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Magenta II

Zwischen Azeroth und Kalimdor
von

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Vom Regen in die Traufe

„Lebend bekommt ihr uns nicht!“, rief Easygoing und sein heiserer Nachtelfenschrei ging in das zähnefletschende Gebrüll eines wilden Bären über, der sich auf die Hinterbeine erhob um seinen Feinden einen warmen Empfang zu bereiten. Neben ihm erhob sich wie ein Racheengel Ceredrian, umgeben von einem Schild aus weißem Licht, das ihn selbst schützen und seine Feinde blenden sollte. An seiner Seite stand mit grimmigen Gesichtsausdruck Abbefaria, die Ohren angelegt und unschlüssig, ob er sich in diesem Kampf auf seine körperlichen Kräfte oder sein Wissen um die Kräfte der Natur verlassen sollte. Doch noch bevor sich einer von ihnen auf die überraschten Orks stürzen konnte, trippelte eine kleine Gestalt mit schwarzen Zöpfen auf den Kampfplatz.

„Ich bin Emanuelle Fizzlebolt-Shakletrunks und hiermit fordere ich Euch auf, den Weg freizugeben oder ich sehe mich gezwungen Maßnahmen zu ergreifen.“
 

Die Orks - es waren fünf an der Zahl - sahen sich fragend an. Die meisten von ihnen hatten schon einmal Nachtelfen gesehen, doch niemand von ihnen hatte damit gerechnet, so unvermittelt auf diese langohrigen Gesellen zu treffen. Nachtelfen galten als zäh und wendig, schwer fassbare Gegner, die jedoch oft genug eine Flucht einem Tod ihm Kampf vorzogen. Sie versteckten sich in den Wäldern und unterhielten eigenartige Beziehungen zu Bäumen, wie jeder wusste. Ihre Augen leuchteten im Dunkeln wie die der unseligen Untoten und sie hatten noch bessere Ohren als die geschickten Trolle, die das Rascheln eines losen Blattes unter deinen Füßen noch auf einen Kilometer Entfernung wahrnehmen konnten. Und sie ließen ihre Frauen kämpfen, auch wenn es manchmal schwierig war, bei diesen dürren Gesellen Mann und Frau auseinander zu halten.

Nachtelfenkriegerinnen hatten jedoch nichts mit den wütenden Furien gemein, in die sich Orkfrauen verwandelten, wenn sie ihr Leben oder das Leben ihrer Sippe bedroht sahen. Vielmehr glichen sie kalten, emotionslosen Schatten, die sich blitzschnell bewegten um einem dann das dreiklingige Schwert in den unbewachten Rücken zu rammen. Nachtelfen hatten keine Ehre und niemand störte sich daran, wenn die eine oder andere von ihnen in einem Kochtopf landete oder jemand Spielzeug für die Kinder aus ihren Ohren bastelte.

Dieses kleine, quiekende Wesen, das sich da vor ihnen aufbaute, war allerdings kein Nachelf, so viel stand fest. Doch was immer es auch war, es fuhr, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihn nicht verstanden, unbeirrt damit fort auf sie einzureden. Die spitzen Töne, die aus seinem Mund sprudelten, begannen dem Anführer der Orks Kopfschmerzen zu bereiten. Die gewaltigen Muskelstränge unter seiner grünen Haut spannten sich, als er nach seiner Axt griff. Sie waren gekommen, um den Wunsch einer weisen Schamanin zu erfüllen, die sie in dieses Tal geschickt hatte, um die elenden Goblins aufzuhalten, die sich an den Geistern der Natur versündigt hatten. Doch es hatte keiner gesagt, dass sie dabei nicht auch ein paar Eindringlinge der Allianz zur Strecke bringen konnten.

Einer der anderen Orks stieß den Anführer an. „Einer von ihnen scheint ein Druide zu sein.“, flüsterte er. „Sieh nur, er hat sich in einen Bären verwandelt. Maggran Earthbinder wird nicht erfreut sein, wenn wir uns mit ihm auf einen Kampf einlassen.“

Der Anführer grollte und stieß seinen Kumpan grob vor die Brust. „Was bist du, ein Ork oder ein Feigling? Auch ich achte die Einstellung der Tauren, aber du siehst doch, dass sie uns feindlich gesinnt sind. Willst du, dass sie uns in den Rücken fallen? Außerdem kenne ich jemanden, der sicherlich ein gutes Kopfgeld für diese Elfen zahlen wird. Also los, lasst uns ein paar Schädel spalten. Mit dem dieses nervtötenden, kleinen Ding da fangen wir an.“

Der Ork packte seine Axt fester und trat einen Schritt vor. Die Nachtelfen quittierten diesen Schritt mit wachsender Anspannung. Mit einem Grinsen wandte der Ork sich dem fiependen Bündel zu seinen Füßen zu und hob die Doppelklingen-Axt hoch über seinen Kopf. Er würde nicht mehr als ein Schlag brauchen, rechnete er, als das Wesen begann, mit flinken Fingern etwas aus seiner Tasche zu zerren. Misstrauisch verharrte der Ork in seiner Bewegung. Etwas, das wie weiße Wolle aussah, kam zum Vorschein. Wollte das Ding sich etwa ergeben? Wenn ja, dann hatte seine weiße Fahne eine sehr eigenartige Form mit vier Beinen, einem klappernden und ratternden Rumpf und einem Kopf, aus dem ein misstönendes Geräusch kam. Es sah fast aus wie ein…

„Runter!“, brüllte einer seiner Kameraden warnend, doch noch bevor der Ork sich zurückziehen konnte, explodierte das Schaf. Steine und Geröll flogen dem Ork um die Ohren, Staub drang in seine platte Nase und der Boden unter seinen Füßen begann zu vibrieren. Und ein Ork aus Durotar wusste, was es bedeutete, wenn die Erde bebte. Dann sah man möglichst schnell zu, dass man sicheren Halt fand und betete, dass die Geister der Erde sich bald wieder beruhigten. Auf allen Vieren kroch er wieder zu seinem Kameraden zurück, als ein knirschendes Krachen erklang, gefolgt von den Schreien ihrer Gegner. Als der Anführer den Kopf wieder hob, war die Hälfte der Klippe verschwunden und mit ihnen die Nachtelfen und das andere kleine Wesen. Es sah so aus, als hätten die Geister der Erde entschieden, wie diese Zusammenkunft ausging.
 


 


 

Eine Explosion erschütterte die Erde und Magenta zog automatisch den Kopf ein und rückte etwas näher an Abumoaham, der hinter ihr auf dem Pferd saß. Sie hatten Loch Modan noch nicht vollkommen umrundet, doch schon jetzt war es unverkennbar, wo sich die Ausgrabungsstätte der Zwerge befand: Dort, wo der meiste Lärm herkam.

„Verdammte Troggs!“, brüllte jemand und kurz darauf erklang das charakteristische Geheul eines dieser hässlichen Wesen, wenn man ihm einen schweren Gegenstand gegen den überdimensionierten Schädel schlug. „Los, macht, dass ihr wegkommt. UND FRESST NICHT WIEDER…“

Etwas explodierte erneut gefolgt von einem Klatschen und dem verzweifelten Gebrüll eines Zwergs, der versuchte, eine ganze Herde von Troggs davon abzuhalten, seine Ausrüstungsgegenstände zu vertilgen. Als die Troggs jedoch den Reitertross kommen sahen, liefen sie, so schnell sie ihre Beine trugen, davon; nicht ohne jedoch noch einen Happen für den Weg mitzunehmen, wie eine dritte Explosion bewies. Völlig außer Puste blieb ein Zwerg mit kohlrabenschwarzen Haaren und einem einstmals sorgfältig geflochtenen Bart neben den Abenteurern stehen. Er zog ein riesiges Taschentuch hervor und wischte sich schnaufend Schweiß und eine rote Schmiere, die irgendwann einmal ein Trogg gewesen sein musste, aus dem Gesicht.

„Verfluchte Biester.“, knurrte er. „Klauen wie die Raben und fressen mein ganzes Dynamit. Man würde meinen, sie kapieren irgendwann einmal, was passiert, wenn sie es ins Maul stecken.“

„Ausgrabungsleiter Ironband, nehme ich an?“, fragte Risingsun und stieg wie alle anderen von ihrem Reittier. „Stormpike schickt uns zu Euch. Er sagt, Ihr könntet Hilfe gebrauchen? Sollen wir ein paar dieser Troggs für Euch schlachten?“

Etwas verwundert musterte der Ausgrabungsleiter die junge Menschenfrau, die so gar nicht nach einem blutrünstigen Raubritter aussah, auch wenn sie sich wie einer anhörte.

„Nein, nein.“, wiegelte er ab. „Diese Troggs sind zwar lästig, aber m Grunde genommen feige und dumm. Allein ihre Kraft und die Tatsache, dass sie manchmal zu dumm sind um feige zu sein, macht sie gefährlich. Die Nachricht, die ich Stormpike sandte, sandte ich aus anderen Gründen. Einer meiner besten Männer ist verschwunden. Ich hatte ihn beauftragt, die Ausgrabungsstätten im Ödland zu besichtigen und mir dann Bericht zu erstatten.“

„Warum hatte?“, fragte Schakal nach. Neben ihm suchte der stattliche Widder, den er sich auf einem Gehöft in Dun Morogh gekauft hatte, auf dem kargen Steinboden nach Futter.

„Nun, weil er niemals zurückgekehrt ist.“, erklärte Ironband und machte sich daran, die verteilt liegende Ausrüstung wieder einzusammeln. „Ich selbst kann diese Grabung hier nicht allein lassen, doch es sollte jemand ins Ödland reisen und nachsehen, was aus ihm geworden ist. Die letzten Berichte, die er mir sandte, waren alles andere als beruhigend.“

„Was stand denn in dem Bericht?“, hakte Risingsun nach ohne sich um die unausgesprochene Aufforderung des Zwergs zu kümmern.“

Ironband strich sich über seinen Bart und überlegte. „Nun ja, darin stand, dass bei den Ausgrabungen in Uldaman uralte Urnen gefunden wurden. Ich glaube, es könnte ein Zusammenhang zwischen diesen Urnen und den Götzen bestehen, die ich in meiner Grabung hier fand. Auf jeden Falls scheinen diese Dinge eine beunruhigende Wirkung auf die Troggs zu haben. Ich müsste beides untersuchen und herausfinden, ob irgendein Zusammenhang besteht.“

„Mit anderen Worten, Ihr braucht eigentlich diese Urnen.“, schlussfolgerte Risingsun.

„Ähm ja.“, antwortete der Ausgrabungsleiter verwirrt. „Aber ich wüsste auch gern, was mit Agmond geschehen ist.“

Die Paladina ließ sich auf die Knie sinken und legte dem Ausgrabungsleiter eine Hand auf die Schulter. „Ich fürchte, euer Freund weilt nicht mehr unter uns. Ihr sagt ja selbst, dass er allein unterwegs war in einem Gebiet, in dem Eure Ausgrabungen Dutzende von wütenden Troggs aufgescheucht haben.“

„Ja aber Agmond war stark.“, wandte der Ausgrabungsleiter ein, dem der Verlauf des Gesprächs sichtlich nicht schmeckte. „Wenn er auf Troggs gestoßen wäre, hätte er sicherlich einige von ihnen erschlagen.“

„Ihr sagt es selbst. Einige.“, antwortete Risingsun. „Ich rate Euch, sprecht ein Gebet für Euren Freund, während wir Euch ein paar dieser Urnen besorgen. Uldaman liegt gleich am nördlichen Rand des Ödlandes. Wenn wir straff reiten, sollten wir innerhalb eines Tages hin und wieder zurück kommen. Rechnet also bei Sonnenuntergang wieder mit uns.“
 

Damit drehte die Paladina sich um und sah ihre Begleiter auffordernd an. „Also los, wir gehen nach Uldaman“

„Aber warum wir nicht suchen nach verlorenem Freund?“, fragte Abumoaham, während er Magenta in den Sattel half und sich dann hinter ihr auf das Pferd setzte.

„Weil ich schon einmal im Ödland war.“, erklärte Risingsun und ließ ihren Schimmel antraben. „Dieses Gebiet ist riesig und man könnte dort Tage herumirren, um eine halb im Sand vergrabenen Zwergenleiche zu suchen. Wer von dort verloren geht, den findet niemand mehr wieder. Aasgeier und Kojoten sorgen leider sehr zuverlässig dafür. Es wäre Zeitverschwandung, auch wenn ich natürlich alle Hochachtung vor dem Verstorbenen habe und ihm ein anständiges Begräbnis mehr als alles andere wünschen würde.“

„Das sein gutes Grund.“, bestätigte der Magier und schickte sich an, der voranreitenden Paladina zu folgen. Da fiel sein Blick auf Schakal, der etwas nachdenklich ins Leere starrte.

„Du kommen?“, fragte er.

Der Schurke schüttelte den Kopf und legte seinem Widder die Hand auf den Hals. „Ich glaube, es wäre besser, wenn ich das hier allein erledigen würde.“, sagte er dann in entschlossenem Ton. „Es ist nicht Sache der Zwerge, Dinge schnell zu erledigen. Es kommt darauf an, dass man sie richtig macht. Und es ist richtig, zunächst nach diesem Agmond zu suchen.“

„Wenn du willst, begleiten wir dich.“, bot Magenta an, die sich ein wenig schuldig fühlte, weil sie Risingsun insgeheim zustimmen musste, was die Suche nach dem vermissten Zwerg anging. Allerdings hätten sie, wenn es nach ihr gegangen wäre, auch gar nicht hier Halt gemacht.

„Ja, wenn wir alle zusammen suchen, finden wir diesen Agmond sicherlich schnell.“, fiel Bladewarrior begeistert ein.

„Nein.“, sagte Schakal entschlossen. „Risingsun hat Recht, wenn sie sagt, dass man hier nicht nach einem Überlebenden suchen sollte. Und ihr Menschen habt noch viel vor. Geht also, reitet von hier aus gleich nach Southshore und lasst mich diese Sache auf Zwergenart zu Ende bringen! Ich bin sicher, wir werden uns schneller wieder sehen, als man annehmen sollte. “

„Aber…“, begann Abumoaham, doch der Zwerg schnitt ihm mit einer resoluten Geste das Wort ab.

„Wisst ihr, ich fühle mich nicht recht wohl mit all diesen Reisen.“, erklärte Schakal und man sah ihm an, dass es ihm schwer fiel so viele seiner Gedanken in Worte zu fassen. „Ich bin ein Zwerg versteht ihr? Es treibt mich nicht hinaus in die Welt um festzustellen, dass es zu hause so viel besser ist. Deswegen bitte ich euch, ohne mich weiter zu reisen.“

Niemand erwiderte etwas darauf bis Risingsun schließlich von ihrem Schlachtross stieg. Sie zog ihren Handschuh aus und reichte Schakal ihre Rechte. Als der Zwerg einschlug nickte sie ihm zu.

„Passt auf Euch auf.“, sagte sie schlicht, zog ihren Handschuh wieder an und ging zurück zu ihrem Pferd.

Reihum verabschiedeten sich die Menschen von ihrem Zwergenfreund und ließen die kurze, muskulöse Gestalt zusammen mit ihrem Widder am Rande der Ausgrabungsstätte zurück. Als Magenta sich noch einmal nach ihm umdrehte, war er bereits wieder auf sein Reittier gestiegen und ritt in entgegengesetzter Richtung davon. Nachdenklich sah die Hexenmeisterin ihm nach, bis die Bäume am Seeufer ihn vollends verdeckten.

Es war seltsam, wie sehr man sich an jemanden gewöhnte, der irgendwie immer da war, nie viel redete und doch eine Lücke hinterließ, als er ging. Passend zu ihrer gedrückten Stimmung fing es gleich hinter dem Pass ins Sumpfland an zu regnen und so trottete die geschrumpfte Schar mit hängenden Köpfen und durchweichten Kleidern in Richtung des Passes, der sie ins Aratihochland führen sollte.
 


 


 

Mit gewaltigem Getöse rauschte die abgebrochene Erdscholle in die Tiefe, riss Felsbrocken und kleine Bäume mit sich und schlitterte unaufhaltsam auf das Holzfällerlager zu. Immer schneller und schneller wurde die wilde Rutschpartie und endete schließlich mit einem dumpfen Knall an einem abgestorbenen Baumstumpf. Abbefaria wurde nach vorne katapultiert, überschlug sich ein paar Mal und wurde wie durch ein Wunder unverletzt von einem großen Holzstapel gebremst. Stöhnend rappelt er sich auf und sah sich nach seinen Freunden um.

Auch Easygoing schien den Sturz relativ gut überstanden zu haben, was man von der Gnomin, die leblos zwischen seinen Bärenkiefern hing, nicht unbedingt sagen konnte. Wie es schien, war sie von etwas am Kopf getroffen worden, denn sie war bewusstlos und blutete aus einer Wunde an ihrer Stirn. Auf ihrem Rücken hatten sie den Umhang, mit dem sie bei ihrer Ankunft zu Boden geschwebt war; er hatte sich nicht geöffnet

Abbefaria wollte sich gerade nach Ceredrian umsehen, als eine Stimme in seiner Nähe keifte: „Eindringlinge! Schnappt sie euch!“

Sekunden später wimmelte es nur so von Goblins, die allesamt bis an die Zähne bewaffnet waren und keinen Hehl daraus machten, dass, wer immer auch in ihre Lager eindrang, mit tödlichen Konsequenzen zu rechnen hatte. Noch waren die beiden Druiden von dem Holzstapel verdeckt, doch es würde nicht lange dauern, bis einer der Goblins auf die Idee kam, dahinter zu schauen. Wenn sie allein gewesen wären, wäre es den beiden Druiden ein Leichtes gewesen, sich davon zu schleichen, doch mit ihrer kostbaren Fracht beladen, würden sie sich nicht einfach davon stehlen können.

“Was machen wir jetzt?“, wisperte Abbefaria dem Bären ins Ohr. „Wir können unmöglich entkommen. Deadly ist noch irgendwo im Lager unterwegs, von Ceredrian ist nirgends eine Spur zu sehen und wir haben diese unsägliche Gnomin am Hals.“

Ein Grollen antwortete ihm und Easygoing legte die Gnomin vorsichtig auf den Boden. Dann verwandelte er sich zurück und erklärte gehetzt: „Es gibt nur die Möglichkeit, dass wir uns trennen. Allein haben wir vielleicht eine Chance, ihnen zu entkommen. Falls doch einer von uns gefangen werden sollte, müssen wir eben hoffen, dass wir ihn irgendwie befreien können.“

Abbefaria nickte stumm. Ihm gefiel dieser Plan gar nicht, aber es gab keine andere Möglichkeit. Er deutet auf die bewusstlose Gnomin. „Und was machen wir mit ihr?“

„Ich werde sie mitnehmen.“, gab Easygoing widerwillig zurück. „Ich bin stärker als du und kann sie besser tragen. Aber ich brauche meine Zähne und Klauen du wirst sie mir auf den Rücken binden, wenn ich mich in einen Bären verwandelt habe.“

In Windeseile entfalteten die beiden Druiden den Umhang mit den vielen Schnüren, während die quäkenden Schreie der Goblins immer näher kamen. Dann verwandelte sich Easygoing wieder und Abbefaria band die Gnomin so gut es ging an seinem Rücken fest. Es sah ein wenig aus, als hätte sein Freund einen Rucksack um, doch dem jungen Druiden war nicht zum Scherzen zumute. So gab er Easygoing ein Zeichen, dass er fertig war, und verwandelte sich selbst in eine Raubkatze. Wenn Easygoing mit der Pranke zweimal auf den Boden klopfte, würde er nach rechts um den Holzstapel herumsprinten, während sein Freund das Gleiche auf der linken Seite tat. So, so hofften sie zumindest, würden die Goblins verwirrt genug sein, um nicht sofort auf einen von ihnen zu schießen. Nervös machte der Druide sich bereit zum Sprung.
 

„Da!“, gellte ein Schrei ganz in ihrer Nähe. “Einer dieser elenden Elfen! Los! Fangt ihn!“

Alarmiert machten die beiden Druiden sich kampfbereit und rechneten jeden Augenblick damit, von einer Horde Goblins überrannt zu werden, doch die Schreie der grünen Gesellen entfernten sich sehr zu ihrem Erstaunen immer weiter von ihnen. Die Erkenntnis, warum das so war, traf Abbefaria wie en Eimer kaltes Wasser: Sie mussten Ceredrian gesehen haben. Vorsichtig spähte er um die Ecke des Holzstapels und sah, wie die Goblins zur Mitte des Lagers strömten. Doch konnte er dort niemanden entdecken, bis er bemerkte, dass die Goblins allesamt nach oben starrten. Da endlich entdeckte auch er die weiße Gestalt, die langsam vom Himmel herab geschwebt kam. Der Priester hatte wieder einmal seinen Levitationszauber benutzt und dabei anscheinend nicht mit einberechnet, wohin der leichte Fall ihn tragen würde. So bildete er ein leichtes Ziel, für die Goblins, die nun zu Dutzenden Schusswaffen gezogen hatten und nur darauf warteten, dass der Eindringling in Reichweite kam. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis sie feuerten.

Wir müssen etwas unternehmen, maunzte er und begriff im selben Augenblick, dass Easygoing ihn wieder einmal nicht verstand. Doch er hatte keine Zeit für lange Erklärungen, so wirbelte er auf den Hinterpfoten herum und sprintete mitten auf die versammelten Goblins zu.

Während seine Pfoten ihn über umgestürzte Holzstämme und Öllachen trugen, verlangte ein Teil seines Bewusstseins zu wissen, was er dort tat. Wenn die Goblins erst einmal bemerkten, so würde er statt des Priesters im Kugelhagel sterben. Was er brauchte, war eine Ablenkung und zwar eine wirksame. Wenn doch nur Deadly die Explosionen früher auslösen würde, dann könnten sie in der Verwirrung vielleicht entkommen. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass der Schurke etwas von ihrem Dilemma mitbekommen hatte.

Plötzlich hörte Abbefaria hinter sich ein Brüllen und er musste sich nicht umschauen um zu wissen, dass Easygoing die Situation nun ebenfalls erfasst hatte und entschlossen war zu handeln. Mit gefletschten Zähnen und geschärften Krallen rollte eine Welle aus Fell und Wut auf die verdatterten Goblins zu, die nun zum ersten Mal bemerkten, dass sie es nicht nur mit einem Gegner zu tun hatten. Einige von ihnen erholten sich jedoch erschreckend schnell von ihrem Schrecken und legten wuchtig wirkende Schießeisen auf den heranstürmenden Bären an.

Wild entschlossen macht Abbefaria einen Satz und landete mitten vor der ersten Reihe der Goblin. Er fauchte wild und schlug einem der ersten Goblins die Flinte aus der Hand. Dann war auch Easygoing heran und fegte mit einem Prankenschlag gleich mehrere der grünen Wichte von den Füßen. Sein ohrenbetäubendes Gebrüll erschütterte die nahe stehenden Goblins bis ins Mark und nicht wenige starrten den Bären lediglich aus kugelrunden Augen an, bis sie sich wieder der Waffen in ihren Händen bewusst wurden. Ein erster Schuss löste sich und durchschlug die Schulter des Bären. Brüllend warf er sich auf den Schützen und zermalmte ihn mit einem einzigen Prankenhieb. Ein zweiter Schuss pfiff Abbefaria um die Ohren und verfehlte den Druiden nur um Haaresbreite. Entsetzt duckte er sich, um dem Angreifer gleich darauf die Krallen ins Gesicht zu schlagen. Da plötzlich fiel etwas Dunkles vom Himmel herab und landete mitten unter den Goblins.

„Ihr habt Euch mit den falschen Nachtelfen angelegt.“, grollte das Wesen, dessen gesamter Körper von wabernden Schatten umspült wurde. „Jetzt rennt um Euer Leben!“

Ein Laut, wie ihn Abbefaria noch nie gehört hatte, gellte durch das Tal und durchfuhr den Druiden bis in die Haarspitzen. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang, sich kurzerhand umzudrehen und so weit wie möglich von der Quelle des Geräuschs fortzulaufen. Die Goblins dagegen ließen voller Entsetzen ihre Waffen fallen und rannten, als wäre eine ganze Herde Dämonen hinter ihnen her. Und Abbefaria konnte es ihnen nicht verübeln, denn Ceredrian, den der Druide nun trotz seiner Verwandlung erkannt hatte, sah wirklich zum Fürchten aus. Das Rätsel darum, warum der weißhaarige Priester auf einmal wie die Reinkarnation eines Alptraums wirkte, mussten sie jedoch auf später verschieben, denn einer der Goblins hatte sich ein Herz gefasst und schweres Geschütz aufgefahren.

Eine menschenähnliche Maschine mit riesigen, rotieren Sägeblättern kam ratternd und funkensprühend auf sie zu gewankt. Der wagemutige Goblin, der hinter dem Steuer der Rodungsmaschine saß, lachte irre und seine Augen glühten voller Mordlust.

„Sterbt, Elfen!“, gackerte er und kippte dann urplötzliche mit verdrehten Augen nach vorn. Ein Dolch, der aus seinem Rücken ragte, hatte ihm ein schnelles Ende bereitet. Führerlos ratterte die Maschine an den Nachtelfen vorbei, stieß gegen einen Baumstumpf und kippte dann mit einem quietschenden Laut zur Seite. Gurgelnd und zuckend erstarben ihre Bewegungen, während eine schlanke Gestalt in dunkler Lederkleidung über sie hinwegsetzte und sich zu seinen Freunden gesellte.

„Euch kann man auch nicht alleine lassen.“, schimpfte Deadlyone, während er einen weiteren Goblin mit einem gezielten Tritt in die Bewusstlosigkeit schickte. Sein Blick fiel auf Ceredrian. „Wohl in Maschinenöl gebadet, was?“

„Erkläre ich später.“, wimmelte der Priester ab und blickte sorgenvoll auf die heranstürmenden Goblins. „Wie es aussieht, haben sich unsere Freunde von ihrem anfänglichen Schrecken erholt. Wir sollten von hier verschwinden.“

Wie zur Bestätigung knurrte Easygoing und setzte sich ohne zu zögern an die Spitze der Gruppe. Er rannte ein paar der Goblins, die das Pech gehabt hatten, schneller zu sein als ihre Kameraden, einfach über den Haufen und hielt dann auf die nahen Berge zu. Dort, so hoffte er wohl, würden sie ihre Verfolger abschütteln können. Zuvor jedoch würden sie durch den See schwimmen müssen, der sich am Fuße eines steilen Wasserfalls gebildet hatte.

„Nein, nicht in die Richtung!“, rief sein Bruder ihm nach „Dort habe ich…“

Eine gewaltige Explosion verschluckte den restlichen Satz des Schurken und die Konstruktion, die die Goblins unterhalb des Wasserfalls an den Fels gehängt hatten, brach in sich zusammen. Ein Wasserrad so groß, dass es zehn Männer gebraucht hätte um es zu umspannen, löste sich aus seiner Verankerung und stürzte in die Tiefe. Felsen, scharfkantige Holzstücke und brennende Maschinenteile ergossen sich wie ein tödlicher Regen in das Tal und genau auf die am Ufer stehenden Nachtelfen zu.
 

In diesem Moment dachte Abbefaria nicht mehr nach. Es war, als hätten seine Pfoten automatische die Kontrolle übernommen, um ihn so weit wie möglich von der Einschlagstelle der Trümmer wegzubringen. Er sah nicht nach rechts und nicht nach links, während er im Zickzack durch das Holzfällerlager preschte. Kugeln pfiffen ihm um die Ohren und zerfetzten die kümmerlichen Reste der Vegetation, die Maschinen bis dahin verschont hatten. Fast glaubte der Druide schon, er würde den Rand des Lagers unverletzt erreichen, als ein Geschoss ihn in die Seite traf.

Die Wucht des Aufpralls brachte Abbefaria zum Straucheln, er prallte hart auf die Erde und kugelte haltlos durch den Staub. Ein brennender Schmerz flutete seine Sinne und er spürte, wie warmes Blut sein Fell tränkte. Als er versuchte, sich aufzurappeln, knickten seine Hinterpfoten ein. Hilflos musste er mit ansehen, wie gleich drei Goblins siegessicher auf ihn zustürmten. Einer von ihnen blieb stehen, hob seine Waffe und zielte genau auf den Kopf der großen Raubkatze.
 

Ergeben schloss Abbefaria die Augen. Sein Atem rasselte pfeifend durch seine Lungen, das Blut quoll weiter aus seinen Wunden. Er wusste, dass er, selbst wenn er sich zurückverwandeln und den Blutfluss stoppen konnte, nicht mehr die Kraft haben würde, es mit den drei Goblins aufzunehmen. Und auch dann hätte er immer noch schneller sein müssen, als der Finger am Abzug der Waffe des Goblins...der immer noch nicht geschossen hatte.

Verwirrt öffnete der Druide die Augen wieder und sah, wie der Goblin entsetzt auf etwas starrte, das hinter Abbefaria den Berg hinunterstürmte. Der Druide hörte Hufgetrappel, ein großer Schatten setzte in einem gewaltigen Sprung über ihn hinweg und die wirbelnden Hufe eines Hirsches katapultierten den ersten der Goblins mehrere Meter weit durch die Luft. Eine Hand, die gänzlich aus knorrigen Wurzeln zu bestehen schien schoss vor, und der zweite Goblin folgte dem ersten auf dem Fuße. Zitternd legte der letzte Goblin seine Waffe zu Füßen des wutentbrannten Hüters des Hains nieder, hob entschuldigend lächelnd die leeren Hände und gab Fersengeld. Er kam nicht weit, denn auf eine Geste des Hüters hin schossen Wurzelstränge aus dem Boden hervor und fesselten den Goblin an Ort und Stelle. Dann erst drehte das Wesen, das den Rumpf eines Hirsches und den Oberkörper eines Nachtelfen hatte, Abbefaria den Kopf zu.

„Bleibt liegen“, sagte der Hüter und es klang wie das Knarren einer Eiche im Sturm. „Ich werde zunächst noch Eure Freunde befreien.“

Der Hüter wollte schon über einen Baumstamm hinweg setzen, als Abbefaria sich zurückverwandelte. „Shan’do wartet.“, rief er mit schmerzverzerrter Stimme. „Diese Goblins. Es sind zu viele. Lasst mich Euch helfen.“

Der Hüter des Hains verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. „Euer Verhalten ehrt Euch, junger Druide, doch auch wenn ich bei dieser Erkundung der Goblins und ihrer Schandtaten an den Scherwindklippen nicht vorhatte, mich ihnen zu zeigen oder gar mit ihnen zu kämpfen, so bedeutet das nicht, dass ich unvorbereitet wäre. Und niemand hat gesagt, dass ich allein kämpfen würde.“

Der Hüter hob die rechte Hand, die wie ein blühender Zweig geformt war, und wies auf die toten Bäume, die um Abbefaria herumstanden. Beschwörende Gesten und gemurmelte Worte wanden sich wie Efeuranken um das tote Holz. Unter den staunenden Augen des Druiden begannen die leblosen Stämme wieder Blätter hervor zu treiben, Äste sprossen aus ihren Seiten und aus der borkigen Rinde formten sich Gesichter. Klauenartige Hände streckten sich an den Enden der Zweige, Wurzeln wurden aus dem Boden gezerrt, leuchten grüne Augen gerieben und knarzende Stimmen verlangten zu wissen, wo ihre Hilfe vonnöten war.

„Vorwärts, meine Freunde! Andu-falah-dor!“, rief der Hüter des Hains und gehorsam setzten sich die Treants, die Baumgeister, die er mit seinem Zauber erweckt hatte, in Bewegung um Rache zu nehmen für das, was die Goblins ihnen angetan hatten.

Was folgte war ein Kampf von Natur gegen Maschine, der unter anderen Umständen sicherlich nicht so glimpflich ausgegangen wäre. Doch gut organisiert und besonnen waren Eigenschaften, durch die sich Goblins im Allgemeinen nicht auszeichneten und so gelang es dem Hüter des Hains in der allgemeinen Unordnung, Abbefarias Freunden den Rückzug zu sichern, bevor der Zauber, mit dem er die Bäume zu kurzem Leben erweckt hatte, wieder verflog.
 

An einem kleinen See ein ganzes Stück bergaufwärts legten sie schließlich eine rast ein um ihre Wunden zu säubern. Ceredrian, der wieder zu seinem alten Äußeren zurückgeehrt war, mühte sich redlich mit seinen heilenden Kräften und auch die beiden Druiden taten, was sie konnten, um für das restliche Stück des Weges wieder zu Kräften zu kommen. Einzig Deadlyone, der weder verletzt war noch etwas vom Heilen verstand, langweilte sich sichtbar.

„Sag mal, Cere!“, rief er von einem Stein aus, von dem er beauftragt worden war, den Weg ins Tal zu beobachten. „Was war das vorhin eigentlich für ein Trick mit diesen wabernden Schatten um dich herum. Man hätte fast Angst vor dir bekommen können.“

Ceredrian, der gerade einen weiteren Heilzauber über Abbefarias Verletzung sprach, runzelte die Stirn. „Das ist etwas, das ich während meiner Studien gelernt habe. Es scheint, als würden Priester noch weit mehr können, als beten und singen.“

„Und unvorsichtige Druiden wieder zusammenflicken.“, grinste Deadlyone, der die Anspielung seines Cousin durchaus verstanden hatte. Er selbst war es gewesen, der den Priester oft genug mit solchen und ähnlichen Beleidigungen aufgezogen hatte. „Aber was war das nun eigentlich?“

„Etwas, das ich nur im äußersten Notfall einsetzen werde.“, erklärte Ceredrian sachlich und blickte dem Schurken direkt in die Augen. „Und jetzt wäre ich dir dankbar, wenn wir das Thema beenden könnten.“

Es war deutlich, dass Deadlyone einen wunden Punkt getroffen hatte, den er normalerweise schamlos ausgenutzt hätte. Doch zu Abbefarias Verwunderung sagte er nichts mehr, sondern drehte sich lediglich um, um wieder seiner Aufgabe als Wächter nachzugehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete der Druide seinen Freund, der sich nun darum bemühte, die bewusstlose Emanuelle wieder zu erwecken. Anscheinend gab es tatsächlich Seiten an Ceredrian, die ihm bis jetzt verborgen geblieben waren, und er war sich nicht sicher, ob er sie wirklich kennen lernen wollte.
 

Emanuelle seufzte leise, als Ceredrian die Hand auf ihre verletzte Stirn legte. Er murmelte einige Worte der Heilung, dann flogen die Augenlider der Gnomin ruckartig nach oben, sie sprang auf und blickte verwirrt in die Runde. „Wo bin ich? Was ist passiert? Wo sind diese Orks?“, sprudelte es aus ihr hervor. „Und ooohhh…“

Die strahlend blauen Augen hatten den Hüter des Hains erfasst, der sich freundlich zu ihr herabbeugte. „Mein Name ist Behüter Albagorm. Es freut mich, dass es Euch besser geht.“

„A-angenehm.“, krächzte Emanuelle einigermaßen verwirrt und vergaß ganz, sich selbst vorzustellen. Eifrig kramte sie in ihren Taschen nach Pergament und Zeichenkohle. „Das muss ich mir aufschreiben.“

„Dazu werdet ihr in meinem Hain mehr als genug Gelegenheit haben.“, schmunzelte der Behüter. „Doch jetzt sollten wir aufbreche. Der Weg bis zum Gipfel ist noch weit.“

Easygoing erhob sich, ließ prüfend die geheilte Schulter im Gelenk kreisen und warf dann einen Blick auf die Gnomin. „Vielleicht sollte ich euch besser wieder tragen. Denn, nehmt es mir nicht übel, aber Eure Beine sind kurz und Ihr würdet uns nur aufhalten.“

„Auch ich würde mich anbieten, Euch zu tragen.“, sagte der Behüter. „Auf meinem Rücken ist mehr als genug Platz.“

„Oh, das ist nicht nötig.“, lächelte die Gnomin, deren Wangen einen verräterischen Rotton angenommen hatten. „Aber ich habe für solche Fälle vorgesorgt.“

Sie begann etwas aus ihrem Rucksack zu ziehen, von dem Abbefaria feststellt, dass es eigentlich gar keinen Platz in der kleinen Tasche hätte haben dürfen. Sie klappte, drückte, zog und schraubte und am Schluss stand etwas neben der Gnomin, das etwas doppelt so groß war wie sie und entfernt an einen Weitschreiter erinnerte. Einen Weitschreiter aus Metall.

„Darf ich vorstellen, das ist Blinky, mein Mechanoschreiter.“, sagte Emanuelle und drückte auf einen kleinen Knopf an dem Ding, das daraufhin zu rasselndem, schepperndem Leben erwachte. Kleine Rauchwolken stoben aus dem, was bei einem Vogel der Schwanz gewesen wäre und statt der Augen besaß das Ding zwei glühende Lampen, die sich jetzt auf Emanuelle richteten. Ein Geräusch, das wie eine Mischung aus einem Trillern und einem Glucksen klang, kam aus der Maschine, dann legte sie sich flach auf die Erde, so dass die Gnomin aufsteigen konnte.

Behände kletterte Emanuelle auf den Rücken des Metallvogels, drückte einen weiteren Knopf und strahlte die Nachtelfen dann von ihrem ruckenden und zuckelnden Gefährt aus an. „Also von mir aus können wir los.“
 

„Mir scheint, wir haben noch die eine oder andere Überraschung von unserem Gast zu erwarten.“, brummte Easygoing und blickte Emanuelle nach, die auf ihrem Mechanoschreiter bereits ein ganzes Stück vorausgeeilt war. Die scheppernden Geräusche der Maschine hallten weithin hörbar von den Bergen wieder und ihre merkwürdig hopsenden Bewegungen führten dazu, dass sich der Magen des Druiden nur beim Zusehen merklich hob und senkte. „Ich hoffe nur, dass sie angenehmer Natur sind.“

„Du bist doch nur beleidigt, weil sie nicht auf dir reiten wollte.“, grinste Deadlyone schadenfroh. „Vielleicht wenn du einen Sattel hättest und so ein hübsches Zaumzeug mit Glöckchen...“

„Ich geb dir gleich Glöckchen.“, grollte der Druide und nahm die Verfolgung des Schurken auf, der sich Haken schlagend vor seinem Bruder in Sicherheit brachte. Lachend folgten die restlichen Mitglieder des kleinen Trosses ihnen auf dem Weg, der sich geradewegs zum Gipfel des höchsten Berges des Steinkrallengebirges empor schlängelte.
 


 


 

Dicke Tropfen fielen unablässig vom Himmel und bildeten einen dichten Vorhang aus Grau, hinter dem sich die hügelige Landschaft des Arathihochlandes wie eine scheue Jungfrau verbarg. Es gab keinen Ahnhaltspunkt, wo in dem Schlamm unter den Hufen der Pferde sich noch ein Weg verbarg und wo sie bereits in die Irre gegangen waren, seit dem sie den Thandol-Übergang hinter sich gelassen hatten. Magenta hatte sich gewünscht, einmal von der gewaltigen Brücke hinunter in den Fluss schauen zu können, der die Landmassen Azeroths und Lordaerons voneinander trennte. Doch die von unzähligen Füßen glatt polierten Steine waren glitschig gewesen, die Brüstungen marode und einen Sturz in das tief unter ihnen liegende Wasser hatte die Hexenmeisterin nicht riskieren wollen. So waren sie dicht an dicht über die Mitte des gigantischen Bauwerks geritten, dessen Ausmaße hinter dem dichten Regenschleier nur zu erahnen gewesen waren.
 

„Wie weit ist es noch?“, fragte die Hexenmeisterin wohl schon zum hundertsten Mal, und wieder lautete Abumoahams Antwort: „Ich nicht wissen.“

Wegweiser, Grenzmarkierungen und Zäune, all das hatten sie schon seit Stunden hinter sich gelassen und das Einzige, was noch auf einen Weg hindeutete, war eine unsichtbare Markierung im schlammigen Boden, die offensichtlich nur Magier wahrnehmen konnten. Obwohl sich Magenta ziemlich sicher war, dass sie einmal von einem Hexenmeister-Zauber gelesen hatte, der einen Unsichtbares entdecken ließ. Aber wozu sollte so etwas schon gut sein? Die Hexenmeisterin war überzeugt, dass, was immer auch unsichtbar war, dafür sicherlich einen Grund hatte. Vielleicht war es hässlich oder wollte eben schlicht und ergreifend nicht gesehen werden. Vermutlich wäre es aus eben diesem Grund recht ungehalten, wenn man es dann doch entdeckte.

Über was du dir Gedanken machst, näselte einen Stimme in Magentas Kopf. Man könnte meinen, es gäbe nichts Wichtigeres.

Zum Beispiel? , maulte Magenta zurück. Ihr war kalt, sie war bis auf die Haut durchgeweicht und so etwas wie ein Gasthaus würden sie vermutlich bis zum Abend nicht mehr erreichen. Das hieß, sie würden erneut einen Nacht im Freien verbringen; etwas, dass Magenta gar nicht zu schätzen wusste. Außerdem hatte sie Hunger.

Wie wir uns dieser Trottel entledigen, um ungestört nach dem Folianten such zu können, zum Beispiel, meckerte der Wichtel. Oder wann ich endlich mal wieder ins Freie darf. Oh nein halt warte, es regnet ja. Oh nein warte noch mal, das würde mir ja in der Phasenverschiebung gar nichts ausmachen.

Meckerndes Lachen begleitete diese Feststellung des Wichtels und Magenta fragte sich ernsthaft, warum es eigentlich keine Phasenverschiebung für Hexenmeister gab.
 

Vor ihnen aus dem Regen tauchten hohe Gebilde aus, die sich beim Näher kommen als Kreis aus moosbesetzten Monolithen erwies. Teilweise waren die großen Steine schon umgestürzt oder bis zur Hälfte im Schlamm versunken. Auf dem Boden zwischen ihnen mochten einst weiße Marmorplatten ein Muster gebildet haben, das sich jetzt nur noch schwach erahnen ließ. Alles deutete darauf hin, dass diese Kultstätte schon seit langem aufgegeben worden war. In der Mitte des Kreises jedoch schwebte ein schwarzer, glänzender Stein ein ganzes Stück über dem Boden. Ihm allein schien die Macht, die dieser Ort einmal beherbergt hatte, noch innezuwohnen.

Misstrauisch betrachtete Risingsun den schwebenden Monolithen. „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob dis der richtige Ort für einen Rast ist, aber wir sollten uns bald einen halbwegs trockenen Lagerplatz suchen, bevor die Sonne untergeht. Bei Nacht weiter zu reiten, könnte uns eines der Pferde kosten. Ich schlage daher vor, hier unser Lager aufzuschlagen und auf besseres Wetter zu hoffen.“

„Wir sollten aber vielleicht nicht unbedingt in dem Kreis übernachten.“, wandte Magenta ein. „Irgendwas an diesem Ort ist seltsam.“

„Seltsamer als Dämonen, die angeblich auf´s Wort gehorchen?“, schnaubte die Paladina. Trotzdem wendete sie ihr Pferd und trieb es weiter an die Felswand hinter dem Steinkreis, wo sie zumindest Schutz von dem Wind finden würden, der begonnen hatte, ihnen den Regen auch noch von der Seite ins Gesicht zu werfen.

„Wer hat eigentlich behauptet, Dämonen würden tun, was man ihnen sagt?“, murmelte Magenta leise und überhörte gekonnt das amüsierte Kichern in ihrem Kopf. Allerdings konnte sie sich nicht verkneifen, kurz ein Bild eines Wichtels in ihren Gedanken aufblitzen zu lassen, der nicht phasenverschoben die Nacht im Freien verbrachte. Jegliches Gelächter verstummte sofort und auch die schwefelige Präsenz aus ihren Gedanken verschwand umgehend. Einigermaßen gut gelaunt fing die Hexenmeisterin an, sich ein Nachtlager zu bereiten.

Da an ein Feuer nicht zu denken war, musste Magenta sich zum Abendessen mit Brot und etwas Käse begnügen, bevor sie sich dicht in mehrere Decken gehüllt auf dem harten Felsboden niederlegte. Regen rauschte ohne Unterlass herab, gurgelte in den Felsspalten und prasselte mit beunruhigender Hartnäckigkeit auf das behelfsmäßige Dach, das sie über sich errichtet hatte. Die Konstruktion war alles andere als sicher und so wartete Magenta nur die ganze Zeit darauf, dass sie in sich zusammenbrechen und die Hexenmeisterin mit einem Schwall kalten Wassers übergießen würde.
 

Irgendwann musste Magenta dann doch eingeschlafen sein, denn als sie erwachte, hatte der Regen aufgehört und die graue Wolkendecke war einem sternenlosen Nachthimmel gewichen. Trotzdem hatte das unablässige Geräusch fließenden Wassers nicht abgenommen und Magenta nahm an, dass irgendwo im Gestein ein unterirdischer Fluss verlaufen musste. Allerdings hatte dieses ständige Rauschen und Plätschern eine sehr unangenehme Nebenwirkung, wie sie jetzt feststellen musste. An ein Einschlafen war, nachdem der Gedanke erstmal geweckt war, nicht mehr zu denken. Grunzend schälte Magenta sich aus ihren Decken um ein wenig abseits des Lagers selbst ein wenig für Bewässerung zu sorgen.

Als sie zurückkam, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Es erwarteten sie nur zwei Schläfer, von denen einer goldblonde und der andere graumelierte Haare hatte. Suchend sah sie sich um und entdeckte Bladewarrior einige Meter vom Lager entfernt. Er stand mitten in dem Steinkreis und hatte die Hände an den schwebenden Monolithen gelegt. Geflüsterte Wort drangen an Magentas Ohr. Konnte es sein, dass er mit dem Stein sprach? Neugierig trat Magenta ebenfalls in den Kreis. Es war nun unverkennbar, dass der Krieger tatsächlich mit dem Monolithen sprach und was noch viel schlimmer war: Der Stein antwortete ihm.

„Habt keine Angst, Prinzessin.“, sagte Bladewarrior gerade. „Ich und meine Freunde werden Euch helfen. Haltet nur noch ein wenig aus, dann werdet Ihr von Euren Fesseln befreit sein.“

„Ich dank Euch, edler Recke.“, antwortete der Stein. „Doch ihr müsst Euch beeilen. Ich fürchte, wenn Ihr den anderen Splitter nicht bald aktiviert, wird meine Verbindung zu dieser Welt schwächer und schwächer werden und schließlich ganz verlöschen.“

Magenta konnte kaum glauben, was sie da sah. Ein Stein, der sprach? Unwillkürlich trat sie noch näher, so dass Bladewarrior erschrocken zu ihr herumfuhr. Als er sie erkannte, entspannten sich seine Gesichtszüge wieder.

„Magenta!“, rief er leise und winkte ihr näher zu treten. „Komm, ich will dir jemanden vorstellen. Magenta, das ist Myzrael.“

Magentas Haut prickelte, als sie den Stein betrachtete. Es schien, als würde er unablässig seine Farbe verändern, wie ölige Schlieren, die unter seiner Oberfläche entlang liefen. Widerwillig ließ sie zu, dass Bladewarrior ihre Hand nahm und sie auf die Oberfläche des Monolithen presste. Sie war kalt, aber nicht so kalt, wie sie hätte sein sollen. Fast so, als würde der Stein leben.

„Magenta.“, sagte der Stein und die Hexenmeisterin fuhr unwillkürlich zusammen. Die unverkennbar weibliche Stimme klang, als würden Granitplatten aneinander gerieben. Ein Geräusch, das Magentas Nackenhaare sträubte. „Ich freu mich, Euch kennen zu lernen. Werdet Ihr mir ebenfalls helfen?“

Die Frage, die eigentlich keine war, brachte Magenta dazu zu nicken, obwohl sie sich am liebsten umgedreht und davon gelaufen wäre. „Wer seid Ihr?“, fragte sie verwirrt.

„Ich bin Myzrael, eine Prinzessin der Erde.“, erklärte der Stein und die Schlieren begannen sich schneller zu bewegen. „Einst war ich frei wie ihr und wandelte über die Oberfläche, doch meine Häscher, die Riesen, fingen mich und verbannten mich tief unter die Felsen des Arathihochlandes. Diese Kristallsplitter sind meine einzige Möglichkeit mit der oberen Welt zu kommunizieren. Die Verbündeten der Riesen, die Kobolde, haben bereits einen von ihnen beschädigt, indem sie Stücke aus ihm heraus schlugen. Ich bitte Euch, findet diesen Stein, nehmt den Kobolden die Splitter wieder ab und setzt ihn erneut zusammen. So wird es mir vielleicht gelingen, auch die anderen Steine zu finden, die mich hier unten gefangen halten.“
 

Als hätte sie sich verbrannt, nahm die junge Hexenmeisterin die Hände von der Oberfläche des Steins. Die eigenartige Präsenz schien verschwunden zu sein und die Schlieren waren wieder zu einem eigentümlichen Muster erstarrt.

Bladewarrior sah sie mit leuchtenden Augen an. „Eine gefangene Prinzessin.“, sagte er selig. „Und wir können sie befreien. Was sagst du dazu?“

Doch noch bevor Magenta darauf antworten konnte, traten Abumoaham und Risingsun in den Steinkreis. Beide sahen aus, als wären sie so eben erst erwacht.

„Prinzessin?“, fragte Abumoaham und gähnte verhalten. „Wo du haben gefunden Prinzessin?“

Schnell erklärte Bladewarrior, was sie so eben von dem Stein erfahren hatten und erklärte schließlich, dass es ihm einen Ehre und eine Pflicht sei, der edlen Maid zur Hilfe zu eilen. Unterstützung erhielt er dabei von höchst unerwarteter Seite.

Ihr solltet diese Prinzessin unbedingt befreien, ließ sich Pizkol vernehmen.

Warum habe ich das Gefühl, dass das irgendwie keine so gute Idee ist? , antwortete Magenta skeptisch.

Na willst du die Gute vielleicht unter der Erde vermodern lassen? , entrüstete sich der Wichtel und klang ernsthaft beleidigt. Hast du denn gar kein Herz?

Ich schon, aber du normalerweise nicht, brummte Magenta ungehalten. Ihre Überlegungen jedoch waren ohnehin müßig, denn die anderen Drei hatten schon beschlossen, nicht einfach weiter reiten und eine Prinzessin ihrem Schicksal überlassen konnten. Selbst die Paladina, die es noch vor wenigen Tagen so eilig gehabt hatte, musste zugeben, dass sie angesichts einer solchen Notlage ein schnelles Handeln vonnöten war. So machten sich die vier Helden am nächsten Tag auf in die Schlucht der räuberischen Kobolde.
 


 


 

Ein trügerischer Frieden lag über der grünen Oase, die die Druiden aus den kargen Felsen des Steinkrallengipfels hervorgebracht hatten. Graugefleckte Katzen und majestätische, gehörnte Renner wandelten zwischen den jungen Bäumen des Hains umher und ab und an sah man die farbenprächtigen Flügel eines Feendrachen im changierenden Grün aufblitzen. Alles lebte, wuchs und gedieh unter den wachsamen Augen der Söhne und Töchter von Cenarius, die hier ein wahres Wunderwerk vollbracht hatten. Sie hatten dafür gesorgt, dass die einst so üppige Vegetation dieser jetzt so kargen Landschaft zurückgekehrt war, auch wenn sie noch weit von dem Zustand entfernt war, den man als „geheilt“ bezeichnen konnte.

Nur allzu oft traf man tief im Unterholz auf Blutsaftbestien; schleimige Kreaturen, die aus dem verderbten Blut getöteter Dämonen hervorgegangen waren und nun Fäulnis und Krankheiten in das fragile Gleichgewicht einzuschleppen drohten. Sie vergifteten das Grundwasser, verschlangen Pflanzen und kleine Tiere und machten selbst vor Angriffen auf die Druiden nicht halt. Ein Kampf gegen diese Bestien kam jedoch dem Versuch gleich einen fließenden Fluss aufhalten zu wollen. Wann immer man einen von ihnen auslöschte, schienen an ihrer Stelle zwei neue aus dem Boden zu quellen.

Zu dieser stetigen Bedrohung kamen die sporadischen Überfälle durch Mitglieder der Horde, die, wie es schien, grundlos über die Druiden herfielen. Es waren nur wenige, doch selbst sie gaben Anlass zur Besorgnis. Behüter Albagorm mutmaßte, dass jemand sie dazu anstachelte, denn es schien unwahrscheinlich, dass jemand ohne triftigen Grund den langen, steilen Weg zum höchsten Gipfel der Bergkette auf sich nahm. Wann immer er jedoch nach einem Verursacher dieser Übergriffen suchte, hüllte sich der smaragdgrüne Traum in Schweigen. Aber trotz aller Widrigkeiten bot der Steinkrallengipfel seinen Gästen ausreichenden Schutz und die Möglichkeit, sich von ihren Verletzungen zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen, während sie auf Ceredrians Rückkehr warteten. Der Priester war bereits kurz nach ihrer Ankunft wieder mit einem Greifen nach Darnassus aufgebrochen, um dort von den Vorgängen im Steinkrallengebirge zu berichten.

Während Emanuelle sich meist in dem ihr zugewiesenen Zimmer des winzigen Gasthauses verkroch und dort an unaussprechlichen Dingen herumbastelte und Deadlyone den lieben, langen Tag verschwand und nur zu den Mahlzeiten wieder erschien, verbrachten Abbefaria und Easygoing eine Menge Zeit in Gesellschaft der anderen Druiden, die ihr Wissen über heilkräftige Pflanzen erweiterten und ihnen beibrachten, wie man daraus äußerst wirksame Mixturen braute. Doch wo Easygoing interessiert den Vorträgen über Lebenswurz, Königsblut und Beulengras lauschte, wanderten Abbefarias Gedanken oft genug zu seiner ersten Begegnung mit Behüter Albagorm. Die Möglichkeit, nicht nur seine eigenen Kräfte sondern auch die der ihn umgebenden Natur zu nutzen, erschien ihm ungeheuer reizvoll. Wie mächtig konnte man werden, wenn einem eine ganze Welt mit ihrer Kraft zur Seite stand?
 

Als er dem Behüter eines Abends davon erzählte, erntete er jedoch nicht die Reaktion, auf die er gehofft hatte. Albagorm runzelte die Stirn und schüttelte das Haupt mit dem mächtigen Geweih.

„Mir scheint, dass du eine falsche Vorstellung von dem entwickelt hast, was ich tat.“, sagte er sanft. „Komm, ich will dir etwas zeigen.“

Neugierig folgte der junge Druide dem Halbwesen, das ihn auf eine kleine Lichtung führte. Dort ragten noch die verwitterten Überreste eines Gebäudes aus dem Boden, Gras wuchs zwischen marmornen Säulen hervor und in der Luft tanzten die ersten Glühwürmchen.

„Sag mir, was du siehst.“, forderte der Behüter Abbefaria auf.

„Ich sehe eine Ruine.“, erklärte Abbefaria knapp, doch als der Behüter keinerlei Regung zeigte, fing er an, die Steine zu beschreiben, die Pflanzen zu benennen und schließlich die Besonderheiten eines Glühwürmchens und das Geheimnis ihres Lichtes zu erklären. Behüter Albagorm lauschte all seinen Ausführungen mit stoischer Miene. Schließlich fiel dem jungen Druiden nichts mehr ein, was er hätte sagen können und er verstummte. Mit dem Gefühl etwas falsch gemacht zu haben stand er abwartend neben Albagorm und bemühte sich den Drang zu unterdrücken, den Behüter anzutippen um herauszufinden, ob dieser eingeschlafen war. Als er glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, kam schließlich wieder Leben in seinen Begleiter.

„Du hast gute Augen.“, sagte Albagorm und fing an, zwischen den Säulen umherzuwandern. Seine Hufen klackten leise auf den weißen Bodenplatten und die Glühwürmchen, die eben noch wie ziellos umher geflogen waren, umschwirrten jetzt seinen Kopf und beleuchteten so den Weg, auf dem er wanderte. „Doch alles, was du beschrieben hast, war tot. Es hatte nichts mit dem zu tun, was hier wirklich geschieht. Was du gesagt hast, hätte ebenso von eurer Freundin, der Gnomin, kommen können, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Mechaniken der Welt zuerst zu verstehen und dann zu ihren Zwecken zu verändern. Du jedoch bist ein Druide. Öffne deinen Geist und verstehe, was ich dir zu zeigen versuche.“

Gehorsam setzte Abbefaria sich auf den Boden und schloss die Augen, wie er es bei seinem Lehrer in Darnassus gelernt hatte. Er kontrollierte seine Atmung, verbannte alle störenden Gedanken und ließ dann die Eindrücke der Lichtung in seinen Geist fließen.

Als erstes nahm er die Glühwürmchen wahr, die immer noch wie ein Funkenschwarm um ihn und den Behüter herum kreisten. Sie bildeten eine unruhige, kreisenden Bewegung, wie eine Melodie aus wenigen Tönen, die auf und wieder abschwoll, so wie Wellen an einen Strand liefen. Nach und nach spürte er auch noch andere Tiere, Käfer, Spinnen, Würmer, die ähnlich den Glühwürmchen geschäftige, lebendige Melodien woben. Danach kam das Gras, eine säuselnde Tonfolge, die ebenfalls demselben, unbekannten Rhythmus zu gehorchen schien. Andere Pflanzen gesellten sich dem Reigen, eine jede auf ihre eigene Art. Laut, leise, schnell oder langsam sangen sie, wie es schien, einen große, alles umfassende Harmonie, die untermalt wurde von einem dumpfen Rumoren und Poltern, das tief aus der Erde zu dringen schien. Es dauerte eine Weile, bis Abbefaria verstand, dass die Erde selbst dort mit ihm sprach.

„Gut.“, hörte er die Stimme Albagorms dicht neben sich. „Ich werde jetzt deine Wahrnehmung etwas verändern, damit du die Kräfte sehen kannst, die du zu beherrschen suchst.“

Es war, als habe jemand Abbefaria plötzlichen die Augenlider entfernt. Zu den verschiedenen Tönen und Melodien gesellten sich jetzt strahlendes Licht- und Farbspiele, vor denen er am liebsten die Augen verschlossen hätte, so schmerzhaft und fremd waren sie. Nur langsam gewöhnte er sich an die stetig wechselnden Energieflüsse und sie auseinander zu halten, war ihm schlicht unmöglich. Es war ein stetiges Fließen und Kreisen, das den Druiden schwindeln ließ und ihm nahezu sämtliche Orientierung nahm. Er war dankbar, als der Behüter wieder begann zu sprechen.

„Was du siehst, ist die Energie eines jeden Lebewesens auf dieser Lichtung. Verfügst du über die Kenntnis, sie zu nutzen, so kannst du Dinge bewältigen, die weit, sehr weit über deine eigenen Fähigkeiten hinausgehen.“

Abbefaria spürte, dass der Behüter begann um ihn herum zu wandern. Das Licht, das von dem Halbwesen ausging, war so gewaltig, dass der Druide den Kopf abwenden musste, um nicht geblendet zu werden.

„Alles Leben ist in einen Kreislauf eingebunden. Nichts entsteht aus dem Nichts heraus. Alles bildet eine Einheit. Nimmst du nun an einer Stelle etwas weg, wird das Gleichgewicht gestört. Und nimmst du einem Wesen allein seine Energie, wird es sterben. Die Kunst besteht also darin, von überall zu gleich zu nehmen.“

Behüter Albagorm begann einen Zauber zu weben. Abbefaria wusste nicht, was er bewirkte, doch er bemerkte, das das Licht um ihn herum ein wenig dunkler geworden war. Nicht so viel, dass es nicht mehr in seinen Augen brannte, doch es war ein merkliches Flackern durch das strahlende Inferno gegangen.

„Öffnen nun deine Augen wieder und sieh, was ich erschaffen habe.“, wies Behüter Albagorm ihn an und gehorsam öffnete der Druide die Augen. Auf der ausgestreckten, knorrigen Hand des Behüters lagen drei Samenkörner. Sie waren dreieckig und hatten die Farbe von reifen Haselnüssen.

„Nimm sie an dich und verwahre sie gut.“, sagte der Behüter und seine leuchtenden Augen schienen Abbefaria festhalten zu wollen. „Es wird einst der Tag kommen, da wirst Du wissen, wie Du sie einsetzen kannst. Bis dahin übe dich, die Kräfte der Natur zu nutzen, aber hüte dich davor, zu viel auf einmal zu wollen. Ein Gefäß der Macht kann nur allzu leicht zerbrechen, wenn man es zu schnell befüllt. Darum wahre stets das Gleichgewicht bei allem, was du tust.“

Mit diesen Worten ließ Behüter Albagorm Abbefaria allein auf der Lichtung zurück. Der Druide blickte auf die Samenkörner in seiner Hand und fragte sich, von welcher Pflanze sie wohl stammten und was der Behüter damit gemeint haben mochte, als er sagte, dass Abbefaria wissen würde, wie er sie einsetzen konnte. Während er grübelte, versank die Sonne endgültig im westlichen Meer. Das dunkle Rot des Himmels ging in Purpur über, wurde blau und wich schließlich dem sternendurchsetzten Schwarz der Nacht. Aber erst als der Mond bereits hoch am Himmel hing und mit bleichen Fingern nach dem Schatten des jungen Druiden griff, kam wieder Leben in dessen Gestalt. Er ließ die Samenkörner in den kleinen Beutel an seinem Gürtel gleiten und machte sich auf den Weg zurück zu seinen Freunden.
 

Tief in Gedanken versunken erreichte Abbefaria ihre Unterkunft. Es erschien widersinnig, so weit abseits der Wege ein Gasthaus zu errichten, und so war das Gebäude eigentlich nicht viel mehr als ein gewöhnliches Haus, das normalerweise nicht benutzt wurde, außer wenn sich Gäste hierher verirrten. Die Druiden des Steinkrallengipfels selbst zogen es vor unter freiem Himmel zu nächtigen, doch sie sorgten zuverlässig dafür, dass diejenigen, die in das Haus einkehrten, stets von einem wärmenden Feuer und einer guten Mahlzeit erwartet wurden.

„Hallo Abbe.“, wurde der Druide von jemandem begrüßt, der bereits an dem einfachen Holztisch Platz genommen hatte und halb verborgen im Schatten der heruntergebrannten Kerze saß.

„Hallo.“, antwortete der Druide abwesend und immer noch über seine Begegnung Behüter Albagorm grübelnd. Er füllte sich ein wenig Eintopf in eine Schüssel, setzte sich ebenfalls an den Tisch und begann lustlos darin herumzurühren. Blicklos starrte er in die Brühe mit dem gekochten Gemüse.

„Also nicht, dass ich einen wirklich herzlichen Empfang von dir erwartet hätte, doch dass du so wenig Erleichterung über meine sichere Rückkehr zeigst, trifft mein empfindsames Herz tief.“, tadelte sein Gegenüber.

Abbefaria, der nun endlich realisiert hatte, dass er nicht allein war, lächelte in seinen Eintopf. „Hallo Cere.“, grüßte er ohne aufzusehen.

„Ha, ich wusste doch, dass du mich vermisst hast.“, rief Ceredrian aus. „Wo ich doch ein so schönes Geschenk für dich mitgebracht habe.“

Nun war der Druide doch interessiert. „Ein Geschenk?“, fragte er und sah sich einem strahlenden Priester und zwei reichlich angesäuerte Nachtelfenbrüder gegenüber.

„Ja, du Affe, ein Geschenk.“, polterte Deadlyone los. „Und der da will es uns nicht geben, bevor du auftauchst. Seit Stunden suchen wir dich, aber du warst ja wie vom Erdboden verschwunden.“

„Ich war…im Wald.“, antwortete Abbefaria ausweichend.

„Pilze gesucht?“, brummte Easygoing und winkte ab, als Abbefaria zu einer Antwort ansetzte. „Was immer du da gemacht hast, ist deine Sache. Aber du, mein lieber Cousin, könntest nun endlich einmal zeigen, ob hinter deinen großartigen Versprechungen mehr steckt als nur heiße Luft.“

„Mit Vergnügen.“, gab Ceredrian zurück und öffnete mit einer Verbeugung die Tür. „Wenn die Herrschaften mir bitte folgen wollen?“

Verhalten misstrauisch folgten die drei Nachtelfen dem Priester vor die Tür. Der warf sich gewinnend lächelnd in Positur, verbeugte sich noch einmal und begann dann zu erzählen.

„Wisst ihr, die Reise nach Darnassus war von einem kleinen Zwischenfall mit einem Flügeldrachenreiter recht ereignislos. Der Kerl bestand darauf, mich über halb Darkshore zu verfolgen, doch irgendwann musste er einsehen, dass er mir nicht gewachsen war und drehte ab. Ich landete also sicher in Ruth’eran und eilte sogleich in den Tempel um meiner Obersten von unseren Beobachtungen zu berichten. Und dann, stellt euch vor, wurde ich direkt zu Tyrande persönlich zitiert um dort noch einmal die ganze Geschichte zu berichten.

„DU? Bei Tyrande?“, echote Deadlyones ungläubig. „Tyrande Whisperwind unsere…“

„Oberster Priesterin.“, antwortete Ceredrian mit einem breiten Grinsen. „Wie ich dich erinnern darf, gehe ich täglich in dem Gebäude aus und ein, in dem die wunderschönste und mächtigste aller Nachtelfen ihrem Amt nachgeht. Und nebenbei bemerkt ist sie sowieso ganz anders, als du sie dir so vorstellst.“

„Wenn Worte Münzen wären, wärst du der reichste Nachtelf von ganz Kalimdor.“, bemerkte Easygoing trocken. „Aber verrätst du uns nun endlich, was die Hohe-Priesterin zu dir gesagt hat?“

Ceredrians Miene wurde wieder ernster, als er fortfuhr zu berichten. „Sie lässt euch allen ihren Dank ausrichten. Es werden weitere Truppen in das Gebiet entsendet werden, sobald sie sie veräußern kann. Außerdem hat sie mir ein Geschenk mitgegeben. Nun, wenn man genau ist sogar vier Geschenke. Aber seht selbst.“

Mit diesen Worten drehte der Priester sich herum und stieß einen kurzen Pfiff aus. Einen Augenblick lang zweifelte Abbefaria ernsthaft am Verstand seines Freundes, bis er zwischen den schwarzen Silhouetten der Bäume und Sträucher ein hellgelbes Augenpaar aufblitzen sah. Ihm folgten drei weitere, bis sich insgesamt acht grüngelbe Lichter im Takt riesiger Samtpfoten aus dem Dunkel auf sie zu bewegten. Mit geschmeidigen Bewegungen glitten vier große Raubkatzen in den hellen Mondschein vor dem Gasthaus und setzten sich wie dressiert in einem Halbkreis um die Nachtelfen herum.

Es waren herrliche Tiere, mit glänzendem Fell, klugen Augen und - wie eines von ihnen mit einem eindrucksvollen Strecken bewies - messerscharfen Zähnen und Klauen. Dicke Muskelstränge spielten unter dem Fell und trotz ihrer augenscheinlichen Sanftmut lag eine gewisse Bedrohung in der Luft. Sie alle waren so groß, dass ein Nachtelf mit Leichtigkeit auf ihnen reiten konnten. Leichte Ledersättel waren auf ihren Rücken angebracht, die an ihren oberen Kanten Griffe zum Festhalten und an den Seiten Mulden besaßen, in die man die Knie einlegen konnte. Ein Geschirr, wie es die Pferde der Menschen oder die Widder der Zwerge hatten, trugen die Katzen nicht. Sie waren gleichzeitig Reittier und Kampfgefährten und kein Nachtelf hätte sich eingebildet, einem der majestätischen Tiere Befehle geben zu wollen.
 

Stolz trat Ceredrian vor. „Was sagt ihr. Sind sie nicht herrlich.“ Er tätschelte einem der Tiere, einer großen, weißen Katze mit schwarzen Streifen, den Kopf. „Diese hier stammt direkt von Ash’alah, Tyrandes eigenem Reittier, ab. Ich hatte das Glück, dass sie mich gleich akzeptiert hat, ansonsten hätte ich wohl mit einem ihrer Gefährten vorlieb nehmen müssen.“

Easygoing trat vor und streckte einer großen, dunkel gestreiften Katze seine Hand hin. Neugierig schnupperte der Nachtsäbler daran, dann stieß er zustimmend dagegen und leckte mit seiner rauen Zunge über die Handfläche. Er würde den Druiden tragen. Somit blieben noch zwei der Katzen übrig. Eine von ihnen war eben so dunkel wie Easygoings, während die andere ein schneeweißes Fell hatte. Abwartend sahen die Raubtiere in Richtung der beiden Nachtelfen.

„Ich nehme die weiße.“, verkündete Deadlyone und machte einen Schritt auf das Tier zu. Er gefror in der Bewegung, als das weiße Tier warnend zu grollen begann. Mit der ihr eigenen Eleganz erhob sich die Katze, warf dem Schurken einen spöttischen Blick zu und trottete dann an Abbefarias Seite, wo sie sich auf ihre Hinterpfoten setzte und höchst zufrieden mit sich und der Welt in die Runde zwinkerte.

„Mir scheint, sie war nicht ganz einverstanden.“, lachte Deadlyone ein wenig gezwungen. Er legte den Kopf schief und musterte den verbleibenden Nachtsäbler. „Also wir beide, ja?“

Der Säbler knurrte zustimmend und ließ den Nachtelfen gewähren, als dieser seinen Kopf berührte, ihm dann über den muskulösen Hals strich und sich schließlich etwas unbeholfen in den Sattel schwang. Erst dann machte er einen raschen Satz vorwärts und schien sich köstlich über den Zweibeiner zu amüsieren, der sich zu seinen Füßen im Gras wieder fand. Schnurrend begann er, dessen Gesicht abzulecken.

„Hör auf! Nein! Geh weg! Platz! Aus!“, schimpfte Deadlyone und setzte sich mit aller Kraft gegen die Liebesbekundungen der Katze zur Wehr. Die jedoch sah das als Aufforderung zum Spiel und biss dem Nachtelfen so zärtlich, wie sie konnte, in den Oberarm. Mit einem Aufschrei befreite sich der Schurke, rollte sich blitzschnell unter dem Nachtsäbler weg und hielt sich den schmerzenden Arm.

„Verdammt.“, grollte er. „Ich mag keine Katzen.“

„Sie dich schon, wie es scheint.“, grinste sein Bruder schadenfroh. „Das ist ein wirklich großzügiges Geschenk. Wir sollten uns bei Gelegenheit dafür bedanken.“
 

„Die Gelegenheit Euch dankbar zu erweisen könnte schneller kommen, als ihr es Euch vorstellt.“, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit und mit getragenem Hufschlag trat Behüter Albagorm ins Licht. „Wenn Ihr tatsächlich helfen wollt, so kann ich euch einen Weg weisen.“

Die Nachtelfen nickten einstimmig und so fuhr der Hüter des Hains fort.

„Südlich von hier liegt das Verbrannte Tal. Wenn der Wind günstig steht, dringt der alles durchdringende Brandgeruch selbst bis hierher und verpestet die Luft mit dem Gestank von Tod und Verfall. Dort haben die gierigen Goblins alles, was sie nicht mehr nutzen konnten, niedergebrannt. Doch aus der Asche kann neues Leben entstehen, wenn man sich auf die richtigen Kenntnisse berufen kann.“

Er wies mit der blühenden Hand auf die umliegenden Bäume. „So soll auch das Verbrannte Tal einst wieder aussehen. Doch es gibt dabei eine Schwierigkeit. Harpyien betrachten die schwelende Ödnis als ihr Eigentum, und kämpfen um ihre Nistplätze, die sie in den verbrannten Resten der Bäume errichtet haben. Ich kann nur annehmen, dass die Wärme ihre Eier schneller ausschlüpfen lässt, denn sonst birgt dieses Tal fast kein Leben mehr. Umso wichtiger ist es, die Harpyien zurückzutreiben, damit wir endlich damit beginnen können, das Tal wieder neu zu beleben.“

„Es wird uns eine Ehre sein, diese Aufgabe zu übernehmen.“, erklärte Abbefaria hastig, bevor einer der anderen etwas sagen konnte.

Behüter Albagorm senkte sein Geweih. „Das ist die Antwort, auf die ich gehofft hatte. Ihr werdet Vorräte und Ausrüstung noch vor Ende der Nacht vor Eurer Tür finden. Möge der Segen von Cenarius mit Euch sein.“
 


 


 

Eine Prinzessin zu retten klang ziemlich spannend und edelmütig, das musste Magenta zugeben. Doch hatte irgendwie niemand erwähnt, dass man dabei auf Knien in einer feuchten mit Schimmel bewachsenen Höhle herumkriechen musste und rattenartige Kobolde jagte, die mit einem kreischenden „Du nicht nehmen Kristall!“ vor einem um die nächstbeste Ecke flüchteten. Fluchend krabbelte die Hexenmeisterin weiter und verwünschte den Kobold, seinen Kristall und die verbannte Prinzessin irgendwo dahin, wo exotische, scharfe Gewürze wuchsen und sie sich nicht mehr mit ihnen zu beschäftigen brauchte.

„Ich kriege dich ja doch.“, schnaufte sie und robbte vorwärts, bis sie plötzlich den Halt unter sich verlor und mit rudernden Armen kopfüber in einen tiefer gelegenen Gang stürzte. Höchst unsanft landete die junge Hexenmeisterin auf dem steinigen Boden und blickte wütend zu dem schadenfroh kichernden Wichtel auf, der aus luftiger Höhe zu ihr heruntersah.

„Komm sofort hier runter!“, befahl sie. „Ich brauche eine Leuchte.“

„Dann hättest du einen Fackel mitnehmen sollen.“, höhnte der Dämon, sprang dann jedoch gehorsam hinter seiner Herrin her. Seine Flammenkorona tauchte die Höhle in ein flackerndes Dämmerlicht. „Warum sind wir nicht bei den anderen geblieben?“

„Weil ich…äh.“, stotterte Magenta. Um nichts in der Welt hätte Magenta zugegeben, dass se es lediglich nicht mehr ertragen hatte zuzusehen, wie Risingsun einen Splitter nach dem anderen aus den Händen der getöteten Kobolde nahm und dabei nicht einmal in Schweiß geriet. „Weil ich es so wollte Also meckere nicht herum, sondern leuchte mir.“

„Magenta? Du alles in Ordnung?“, hallte Abumoahams Stimme dumpf durch die verwinkelte Höhle. Der Magier konnte sich in buchstäblicher jeder Richtung befinden, denn das Echo machte jede Orientierung zunichte. Doch das war ein Problem, um das Magenta sich später kümmern würde, nachdem sie den Kobold gefunden hatte.

„Ja ja, ich komm schon zurecht.“, rief sie daher zurück und eilte im Schein ihres Wichtels um die nächste Ecke und landete in einer Sackgasse. Das spärliche Licht fiel auf den Kobold, der sich ängstlich in eine Ecke drückte.

„Du nicht nehmen Kristall!“, quiekte es und presste sich noch fester gegen den Stein.

„Doch ich werde ihn nehmen.“, erwiderte Magenta fest. „Also rückst du ihn am besten raus, bevor ich ihn dir mit Gewalt abnehme.“

Die Schnurrhaare des Kobolds zitterten, als er seine gelben Nagezähne bleckte und Magenta anfauchte. „Du nicht nehmen Kristall. Riese gegeben. Du nicht nehmen Kristall!“

Wild entschlossen klammerten sich seine Pfoten um das Kristallstück. Es war ungefähr so groß wie Magentas Handfläche und leuchtete von innen heraus in einem schwachen Licht, das alle paar Augenblicke eine andere Farbe des Regenbogens annahm. Er war schön, das war nicht zu leugnen, doch Magenta argwöhnte, dass der Kobold noch einen anderen Grund hatte, ihn nicht herauszurücken. Kritisch ließ sieh ihren Blick über die rattenartige Kreatur schweifen und bemerkte schließlich den entscheidenden Unterschied zu den Kobolden, die sie schon kannte. Plötzlich hatte sie eine Idee.

„Sieh mal!“, sagte sie und holte mit langsamen Bewegungen einen langen, elfenbeinfarbenen Gegenstand aus ihrem Gepäck. Sie hielt ihn an die Flammenkorona des Wichtels, überhörte seinen meckernden Protest („Ich bin doch kein Feuerstein!“) und präsentierte ihrem Gegenüber das Ergebnis. Gierig sogen sich die schwarzen Knopfaugen des Kobolds an der Kerze fest, die fast so groß war wie er selbst. Magenta hatte sie irgendwann einmal bei einem Händler in Stormwind gekauft, weil sie sie hübsch fand, und dann vergessen, dass es sie gab. Bis jetzt.

„Kerze!“, krächzte der Kobold heiser. Er begann unruhig hin und her zu rutschen und seine Füße machten dabei scharrende Geräusche auf dem felsigen Boden. Vor lauter Aufregung ließ er den Kristall in seinen Pfoten fast fallen.

„Haargenau. Eine Kerze.“, bestätigte Magenta in einem Tonfall, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen. Sie war ziemlich stolz auf sich, dass ihr aufgefallen war, dass diese kleine Tunnelratte vermissen ließ, was alle Kobolde, die sie bis jetzt getroffen hatte, auf ihrem Kopf trugen. „Was hältst du davon, wenn ich sie dir schenke und du schenkst mir dafür den Kristall.“

Man konnte deutlich sehen, wie es hinter der Stirn des Kobolds arbeitete. Kleine Krallen bohrten sich in den Kristall. Die Kerze, die Magenta ihm anbot, war so groß, dass er beide Hände brauchen würde um sie zu tragen. Und sie würde für Koboldmaßstäbe nahezu ewig brennen. Wenn da nicht die Bergriesen gewesen wären, die ihn und elf andere Kobolde zu Hütern der Splitter gemacht hatten. Es war eine ehrenvolle Aufgabe, die ihn mit Stolz erfüllte. Aber das dort war immerhin eine Kerze.

„Kerze!“, wimmerte er gequält.

Die Hexenmeisterin lächelte siegessicher. „Und sie kann dir gehören.“, versprach sie lockend. „Du musst mir nur den Kristall geben, dann bekommst du sie.“

Vorsichtig streckte Magenta die Hand nach dem Kristallstück aus. Der Kobold achtete nicht darauf, denn sein begehrlicher Blick hing immer noch an der brennenden Kerze. Wie von selbst bewegte sich seine Pfote darauf zu und Magenta ließ ihn gewähren. Die kleine, krallenbewehrte Pfote legte sich an den leuchtenden Rumpf der Kerze und der Kobold ließ ein andächtiges Seufzen hören. Im selben Moment griff Magenta nach dem Kristall.

„DU NICHT NEHMEN KRISTALL!“, kreischte der Kobold los, ließ die Kerze los und bohrte seine Zähne in Magentas Handgelenk.

De Hexenmeisterin schrie vor Schmerz und Schreck. Sie stolperte rückwärts, die Kerze fiel zu Boden und schwarze Flammen loderten um den Kobold herum in de Höhe. Sekunden später entglitt der leuchtende Splitter seinen verkohlten Pfoten. Magentas Zauber hatte ihn auf der Stelle getötet.

„Das hättest du auch einfacher haben können.“, murrte der Wichtel. Er klaubte den Splitter vom Boden auf und hielt ihn Magenta hin. „Können wir dann gehen?“

Die Hexenmeisterin nahm den Splitter, rieb sich die schmerzende Bisswunde und warf noch einen letzten wütenden Blick auf den toten Kobold. Er hatte es wahrlich nicht besser verdient. Beim nächsten Mal, da gab sie Pizkol recht, würde sie sich diesen Ärger ersparen. Was nutzte es nett zu sein, wenn es einem nur Unannehmlichkeiten einbrachte. Kurzentschlossen nahm sie die Kerze, entzündete sie an Pizkols Flammenkorona und schlug sich dann durch die verwinkelte Höhle zurück zu den anderen.
 

„Was soll das?“, fragte Risingsun, als Magenta um die Ecke bog. Ihr vorwurfsvoller Blick war auf die Kerze in Magentas Händen gerichtet. „Das ist eine Altarkerze. Ich glaube nicht, dass Hexenmeister dafür Verwendung haben. Sind die Kerzen dieser Zunft nicht ausnehmend schwarz?“

„Wie meine Seele.“, bestätigte Magenta bissig. „Aber auch eine Hexenmeisterin muss was sehen, wenn sie hier unten durch die Gänge irrt. Und irgendwer hat ja die einzige Fackel bekommen.“

Die Paladina stemmte die Hände in die Hüften. „Ich habe ja auch keinen stinkenden Wichtel, der mit seinem Höllenfeuer für mich leuchtet.“

„Neidisch?“, stichelte die Hexenmeisterin und wollte noch etwas Garstiges hinzufügen, als sie Abumoahams tadelnden Blick bemerkte. Der Magier wollte offensichtlich keinen Streit. So klappte sie gehorsam den Mund wieder zu. In einem Anfall von Trotz streckte sie Risingsun jedoch noch die Zunge heraus, was die Paladina glücklicherweise nicht sah, da sie bereits wieder vorausgeeilt war.

„Ich habe etwas gefunden.“, tönte es kurz darauf von einem Felsvorsprung herab. „Hier oben ist wieder so ein Stein, aber es fehlen einige Stücke.“

„Das muss der Fels sein, den die Kobolde zerstört haben.“, rief Bladewarrior hinauf. „Haltet aus, Prinzessin! Wir kommen.“

Schnell setzte er Risingsun nach und als Abumoaham und Magenta schließlich auf dem Felsplateau angelangt waren, setzte er bereits den vorletzten Splitter in den schwebenden Stein ein. Ein wenig biestig dachte die Hexenmeisterin, dass er vermutlich Glück gehabt hatte, dass alle Splitter dieselbe Form hatten Andernfalls hätte es wahrscheinlich Stunden gedauert, den Monolithen wieder zusammenzusetzen.

„Es fehlt noch ein Stein.“, sagte er und sah Magenta fragend an. Ein wenig zögerlich rückte die Hexenmeisterin den letzten Splitter heraus. Sie hätte ihn am liebsten selbst eingesetzt, doch sie sah ein, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Streitereien war. Den Ruhm würde auch diesmal wieder jemand anderer ernten.
 

Mit andächtigem Gesichtsausdruck schob Bladewarriors den letzten Splitter an seinen Platz. Durch den Stein, der bis dahin auf der Erde gelegen hatte, ging ein Ruck. Die regenbogenfarbenen Oberflächen begannen sanft zu leuchten und Stück um Stück erhob sich der Kristall in die Luft, bis er schließlich mehrere Handbreit über dem Boden schwebte.

„Ihr habt es geschafft.“, ertönte eine Stimme aus dem Stein. Es war dieselbe, die Magenta schon aus dem letzten Obelisken vernommen hatte, nur dass sie diesmal deutlicher zu sein schien. „Ich danke euch aus tiefstem Herzen. Nun sehe ich endlich, welch verderbte Zauber mich hier unter der Erde gefangen hält. Es existieren noch vier weitere Steine der Bindung. Um mich zu befreien, müsst ihr den zentralen Stein, den Stein der inneren Bindung, öffnen. Erst dann kann ich frei sein.“

„Wie öffnen man die Steine?“, fragte Bladewarrior atemlos und Magenta rollte ob seiner augenscheinlichen Begeisterung mit den Augen. Die Wunde an ihrem handgelenk brannte und ihr fehlte ein wenig die Motivation, um jetzt noch weitere Aufgaben für die verschollene Prinzessin zu erfüllen. Doch wahrscheinlich würde sie wieder einmal niemand um ihre Meinung fragen.

„Um den Stein zu öffnen benötigt ihr drei Schlüssel, den brennenden, den donnernden und den Wappenschlüssel. Sie befinden sich im Kreis der westlichen, der östlichen und der äußeren Bindung. Erst wenn ihr alle Schlüssel zusammen habt, könnt ihr mich aus diesem Martyrium befreien. Doch seid gewarnt, denn die Schlüssel werden gut bewacht.“

„Ihr könnt euch auf uns verlassen, Prinzessin.“, antwortete Bladewarrior mit entschlossenem Gesichtsausdruck und ging vor dem Stein in die Knie. „Wir werden Euch befreien und wenn es das Letzte ist, was wir tun.“

„Ich hoffe nur, dass es sich dabei lediglich um eine Phrase handelt“, murmelte Magenta und versuchte sich all die Beschreibungen einzuprägen, die die Prinzessin ihnen von der Lage der Steine gab. So wie es sich anhörte, würde dieses Abenteuer noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Licana
2008-09-16T19:58:18+00:00 16.09.2008 21:58
Huhu,
also meiner Meinung nach ist das eigentlich ein sehr schönes Kapitel. Die Lösung des Aufeinandertreffens von Horde/Allianz am Anfang fand ich sehr cool, vor allen Dingen hat das Landen in dem Holzfällerlager für viel Spannung und Bewegung gesorgt :) (nebenbei habe ich ein Herz für die explodierenden Schafe und den Schaf/Schwein-Zauberspruch der Magier allgemein <3 ) !

Auch das weiterführende Schicksal von Magenta und Co gefällt mir, ihre Jagd nach dem Kobold war einfach zu süß ^^. Ich persönlich würde zwar misstrauisch werden, wenn mich ein schwebender Stein um Hilfe bittet, aber in Anbetracht dessen, dass Bladewarrior eine absolute Schwäche für Prinzessinnen bzw. weibliche, hifsbedürftige Wesen hat und der Rest auch keine Unmenschen sind, ist die Suche nach den Splittern gut nachvollziehbar ;).

Das Einzige, was ich ein wenig seltsam gefunden habe, war, dass der Hüter Albagorm so überraschend aus dem Nichts auftaucht(oder habe ich die Erklärung dazu vielleicht überlesen? Wenn ja, Schande über mich und ich hab nix gesagt ^^). Irgendeine Erklärung warum er gerade in dem Moment beim Holzfällerlager war, als es da rund ging wäre sicherlich gut einbaubar, nachdem die brenzlige Situation vorüber ist. Vielleicht um irgendwas zu überprüfen?

Ansonsten... ja... Was stört dich denn ^^ ? Neben ein paar Tippfehlern, die aber nicht weiter schlimm sind (ich überles die in 99% aller Fälle eh ^^°), ist mir sonst nichts aufgefallen.

Also mir hat es wirklich gut gefallen, ich freue mich schon auf die Fortsetzung =) !

Liebe Grüße!

Lica



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