mit Remus oder den Mädels zusammen ist, dann ist er irgendwie ausgewechselt... Ich versteh es nicht. Gestern hat er sich ja auch für Remus eingesetzt. Deswegen frag ich mich, wie er eigentlich wirklich ist. Ob er so ein arroganter Arsch ist oder doch ganz annehmbar."

Sirius lachte leicht und grinste seinen Freund an. James verstand nicht, was so lustig war und sah seinen Gegenüber dementsprechend an.

"Was ist denn bitte so witzig?"

"Nichts weiter. Du fragst dich nur gerade, ob Severus so ist wie du."

"Wie ich? Sag mal, was soll das denn schon wieder heißen?!"

"Naja, du bist doch auch ein ganz nettes, annehmbares, aber arrogantes Arschloch, nicht?"

Sirius schien den Nagel mal wieder auf den Kopf getroffen zu haben, wodurch er sich eine heiße Schokoladendusche einfing. Es dauerte nur wenige Augenblicke und zwischen den beiden entbrannte eine heiße Essensschlacht. Nach und nach lockerte die Stimmung im Saal auf.
 

"Was hat Lucius vorhin schon wieder erzählt", fragte Remus, während er und Severus zusammen den Korridor entlang liefen.

"Nichts weiter. Nur dumme Dinge, wie gewöhnlich. Er meinte, dass du der Vampir bist und das du nur so scheinheilig tust, aber in dir eine Bestie steckt oder so etwas in der Art. Dass deine Augen und Zähne Beweis genug wären. So oder so ähnlich zumindest. Wie gesagt, dumme Dinge."

Bei diesen Worten musste der Gryffindor unweigerlich an die Auseinandersetzung in der Nacht denken. Anscheinend hatte er einen bleibenderen Eindruck bei dem Siebtklässler hinterlassen, als er es selbst gedacht hatte. Wie es schien, war es kein übler Scherz gewesen, als der Slytherin ihn als Monster bezeichnet hatte. Anscheinend hielt er ihn tatsächlich für eines. Und was sollte das eigentlich mit den Augen, was Severus gesagt hatte? Hatte er da selbst etwas nicht mitbekommen? Oder übertrieb der Platinblonde einfach nur? Vielleicht war es ja doch einfach nur ein dummer Witz? Bei dem Slytherin konnte man sich da wirklich nicht sicher sein. Soweit Remus es sagen konnte, würde er nie zwischen Provokation, Witz und Wahrheit des verfeindeten Hauses unterscheiden können. Aber wer musste das schon? Im Endeffekt waren die drei Begriffe ohnehin das Selbe. Gerne machten die Slytherins viele Worte, doch Taten ließen sie selten sprechen. Daher war ihr Wortschatz auch groß genug, um mehrere Definitionen ein und des selben Wortes zu finden. Provokation, Witz, Wahrheit. Ja, sogar Freundschaft, Hilfsbereitschaft oder Dienstleistung. Schlussendlich hieß dies doch alles einfach nur "Verrat". Auch wenn es hart klang und der Spross der Lupins nur ungern verurteilte, im Nachhinein waren die meisten der kerkerbewohnenden Schüler nach diesem Muster gestrickt. Oder etwa nicht? Sicherlich gab es auch Ausnahmen, das wollte er nicht bestreiten, aber im Großen und Ganzen verhielten sich die Dinge so, wie Remus sie sich gedanklich immer wieder auflegte und vor Augen führte.

"-mus? Remus, geht es dir nicht gut?"

Der Angesprochene sah auf. Schwarze, besorgte Augen sahen ihn durchdringend an. Rasch schüttelte der Braunschopf den Kopf.

"Nein, nein. Schon in Ordnung. Mir geht es gut. Ich hab nur nachgedacht. Hast du irgendetwas gesagt?"

"Nichts weiter. Ich habe mich nur gefragt, wie es Lily geht und ob sie lang auf der Station bleiben muss."

"Ich weiß es nicht. Hoffentlich ist sie soweit in Ordnung. Aber wir sehen es ja gleich. Und hoffentlich ist Andromeda da. Ich hab so ein schlechtes Gefühl was sie angeht. Gestern sah sie auch nicht besonders gut aus."

"Das sagst ausgerechnet du. Meiner Meinung nach hättest du auch mit Madame Pomfrey mitgehen sollen."

"Ich?"

"Ja, du! Du sahst auch grauenvoll aus. Was ist eigentlich passiert, bevor wir gekommen sind und euch gefunden haben?"

Remus schwieg einen Augenblick und überlegte, ob er es dem Größeren wirklich sagen sollte, fragte sich dann jedoch was ihn daran hindern sollte.

"Ich habe sie in der Mädchentoilette gefunden. Und dann hab ich sie in die Eingangshalle gebracht."

"Und wieso hast du nicht gerufen, als du sie gefunden hast? Dich hätte sicher jemand gehört."

Der Erstklässler schüttelte betrübt den Kopf und blieb stehen.

"Nein, das glaube ich nicht. Ich konnte nicht..."

"Du konntest nicht? Warum?"

Wieder nur ein stummes Kopfschütteln. Mehr gab er nicht zur Antwort. Gerne hätte er von Malfoys Missetat berichtet, aber seltsamer Weise konnte er es nicht. Seine Zunge rührte sich nicht. Sie brachte keinen Laut über seine Lippen. Leicht biss der Gryffindor sich auf die Unterlippe. Was hatte Lucius nur mit ihm angestellt? Warum konnte er Severus nichts sagen?

"Und was hast du eigentlich in der Mädchentoilette gemacht?", fragte der Slytherin und musterte Remus weiter.

Dieser spürte den Blick. Es war ihm unangenehm. Unerträglich. Er konnte es ihm einfach nicht sagen. Wollte, aber konnte nicht. Ein wenig hilflos sah er seinen Freund an. Nachdem einige Sekunden vergangen waren, nickte dieser nur.

"Verstehe. Du willst nicht darüber reden. Das ist in Ordnung."

"Nein, das ist es nicht... Es ist nur... Ich kann einfach nicht. Tut mir wirklich leid."

Severus lächelte sanft.

"Du musst dich nicht entschuldigen. Ist doch egal."

Ohne ein weiteres Wort ging der Dunkelhaarige weiter. Remus sah ihm hinterher und seufzte leise. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung. Sein Blick ruhte dabei auf dem Slytherin. Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen. Womit hatte er nur jemanden wie ihn verdient? Sicher - Sirius mochte er auch sehr, war er da, wenn er ihn brauchte, aber auch Severus war in den wenigen Monaten sehr wichtig für ihn geworden. Es tat gut jemanden zu haben, dem man alles erzählen konnte, wenn man wollte, ohne das er es weiter sagte - und das würde Severus nicht tun, das wusste Remus. Gut - auch den anderen - Sirius, James, Peter und die Mädchen - ihnen konnte man ebenfalls vertrauen, aber was den Spross der Snapes so wichtig für den Brünetten machte, war die Tatsache, dass der Slytherin keine Fragen stellte. Wollte Remus ihm nichts anvertrauen, dann stellte der Ältere auch keine weiteren Fragen. Er lies ihm die Zeit, die er brauchte, während die anderen - vorzugsweise Sirius und James - häufig so lang auf seinen Nerven herum trampelten, bis er nicht mehr anders konnte, als ihnen die ganze, schonungslose Wahrheit an den Kopf zu werfen. Es wunderte ihn ohnehin, wie es ihm gelungen war den anderen noch nichts von seinen Eigenarten - er dachte selbst schon an das Wort Abarten, aber dieser Tage tat es seinem Seelenheil wirklich nicht gut, wenn er sich selbst schlecht machte - welche sich zu Vollmond auftaten, zu berichten. Vielleicht hatte er ja noch nicht vollends die Selbstkontrolle verloren und konnte hier und da noch ein wenig Widerstand aufbringen. Doch mit jedem Tag, der verging, wusste er, dass er irgendwann nicht mehr konnte. Er hasste es sie anzulügen, wenn sie ihn fragten, wo er diesen Abend schon wieder hinging. Er wollte sie nicht anlügen. Aber er musste zwangsläufig. Doch irgendwann würde er es ihnen sagen - oder sagen müssen. Das wusste er.

Noch immer in Gedanken, wäre Remus benahe in den anderen gelaufen, schaffte es aber gerade noch rechtzeitig stehen zu bleiben. Ohne das er es bemerkt hatte, waren sie beim Krankenflügel angekommen. Severus öffnete die Tür vorsichtig und spähte hinein.

"Niemand zu sehen", meinte er nur und schob die Tür ein wenig weiter auf.

Nachdem der Gryffindor gefolgt hatte, schloss er sie wieder. Gemeinsam liefen sie an den Betten vorbei und sahen sich nach ihrer Freundin um. Am Ende des Raumes, unter einem der Fenster, saß Andromeda. Ihr rabenschwarzes Haar fiel ihn strähnenweise ins Gesicht und verdeckten es so. Auch, wenn sie ihr Antlitz nicht sahen, wussten die beiden, dass sie es war. Wer sonst? Sie trag einen dunkelblauen Pullover und einen schwarzen Rock über einer ebenfalls schwarzen Hose. Ihre Hände waren auf seltsame Weise übereinander gelegt. Wahrscheinlich, so vermuteten sie, hielt die Ravenclaw die Hand Lilys. Langsam kamen sie näher. Der Schwarzschopf sah auf und lächelte milde, als sie die Neuankömmlinge sah.

"Morgen Jungs."

"Morgen", erwiderten die zwei gleichzeitig.

"Wie geht es ihr?", fragte Severus und ging auf die andere Seite von Lilys Bett.

Remus folgte ihm und sah auf die Freundin. Sie war kreidebleich, aber glücklicher Weise war kein Blut mehr zu sehen. Am Hals hatte die Krankenschwester ihr einen Verband angelegt. Vermutlich heilte die Wunde nicht allzu schnell. Im Moment schien der Rotfuchs zu schlafen. Allgemein sah sie recht gut aus.

"Sie ist in Ordnung", gab Andromeda leise zurück. "Madame Pomfrey hat sich gut um sie gekümmert. Im Moment vermehrt sich das Blut. Madame Pomfrey hat ihr einen Trank gegeben. Wenn alles gut geht, dann ist sie morgen früh vielleicht schon wieder wach."

Die Ravenclaw lächelte. Diesmal war es wirklich freudig.

"Das klingt wirklich gut", gab Severus zurück und strich der Schlafenden eine störende Strähne aus dem Gesicht.

Remus hatte nach der anderen Hand der Verletzten gegriffen und streichelte mit seinem Daumen sanft über den Handrücken. Sie fühlte sich nicht besonders warm an. Im Vergleich zu gestern Nacht jedoch, glühte sie regelrecht. Er war froh, dass sie nicht mehr ganz so eisig war und allen Anschein nach wirklich auf dem Weg der Besserung. Er hoffte inständig, dass es auch wirklich so war und nicht nur ein Lichtblick, der früher oder später verglomm. Er würde es sich niemals verzeihen können. Wäre er diesem verdammten Malfoy nicht über den Weg gelaufen, dann hätte er Lily eher gefunden. Und hätte er sie eher gefunden, dann wäre es unter Umständen gar nicht erst so weit gekommen.

"Remus, hör mir zu."

Der Angesprochene sah auf und blickte in ein Paar blauvioletter Augen.

"Hast du etwas gesagt, Ann?"

Sie seufzte leise.

"Ja, das habe ich. In der Tat. Hör auf dir selbst die Schuld zu geben."

"Schuld? Wovon sprichst du?"

"Das sieht man doch. Du denkst du bist Schuld daran, dass es Lily so schlecht geht."

"Nein, das tue ich nicht", widersprach er und sah zu Boden.

"Oh doch! Das tust du. Rausreden bringt da gar nichts. Ich kann es in deinen Augen sehen. - Hör auf damit. Du hast wirklich nichts damit zu tun. Was passiert ist, ist passiert. Wärest du nicht gewesen, dann wäre sie jetzt vielleicht nicht hier. Oder in noch schlechterer Verfassung."

"Schon, aber..."

Er sah wieder auf. Sein Blick wanderte über alle drei und blieb dann schließlich an der Gryffindor hängen.

"Wenn ich eher gekommen wäre, dann würde es ihr vielleicht besser gehen."

"Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich will jedenfalls nicht, dass du dich damit so fertig machst. Und Lily will das sicher auch nicht. Sie ist dir sicher dankbar. Also denk nicht weiter drüber nach. Morgen ist sie ja vielleicht schon wieder auf der Höhe. Und vielleicht kann sie uns dann sogar sagen, wer sie angefallen hat. Dann kannst du dich immer noch abreagieren. Das ist es doch was du willst. Oder nicht? Du willst denjenigen finden, wegen dem du so viel durchmachen musstest."

"Sieht man mir das so sehr an?", fragte er matt und schien sich geschlagen zu geben.

"Nein", meinte Andromeda und schüttelte den Kopf. "Aber wenn man sich etwas in dich hineinversetzt, dann ist es doch nur logisch. Mir würde es nicht anders gehen. Und dir, Sev?"

Der Angesprochene zuckte nur mit den Schultern.

"Wahrscheinlich nicht."

"Siehst du?", fuhr die junge Hexe fort. "Also hör auf dir Vorwürfe zumachen. Solang Lily nicht wach ist, nützt es dir ohnehin nichts, also. Geh lieber raus, spiel ne Runde Quidditch, spann aus, les ein Buch, schlaf etwas, ess Kuchen oder tu sonst etwas. Aber ruh dich einfach mal aus. Das tut dir gut. Heute Abend fahren einige Schüler heim. Dann hast du erst einmal Ruhe. Das ist doch gut. Meinst du nicht auch?"

Remus besah sich Lily, doch eigentlich starrte er ins Nichts. Wenn er es sich eingestand, dann hatte seine Freundin recht. Im Moment konnte er wirklich nichts anderes tun als warten. Und er war an der ganzen Sache nicht Schuld. Also wozu Vorwürfe? Wozu immer diese verdammten Vorwürfe? Sie änderten ohnehin nichts. Er seufzte leise. Und wenn Lucius und die anderen Slytherins nicht mehr da waren, dann würde er vielleicht wirklich ein wenig entspannen können und Ruhe und Frieden finden.

"Vielleicht hast du ja recht...", begann er zaghaft, wurde jedoch sofort unterbrochen.

"Natürlich hab ich recht. Und jetzt sitz hier nicht mehr so trübe rum und mach was. Ich muss heute Abend leider heimfahren. Solang bleib ich noch bei Lily. Wenn ich gehe, dann könnt ihr zwei ja auch sie aufpassen. Aber solang amüsiert euch etwas."

"Du fährst nach hause?", fragte Remus und ging auf die anderen Dinge, die Andromeda gesagt hatte, gar nicht weiter ein. "Warum das? Ich dachte du bleibst hier."

Der Spross der Blacks schien kurz zu überlegen, was sie genau antwortete, entschied sich dann aber ihm die Wahrheit zu sagen und die zurecht gelegten Ausreden zu vergessen, würde Remus sie ohnehin durchschauen.

"Meine Eltern wollten es so. Sie meinten, dass ich nicht in der Schule bleiben soll, wenn ein Vampir darin herumgeistert. Naja, eigentlich geht es ihnen gar nicht um den Vampir. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Meine Schwestern glauben, dass du Schuld hast", bei diesem Satz klang sie ein wenig unbehaglich, "Sie wollten unbedingt nach hause fahren. Und meine Eltern wollten nicht, dass ich allein hier bleibe. Deswegen muss ich fahren. Ich frage mich immer noch was sie sagen werden, wenn sie erfahren, dass ich mich mit Gryffindors angefreundet habe und nicht in Slytherin gelandet bin. Bis jetzt musste ich es ihnen ja nicht sagen. Aber wenn ich ehrlich bin... Ich hab Angst nach hause zu fahren. Meine Eltern können wirklich grausam sein, wenn sie wollen. Ich denke dieses Weihnachten wird mir noch länger in Erinnerung bleiben. Vor allem, weil wir bei meiner Tante feiern. Dann muss ich Lucius und die anderen ertragen... Ich glaube, dass ich das nicht aushalte..."

"Wird es wirklich so schlimm?", fragte Remus irritiert.

Andromeda nickte nur ein wenig geknickt.

"Schlimmer", antwortete Severus für sie. "Wenn du willst, dann kann ich auch mitfahren."

Die Schwarzhaarige sah überrascht auf. Sie schien ihren Ohren nicht ganz glauben zu wollen.

"Wie? Auch mitfahren? Was meinst du damit?"

Der Spross der Snapes zuckte nur mit den Schultern.

"Ich habe meinen Eltern noch nicht geschrieben, ob ich komme oder nicht. Sie wollten ohnehin in London Einkäufe erledigen. Wenn du möchtest, dann kann ich dich begleiten. Und unterstützen, wenn es sein muss."

Andromedas Augen funkelten voller überschwänglicher Freude.

"Das würdest du wirklich für mich tun? Ist das dein Ernst?!"

Er nickte nur, lächelte nicht. Es war ein einfaches Angebot für ihn. Nichts, wofür er sich derart freuen oder aufregen würde. Andromeda hingegen schon. Die Erstklässlerin lies von Lily ab, sprang auf, umrundete das Bett und warf sich mit Schwung in die Arme des anderen.

"Danke, danke, danke, danke, danke, danke, danke! Ich weiß nicht was ich sagen soll. Du bist einfach der Größte, Severus!"

"Größer als du allemal", meinte er nur und erntete eine Kopfnuss.

Die Ravenclaw grummelte ihn beleidigt an, grinste dann jedoch schon wieder und kuschelte sich an ihn, sodass ein Abschütteln unmöglich war. Sie konnte es einfach nicht lassen sie ausgiebig bei ihm zu bedanken, doch langsam wurde es zuviel. Remus stand auf und sah zu den beiden.

"Ich geh dann mal. Vielleicht ist ausspannen wirklich ganz gut. Ich... Bis heut Abend. Ich bin da wenn ihr fahrt."

Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er Lilys Hand zögernd los und ging dann auf die Tür der Krankenstation zu. Von den anderen beiden wurde er nicht aufgehalten, sodass er nach einigen, endlos erscheinenden Sekunden die Tür hinter sich schloss. Aufatmend lehnte er sich gegen eben diese und schloss die Augen. Er sog die kühle Luft, welche ihm Schloss zirkulierte ein. Von einem Moment auf den nächsten fühlte er sich unsagbar erleichtert. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich von der Tür abstieß und sich auf den Weg zum Gryffindor-Turm machte. Seine schlechten Gedanken waren wie weggeblasen. Für ein halbwegs entspanntes Weihnachten stand grundsätzlich nichts mehr im Wege. Vielleicht konnte er es ja wirklich genießen. Und vielleicht konnte er es mit Lily und den anderen in munterer Atmosphäre zusammen feiern. Es würde ihn wirklich sehr freuen, wenn es ihm vergönnt wäre. Ein sanftes, zufriedenes Lächeln zierte seine Lippen. Vielleicht noch ein kleiner Brief an seine Eltern, dass es ihm gut ginge, dass sie unbesorgt sein sollten und ein Gruß zu Weihnachten und Neujahr und es wäre fast perfekt. Die Augen des Erstklässlers begannen zu leuchten. Zunächst begann er leise vor sich hin zu pfeifen und dann "Jingle Bells" zu singen. Er wusste zwar nicht den wirklichen Grund, aber ihm ging es wieder blendend. Vielleicht lag es ja an Andromedas Worten oder ihrer aufheiternden Art. Er wusste es auch nicht. Aber es war auch egal. Heute war einfach ein herrlicher Tag. Kein Malfoy, keine Anschuldigungen, kein Vampir, klarer Sonnenschein, der durch die großen Fenster ins Schloss hinein flutete, frischer Schnee, der in der Nacht gefallen war und Lily auf dem Wege der Besserung. Besser konnte dieser Tag eigentlich gar nicht sein.

"Jingle Bells, jingle bells, jingle all the way..."
 

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1.Akt, Kap. XX - Ende

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1.XXI.Merry Christmas and a happy new year - SPECIAL

Hallo meine Lieben^^
 

Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch!^^ Ich denke mal der Weihnachtswunsch wird etwas verspätet kommen, dauert das Freischalten ja ein wenig, aber macht ja nichts. Dieses Kap ist mal wieder ein Special. Ich habe mir diesmal sehr viel Zeit genommen um es zu schreiben. Eigentlich hatte ich zwei Teile daraus machen wollen, aber da es das Weihnachtskap ist und Weihnachten bei mir morgen ist, hab ich es als eins geschrieben. Daher ist es diesmal doppelt so lang. Verzeiht.^^ Ich hoffe ihr tut es euch trotzdem an.

Passiert ist inzwischen viel. Verzeiht mir auf den letzten Seiten (ab da ungefähr, wo es Geschenke gibt) die Fehler oder Wiederholungen. Da war ich im Ausnüchterungszustand (bin ich jetzt grad immer noch), da wir gestern Geburtstag mit Band gefeiert haben.^^' Lassen wir das an dieser Stelle lieber.

Als nächstes kommt das Silvesterkap. Ich bezweifle, dass ich es rechtzeitig fertig bekomme, hab ich mir die Sachen noch nicht wirklich zurecht gelegt. Zudem sind meine Ferien total ausgebucht, also denke ich, dass ihr etwas darauf warten müsst.^^' Gomen.

Bevor ich hier noch weiter schwafel: Viel Spaß beim Lesen.^^
 

Eure Kazu^^
 

PS: Die Liedtexte sind nicht von mir. Außerdem kommt die Ringparabel aus "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing mit drin vor. Wer sie nicht kennt kann entweder mich oder wikipedia.de fragen. Aber ich denke zum allgemeinen Verstehen ist sie nicht notwendig.
 

PPS: Kennt ihr eigentlich das Lied "Morgen, Kinder, wird's nichts geben!" ? *g*
 

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1.Akt: Kapitel XXI: Merry Christmas and a happy new year - SPECIAL

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"Santa Clause is coming to town..."

Fröhlich pfiff Remus vor sich hin und lief die letzten Stufen zu seinem Schlafsaal hinauf. Er öffnete die Tür und trat ein. Auch die anderen Gryffindors waren da. Sirius zeigte Peter gerade wie man Zauberschach spielte. James stand im Handtuch da und rubbelte sich die Haare mit einem zweiten trocken. Anscheinend hatte er die Zeit nach dem Frühstück damit verbracht zu duschen, hatte er es am Morgen - aufgrund der Trägheit - versäumt. Der Nachwuchs der Lupins lief mit glücklicher Miene auf sein Bett zu ohne dabei mit dem Singen und zwischenzeitlichen Pfeifen aufzuhören.

"He sees you, when you're sleeping.

He knows if you are wake.

He knows if you've been good or bad.

So be good for goodness sake."

Er lies sich auf die Knie sinken und holte seinen Koffer unter dem Bett hervor. Die verwunderten und verdutzten Blicke der anderen bekam er gar nicht mit. Er kramte in seinem Gepäck und zog ein kleines Buch heraus. Es war schon sehr abgegriffen und die Seiten vergilbt. Die schwarzen Lettern in Tiefdruck konnte man jedoch immer noch lesen. Oder zumindest einen Teil von ihnen. "Nathan" stand darauf geschrieben. Lächelnd stand der Brünette wieder auf und wollte seinen Blick kurz durch den Raum schweifen lassen, bevor er sich wieder nach unten verziehen würde, überlegte es sich jedoch anders, als er der Irritation gewahr wurde.

"Was ist denn? Wieso schaut ihr mich so komisch an?"

"Sag mal, Remus", begann Sirius nachhakend. "Ganz ehrlich. Bist du krank?"

Nun war es der Gefragte, der nicht wusste was das Ganze sollte. Wollte der junge Black einfach nur äußerst komisch oder unterhaltsam sein? Oder worauf wollte er hinaus?

"Nein, warum?"

Sirius lehnte sich leicht im Stuhl zurück und sah den Jüngsten genauer an.

"Naja, weil du normalerweise nicht singend und frohlockend durch die Gegend hüpfst. Da ist so eine Frage doch berechtigt, oder etwa nicht?"

Remus schmunzelte leicht.

"Ach das meinst du. Nein, ich bin vollkommen in Ordnung. Mir ging es lang nicht mehr so gut", erwiderte er lächelnd. "Heute ist einfach nur ein schöner Tag. Außerdem ist bald Weihnachten. Also wieso sollte ich da nicht ein paar Weihnachtslieder singen?"

Der Schwarzschopf zuckte mit den Schultern.

"War ja nur eine Frage. Tu was du nicht lassen kannst."

"Was hast du da eigentlich?", fragte James plötzlich hinter Remus und nahm diesem das Buch aus der Hand.

Er runzelte leicht die Stirn, als er den Titel las. Offensichtlich sagte ihm dieser nicht besonders viel. Aber dies hatte Remus auch nicht sonderlich verwundert. Immerhin sah der Gryffindor nicht so aus, als würde er oft Muggelbücher lesen.

"Nathan der Weise? Was ist denn das? Sollen wir das für Geschichte lesen?"

Remus lachte ein wenig und schüttelte amüsiert den Kopf.

"Nein. Das müssen wir nicht. Das ist eine Muggelgeschichte."

"Ach... Und worum geht's da? Ist sie spannend?"

Der Kleinere zuckte mit den Schultern und nahm James das Buch wieder ab, wollte er nicht, dass dieser Wasserflecken darauf oder darin hinterließ.

"Ich denke nicht, dass es dich interessieren würde. Nichts mit Sport oder so. Da geht es eher um Religion."

Angewidert verzog der Schwarzhaarige das Gesicht. Das Thema schien ihm anscheinend wirklich nicht zu gefallen.

"Religion? Oh Mann. Wie kannst du so was freiwillig lesen? Das ist doch... Zu so was würde ich mich noch nicht einmal zwingen lassen. Ist ja genauso schlimm wie Geschichte bei Binns."

Die Worte waren anscheinend nicht gut genug gewählt, hatte Remus ihm - nachdem er ausgesprochen hatte, soviel Anstand besaß der Spross der Lupins noch - mit dem Buch eins übergezogen. Fluchend und sich den Hinterkopf haltend sprang James durch die Gegend. Er hatte Schmerzenstränen in den Augenwinkeln.

"Aua, aua, aua, auaaaa! Wie kannst du nur so gemein sein? Ich wusste nicht, dass du so brutal sein kannst."

Er kniff die Augen zusammen und rieb sich die schmerzende Stelle. Sirius lachte nur. Das Bild, welches sein Freund abgab, war einfach zu amüsant. Splitterfasernackt - beim Herumhupfen hatte sich das Handtuch gelöst und war zu Boden gefallen - stand der andere da und führte sich wie ein kleines Kind auf, das gerade hingefallen war und nicht mehr allein aufzustehen vermochte. Remus hingegen war rot angelaufen, als James' sonst so gut gelüftetes Geheimnis so unverblümt in die Welt hinaus ragte. Gut, von ragen konnte im Moment eigentlich keine Rede sein, baumelte sein kleiner Freund beim Herumzappeln einfach nur hin und her, aber so genau wollte der Brauschopf darüber auch nicht nachdenken. Und hinsehen wollte er eigentlich auch gar nicht. Er schloss kurz die Augen und seufzte leise. Dann sah er zum lachenden Black, um wenigstens irgendwo anders hinzuschauen und murmelte nur leise: "Und Gott sagte: Bedecke deine Blöße."

James schien nicht gleich zu verstehen, doch als er inne hielt und der Kälte des Zimmers gewahr wurde, schauderte er und sah an sich hinab um festzustellen, dass er ja rein gar nichts mehr am Leibe trug.

"Wie Sterntaler", murmelte Remus, "nur das die wahrscheinlich niedlicher aussah."

Beleidigt blies James seine Backen auf und kam zu dem vorlauten Braunhaarigen zurück, der selbst zurückwich - immer weiter Richtung Sirius und Peter, die noch immer am Tisch saßen, zwischen ihnen das Schachbrett - wobei zu erwähnen war, dass der Älteste sich noch immer schief und krumm lachte. Doch Remus nützte das Ausweichen und Flüchten nichts, kam James näher und ergriff ihn schließlich, um sich an ihn zu drücken - beziehungsweise ihn an sich zu pressen.

"Soll das etwa heißen ich bin nicht süß? Hast du irgendwas an meiner Blöße auszusetzen? Siehst du vielleicht besser aus? Das will ich erstmal sehen."

James wandte Remus in seinen Armen, sodass dieser mit dem Rücken gegen seinen Oberkörper lehnte. Der Jüngste schien sichtlich überfordert, wusste er weder etwas zu sagen noch zu tun. Geschweige denn, dass er wusste, was der Nudist vorhatte. Ehe er es sich versah, machte sich James an Remus' Hose zu schaffen und zog den Reißverschluss hinunter. Der Nachwuchs der Lupins lief schlagartig so rot an, wie eine überreife Tomate.

"He! Was machst du da? Was soll das?!"

"Wenn du dich schon lustig machst, dann will ich sehen mit was du aufwarten kannst."

Hitze schoss dem Werwolf in den Kopf. Sein Denken wurde lahm gelegt. Passierte das hier etwa wirklich? Oder war das einfach nur ein übler Traum? Ein Scherz? James Potter wollte ihm - Remus Lupin - doch gerade nicht wirklich an die Wäsche, oder etwa doch? Der Braunschopf wusste nichts zu tun. Sein Denken blockierte. Die unterschiedlichsten Gefühle wirbelten durcheinander. Kälte und Hitze jagten durch seinen Körper und brachten ihn vollkommen aus dem Konzept. Das Nächste, was war mitbekam, waren zwei Hände an seiner Hüfte. Sein Körper wurde von dem Kleidlosen befreit und im nächsten Moment fand er sich in ein paar anderen Armen wieder. Jemand zog ihn wieder richtig an und wies James zurecht, welcher recht bedröppelt dreinsah. Resignierend zog er sich zurück, schnappte sich sein fallen gelassenes Handtuch und ging zu seinem Bett um sich frische Sachen anzuziehen. Jemand hielt Remus plötzlich ein Buch vor die Nase. Es war das, was er bis vor Kurzem noch in Händen gehalten hatte. Hatte er es während des ganzen Hin und Hers fallen gelassen? Er nahm es und wanderte mit dem Blick den Ärmel entlang. Er drehte sich leicht und sah in ein Paar funkelnder blauer Augen. Sirius lächelte.

"Besser?"

Der Jüngere gab nichts zurück. Er war noch immer feuerrot im Gesicht. Langsam wurde er sich der Lage bewusst. Sirius hatte ihn vor James gerettet, indem er ihn aus den Armen des anderen zu sich auf den Schoss gezogen hatte. Peinlich berührt blickte er an sich hinab. Angezogen war er ja, aber seit wann saß ein Junge auf dem Schoss eines anderen Jungen? Der Dunkelhaarige schien sich nicht viel daraus zu machen. Er lächelte ihn nur weiter nett an und stupste ihm leicht gegen die Nasenspitze.

"He, kannst dich wieder beruhigen. James lässt schon seine Griffel von dir."

Er warf dem anderen einen zweideutigen Blick zu. Als Antwort erhielt er nur eine herausgestreckte Zunge und einen beleidigten Blick. Der Erstklässler war aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich eingeschnappt. Sirius wandte sich wieder Remus zu und lächelte abermals.

"Mach dir nichts draus. Du weißt ja. Die Hormone."

Er drückte den Jüngeren leicht und auf versöhnliche Art und Weise, entließ ihn aber nicht. Stattdessen widmete er sich wieder dem begonnenen Spiel mit Peter.

"Also wo waren wir?"

"Sag mal", mischte sich Remus jedoch schnell wieder ein. "Könntest du mich vielleicht wieder runter lassen?"

Sirius grinste und legte seine Arme um ihn.

"Jetzt wo ich dich einmal hab? Nö. - Höchstens, wenn du mich mit einem Zug besiegst. Aber das würde ich nicht mal schaffen. Also schaffst du das auch nicht."

Remus schmunzelte.

"Das letzte Mal habe ich dich auch geschlagen."

Er besah sich das Spielbrett, machte einen Zug und stand auf - ohne dass Sirius so schnell reagieren konnte.

"Ich geh nach unten in den Gemeinschaftsraum und lese ein bisschen", meinte der Erstklässler nur und ging zur Tür.

Als er diese geöffnet und schon fast nach draußen verschwunden war, warf er nochmals einen Blick in den Raum und grinste.

"Ach ja, Sirius. Schachmatt."

Weiter Weihnachtslieder singend ging der Gryffindor nach unten und ließ einen sehr irritierten und ungläubig dreinschauenden Black zurück, der gerade schadenfreudig von einem gewissen Nudisten ausgelacht und einem gutmütigen Blondschopf getröstet wurde.

,Heute ist doch ein herrlicher Tag', dachte Remus bei sich und feixte still vor sich hin.

Wie er es liebte den beiden - James und Sirius - ihre Schranken aufzuweisen. Vor allem dann, wenn sie kurz zuvor noch so großschnäuzig gewesen und großkotzig getan hatten. Das tat einfach gut.
 

Vor grauen Jahren lebt' ein Mann im Osten, / Der einen Ring von unschätzbarem Wert / Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein 7 Opal, der hundert schöne Farben spielte, / Und hatte die geheime Kraft, vor Gott / Und Menschen angenehm zu machen, wer / In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, / Daß ihn der Mann in Osten darum nie / Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, / Auf ewig ihn bei seinem Hause zu / Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring / Von seinen Söhnen dem geliebtesten; / Und setzte fest, daß dieser wiederum / Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, / Der ihm der liebste sei; und stets der liebste, / Ohn Ansehn der Geburt, in Kraft allein / Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. [...] So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, / Auf einen Vater endlich von drei Söhnen; / Die alle drei ihm gleich gehorsam waren, / Die alle drei er folglich gleich zu lieben / Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit / zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald / Der dritte, - sowie jeder sich mit ihm / Allein befand, und sein ergießend Herz / Die andern zwei nicht teilten, - würdiger / Des Ringes; den er denn auch einem jeden / Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. / Das ging nun so, solang es ging. - Allein / Es kam zum Sterben, und der gute Vater / Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei / Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort / Verlassen, so zu kränken. - Was zu tun? - / Er sendet in geheim zu einem Künstler, / Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, / Zwei andere bestellt, und weder Kosten / Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, / Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt /Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, / Kann selbst der Vater seinen Musterring / Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft / Er seine Söhne, jeden insbesondre; / Gibt jedem insbesondre seinen Segen, - / Und seinen Ring, - und stirbt. [...] Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder / Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst / Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, / Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht / Erweislich. [...] Die Söhne / Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, / Unmittelbar aus seines Vaters Hand / Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! - Nachdem / Er von ihm lange das Versprechen schon / Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu / Genießen. - Wie nicht minder wahr! - Der Vater, / Beteu'rte jeder, könne gegen ihn / Nicht falsch gewesen sein: und eh' er dieses / Von ihm, von einem solchen lieben Vater, / Argwohnen lass': eh' müss' er seine Brüder, / So gern er sonst von ihnen nur das Beste / Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels / Bezeihen; und er wolle die Verräter / Schon auszufinden wissen; sich schon rächen. [...] Der Richter sprach: Wenn ihr mir nun den Vater / Nicht bald zur Stelle schafft, so weis' ich euch / Von meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Rätsel / Zu lösen da bin? Oder harret ihr, / Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? - / Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring / Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; / Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß / Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden / Doch das nicht können! - Nun: wen lieben zwei / Von Euch am meisten? - Macht, sagt an! Ihr schweigt? / Die Ringe wirken nur zurück? und nicht / Nach außen? Jeder liebt sich selber nur / Am meisten? - O, so seid ihr alle drei / Betrogene Betrüger! Eure Ringe / sind alle drei nicht echt. Der echte Ring / Vermutlich ging verloren. Den Verlust / zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater / Die drei für einen machen. [...] Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr / Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: / Geht nur! - Mein Rat ist aber der: ihr nehmt / Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von / Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: / So glaube jeder sicher seinen Ring / Den echten. - Möglich; daß der Vater nun / Die Tyrannei des einen Rings nicht länger / In seinem Hause dulden wollen! - Und gewiß; / Daß er euch alle drei geliebt, und gleich / Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, / Um einen zu begünstigen. - Wohlan! / Es eifre jeder seiner unbestochnen / Von Vorurteilen freien Liebe nach! / Es strebe von euch um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag / Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut / Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, / Mit innigster Ergebenheit in Gott / Zu Hilf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte / Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: / So lad' ich über tausend tausend Jahre / Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird / Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen / Als ich; und sprechen. Geht! - So sagte der / Bescheidne Richter.
 

Remus schlug das Buch zu und sah auf dessen Deckel. Der junge Gryffindor saß in einem der bequemen Sessel des Aufenthaltsraumes. Er saß gegen die Sessellehne gelehnt mit überschlagenen Beinen - auf welchen nun das Schriftwerk ruhte - da und sah in das prasselnde Feuer. Mit den Fingern fuhr er gedankenverloren über die raue, unebene Oberseite des Buchumschlages. Ein leises Seufzen stahl sich über seine Lippen. Wie wahr diese wenigen Worte doch waren. Wie genau - wie allgemein. Die Muggel schienen in ihrer Welt ebensolche Probleme zu haben, wie die Zauberer und Hexen in seiner Welt. Es war interessant zu sehen, wie einfach man doch ihre Probleme übertragen konnte. Viele Probleme und Konflikte, die die Nichtmagier kannten, waren auch in der Zaubererwelt bekannt. Zum Beispiel arm und reich, jung und alt, Mann und Frau, krank und gesund, hässlich und schön - wobei zu erwähnen ist, dass die letzten beiden Dinge auch mithilfe von ein wenig Zauberei zu korrigieren waren. In der Muggelwelt stritt man sich um schwarz oder weiß - Christ, Jude oder irgendeine andere Religion. War es nicht eigentlich traurig, dass es auf Erden so viele Differenzen gab? War es das nicht? War schwarz und weiß bei den Magiern nicht das Gleiche wie schwarze und weiße Magie. Wie ironisch, dass es sogar die gleichen Farbnamen - gut, schwarz und weiß waren genau genommen keine Farben - waren. Und die Religionen? Hatten die Zauberer hierfür nicht auch einen Ersatz gefunden? Einen ganz einfachen? Reinblüter, Halbblüter, Muggelstämmige, Squibs und Muggel. War es nicht haargenau die gleiche Sache? War es nicht eben der gleiche Rassismus, wie auch bei den nichtmagischen Menschen? Nur, dass man nach anderen Kriterien bewertete und der Sache einen anderen Namen gab? Aber oberflächlich gesehen, war es nicht alles gleich? Beklommen sah der Erstklässler ins Feuer. Die Flammen loderten zischelnd auf. Es knisterte leise. Nehmt die Sache völlig wie sie liegt... Ja, wenn es nur so einfach wäre. Wenn es doch nur so einfach wäre. Ein schiefes Lächeln zierte sein Gesicht. Es gab immer wieder Vorurteile anderen Menschen gegenüber - schon allein aus verschiedenen Interessen herrührend. Es gab zu viele Ringe, als das man unter ihnen den Echten ausmachen konnte. Es gab zu viele um sie zu Einem zu vereinigen. Oder wäre es ein Leichtes dunkle Zauberer und Lichte zu vereinen? Nein, sicher nicht. Derer Ziele standen im 180°-Winkel einander gegenüber. Es mussten schon wahre Wunder vollbracht werden, bis die zwei Seiten einer Medaille sich vereinten und zur gleichen Zeit auf einer Seite landeten, nachdem sie in die Luft geworfen waren und auf dem Boden der Tatsachen landeten. Sicherlich war Pessimismus eines der Vorurteile, die ein ebensolches Kuriosum verhinderten, aber wenn Remus an seine bisherigen Erlebnisse dachte, so verlor er nach und nach den Glauben daran, dass irgendjemand früher oder später etwas richten konnte. Die schwerwiegendsten Erfahrungen mit dem Reinblüter-Schlammblüter-Konflikt - in Gedanken entschuldigte er sich bei Lily und den anderen Muggelkindern - hatte er erst hier in Hogwarts gemacht. Lucius und auch die anderen Slytherins hatten ihm aufgezeigt wie gravierend doch ihre Standpunkte und Ansichten waren. Sicher gab es einzelne Individuen - wie beispielsweise Severus - die nicht in das Bild passten, doch im großen und ganzen war die Verteilung doch nur allzu klar. Und wenn schon junge, auszubildende Hexen und Zauberer eine derartige Kontroverse an den Tag legten, wie sah es dann erst bei den Ausgewachsenen aus? Kinder kannten zumeist noch Maß und Disziplin - wenn ihre Eltern sie in ihrer Erziehung nicht allzu sehr vernachlässigt oder zu kurz kommen haben lassen - aber bei Erwachsenen schien dies nicht der Fall zu sein. Als Beispiel die Muggel. Remus hatte sie schon oft in seiner Stadt beobachtet. Spielten kleine Kinder im Sand, begannen Erwachsene großräumig die Natur umzugestalten und somit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Spielten die Kleinen mit ihren Spielzeugautos, lieferten sich die Großen gefährliche, halsbrecherische Autorennen. Zankten sich die Jungen und schmollten einige Tage lang, vertrugen sich jedoch dann wieder, gingen sich die Alten derweil mit den Messern an die Kehle, lieferten blutige Schlachten vor Gericht, reichten Scheidungen ein und gingen in den Ignoranzmodus über. Wie lachhaft das doch alles war. Nur weil sie schon "erwachsen" waren - wer definierte diesen Begriff eigentlich? - durften sie sich also ein Übermaß an Emotionen leisten? Hieß es nicht, dass man als Kind emotional sein durfte und sich im Regelfall ein Erwachsener benahm? Aber wenn dies so war, wieso verursachten dann keine kleinen Kinder Kriege? Wieso saßen keine Säuglinge hinter schwedischen Gardinen, mussten diese doch ein Übermaß an gebündelter Energie darstellen? Waren am Ende die Kinder vernünftiger als ihre Eltern? Reifer? Oder waren ihre Erzieher einfach nur schon von innen heraus verfault und kannten ihre eigenen Ideale schon gar nicht mehr? Kannten die Süße des Lebens nicht mehr? Nur noch die Verfaultheit von Hass, Egoismus und schlussendlich Tod? War dies der Grund für andauernde Konflikte? Konnten sie die reifen Früchte ihrer Arbeit nicht mehr ernten? Kam es daher auch zu diesem schwarz-weiß-Denken? War dieser verrückt gewordene - wie hieß er noch? Ach ja - Voldemord im Grunde eigentlich auch nur eine dieser verfaulten Früchte? Oder litt er einzig und allein an einem zu hohen Maß an Emotionen, welches er auf andere verwendete und sie mit Vergnügen quälte und bloßstellte?

Remus fuhr sich gedankenverloren durch das Haar. Begann Lucius auch schon zu verfaulen? Oder war er das schon? Konnte der Slytherin am Ende überhaupt nichts für seine Taten? Lag es am Ende einfach nur an der Tatsache des Erwachsenwerdens? Daran, dass er sich für eine Seite entschieden hatte und diese es ihm nun einmal mehr oder weniger vorschrieb so zu handeln?

Ein gequältes Seufzen entglitt seinen Lippen. Oder war dies einfach nur Humbug? Dachte er schon wieder zu viel? Interpretierte er zu viel in die gelesenen Worte? Sicher tat er das. So, wie er es immer tat. In diesem vermaledeiten Buch ging es einzig und allein um drei Religionen. Mehr nicht. Es ging nicht um Malfoy, ihn selbst oder gar den schwarzen Magier. Alles Einbildung. Sein Blick glitt auf das Buch zurück. Er lächelte schwach und matt und ließ sich tiefer in den blutroten Sessel sinken.

"Du schaffst mich wirklich, Lessing..."
 

Remus stand in der kalten Dunkelheit. Vor wenigen Minuten waren einige herrenlose Kutschen angekommen. Mit diesen würden wohl die Schüler in einer knappen viertel Stunde nach Hogsmeade gefahren werden, so vermutete er. Er hatte nicht schlecht gestaunt, als er sie hatte in den Hof einfahren sehen. Zunächst hatte er es für einen Streich seiner Augen gehalten und sie daher mehrmals gerieben. Doch als die Droschken noch immer zwar mit Fahrer, aber dafür pferdelos in seiner Nähe gehalten hatten, hatte er sich damit abfinden müssen, dass es anscheinend doch Tatsache und kein Hirngespinst war. Die Fuhrwerke mussten von etwas - was er bis heute noch nicht gekannt hatte - gezogen werden. Immerhin stiegen immer wieder kleine weiße, dunstige Wolken auf, wie als wenn jemand atmen würde. In dieser Kälte konnte man den Atem wirklich gut sehen. Zudem hörte man immer wieder Geschaube, was wie das von Pferden klang und die Kutscher kümmerten sich hier und da um die anscheinend unsichtbaren Kreaturen. Sein Blick wanderte zum Himmel. Nach und nach hatte ein Schneetreiben eingesetzt. Sicherlich würde es eine grauenhafte Nacht werden. Bei diesem Wetter schickte man noch nicht einmal einen Hund vor die Tür. Er fröstelte. Am Liebsten hätte er sich wieder in einen der weichen, bequemen Sessel im Gryffindor-Gemeinschaftsraum gesetzt und bei einer Tasse heißen Tees dem Feuer beim Brennen zugesehen und sich gleichzeitig dabei in seine Decke gekuschelt. Aber diesen Wunsch würde er sich so schnell nicht erfüllen können. Erst musste und wollte er sich von Andromeda und Severus verabschieden. Er hatte sich wirklich sehr darauf gefreut mit ihnen Weihnachten und Neujahr feiern zu können, aber wie so oft liefen die Dinge anders als erwartet. Ein leises Seufzen stahl sich über seine Lippen.

"Warum so deprimiert?", fragte eine gedämpfte Stimme hinter ihm, welche den Gryffindor lächeln lies.

Langsam wandte sich Remus um und erblickte den Slytherin, der mit gemächlichem Tempo auf ihn zukam. Der Dunkelhaarige hatte sich in einen dicken, schwarzen Mantel eingehüllt. Ein grün-silbern gestreifter Schal verdeckte sein Gesicht bis zur Nase. Lediglich die Augen waren noch zu sehen, in welchen Remus eine Art von Amüsement lesen konnte.

"Warum bist du so dünn angezogen?", fragte Severus und beäugte Remus, wobei man in seinen Augen leichte Besorgnis lesen konnte, wenn man - wie der Braunschopf - genauer hinsah. "Du holst dir den Tod."

"Es geht schon", meinte der Spross der Lupins und zog seinen eigentlich für den Herbst ausgelegten Mantel, der für diese Jahreszeit viel zu dünn war, den er jedoch angezogen hatte, hatte er auf die Schnelle seinen dickeren Winterumhang nicht gefunden, fester um sich. "Lang dauert es ohnehin nicht mehr. Die Kutschen fahren doch in ein paar Minuten."

Man konnte unter Severus Schal ein leichtes Lachen vernehmen.

"Das klingt so, als wolltest du Andromeda und mich so schnell wie möglich loswerden."

Leicht erschrocken und hastig schüttelte er den Kopf und sah seinen Gegenüber mit fast schon geschockten Augen an.

"Nein! Von wegen! Im Gegenteil! Wie kommst du da überhaupt drauf? Ich würde euch niemals loswerden wollen. Ihr seid doch meine Freunde..."

Und es folgte eine Geste, die Remus glatt die Sprache verschlug. Freundschaftlich und wenn nicht sogar zu sagen sanft fuhr der Ältere ihm -noch immer lachend - durch die Haare und verwuschelte sie ein wenig.

"Jetzt nimm doch nicht alles gleich so ernst", sagte er mit - für ihn untypischer - weicher Stimme.

Seine Augen verrieten dabei, dass er lächelte, blieben diese davon nicht unberührt.

"Ich weiß doch, wie du es gemeint hast, also mach dir nicht so viele Gedanken darum, Remus."

Remus antwortete nicht. Er nickte nur leicht und sah Severus an. Nach einiger Zeit der Stille, runzelte dieser die Stirn.

"Geht es dir nicht gut?"

"Doch", erwiderte der Gryffindor und lächelte. "Machst du das noch mal?"

Das Haarewuscheln hatte dem Erstklässler recht gut gefallen. Es fühlte sich schön an, wenn er Finger eines anderen mit seinen Haaren spielten. Geduldig lächelte er Severus an, doch dieser schien nicht so recht zu verstehen. Fragend sah er ihn an.

"Was soll ich noch mal machen?"

Innerlich seufzte der Erstklässler und schüttelte schmunzelnd den Kopf.

"Schon okay. Vergiss es einfach. Nicht so wichtig."

"He, Jungs!"

Die beiden wandten sich um. Andromeda kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Sie wirkte energiegeladen wie eh und je. Ihre Haare wurden vom Wind zerzaust, als sie durch das Eichenportal ins Freie trat. Ihr Ravenclaw-Schal flatterte leicht im Wind. Mit geröteten Wangen blieb sie vor den zwei Jungzauberern stehen und lächelte sie fröhlich an.

"Die Kälte ist wirklich grauenhaft", meinte sie mit leichtem Zittern in der Stimme. "Steht ihr schon lang hier?"

Synchron schüttelten sie den Kopf, was ein Schmunzeln auf die Züge der Schwarzhaarigen zauberte. Sie sah zu Remus.

"Wie kannst du ohne Schal hier draußen rumstehen? Und deine Sachen sehen auch nicht gerade dick aus. Ist dir nicht kalt?"

"Es geht", meinte Remus und lächelte mild. "Im Schloss ist es ja warm."

Protestierend schüttelte Andromeda den Kopf. Sie sah zu Severus.

"Was meinst du? Darf er es jetzt schon aufmachen?"

Severus nickte leicht.

"Ich bestehe darauf. Sonst-"

"Sonst hol ich mir noch den Tod?", warf Remus ein, indem er Worte des Slytherins von vorhin wiederholte.

Der Schwarzhaarige nickte abermals. Andromeda begann unter ihrem Umhang zu kramen. Nach einiger Zeit zog sie mit freudigem Lächeln ein kleines, etwas ungeschickt eingepacktes Päckchen hervor und hielt es dem jungen Lupin entgegen. Leicht irritiert nahm er es an. Fragend musterte er es und sah dann zwischen seinen Freunden hin und her.

"Ähm... Darf ich fragen was das ist?"

Andromeda blies die Wangen auf und stieß die Luft - leicht genervt wirkend - wieder aus.

"Na was wird das wohl sein?", fragte sie spitz. "In Geschenkpapier und - band eingepackt und Lily, Severus und ich schenken es dir. Na? Dein Geschenk zu Weihnachten."

"Mein...?"

"Dein Geschenk."

"Aber..."

Leicht verwirrt sah er auf das Präsent. Ein Geschenk für ihn? Von seinen Freunden für ihn? Aber... womit hatte er das verdient? Warum schenkten ihm seine Freunde immer wieder Dinge, hatten sich die Jungs aus seinem Schlafsaal es sich zu seinem Geburtstag immerhin auch nicht nehmen lassen und das, obwohl er sich eigentlich nicht in der Lage sah, ihnen eine Gegenleistung zu erbringen?

"Ich... weiß nicht, was ich sagen soll."

"Jetzt mach doch erstmal auf. Danach kannst du uns immer noch sagen, dass es dir nicht gefällt", meinte die Ravenclaw drängend, hatten sie nicht mehr besonders viel Zeit, bis die Fahrt Richtung Hogsmeade und somit auch Heimat begann.

"Aber es ist doch noch gar nicht Weihnachten", gab der Brünette zu bedenken.

"Remus Lupin, du packst jetzt sofort dein Geschenk aus, wenn dir deine Gesundheit und mein Seelenheil lieb ist."

Der Gryffindor zuckte leicht zusammen, gehorchte aber seiner Gegenüber und machte sich am Geschenkpapier zu schaffen. Mit Handschuhen war es recht schwer, doch als er einen Teil des Papiers abgerissen hatte, kamen einige Streifen ans Tageslicht - welches in diesem Moment jedoch recht schwach war, verdunkelten die Schneewolken den Himmel. Der Erstklässler zog an ihnen und beförderte einen langen, gestrickten Schal zu Tag. Das Papier dabei loslassend, flatterte dieses - vom Wind ergriffen - in den frühen Abend hinein davon. Andromeda lächelte, schnappte sich beide Enden des Schals und wickelte ihn um Remus' Hals. Als dieser so eingemummt war wie Severus, ließ sie von ihm ab. Der Gryffindor fuhr mit seinen Fingern über den Stoff, spürte die Beschaffenheit aufgrund der Handschuhe jedoch nicht. Das Kleidungsstück war gestrickt. Er besaß vier Farben. Gold, Bronze, Silber und Schwarz. Sie wechselten sich regelmäßig ab. Zudem waren die vier Haus- und das Schulwappen integriert. Ein Lächeln deutete sich auf seinen Zügen an. Er sah auf.

"Danke. - Ich... Ich weiß nicht was ich sagen soll... Er ist wirklich toll."

"Du kannst uns ruhig die schonungslose Wahrheit sagen, wenn er dir nicht gefällt", meinte Andromeda grinsend. "Immerhin hat Severus zwei linke Hände was das Stricken angeht."

Fragend sah Remus zu dem brummenden Schwarzschopf.

"Du hast mitgestrickt?"

Andromeda nickte rasch und zog eine der Hände des jungen Snapes aus der Tasche und entfernte den Handschuh. Man konnte sehen, dass die Finger recht zerstochen waren, auch wenn es teilweise abgeheilt war.

"Siehst du", schmunzelte die Ravenclaw.

Etwas ruckartig zog der Slytherin seine Hand zurück und zog grummelnd den Handschuh darüber.

"Und?", murrte er. "Hätte ich nicht mitgemacht, dann wäre der Schal laut dir rosa geworden. Und du hättest mir das Monate lang vorgeworfen. Das hätte ich weder Remus noch mir antun wollen."

Der Braunschopf lächelte gelinde berührt.

"Danke. Ich weiß wirklich nicht wie ich euch beiden danken soll."

Severus schüttelte den Kopf unterdessen er seine Hand wieder tief in seiner Tasche vergrub.

"Lily hat auch mit geholfen. Sie hat die Wappen gemacht."

"Stimmt", warf die Freundin ein. "Da haben wir uns beide zu dumm angestellt.

"Wir beide?", fragte der Spross der Snapes und sah sie skeptisch an. "Du hast dich dumm angestellt. Und mir hast du es verboten, weil ich ja doch kein Talent hab."

Andromeda streckte ihm die Zunge raus und schmollte.

"Ich frag mich grad, warum ich dich gebeten habe uns zu helfen... Jetzt meckerst du ja doch nur wieder herum."

Severus schmunzelte wohl, zumindest sah man es seinen Augen an.

"Weil ich in Zaubertränke und Zauberkunst besser bin als du?"

Sie grummelte, sah dann aber mit leuchtenden Augen zum Gryffindor, war ihr wohl etwas eingefallen.

"Zauberkunst. Genau! Das hab ich ganz vergessen. Wir haben den Schal ein bisschen... sagen wir ausgestattet."

Der Erstklässler runzelte irritiert die Stirn.

"Was meinst du mit ausgestattet?"

"Naja. Damit du dich nicht erkältest. Wenn du schon einen Schal bekommst, dann dachten wir uns, sollte er schon ein bisschen ausgebessert sein. Wir haben ihn mit ein paar Zaubersprüchen versehen. Er schützt dich vor Krankheiten und wenn du schon krank sein solltest, dann geht es dir recht schnell besser."

Remus' Blick wanderte nach unten. Mit den Fingerspitzen fuhr er leicht über den Stoff des verfrühten Geschenkes. Seine Freunde hatten sich allerhand Mühe gegeben. Er hatte es wieder sagen können - und hatte damit ja auch eigentlich recht - ließ es jedoch, wollten die beiden davon nichts wissen. Er war ihnen wirklich dankbar. Und wie er sich revanchieren sollte, das war ihm schleierhaft. So ein wunderbares Präsent war nur schwer wieder aufzuwiegen. Aber einfach nichts schenken, dass konnte er nun auch wieder nicht. Es war unhöflich. Und er wollte ihnen auch in nichts nachstehen oder ihnen etwas schuldig bleiben. Aber wie sollte er in vier Tagen - gut, fünf, war erst am Morgen des Fünfundzwanzigsten reguläre Bescherung - noch angemessene Geschenke zustande bringen? Zumal morgen Vollmond war und er sich auch noch um Lily kümmern wollte. Er fühlte sich elendig zumute. Das konnte er doch niemals wieder gut machen.

Noch ganz in Gedanken versunken, stupste ihm jemand leicht gegen die Nasenspitze. Er sah ein klein wenig auf und spähte in ein Paar blauvioletter Augen, welche das Blut in seinen Adern prompt erwärmte. Andromeda lächelte leicht.

"Ich glaube er ist wieder aus seinen Tagträumereien zurück", meinte sich schmunzelnd.

Der Gryffindor blinzelte sie ein wenig irritiert an.

"Hab ich was verpasst?"

Seine Gegenüber begann zu grinsen und schüttelte zur Antwort leicht mit dem Kopf.

"Nein. Nicht so wichtig. Allerdings müssen wir jetzt langsam los."

Remus warf einen Blick auf die Kutschen. Eine Hand voll war schon abgefahren. In andere wiederum stiegen noch Schülerinnen und Schüler zu. Er begann sich zu fragen, wie lang er wohl einfach nur so dagestanden und gegrübelt hatte. Vor wenigen Augenblicken waren sie doch nur zu dritt gewesen. Wie waren so schnell all die anderen gekommen? Manchmal war es schon erschreckend, wie schnell die Zeit verging, ohne es selbst mitzubekommen.

"Schade, dass ihr schon gehen müsst", meinte er mit gedämpfter Stimme unter seinem Schal hervormurmelnd, unterdessen er die beiden Freunde mit seinem Blick fixierte. "Aber ich hoffe, dass es für euch erträglich wird. Wenn ihr wollt, dann schreibe ich euch."

Die beiden Schwarzhaarigen sahen sich gegenseitig einige Sekunden schweigend an, bevor Andromeda zu sprechen begann.

"Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Sie fragen uns sicherlich woher die Post kommt. Wir wollen dir keinen Ärger über die Ferien machen. Und ob wir Zeit zum Schreiben finden ist auch zweifelhaft..."

Sie wollte zu weiteren Erklärungen und Entschuldigungen ausholen, doch Remus schüttelte nur sacht den Kopf.

"Schon in Ordnung", murmelte er unter dem Schal hervor. "Das verstehe ich voll und ganz. So lang ist es ja auch nicht bis Neujahr. Ich denke das geht auch so."

Die drei Freunde besahen sich stumm, unterdessen weitere Junghexen und -zauberer in die Kutschen stiegen. Severus und Andromeda schienen nicht so recht verabschiedende Worte zu finden, also beschloss der Braunschopf dies in die Hand zu nehmen. Sacht lächelte er, auch wenn die beiden es nicht sehen konnten.

"Vielleicht solltet ihr langsam gehen. Es ist schon spät. Der Zug geht bald. Ich wünsche euch schon mal fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch. Kommt gesund wieder, ja?"

Die beiden nickten synchron.

"Ja das machen wir", erwiderte Andromeda etwas zögerlich. "Und pass du auf dich auf, ja? Und auf Lily. - Sie freut sich sicher, wenn du da bist, wenn sie aufwacht. Besser als allein zu sein."

Der Gryffindor nickte ihr bestätigend zu.

"Mach ich. Keine Sorge."

Wieder trat kurzes Schweigen ein, doch dann rang sich Andromeda dazu durch Remus kurz zum Abschied zu umarmen. Dieser tat es ihr natürlich gleich. Der kurze Moment des wärmenden Körpers an sich, verdeutlichte ihm, wie kalt ihm eigentlich schon geworden war. Langsam sollte er wirklich wieder ins Schloss gehen, sonst würde er wohl erfrieren und Lily bald dauerhaft Gesellschaft leisten können. Als die Dunkelhaarige von ihm abließ, sah er zu Severus. Dieser stand da und wartete einfach nur. Von selbst würde er sich wohl kaum rühren. Der Gryffindor sah seinen Gegenüber an. Wie hatte er vergessen können, dass der andere ab und an seine leicht abweisende Maske aufsetzte? Aber was machte das schon? So war der Spross der Snapes eben. Er grinste unter seinem Geschenk.

"Also, macht's gut."

Wieder nickten die Abreisenden. Sie wandten sich um und gingen zu einer der Kutschen. Andromeda warf dem Jüngsten der Lupins noch einen letzten Blick zu, woraufhin dieser ihr kurz wank. Kurz darauf verschwand sie in der Droschke - dicht gefolgt vom Slytherin, der sich nicht noch einmal umwandte. Es dauerte nicht lang und zwei weitere Schüler stiegen ein. Nur wenig später fuhr das Gespann dann auch schon los. Remus sah ihm hinterher und seufzte leise, lächelte aber. Es machte ihn zwar traurig, dass seine Freunde nun fort waren, aber er hatte ja immerhin die Gewissheit, dass sie wiederkommen würden.

Als die Karosse mit den unsichtbaren Zugtieren verschwunden war, wandte er sich langsam ab und wollte ins Schloss zurückgehen, als ihn einem ihm leider nur zu bekannte Stimme zurückhielt.

"Fiffy ist bei dem Sauwetter unterwegs? Dann kann es noch nicht kalt genug sein, wenn sich so ein Köter nach draußen traut."

Der Erstklässler sah auf. Einige Meter von ihm entfernt standen Lucius und sein Gefolge. Als er sie sah, war ihm kurzzeitig das Blut in den Adern gefroren, doch seltsamerweise dauerte dieser Zustand nur wenige Sekunden an und war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Er dachte an die Szenerie, welche sich in der Eingangshalle ereignet hatte, an die Pein, mit der der Nachwuchs der Familie Malfoy ihn gestraft hatte. Doch seltsamer Weise, konnte er ihm in diesem Moment nicht böse sein. Nicht einmal für die bissigen Kommentare. In just diesem Augenblick hingen seine Gedanken an dem Gelesenen. Lessing. Seine Grübeleien. Der Schluss, dass alle Erwachsenen nur so etwas ähnliches wie faule Früchte waren. Er schmunzelte, als er die Slytherins vor den Kutschen standen sah.

"Ihr fahrt?", fragte er, wenn auch nur rethorisch.

Langsam setzte er sich in Bewegung, ging auf die Gruppe zu. Mit den Augen ließ er den Platinblonden nicht mehr los. Er bohrte seinen Blick in den unnahbaren des Anderen.

"Dann fröhliche Weihnachten und gutes Neues", meinte der Gryffindor mit leicht kühlem Unterton.

Ohne auf eine Reaktion zu warten, ging er weiter - die verdutzten Gesichter hinter sich lassend. Er begann leicht unter dem Schal zu grinsen.

,Langsam lerne ich dazu.'
 

Es hatte einige Zeit gedauert bis Remus das Treppenhaus hinter sich gelassen hatte. Nun streifte er durch die beleuchteten Gänge. Ein leises Gähnen stahl sich über seine Lippen. Es war schon später geworden, als er eigentlich angenommen hatte. Unten auf dem Hof war es ihm gar nicht bewusst geworden. Leicht lächelte er und schlenderte den Korridor entlang. Eigentlich hätte er es sich denken können. Natürlich feierten Blacks, Malfoys, Snapes und all die anderen - oder zumindest einige - zusammen. Natürlich würde der vermeintliche Schönling nicht umhinkommen nach hause zu fahren. Zumal sie ja alle von diesem bösen, bösen Vampir namens Remus Johnathan Lupin wegwollten. Das Grinsen wurde breiter. Wirklich ein ausgezeichneter Tag. Ferien ohne Malfoy. Weihnachten ohne Malfoy. Silvester ohne Malfoy. Schule ohne Malfoy. Perfekt. Besser ging es gar nicht. Nur Sirius, James, Peter und er. Da gab es wenig dran auszusetzen. Er seufzte leider. Nur schade, dass Andromeda und Severus hatten gehen müssen. Und dass es Lily so schlecht ging. Wären diese beiden Fakten nicht gewesen, hätte man es fast als perfekt bezeichnen können. Er gähnte abermals. Zumal noch diese steigende Träglosigkeit. Spätestens morgen früh würde er sich kaum mehr aus dem Bett erheben wollen noch können. Am Abend war Vollmond. Na ob er den heil überstand? Sicherlich. Gut - einige Kratzer würde er sicher wie immer abbekommen, aber ansonsten? Da fiel ihm ein, dass er ja noch immer ein paar Bücher aus der Hütte hatte, die er schon lange aus Langeweile gelesen hatte. Langsam sollte er sie wirklich wieder zurückschaffen. Und ein wenig neue Lektüre für die Ferien war sicher auch nicht schlecht. Wer weiß - vielleicht fand sich in einem der Bücher ja etwas Nützliches, was er Severus, Andromeda oder Lily schenken konnte. Irgendetwas brauchte er für die drei auf jeden Fall. Nur was war die Frage. Aber darüber konnte er sich auch noch später den Kopf zerbrechen, wenn er bei Lily gewesen war und dann wieder in seinem Bett lag. Vor dem Schlafen fielen einem doch bekanntlich die besten Dinge ein, oder etwa nicht?

Er bog um die nächste Ecke und fand sich vor zwei riesigen Türen wieder. Ein wenig irritiert blickte er einmal nach oben und wieder nach unten. Wie hatte er es nur geschafft so schnell anzukommen? Es war ihm wirklich ein Rätsel. Etwas verwirrt kratzte er sich am Hinterkopf.

,Vielleicht sollte ich doch nicht mehr so viel denken. Ich krieg ja gar nicht mehr mit, was um mich herum passiert oder wo ich bin...'

Er seufzte leise. Alte Angewohnheiten legte man nur schwer ab. Leicht kopfschüttelnd, öffnete er die Tür und ging nach drinnen. Leise schloss er hinter sich und sah sich im Raum um. Am Ende des Raumes brannten einige Kerzen. Ansonsten war es im Krankenflügel recht dunkel. Kein Wunder. Außer Lily gab es hier zurzeit keine Patienten. Gut so. Langsam setzte er sich in Bewegung und durchquerte den Raum. Von Madame Pomfrey war weit und breit nichts zu sehen, aber das störte ihn nicht weiter. Er näherte sich dem Bett der Freundin. Bei ihr am Fußende angekommen, hielt er zunächst inne und besah sie sich. Der Kerzenschein ließ sie blass erscheinen. Immer wieder fackelte der Schein der Flamme in ihrem Gesicht. Fast schon zögernd überwand er den letzten Meter bis zum Stuhl, auf welchen er sich jedoch nicht niederließ. Er blieb stehen und sah auf das Mädchen hinab. Einen kleinen Stich verursachte ihr Anblick ihm schon. Er hatte gehofft sie in besserer Verfassung zu sehen, doch seit seinem letzten Besuch hatte sich nicht viel getan. Sie sah nicht schlechter aus, das nicht, aber eine deutliche Verbesserung konnte er auch nicht feststellen. Er ergriff die Hand Lilys und drückte sie leicht. Eines Lächelns konnte er sich nicht verwehren. Wenigstens hatte sie eine normale Körpertemperatur zurück. Immerhin etwas. Zaudernd holte er seine andere Hand unter dem Umhang hervor und strich vorsichtig einige störende Strähnen aus dem Antlitz der Schlafenden. Er lächelte noch ein wenig mehr. Langsam ließ er sich in den Stuhl hinter sich sinken - zog ihn dabei mit einem Fuß leicht heran - ohne dabei die Hand des Rotschopfes loszulassen. Mit dem Daumen strich er leicht über den Handrücken, bevor er auch seine zweite Hand um die der Verletzten schloss. Er sah hinauf in ihr Gesicht und schwieg einige Augenblicke, bevor das Lächeln erneut auftauchte.

"Weißt du, heut ist ein guter Tag. Lucius ist nach hause gefahren. Endlich lässt er mir mal meine Ruhe. Jetzt hab ich genügend Zeit für dich. Keine Angst. Du wirst sicher bald wieder gesund. Da bin ich mir ganz sicher. Madame Pomfrey meinte, dass es nicht lang dauern kann, bis du wieder bei Bewusstsein bist. Ich hoffe, dass das schnell passiert. Wenn nicht, dann verpasst du doch Weihnachten. Und das willst du doch nicht, oder? Andromeda und Severus sind leider auch heim gefahren, aber sie wollen auch, dass es dir bald wieder besser geht. Sie wären auch lieber hier geblieben, glaub mir. Da fällt mir ein: sie haben mir schon euer Geschenk gegeben. Danke. Der Schal ist wirklich toll. Aber ihr hättet euch meinetwegen wirklich keine Umstände machen müssen. So wichtig bin ich auch nicht. - ... - Aber ich bin euch trotzdem dankbar. Er ist wirklich schön. Und wie viel Mühe ihr euch gegeben habt... Ich weiß nicht, wie ich mich bei euch erkenntlich zeigen kann."

"Das musst... du nicht..."

Remus verstummte. Überrascht sah er auf Lily hinab. Diese hatte die Augen ein wenig geöffnet, sah ihn an und lächelte dabei ein wenig.

"L-Lily, d-d-du... ", ihm fehlten die Worte. "Lily!"

Er drückte ihre Hand ein wenig fester. Am liebsten wäre er ihr um den Hals gefallen, doch in ihrem Zustand war es wohl das Schlechteste beziehungsweise Dümmste, was er hatte tun können.

"Hallo... Remus...", brachte sie mit leise, leicht kratzender Stimme nur bruchstückhaft hervor. "Du bist... kalt... deine Hände..."

"Ich - Entschuldige. Ich war draußen."

Er wollte schon von ihr ablassen, doch ein angedeutetes Kopfnicken reichte aus, um ihn auf der Stelle verharren zu lassen. Er spürte einen schwachen Gegendruck und verstand. Leicht lächelte er und schloss seine Hände um die der Erstklässlerin.

"Wie geht es dir?"

"Geht so...", murmelte sie.

Der Jüngere nickte leicht.

"Ich verstehe. Du solltest lieber nicht reden. Du musst dich ausruhen. Damit du schnell gesund wirst und mit uns feiern kannst."

Er lächelte leicht, doch der Rotfuchs sah ihn leicht fragend an.

"Mit uns meine ich James, Peter, Sirius und mich", antwortete er auf ihre nicht gestellte Frage.

Ihre Augen funkelten spöttisch, als sie die Namen der anderen hörte. Mit den anderen feiern? Für sie würde es sicher die Hölle auf Erden werden. Vor allem mit den Spross der Potters. Remus lächelte milde.

"Bitte Lily. Sei nicht sauer. Aber ich denke ihr solltet euch langsam vertragen. Und da im Moment wenig Schüler im Schloss sind und Weihnachten nah ist, da bietet es sich doch an."

"Warum?"

Stirnrunzelnd sah er auf sie. Diesmal schien er nicht ganz zu verstehen.

"Warum sind... wenig Schüler... im Schloss?"

Für einige Zeit trat Stille ein. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet, auch wenn er es hätte tun sollen, lag sie ja immerhin auf der Hand.

"Ich... Es ist wegen dem Weihnachtsball... Ich fang von vorn an, ja?"

Gedankenversunken strich er weiter über ihre Hand und legte sich ein paar Sätze zurecht. Er starrte aus dem nahen Fenster. Langsam begann er zu sprechen.

"Du warst weg... Und ich hab dich gesucht... Irgendwann hab ich dich dann blutüberströmt auf der Mädchentoilette gefunden. Du sahst... Ich hab gedacht du bist... tot... Mein Herz ist regelrecht stehen geblieben. Ich... Ich hab dich in die Eingangshalle gebracht. Weiter hab ich es nicht geschafft... Severus und Andromeda kamen dann. Andromeda hat Hilfe geholt und Severus sich um dich gekümmert... Und dann kamen die anderen. Sie... Also... Sie denken noch immer - oder schon wieder - dass ich der Vampir bin. Und da niemand mit einem Vampir unter einem Dach leben will, weil er sie ja jede Nacht anfallen könnte, sind die meisten nach hause gefahren... Deswegen sind so wenige da. Eine Hand voll..."

Erneute Stille, aber diesmal bedeutend kürzer.

"Aber... du warst... es doch... gar nicht..."

Der Schüler wandte ihr seinen Blick und somit seine volle Aufmerksamkeit wieder zu.

"Aber das glauben sie mir nicht. Nicht ohne dich... Wer hat dich... Kannst du mir sagen, wer dir das angetan hat?"

Lily schüttelte sachte den Kopf.

"Tut mir leid", brachte sie mit krächzender Stimme heraus.

Remus griff nach einem nahen Glas und setzte es vorsichtig an ihre Lippen. Sie nahm zwei Schlücke, bevor ihr Gegenüber das Wasser wieder beiseite stellte. Sie lächelte kurz dankbar, fuhr dann jedoch fort.

"Ich habe niemanden... gesehen..."

"Was ist denn genau passiert?", hakte er weiter nach.

"Ich... stand vor dem... Spiegel. Wollte mich... etwas abkühlen. Aber dann... hat mich jemand... von hinten... gepackt. Ich habe... niemanden ges-... gesehen. Der ... Spiegel war leer! Es ging... zu schnell..."

Sie sah ihn entschuldigend an, doch er konnte nur leicht verneinen. Es war nicht ihre Schuld. Ganz und gar nicht. Was konnte sie dafür, dass ein Vampir sie angriff? Natürlich hatten Vampire kein Spiegelbild. Dafür, dass sie ihn also nicht gesehen hatte, musste sie sich nun wirklich keine Vorwürfe machen. Es war nun einmal so gewesen. Unabänderlich.

"Gefällt dir... der Schal...?"

Remus blinzelte sie ein wenig konfus an, bestätigte jedoch und lächelte sanft.

"Ja. Er ist wunderschön. Danke. Das hättet ihr wirklich nicht tun müssen."

"Doch", widersprach sie. "Du läufst... immer ohne herum. Du wirst... noch krank..."

Der Jüngere lächelte und nahm das Geschenk ab, wodurch er noch verdutztere Blicke erntete. Behutsam legte er der Verletzten den Schal um den Hals und die Enden auf den Brustkorb, bevor er sie wieder wärmend zudeckte.

"Was...?"

"Im Moment brauchst du ihn nötiger als ich. Sev und Ann meinten, dass er mit ein paar Heilsprüchen versehen ist. Ich denke dass er für dich genau das Richtige ist. Mit einem Schnupfen werde ich schon fertig, aber du kannst jede Hilfe gebrauchen. Ich will, dass du zu Weihnachten wieder gesund bist. Du behältst ihn solang um, bis du wieder eigenständig auf zwei Beinen stehen kannst. Und ich will keine Widerworte hören, klar?"

Der verwunderte Ausdruck auf Lilys Gesicht hatte sich zu einem verschmitzten Grinsen abgewandelt.

"Du hörst... dich an wie... mein Vater..."

Auf diesen Kommentar hin, konnte Remus nicht anders, als zu lachen. Die junge Evans schmunzelte ihn nur weiter an.
 

"Au..."

Remus zuckte leicht zusammen, als er die ziepende Wunde an seinem Bauch spürte. Langsam atmete er ein und wieder aus. Er sah sich um. Durch die vernagelten Fenster sickerte helles Tageslicht herein. Er seufzte leise. Sein Blick wanderte durch das Zimmer. Wie es aussah hatte er sich in der letzten Nacht ausnahmsweise mal zurückgehalten. Wenigstens etwas. Nichts desto trotz war ihm ohne Klamotten trotzdem eisig kalt. Die letzten Stofffetzen lagen auf dem Boden, auf welchem er im Moment saß, verstreut. Er brummte gedämpfte und stand auf. Leise keuchend schleppte er sich durch den Raum. Die Verletzung am Bauch war wohl tiefer, als er zunächst gedacht hatte. An einer anderen Stelle des Zimmers, ließ er sich wieder auf die Knie sinken. Er schob den Teppich beiseite. Eine kleine Luke kam zum Vorschein, welche er öffnete und aus welcher er seinen Zauberstab zutage förderte. Er hatte ihn letzte Nacht vorsichtshalber dort verstaut. Das letzte Mal war er nur knapp nicht zu Bruch gegangen, hatte er sich noch kontrollieren können. Dieses Mal hatte er es nicht riskieren wollen. Er richtete alles wieder so her, wie es war und stand auf. Ein kurzer Schwenk mit dem Zauberstab und einen Spruch später, fand er sich voll bekleidet im Raum wieder. Er lächelte leicht und steckte den Stab ein. Langsam und gemächlich verließ er das Zimmer und machte sich auf den Weg zum Lesesaal oder auch Wohnzimmer. Je nachdem, wie man es deuten oder auch bezeichnen wollte.

Dort angekommen, ging er zum Bücherregal. Schon am Abend hatte er sich einige Bücher ausgeguckt, welche er hatte mitnehmen wollen. Nun musste er sie nur noch wieder finden. In ihnen hatte er auch eine Hand voll Anregungen für die Geschenke, die er seinen Freunden machen würde, gefunden. Allerdings durfte er sich nicht allzu lang damit beschäftigen. Heute war bereits der Zweiundzwanzigste. Weihnachten kam unaufhaltsam näher. Ob er die Schenkungen bis dahin fertig haben würde, das war eine andere Frage. Im Moment zweifelte er noch sehr daran, war er ja nicht der Allerschnellste. Er war weiß Gott nicht langsam, aber er tat sich mit den Entscheidungen dafür umso schwerer. Sein Blick eilte über die Titel. Wo hatte er die Bücher nur gelassen? Zwei hatte er immerhin schon gefunden, allerdings war dies seine eigene Lektüre bis zum nächsten Vollmond. Die wichtigeren Werke hatte er noch nicht gefunden. Er las die Letter auf den Buchrücken, wurde aber nicht wirklich fündig. Gedanklich begann er langsam, aber allmählich zu fluchen. Dabei waren doch so gute Ideen dabei gewesen. Vor allem für Andromeda und Severus hatte er etwas Passendes gefunden. Bei Lily war er noch etwas unschlüssig. Aber das half auch nicht im Augenblick, wenn er die Wälzer nicht mehr fand.

,So schwer kann das doch nicht sein. Das eine war giftgrün und das andere blau. Und das Dritte...? Ich weiß es nicht mehr. Mist.'

Er seufzte tief. Einige Schritte trat er zurück und begann nach einem anderen Kriterium zu suchen. Wenn er direkt nach Farben ging, dann war es einfacher, als wenn er nur die Titel suchte. Und tatsächlich. Er hatte Glück. Die blaue und die grüne Publikation fand er nach einer knappen Viertelstunde, doch die letzte fand er nicht. Doch auch zum Suchen blieb ihm nicht wirklich die Zeit. Es war schon spät. Langsam musste er ins Schloss zurück. Immerhin gab es bald Essen und die Jungs würden ihn sicher vermissen, hatte er gesagt, dass er Lily heute über Nacht besuchen würde und früh zu ihnen stieß. Der Rothaarigen wiederum hatte er beichten müssen, dass er leider nicht zu ihr kommen konnte. Und da die Gryffindors die Verletzte ohne ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so schnell besuchen würden - hatte er ihnen weis gemacht, ihr ginge es noch ziemlich schlecht und sie brauchte Ruhe, was ja genauso genommen auch stimmte - war sein kleines Geheimnis auch für dieses Mal gewahrt geblieben. Glücklicherweise musste er sich nun erst wieder im Januar Gedanken darüber machen, wie er sich herausreden konnte, aber bis dahin war noch viel Zeit. Eine gesamte Mondphase. Bis dahin würde sich sicherlich etwas ergeben.

Einige Sekunden lang besah er sich die Bücher. Sein Blick glitt über das Regal. Es war unmöglich das letzte Lektürestück noch rechtzeitig zu finden. Er würde sich wohl oder übel etwas einfallen lassen müssen. Vielleicht würde es schwer werden, aber irgendwas konnte er sicherlich zustande bringen, davon war er überzeugt. Sich Umhang und Schal anziehen, steckte er die Druckerzeugnisse sicher ein und machte sich auf den Rückweg zum Schloss.
 

Die Große Halle war tatsächlich fast leer. Die Haustische waren verschwunden. Es stand ein riesiger Tisch in der Mitte des Saales, wo ein Hufflepuff saß und mit seinem kleinen Kauz spielte. Der Lehrertisch war zur Zeit noch verwaist. Anscheinend waren nicht genügend Schüler da, als dass es sich lohnte alle Tische stehen und sich decken zu lassen. Eine Tafel - oder auch zwei, nahm man die der Lehrer extra - war wesentlich einfacher zu decken, als ein gesamter Saal. Mit gemächlichen Schritten, ging der Gryffindor auf die noch leere Platte zu. Langsam ließ er sich auf der Bank nieder und wickelte seinen Schal ab. Sein Gegenüber hatte aufgesehen und leicht gestockt, als er erkannte, wer da genau gekommen war. Scheu oder auch ängstlich hatte er den Blick gesenkt und beschäftigte sich intensiver, aber auch unruhiger mit seinem Haustier. Remus behielt ihn aus den Augenwinkeln her im Blick, während er sich entkleidete, war es hier drin wirklich warm. Er packte Umhang und Schal zu einem ordentlichen Bündel zusammen und legte es neben sich ab. Draußen hatte wirklich eine Eiseskälte geherrscht. Er war froh gewesen, als er nach scheinbar endlosem Marsch durchs Dunkel und anschließend durch weißes Natursilber endlich wieder im Schloss angekommen war. Sein Besuch auf der Krankenstation war kurz ausgefallen. Eigentlich hatte er Lily ein wenig beschäftigen wollen, aber Madame Pomfrey hatte ihn bereits an der Tür abgefangen und ihm mitgeteilt er solle leise sein, schliefe die Erstklässlerin. Anstatt eines Besuches hatte er also die Zeit genutzt und hatte sich versorgen lassen. Nachdem sein Bauch nicht mehr geschmerzt hatte, war dieser Tag gleich um einiges erträglicher gewesen. Ursprünglich hatte er nach seinem Abstecher in den Krankentrakt noch in den Gryffindor-Turm gewollt, hatte sich dann jedoch anders entschieden, war es schon spät gewesen. Genau genommen hatte er erwartet, dass James und die anderen schon hier saßen und sich den Bauch vollschlugen, doch dem war nicht so. Wie es aussah war er um einiges zu früh dran. Aber noch einmal nach oben gehen lohnte nicht. Wartete er hier, würden die anderen mit der Zeit schon von selbst kommen, wenn der Hunger sie antrieb.

Bei diesem Gedanken konnte er sich ein Schmunzeln nicht vertreiben. Ja - mit Essen konnte man sie locken. Vor allem Sirius. Ab und an verschwand dieser ja des Nachts. Remus hatte inzwischen gelernt zu wissen, wann es so weit war. Spätestens wenn das Knurren des Magens des Älteren so laut geworden war, dass man davon selbst aus dem eigenen Schlaf erwachte, schlug der Spross der Blacks die Decke zurück und trottete aus dem Schlafsaal, Richtung Küche. Manches Mal erwischte er ihn auch, wenn der Dunkelhaarige zurückkam und sich zufrieden den Bauch rieb. Dies lies den jungen Lupin lächeln, war es immer wieder ein Bild für die Götter. Ein zufriedener Sirius, satt, glücklich und voll in seinem Element. Konnte man Essen eigentlich als Hobby bezeichnen? Wenn, dann hatte Sirius' ein recht Eigenwilliges. Und man sah es ihm noch nicht einmal an. Einfach nur zu beneiden.

,Aber solche Probleme hab ich im Moment nicht.'

Sein Blick wanderte nach oben zur Decke. Das Schneetreiben nahm zu. Er seufzte leise und fuhr mit seinem Zeigefinger über die Tischplatte, wobei er immer wieder kleine Kreise drehte. Er langweilte sich sichtlich. Er sah seinen Gegenüber an. Als sich ihre Blicke trafen, zuckte dieser erschrocken zusammen und sah beiseite. Genervt grummelte der Erstklässler. Er hätte dem anderen nur allzu gern lang und ausführlich erklärt, dass er kein Vampir war - da er ja schon ein Werwolf war und das somit herzlich schlecht ging - aber dieser würde ihm ohnehin nicht glauben. Es war sinn- oder auch zwecklos. Also wieso erst groß Mühe geben? Dazu verspürte er dieser Tage wirklich keinen Drang. Er wollte nur noch entspannen, solang die Schule ihm mehr oder weniger allein gehörte.

"Remus, da bist du ja."

Der Gerufene sah auf. Sirius, James und Peter passierten das Eingangsportal der Großen Halle und steuerten auf den Tisch zu. Fröhlich lächelnd ließen sie sich bei ihm nieder. Der Hufflepuff hatte sich selbst ans andere Tischende verdrückt, schien er mit dieser Verschwörung nichts zu tun haben zu wollen. Remus musterte die anderen. Sie waren eingeschneit. Der weiße Schnee fiel bei jedem ihrer Schritte teilweise zu Boden und wurde von ihnen breit getreten. Stirnrunzelnd betrachtete der Nachwuchs des Hauses Lupin sie.

"Was habt ihr draußen getrieben?"

"Quidditch gespielt", gab James breit grinsend zurück und zog - wie auch die anderen - seinen Umhang aus.

"Bei der Kälte?", fragte Remus ungläubig, war es immerhin nicht normal bei Minusgraden durch die Lüfte zu sausen, oder etwa doch?

"Bei der Kälte", bestätigte der Schwarzschopf und grinste weiter. "Das macht wenigstens warm. Und so geht die Zeit schneller vorbei."

"A-also w-warm bez-z-zweifle ich", brachte Peter zähneklappernd hervor.

Den nassen Mantel hatte er zwar ausgezogen, doch darunter trug er noch einige Schichten. Nichts desto trotz sah ihr Kleinster steifgefroren und halb blau aus. James stieß leicht spöttisch die Luft aus.

"Du bist ja auch in einem Schneckentempo geflogen. Kein Wunder, dass dir da kalt ist."

"Ich kann h-halt nicht sch-schneller", brummte der Blonde ein wenig beleidigt.

"Lasst das Jungs", warf Sirius ein, wollte er zu dieser Tageszeit keinen Streit. "Außerdem, Jamie. Deine Finger sind auch ganz steif. Du hast dich vorhin zur Genüge bei mir ausgelassen, dass sie dir sicher bald absterben und wie grausam kalte Finger doch sind. Oder verwechsle ich da gerade etwas?"

"Kannst du auch einmal still sein, Sirius?"

Der Gefragte begann zu Lächeln. Es war ein Lächeln, was so viel hieß wie "Ich kann doch keiner Fliege was zu leide tun. Ich bin ganz unschuldig. Was denkst du denn bitte von mir? Ich bin dein kleiner Sonnenschein und Engel." Kurz darauf folgte ein rasches Kopfschütteln, was James aufstöhnen ließ. Wie hätte es auch anders sein können? Natürlich konnte Sirius es nicht lassen. So war er eben. Remus konnte die ganze Sache nur beschmunzeln. Wie hieß es doch so schön? Was sich liebt, das neckt sich.
 

"Du sitzt ja immer noch da. Es ist spät, Remus. Willst du nicht langsam schlafen gehen?"

Der Angesprochene sah müde auf. Sirius war die Treppe, welche zu den Jungenschlafsälen führte, heruntergekommen und durchquerte den Gemeinschaftsraum. Remus selbst saß am Kamin und blätterte in einem Buch. In seinem Schoß lag noch ein Weiteres, doch dieses hatte er anscheinend schon zur genüge durchgearbeitet, ragten hier und da kleine Schnipsel heraus, die bestimmte Seiten markierten.

"Ich kann noch nicht", gab er lahm und verzögert zurück. "Ich such noch nach Geschenken. Ich find die Stelle aber nicht mehr."

Sirius seufzte leise und ließ sich in den Sessel neben dem Kleineren sinken. Der Sprössling der Lupins spürte den Blick des anderen auf sich ruhen, sagte jedoch nichts und las weiter. Einige Zeit verging still, in der der Neuankömmling nichts sagte und wohl - so vermutete der Brünette - seinen Gedanken nachging. Doch nach mehreren Minuten ertönte ein weiteres Seufzen.

"Remus... Kannst du das nicht morgen machen? Es ist nicht gut, wenn du so lang aufbleibst."

"Ich hab kaum noch Zeit. Ich muss, Sirius. Außerdem, warum bist du überhaupt noch wach?", gab er zurück ohne sich wirklich stören zu lassen.

"Hm? Warum ich...? Ich weiß nicht. Ich konnte nicht schlafen."

Nun sah der Jüngere doch auf. Leicht irritiert musterte er den anderen Erstklässler.

"Du konntest nicht schlafen? - ... - Warum nicht?"

Der junge Black zuckte mit den Schultern.

"Ich weiß es auch nicht... Ich mache mir einfach nur Sorgen um Andromeda. Mehr nicht..."

"Um Ann? Und warum? Ich versteh nicht ganz. Um diese Uhrzeit bin ich nicht mehr ganz so schnell."

Sirius schmunzelte leicht, verkniff sich aber einen Kommentar, fuhr dafür relativ sachlich fort, um das Thema nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

"Es tut mir leid, dass ich nicht mit ihr fahren konnte. Ich meine... Sie muss mit ihrer Familie feiern. Mit meiner. Und mit... naja, den Malfoys und so... Du weißt schon."

Remus nickte und schlug das Buch zu - signalisierte so, dass er dem anderen voll und ganz zuhörte.

"Das wird sie mir ewig vorhalten... Sie ist sicher sauer... Aber ich wollte wirklich nicht nach hause. Das muss ich mir echt nicht antun."

"Hm..."

Remus grübelte ein wenig. Dachte über die Worte des Dunkelhaarigen nach. Nach einem kurzen Augenblick atmete er kurz ein und aus und sprach.

"Ich denke nicht, dass sie sauer sein wird. Severus ist ja mitgefahren. Das wird schon irgendwie."

Verächtlich stieß Sirius die Luft aus und funkelte seinen Freund - amüsiert, aber auch fast schon drohend und für verrückt erklärend - an.

"Severus?", begann er langsam. "Remus... Ich weiß inzwischen, dass Severus kein zu schlechter Kerl ist. Nicht zuletzt dank dir. Aber... Der Severus, den du kennen gelernt hast und der, der zuhause lebt... Das sind zwei vollkommen verschiedene Welten. Glaube mir. Severus ist um sein eigenes Seelenheil mehr besorgt, als um das Andromedas. Wenn er sich entscheiden muss, dann hält er zu seinen Eltern. Immerhin muss er es mit ihnen öfter und länger aushalten, als mit meinem Cousinchen. Er wird ihr keine große Hilfe sein. Glaube mir."

Remus' Mundwinkel zuckten leicht.

"Ach ja...? Ich denke du bist der, der irrt. Severus ist kein schlechter Mensch. Du hast einfach nur deine Vorurteile. Er wird schon auf sie aufpassen. Er ist zuverlässig genug. Ich vertraue ihm. Voll und ganz."

"Mag schon sein, Remus. Aber es ist Fakt, dass-"

"Dass du mich nicht verstehen willst", unterbrach ihn der Jüngere und funkelte ihn leicht gereizt an. "Hör zu. Es ist zu spät um das mit dir ernsthaft auszudiskutieren. Dafür habe ich heute wirklich nicht mehr den Nerv. Ich habe verstanden, was du mir sagen willst, aber ich glaube dir in dem Punkt nicht. Ganz einfach. Belass es dabei. Du kannst mir weder beweisen, dass du Recht hast, noch das ich Recht habe. Ich weiß, dass du dir um Andromeda Sorgen machst, aber belass es einfach dabei, ja? Ich will mir über nicht noch mehr Dinge Gedanken machen. Mir schwirrt schon so viel zu viel im Kopf herum. Also bring mich bitte nicht auch noch zum Zweifeln. Außerdem ist bald Weihnachten. Belass es einfach dabei. Ich will mich nicht mit dir wegen so etwas verkrachen... Ja? Geh schlafen und lass mich in Ruhe weiterlesen. Das ist das Beste im Moment."

Schweigend sahen sie sich an, bis sich Sirius erhob. Mit einem festen, aber nachgebendem "Gute Nacht" verabschiedete sich der Ältere und verschwand dorthin, woher er gekommen war. Remus seufzte leise und schlug das Buch wieder auf. Er las die Überschrift. Warum war der Schwarzschopf eigentlich genau dann gekommen, als er über dessen Geschenk gebrütet hatte? Seltsame Zufälle gab es schon. Er schlug die Lektüre wieder zu und starrte in das noch immer prasselnde Kaminfeuer. Innerlich hoffte er, dass der Erstklässler es ihm nicht übel nahm, war sein Ton schon relativ schroff gewesen.

"..."

Remus seufzte schwer, schloss die müden Augen und rieb sich diese leicht.

"Vielleicht sollte ich doch schlafen gehen..."
 

Sonne flutete durch die vereisten Fenster, brach sich dabei an diesen und warf hier und da vereinzelte kleine Regenbögen auf den Boden. Das Schneetreiben hatte sich im Laufe der Nacht gelegt. Draußen funkelte das weiße Silber und schmolz leicht in der wärmenden Wintersonne - allerdings nur sie oberste Schicht, sodass die Landschaft zwar herrlich berauschend war, trotz dessen jedoch eine Gefahr für jeden Spaziergänger darstellte. Im Gryffindor-Turm war es still. Seine letzten verbliebenen Bewohner schliefen noch. - Doch nicht alle. Remus war bereits seit einiger Zeit auf. Zwar war er erst sehr spät ins Bett - er hatte in der Nacht noch gewartet, wollte er nicht gleich nach Sirius nach oben gehen, hatte er wirklich keinen Bedarf gehabt mit diesem über das Erzählte zu sprechen - war jedoch putzmunter aufgewacht, hatte das Buch weiter gewälzt, sich Notizen gemacht und war nun dabei sich fertig anzuziehen, damit er sich in die - wie bereits erwähnt - schöne, aber heimtückische Natur stürzen konnte. So leise wie möglich wuselte er durch den Schlafsaal, um die anderen nicht zu wecken. Fertig angezogen und gut verpackt, wickelte er noch schnell den Schal um und ging dann zur Tür. Er war schon im Begriff sie zu öffnen, als eine gedämpfte Stimme ihn zurückhielt.

"Wo willst du hin?"

Langsam wandte sich der Braunschopf um und erspähte Sirius, der gähnend und sich durch die Haare wuschelnd im Bett saß. In ihm zog es sich leicht zusammen. Wenn man vom Teufel sprach...

"Spazieren", gab er als geflüsterte Antwort von sich.

"Warte, ich komm mit."

Und schon kam Bewegung in die Sache, noch bevor der Jungzauberer etwas sagen konnte. Leicht rat- und tatlos stand er da und sah zu, wie sich der andere schnell aus dem Bett pellte, sich einen Klamottenhaufen schnappte und damit im Bad verschwand. Leises Wasserrauschen wurde laut. Remus wusste nicht so recht, was er tun sollte. Eigentlich hatte er allein gehen wollen, wollte er immerhin die Geschenke besorgen. Und nun kam Sirius als Begleitung mit. Das passte ja wie immer wie die Faust aufs Auge. Aber einfach gehen konnte er nun auch schlecht, würde er es sich so sicherlich mit dem anderen verscherzen. Also warum machte er sich einen Kopf darum? Er hatte ohnehin keine andere Wahl. Zudem wusste Sirius ja auch nicht, dass Remus unter anderem für ihn unterwegs war. Und was er - beziehungsweise das er etwas bekam, das wusste der andere auch nicht. Also wieso sollte Remus zu ein wenig Gefolge nein sagen?

In diesem Moment öffnete sich die Badezimmertür. Der Spross der Blacks war in voller Montur. Selbst Umhang, Schal und Handschuhe trug er. Er kam auf den Jüngeren zu und lächelte.

"Meinetwegen können wir."

Remus nickte nur leicht, wandte sich um und öffnete endlich die Tür. Mit bedächtigen Schritten ging er nach draußen, schliefen James und Peter ja noch immer. Sirius selbst folgte und zog die Tür leise hinter sich zu. Gemeinsam stiegen sie die Treppenstufen nach unten. Im Gemeinschaftsraum angekommen, brach der Größere das Schweigen.

"Entschuldige wegen gestern. Das war dumm von mir."

Der Braunschopf schüttelte nur den Kopf leicht und lächelte unter seinem Schal, auch wenn sein Freund es nicht sehen konnte.

"Schon in Ordnung... Lass es auf sich beruhen, ja?"

"Hm... Wie du willst."

Sie stiegen durch das Porträtloch nach draußen auf den Gang und setzten ihren Weg Richtung Treppenhaus fort.

"Wohin willst du eigentlich?", fragte Sirius neugierig und sah Remus von der Seite an.

Dieser zuckte nur mit den Schultern und schmunzelte weiter. Es war interessant zu sehen, wie schnell Sirius' Stimmung umschlagen konnte. Und nicht nur das. Er wusste nicht wie, aber es war ihm tatsächlich ein Rätsel, wie man innerhalb von nur fünf Minuten vollkommen wach und geistig da sein konnte. Und dann auch noch gut gelaunt. Bei ihm selbst dauerte es schon eine geraume Zeit, bis er sich überhaupt aus dem Bett quälte. Aber sein Begleiter war einfach aufgewacht und sofort aus den Federn gesprungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, würde er den anderen wohl nie - oder nur sehr schwer - verstehen.

"Ich will in den Wald", griff Remus den Faden wieder auf, hatte der Energieprotz bereits zur erneuten Frage angesetzt, blickte jedoch nun, da er die Antwort kannte, leicht verdutzt drein.

"In den Wald? Aber ist das nicht gefährlich? Was willst du da?"

"Spazieren gehen. Sagte ich doch schon", meinte er grinsend und nahm die letzte Stufe der Treppe, durchquerte eine Tür und fand sich in der Eingangshalle wieder.

Sirius stieß die Luft aus.

"Und warum gerade im Wald? Der ist doch gefährlich. Was ist, wenn da der Vampir rumschleicht. Oder ein Werwolf? Vorgestern war immerhin Vollmond. Oder irgendetwas anderes?"

Remus' Herz hatte sich leicht verkrampft, als der Schüler auf das Thema Werwolf zusprechen gekommen war, ließ sich jedoch nichts anmerken.

"Du bist doch bei mir und passt auf", meinte er in besänftigendem Ton. "Außerdem: es ist tags. Da laufen keine Vampire herum. Und Werwölfe sind außerhalb des Vollmondes nicht gefährlich."

"Und woher weißt du das?"

"Das ist Allgemeinwissen, Sirius", fuhr er gedehnt fort, auch wenn ihm das Herz bis zum Hals schlug. "So etwas weiß man."

"Und was ist, wenn da irgendwas anderes da drin rumkriecht oder rumläuft? Was dann?"

"Dann hat dich dieses Etwas sicher schon längst aufgefressen, bevor du irgendwas mitkriegst."

Während sie sich unterhielten, öffnete Remus das große Eichenportal und zwängte sich nach draußen. Als Sirius zwischen Tür und Angeln war, hielt der Brünette ihn zurück.

"Du musst ja nicht mitkommen, wenn du nicht willst. Ich kann auch allein gehen."

Er hatte damit gerechnet, dass der andere dies nun tatsächlich in Erwägung zog, doch ohne zu zögern schüttelte Sirius den Kopf.

"Nein, nein. Schon gut. Ich komme ja mit. Ich kann dich ja schlecht allein lassen, oder? Am Ende frisst dich wirklich irgendwas auf."

Remus wurde von Sirius einige Schritte rückwärts geschoben, sodass auch dieser nach draußen treten konnte. Das Eichenportal fiel derweil mit einem dumpfen Ton ins Schloss.

"Also: gehen wir", fuhr Sirius fort, drehte Remus um und ging dann mit diesem weiter.

Der Jüngere war sichtlich irritiert, als er hinter dem anderen hergezogen wurde, folgte aber kompromisslos. Eine ganze Weile gingen sie nebeneinander her, ohne viele Worte zu wechseln. Remus begutachtete die Natur in ihrer vollen Pracht. Neben der Kälte, so konnte er ohne jeden Zweifel sagen, war der Winter wirklich eine fabelhafte Jahreszeit. Die Luft war klar, die Landschaft funkelte und die Sonne besaß eine wohlige Wärme. Sein Blick glitt zum See hinüber. Er schmunzelte, als er das gefrorene Gewässer sah. Wieder stiegen in ihm die Erinnerungen auf, als er mit Severus versucht hatte Schlittschuh laufen zu lernen und es mehr oder weniger im Desaster geendet war. Schon seltsam. Aber aufgeben würde er so schnell sicher nicht. Severus würde es lernen. Ob er wollte oder nicht.

"Willst du Schlittschuhlaufen?", fragte Sirius, hatte er den Blick des Jüngeren bemerkt.

Dieser schüttelte rasch mit dem Kopf und wandte sich wieder dem Wald zu, welcher nach und nach näher rückte. Wie weit sie wohl in das Gehölz vordringen mussten bis er fündig wurde? Hoffentlich nicht allzu weit. Er hatte keine besonders große Lust schlussendlich doch noch Bekanntschaft mit einem Einwohner des finsteren Forstes zu machen. Solche Erlebnisse hatte er in letzter Zeit zur genüge gehabt. Erst traf er Elena, dann tauchte ein Vampir auf und schließlich hatte auch Lucius leichten Verdacht über Remus' wahre Natur geschöpft, überspielte dies jedoch gekonnt. Remus seufzte leise. Nichts desto trotz bereute er es auf so eine dumme Idee gekommen zu sein. Warum hatte er sich nicht etwas anderes einfallen lassen können, was er Severus, Sirius und Peter hatte schenken wollen? Wie dumm hatte er sein können? Und warum hatte er eigentlich nicht Hagrid gefragt, ob er für ihn die Besorgung gemacht hätte? Oder sich bei Novis etwas ausgeliehen? Gut - Letzteres wusste Remus nur leider zu genau zu beantworten. Novis verhehlte seine Abneigung den Schülern gegenüber nicht. Und auch der Junge der Lupins war nicht sonderlich erpicht darauf unnötig Zeit mit dem Zaubertrankprofessor zu verbringen, als unbedingt notwendig. Die Schulstunden reichten ihm voll und ganz aus. Sicher ging er recht in der Annahme, dass er sich bei besagtem Lehrer nicht ohne weiteres etwas hätte borgen können. Bei diesem Erzieher gab es mehr als nur einen Haken. Er wollte doch aus allem seinen Vorteil haben. Innerlich seufzte der Schüler. Nein. Es blieb ihm keine andere Wahl, als sich die Zutaten selbst zu besorgen. Hagrid hatte mit Bestimmtheit genug zu tun und konnte sich nicht auch noch um Remus' Problemchen kümmern, auch wenn der gutherzige Hüne es sicher gern getan hätte.

Am Waldrand angekommen blieb der Gryffindor zunächst stehen und sah sich um. Schon nach wenigen Metern verlor sich das Licht im Dickicht und lies einen dunklen Irrgarten zurück. Auch der helle Schnee auf den Wipfeln der Bäume sorgte nicht sonderlich gut dafür, dass es lichter wurde. Ein beklemmendes Gefühl erfüllte den Erstklässler. Sollten sie wirklich hineingehen? Sein Blick wanderte zu Sirius. Auch dieser wirkte unentschlossen. Ihre Blicke trafen sich. Remus schluckte schwer.

"Also? Willst du noch immer weitergehen?", fragte der Ältere, wobei man einen leichten Unterton mitbekam.

Die Stimme des Freundes klang trocken, gleichzeitig aber auch belegt. Anscheinend gefiel ihm diese Aussicht nicht besonders gut, doch überließ er dem Braunschopf die Entscheidung. Dieser nickte etwas zögernd.

"Ja... Gehen wir. Aber ich würde sagen... Lass uns am Waldrand langgehen, ja?"

Wie erwartet erhielt er ebenfalls ein Nicken zur Antwort. Der Nachwuchs der Blacks wirkte mit einem Mal viel entspannter. Und auch die Atmosphäre zwischen ihnen war wieder leicht gelockert. Ohne weitere Worte gingen sie weiter - nur ein paar Meter hinein, wo es noch Licht gab. Dann wandten sie sich leicht und folgten der Grenzlinie - man konnte es schon fast so bezeichnen - zwischen Licht und Dunkel. Remus sah sich mit wachsamem Auge um. Irgendwo hier musste es sein. Wenn er Glück hatte. Er hoffte inständig darauf fündig zu werden und nicht weiter in den Wald hineingehen zu müssen. Lange liefen sie nebeneinander her. Kaum ein Wort fiel. Ob nun wegen des gestrigen Abends - obgleich sie dies ja schon geklärt hatten - oder wegen dem Wald, in welchem sie sich befanden. Das vermochte der Jüngere nicht zu sagen. Eine gute Stunde waren sie schon unterwegs, doch nichts. Des Öfteren hatte Sirius etwas von umkehren verlauten lassen, doch Remus war immer wieder nicht darauf eingegangen. Im Gegenteil. Nach und nach waren sie nun doch in das Unterholz vorgedrungen. Der Braunschopf hatte sogar seinen Zauberstab gezogen und leuchtete ihnen den Weg mit Lumos. Es wurde immer schwerer voranzukommen, ja tiefer sie kamen. Glücklicherweise war ihnen noch keine Kreatur begegnet, deren Bekanntschaft sie nur allzu sehr bereuen würden. Das Einzige, was Remus sah, waren Mücken - ein Wunder, dass diese bei der Kälte noch nicht erfroren waren - Krabbeltiere, die laut zerknallten, wenn man ihnen zu nahe kam, vereinzelte Vögel, die den Winter hier verbrachten, leuchtendgoldene Gräser, die zusammen mit einigen Blumen auf einer riesigen Lichtung wucherten, ein Reh mit seinem Kitz, das... Moment. Blumen? Goldenes Gras? Abrupt und ohne Vorwarnung blieb er stehen, sodass Sirius direkt in ihn hineinlief.

"Au... Remus... Warum bleibst du auf einmal stehen?"

Doch eine Antwort erhielt er nicht, war der Gryffindor bereits zur Lichtung gestürzt und begann dort zu wüten.
 

"Und deswegen wolltest du in den Wald?", fragte Sirius zum abertausendsten Male, als sie wieder im Schloss angekommen waren.

Remus konnte nur weiter lächeln. Er trug ein Stoffbündel in seinen Armen, in welches er den Fund aus dem Wald eingewickelt hatte.

"Ich musste! Das war wichtig. Ich brauche die Sachen für Severus' Geschenk. Also nein. Das ist Severus' Geschenk um genau zu sein."

"... Gras? Du schenkst ihm Gras?"

"Das ist kein gewöhnliches Gras, Sirius", brummte der Kleinere.

"Sehe ich. Es ist golden."

"Sirius!", stöhnte er genervt und sah ihn augenrollend an. "Das verstehst du nicht. Das... Ach, vergiss es. Ist ja auch unwichtig."

Der Schwarzhaarige hatte zu einer weiteren Antwort ausholen wollen, als er schroff unterbrochen worden war. James kam die Treppe runtergestürzt. Er sah sauer aus.

"Wo wart ihr?!", fuhr er sie an und brachte die letzten Meter hinter sich. "Sirius, wir haben dich gesucht! Du weißt doch genau, dass wir heute morgen was vor hatten."

"Ups... Das war heute?"

James knurrte leise und nickte mit säuerlichem Blick.

"Ja, heute", erwiderte er gedehnt. "Vor ein paar Stündchen um genau zu sein."

"Entschuldige. Ich dachte erst morgen. Ich hab mich im Tag geirrt."

"Im Tag geirrt... Im Tag geirrt! Morgen ist der Vierundzwanzigste!"

James packte Sirius leicht grob am Arm und zog ihn mit sich.

"Tut mir leid, Remus, aber ich muss ihn mir mal ausleihen. Man sieht sich."

Und damit verschwanden die beiden Freunde nach oben, wenn auch der junge Black protestierte. Leicht kopfschüttelnd hatte der Jüngste ihnen nachgesehen, seufzte dann jedoch leise und machte sich auf den Weg zu den Kerkern. Sollten die beiden doch ihre Machenschaften treiben. Ohne Sirius konnte er wenigstens die Geschenke fertig machen. Er hatte noch viel vor.

Unten in den Kellergewölben war es wie nicht anders zu erwarten sogar noch kälter als draußen im Wald. Es war erstaunlich. Eigentlich konnte es ja gar nicht möglich sein, aber dieses Schloss schien es immer wieder zu schaffen seine Bewohner zu überraschen. In den Steinkorridoren hallten Remus' Schritte wieder. Es war schon ein wenig beängstigend. So ganz allein hier unten. Niemand sonst. Was, wenn der Vampir nun auftauchte? Aber nein. Es war mitten am Tag. Das war unmöglich. Plötzlich setzte sein Herzschlag aus, als er ein Geräusch wahrnahm. Es wurde lauter, kam näher. Schritte. Sein Atem stockte ihm. Er wusste nicht was er tun noch denken sollte. Wenn nun doch der Blutsauger auftauchte, was dann? Hier war niemand. Nichts und niemand. Der Schüler war auf der Stelle festgefroren und spähte in die Dunkelheit. Am Ende des Ganges begannen sich Umrisse abzuzeichnen, die nach und nach größer und deutlicher wurden. Ein Stimmengewirr. Es dröhnte nur leicht in seinen Kopf. Den Klang verstand er nicht, auch wenn es in seiner Sprache war. Dafür rauschte ihm zu sehr das Blut im Körper. Dafür schlug das Herz zu schnell und zu laut. Dafür rasselte der Atem zu schnell. Dafür war die Angst zu groß. Mit einem Mal verstummten die Stimmen. Er konnte Blicke auf sich spüren. Allerdings wusste er sie nicht zu definieren. Es war ein grausiges Gefühl, allerdings nicht so, als ob ein Jäger seine Beute ins Visier nahm. Es war einfach so, als wusste man, dass man beobachtet wurde, wusste aber nicht von wem. Die Schatten wurden größer. Langsam nahmen sie vollends Konturen an. Er atmete erleichtert auf, als er das charmante Lächeln seiner Lehrerin sah, welche in männlicher Begleitung den Flur entlang geschlendert kam, schien sie es nicht eilig zu haben.

"Morgen Remus. Was machst du denn hier unten?", fragte Professor Redwing und blieb kurz vor dem Schützling stehen.

Vladimir Redwing tat es ihr gleich. Stumm blickte er auf den Jungen und grüßte ihn mit einem leichten Kopfnicken.

"Ich... ich wollte zu Zaubertränke."

"Zu Zaubertränke? Warum das? Möchtest du etwas vom Professor?"

Remus schüttelte den Kopf.

"Nein, das nicht. Ich wollte ein paar Weihnachtsgeschenke machen."

"Geschenke?"

Sie lachte leicht und schmunzelte.

"Willst du jemanden vergiften?"

Der Junge lief rot an und schüttelte erneut mit dem Kopf.

"Nein", gab er etwas kleinlaut von sich. "Aber zwei Tränke muss ich schon machen."

"Na wenn das so ist", meinte die Lehrerin lächelnd. "Professor Novis ist heute nicht im Schloss. Aber ich denke es geht in Ordnung, wenn du allein arbeitest. Oder was meist du, Vlad-Schatz?"

Sie sah ihren Begleiter an, lächelte und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Dieser nickte nur leicht zur Bestätigung.

"Ich denke er weiß, wie man einen Trank zubereitet", meinte er nur mit tiefer rauer Stimme und musterte den Jungen vor sich mit langen Blicken.

"Ja, das denke ich auch", erwiderte die Professorin fröhlich und schaute ebenfalls zu ihrem Schützling. "Also falls jemand fragt, du hast meine Erlaubnis, ja?"

Remus nickte leicht. Mehr brachte er im Moment nicht zustande. Seine Lehrerin lächelte zufrieden. Ihr Geleit sah jedoch nicht besonders glücklich aus. Eher gelangweilt.

"Lass uns gehen Fiona", gab er mit herrischer, aber auch schon leicht bittender Stimme von sich.

Die Frau nickte rasch und hakte sich bei ihm ein.

"Ja natürlich. Entschuldige. Wir wollten ja spazieren. Gern doch. - Also dann Remus. Schönen Tag noch."

Noch immer lächelnd schob sie sich mit Mr. Redwing an dem Gryffindor vorbei und ging ihrer Wege. Leicht verwundet sah der Erstklässler ihnen hinterher, drehte sich dann jedoch wieder um und setzte seinen Weg fort. Wirklich viel Zeit hatte er nicht mehr.
 

"Du bist unbezahlbar, Cassandra. Danke."

Remus nahm seiner gerade angekommenen Eule ein Päckchen ab. Der Vogel schuhute leise. Das Paket zur Seite legend, widmete er sich wieder der begonnenen Arbeit. Die braune Schleiereule drehte den Kopf leicht von der linken auf die rechte Seite und beobachtete ihren Herren. Sie schien ein wenig mürrisch und wartete auf eine Belohnung. Nachdem einige Zeit lang nichts geschehen war, stieß sie einen spitzen Schrei aus und pickte den Brünetten an. Dieser sah zu dem Tier und seufzte leise. Mit einer Hand begann er ihr Gefieder zu streicheln.

"Tut mir leid, Cassie. Im Moment geht es wirklich nicht. Ich muss das noch fertig einpacken. Und du musst es noch wegbringen."

Die Eule gurrte böse und funkelte ihren Gegenüber an.

"Wirklich. Es ist wichtig. Severus und Andromeda sollen ihre Geschenke pünktlich bekommen. Dazu muss das ganze nachher noch los. Morgen ist immerhin früh Bescherung. Bitte. Du musst mir den Gefallen tun und es noch heute wegbringen. Ich weiß, dass ich dich ganz schön in Anspruch nehme, aber verzeih es mir dieses eine Mal, ja?"

Er lächelte das Tier an und kraulte es leicht unterhalb des Schnabels.

"Wenn du willst backe ich dir die Kekse, die du so gern hast. Sobald du zurück bist. Na, was sagst du dazu?"

Die Schleiereule begann mit den Flügeln zu schlagen und schmiegte sich mit der Brust gegen die streichelnde Hand. Damit war ihr Einverständnis gegeben. Remus ließ von ihr ab und machte sich daran den Rest einzupacken. Mit der Feder beschriftete er das braune Paketpapier. Gut, dass das zu versendende Stück klein genug war, dass Cassandra es allein tragen konnte. Er hatte schon befürchtet erst noch einmal in die Eulerei gehen zu müssen, um ein zweites Tier zu besorgen. Aber dem war zum Glück nicht so gewesen. Er lächelte und band noch eine Schnur um alles, dass der Vogel es tragen konnte.

"Fertig", sagte er und hielt die Schlaufe ein wenig hoch.

Cassandra flatterte hoch und schnappte sich diese, bevor sie sich auf das Präsent sinken ließ und wartete. Der Gryffindor stand auf und ging zum Fenster. Er öffnete es. Die kalte Nachtluft des Winters strömte ihm entgegen. Leichte Gänsehaut überzog seine Unterarme, spürte er die klirrende Kälte selbst durch seinen Pullover hindurch.

"Remus, mach das Fenster zu!", rief James, der unter seiner Bettdecke hockte - Sirius ihm gegenüber, spielten sie gerade Zauberschach.

"Gleich", gab der Jüngere zurück.

Er lief zum Tisch, nahm Cassandra samt Päckchen hoch und lief mit ihr zum Fensterstock. Er lächelte das Tier sanft an, als er sie absetzte.

"Beeil dich, ja? Und pass auf dich auf."

Die Eule gurrte leicht, begann wieder mit den Flügeln zu schlagen und flog zusammen mit dem Geschenk in die Dunkelheit hinaus. Ihr Besitzer konnte ihr nicht weit nachblicken, war es zu finster, als dass er sie erkannte. Nichts desto trotz blieb er eine geraume Weile einfach nur dort stehen und sah auf die Ländereien hinab, die Minusgrade dabei ignorierend. Vor ein bis zwei Stunden hatte es begonnen zu schneien und hatte noch immer nicht aufgehört. Es war ein wunderbarer Anblick die kleinen Schneekristalle dicht am Fenster vorbeiziehen zu sehen, wobei sie durch die Lichter, welche im Schloss loderten immer wieder angeleuchtet und so zum Strahlen gebracht wurden. Erst die Stimme des Schwarzschopfes riss ihn aus seinen Gedanken.

"Verdammt noch mal! Remus! Mach gefälligst das Fenster zu! Es ist eiskalt!"

Leise seufzte der Ermahnte, kam der groben Aufforderung jedoch nach. Schlafen war wohl nun die beste Option um die Gemüter vor dem nächsten Morgen zu beruhigen.
 

Die Nacht war viel zu kurz gewesen, beziehungsweise der Morgen viel zu früh gekommen. Die Rufe eines nervtötenden Schreihalses rissen Remus aus den Träumen. Leise grummelnd drehte er sich auf die andere Seite und zog die Decke über den Kopf. Wohlig brummte er, als er angenehme Wärme in seinen Glieder spürte. Doch dieser Zustand hielt nicht lange an. Keine fünf Sekunden später entriss ihm jemand die Decke und setzte ihn der grausamen Kälte des Schlafsaales aus. Wie ein Embryo rollte er sich zusammen, um die Körperwärme bei sich zu behalten. Die Augen waren fest zusammengepresst. An Aufstehen war nicht zu denken. Nur über seine Leiche.

Allerdings schien jemand dies nur allzu wörtlich zu nehmen. Ohne große Kompromisse und lediglich mit einem genervten, aber doch trotzdem fröhlichen "Jetzt komm schon, Remi", wurde dieser aus dem Bett gezerrt. Ohne zu warten bis dieser überhaupt die Augen offen hatte, wurde er ins Bad bugsiert. Geistig noch immer schlafend fragte sich der Erstklässler was das eigentlich alles sollte und was er hier sollte. Als er jedoch eisiges Wasser ins Gesicht geklatscht bekam, setzte sein Herz für einen Augenblick aus. In diesem riss er die Augen auf und begann erschrocken zu keuchen und sich gegen den Griff des Älteren, der ihn festhielt, zu wehren.

"SIRIUS!"

Sein Schrei war vermutlich im gesamten Gryffindor-Turm zu hören. Gut, dass sie lediglich zu viert hier waren.

"Bist du vollkommen übergeschnappt?!", keifte er den Jungen hinter sich an und riss sich los.

Er wandte sich um und funkelte ihn stocksauer an.

"Was sollte das?!"

"Ich wollte dich wach kriegen", ließ Sirius grinsend verlauten. "Und das hab ich ja wohl geschafft, oder?"

"Nicht nur das. Jetzt bin ich auch noch stinksauer, mein Lieber."

"Ach jetzt sei nicht so", warf der Zauberer ein und wuschelte dem Kleinen durch die leicht durchnässten Haare. "Lass uns lieber runtergehen. Geschenke auspacken. James und Peter hocken auch schon vor dem Weihnachtsbaum und reißen die Sachen nur so auf."

Remus grummelte leicht, nickte aber und lächelte dann.

"Ist gut. Aber hetz bitte nicht so. Ich schlaf noch."

"Soll ich dich ganz ins Wasser tutschen?"

"Nein danke", brummte der Spross der Lupins genervt. "Na komm schon. Lass uns runter gehen."

Gesagt getan. Sie ließen Bad und Schlafsaal hinter sich und stiegen die Treppe nach unten. Als sie den Gemeinschaftsraum erreichten, stockte Remus wirklich der Atem. Es sah aus, als hätte die Bombe eingeschlagen. Überall lagen Geschenkpapier und Schnüre herum. Die anderen beiden Erstklässler saßen im Zentrum des Chaos' und vergrößerten es zusehends mehr.

"Cool!", rief James und hielt ein Buch in die Höhe. "Tausend und ein Trick bis zum Quidditch-Champion. Klasse! Sie haben dran gedacht."

Er drückte das Buch wie einen Schatz an sich und rieb sich leicht an ihm. Sirius begann über's gesamte Gesicht zu grinsen.

"Der wolllüstige James in Aktion."

Der Verspottete hielt inne und wandte sich zu Sirius um. Den Kommentar überging er gekonnt.

"Schau mal! Sie haben es mir wirklich geschenkt! Ist das genial oder genial?!"

Er wedelte unruhig mit der Lektüre, doch Sirius wank nur ab.

"Später Jamie. Ich will auch erstmal meine Geschenke. Und Remi auch."

Der Jüngste wurde von ihm Richtung Baum geschoben und dort nach unten gedrückt. Leicht irritiert sah Remus sich um. Unter der Tanne lagen zwei Päckchen. Er lächelte, als er sie sah. Er wusste auf Anhieb, wer von seinen Eltern welches eingepackt hatte, stellte sich sein Vater dabei häufig ziemlich ungeschickt an. Er nahm das erste zur Hand und packte es gemächlich aus. Etwas flauschiges wölbte sich ihm entgegen. Das Lächeln wurde sanfter, als er den schwarzen Wollpullover in Händen hielt. Leicht fuhr er darüber. Er war genauso weich wie der Schal, welchen er vor ein paar Tagen von Andromeda, Lily und Severus geschenkt bekommen hatte. Zufrieden seufzend legte er ihn wieder zusammen und beiseite. Danach griff er sich das zweite Präsent und verfuhr mit diesem wie mit dem Ersten. Er musste grinsen, als er sich vorstellte, wie schwer sich sein Vater mal wieder damit getan hatte alles einzupacken. Und wie seine Mutter mit dem Pullover schon eine geraume Zeit lang fertig gewesen war und ihm von der Seite her zusah und immer wieder Tipps und Ratschläge gab und vorschrieb, wie er es auf keinen Fall machen sollte. Wie entnervt sein alter Herr gewesen war, als er endlich fertig war und wie erleichtert, als die Geschenke endlich unterwegs waren. Der Braunschopf lachte leicht und entfernte die letzte Schicht Geschenkpapier. Einige Bücher kamen zum Vorschein. Die Titel ließen ihn strahlen. Seine Eltern hatten ihm wirklich die Freude gemacht. Er hatte gar nicht mehr daran zu glauben gewagt. Als er die Werke im Buchladen in London gesehen hatte, hatte er sie nur allzu gern kaufen wollen, es aber gelassen, waren sie zu teuer gewesen. Und nun? Nun hielt er sie doch tatsächlich in Händen. Doch neben der Freude mischte sich auch ein wenig Bitterkeit in sein Denken. Es war ihm unwohl bei dem Gedanken daran, dass sein Vater für ihn so viel Geld ausgegeben hatte. Lieber hätte er es sparen oder für sich ausgeben sollen. Remus war schon so zufrieden mit dem, was er hatte. Zu viel Luxus wollte er sich eigentlich nicht gönnen, wollte er seine Mutter und seinen Vater nicht auch noch finanziell belasten.

"... Danke ihr beiden", wisperte er und lächelte.

"Remus, Remus. Wir haben was für dich", sagte James und schmunzelte.

Der Gerufene wandte sich leicht um und sah die drei Freunde nebeneinander stehen. Peter in der Mitte - einen Kuchen haltend. Langsam erhob er sich und ging auf die drei zu. Er besah sich das Gebäck. Es wirkte ein wenig zu knusprig und zu dunkel, fast so, als ob es zu lang im Ofen gewesen war. Wenn er es mit einem Wort sagen sollte: gewöhnungsbedürftig. Allerdings unterdrückte er seine Äußerung und sah die Jungs abwechselnd an.

"Für mich?"

Sirius nickte rasch.

"Ja. Den haben wir gestern gemacht. Wir dachten, weil es dir das letzte Mal nicht sonderlich gefallen hat, dass die Hauselfen aufgeräumt haben, nachdem wir Kuchen gebacken haben, wollten wir das diesmal gut machen. Wir haben ihn für dich gebacken. Ich weiß nicht, ob er genießbar ist, aber du bist der Erste, der das herausfinden darf. Aufgeräumt haben wir auch."

James brummte leicht.

"Ja. Ich hatte vom Töpfe Schrubben ganz wunde Hände..."

Verdattert sah Remus ihn an.

"Seit wann braucht man zum Kuchenbacken Töpfe?"

"Nicht?", fragten die drei anderen synchron.

Leicht ängstlich schüttelte der Braunschopf den Kopf.

"Sagt mir. Wie habt ihr den Kuchen gebacken?"

Seine Stimme klang wirklich ziemlich zittrig, was Sirius lachen ließ. Es dauerte nicht lang und die anderen - auch Remus - fielen in dieses mit ein.

Als sich die Gemüter beruhigt hatten, brachte der Jüngste den Kuchen zum Tisch und stellte ihn dort ab, bevor er sich wieder an die drei wandte.

"Ich hab auch was für euch", fuhr er fort und lief zum Baum. Dort lagen noch immer vier verpackte Geschenke. Drei davon griff er sich. Nacheinander drückte er jedem eines in die Hand und lächelte.

"Packt aus."

Ohne zu zögern kamen die Schüler der Anweisung nach. Wieder raschelte Papier. Wenige Sekunden später schrie James auf, unterdessen Sirius und Peter ratlos dastanden. Erstgenannter fiel dem Sprössling der Lupins um den Hals und drückte ihn fest. Lachend und lächelt erwiderte Remus die Umarmung. Als der Schwarzhaarige von ihm abließ und sein Geschenk erneut betrachtete, strahlte er über's ganze Gesicht. In Händen hielt er zwei Paar rot-goldener Handschuhe. Einmal mit, einmal ohne Finger.

"Das ist wirklich super von dir, Remus. Woher wusstest du, dass ich welche brauche?"

"Weil du den ganzen Winter über herumlamentiert hast, dass deine Finger schon absterben", erwiderte dieser schmunzelnd. "Und du mir damit zu sehr in den Ohren lagst. Da musste doch jemand etwas tun, oder nicht?"

"Hm", James lächelte und ging nicht auf die spitze Bemerkung ein, war die Stimmung gerade viel zu gut dafür. "Ich find es einfach nur klasse. Danke! Du bist unbezahlbar."

Der Kleinere hatte etwas erwidern wollen, kam aber nicht mehr dazu, wurde er auch schon von zwei Zeigefingern angetippt. Fragend wandte er sich um und zuckte zusammen, als zwei kleine Fläschchen direkt vor sein Gesicht gehalten wurden und Peter und Sirius synchron fragten, was sie genau damit sollten und was sie da eigentlich geschenkt bekommen hatten. Remus begann von einem Ohr zum anderen zu grinsen. Ihm fiel es sichtlich schwer sich zu kontrollieren und zusammen zu nehmen, damit er nicht sofort laut loslachen oder gar schon -prusten musste, war das ganze genauso genommen schon ein Bild für die Götter. Er schüttelte den Kopf, wich zurück und schmunzelte weiter.

"Probiert, dann wisst ihr es."

"Wenn du den Kuchen mit einem Mal aufisst gern", erwiderte Sirius schnell, erntete jedoch ein heftiges, protestierendes Kopfschütteln.

"Nichts da Kuchenessen. Ich glaub du willst mich wirklich vergiften, oder?"

"Na und du? Du uns doch auch. Jetzt sag schon was drin ist."

Der weihnachtliche Giftmischer seufzte ergebens und nickte leicht.

"Die Sachen sind ganz nützlich für euch, denke ich", begann er und nahm Peter sein Geschenk kurz ab.

Er drehte es leicht und besah es sich in aller Seelenruhe. Dann blickte er zu dem Blonden und lächelte.

"Das ist Konzentrationstrank. Ich dachte mir, ab und an fällt es dir schwer dich zu sammeln und zu konzentrieren. Er hilft dir etwas. Ein, zwei Tropfen reichen schon."

Sirius grinste verschmitzt.

"Peter kann sich nicht zusammennehmen. Das wussten wir ja schon alle."

Dieser stieß dem Schwarzschopf schmollend den Ellenbogen in die Seite. Leicht keuchte der Jungzauberer auf und funkelte Peter an. Dieser erwiderte den Blick in gleichgearteter freundschaftlich-neckischer Bosheit, drehte sich dann aber zu Remus, drückte dieser ihm die Mixtur wieder in die Hände und lächelte.

"Danke Remus. Das kann ich wirklich gut gebrauchen. Nett von dir."

"Keine Ursache. Es freut mich, dass es nicht vollkommen daneben war."

Rasch schüttelte Peter den Kopf.

"Nein, nein. Ganz und gar nicht. Ich freue mich. Ich-"

"Und was ist mit mir?", unterbrach Sirius. "Was willst du mir unterjubeln?"

Der Jüngste sah ihn mit rollenden Augen an.

"Unterjubeln will ich dir gar nichts. Du kannst es mir auch wiedergeben."

Als er es nehmen wollte, zog der junge Black es zurück und schaute Remus abwartend an.

"Sag mir erst was es ist. Dann überleg ich es mir."

"Unsichtbarkeitstrank. Für deine nächtlichen Fressorgien, damit du nicht erwischt wirst", gab der Gryffindor zurück.

Ein vollkommen verdattertes und verstörtes Gesicht blickte ihn an. So hatte er den anderen lang nicht mehr gesehen. Es war einfach nur herrlich. Solche Gesichtsausdrücke liebte er doch am meisten. Vor allem bei Sirius und James - dem Unruhestifterpärchen eben. Es dauerte ein Stück bis sich sein Gegenüber erholte und wieder stockend zu Wort melden konnte.

"Was... Woher... Warum... Woher weißt du das bitte?"

"Weil du leider nicht leise genug bist, wenn du dich rausschleicht beziehungsweise zurückkommst, Fresssack."

"Was? Wie hast du mich grad eben genannt?!"

"Fresssack", wiederholte Remus eigens für den Schwerhörigen.

Wohl ein Fehler, reichte Sirius - mit lauerndem Blick, bereit zum Angriff - Peter das Fläschchen. Er ließ seine Finger knacken. Remus zuckte zusammen und brachte einen Sicherheitsabstand zwischen sie. In dem Moment, als Bewegung in den Größeren kam, setzte auch er zurück und ergriff die Flucht.

"Bleib stehen! Du entkommst deiner Strafe nicht! Ich kenne kein Erbarmen."

Sirius war schneller als der Sohn der Lupins und holte ihn rasch ein. Im allerletzten Moment konnte Remus jedoch einen Haken - einem Karnickel gleich - schlagen und zur Seite ausweichen. Sirius bremste ab, wandte sich um und jagte hinterher. Der Brünette vergewisserte sich, wie viel Vorsprung er noch hatte. Als er sich wieder nach vorn umwandte, begann er abrupt zu bremsen, stand dort ein rothaariges Wesen im Weg. Er glitt aus, landete auf seinen vier Buchstaben, schlitterte noch einige Meter und blieb genau vor Lily sitzen. Er sah auf. Ungläubig blickte er in ihre grünen Augen, die konfus und verängstigt - hatte sie mit einem Zusammenstoß gerechnet - auf ihn hinab stierte. Das Lächeln Remus' wurde deutlicher. Er sprang auf die Füße und umarmte die neu Angekommene zurückhaltend stürmisch, war sie ja eigentlich noch immer krank.

"Lily! Ich freu mich so. Ich dachte du musst heut noch-"

Doch weiter kam er nicht, rasselte ihm Sirius hintendrauf. Er keuchte leicht auf und wandte sich mit dem Kopf um. Der Schwarzschopf grinste, hielt er gerade beide anderen Erstklässler in Armen. Er sah zu Lily und befreite sie von dem Jüngsten. Er hob sie leicht um und drehte sich mit ihr, sodass das Mädchen ein wenig erschrocken aufschrie und sich an seinen Schultern abfing und abstützte.

"Hallo Lilylein! Da bist du ja wieder. Feierst du Weihnachten doch mit uns? Das ist toll! Komm in meine Arme."

Er ließ sich noch unten und gab ihr eine richtige Umarmung. Der Rotfuchs stand noch immer leicht neben sich, freute sich jedoch.

"Mit so einem Empfang hatte ich nicht gerechnet", meinte sie lächelnd.

Sirius ließ von ihr ab und gab ihr Freiraum.

"Wir hätten dich schon geholt. Oder besucht, wenn du nicht gekommen wärest. Allein feiern ist doch dumm. Weißt du, Remi hat uns schon die Ohren vollgeheult, dass du nicht mit uns feierst, weil es dir so schlecht geht und dass er Angst um dich hat."

"Das hab ich gar nicht. Erzähl nicht solche Lügenmärchen!", rief der Hagere, der bereits rot angelaufen war.

Lily lächelte nur milde, wusste sie ja, wie es gemeint war.

"Ich bin dafür, dass wir jetzt ein wenig feiern. Ihr nicht?"

"Klar! Feiern doch immer", gab Sirius schmunzelnd zurück.
 

Es war schon spät geworden. Die fünf Gryffindors saßen in den Sesseln vorm Kamin und unterhielten sich. Lily sah in die Runde und lächelte.

"Was haltet ihr von einem abschließenden Lied?"

"Oh ja", erwiderte James schmunzelnd. "Ich bin dafür, dass Remus uns was vorsingt. Er singt die letzten Tage ja fast ununterbrochen Weihnachtslieder."

"Ich soll was?", fragte der Genannte, der gerade an seiner heißen Schokolade genippt hatte.

"Singen", brachte Sirius nun an. "Außerdem hast du eine wirklich gute Stimme. Komm sing für uns, ja? Nur eins."

Ein wenig unwohl brummte Remus und sah in die Gesichter der anderen. Eigentlich hatte er keinen Bedarf mehr.

"Ihr wollt wirklich das ich etwas singe?"

Die vier Anwesenden nickten gleichzeitig, was den Werwolf schwer seufzten ließ.

"Na schön. Aber beschwert euch hinterher nicht. - Ähm... Lasst mich überlegen."

Er grübelte, welches Lied er jetzt wohl noch am besten anbringen konnte. Er wollte es kurz machen, aber es auch nicht einfach herunterleiern. Nach einigen Sekunden lächelte, hatte er eines gefunden. Er räusperte sich und begann zu singen.
 

"Stille Nacht, heilige Nacht!

Alles schläft, einsam wacht

Nur das traute hochheilige Paar,

Holder Knabe mit lockigem Haar,

Schlaf in himmlischer Ruh,

Schlaf in himmlischer Ruh.
 

Stille Nacht, heilige Nacht!

Die der Welt Heil gebracht,

Aus des Himmels goldenen Höhn,

Uns der Gnaden Fülle lässt sehn,

Jesum in Menschengestalt,

Jesum in Menschengestalt!
 

Stille Nacht, heilige Nacht!

Wo sich heut alle Macht

Väterlicher Liebe ergoss,

Und als Bruder huldvoll umschloss

Jesus die Völker der Welt,

Jesus die Völker der Welt!
 

Stille Nacht, heilige Nacht!

Lange schon uns bedacht,

Als der Herr vom Grimme befreit

In der Väter urgrauer Zeit

Aller Welt Schonung verhieß,

Aller Welt Schonung verhieß!"
 

Stille trat ein, in welcher sich Remus nur kurz räusperte. Nach einigen Sekunden erhielt er Applaus, was ihn lächeln ließ. Er lehnte sich im Sessel zurück und nippte an seinem Getränk. In gedämpften Ton unterhielten sich die Freunde noch ein wenig weiter bis Lily sich gähnend erhob.

"Ich geh schlafen. Schlaft gut", meinte sie und ging am Weihnachtsbaum vorbei Richtung Mädchenschlafsäle.

Remus sah ihr hinterher und wollte ebenfalls noch eine gute Nacht wünschen, als seine Freundin ins Schwanken geriet. Sie kippte nach hinten über. Noch ehe er hätte aufspringen und sie fangen können, war sie schon zusammengesunken. Der zu erwartende Aufprall blieb jedoch aus, hatte James dafür umso schneller reagieren können. Er hielt sie sicher in Armen.

"Alles in Ordnung?", fragte er besorgt.

Sie nickte leicht, hielt sich aber an ihm fest.

"Ja... Danke. Es geht schon wieder... Ich sollte besser wirklich schlafen gehen."

Der junge Potter lächelte.

"Aber vorher noch Eines."

"Und wa-"

James verschloss ihr mit den seinigen Lippen die ihrigen. Ungläubig sahen sie, als auch die anderen drei Jungs drein. Keine Sekunde verging und Lilys Hand rauschte durch die Luft. Haut prallte auf Haut. Auf der Wange des Sünders blieb ein riesiger roter Abdruck zurück. Lily sah ihn wütend, aber auch verletzt an.

"Wie kannst du es wagen?!", rief sie sauer, riss sich von ihm los und ging - wenn auch noch mit unsicheren Schritten - nach oben und ließ ihn stehen.

Remus war aufgesprungen und zu James gelaufen. Dieser hielt sich die Wange und spähte dem Rotschopf hinterher.

"Was hast du dir dabei gedacht?!", fragte der Jüngere in ebenfalls schockiertem Ton und machte damit der Junghexe Konkurrenz.

Zur Antwort deutete James nur leicht nach oben. Über ihm hing ein Mistelzweig, den der Brünette erst jetzt mitbekam. Er verschluckte sich regelrecht an seinem Kommentar, fiel ihm die Sprache. Kopfschüttelnd folgte er Lily. Er kam nicht weit. Nur wenige Schritte war er gegangen, als sich die Treppe in eine Rutschbahn verwandelte und er zum Ausgangspunkt befördert wurde. Er grummelte und zog seinen Zauberstab, konnte er seine Kameradin nun unmöglich allein lassen.

"Wingarium Leviosa!", rief er und deutete auf sich selbst.

Kurz darauf schwebte er in der Luft. Mit dem Zauberutensil taktierte er sich nach oben. Vorm Mädchenschlafsaal der Erstklässlerinnen angekommen, klopfte er an, doch keine Reaktion. Langsam drückte er die Türklinke herunter und schwebte herein. Im Raum ließ es sich auf dem Boden nieder und schloss die Tür hinter sich. Er steckte den Stab ein und durchquerte sich umschauend den Saal. Eine wirkliche Veränderung oder Abweichung zu ihrem eigenen Schlafdomizil gab es nicht. Gut, hier und da war es ein wenig kitschiger eingerichtet, aber sonst...

Vom Ende des Raumes drang ein leises Schluchzen an sein Ohr, was alles in ihm sich zusammenziehen ließ. Mit bedächtigen Schritten näherte er sich die Rotschopf, der zusammengekauert am Fenster saß. Kurz vor ihr blieb er stehen und wartete still, ob sie reagierte.

"... Das war unfair", brachte sie zerknirscht hervor und schluchzte. "Ich... So ein Idiot..."

"Es ist nicht so wie du denkst, Lily. Da war ein Mistelzweig. Er wollte nur-"

"Ich weiß das da ein Mistelzweig war!", rief sie aufgebracht und sah den Jüngeren mit tränennassen Augen an. "Darum geht es nicht! Das war... das war mein erster Kuss... Den wollte ich mir aufsparen und nicht an jemanden... an jemanden wie diesen Volltrottel von Potter verlieren. Das ist ein Alptraum, Remus!"

Dieser überwand den letzten Meter.

"Ach Lily", brachte er schwer hervor.

Sanft streichelte er über ihre Wange und legte anschließend seine Arme um sie, um sie an sich zu ziehen. Beruhigend strich er ihr über den Rücken, unterdessen sie ihr Gesicht immer tiefer in seinem Pullover vergrub. Remus tat es leid. Er hatte seine Freundin an einem eigentlich so wunderbaren Abend keinesfalls in solch einer Stimmung sehen wollen. Wie konnte er es nur... Ja. Er kannte die Lösung. Behutsam schob er sie von sich.

"Wenn ich dir jetzt etwas gebe, versprichst du mir dann nicht mehr zu weinen?"

Sie sah ihn mit geröteten Augen an und schien zu überlegen. Nach einigen Sekunden nickte sie schwach. Remus lächelte und holte ein kleines Päckchen hervor. Er reichte es ihr. Zögernd nahm sie es an und packte es langsam aus. Ihr Gesicht begann sich aufzuhallen und schließlich lächelte sie sogar richtig ehrlich.

"Oh Remus. Das ist wirklich lieb von dir."

Sie strich über das in Leder gebundene Buch und blätterte durch die noch unbeschriebenen Seiten. Auch die Feder war ein Prachtexemplar. Sicherlich würde sie lang halten. Die Schülerin sah auf. Mit inzwischen schon wieder sanftem Blick sah sie ihren Wohltäter an.

"Danke", wisperte sie, beugte sich nach vorn und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. "Du bist süß."

Remus' Herz begann schneller zu klopfen, doch er riss sich ihr zuliebe zusammen. Er nahm ihr die Geschenke ab und legte sie auf den Fensterstock.

"Geh schlafen, ja? Und denk nicht weiter über den heutigen Tag nach. Du musst erst wieder richtig gesund werden."

Lily nickte leicht.

"Ja... Tu ich."
 

Schlitternd kam Remus zum stehen, war er die Rutschbahn des eigentlichen Treppenhauses zum Mädchenterritorium heruntergeglitten. Im Gemeinschaftsraum sah er sich um. Nur Sirius stand noch da - nahe dem Weihnachtsbaum, wo vorhin das Malheur geschehen war - und blickte zum Jüngeren.

"Wo sind James und Peter?", wollte der Braunschopf wissen und blieb vor dem jungen Black stehen.

"James hat sich verkrochen. Hat sich über Lily aufgeregt, wie brutal sie ist und so. Peter passt auf, dass er keine Dummheiten macht. - Und wie geht es ihr?"

"Sie hat sich beruhigt. Alles wieder in Ordnung. Sie schläft jetzt. Das sollten wir vielleicht auch tun. Oder was meinst du?"

Sirius nickte leicht und sah zum Mistelzweig auf. Er begann zu grinsen. Remus war seinem Blick gefolgt und stöhnte leicht entnervt auf. Die schelmischen Gedanken des anderen konnte er nur allzu gut erraten.

"Na mach schon. Damit wir schlafen gehen können."

Noch immer feixend beugte er sich zu dem Erstklässler hinab und gab ihm einen Kuss. Remus war überrascht. Der Ältere stellte sich besser an, als er gedacht hatte. Zudem fühlte es sich auf besser an, als erwartet. Sirius hatte seine Arme um den Kleineren gelegt, gehörte dies immerhin zu einem Anständigen Kuss dazu, wollte er keine Ausflüchte dulden. Im Spross der Lupins begann es angenehm in der Magengegend zu kribbeln, als er die Augen geschlossen hatte und einfach an gar nichts mehr dabei dachte. Eigentlich war es schon recht verwerflich, dass sich zwei Jungs so nahe kamen. Aber erstens waren sie noch Kinder und ein wenig Übung fürs Leben konnte nicht schaden, zweitens waren sie allein und drittens war er im Moment gar nicht in der Lage nein zu sagen, fühlte es sich viel zu gut an - fast annähernd so gut, wie der Wangenkuss von Lily zuvor - um wahr zu sein.

Viel zu schnell löste sich Sirius von seinem Freund. Als Remus die Augen wieder öffnete, lächelte der Dunkelhaarige nur, wobei das Grinsen leicht durchschien. Nichts weiter sagend, ging der Gryffindor an dem Honigkuchenpferd vorbei und Richtung Schlafsaal.

"Komm, Sirius. Schlafen gehen. Morgen ist auch noch ein Tag."

"Ja... Ich komme."
 

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1.Akt, Kap. XXI - Ende

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Kommentare zu dieser Fanfic (49)
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Von:  Rejah
2006-11-22T15:06:10+00:00 22.11.2006 16:06
moin ^^
ich habe diese ff zwar nur überflogen, will sie aber noch richtig durchlesen - ich war einfach zu gespannt auf ... die gewisse szene zwischen remus und sirius o^___^o die beiden sind einfach zu knuffig
ich frage mich, was es mit dem vampir auf sich hat *grübel*
aber hey! du musst unbedingt weiterschreiben, immerhin kam das letzte kapitel im januar raus T.T
Von:  kawaii_kamy
2006-10-12T16:08:49+00:00 12.10.2006 18:08
Hm... nomalerweise zähle ich ja auf was mir alles besonders gefallen hat und zitiere einige Passagen, aber hier wüsste ich gar nicht wo ich anfangen sollte! Die Story ist unglaublich schön und idylisch geschrieben. ^-^
Ich habe schon lange nichts mehr gelesen was mich so stark in Bann gezogen hat. Am liebsten würde ich jetzt weiter lesen und weiter lesen... *schwärm*
Es ist toll wie du die einzelnen Personen dargestellt hast. Remus ist wirklich super süß und so ernsthaft, einfach genial so stelle ich ihn mir vor. Auch Severus, Sirius und James sind toll gewurden. Wie auch einige andere. Auch sehr beeindruckt bin ich von deiner Art die einzelnen Geschehnisse miteinander zu verbinden. Allerdings tut mir Remus schon etwas leid, wie er von einem Unglück ins nächste tapst. Bei denen ist auch immer was los. *lol*
Nun ich könnte dich jezt bis in den Himmel hinauf loben aber ich denke du weist auch so wie gut du bist. Bei so einen ausgezeichneten Schreibstil wird man direkt neidisch. >.<
Na ja, den Neid hast du dir redlich verdient ;p
Da fällt mir ein, hattest du nicht mal gefragt ob du das Ganze nochmal aus einer anderen Sicht schreiben sollst? Falls du dich wirklich mal dran traust ich wäre für Severus Snape *Fähnchen schwenk*
Ach und noch etwas: ich glaube du hast endweder einen Fehler in deiner zeitlichen Vollmondplanung gemacht oder ich habe was falsch verstanden ... *drop*
Du hattest geschrieben das Remus eine Nacht vor dem Weinachtsball nochmal in die Heulende Hüte muss, war er ja auch, dannach hätte er bis nach den Ferien erstmal wieder Ruhe, aber dann hast du ihn in den Ferien doch noch mal in die Bruchbude gejagt wenn ich mich nicht gänzlich irre. Nun ja auf jeden Fall habe ich das nicht so ganz nachvollziehen können.

So ich denke jetzt höre ich besser auf, sonst fang ich doch noch an dein ganzes Ff zu zerlegen und dir Haarklein zu erklären was mir alles warum gefallen hat. XD
Also dann, ich freu mich schon auf den Fortgang der Geschichte und wäre dir sehr verbunden würdest du mich mit einer ENS benachichtigen wenns weiter geht. Ich wünsche dir jetzt einfach mal sehr viel Zeit in der du sehr kreativ bist und eine Hand die von einen Schnellichkeitszauber beseelt ist und es garnicht abwarten kann weiter zu schreiben *gg*

deine kawaii_kamy^^ (und ab jetzt ein großer Fan von dir und treuer Leser)
Von:  _-NanayA-_
2006-01-08T18:08:47+00:00 08.01.2006 19:08
Huhuuuuuuuuuuu XD~~
*seufz*
ich komme endlich mal dazu..
*grinz*
<<' ...Pssst...ich bin zwar krank und dürfte eigendlich net aus'm Bett,aber ich muss nunmal einen Kommentar schreiben =^-^=
1.Weil das Kap so WAIIIIIIIIIIIIIIIIIII is..
und
2.weil ich es dir versprochen hab,Süße ^.~;
Und was ich verspreche halte ich auch ! ^o^ *ausruf*
Soooo...also...das Kap is sooooooooooooooooooooooooo schön lang *-*
*glänz*
*glitzer* XD~~~
*lachtz*
Also..*lol* Die Kuchen-Szene....XD~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ich dachte erst ich komm nicht mehr auf die Beine vor lachen !
Vorallem bei der Frage:
>>"Seit wann braucht man zum Kuchenbacken Töpfe?"
da hab ichs net mehr ausgehalten....
ich hab mich über den Boden gerollt und hatte schon Tränen in den Augen vor
lachen,Pausen,Wieder lachen,pause,erneutem Lachanfall...usw...glaub mir,danach brauchte
ich einige Sekunden um mein selbst wieder zu sammeln,also so
einen Spaß und bauchkrämpfe beim Lachen hatte ich schon lange net mehr XD~~
><;;;;;; *grinz*
Und kein Wunder das Remilein so gute Laune hat XD~
Kein Luci,kein Unterricht,nur seine Freunde und er (ausgenommen Sevilein und Andromedaleinchen die zu der "schrecklich netten Familie" mussten ! <<' *schaudertz*)
njaaaaaaaaa....*o* Siri knutscht ihn endlich *herzchen Augen*
Meeeeeeeeeeeeeeeeehhhhhhhhhhhhhhhhr XDDDDDD~~~~
*bettel*
jaja,ziemlich tückisch diese Mistelzweige....*breit grinz*
Gell Lily ? *pattpatt*
Armes Jamsie...*Wange versorg* *Pflaster aufpatt* *smilü*
*hg*
*sich ganz viele mistelzweige schnapptz*
*über Remis Bett hängtz*
*schild an sein Bett heft*
>>Liebe Gesucht ! PS: Nur für Siri<<
XD~~~
*sich wegschleichtz*
XD~ Ich hoffe wir dürfen mehr erwarten ? *hoff*
*ungeduldig mit schwänzchen wackeltz*
Auf jedenfall wieder ein gelungenes kap ^.~;
ich luv deine FF XD~~ Aber das weißte Ja !
*lachtz*
Hab dich so Lieb XD~~
*anluv*
*net mehr gehen lass* XD~~
Nuja,muss nun...Mutter in Anmarsch ;-;
*ja ins Bett muss*
*schniffz*

Bis demnächst ^.~;
*winktz*
*knuddeltz*

GreeZ
deine:
~*Kunus-Chan*~
Von: abgemeldet
2005-12-25T19:17:52+00:00 25.12.2005 20:17
Wauzi, immer diese bösen Mistelzweige. Hängen immer im Weg. War ja ein langes Kapitel. Sehr gut ^^. Am süßesten fand ich, als Remus den Schal geschenkt bekommen hat. Das Lilli wieder da ist, finde ich gut. Wurde auch Zeit. Bin ja schon einmal gespannt, was das nächste Kapitel erzählt.

Gaia00
Von:  Drachenherz
2005-12-25T17:31:53+00:00 25.12.2005 18:31
Dir auch frohe Weihnachten Kazu ^.^
Warum sollen wir sauer sein wenn wir n längeres Kapi bekommen? XDDDD~
Hm wollen wir dich ma ausnüchtern? *Eimer mit Eiswasser hol*
Kazu *Sense zück* was heißt das das Silvester Kap wird nich rechtzeitig fertig >.< Das bekommen wir schon hin *glitzern in Augen hat* *-*
Ich kenn das Lied nich XD Wie gehtn das?

Wie kann man nur so fröhlich sein -. - das grenzt ja schon an Krankheit
AAAAAAAAH Nathan der Weise X.x oder eher Satan der Leise XD oder der Heise XDDDDD müssen wir über die Ferien lesen >.< will net *snief*
>> Sag mal, Remus", begann Sirius nachhakend. "Ganz ehrlich. Bist du krank?"<<
DAS Siri frag ich mich auch grade ~.~
Tja Jamie ein bissl Lektüre würde dir auch nich schaden ne? ^^
Oh menno kannste nich n Foto von dem nackten herumspringenden Jamie machen *-*
Ja Remi weiter zurück immer schon weiter bis auf Siris Schoß *_______*
WAAAAAAAAAAAAAAAH James lass Remi los oder stoß ihn in Siris Arme >____<
Was isn n Nudist? Ôo
>> Ehe er es sich versah, machte sich James an Remus' Hose zu schaffen und zog den Reißverschluss hinunter.<<
*interessiert zu schau was Jamie da macht* *film*
KYAH Siri *-* Remi in Siris Armen *sabba* Küsst euch Küsst euch
>>[...] aber seit wann saß ein Junge auf dem Schoss eines anderen Jungen?<<
uhm Remi das willste sicher nich wissen X3333333~
KYAH *_____* Siri lässt Remi auf seinem Schoß! ich will n Bild! Ich will n Bild!
*Sense zück* wen kill ich jetze? Siri weil er sich besiegen lassen hat oder Remi weil er den Zug gemacht hat ò.ó
~
X.x
Siri: *mich mit Stock anpieg* ich glaub die is hin
Remi: Sie hat die Ringparabel net überstanden XD
~
Remi du machst dir aba Gedanken o.o dabei biste noch so jung
Remi: Bin halt früh reif <.<
Siri: Ich auch *Remi schnapp und küss*
~
Wai~~~~~~~~~~ *___________________*
>> [...]dieser verrückt gewordene - wie hieß er noch? Ach ja - Voldemort [...]<<
oi! *überzeugter Todesser is*
Hm Lucius als faulendes Obst X3 *sich das grade vorstell*
uh? Wann is Remi raus gegangen? *das verpasst hat*
ooooooooooooooooooooookay erst war Remi krank und jetz Sev? O.O Was ham die genommen?
Remus mach jetz endlich dieses Geschenk auf >.< *aufgeregt hin und her hops*
Ah haste dich jetz doch für die Farben entschieden? ^^
~
SEV KANN STRICKEN O______________________O
Sev: einigermaßen ... is das so ungewöhnlich? -.-
*nick* *nick* O.O
Sev: -______-°°
~
LUCIUS! (langsam werd ich heiser *hust*) ÒÓ *knurrrrrrrrrrrr* Lass Remi in Ruhe!
>> Nur Sirius, James, Peter und er. Da gab es wenig dran auszusetzen.<<
oh doch gibt es *Peter aufspieß*
~
mein armer Remi halten dich immer noch alle für nen Vamp? *kuschel*
Siri: *Sense in hand hat*
hey! das is meine wo hast du die her?
Siri: *auf mich zu komm* ò.ó Finger weg von meinem Remi *knurr*
HILFE! *abhau*
~
Hm unbekleidet gefällt mir Remi besser
Siri: Mir auch! ^.^
Remi: >//////////////////////< *uns beiden Kopfnuss gibt*
~
Sirius der Vielfraß XDDDDD
Siri: Oi!
Remi: Wo sie recht hat .... ^-^
Siri: >.<
~
Sirius und unschuldig -.- das ich nich lache *unter Kopfnuss hinweg duck*
~
>>[...] Aber ich wollte wirklich nicht nach hause. Das muss ich mir echt nicht antun."<<
Genau *nick* armer Siri
Siri: Außerdem wollte ich mit meinem kleinen Wölfchen feiern *remi kuschel*
Was is mit mir? Ôo
Siri: nich du -.- er *auf Remi deut*
Ahso T^T *snief* keiner hat mich lieb
~
>>[...] Oder ein Werwolf? Vorgestern war immerhin Vollmond. Oder irgendetwas anderes?"<<
Sirius du hast das Feingefühl eines Presslufthammers -. -
Siri: Weiß ich denn dass er n Werwolf is? >.<
~
Remi+ich: JA!
>> Erst traf er Elena, [...]<<
*jubel*
>>[...] dann tauchte ein Vampir auf [...]<<
nich so toll ^^°
>> "Willst du jemanden vergiften?"<<
Ja! Lucius *-*
Remus: *rofl*
~
Oh ich hätte Sirius umgebracht wenn er mich mit kaltem Wasser geweckt hätte >_____<
Remus: Ohja *meine Sense in Hand hat*
HEY! Geht die jetz die Reihe rum oder was >.< Das is meine
Sirius: *hinter mir versteck*
-. -°
~
Ah Geschenke *____*
~
JAMES! FINGER WEG VON REMI!!!!!! *hust* X.x
Siri: Genau òó der gehört mir
Remi: seit wann? Ôo
Siri: schon immer ^.^
Remi: *drop*
~
>>[...] umarmte die neu Angekommene zurückhaltend stürmisch, [...]<<
Wie kann man jemanden zurückhaltend stürmisch umarmen? Ôo
Remi: ich schaff das ^.^
<.<°
~
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA~ Sing Remi Sing
Remi: Neiiiiiiiiiiiiiii~n >//////////////////////<
Siri+ich: Dooooooooooooooooooo~ch
~
alle: O.O *ungläubig Lilly und James anstarren*
~
Waiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii~ *_______________* *sabba* endlich der erste Kuss *umfall* x_________________________X
Remi: Das hat sie glatt umgehauen Ôo
Siri: Hm mich auch *Lippen leck*
Remi: Idiot *Kopfnuss gib*
Siri: Du bist so gemein ;___;
Remi: hmhm Warte hier is n Zettel *aufheb* *les*

>>Hoffe diesma is der Kommentar nich verwirrend ^^ ich hab da wo ich mir nich sicher war ob mans versteht die jeweiligen Textstellen eingebracht ^-^
Und ganz herzlich will ich mich bei meinen beiden Helfern bedanken *Remi und Siri knuddl* ...<<

Remi+Siri: *blush* *weiterles*

>>... Hoffe es geht bald weiter ^^ wehe nich òó *Sense zück* Ich liebe deine FF *-* Hab ich ja schon tausendmal gesagt XD
Bis denne
Dein Wölfchen<<

Remi: Hm das wars hm~ Wir verabschieden uns dann auch mal ^^ *winke*
Siri: Ja und hoffen das du bald ma n bissl mehr küsse und andere Sachen reinbringst
Remi: *Kopfnuss geb* Lüstling >.<
Siri: *snief* gemein *winke*
Remi: *winke*

P.S.: Boah 3 Wordseiten X.x Das is ja schon mörderisch
P.P.S.: Hab heut zwischen die Dialoge so ne Teile gemacht ~ damit man weiß wann einer aufhört und ein anderer anfängt ^^
Von: abgemeldet
2005-12-24T18:39:24+00:00 24.12.2005 19:39
Hi!
Das kapitel war toll.......
Es ist sehr erstaunlich wieviele wörter da shatte...
ich fand es auch gut,deine Kapitel haben immer eine schöne länge nicht wie andere die immer moante brauchen und dann immer nur 1000-2000 wörter haben.....
Ich freu mich shcon auf das nächste Kapitel...
Und Merry X-max wünshc ich dir
Bye
Alec
Von: abgemeldet
2005-11-19T14:24:00+00:00 19.11.2005 15:24
Gut, dass alles gut ausgegangen ist *gg* (was für ein Satz -.-)
Bin froh, dass es Lily überlebt hat ^^
Und wenn jetzt Weihnachten ist, ist das Schloss leer und Remus kann sich ausruhen, was wirklich nötig ist.
Der arme kleine... *Remus drück*
Freu mich schon aufs nächste Kapitel.
Bis dann.
Selen
Von:  Drachenherz
2005-11-12T09:42:36+00:00 12.11.2005 10:42
oh der Titel is ja schon ma toll XDDDDDDDDD *lach* remi singt?
Niemand wird gequält? Bissu krank? selbst Remi wird nich gequält? *sich sorgen um dich mach*
*fiep*? *davon schleich* meinstest du mich mit betaleser? wenn ja dann *vor dir in staub werf und anfleh* tut mir leid ich habs total verpennt *snüff* *flenn* *wein* sei mir nich bösääääääää TT________________________TT
O-O *augen raus kuller* NOVIS hat partei für REMI gegen eine SLYTHERIN erhoben??????? sag ma werden hier alle krank? X_x
Ach stimmt ja remi kann ja net sprechen ;.; Wann kann ers denn wieder?
Sag ma biste sicher das das ne Siri/Remi wird und nich doch ne Sev/Remi O_______o
Armer Remi T.T er muss so leiden *luc in folterkammer zerr*
James beruhigt Sirius? is mir auch neu =.= was es nich so alles gibt sag ja heute sin alle krank <.<
Ah ich ahne auch wer hinter allem steckt *redwing anstarr* *elena-chan hinter sich schieb*
Sag ma *auf dumbis vortrag schau* willst du in der FF irgendwie Botschaften rüberbringen? Oo
Armer Remus T.T *knuddl* (ich wiederhole mich fällt mir grade auf oO°)
*kamera raushol* *sich hinter vorhang versteck* *remi beim duschen film* ich bin ganz lieb ^.^ *flüster*
*ransoom als sirius eintritt* jajajajajaaaaaaaaaaaaaa~? ja wir sin schon ma beim umarmen *rundum film*
grrrr wer is da noch im Bad ò.ó da gehörn nur Siri und Remi hin! *james aus bad kick* geh zu lilly *peter glei in die hölle kick* geh luc besuchen und grüß luzifer von mir Ò_________Ó
*mit kamera in schlafsaal wusel* ja streicheln und dann küssen *film*
Ich hab gesagt RAUS >____< *james in lillys zimmer kick* *peter zu lucius in den kerker der hölle kick*
hm ich würd sirius auch nie wieder loslassen wollen X3
Uh Davy hatte ich ja ganz vergessen (zum Glück <.<) Den gibs ja auch noch (mist >.<)
Juhu Schleimpacket (Peter) bleibt nich über weihnachten *rumspring* *wie irre froi* Nein peter geh ich bitte dich geh (ürks solch erniedrigung)
hm sirius mit schockoladenüberzug *___________* meine neue lieblingssüßigkeit
Luciuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu~s *knurrrrrrrrrrrrrr* Was hast du mit Remi angestellt *fauch*
Schleimpacket verstrauen? ey wo lebst du Junge? >.<
Oh ich will au wissen wer lilly das angetan hat >-<
Arme Andromeda T____________T (uh ma nich remi)
*grrrrrrrrrrrrrrr* ich nehm das "arme andromeda" zurück ò.ó finger weg von MEINEM sev!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
*mitsing* *jinglebells auf drei verschiedene sprachen sing* (deutsch, englisch, japanisch) hach ich liebe dieses lied <.< keine ahnung warum
naja war jedenfalls mal wieder ein supi kapi ^.^ Hoffe das nächste kommt auch bald

Dat Wölfchen *sich nen siri mit schockiüberzug schnapp und daran knabber*

(wieder son langes Kommi XD)
Von: abgemeldet
2005-11-10T21:31:24+00:00 10.11.2005 22:31
Schnief, schnüff, wie rührend *Taschentuch hol*. Dumbledore ist ja so schlau und Sirius ist richtig lieb. Von Severus ganz zu schweigen. Und das ist auch mal ein Ende, das mich schlafen lässt. Freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Gaia00
Von:  _-NanayA-_
2005-11-10T16:30:38+00:00 10.11.2005 17:30
Einfach nur.....WOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOW !
XDDDDD
Wieder ein geniales Ka ! *grinz*
*rumhüpf*
Wuahhhhhhhhhhhhhhh...wie süßßßßß ! *Siri und Remi schnapp*
XD~
*verschwindet*+lachz*
nene...sonst kannste ja net weiterschreiben XD~~ Muahahahaha !..nuja,wiedermal schön ^---^
*knuddelz*

See Ya !
~*Kunus-Chan*~


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