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Seelenschatten

wenn das Dunkel sich erhebt
von

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Schlangenhandel

Faint (Linkin Park)
 

I am a little bit of loneliness, a little bit of disregard

Handful of complaints but I can't help the fact

That everybody can see these scars
 

I am what I want you to want,

what I want you to feel

But it's like no matter what I do, I can't convince you

To just believe this is real
 


 

Schlangenhandel
 

Die Fette Dame strafte Harry mit einem beleidigten Blick, ließ ihn aber ohne einen weiteren Kommentar passieren. Als Harry den Gemeinschaftsraum betrat, sprang Ron von seinem Sessel auf. Anscheinend hatte er auf Harry gewartet.

„Hey, ich hab schon gedacht, du kommst wieder nicht. Hermine ist schon vor zehn Minuten in die Bibliothek abgerauscht.“, grinste er und knuffte Harry gegen die Schulter. „Hast mir gestern einen ganz schönen Schrecken eingejagt, wie wir dich da so vor Solomons Büro gefunden haben.“

Harry nickte nur. „Was meinst, was ich für einen Schreck bekommen hab. War nicht ohne, dieser Zauber. Aber es ist ja noch alles dran.“

Dann stutzte er. „Sagtest du gerade vor Solomons Büro?“

„Ja klar.“, meinte Ron verwirrt. „Wo sollten wir dich denn sonst finden, nachdem du von seiner Tür eins verpasst gekriegt hast. Was wolltest du eigentlich da? Verteidigung hatte doch schon angefangen.“

Harry überlegte schnell. Aus irgendeinem Grund schien er tatsächlich nicht mehr im Büro gewesen zu sein, als man ihn fand. Warum auch immer das so war, es verbesserte seine Situation enorm.

„Ich wollte Solomon noch was fragen.“, antwortete Harry daher schnell. Er senkte die Stimme ein wenig, bevor er weitersprach. “Du weißt schon, wegen Okklumentik und so.“

„Verstehe!“, grinste Ron und stupste Harry erneut. „Dann können wir ja endlich das Wochenende genießen. Seit ich nicht mehr zu Snape muss, machen die Hausaufgaben fast Spaß.“

„Sehr witzig.“, brummte Harry. „Ich wünschte, ich könnte das Selbe von mir sagen. Wobei ich mich frage, wo Snape ist. Wir hatten heute Malfoy als Aufsicht in Zaubertränke.“

„Echt?“, fragte Ron und verzog das Gesicht. „Ich glaube, ich würde schon aus lauter Protest nichts machen. Ist wahrscheinlich fast geplatzt vor lauter Stolz.“

„Nein, den Gefallen hat er uns nicht getan.“, grinste Harry. „Aber ich hab Nachsitzen.“

„Och nö, dann können wir ja wieder kein Quidditch üben. Dabei hat Slytherin heute sogar das Feld geräumt. Dachte eigentlich, die würden sich neue Spieler suchen. Viele können jetzt ja nicht mehr übrige sein, von deren Mannschaft.“

„Einer, wenn man genau ist.“, bestätigte Harry. „Malfoy.“

„Fein.“, grunzte Ron belustigt. „Dann ist es dieses Jahr wohl klar, wer den Hauspokal nicht bekommt. Mit einer völlig neuen Mannschaft kommt Malfoy nie gegen uns an. Ich hab mir gestern mal die Neue, diese Monika, angeschaut. Die Kleine hat echt Feuer. Redet zwar wie ein Wasserfall, aber wo die hinhaut, wächst echt kein Gras mehr.“

„Dann solltest du sie vielleicht lieber als Treiber einsetzen.“, überlegte Harry. „Da hat Gryffindor im Moment ja nicht unbedingt die besten Spieler.“

Rons Ohren wurden ein wenig rot. „Ich hab´s überlegt, aber ich glaube, Andrew und Jack werden sich jetzt anstrengen. Monika kann ziemlich überzeugend sein. Sie hat den beiden gedroht, sie würde sie zur Maulenden Myrthe ins Mädchenklo sperren, wenn sie es nicht tun.“

„Grässliche Vorstellung.“, bestätigte Harry. „Aber das klärt immer noch nicht, was mit Snape ist. Meinst du, er ist wegen… naja, in Sachen Vogelfreunde unterwegs.“

„Vogel… ach so, meinst du? Könnte natürlich sein.“, überlegte Ron. „Aber wollen wir wirklich wissen, wie Snape sein Wochenende verbringt?“

Harry dachte an das Armband, von dem Solomon und Snape gesprochen hatten. Es war nicht so, dass Snape ihm Leid tat. Der Mann hatte eine Strafe alle Mal verdient. Aber Harry empfand keine große Genugtuung dabei, dass Voldemort es sein würde, der die Bestrafung durchführte, noch dazu aus den völlig falschen Gründen. Und doch konnte er sich des Gefühl der Zufriedenheit nicht erwehren, dass Snape erstens kein angenehmes Wochenende bevorstand und er zweitens nicht da sein würde, um Malfoy zu schützen.

Harry merkte, dass Ron ihn immer noch ansah, während er in seinen Grübeleien versunken war. Irgendetwas in seinem Blick gefiel Harry nicht.

„Was ist?“, fragte er ein wenig schärfer, als er eigentlich wollte.

„Ich weiß nicht, du bist irgendwie komisch, seit… seit die Schule wieder angefangen hat.“, versuchte Ron zu erklären. „Hermine hat mich gestern Abend angesprochen. Sie meinte, ich sollte auf dich aufpassen.“

„So“, brummte Harry ärgerlich. „Hat sie das? Was hat das Fräulein Schlau denn noch so erzählt?“

Ron druckste erst noch ein bisschen herum, bevor er mit einer Antwort herausrückte. „Naja.“, meinte er gedehnt:

„Sie hat gesagt, dass du vielleicht doch mehr unter der Sache mit Sirius leidest, als du dir selber eingestehst. Und sie hat noch eine ganze Menge Bücher gewälzt, aber über diesen komischen Schleier hat sie überhaupt nichts finden können. Sie meinte, dass du dich da vielleicht in etwas verrennst, dass dir im Endeffekt mehr schadet als nutzt. Sie will unbedingt, dass ich dich dazu bringe, mit Dumbledore zu reden.“
 

Harry sah genau, dass Ron sich nicht wohl in seiner Rolle fühlte. Aber schließlich hatte Hermine Ron in diese Situation gebracht und nicht er. Dabei hatte er vorhin noch gedacht, sie wären bereits wieder auf dem Weg, sich zu versöhnen. Die Aktion mit Malfoy hätte Hermine doch eigentlich zeigen müssen, auf wessen Seite Harry stand. Warum konnte sie ihm nicht einfach vertrauen? Enttäuscht schüttelte er den Kopf. War er denn nur so lange ihr Freund, wie er sich an ihre Vorstellung der Regeln hielt? Verstand sie denn nicht, wie viel ihm diese Sache bedeutete?

„Ok.“, sagte er schließlich müde. „Ich werde noch mal mit Dumbledore reden, sobald ich etwas mehr herausgefunden habe. Ich will mir ganz sicher sein, damit er mir nicht wieder mit irgendwelchen Ausreden kommen kann. Aber dazu brauche ich ein Buch aus der Bibliothek… und Malfoy.“

„Malfoy?“, echote Ron. „Was willst du denn mit dem?“

„Das Buch, von dem ich sprach, ist in Alten Runen geschrieben und die können weder ich noch du lesen.“, erklärte Harry bereitwillig. “Und Hermine will ich einfach aus der Sache raushalten. Also verrat ihr also nichts davon, klar?“

„Klar, ich bin ja nicht blöd.“, wehrte Ron ab. „Aber warum ausgerechnet Malfoy? Gibt doch jede Menge andere, die Runen lesen können.“

Harry grinste. „Aber auch nicht sehr viele, mit denen wir noch eine Rechnung offen haben, oder?“

Ron sah Harry ein wenig schief von der Seite an. „Weißt du, so langsam bekomme ich auch echt Angst vor dir.“

„Was ist denn bloß mit dir los.“, grollte Harry. „Ich denke, du warst immer so wild da drauf, es Malfoy mal so richtig heimzuzahlen.“

„Ja schon…“, murrte Ron. „Aber zwei gegen einen? Ich meine, früher hatte der ja immer noch diese Halbtrolle dabei, aber so ist das doch irgendwie unfair.“

„Du redest von Fairness und Malfoy in einem Satz?“, fragte Harry verblüfft. „Na wenn es dich glücklich macht, kann ich ihn ja erstmal freundlich fragen, bevor ich ihn an die Wand hexe. Vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder und er lässt sich darauf ein. Möglich wär´s immerhin.“

Besonders, weil ihm sowieso schon die Knie schlottern, wenn er an heute Abend denkt , dachte Harry bei sich und beschloss, dass der Abend wohl tatsächlich amüsant werden könnte.

Ron wirkte ernstlich erleichtert. „Ich glaube, mir ist die Sache mit dem Quidditch irgendwie zu Kopf gestiegen.“, seufzte er. „Ich werde fair, wenn es um Malfoy geht.“

„Das solltest du wirklich untersuchen lassen.“, sagte Harry mit Grabesstimme. „Ich hoffe nur, dass das nicht ansteckend ist. Sonst müssen wir dich leider nach Slytherin verlegen.“

„Igitt“, kicherte Ron. „Im Kerker gibt´s bestimmt jede Menge Spinnen.“

„Von den Schlangen ganz zu schweigen.“, grinste Harry zurück. „Und was machen wir jetzt?“
 

Noch bevor Ron antworten konnte, schoss mit einem Mal Peeves, der Poltergeist von Hogwarts durch die Wand.

„POTTER“, krähte er in den höchsten Tönen, während er im Gemeinschaftsraum hin und her zischte. „WO IST POTTER?“

Entsetzt hielt Harry sich die Ohren zu. „ICH BIN HIER!“, brüllte er gegen das jaulende Gekreisch an. „Was willst du?“

Peeves brachte es tatsächlich fertig, mitten in der Luft zu salutieren, um dann in ohrenbetäubender Lautstärke zu verkünden: „Der Schüler Harry Potter hat sich unverzüglich in das Büro des ehrenwerten Professor Ernest Solomon zu begeben.“

Er blinzelte zu Harry herab und verzog das breite Gesicht zu einem noch breiteren Grinsen. „Und für alle Dumpfnasen, die es nicht verstanden haben: Das heißt jetzt gleich. Also Abmarsch, Bürschchen.“

Wütend durchbohrte Harry den Poltergeist mit seinem Blicken und wünschte sich gleichzeitig in das kleinste Mausloch von Hogwarts. Alle- aber auch wirklich alle- Schüler im Gemeinschaftsraum starrten Harry an. Nicht genug damit, es kamen auch noch diverse Schüler aus den umliegenden Schlafsälen, wohl um zu sehen, was der Radau zu bedeuten hatte. Anstatt ihnen jedoch den Gefallen zu tun, auch noch auszurasten, stand Harry ganz langsam auf.
 

„Du entschuldigst mich.“, sagte Harry zu Ron und bemühte sich krampfhaft, sein Zittern nicht in seiner Stimme sichtbar werden zu lassen. „Ich geh mal lieber, bevor mir Peeves den ganzen Tag auf den Wecker fällt.“

„So ist es brav.“, lobte Peeves und machte sich daran, Harry zu eskortieren. Der kletterte noch durch das Portraitloch und wartete, bis es sich ganz geschlossen hatte, dann drehte er sich zu Peeves um.

„Verschwinde, Peeves.“, herrschte Harry den Poltergeist an.

„Fällt mir gar nicht ein.“, gab Peeves feixend zurück. „Ich lasse mir nicht nachsagen, ich hätte meine Befehle nicht ordnungsgemäß ausgeführt.“

„Befehle?“, hakte Harry nach. „Von wem?“

„Na von wem wohl.“, quäkte Peeves und drehte Harry eine lange Nase. „Ich hätte nicht gedacht, dass der allmächtige Potter so langsam ist. Zu wem soll ich dich denn bringen, häh?“

„Zu Solomon.“, antwortete Harry düster und ließ Peeves einfach links liegen, während er sich auf den Weg zu Solomons Büro machte.Der Poltergeist schien jedoch nicht im Geringsten daran zu denken, sich die einmalige Chance entgehen zu lassen und erzählte jedem, der es hören wollte- oder besser gesagt, jedem, den sie begegneten - wohin er und Harry unterwegs waren. Harry ballte die Fäuste und versuchte, ganz ruhig zu bleiben. Er würde seine Konzentration gleich brauchen, wenn er bei Solomon war.

Als sie den Bereich der Einganshalle passierten, fiel Harry Blick auf eine Gruppe von Mädchen, die dicht neben dem Eingang zur Großen Halle wild durcheinander redeten und lachten. Zwischen ihnen erkannte Harry Cho Changs schwarzen Haarschopf. Schnell versuchte Harry, den Kopf wegzudrehen, um nicht irgendwie ihren Blick in seine Richtung zu lenken, doch es war bereits zu spät; sie hatte ihn entdeckt. Als hätte das nicht gereicht, fing nun auch noch Peeves an, die wunderbare Neuigkeit von Harrys neuesten Schandtaten quer durch die Halle zu brüllen. Harry sah, wie sich Cho Chang erst nach Peeves umdrehte und dann wieder zu Harry sah.

Was Peeves erzählte, war zwar völlig an den Haaren herbeigezogen, doch Harry konnte sich ausmalen, wem man bei dieser Sache mehr glauben würde. Er hatte die Reaktionen auf Peeves Geschrei durchaus bemerkt. Die Gruppe der Mädchen hatte angefangen, auf Cho einzureden und diese schien sich gerade heftig davon zu distanzieren, jemals irgendetwas mit Harry zu tun gehabt zu haben. Ihre Gesten und der Gesichtsausdruck sprach eine nur zu deutliche Sprache.

Enttäuscht wandte Harry sich ab und setzte seinen Weg zu Solomons Büro fort. Er kümmerte sich nicht mehr um Peeves Geschrei oder um die schadenfrohen Blicke. Sollten sie doch lachen. Sollten sie doch gucken. Ihm war das egal. Zumindest versuchte er krampfhaft sich einzureden, dass es so war. Wenn man die Zähne zusammenbiss und die Fäuste ballte, tat alles nur noch halb so weh. Schmerz mit Schmerz zu bekämpfen war leicht.
 

An Solomons Tür angekommen klopfte Harry und wartete gar nicht ab, dass er hereingerufen wurde. Solomon saß an seinem Schreibtisch; diverse Bücher lagen geöffnet vor ihm und er schien sehr beschäftigt zu sein. Als Harry die Tür ins Schloss fallen ließ, sah er auf und runzelte die Stirn. „So weit ich weiß, ist es üblich auf Antwort zu warten, bevor man einen Raum betritt. Aber mit diesem Prinzip scheinen Sie ja ohnehin einige Schwierigkeiten zu haben.“

Harry bemühte sich nicht, schuldbewusst dreinzusehen. Wenn Ron sagte, sie hätten ihn vor dem Büro gefunden, so bestand kein Grund für Solomon anzunehmen, dass er sich zu irgendeinem Zeitpunkt darin befunden hatte. Solomon hatte keinen Beweis. Also antwortete er nicht, sondern blickte schräg an Solomon vorbei gegen die Wand.

Der Lehrer lehnte sich zurück und bot Harry mit einer einladenden Geste den zweiten Stuhl vor dem Schreibtisch an. Steif setzte Harry sich darauf und wartete ab. Diese Reaktion von Solomon gefiel ihm nicht. Er beschloss einfach dabei zu bleiben, dass er nie im Büro gewesen war.

„Mister Potter“, begann Solomon ruhig. „Wie ich feststelle, scheinen Sie sich in meinem Büro ja schon fast wie zu hause zu fühlen. Ich muss Ihnen wirklich gratulieren. Die Leistung, hier einzudringen, noch dazu fast ohne verräterische Spuren zu hinterlassen und einen Zauber von nicht unerheblich Größe zumindest einmal zu brechen… da kann ich nur sagen: Hut ab! Möchten Sie mir vielleicht verraten, wie Sie das geschafft haben?“

„Ich war nicht in Ihrem Büro, Sir.“, versetzte Harry störrisch und begann, seine Schuhspitzen zu betrachten. „Wie Sie wissen, fand man mich vor ihrem Büro. Wie sollte ich denn sonst dort hingekommen sein?“

„Weil ich Sie dort platzierte, bevor ich jemanden zur Hilfe rief?“, bot Solomon an.

Harry fuhr hoch und starrte Solomon an. „Das haben Sie gemacht? Warum?“

Solomons Mundwinkel zuckten „Ich sagte nicht, dass ich es tat. Ich fragte lediglich, ob das eine Möglichkeit wäre. Also geben Sie zu, tatsächlich ohne meine Erlaubnis in diesem Raum gewesen zu sein.“

Harry sprang auf „Gar nichts gebe ich zu.“, empörte er sich. „Sie drehen einem das Wort solange im Mund herum, bis man sagt, was Sie hören wollen.“

„Merkwürdig.“, sinnierte Solomon. „Diesen Vorwurf höre ich öfter. Semantik ist eine vielfach unterschätzte Wissenschaft, wenngleich sie unglaublich faszinierend ist. Trotz allem ist das kein Grund ihr Gemüt so zu erregen, Mister Potter. Also setzten Sie sich wieder.“

Harry kochte innerlich. Glaubte Solomon denn, er sei blöd? Offensichtlich wusste der Lehrer alles und spielte jetzt irgendwelche Spielchen mit ihm. Genau wie Dumbledore es immer getan hatte. Dummerweise fiel ihm überhaupt nichts ein, was er auf diese Tatsache erwidern konnte. Er war überführt und konnte eigentlich nur seine Strafe abwarten. Es war einfach nicht fair. Trotzdem setzte er sich gehorsam wieder auf seinen Stuhl und starrte finster auf den Fußboden.

„Ich muss ihnen wirklich dazu gratulieren.“, unterbrach Solomon Harrys Gedanken.

„Was?“, war alles, was Harry dazu einfiel. Worauf wollte Solomon hinaus?

„Nun ja, ich dachte mir auch ohne ihre Bestätigung, dass Sie sich bereits zu einem früheren Zeitpunk in meinem Büro befanden. Obwohl ich zugeben muss, dass meine Fähigkeit so etwa wahrzunehmen stark abgenommen hat. Sie waren wirklich gut.“

„Ich… danke.“, stammelte Harry und konnte immer noch nicht glauben, was hier passierte. Solomon schien weder besonders wütend zu sein, noch schien er Harry für sein unbefugtes Eindringen bestrafen zu wollen. Trotzdem traute Harry dem Frieden nicht.

„Hatten Sie einen angenehmen Weg hierher?“, fragte Solomon unvermittelt.

Harry versuchte die Erinnerungen zu ignorieren, die bei diesem Satz unwillkürlich in ihm aufstiegen. Die Blicke, das Getuschel, die Schadenfreude in den Gesichtern seiner Mitschüler. Am liebsten hätte er all das einfach mit einem Zauber fortgewischt.

„Wie ich an ihrem Gesichtausdruck sehe, haben Sie meine Lektion zumindest erhalten.“, stellte Solomon befriedigt fest. „Ich hoffe, dass Sie sie auch verstanden haben, Mister Potter. Ich wünsche nicht, dass irgendwelche Informationen, die am gestrigen Tag in diesem Zimmer erhalten haben nach außen dringen. Habe ich mich da verständlich ausgedrückt?“
 

Harry schwieg. Er wusste nicht, was Solomon jetzt hören wollte. Sollte er sich entschuldigen? Sagen, dass er nichts verraten würde? Die einfachste Möglichkeit wäre jetzt wahrscheinlich gewesen zu nicken und zu hoffen, dass Solomon die Sache auf sich beruhen ließ. Aber würde er so leicht damit durchkommen? Harry beschloss es auf einen Versuch ankommen zu lassen, nickte und versuchte ein möglichst zerknirschtes Gesicht zu machen. Dabei vermied er es jedoch Solomon in die Augen zu sehen, denn er war sich nicht sicher, wie gut er seine wahren Gedanken verbergen konnte.

Der Lehrer stand schließlich auf und begann angespannt in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen; wortlos, als würde er immer noch auf eine Antwort von Harry warten. Schließlich seufzte er:

„Ich sehe schon, dass wir so nicht weiterkommen, Mister Potter. Ich hatte eigentlich gehofft, wir könnten eine etwas bessere Basis für eine Zusammenarbeit schaffen. Doch dazu gehört auch, dass ich mich auf ihr Wort verlassen kann. Ich hab nämlich Besseres zu tun, als Ihnen den ganzen Tag hinterherzulaufen und ihr Kindermädchen zu spielen.“

„Darum hat sie auch niemand gebeten.“, fauchte Harry ärgerlich. Er bemerkte seinen falschen Ton, doch er konnte es einfach nicht verhindern.

„Trotz allem“, fuhr Solomon ungerührt fort, „scheinen Sie sich des Ernstes der Situation nicht klar zu werden. Da draußen herrscht Krieg, Mister Potter, und wenn mich nicht alles täuscht haben Sie keine unwichtige Rolle darin. Also reißen Sie sich gefälligst zusammen und unterlassen Sie in Zukunft solche Kindereien. Wir haben nicht die Zeit Verstecken zu spielen oder persönliche Differenzen auszutragen. Alles was ich von Ihnen verlange, ist Fleiß und ein Mindestmaß an Vertrauen in meine Person und das, was ich Ihnen beizubringen versuche. Falls sie mit einem davon ein Problem haben, sagen Sie es gleich, damit wir es hinter uns haben und dann zur Tagesordnung übergehen können.“
 

Ungläubig starrte Harry den Lehrer an. Solomon konnte das, was er gerade gesagt hatte unmöglich ernst meinen. Erwartete er tatsächlich, dass Harry auf einen so billigen Trick zweimal reinfiel? Harry hatte nicht vergessen, dass dieser merkwürdige Spiegel im Gemeinschaftsraum der Gryffindors hing, dass Solomon alles andere als ehrlich war, was seine magischen Kräfte anging und dass er allem voran ein Lehrer war, den Professor Dumbledore wohl in erster Linie wegen Harry hierher beordert hatte. Und jetzt erwartete Solomon tatsächlich, dass Harry ihm glaubte und ihm vertraute? Kurz nachdem er gerade erst bewiesen hatte, dass Solomon sogar Sachen herausfand, ohne ihn tatsächlich danach zu fragen? Harry hätte Solomon am liebsten unmissverständlich klar gemacht, was er davon hielt, doch er war so wütend, dass er noch nicht einmal dazu in der Lage war. Das Einzige, das seine innere Anspannung ungewollt nach außen dringen ließ war ein leichtes Zittern, das er beim besten Willen nicht unterdrücken konnte. So presste er die Kiefer fest aufeinander, bis das rote Leuchten des Schmerzes den Rest seiner Gefühle übertönte, und schwieg. Knapp am Rande seiner Wahrnehmung fühlte er die vertraute, fast beruhigende Präsenz von Sirius. Also war sein Pate doch zu ihm zurückgekehrt.

Harry fühlte, wie sich zwei Hände auf seine Schultern legten und ihn mit sanfter Gewalt herumdrehten. Erschrocken, fuhr er hoch, fiel im Aufstehen fast über seinen Stuhl und stolperte ungeschickt ein paar Schritte rückwärts, bis er sich wieder fing. Aufgewühlt starrte er Solomon direkt ins Gesicht und sah, dass dieser offensichtlich ebenso erschrocken war wie Harry selber. Ein Ausdruck von Mitleid und ganz offensichtlich falschem Verständnis erschien jetzt auf Solomons Gesicht, der Harrys Wut jedoch nur noch schürte und ihm gleichzeitig fast die Tränen in die Augen trieb. Warum durfte er denn nicht endlich gehen? Insgeheim wünschte Harry sich, dass Sirius endlich etwas tun würde, um dieser ganzen Sache hier ein Ende zu bereiten. Alles war besser, als sich jetzt noch weiter mit diesem verlogenen, alten Mann unterhalten zu müssen, der Verständnis und Wissen heuchelte, dass er überhaupt nicht besitzen konnte .
 

Endlich gab Solomon auf. Der Lehrer senkte den Blick, schüttelte fast unmerklich den Kopf und öffnete eine Schublade in seinem Schreibtisch.

„Ich habe Ihnen noch ein weiteres Buch mitgebracht, das Sie vielleicht interessieren dürfte. Lesen sie es oder lassen Sie es. Wobei es mir natürlich lieber wäre, Sie würden es lesen. Aber ich mache Ihnen diesbezüglich keine Vorschriften. Wenn Sie meinen, ihre Grenzen austesten zu müssen, dann tun Sie das mit jemand anderem.“

Er legte das Buch auf die Kante seines Schreibtisches, so dass Harry den Titel erkennen konnte: ´Die Macht der Stille´ von Timothy Tornwand. Danach setzte Solomon sich wieder und begann, an seinen Aufzeichnungen weiterzuarbeiten.

Harry wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Anscheinend hatte Solomon ihn zusammen mit der Übergabe des Buches entlassen. Das lag jetzt auf der Tischkante und wartete darauf, dass Harry endlich die Hand ausstreckte, es nahm und dann zusah, dass er von hier verschwand. Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache. Einen Moment lang suchte Harry vergeblich nach Worten, einer Art Entschuldigung oder Rechtfertigung, sein Kopf war wie leergefegt von allen Gedanken. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch griff er schließlich nach dem Buch und wandte sich zum Gehen. Hinter seinem Rücken vernahm er ein leises Geräusch, das er nicht einzuordnen wusste. So blieb er auf der Türschwelle stehen, überlegte kurz und sah sich dann noch einmal um.

Solomon hatte seine Handschuhe ausgezogen, schickte Harry noch einen eigenartigen Blick und wendete sich wieder seiner Arbeit zu. Harrys Blick blieb an Solomons nur so über das Papier fliegenden Händen hängen, die das Pergament mit einer engen, leicht schräg gestellten Handschrift versahen. Sie waren von unzähligen dunkelroten Narben überzogen, zwischen denen immer wieder Stellen helleren, fast weißen Gewebes zu sehen waren. Was immer diese Narben verursacht hatte, hatte die gesamten Hände zu klauenähnlichen Gebilden entstellt, die Harry auf perfide Weise an Voldemorts Hände erinnerten.

Solomon ließ auf keine Weise erkennen, dass er Harrys Gegenwart noch Beachtung schenkte. Umso erstaunter war Harry, als der Lehrer kurz in seinem Schreibfluss innehielt und scheinbar an Harry gewandt sagte: „Narben sind etwas, dass die Erinnerung in uns wach hält. Aber nicht nur in uns, sondern auch in allen anderen.“ Danach schrieb er ungerührt weiter und kümmerte sich nicht mehr um Harry.

Der stand wie vom Donner gerührt in der Tür. Ihm war klar, dass Solomon nicht nur von seiner eigenen, sondern auch von Harrys Narbe gesprochen haben musste; diesem verhassten Zeichen, dass ihn quasi zu einem lebenden Mahnmal machte. Hatte er nicht im letzten Jahr erlebt, wie die Leute reagierten, als er sagte, Voldemort würde noch leben? Niemand hatte es hören wollen, denn es war ja so viel einfacher die Augen zu verschließen. Aber vor der Narbe, die da so prominent auf seiner Stirn prangte, war das nicht möglich.
 

Harry hatte mit einem Mal den Eindruck, keine Luft mehr zu bekommen. Er musste raus hier, sich bewegen und irgendwie diese komische Gefühl in seinem Magen loswerden, dass ihn wie einen Stein ihn die Tiefe zu ziehen versuchte. Mit einem Ruck drehte er sich um und rannte, als wäre Peeves immer noch hinter ihm her. Er achtete nicht darauf, was um ihn herum passierte, ignorierte einige Rufe, die sich verdächtig nach seinem Namen anhörten und stob schließlich auf den Schlossgrund hinaus. Er rannte, bis er so heftige Seitenstiche bekam, dass sich einfach ins Gras fallen ließ, auf den Rücken rollte und schwer atmend den grauen Septemberhimmel betrachtete.

Wie es wohl wäre, einfach so liegen zu bleiben, bis man irgendwann nach ihm suchte. Aber würde überhaupt jemand nach ihm suchen? Wahrscheinlich, denn er konnte nicht hoffen, dass es nicht auffiel, wenn er nicht zum Abendessen erschien. Aber eigentlich war ihm auch gar nicht danach, sich zu verstecken. Er hätte am liebsten allen ins Gesicht geschrieen, wie sehr ihn das doch alles ankotzte. Dass er eben kein strahlender Held war, der sie im Handumdrehen von allen Übeln – vornehmlich von Voldemort – befreien konnte, dass er selbst sich das nicht ausgesucht hatte und das sie verdammt noch mal keine Ahnung hatten, wie es war mit so einer Narbe auf der Stirn herumzurennen und sich vorzukommen wie ein Ausstellungsstück in einem Glaskasten.

Harry schloss die Augen. Sirius hätte das verstanden. Er war selber nach seinem Ausbruch aus Askaban verfolgt worden und wäre es wahrscheinlich immer noch, weil niemand sich die Mühe gemacht hatte, die Geschichte von damals richtig zu stellen. Sirius hätte gewusst, wie es war, nicht einmal seine Nasenspitze irgendwo sehen lassen zu können, ohne dass die Leute mit dem Finger auf einen zeigten und anfingen zu tuscheln. Instinktiv fing Harry an, nach Sirius zu suchen und seinen Geist für die Präsenz seines Paten zu öffnen.
 

Wie lange er am Ende aus dem schon leicht feuchten Rasen gelegen hatte, wusste Harry nicht. Irgendwie kam es ihm so vor, als wäre er zwischendurch sogar eingenickt; mit Bestimmtheit konnte er das allerdings nicht sagen. Was er allerdings wusste, war, dass Sirius wieder gekommen war. Die Sicherheit, die durch seine reine Anwesenheit erzeugt wurde, war wieder da und Harry war jetzt bereit, sich wieder dem zu stellen, was ihn mit ziemlicher Sicherheit erwartete: ein Abendessen mit unzähligen nichts ahnenden Hogwartsschülern, die sich keine Vorstellung von dem machen konnte, was die ganzen Sachen wirklich bedeuteten, die Hermine wieder aus der Abendausgabe des Tagespropheten vorlesen würde, und danach seiner Begegnung mit Malfoy.

Während des Essens gab Harry sich unbeteiligt, lachte pflichtbewusst, wenn alle anderen lachten, und hielt sich ansonsten aus allen Gesprächen raus. Selbst Ron gab es irgendwann auf, mit Harry reden zu wollen und murmelte nur etwas von „Viel Glück!“, als Harry schließlich aufstand, um sich zu seinem Nachsitzen in den Kerker zu begeben.
 

Malfoy war bereits anwesend und deutete mit einem schadenfrohen Grinsen auf einen großen Haufen Fische, mit auffallenden, rot-gelb-gestreiften Flossen.

„Du weißt ja, was du zu tun hast, Potter.“, schnarrte Malfoy. „Und wenn du damit fertig bist, kannst du dich schon mal auf zwei Eimer Froschaugen freuen, die ich extra für dich aufgehoben habe.“

„Zu freundlich“, knurrte Harry, schnappte sich ein scharfes Messer und fing an, die Fische auszunehmen. Dabei musste er aufpassen, nicht die mit einer brennenden Flüssigkeit gefüllte Vorratsblase im Inneren der Fische zu verletzen. Das Schwierigste daran war nämlich, die Blase intakt zu ernten, da das Feuerflossenöl an der Luft sehr schnell seine Wirksamkeit verlor. Aber schon beim zweiten Fisch rutschte Harry mit dem Messer ab und das ätzende Gift spritzte haarscharf an seinem Gesicht vorbei. Blitzschnell zog Harry den Kopf ein und fluchte leise.

„Na, Schwierigkeiten?“, hörte Harry Malfoy schadenfroh hinter sich fragen.

„Nein, alles bestens.“, antwortete Harry mit unterdrückter Wut in der Stimme, wischte die verspritzte Flüssigkeit vom Boden auf – sie hatte inzwischen ihre brennende Wirkung verloren- und setzte seine alles andere als angenehme Arbeit schweigend fort. Bevor er hierher gekommen war, war ihm sein Plan, Malfoy für die Übersetzung einzuspannen noch kinderleicht erschienen. Jetzt jedoch fand er einfach keinen Ansatzpunkt, um das Thema aufzugreifen, zumal er ja Ron versprochen hatte, den Slytherin zuerst zu fragen, ob er ihm half. Nicht, dass Harry sich wirklich Erfolgchancen dabei ausrechnete, aber schließlich konnte er Malfoy nicht bis an den Rest des Schuljahres von Sirius unter Kontrolle halten lassen. Zwar spürte Harrym dass sein Paten irgendwo am Rande seines Bewusstseins auf eine Bitte um Unterstützung wartete, doch eigentlich wäre es Harry lieber gewesen, wenn ihm etwas Anderes eingefallen wäre.

„Und, Potter?“, unterbrach Malfoy entnervende Stimme erneut Harrys Gedanken, „in der letzten Zeit mal wieder einen Dementor gesehen? Ich hab gehört, dass sie die jetzt auch gegen die Muggel loslassen wollen.“

Harry war zuerst wie erstarrt, als hätte tatsächlich eines dieser Monster den Raum betreten, dann ergriff eine seltsame Ruhe von ihm Besitz. Er erkannte plötzlich, dass Malfoy es lediglich darauf anlegte, ihn zu provozieren; wahrscheinlich um ihm noch weitere Strafarbeiten auszuhalsen.

„Ich glaube nicht, dass du davon tatsächlich etwas gehört hast.“, schoss Harry eine Vermutung ab und drehte sich gleichzeitig zu dem blonden Slytherin herum. „Voldemort wäre nicht so dumm, ausgerechnet einem Sechstklässler seine streng geheimen Pläne zu verraten, selbst wenn er den Namen Malfoy trägt. Also spiel dich nicht so auf.“

Malfoy war bei der Nennung Voldemorts zusammengezuckt und funkelte Harry nun streitlustig an. Wie der dabei feststellte, konnte man Malfoy tatsächlich als ziemlich farblos bezeichnen, wenn man mal von den leichten Augenringen absah, die sein spitzes Gesicht neuerdings zierten. Offensichtlich hatte er mit seiner Behauptung einen wunden Punkt bei seinem Gegenüber gefunden.

„Du wirst schon sehen“, zischte Malfoy und kam dabei hinter dem Lehrerpult hervor, blieb jedoch in respektvollem Abstand zu Harry stehen. „Der Dunkle Lord wird siegen und du wirst einer der Ersten sein, die er zerquetschen wird.“
 

Einen Moment lang fragte sich Harry, ob Malfoy tatsächlich an den Blödsinn glaubte, den er ständig von sich gab, doch dann kam er zu dem Schluss, dass der Slytherin wahrscheinlich nur nachplapperte, was sein Vater ihm immer eingetrichtert hatte. Was Harry wiederum auf eine Idee brachte…

„Was sagt eigentlich deine Mutter dazu?“, fragte Harry in höflichem Plauderton und wendete sich scheinbar gleichgültig wieder seinen Fischen zu.

„Das geht dich gar nichts an.“, rief Malfoy aufgebracht. „Lass gefälligst meine Mutter aus dem Spiel.“

„Naja“, meinte Harry, „immerhin bist du noch hier, während alle deine feinen Freunde sich aus dem Staub gemacht haben. Ist doch irgendwie komisch, oder?“

Malfoys einzige Antwort bestand aus einem wütenden Schnauben; zu mehr war er anscheinend nicht mehr in der Lage. Harry nutzte die Gelegenheit um weiterzusprechen.

„Wie sind eigentlich deine Noten in Alte Runen, Malfoy?“

„Gut.“, antwortete der Slytherin automatisch und schob argwöhnisch nach: „Warum willst du das auf einmal wissen?“

Harry atmete noch einmal tief durch, dann setzte er alles auf eine Karte und wandte sich wieder zu Malfoy um. „Ich brauche eine Übersetzung und du wirst mir dabei helfen.“ In Anbetracht der Tatsache, dass er mir Malfoy sprach, erschien ihm das freundlich genug.

Der blonde Junge musterte Harry misstrauisch, schien aber gleichzeitig zu neugierig zu sein, um nicht auf Harry zu reagieren.

„Ich wüsste nicht, wie ich dazu käme, ausgerechnet dir zu helfen, Potter.“, spie er Harry schließlich vor die Füße. „Außerdem hast du doch dein ach-so-geliebtes Schlammblut Granger. Warum fragst du die nicht?“

Harry wurde ein wenig unruhig. Malfoy hatte dummerweise sofort den einzigen Schwachpunkt in seiner Argumentation entdeckt und Harry hatte nicht die geringste Lust, dieses Thema ausgerechnet mit ihm zu diskutieren. So überging er den Einwand einfach und ließ ausnahmsweise sogar das verhasste „Schlammblut“ durchgehen. Er wollte Malfoy für diese Übersetzung und jetzt war es zu spät, um noch umzudrehen.

„Machst du es nun, oder nicht?“, fragte Harry ungeduldig.

Malfoy sah ihn immer noch ungläubig an und Harry konnte förmlich sehen, wie es hinter es seiner Stirn arbeitete. Innerlich bereitete sich Harry darauf vor, dass der Slytherin sich strikt weigern würde, seiner Bitte nachzukommen, als Malfoy ihn erneut überraschte.

„Was bietest du mir dafür?“, fragte der Slytherin mit einem tückischen Glitzern in den Augen.

„Bieten?“, fragte Harry verblüfft nach. Er hatte mit einer Menge gerechtet, aber nicht damit, dass sich der Slytherin tatsächlich so ohne jede Gegenwehr auf einen Handel einlassen würde. Eine Seite von ihm war sogar ein bisschen enttäuscht darüber.

„Ja bieten. “, höhnte Malfoy. „Davon wirst du doch sicherlich schon einmal etwas gehört haben. Oder meist du vielleicht, so eine Übersetzung gibt es umsonst.“

„Du willst Geld ?“, fragte Harry ungläubig nach.

„Seh ich aus, wie dein Wieselfreund?“, lachte Malfoy gehässig, und nahm dann wieder einen geschäftsmäßigen Ton an. „Wenn ich etwas für dich tun soll, Potter, dann wirst du auch etwas für mich tun.“
 

Harry gefiel diese Wendung des Gesprächs nicht. Bis jetzt hatte er das Gefühl gehabt, dass alles relativ nach seinen Vorstellungen verlief, aber irgendwie schien sich das gerade zu ändern. Er durfte Malfoy nicht die Zügel in die Hand geben, sonst würde dieser Harrys Situation sicherlich schamlos ausnutzen. Als hätte Malfoy Harrys Gedanken gelesen, machte er noch eine kleine, gekünstelt wirkende Pause und verkündete dann hämisch grinsend:

„Ich will, dass du aus der Quidditch-Mannschaft ausscheidest.“
 

Hary hörte die Worte zwar, doch der Sinn dessen, was Malfoy da gerade verlangt hatte, tröpfelte nur langsam in sein Gehirn. Er wusste nicht, ob er jetzt Malfoy eine reinhauen sollte oder einfach laut loslachen, über dessen Dreistigkeit. Er entschied sich für das Letztere.

„Du musst den Verstand verloren haben, Malfoy.“, entgegnete Harry mit etwas Verspätung und schüttelte ungläubig den Kopf. „Irgendwas an deinem Abendessen scheint nicht in Ordnung gewesen zu sein. Ist dir klar, was du das verlangst?“

Malfoy schien mit Harrys Reaktion eher gerechnet zu haben, als es andersherum der Fall gewesen war, denn diesmal war er es, der sich genüsslich zurücklehnte und das spitze Kinn siegessicher vorschob.

„Wenn es dir nicht passt, Potter, lass es eben bleiben.“, grinste er. „Aber dann kannst du lange auf deine Übersetzung warten.“

Harry überlegt fieberhaft, was für Möglichkeiten ihm blieben. Er konnte jetzt einen Rückzieher machen, Sirius bitten, Malfoys Erinnerung zu verändern und dann nie wieder ein Wort darüber verlieren. Andererseits würde das heißen, dass er auf Hermine angewiesen war. Er konnte Malfoy auch zwingen; ihm so lange drohen, bis dieser letztendlich auch ohne Bedingungen tat, was Harry wollte. Diese Lösung barg allerdings das Risiko, dass der Slytherin Snape informierte oder dieser von sich aus etwas merkte. Und noch etwas hielt Harry zurück, sich Malfoys Hilfe so einfach zu entsagen. Ihm war die Idee gekommen, dass es vielleicht gar nicht schlecht war, über den Slytherin an dessen Mutter heranzukommen. Wenn Narzissa Malfoy tatsächlich so dankbar war, wie Dumbledore erzählt hatte, konnte Harry diese Dankbarkeit vielleicht ja auch für seine eigenen Zwecke nutzen. Dazu musste er Malfoy aber erst einmal in Sicherheit wiegen, damit dieser sich nicht bei Snape beschwerte oder sonstwie rumerzählte, worüber Harry mit ihm gesprochen hatte. Innerlich verfluchte er sich, dass er sich nicht im letzten Jahr informierte hatte, wie Hermine das Pergament für die DA verhext hatte. So musste er sich einfach darauf verlassen, dass der Slytherin die Wahrheit sagte, was ziemlich zweifelhaft war.
 

„Also gut.“, sagte er schließlich, um die unangenehme Stille zwischen sich und Malfoy endlich zu beenden. „Wir kommen ins Geschäft. Du übersetzt mir einen Text und ich spiele dieses Jahr kein Quidditch.“

Harry merkte selbst, dass er irgendwie keinen guten Handel damit abschloss, doch die Sache mit Sirius war einfach wichtiger als Quidditch. Um zumindest noch ein bisschen Boden gut zu machen, fügte er noch hinzu: „Aber du wirst dir dann das Buch selbst aus der Verbotenen Abteilung aus der Bibliothek besorgen.“

Malfoys Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Also hattest du doch vor, das Buch zu stehlen. Tz, ich denke, Dumbledore wäre nicht erfreut, das zu hören.“

„Deshalb wirst du es ihm ja auch nicht verraten.“, konterte Harry aggressiv. „Wenn irgendjemand von dieser Sache erfährt, kannst du dich auf das schlimmste Jahr in Hogwarts gefasst machen, dass du je hattest.“

„Gib dir keine Mühe, Potter.“, grollte Malfoy. „Ich denke, dass wir beide gut daran tun, nicht allzu viel Staub aufzuwirbeln. Also abgemacht?“

„Was hab ich als Sicherheit, dass du mich nicht hintergehst?“, wollte Harry misstrauisch wissen.

„Keine, außer meinem Wort.“, gab Malfoy zu. „Aber wenn es dich glücklich macht, können wir ja einen Vertrag aufsetzen.“
 

Einen Augenblick lang überlegte Harry noch, dann nickte er. Sicherlich hatte er lediglich Malfoys Wort- auf das er nicht einen Moment lang ernsthaft zählte-und doch war es gleichzeitig das Einzige, was ihm im Moment zur Verfügung stand. Für das Quidditch-Problem würde sich dann schon eine Lösung finden, wenn Sirius erst wieder da war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2005-05-03T17:45:07+00:00 03.05.2005 19:45
Hey,
na, also sag mal! Jetzt habe ich eh schon Schwrierigkeiten, mir die ganzen Namen und Begriffe zu merken, und du schreibst gleich so viel.

Egal, jedenfalls ist es erzähltechnisch wieder mal super gelungen, aber das war inzwischen kein Wunder mehr für mich.
Am besten mochte ich die Szene, in der Harry aus Solomons Büro läuft, so schön beschrieben, wirklich. In dem Moment hab ich mir gewünscht, dass jemand zu ihm kommt und ihn aus seiner Einsamkeit reißen würde...
*sniff* Irgendwie deprimierend, so viel "nicht sagen können" und "geheimhalten müssen" und dann noch die Zickereien des Draco Malfoy....

LG
RH
Von: abgemeldet
2005-05-03T17:44:41+00:00 03.05.2005 19:44
oh.my.GOD!!!
das hast du nicht wirklich gemacht???
...doch, hast du.*axt schleif und fies grins*
mal sehen wie's weitergeht!*teuflisch guck*

bsi bald,
mio
Von: abgemeldet
2005-05-03T11:41:21+00:00 03.05.2005 13:41
Ey cool, ich bin die Erste *stolz* *mega g*!!!!!

Also, was soll ich sagen, ausser, dass das Kap genial ist und der Handel zwischen Malfoy und Harry doch nicht so gut ist....
Ich vermute mal, das es doch irgendwo einen ziemlich grossen Haken haben wird, oder????? ôO
Nun, wie dem auch sei, ich bin schon mal gespannt ob das alles gut gehen wird^^! Schreib ja schnell weiter!!!!!!!!!!!!

Ciao
Itako

Ps: Danke für die ENS!!!!!!! Hoffe auch das nächste mal auf eine *zwinker*


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