Wie alles begann...
Briefverkehr
01. Kapitel: Wie alles begann...
Äußerst genervt und gelangweilt saß Johnny McGregor an seinem Schreibtisch, neben ihm stand sein privater Deutschlehrer, der ihm mit strengem Blick gerade irgendetwas erklärte. Wie gewöhnlich passte der junge Schotte nicht auf und träumte etwas vor sich hin und konnte somit die Frage, die ihm sein Lehrer stellte auch nicht beantworten, da er sie nicht einmal mitbekommen hatte. Johnny hasste den Deutschunterricht; Er war langweilig, dauerte meist zwei Stunden und er konnte sich beim besten Willen nicht denken, wozu er später einmal Deutsch brauchte, wo er doch aufgrund seiner Herkunft fließend Englisch beherrschte, mit dem er sich so gut wie überall problemlos durchschlagen konnte. So gut sein Englisch auch war, dementsprechend schlecht war sein Deutsch, aber Johnny war das ziemlich egal.
Ein wütendes Aufschnauben von Herrn Buchner riss ihn aus seinen Gedanken und er musterte seinen Lehrer mit verwirrtem Blick. "Es reicht!", Buchner erhob sich und blickte wütend zu Johnny, "Ich habe wirklich keine Lust, einen so desinteressierten Schüler zu unterrichten!"
Johnny war der Wutausbruch seines Lehrers relativ egal. So war es auch bei seinen anderen fünf Deutschlehrern gewesen, kurz bevor sie gekündigt hatten. Der junge Schotte wusste, dass seine Eltern jedes Mal alles andere als begeistert waren, wenn sich ein Lehrer über ihn beschwerte, aber vielleicht kapierten sie so endlich einmal, dass er keine Lust auf diesen ganzen Unsinn hatte.
Nun, er bezweifelte stark, dass dies der Fall sein würde. Eher würde ihn sein Vater am Abend, sobald er Zeit hatte, in sein Arbeitszimmer rufen lassen und ihm dann einen Vortrag darüber halten, wie wichtig es sei, regelmäßig und gut zu lernen. Johnny mochte jedoch weder regelmäßig, noch gut lernen. Zumindest Deutsch nicht. Er war nicht besonders gut in Sprachen, hatte dafür jedoch ein mathematisches und naturwissenschaftliches Talent. Die betroffenen Fächer hielt er zudem für wesentlich wichtiger als Deutsch.
Herr Buchner schüttelte kurz verzweifelt den Kopf, als er merkte, dass Johnny nicht einmal bei seiner Strafpredigt zuhörte und wandte sich zur Tür.
"Wir schließen den Unterricht heute schon etwas früher", mit diesen Worten trat er aus dem Zimmer und verschwand im Gang. Johnny schnaubte. Er freute sich nicht sonderlich auf die Standpauke seines Vaters, aber wenigstens war er jetzt diesen nervigen Typen los. Gedankenverloren spielte er mit seinem Füller und blickte auf die Aufgabe, die er eigentlich hätte lösen sollen. Er seufzte leise, dann erhob er sich, packte seine Deutschsachen zusammen und legte sie in eines der Schreibtischschubfächer. Als er sich in sein Schlafzimmer, das mit seinem Arbeitszimmer durch eine Tür verbunden war, begeben wollte, klingelte sein Handy. Genervt verdrehte Johnny seine Augen, ehe er den kleinen Apparat in die Hand nahm und das Telefonat annahm.
"Hi Johnny, hier ist Robert", vernahm er die Stimme seines besten Freundes und er lächelte in sich hinein. Da sie alle aus unterschiedlichen Ländern stammten, hatten sich die Teammitglieder der Majestics darauf geeinigt, sich in Englisch zu verständigen; zudem war das auch die einzige Sprache, die sie alle Vier sprachen. Roberts dänischer Akzent war fast nicht mehr wahrzunehmen und Johnny war recht glücklich über diese Tatsache.
"Ja, was gibt's denn?"
"Ich wollte dich fragen, ob du Lust hättest am Wochenende mit Oliver, Enrico und mir zur Eröffnungsfeier der neuen BBA-Arena zu gehen..."
"Nein, geht nicht."
"Wieso ,geht nicht'?"
"Ich bekomme heute wahrscheinlich mal wieder Hausarrest."
Kurzes Schweigen war die Reaktion. "Was hast du dieses Mal wieder angestellt? Lass mich raten: Hast du mal wieder deinen Deutschlehrer zum Kündigen gebracht?"
"Erraten."
Robert seufzte entgeistert.
"Okay. Falls du doch noch Zeit finden solltest, was ich leicht bezweifle, wir treffen uns Samstag um 14:00 Uhr am Haupteingang der Arena..."
"Was hast du dir denn nur wieder dabei gedacht?", Mark McGregor saß an seinem Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und blickte seinen mürrisch dreinblickenden Sohn ernst an, "Nun, deine Mutter und ich können froh sein, dass Herr Buchner nicht auch noch gekündigt hat, wie die anderen Lehrer vor ihm."
Entsetzt starrte Johnny seinen Vater an. "Er... hat nicht gekündigt?"
"Nein, das hat er nicht. Er hat dein Spiel schon länger durchschaut und wird jetzt andere Saiten aufziehen und ich erwarte von dir, dass du endlich mal etwas machst, dich hinsetzt und ordentlich Deutsch lernst."
Beleidigt blickte Johnny zur Seite und schwieg. Selbst wenn Buchner ihn nun weiter unterrichtete, würde er auch nicht mehr tun als bisher. Sein Vater sollte ihn bloß in Ruhe lassen. Er hatte wesentlich besseres zu tun als Deutsch zu lernen.
"Außerdem hat sich dein Lehrer überlegt, wie er dich dazu zwingen kann Deutsch zu lernen."
Johnny verengte die Augen zu Schlitzen. "So? Und wie?"
"Du wirst dir einen deutschen Brieffreund zulegen, dem du regelmäßig auf deutsch schreiben wirst. Und wenn ich regelmäßig sage, dann meine ich auch regelmäßig. Und ich werde überprüfen lassen, dass du auch wirklich schreibst. Verstanden?"
Johnny blickte seinen Vater entgeistert an. Das sollte seine Strafe sein? Er sollte sich einen Brieffreund heraussuchen und diesem regelmäßig schreiben? War sein Vater jetzt vollkommen übergeschnappt?
"Herr Buchner hat dir aus seinem Förderungsprogramm für sprachliches Interesse einige deutsche Jugendliche zusammengesucht und sie auf dieser Liste hier zusammengetragen. Mit Interessen und allem drum und dran. Du suchst dir einen Brieffreund heraus, wenn dich mehrere interessieren, darfst du natürlich auch mehreren schreiben."
"Ich habe doch gar keine Zeit zum Briefe schreiben, ich-", warf Johnny ein, doch sein Vater wank ab. "Dann wirst du dir die Zeit einfach nehmen müssen. Hier ist die Liste. Such' dir bis zur Deutschstunde morgen jemanden heraus. Du kannst jetzt gehen."
Mit einem kurzen Nicken erhob sich Johnny und verließ den Raum mit einem äußerst unglücklichen Gesichtsausdruck.
"Kann doch kommen. Bis Samstag, Johnny."
Nachdem er diese SMS an Robert abgeschickt hatte, wandte sich der junge Schotte wieder der ellenlangen Liste zu. Bis jetzt hatte keiner der daraufstehenden Jugendlichen sonderliches Interesse in ihm geweckt, aber er hoffte inständig, dass es doch so jemanden gab. Denn wenn er schon gezwungen war, eine derartige Brieffreundschaft zu schließen, dann doch wenigstens mit jemandem, der ihn interessierte, denn er war sich sicher, dass sein Lehrer - und vor allem aber sein Vater - ihm weiteres Desinteresse nicht durchgehen lassen würde.
Er hatte eine kleine Übersicht angefangen, auf der er die Leute, die ihn vielleicht interessieren könnten, aufgeschrieben hatte. Es waren vielleicht drei Stück und bei denen bestand gerade einmal ein minimales Interesse. Seufzend lehnte er sich zurück. Er hatte bereits vier Seiten durchgearbeitet und hoffte immer noch, dass er wenigstens auf einer der letzten beiden Seiten eine herausragende Entdeckung machen würde. Fehlanzeige. Sichtlich enttäuscht blickte Johnny auf sein Extrablatt und las sich alles Aufgeschriebene noch einmal genau durch.
Name: Martin Günther
Alter: 19 Jahre
Sternzeichen: Fische
Hobbys: Fahrrad fahren, Fotos schießen, Zeichnen, Singen
Adresse: XXX XXXX
Name: Chris Denninger
Alter: 16 Jahre
Sternzeichen: Löwe
Hobbys: Schauspielern, Zeichnen, Schreiben, Tennis
Adresse: XXX XXXX
Name: Felix Karl Knape
Alter: 17 Jahre
Sternzeichen: Krebs
Hobbys: Partys, Feiern, Wasserski fahren (ist leider kein See in der Nähe), Mädchen aufreisen
Adresse: XXX XXXX
Unglücklich seufzte er auf. Das konnte ja heiter werden...
~*~