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Nächte der Obsession

von

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Kapitel 3

Der Tag verging und die letzten Sonnenstrahlen erhellten Cathals Zimmer nur noch spärlich. Als die Sonne dann in Gänze hinter der Bergkette verschwand klopfte es, nur wenige Herzschläge später, an der Zimmertür.

"Darf ich reinkommen?", erklang die sanfte Stimme Charlottes dumpf durch das dicke Holz.

Sie wartete ab, ob er es ihr gestattete oder sich verweigerte. Obgleich er hier festgesetzt worden war, wollte Charlotte doch in keinster Weise unnötige Unhöflichkeiten angedeihen lassen. Es war eben nicht ihre Art sich wie ein primitives Monster zu gebaren und würde auch heute Nacht nicht damit anfangen.

Cathal allerdings antwortete überhaupt nicht. Nicht etwa aus schlichter Verweigerung, sondern viel mehr, weil er weder das Klopfen noch Charlottes Frage hörte. Erst am frühen Nachmittag hatte die Erschöpfung über seine Aufgewühltheit und einen kurzen Anflug von blindem Jähzorn, bei dem die porzellanene Waschschüssel unangenehme Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte und in tausend Teile zersprungen war, gesiegt und er war, neben dem Bett sitzend in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

Sie wiederholte ihr Klopfen, doch als auch dieses unbeantwortet blieb seufzte sie und wand sich von der Tür ab. Sie wusste nicht genau wieso sie ging um ihren jüngeren Bruder zu holen, aber es war immerhin Delano gewesen, der den Menschen angeschleppt hatte. Charlotte war daher der Ansicht, dass sich dieser dann auch um den Gast zu kümmern hätte. Delano musste wohl auf den selben Gedanken gekommen sein, denn kaum dass sie in den Gang einbog, der zu seinem Zimmer führte, kam er ihr auch schon entgegen.

"Er redet nicht. Und er ist dein Gast. Geh du zu ihm", sagte sie leise und erhielt ein Nicken als Antwort.

Charlotte hatte recht. Es war an ihm, sich um den jungen Mann zu kümmern.

Sie sah noch zu, wie Delano sich zu Cathals Zimmer hin entfernte und seufzte dann etwas. Hoffentlich würde Delano die ganze Sache nicht noch verschlimmern…

Dieser wurde sich, vor Cathals Zimmer, gerade etwas zu spät gewahr, dass er den Schlüssel nicht von seiner Schwester ausgehändigt bekommen hatte. Nun, er hatte mehr als genug Möglichkeiten auch in einen verschlossenen Raum zu gelangen. Er löste seine Gestalt auf und schwebte als feiner Nebel in den Raum hinein, wo er sich dann wieder manifestierte. Er sah sich kurz um und entdeckte dann den schlafenden Cathal neben dem Bett. Er setzte sich leise und vorsichtig auf die Bettkannte und sah dem Schlafenden schweigend zu. Er würde warten, bis Cathal von alleine erwacht, Menschen brauchten immerhin ihren Schlaf.
 

Es dauerte eine Weile, bis Cathal die Augen aufschlug und, nach seinem all-"morgendlichen" Moment der Orientierungslosigkeit, einen leisen, aber dafür umso wüsteren Fluch ausstiess.

Als er dann auch noch Delano auf der Bettkante sitzen sah, war seine Laune endgültig im Eimer, ohne dass sie jemals die Chance gehabt hätte, sich irgendwie zu bessern. Auf den Typen hatte er echt keinen Bock.

"Was zum Teufel willst du?", wollte er gereizt wissen.

Trotz der wenig reizenden Begrüssung behielt Delano ein Lächeln bei. Es war ihm nur allzu bewusst, dass der junge Mann vor ihm von der ganzen Situation wenig begeistert sein musste, aber er würde sich noch daran gewöhnen. Beziehungsweise, er musste es. Delano würde ihm keine andere Wahl lassen.

"Ich wollte mich nur nach eurem Befinden erkundigen und fragen, ob ihr Speis und Trank wünscht"

Noch immer lächelte er, doch in diesem Augenblick hatte er wenig Hemmung, seine Zähne dabei zu zeigen, wenn auch dezent. Er legte den Kopf etwas schief, lehnte sich zurück, zog die Schuhe aus und fläzte sich selbstgefällig auf das Bett.

"Ich nehme aber an, dass ihr nichts der Gleichen wollt, oder?"

Da Cathal schon die Speisen, welche auf einem Tisch neben dem Bett bereitstanden, nicht angerührt hatte, hatte Delano mit dieser Vermutung nicht ganz unrecht.

"Nach meinem Befinden?", wiederholte Cathal finster. "Wie würdest du dich denn fühlen, wenn man dich grundlos einsperren würde?"

"Wie kommst du darauf, dass ich dich Grundlos eingesperrt hätte? Du bist unsere neue Blutpuppe. Die Letzte ist leider... eingegangen."

Der Tonfall des Vampirs war etwas sarkastisch, beinahe neckend. Er musterte Cathal und wollte die Reaktion abwarten. Er genoss es derzeit sichtlich, der Überlegenere zu sein.

Einen Momentlang sah Cathal Delano verständnislos an.

"Hä?"

Konnte der Kerl sich denn nicht so ausdrücken, dass man auch verstand was er von einem wollte? Was in Gottes Namen sollte denn eine Blutpuppe sein? Der hatte sie doch nicht mehr alle und wenn, dann sicher nicht der Reihe nach, soviel war gewiss.

"Sag mal, welche Schraube is'n bei dir locker?", fasste er seine Gedanken schliesslich in Worte.

Delano seufzte. So schwer von Begriff war bisher noch keiner gewesen. Er beugte sich dann nach vorne und gab Cathal das breiteste Grinsen, zu dem er im Stande war, wobei seine Zähne sehr deutlich als die Fänge eines Vampirs zu erkennen waren.

"Blutpuppe... verstehst du es jetzt? Du bist unser Essen."

Nach wie vor war sein Tonfall verspielt und herausfordernd. Er genoss es wieder, diesen unerfahrenen Burschen vor sich zu haben.

"Allerdings wirst du als Blutpuppe besser behandelt, als wenn du einfach nur eine Mahlzeit wärst.", führte er dann noch fort.

Er beobachtete Cathal dann wieder, lehnte sich zurück und wartete dessen Reaktion wieder ab.

"Na, da fühl ich mich doch gleich besser..."

Mit Missfallen bemerkte Cathal, dass seine Stimme zitterte. Wenn er eins nicht wollte, dann, dass sein Gegenüber bemerkte, dass er durchaus ernsthaft Angst hatte.

Er sprang vom Bett auf und kniete sich direkt vor Cathal hin, sah ihm eine Weile schweigend in die Augen, ehe er die Hand hob um dessen Wange zu berühren. Er lächelte nun sanfter, beinahe beruhigend.

"Wir werden dir nicht wehtun. Du wirst es gut haben, genug zu essen, ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf. Du wirst eingekleidet und darfst Wünsche äussern, die wir dir sogar meist erfüllen. Nur frei lassen können wir dich nicht mehr."

Seine Stimme war leise und sanft. Er schaffte es sogar in einer schnell aber sachten Bewegung, die Wange seines Gegenübers zu berühren.

Seine Finger waren kühl und fühlten sich beinahe hart an. Sie erinnerten an die Finger einer Statue.

Erschrocken sog Cathal die Luft ein, als Delano sich vor ihn kniete und ihm für seinen Geschmack etwas zu nahe kam.

Er wagte kaum zu atmen, während er wie das sprichwörtliche Kanninchen vor der Schlange sass und ängstlich Delanos Blick erwiderte. Er hatte das unangenehme Gefühl, sich in den geheimnisvollen, dunklen Augen seines Gegenübers zu verlieren.

Erst, als der Vampir seine Wange berührte, war er fähig, sich los zu reissen und den Blick ab zu wenden.

"Aber das ist alles, was ich will...", murmelte er. "Ich möchte nur nach Hause..."

"Zurück in die Gosse? Die Kälte und Armut? Was sollte da denn sein, was du vermisst?"

Der rothaarige Vampir stand auf und sah ihn auf stirnrunzelnd herunter. Delano war sichtlich verwirrt und konnte nicht nachvollziehen, wieso man ein solches Leben schon alleine diesem Zimmer vorziehen konnte. Ihm war klar, dass Menschen freiheitsliebend waren, aber bisher hatten sich alle Blutpuppen mehr als nur schnell an dieses Umfeld gewöhnt. Bei diesem Jungen würde es nicht anders sein.

Ohne Cathals Antwort abzuwarten, packte Delano ihn und zog ihn auf die Füsse, hauchte ihm einen Kuss auf den Hals und liess ihn wieder los. Diese Bewegungen waren so schnell und fliessend gekommen, dass Cathal nicht einmal mehr die Zeit zum Reagieren blieb. Delano lächelte noch immer, wand sich jedoch dann der Tür und dem Gehen zu. Wenn der Mensch noch etwas wollte, dann würde er es schon rechtzeitig sagen.

"Von nun an ist das hier dein Zuhause."

Er breitete die Arme aus und drehte sich leicht.

"Dieses Zimmer, die Burg... alles."

Seine Stimme klang melodiös und zeigte deutlich Begeisterung.

"Meine Freunde... Meine Freiheit... Das ist es, was ich vermisse...", murmelte Cathal leise. "Ich bin kein Vogel, den man im goldenen Käfig halten kann und der dafür auch noch dankbar singt!"

Delano sah ihn, auf diese kurze Aussage hin, fragend an. Er ging auf Cathal zu, legte den Zeigefinger unter dessen Kinn und hob seinen Kopf leicht an.

"Soll ich sie auch holen?"

Der Ton dieser Worte war unergründlich. Es wurde nicht deutlich, ob es ein Angebot oder eine Drohung war. Auch der Gesichtsausdruck des Vampirs gab keine Auskunft über die tiefere Bedeutung des Satzes.

Cathals Augen weiteten sich ob der Frage.

Hastig schüttelte er den Kopf.

"N...Nein!", brachte er hervor.

Er wollte nicht auch noch seine Freunde in Gefahr bringen. Schlimm genug, dass er hier sitzen musste...

"Fein, dann komm mit. Ich zeige dir die Räumlichkeiten."

Er reichte Cathal die Hand und sah ihn auffordernd an. Er musste zwar noch den Schlüssel von seiner Schwester besorgen, aber er wollte zumindest das Einverständnis von seinem Gast, dass er mit ihm kommen würde.

"Ich nehme an, ich hab keine andere Wahl?", gab der Junge zurück.

Allerdings dachte er gar nicht daran die ihm dargebotene Hand zu ergreifen oder dergleichen.

"Ich werde dich nicht zwingen, mir zu folgen. Du kannst diese Mauern auch gerne alleine erkunden. Ich gehe dann den Schlüssel holen."

Mit diesen Worten drehte er sich um und sein Körper löste sich in einen Nebel auf. Dieser bewegte sich unter dem Türschlitz durch und verschwand so aus Cathals Sicht. Auf der anderen Seite der Tür manifestierte sich Delano wieder und ging auf die Suche nach seiner Schwester.

Als er sie fand und um den Schlüssel bat, war sie wieder in der Bibliothek und reinigte einen grossen Folianten. Sie hatte noch mehr Liebe für diese alten Bücher über, als es Delano hatte.

Er kehrte nach nur wenigen Minuten zur Zimmertür zurück und öffnete mit einem lauten Klicken das Schloss, drückte die Klinke herab und öffnete die Tür.
 

Seufzend lehnte Cathal sich gegen die Wand, als Delano verschwunden war.

Wo war er hier bloss hineingeraten?

Vielleicht war es ganz klug zu sehen, wo er sich befand. Früher oder später würde sich sicher eine Gelegenheit zur Flucht bieten...

Als das Schloss sich klickend öffnete, stiess er sich wieder von der Wand ab. Irgendwie würde er wieder hier raus kommen. Und bis es so weit war, würde er sich einfach nicht unterkriegen lassen, darauf konnte der Blutsauger reichlich Gift nehmen.

Besagter Blutsauger lächelte Cathal beinahe liebevoll an, als er für diesen einen Schritt zur Seite machte, damit er an ihm vorbei nach draussen konnte. Er seufzte dann etwas nachdenklich.

Cathal erwiderte das Lächeln nicht und fröstelte leicht, als er auf den etwas zugigen Gang trat.

"Ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt, nicht wahr? Mein Name lautet Delano."

Er beobachtete die Bewegungen seines Gastes und dabei bekam sein Blick etwas räuberisches, fast schon begehrliches. Er seufzte dann jedoch leise und gemahnte sich zur Ruhe. Cathal gefiel ihm wohl etwas zu gut, er würde sich sehr vorsehen müssen, nicht zu sehr einen Narren an dem Burschen zu fressen.

"Ich heisse Cathal", meinte er betont kühl.

Vermutlich war es dem Vampir allerdings ohnehin egal, wie er hiess...

"Cathal...", wiederholte er den Namen und grinste Spitzbübisch.

"Der ist hübsch und ich kann ihn mir gut merken."

Er ging neben Cathal her. Sein Blick haftete an dem jungen Mann und er ertappte sich immer wieder, wie er fasziniert auf diese lichtblonden Haare sah. Erneut seufzte er, genervt von sich selber, zog es aber vor, diesbezüglich zu schweigen.

"Wir haben eine schöne Galerie, eine Bibliothek, die Stallungen sind auch sehr ansehnlich. Mein Zimmer ebenfalls."

Er erschrak über sein eigenes, zu freimütiges Geplapper. Cathal würde wohl kaum Interesse daran haben, wie sein Zimmer aussieht, zumal dieser kleine Satz viel zu viel über seine möglichen Absichten preis gab.

Der Junge hörte allerdings höchstens mit einem halben Ohr zu. Was interessierten ihn schon Bibliotheken und Stallungen, schliesslich konnte er weder lesen noch reiten. Und Delanos private Räumlichkeiten interessierten ihn, in der Tat, erst recht nicht.

Er zog es also vor, etwas gelangweilt zu schweigen.
 

Charlottes Weg führte sie hinaus zu den Räumlichkeiten, wo die bewohnten Zimmer lagen, als ihr die beiden Herrschaften entgegenkamen. Sie sah anfangs verwirrt drein, da es nicht unbedingt Delanos Art war, eine Blutpuppe so bald herumzuführen und in den Alltag zu integrieren. Sie war sogar so verwirrt, dass ihr die Gesichtszüge entgleisten, sie eine Braue hob und einfach nur, für mehrere Sekunden verwirrt, auf die Szenerie starrte.

Delano hingegen lächelte seine Schwester liebevoll an, führte Cathal direkt auf sie zu und deutete mit der geöffneten Hand auf sie.

"Darf ich euch Lady Charlotte vorstellen? Meine Schwester. Charlotte... das ist Cathal."

Er lächelte bei dieser Höflichkeitsfloskel und Charlotte nickte nur knapp, noch immer etwas verwirrt, dass Delano so über alle Massen voreilig agierte.

"Sie ist sehr reizend und gebildet.", hauchte er, mit deutlichen Stolz über seine zudem äusserst schöne Schwester, leise zu Cathal, auch wenn Delano sich der Tatsache bewusst war, dass Charlotte ihn hören musste.

Cathal hatte mittlerweile die Hände in den Hosentaschen vergraben und stellte gerade fest, dass er in der Linken ein Loch hatte, als Charlotte des Wegs kam.

"Wir kennen uns schon...", teilte er Delano schlicht mit.

Nicht einmal die Hände nahm er aus den Taschen.

"Ich habe zu tun, verzeiht bitte", erklärte Charlotte schnell, fast hastig.

Sie wollte keinen Wortwechsel mit den beiden. Ihr tat der Mensch zu sehr leid, als dass sie ihn länger ansehen mochte. Er erinnerte sie einfach zu stark, an ihre Nachkommen, ihre Kinder und Kindeskinder. Sie hasste es, wenn jemand gefangen war, und Cathal war eigentlich nichts anderes als ein Gefangener, auch wenn der Käfig aus Gold zu bestehen schien.

Ihm wurde gewahr, dass seine Schwester einfach nur eine Ausrede gesucht hatte, um den beiden Ausweichen zu können. Er kannte ihre Gefühle und Meinung bezüglich des Haltens von Blutpuppen. Dennoch machte er sich Sorgen. Er sah ihr eine Weile schweigend nach, doch musste er sein Augenmerk wieder auf seinen Gast lenken, welcher sich sehr unhöflich zeigte.

"Du hättest sie wenigstens grüssen können, schliesslich ist sie der Grund, dass du noch atmen darfst."

Sein Tonfall war zwar höflich, aber die Worte waren schneidend. Er war wirklich nicht begeistert, dass Cathal so wenig Respekt gezeigt hatte.

Der schneidende Unterton in Delanos Stimme jagte Cathal einen Schauer über den Rücken, von dem er selbst nicht zu sagen vermochte ob er heiss oder kalt war, und eine leichte Gänsehaut zog sich über seinen nackten Oberkörper.

Sicher, ihm war klar gewesen, dass es den Vampir nicht grossartig interessierte, ob sein Opfer lebte oder nicht -wenn man mal von der Tatsache absah, dass er sich im Falle von Cathals Ableben nach jemand anderem, den er als wandelnde Vorratskammer missbrauchen konnte, umsehen musste- aber die beiläufige, nebensächliche Art wie Delano darüber sprach, dass Cathal jetzt genauso gut auch tot sein konnte, erschreckte ihn dann doch etwas.

Delano lächelte Cathal weiterhin an und deutete mit einer Handbewegung an, dass dieser doch bitte weitergehen sollte. Delano atmete tief durch und wurde sich eines schwachen Seifengeruchs auf Cathals Haut gewahr. Stadttölpel, die den Umgang mit Wasser und Seife kannten? Delano war tatsächlich etwas überrascht, was das anging, er war stets davon ausgegangen, dass Streuner, wie es Cathal ohne Zweifel war, so etwas wie Baden oder Seife nicht kannten. Aber das war ein Gedankengang den Delano weiter verfolgen wollte. Baden.

"Wie wäre es mit einem schönen, warmen Bad, um die schlechten Gedanken fort zu waschen? Das kann wahre Wunder wirken."

Zugegeben, die Aussicht auf warmes Wasser verbesserte die Idee, erneut mit Wasser und Seife in Kontakt zu kommen, erheblich, aber dennoch verschränkte der Junge in einem Anflug von Trotz die Arme vor der Brust.

"Ich hab erst grad gebadet. Das muss reichen", gab er nach wie vor wenig respektvoll von sich, auch wenn "baden" nicht unbedingt das richtige Wort für die Waschaktion vom Vortag war.

"Wie du meinst. Aber das Wasser wäre schön warm, duftend und du könntest nach dem Bad sicher hervorragend schlafen. Ich würd mich sogar dazu herablassen, dir etwas vorzulesen."

Delano seufzte leise, er hatte zwar erwartet, dass Cathal ablehnen würde, aber in seiner doch etwas schmutzigen Fantasie hatte er dann doch etwas Anderes gehofft.

"Vorlesen", wiederholte Cathal mit sarkastischem Unterton, "Willst du mir vielleicht auch noch die Windeln wechseln und mir 'n Fläschchen warme Milch machen?"

Bei dem Typen war irgendwas definitiv nicht in Ordnung. Vorlesen... Für wie alt hielt der ihn eigentlich?

Vielleicht schlug ihm das Vampirdasein auf's Hirn. Gewundert hätte es Cathal nach der Ansage jedenfalls nicht.

Jedenfalls war Delano von sehr emotionaler Natur, und dazu zählte, was so mancher schon bedauert hatte, auch Jähzorn. Cathals Dreistigkeit war in diesem Augenblick einfach zu viel. Er war hier der Gefangene, in der deutlich unterlegenen Rolle, und erdreistete sich zu solch einem Benehmen? Gut, er würde es büssen.

Delano packte den Burschen am Genick und riss ihn mit sich, führte ihn auf diese grobe Weise direkt zurück zu Cathals Zimmer, riss die Tür auf, drückte sich und den vermutlich nach Luft ringenden Sterblichen in den Raum. Er biss ihn ohne Vorwarnung in den Hals und trank hastig eine Menge Blut, was Cathal sehr schwächen würde. Als er dann von ihm abliess, hob er noch die Hand und verpasst dem Jungen eine gehörige Backpfeife.

"Das ist für deine Unverschämtheiten!"

Delano drehte sich auf dem Absatz wieder um, verliess das Zimmer und verriegelte die Tür. Den nächsten Tag sollte dieser Lümmel ohne Essen auskommen, das wäre ja ohnehin für ihn wie bei sich zuhause, Hunger müsste dieser kleine Dieb ja gewohnt sein.

Cathals zitternde Knie gaben indes nach und er sank zu Boden, nur langsam begreifend, was da gerade eigentlich abgegangen war. Nur halbwegs anwesend betastete er zunächst seine von der Ohrfeige brennende Wange, dann die pochende Wunde an seinem Hals. Er betrachtete das Blut, welches an seinen Fingerspitzen kleben blieb, mit einer gewissen Faszination, bevor er sich die Hände flüchtig an seiner Hose abwischte und sich gegen das Bett lehnte, das dankenswerterweise hinter ihm stand.
 

Die Stunden waren zäh dahin geschlichen und nur widerspenstig hat sich Delano von seiner Schwester dazu bewegen lassen, dass er Cathal zumindest etwas Wasser ins Zimmer brachte. Seine Laune war allerdings noch immer auf einem absoluten Tiefpunkt und besserte sich in keinster Weise, als er die Tür aufschloss und das Zimmer betrat.

Durch den nicht gerade geringen Blutverlust müde und etwas schwindlig hob Cathal den Kopf, als die Tür sich öffnete. Er wusste nicht genau, wie viel Zeit seit seinem letzten Zusammentreffen mit dem Vampir vergangen war. Nicht einmal, ob er in der Zwischenzeit vielleicht kurz geschlafen hatte oder sich die ganze Zeit in diesem halbwachen Dämmerzustand befunden hatte, vermochte er mit Bestimmtheit zu sagen.

Schweigend ging Delano an Cathal vorbei und stellte die schwere Karaffe, die gut zwei Liter fassen konnte, auf dem Tisch neben Cathals Bett ab. Er ging auch ebenso schweigend wieder in Richtung der Tür, um das Zimmer wieder zu verlassen.

"Delano?", liess Cathal leise vernehmen, als der Vampir die Türe schon fast erreicht hatte.

Delano blieb stehen, als er hörte, wie Cathal seinen Namen sagte. Auch wenn seine Hand bereits auf dem Türgriff ruhte, verharrte er regungslos. Er sah jedoch nicht in die Richtung, von der er aus angesprochen wurde.

"Ja?"

Zu mehr als diesem einfachen Wort stand ihm der Sinn einfach nicht. Er war noch immer wütend, auch wenn seine Schwester die Wogen deutlich geglättet hatte.

In Anbetracht seines Zustandes erstaunlich konzentriert blickte der Junge auf den Rücken Delanos.

"Wenn ich... nur eine Mahlzeit gewesen wäre...", begann er leise und stockend die Frage, die ihm schon eine ganze Weile unter den Nägeln brannte, zu stellen, "Hättest du mich wirklich getötet? Ich meine... einfach so?"

Eigentlich war die Frage lächerlich. Natürlich hätte er ihn getötet. Doch irgendetwas liess ihn dennoch an der Antwort, die sein Verstand ihm überraschend klar gab, zweifeln.

Der Vampir hatte mit vielen Fragen gerechnet, mit vielen Optionen, doch nicht mit dieser.

Natürlich hätte er ihn nicht getötet, schliesslich hatte ihm dieser junge Mann von Anfang an viel zu gut dafür gefallen. Doch konnte er das so sagen?

Er haderte kurz mit sich selber und blieb noch immer regungslos an der Tür stehen, dann schüttelte er, nach einer Weile, leicht den Kopf.

"Nein, ich hätte dich nicht getötet."

Auch wenn er ein Meister der Lügen und Illusionen war, er empfand es in dieser Situation angebrachter, die Wahrheit zu sagen.

Hätte Delano Cathal angesehen, hätte er ihm vermutlich deutlich ansehen können, dass dies nicht gerade die Antwort war, mit der er gerechnet hatte.

Einen Moment lang schwieg der Junge, eher er sich dazu durchringen konnte, eine weitere Frage zu stellen.

"Warum nicht?"

Die Worte waren kaum mehr als ein zaghaftes Hauchen.

Delano drehte sich langsam zu Cathal um. Musterte ihn eine Weile schweigend, ging dann auf Cathal zu und kniete sich direkt vor ihm nieder.

"Weil ich…“, erbrach ab. „Ach, was weiss ich... Es wäre falsch gewesen, da war ich sicher."

Er sah ihn noch eine Weile, auf diese Weise, schweigend an, ehe er auf den Krug deutete.

"Damit du zumindest nicht durstig wirst", erklärte er schlicht.

Ihn zu töten wäre also falsch gewesen, aber ihn hier wie ein Stück Vieh einzusperren, war in Ordnung? Nach wie vor war Cathal überzeugt, dass bei seinem Gegenüber mindestens eine Schraube locker war.

Glücklicherweise schaffte er es aber ausnahmsweise, seine Gedankengänge auch für sich zu behalten. Sein von Natur aus viel zu loses Mundwerk hatte ihm schon mehr als genug Ärger eingebracht.

Ein leises, aber immerhin vorhandenes "Danke" für den Wasserkrug war alles, was er hervorbrachte.
 

Kapitel 3

- Ende –

Danke an alle, die uns favorisiert und/oder haben. Wir freuen uns immer sehr und fühlen uns geehrt und geschmeichelt!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Althaea
2011-01-23T19:05:03+00:00 23.01.2011 20:05
Hab endlich wieder Internet und kann weiter lesen. ^o^
Das Kapitel gefällt mir sehr gut... ich fresse mehr und mehr einen Narren an Delano... auch wenn der eindeutig einen Dachschaden hat... also ich meine selbst für einen einsamen Unsterblichen. XD

Ich hab keine Ahnung warum die Idee das der Vampir, einen Nackten badenden Jungen eine Geschichte vorlesen will, bei mir nen Lachflash ausgelöst hat... aber ich musste wirklich ne pause einlegen bis sich das wieder gelegt hatte. -_-°

Alles in allem ist dieses Kapitel vielleicht ne Spur zu kuschelig geworden... diese schön finstere Atmosphäre aus den vorigen Kapiteln war irgendwie futsch. Nichtmal bei der „Bestrafungsszene“ ist die wirklich aufgekommen, ist ein bisschen schade, schadet aber den gesamt Charme trotzdem nicht.

Ohhh.... und die letzte Seite, sieht ja aus als würde Cathal langsam Handzahm werden ;D



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