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Seelenschatten

wenn das Dunkel sich erhebt
von

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Das Tagebuch

Numb (Linkin Park)
 


 

I'm tired of being what you want me to be

feeling so faithless

lost under the surface

i don't know what you're expecting of me

put under the pressure

of walking in your shoes

every step that I take is another mistake to you
 


 

Das Tagebuch
 

Harry zockelte schon eine geraume Weile hinter seinen Freunden her, die sich prächtig zu amüsieren schienen und ihn und seine „Launen" nicht weiter beachteten. Gerade waren sie vor dem Schaufenster der Tierhandlung stehen geblieben und sahen zu, wie sich eine Erstklässlerin ihr neues Haustier in Empfang nahm. Flatternd und schwankend versuchte der riesige Waldkauz in seinem Käfig auf der Stange sitzen zu bleiben, während das kleine Mädchen sich bemühte, ihn heil durch die Tür zu bekommen.
 

„Ich hoffe, wir haben jetzt eine Eule, die groß genug ist, um dir deine ganzen Sachen hinter zu tragen, Spätzchen.“, sagte ein Mann, der hinter ihr aus dem Laden trat. „Aber eigentlich wäre es mir lieber, du würdest nicht immer alles verlieren."

„Ja, Papa.", antwortete das Mädchen kleinlaut und stapfte den riesigen Käfig mühsam mit beiden Armen umklammernd hinter dem Mann her.
 

Als sie in der Menge verschwunden waren, sagte Ron grinsend: „Die ist doch wohl nicht etwa mit Neville verwandt, was meint ihr?"

Bei dem Gedanken an ihren Schulkameraden mussten die drei unwillkürlich lachen. Es konnte unmöglich jemanden geben, der noch schusseliger war als Neville Longbottom. Von der vielen Lauferei hungrig geworden, beschlossen die drei, sich ein eis zu gönnen. Angesichts der Speisekarte in Fortescues Eissalon sank Rons gute Laune allerdings beträchtlich. Unauffällig zählte er seine kärgliche Barschaft, bis Hermine sich seiner erbarmte und verkündete:

„Kommt, ich lade euch beide ein. Ich habe von meinen Eltern diesmal ein etwas großzügigeres Taschengeld bekommen.“
 

Kurz darauf starrte Harry nachdenklich in seinen Eisbecher, der tropfend vor sich hinschmolz und versuchte einen Weg zu finden, wie er wohl unbemerkt in das St.Mungos kommen konnte. Da schreckte ihn Ron aus seinen Gedanken hoch:

„Hallo! Erde an Harry! Ist jemand zu hause?"
 

Verwirrt sah Harry auf und stellte fest, dass auch Hermine ihn prüfend musterte. Verlegen löffelte er ein wenig seines matschigen Eises und versuchte so die Stille zu überbrücken, die durch das Ausbleiben seiner Antwort auftrat. Dann musste er wohl oder übel doch etwas sagen, und schob den noch fast vollen Becher zu Ron rüber.

„Ich mag nicht mehr.“, murmelte er. „Irgendwie ist mir der Appetit ein bisschen flöten gegangen wegen der ganzen Sache gestern."

Wenn man es genau nahm, ging es ihm wirklich nicht besonders gut, auch wenn das wohl eher andere Gründe als eine Magenverstimmung hatte.
 

„Das scheint langsam zu einer Gewohnheit zu werden, Harry.“, meinte Hermine mitfühlend. „Vielleicht solltest du mal zum Arzt gehen. Das hört sich nach etwas Ernsterem an."

Ron, der zwar wieder nur die Hälfte mitgekriegt hatte, weil er so mit den Resten von Harrys Eis beschäftigt war, nickte zustimmend. „Genau, die kriegen das ganz schnell wieder hin. Meine Ma kann dir aber auch was von ihren Hausmitteln geben, wenn du Schneckensirup magst."

"Ron", rügte Hermine und zog die Stirn kraus. "Schneckensirup ist gegen Husten, das solltest du aber wissen. Außerdem scheint die Aussicht auf irgendetwas mit Schnecken drin mir nicht gerade das Richtige, um Harrys Magen zu beruhigen. Willst du lieber einen Tee?"

„Ach was, ich bin nicht krank.", brummte Harry ärgerlich und hätte sich danach fast mit der Hand vor die Stirn geschlagen. Das war gerade die perfekte Gelegenheit gewesen ins Krankenhaus zu kommen und er hatte sie verpasst. Allerdings hätte ihn Hermine wahrscheinlich keine Minute aus den Augen gelassen, was ziemlich hinderlich gewesen wäre. Es musste einen anderen Weg geben. Entschlossen schob Harry seinen Stuhl zurück.

„Ich denke, ich werde einfach ein bisschen spazieren gehen, wenn es euch nicht stört.“, verkündete er und warf dabei Ron einen Blick zu, den dieser ausnahmsweise mal richtig deutete. Sein Freund zog daraufhin Hermine wieder auf ihren Platz zurück.

„Ich muss doch noch mein Eis aufessen:“, erklärte er vorwurfsvoll und begann mit atemberaubender Langsamkeit zu essen. „Harry kann bestimmt ein paar Minuten auf sich selber aufpassen.“
 

Somit hatte Harry etwas mehr Bewegungsfreiheit, als er draußen auf die Straße trat, die im hellen Sonnenlicht ganz anders wirkte als gestern. Er lief ziellos durch die Gegend, getrieben von einer Unruhe, die er sich selbst nicht erklären konnte. Es war, als hätte er ein Uhrwerk verschluckt, das ihn zwang immer weiter zu gehen, ohne jemals stehen bleiben zu können. Als er gerade überlegte, wohin er jetzt wohl gehen sollte, blieb er dann doch wie angewurzelt stehen.
 

Mitten im Strom der Menschen stand der Schatten und sah ihn an. Die Menge teilte sich um den Platz, an dem er stand, als würden die Menschen den Kontakt mit diesem Wesen unbewusste meiden. Auch Harry fühlte, wie sich ein Eisklumpen in seinem Magen bildete. Was wollte dieses Wesen nur von ihm? Er hatte doch nichts getan, das irgendwie die Aufmerksamkeit dieses - was immer es auch war - erregt haben konnte.
 

Langsam drehte sich der Schatten um und fing an, die Straße entlang zu gehen. Harry folgte ihm. Er hatte keine Ahnung, ob das eine gute Idee war, aber möglicherweise kam er so der Lösung des Rätsels einen Schritt näher. Rücksichtslos drängte Harry sich zwischen den Passanten hindurch, immer bemüht, den Schatten nicht aus den Augen zu verlieren.

Als er gerade eine dicke Frau mit ihrem Hund überholte, passierte es schließlich: Harry rannte in jemanden hinein, die beiden stürzten zu Boden und als Harry sich panisch nach dem Schatten umsah, war dieser wie vom Erdboden verschluckt. Ärgerlich sah sich Harry nach demjenigen um, der ihn zu Fall gebracht hatte und musste sich sehr beherrschen, um nicht laut aufzustöhnen. Ihm gegenüber saß Neville Longbottom auf dem Pflaster und rieb sich die Stirn.
 

„Hi Harry.“, sagte Neville. „Tut mir leid, ich hab dich nicht gesehen. Hast du dir wehgetan?"

„Nein, es geht schon.“, antwortete Harry immer noch leicht verärgert. „Aber was machst du überhaupt schon hier? Sonst kommst du doch auch immer erst in allerletzter Sekunde.“

Harry wusste, dass er Neville Unrecht tat, trotzdem wollte sich sein schlechtes Gewissen nicht so recht einstellen.

„Ich bin mit Oma unterwegs.“, nuschelte Neville und wurde ein bisschen rot. „Wir machen noch ein paar Besorgungen und dann wollen wir zu meinen Eltern."
 

Harry betrachtete den Jungen, der sich im letzten Jahr sehr verändert hatte, ebenso wie er selber. Doch während Harry im Moment aussah, wie der Tod auf Socken, hatte Nevilles Veränderung eher positiven Charakter. Er war etwas schmaler geworden und seine Unterlippe zitterte auch nicht mehr beim Sprechen. Insgesamt sah er erwachsener aus, als hätte das Abenteuer, das sie zusammen erlebt hatten, ihn irgendwie in seinem Selbstvertrauen gestärkt. Während Harry Neville weiterhin verstohlen musterte, kam ihm plötzlich eine Idee, wie er doch noch ins Krankenhaus kommen konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
 

„Was hältst du davon“, meinte er beiläufig, „wenn ich dich ins St.Mungos begleite. Wäre dir das Recht?"

Neville sah ihn mit großen Augen an. „Warum willst du denn das machen, Harry?"

„Ich weiß nicht.", log Harry. „Ich fand deine Eltern nett, auch wenn sie...naja ein wenig anders sind als andere Eltern. Aber wie deine Großmutter schon sagte: Du musst dich ihretwegen nicht schämen, sie haben getan, was sie für richtig hielten und vielleicht gibt es ja irgendwann einmal die Möglichkeit, sie zu heilen."

„Wahrscheinlich hast du Recht.“, sagte Neville und grinste ein wenig schief. „Außerdem ist Oma ganz wild darauf dir persönlich zu sagen, was sie von diesen Berichten im Tages-Propheten hält, die behaupten, dass du auf... der anderen Seite stehst."

Bei den letzten Worten hatte Neville seine Stimme gesenkt und sich unsicher umgesehen, als fürchte er, nur für diese Äußerung gleich verhaftete zu werden. Das brachte Harry dazu, sich ebenfalls umzudrehen und irgendwie erwartete er fast, den Schatten wieder zu sehen. Es war jedoch nirgends etwas zusehen und außer dem eigenartigen Gefühl beobachtet zu werden, deutete auch nichts auf seine Anwesenheit hin.

„Also los.“, murmelte Harry halblaut. „Ich sage noch Ron und Hermine bescheid, wo ich abbleibe, dann können wir los."
 

Als Harry in das Eis-Cafe zurückkehrte, waren Ron und Hermine immer noch dabei, sich zu streiten; wenn auch diesmal über ein Thema, das wenigstens mehr oder weniger nur sie beide betraf: Viktor Krum.

„Außerdem kannst du ja gar nicht Bulgarisch oder was auch immer der zu hause spricht.", ereiferte sich Ron gerade. Harry konnte eigentlich nur den Kopf schütteln, über dieses lahme Argument, denn schließlich sprach Viktor Krum, obwohl er der Sucher der bulgarischen National-Mannschaft war, nachweislich ihre Sprache. Das machte das Kommunikations-Problem verschwindend gering, worauf Hermine Ron natürlich auch sofort hinwies.

Dann entdeckte sie Harry und stand auf. „Harry, ich glaube, wir sollten langsam mal nach hause fahren. Ron bekommt die Luft hier nicht so besonders gut." Dabei schoss sie noch einmal einen nervenerschütterten Blick auf Ron, der das schlichtweg ignorierte und eingeschnappt in seinen leeren Eisbecher rührte.
 

Harry verdrehte die Augen und seufzte innerlich. Ob die beiden es wohl irgendwann mal schaffen würden, wieder einigermaßen normal miteinander umzugehen? Er hatte im Moment wichtigere Probleme, die er allerdings nicht hier mit ihnen besprechen wollte. Eigentlich wollte er sie gar nicht mit ihnen besprechen, aber schließlich waren das seine besten Freunde und die musste er wohl oder übel informieren, warum er nicht sofort mit ihnen in den Fuchsbau zurückkehren wollte.
 

„Ähm...", begann er zögernd. „Ich hab draußen Neville getroffen und er will mit seiner Großmutter zusammen noch ins Krankenhaus zu seinen Eltern. Ich würde gerne mitgehen, dann könnte ich mich auch gleich mal mit einem der Heiler über meinen Magen unterhalten."

Er zählte bis drei und die erwartete Reaktion kam.

„Oh, Harry, das ist eine tolle Idee. Ich gehe nur kurz bezahlen und dann können wir los."

Hermine wollte schon zur Theke gehen, aber Harry hielt sie zurück.

„Ich würde lieber alleine gehen.“, erklärte er. „Ich glaube, das ist Neville lieber. Er hat sich zwar über mein Angebot gefreut und wollte es wohl nicht ablehnen. Aber ich denke, wir wollten nicht gleich als Gruppe da auftreten. Erinnert euch mal an seine Reaktion, als wir ihn das erste Mal getroffen haben. Ich fand es eigentlich schon sehr verwunderlich, dass er wirklich ja gesagt hat."
 

Harry war nicht ganz wohl bei dieser Geschichte, die er seinen beiden Freunden da auftischte. Andererseits hatte er schließlich nicht völlig gelogen, was Nevilles Reaktion anging, versuchte er sich zu beruhigen. Er hatte lediglich den zweiten Teil ihres Gesprächs verschwiegen und das war ja schließlich etwas anderes. Er merkte selbst, dass das Eis auf dem er sich auch sich selber gegenüber bewegte, alles andere als stabil war. Er war sich nicht sicher, wie lange es noch halten würde. Glücklicherweise gaben sich Ron und Hermine mit seiner Erklärung zufrieden und ließen lediglich Grüße an Neville und seine Großmutter ausrichten.
 

Aus den Augenwinkeln meinte Harry eine Gestalt hinter den beiden erkennen zu können, doch er war sich sicher, dass das eigentlich nur eine Reflektion auf der Scheibe gewesen sein konnte. Schließlich war der Schatten bis jetzt immer nur erschienen, wenn Harry auch im Raum war und er weigerte sich zu akzeptieren, dass das anders sein konnte.
 

-
 

Nevilles Großmutter freute sich wie auch schon beim ersten Mal und lobte Neville, dass er es endlich begriffen hätte, wie wichtig seine Eltern gewesen waren. Sie war jedoch taktvoll genug, Harry nicht auf seine eigenen Eltern an zu sprechen, sondern meinte nur:

„Harry, die Leute sollten sich ein bisschen besser daran erinnern, wer Ihnen die Haut gerettet hat. Diese ganzen schrecklichen Sachen, die sie wieder in der Zeitung geschrieben haben. Ich glaube auf jeden Fall kein Wort davon und meine Freundin Griselda ist genau derselben Meinung. Besonders seit sie Harry ja selber bei seiner Prüfung gesehen hat. Aber die jungen Zauberer heutzutage sind ja sogar zu feige um den Namen dieses elenden Monsters auszusprechen, das sie jetzt wieder aufscheucht. Wenn sie damals besser gearbeitet hätten, wäre das alles nicht passiert und anständige Leute könnten heutzutage in Frieden leben"
 

Irgendwann in ihrer Litanei schaltete Harry ab und sank neben Neville in die Polster ihrer Kutsche, die sie zum St.Mungos beförderte. Der grinste entschuldigend, doch Harry winkte ab. Heutzutage musste er wohl froh sein über jeden, der diese Zeitungs-Artikel erwähnenswert fand und dann noch eine halbwegs neutrale Meinung von ihm hatte. Sie hielten vor dem heruntergekommenen Reinig & Tunkunter- Kaufhaus und betraten kurz darauf das große Krankenhaus der Zauberwelt.
 

Als sie nach der Anmeldung die Treppe hinaufgingen, schnaufte Nevilles Großmutter ein wenig und schickte sie schon mal vor. „Oma ist ein bisschen eitel, was ihr Alter angeht.", murmelte Neville und zog Harry mit nach oben. Als sie die Abteilung für Fluchschäden erreichte und über den Flur auf das Zimmer mit Nevilles Eltern gingen, wurde Neville mit einem Mal ganz ruhig. Er hob auch den Kopf nicht, als sie direkt vor der Tür zum Krankenzimmer seiner Eltern standen.
 

Harry war unschlüssig, was ihn letztendlich dazu brachte, Neville unter einem Vorwand alleine vorauszuschicken. Als er den dankbaren Ausdruck auf dessen Gesicht sah, war sein Grund für dieses Vorgehen eigentlich auch nebensächlich. Da Harry aber nicht wirklich vorhatte, zu einem Arzt zu gehen, wanderte er den Flur auf der Geschlossenen Abteilung umher und versuchte nicht weiter über die Geräusche nachzudenken, die aus einigen der Patientenzimmer drangen. Weil er eigentlich insgesamt keine Lust auf Gesellschaft hatte und nicht riskieren wollte, vielleicht von Gilderoy Lockhart oder einer Schwester erwischt zu werden, setzte er sich in einer Art Aufenthaltsraum in eine Ecke und schloss für einen Moment die Augen.
 

Kurze Zeit darauf hatte er wieder das Gefühl, dass er beobachtet wurde. Die Kälte, die dieses Gefühl mit sich brachte, ließ ihn ahnen, wer es war.

„Was willst du von mir?", flüsterte er leise und zwang sich nicht panisch aufzuspringen, denn dann hätte er gleich hier bleiben können und sich bei seinem ehemaligen Professor ins Nachbar-Bett legen können.
 

Als er die Augen öffnet, sah er seinen Verdacht bestätigt, denn mitten in dem hell erleuchteten Raum stand der Schatten und sah ihn an. Er war immer noch nachtschwarz und erschien trotzdem nicht massiver als Rauch zu sein. Die direkte Beleuchtung schloss diesmal aus, dass Harry sich irrte. Er versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen, das wie wild gegen seine Brust hämmerte, während sich von außen ein eisernes Band um seinen Brustkorb legte, das stetig enger zu werden schien. Sein Magen rebellierte und sein Blut schien sich in Sirup verwandelt zu haben. Fast ohne sein Zutun stand er auf und ging auf die Tür zu. Er war sich ganz sicher, dass das genau das war, was er jetzt zu tun hatte.
 

Er öffnete die Tür des Raums wieder und folgte dem Schatten, der sich jetzt langsam von ihm weg bewegte. Vor einer Tür blieb er stehen und als Harry kurz blinzelte, war er verschwunden. Harry sah sich noch einen Augenblick lang suchend um und schlich dann auf die Tür zu. Durch das eingelassene Fenster sah er ein Bett, in dem jemand schlief, der bei jedem Atemzug eine blaue Flamme ausatmete. Der Raum wurde dadurch gerade so weit beleuchtet, dass Harry sehen konnte, dass sich sonst niemand darin befand. Er drückte vorsichtig die Klinke herunter und betrat das Krankenzimmer. Als er die Tür wieder schloss, seufzte der Mann leise im Schlaf und drehte den Kopf ein wenig, so dass Harry den hinteren Teil des Zimmers besser erkennen konnte.
 

Vorsichtig näherte er sich dem zweiten, leeren Bett, öffnete den dazu gehörigen Nachtschrank und fand in der untersten Schublade eine Mappe, auf der der Name M.Mullingtow eingeprägt war. Mit klopfendem Herzen nahm Harry die Mappe heraus und versuchte etwas von den darin enthaltenen Unterlagen zu entziffern, so gut das eben bei dem spärlichen Licht ging. Das Ganze war oder weniger eine lose Ansammlung von Pergamenten, die in verschiedenen Handschriften verfasst zu sein schienen. Immer wieder waren Sachen unterstrichen und an den Rand geschrieben worden.
 

Harry verstand nur wenig von dem, was er überhaupt erkennen konnte. Es tauchten immer wieder verschiedene Zeichnungen auf, die mit Zahlen und Daten versehen waren, die ihm allerdings nichts sagten. Das Ganze wirkte ein bisschen wie ein wissenschaftlicher Bericht.

Dann jedoch kam eine größere Zeichnung, die Harry gesamte Aufmerksamkeit bekam. Es handelte sich um eine Bleistift-Skizze, die ein ganzes Blatt füllte und schon allein deshalb von den anderen unterschied. Ebenfalls anders an dieser Zeichnung war, dass sie nicht mit Daten versehen war, sondern das Objekt lediglich zeigte, wie auch er es schon gesehen hatte:

der steinerne Torbogen aus dem Zauberei-Ministerium.
 

Mit zitternden Finge durchforstete er den Rest der Unterlagen in der Hoffnung etwas zu finden, dass ihm weiter half diese Rätsel nun endlich zu lösen. Er fand einen Abschnitt, der in einer einigermaßen lesbaren Größe geschrieben war und wohl eine Art Tagebuch darstellte.
 

„12. April Ich habe Ihnen gesagt, dass Michael noch lebt, aber sie wollen mir nicht glauben. Sie sagen, es sei zu riskant, die Forschungen weiter zu führen. Es werden Stimmen laut, das Tor zu verschließen, aber die meisten sind nach wie vor dagegen, weil schon einmal jemand zurückkam, wenn auch viele Jahre nachdem er hindurch gegangen ist. Ich höre wie er hinter dem Vorhang nach mir ruft und ich werde meinen geliebten Mann nicht enttäuschen. Ich werde ihn zurückholen und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Notfalls werde ich mich heimlich in die Höhle schleichen."
 

Harry hatte genug gelesen um zu erahnen, was das hieß. Anscheinend war schon einmal jemand durch diesen Vorhang gegangen und zurückgekehrt. Dumbledore hatte ihn wieder einmal belogen, als er sagte, dass Sirius nie zurückkehren konnte. Er hatte ihm verschwiegen, dass es diese Möglichkeit gab und Harry hatte ihm wieder vertraut. Wütend ballte er die Hand zu einer Faust und merkte nicht einmal, dass ihm die Tränen die Wangen herunter liefen, als er sich schwor, dass er nie wieder so dumm sein würde. Nie wieder würde ihn Dumbledore so belügen, denn er hatte das Versprechen gebrochen, dass er Harry gegeben hatte. Das Versprechen von nun an ehrlich zu ihm zu sein.
 

Er fühlte wie tief in ihm etwas zerbrach, dass schon im letzten Jahr einige Risse bekommen hatte: Das unbedingte Vertrauen in Dumbledore. All die warmen Gefühle, die der Mann bis jetzt in Harry geweckte hatte, waren mit einem Mal verschwunden und zurück blieb nur eine kahle Wüste. Der letzte, bei dem er sich wirklich verstanden gefühlt hatte und der immer irgendwie für ihn da gewesen war, wenn auch oft nur im Hintergrund, hatte ihm ein Messer in den Rücken gerammt und es tat verdammt weh.
 

Minutenlang blieb Harry wie betäubt sitzen, bis ihm plötzlich einfiel, dass er ja mit Neville und dessen Großmutter zusammen hier war und sie sicher schon auf ihn warteten. Hastig schob Harry die Papiere wieder zurück in die Schublade und schlich auf Zehenspitzen wieder zur Tür. An dieser Stelle endete sein Glück jedoch, denn der Mann in dem zweiten Bett wachte auf und fing an in ohrenbetäubender Lautstärke an zu brüllen. Im ersten Moment konnte Harry nur denken, dass dieser Effekt sicherlich Fred und George sehr für ihren Drachen-Punsch interessiert hätte, wenn sie hier gewesen wären. So allerdings interessierte es vor allem eine Hexe in Schwestern-Umhang, die zur Tür hineinstürzte, dem Drachen-Mann zunächst mit einem Zauber zur Ruhe brachte und ihm dann eine rauchende Medizin einflößte.
 

Mit einer herrischen Geste befahl sie Harry ihr zu folgen und vor der Tür fuhr sie ihn dann an. „Was fällt dir eigentlich ein du Rotz-Bengel. Erst einfach im Krankenhaus herumzustreunen, dann Türen aufzubrechen und schließlich noch unsere Patienten fast zu Tode zu erschrecken."

Harry versuchte vergeblich zu erklären, dass er wohl sehr viel mehr erschrocken war als der Mann in dem Zimmer und dass außerdem die Tür ja offen gewesen sei. Sie wiederum ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, sonder schleppte ihn am Arm in Richtung Ausgang. Da öffnete sich eine Tür und Nevilles Großmutter trat heraus und fragte nach dem Grund des Lärms, da er ihre Schwiegertochter sehr ängstige.
 

Die Schwester schnaubte und schilderte Nevilles Großmutter, was so eben vorgefallen war, wobei sie in Harrys Augen maßlos übertrieb. Wenn man sie so hörte konnte man denke, er wäre quasi in das Zimmer gestürzt und hätte den Fluch an dem Mann eigentlich erst verursacht. Nevilles Großmutter schien ähnlich zu denken.

„Junge Frau", sagte sie, was die andere offensichtlich sehr irritierte, da sie selbst bereit die vierzig überschritten zu haben schien. „Ich bin mir sicher, dass Harry sich lediglich in der Tür geirrt hat, als er zu uns stoßen wollte. Diese Krankenhaustüren sehen doch alle gleich aus. Wenn sie abgeschlossen hätte sein sollen, so sollte sie lieber dafür sorgen, dass ihre Patienten, nicht auf harmlose Besucher losgehen, die wir vielleicht noch im Kampf gegen Voldemort brauchen."
 

Bei den letzten Worten hatte die Krankenschwester nur noch nach Luft geschnappt und Nevilles Großmutter schob den verdutzten Harry einfach durch die Tür in das Zimmer, in dem ihn Neville mit seinen Eltern nebst einem glücklich grinsenden Gilderoy Lockhart erwarteten.

Harry wich seinem ehemaligen Professor schnell aus, bevor der wieder mit irgendwelchen Autogrammen anfangen konnte und setzte sich neben Neville auf einen Stuhl. Nevilles Großmutter rief ihnen zu, sie würde erstmal einen Kaffee mit der Schwester trinken gehen, damit die sich wieder beruhigte und schloss dann die Tür von außen.
 

Neville sah Harry fragend an. "Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Hast du dich verlaufen?"

„Nein... ja...so ähnlich.“, antwortete Harry zerstreut. „Ich hab das Klo gesucht und bin dann irgendwie falsch abgebogen.“

Neville musterte ihn zwar ziemlich zweifelnd, sagte aber nichts, sonder wandte sich wieder seiner Mutter zu, die ihm gerade die Hand hinhielt. Als er seine ebenfalls ausstreckte, ließ sie wie schon beim ersten Mal ein Kaugummipapier hinein fallen. Dann lächelte sie verträumt und machte sich auf, um erneut ein Papier suchen zu gehen, wie es schien.
 

Harry sah, dass Neville das Papier glatt strich und einsteckte, als sei es aus Blattgold und nicht einfach ein Stück Papier. Nachdem er Harrys Blick bemerkte, senkte er den Kopf und murmelte traurig:

„Das ist das Einzige, bei dem ich weiß, dass sie mich nicht vergessen haben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mir damit ein Zeichen geben will, es aber nicht anders ausdrücken kann, was sie meint. Aber ich glaube, dass da mehr dahinter steckt, als einfach nur der Wahnsinn."

Als er Nevilles Gesicht sah, fühlte Harry ebenfalls einen Kloß in seinem Hals. Dann zog der andere Junge geräuschvoll die Nase hoch und grinste Harry verlegen an.

„Jetzt glaubst du bestimmt, ich bin ein totaler Idiot, oder Harry?"

Harry schüttelte nur den Kopf und sah etwas betreten zu Boden, ob der Vertraulichkeit, die in den letzten Augenblicken entstanden war.

„Ich finde nicht, dass das dumm ist, Neville.“, sagte er mit belegter Stimme. „Wir wissen ja nicht, was wirklich mit ihnen ist. Vielleicht sind sie einfach da drinnen gefangen und können nicht anders als zusehen, bis sie irgendwann mal jemand befreit."
 

Dass ihm dieser Vergleich nicht einfach so in den Schoß gefallen war, wurde Harry klar, als sie beide aufstanden und auf die Tür des Krankenzimmers zugingen. Das war die Lösung für alles, was ihm in den letzten zwei Tagen passiert war. Sirius hatte diesen geheimnisvollen Schatten tatsächlich geschickt, damit Harry wusste, dass er noch lebte und etwas unternahm, damit er gerettet wurde.

Jetzt war es an Harry herauszufinden, wie das ging. Ganz kurz war er versucht, einfach nach den Aufzeichnungen der Frau zu fragen, doch er war sich sicher, dass man sie ihm nicht aushändigen würde. Er würde eine andere Quelle finden müssen, um sich über den Torbogen zu informieren und dafür gab es eigentlich keinen geeigneteren Ort, als den zu dem seine Freunde und er morgen zurückkehren würden: Hogwarts.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2004-11-27T18:25:35+00:00 27.11.2004 19:25
P.S.: Spielst du zufällig Silent Hill? Derr Teil mit den Berichten und Tagebuchausschnitten um das Bett herum gibt 1A die gruselige Atmosphäre des Computerspiels wieder...Vorallem der Wortlaut des Tagebuchausschnitts.
Von: abgemeldet
2004-11-27T18:22:54+00:00 27.11.2004 19:22
Wieder einmal ein schönes Kapitel, das mir aber sprachlich nicht so gefällt, wie die vorherigen. Du hast ziemlich viele Nebensätze ineinander verschachtelt, sodass man manches Mal den Faden verliert, vorallem im Krankenhaus-Teil.

Korinthen:
>das ihn zwang immer weiter zu gehen, ohne jemals stehen bleiben zu müssen.

das "müssen" würde ich mit "können" übersetzen und das "können" im darauffolgenden Satz mit "sollen".

>und eingeschnappt in seinen leeren Eisbecher rührte, der seit geraumer Zeit schon kein Eis mehr enthielt
hier würde ich das "lleren" weglassen, sonst ist der Nebensatz doppelt gemoppelt.

>Irgendwann in ihrer Triade
Meintest du vielleicht Tirade? *g*

Also wie gesagt, klamüsere die nebensätze etwas auseinander, setzte vielleicht ab und zu einen Punkt rein, und achte auf deine "e"s. Manchmal fehlt eins, wo ein hin sollte und manchmal ist eins zuviel.

Aber das sind ja nur kleinigkeiten, das Kapitel ist storytechnisch sehr gelungen und wirklich spannend.

RH
Von: abgemeldet
2004-11-07T00:04:25+00:00 07.11.2004 01:04
Was soll ich sagen.. ? Einfach genial *g* Ich mag deine Geschichte total, in nachvollziehbarer Weise is sie dark und die Charas sind auch nich verfehlt.. ^^ echt gut
Die Schatten nenn ich ja wirklich mal unheimlich o.O Sind die nun gut oder schlecht? ^^" Wär mal gut zu wissen..
Nyu, ich hoff, es geht bald weiter, bin gespannt, wie Harry sich weiterentwickelt, was seine Freunde dazu sagen und vor allem, ob Dumbledore die Veränderung auffällt. ^^
Shi

Aija, und: Mir gefällts wie du Neville darstellst, ich mag ihn sehr.. ^^
Von:  Allonsy-Alonso
2004-10-28T20:27:21+00:00 28.10.2004 22:27
Wirklich wieder mal ein super Kapitel!
Schreib schnell weiter!
Deine SD
Von: abgemeldet
2004-10-28T09:18:04+00:00 28.10.2004 11:18
Das Kapitel hat mir auch sehr gut gefallen! Du hast eine gute Schreibweise, bei der man sich alles sofort vorstellen kann. Außerdem wissen wir jetzt endlich was hinter dem Steinbogen steckt und dass Sirius vielleicht gar nicht tot ist. So richtig kann ich das nämlich nicht glauben *ähem*
Ich war doch etwas geschockt, als Harry so verbittert über Dumbeldore nachgedacht hat... In diesem Moment fühlte ich mich wie Harry: als ob mir jemand ein Messer in den Rücken gestoßen hätte. Dumbeldore ist nämlich die Person für mich in Hogwarts, die für alles eine Lösung findet, die Harry unterstützt egal was passiert... Und ganz bestimmt nicht Harry anlügt! :( Und jetzt... Jetzt ist meinm Idealbild erschüttert *heul* Es hat zwar schon im 5. Band Risse bekommen und ich weiß, dass dies nur eine FF is... Aber... *seufz* Is ja jetzt auch egal ^^ Auf jeden Fall bin ich gespannt wies weitergeht und ob Harry jetzt durch diesen Steinbogen gehen wird... Schreib also schnell weiter!


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