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Seelenschatten

wenn das Dunkel sich erhebt
von

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Ginny und Grawp

Boulevard Of Broken Dreams (Green Day)
 

I'm walkin down the line

That divides me somewhere in my mind

On the border line

Of the edge and where I walk alone
 

My shadow's only one that walks beside me

My shallow heart's the only thing that's beating

Sometimes I wish someone out there will find me

Til then I walk alone
 


 

Ginny und Grawp
 

Das böse Erwachen ereilte Harry bereits beim Frühstück am nächsten Tag, als Ron ihn ungewohnt resolut von seinen Cornflakes wegzerrte und ihn und seinen Besen in Richtung des Quidditchfeldes schleifte. Während Ron versuchte, tausendunddreizehn Ideen auf einmal in Harrys Kopf zu pressen, wie man dieses Jahr todsicher den Hauspokal gewinnen konnte, hatte Harry ganz andere Sorgen. Er hatte sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, was Ron wohl zu seinem Ausscheiden aus der Gryffindor-Mannschaft sagen würde. Ganz zu schweigen von dem Rest der Mannschaft, die die zwei Nachzügler schon auf dem Feld erwartete.
 

„Schön, dass ihr auch endlich kommt.“, begrüßte Angelina Ron und Harry und packte tatendurstig ihren Besen. „Sollen wir? Denn auch wenn Slytherin dieses Jahr wahrscheinlich echt abstinken wird, haben wir immer noch die anderen beiden zwischen uns und dem Pokal. Also los, keine Müdigkeit vorschützen. Zum Aufwärmen fangen wir mit Staffelfliegen an.“

Nicht ohne protestierendes Gemurmel machte sich die Mannschaft an die Arbeit. Während Angelina und Katie einige der Schulbesen so verhexten, dass sie beim Slalomfliegen als Hindernis dienen konnten, und Jack und Andrew sich über die neuesten Besenmodelle und besonders deren Preise austauschten, kam das letzte Mitglied der Mannschaft zu Harry und Ron herübermarschiert. Monika war ein stämmiges Mädchen, hatte ungefähr Harrys Größe und ihre braunen Haare zu zwei Pferdeschwänzen gebunden.

„Hi Ron.“, grinste sie. „Du schuldest mir zehn Sickel. Die Bats haben die Cannons vernichtend geschlagen. Wieder mal!“

„Ja, ja“, grummelte Ron. „Reite nur weiter darauf herum. Aber diesmal hab ich wirklich gedacht, sie schaffen es.“

„Hätten sie vielleicht auch.“, gab Monika bereitwillig zu. „Aber dazu hätte sich Gudgeon nicht so leichfertig täuschen lassen sollen. Die Finte war so was von leicht zu durchschauen. Naja, Sucher eben…“

Monika rollte mit den Augen und lachte, während Ron begann irgendwo in den Tiefen seiner Taschen nach Geld zu suchen. Erst jetzt schien das Mädchen bemerkt zu haben, dass auch Harry neben Ron stand.

„Oh, hi!“, lächelte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich bin Monika. Das mit dem Sucher war natürlich nichts gegen dich. Gryffindor hatte seit Jahren keinen besseren Sucher.“

„Klar.“, brummte Harry etwas angesäuert und ignorierte ihre Hand einfach. Stattdessen griff er nach seinem Besen. „Ich werd mal gucken, ob deiner Schwester und Angelina helfen kann.“

„Ähm, Harry“, hielt Rons Stimme ihn zurück. „Kannst du mir vielleicht ein bisschen was leihen. Ich hab nur noch 2 Sickel und ein paar Gequetschte finden können.“

„Ach lass mal stecken.“, meinte Monika großmütig und grinste schon wieder. „Ich erlaube dir, mich als Gegenleistung beim nächsten Hogsmeade-Wochenende auf ein Butterbier einzuladen. Vorausgesetzt, deine Freunde haben nichts dagegen, wenn du eine Viertklässlerin mitnimmst.“
 

Bei diesen Worten schaute sie flüchtig zu Harry hinüber, der sich immer noch nicht sicher war, wie er dieses neue Team-Mitglied fand, und klebte ihren Blick dann förmlich wieder an Ron. Der hatte inzwischen verdächtig rosafarbende Ohren bekommen und murmelte irgendetwas Unverständliches über „Wettschulden“ und „Ehre“, das Monika aber offensichtlich vorzog zu überhören. Sie strahlte Ron unermüdlich an, so dass sich die Röte von seinen Ohren langsam auch anfing auf sein Gesicht auszubreiten. Schließlich nickte er nur stumm, drehte sich abrupt um und bestieg so eilig seinen Besen, dass er sich fast mit seinem Umhang darin verhedderte und am Ende leicht schlingernd vom Boden abhob.
 

Das Training war nicht besonders aufregend. Bis darauf, dass Harry diese Monika immer weniger leiden konnte, weil sie erstens ständig um Ron herumschwirrte und zweitens immerzu neue, kluge Ratschläge hatte, konnte man nicht davon reden, dass sich zum letzten Jahr viel geändert hatte. Geändert hatte sich leider auch nicht die absolut schlechte Leistung der beiden Treiber, so dass Angelina Jack und Andrew immer wieder ermahnen musste, sich doch endlich einmal zusammenzureißen und auch die nervtötenden Zwischenrufe von Monika machten die beiden nicht besser. Irgendwann landete Ron frustriert neben Harry, der sich gerade eine kurze Pause gönnte, und schmiss sich neben ihm ins Gras.
 

„Die lernen´s nie.“, grunzte er und beobachtete die recht erfolglosen Versuche der Treiber, die beiden Klatscher gleichzeitig zwischen sich hin und her zu schlagen, ohne dabei sich oder andere zu verletzten oder gar vom Besen zu fallen. „Ich fürchte, wir müssen die Mannschafts-Aufstellung doch noch ändern. Ich meine, ich bin zwar auch nicht so gut, aber immerhin irgendwie noch besser als unterirdisch.“

Harry grinste, als er sich an Rons erste Versuche auf dem Quidditchfeld erinnerte. Inzwischen hatte er sich allerdings wirklich gemacht; wahrscheinlich hatte er in den Ferien noch weiter trainiert. Aber Rons Bedenken erinnerten Harry daran, was er an schlechten Neuigkeiten noch zu dieser ganzen Sache beizutragen hatte.

„Vielleicht sollten wir wirklich noch mal nach neuen Spielern suchen.“, wandte er leise ein. „Kann ja schließlich immer mal sein, dass jemand ausfällt.“

„Na, solange du es nicht bist, können wir immer noch gewinnen.“, grinste Ron und erhob sich, um mit den drei Jägerinnen weiter an Angriff und Abwehr zu arbeiten.

Harry beobachtete die vier eine Weile, bis er die auffordernden Blicke von Angelina und die spöttischen Bemerkungen über Sucher von Monika satt hatte und sich die Kiste mit den Bällen schnappte. Entschlossen rupfte er den Schnatz aus seiner Halterung und warf ihn hoch in die Luft. Mit einem gemurmelten „Accio!“, rief er seinen Feuerblitz zu sich und schwang sich in die Luft. Das war vielleicht das Einzige, das er vermissen würde. Dieses Gefühl, wenn einen der Besen hoch in die Luft trug und sich dann auf die Suche zu begeben, nach dieser kleinen Goldkugel, die schließlich das ganze Spiel entscheiden konnte. Sicherlich konnte er immer noch Quidditch spielen, aber das vor einer ganzen Schar gespannter Zuschauer zu tun, die jede seiner Bewegungen verfolgten und mitfieberten… das war schon etwas Anderes.
 

Harry beschloss, dieses Gefühl noch ein bisschen weiter auszukosten und flog erst einige der einfacheren Manöver, bis ihn schließlich der Übermut packte und er noch eine Art Wronski-Bluff versuchen musste. Er schraubte sich noch ein wenig höher in die Luft und ließ den Besen dann blitzschnell absacken. Als er kurz über dem Erdboden abbremste und wieder in die Höhe schoss, drang ein bewundernder Ruf an sein Ohr. Suchend drehte er sich zu den anderen Spielern um und sah, dass Andrew den rechten Daumen in die Luft streckte. Harry grinste und erwiderte seine Geste.
 

„Hey, Andrew.“, schallte plötzlich Monikas Stimme über den Platz. „Bevor du unserem Künstler weiter mit offenem Mund zusiehst, solltest du vielleicht mal auf den Klatscher hinter dir achten. Ich glaube kaum, dass man den auch mit dem Mund fangen kann.“

Alarmiert wendete Andrew seinen Besen, wich mit Mühe dem Klatscher aus, flog dabei fast gegen Katie und knallte den Klatscher letztendlich mit dem Mut der Verzweiflung in Harrys Richtung. Harry sah den Klatscher auf sich zukommen, doch er bewegte sich nicht. Stattdessen überlegte er, wie wohl seine Chancen standen, einen Unfall so zu inszenieren, dass er zwar glaubhaft nicht mehr Quidditch spielen konnte, und trotzdem noch normal am Unterricht teilnehmen konnte. Erst im letzten Moment sah er ein, dass ihm das wahrscheinlich nicht gelingen würde, und wich dem Klatscher so haarscharf aus, dass er den kalten Luftzug in seinem Gesicht spüren konnte. Kurz darauf preschte ein sich wortreich entschuldigender Andrew hinter dem Klatscher her, um diesen dann mit einem diesmal sehr viel besser gezielten Schlag in Jacks Richtung zu schlagen.
 

„Ist schon gut.“, murmelte Harry und wollte sich wieder der Suche nach dem Schnatz widmen. Doch er kam nicht weit, denn eine wutschnaubende Angelina baute sich vor ihm auf, flankiert von einem etwas blassen Ron und einer feixenden Monika.

„Sag mal spinnst du?“, brüllte Angelina Harry an. „Wenn du träumen willst, dann mach das gefälligst unten auf dem Fußboden, und nicht wenn ein Klatscher auf dich zurast.“

„Ist doch gar nicht passiert.“, rechtfertigte Harry sich und sah Ron auffordernd an, damit dieser ihm Schützenhilfe gab. Doch Ron betrachtete ziemlich interessiert seinen Besenstiel und sagte gar nichts.

„Wisst ihr was?“, schrie nun auch Harry. „Mir reicht´s für heute. Ich seh zu, dass ich den Schnatz kriege und dann bin ich weg. Vielleicht bringt einer von euch ja den beiden Flaschen bei, wie man einen Klatscher handhabt.“

Wütend riss er den Besen herum und beschleunigte, so dass er die eventuellen Einwände der Drei schon gar nicht mehr hätte verstehen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Schließlich war es nicht seine Schuld gewesen, dass Andrew so unfähig war. Nun ja, ganz unrecht war es ihm zwar einen Moment lang nicht gewesen, doch er hatte angenommen, dass ihm zumindest Ron und Angelina mehr zutrauten. Immerhin hatte er schon so oft viel gefährlichere Situationen überlebt. Da würde ihn doch ein Klatscher nicht aus der Ruhe bringen.

„Hysterische Ziege!“, knurrte Harry noch, und machte sich nun endgültig daran, den Schnatz wieder einzufangen, bevor er noch den ganzen Tag hier verbringen musste. Suchend kreiste er über dem Stadion, wenngleich auch in gehörigem Abstand zum Rest des Teams und vor allem den Klatschern. Aber dieser Schnatz erwies sich als äußerst hartnäckig und auch nach einer guten Stunde hatte Harry nicht einmal eine Spur von ihm entdecken können. Wahrscheinlich hatte er einen defekten erwischt und das dusselige Ding flatterte jetzt irgendwo zwischen den Tribünen herum, anstatt wie vorgesehen über das ganze Spielfeld zu fliegen. Seufzend ging Harry tiefer und begann langsam zwischen den Holzgestellen nach seiner Beute zu suchen. Plötzlich entdeckte er etwas Blitzendes dicht neben der Tribüne, auf der normalerweise Lee Jordan gesessen hatte, während er die Spiele kommentierte.
 

Rasch ging Harry tiefer und erblickt tatsächlich den kleinen, goldenen Ball, der mit schnellen Flügelschlägen immer im Kreis um eine der Stützsäulen des kleinen Unterstandes herumflog. Harry landete auf der Tribüne und griff seufzend nach dem Ausreißer. Bevor er jedoch wieder starten konnte, hörte er ein leises Geräusch hinter sich und fuhr herum. Noch in der Bewegung hatte er den Zauberstab gezogen und richtete ihn nun drohend auf das Halbdunkel an der Einstiegsluke des Unterstandes. Irgendjemand war dort.
 

„Hey, keine Panik. Ich bin´s doch nur.“, erklang eine Stimme und ein Harry wohl bekannter, roter Haarschopf schälte sich aus seinem Versteck.

„Ginny.“, keuchte Harry und ließ den die Hand sinken. „Meine Güte, ich hätte dir fast einen Fluch auf den Hals gejagt.“

„Das hättest du nie geschafft“, behauptete Ginny keck und hob grinsend ihren eigenen Stab. „Vorher hättest du schon keinen Zauberstab mehr gehabt.“

Harry verbiss sich zu erwähnen, dass er vielleicht nicht unbedingt einen Zauberstab brauchte, um zu zaubern, denn so sicher war er sich seiner Sache nun doch nicht. Außerdem wollte er nicht auch noch mit Ginny streiten. Stattdessen setzte er sich auf eine der hölzernen Sitzbänke und sah die Jüngste der Weasleys fragend an. „Was machst du hier?“

„Och, nichts Besonderes.“, wich Ginny seiner Frage aus. „Ich wollte nur mal sehen, wie ihr so mit dem Training vorankommt. Ron hat den Bogen inzwischen raus, findest du nicht?“

Harry betrachtete seinen besten Freund, der in der Luft wirklich keine schlechte Figur abgab. „Habt ihr geübt?“, fragte er mehr, um überhaupt etwas zu sagen. Schließlich war es ziemlich offensichtlich, dass Ron geübt hatte, aber etwas Besseres fiel ihm einfach nicht ein.

„Ja, schon… ungefähr jeden Tag dreimal“, sagte Ginny todernst.

Verunsichert durch ihren Ton drehte Harry zu ihr herum und wurde mit einem Anblick konfrontiert, der einem wirklich Angst machen konnte. Ginny hatte die Augenbrauen zusammengezogen, so dass sich eine steile Falte auf ihrer Stirn bildete, den Unterkiefer vorgeschoben und ihre Augen schienen förmlich Funken zu sprühen.

„Äh…“, stotterte Harry. „Tut mir leid, ich wusste ja nicht…“

Einen Augenblick lang bohrte Ginny ihren Blick noch in Harrys, dann prustete sie los vor Lachen und Harry erkannte, dass er offensichtlich auf einen Streich hereingefallen war. Trotzdem musste er selber irgendwie grinsen, denn Ginnys Lachen war ansteckend.

„Nein, dieser Gesichtausdruck...“, gluckste Ginny. „Ich wünschte, Colin Creevy wäre hier gewesen. Davon hätte ich zu gerne ein Foto gehabt.“

„Bloß nicht!“, stöhnte Harry, dem sein jüngerer Schulkamerad mit der ständig präsenten Kamera nicht in sehr guter Erinnerung geblieben war, und lehnte sich gegen die hintere Bank. „Aber mal ehrlich, warum bist du hier?“

„Das sagte ich doch schon.“, meinte Ginny nun wieder ernst und blickte konzentriert hinauf zu den anderen Gryffindors. „Ich wollte nur mal gucken. Wenn ich schon nicht spielen kann… Aber verrat Ron nichts davon! Ich will nicht, dass er sich deswegen Vorwürfe macht. Ich war zwar erst ziemlich sauer, aber vielleicht ist es ganz gut so, dass Monika spielt. Sie ist wirklich gut, weißt du?“

“Und eine Landplage“, ergänzte Harry böse. „Noch dazu eine, die mich nicht leiden kann. Aber das beruht vollkommen auf Gegenseitigkeit.“

„Ach was, so schlimm ist Monika nicht.“, widersprach Ginny. „Sicherlich, man muss sich erst ein bisschen an ihre Art gewöhnen, aber im Grunde genommen ist sie ein feiner Kerl.“

„Glaub ich nicht.“, murrte Harry.

„Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich meine Verwandlungsnote im letzten Jahr echt vergessen können.“, warf Ginny ein. „Sie kann wirklich gut erklären.“
 

Harry schielte aus den Augenwinkeln zu Ginny rüber. Sie hatte sich ebenfalls auf eine der Bänke gesetzt, die Beine angezogen und ihren Kopf auf die Knie gestützt, während ihre hellen Augen unermüdlich den Bewegungen der Spieler am Himmel folgten. Als sie Harrys Blick bemerkte, wandte sie den Kopf und sah ihn geradeheraus an. Ihre Mundwinkel wanderten langsam zu einem Lächeln nach oben.

„Aber weißt du, was ich an ihr immer am besten finde?“, fragte sie und als Harry den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: „Dass sie mich immer zum Lachen bringt. Manchmal hat man das Gefühl, dass das Leben einfach nicht so kompliziert ist, wenn man so lange lacht, bis einem der Bauch wehtut.“
 

Harry schluckte. Diese Seite von Ginny war irgendwie neu für ihn- neu und verwirrend. Er kannte das kleine Mädchen, das aufgeregt hinter dem Hogwarts-Express herrannte, während er selber drinnen sein Zauberer-Sein noch gar nicht begreifen konnte. Er kannte sie als Rons kleine Schwester, die keinen Ton rausbrachte, wenn sie Harry sah, und ihm fürchterlich peinliche Valentins-Karten schrieb. Und er kannte nicht zuletzt die Ginny, die ihm kräftig auf die Füße trat, wenn er sich ihr gegenüber unfair verhielt und die mutig an seiner Seite gegen Voldemort angetreten war. Doch die Ginny, die damals fast ihre Seele verloren hatte, weil sie einsam gewesen war und sich einem verzauberten Tagebuch anvertraut hatte… die kannte er nicht, wie er sich eingestehen musste. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er vielleicht gerade einen winzig kleinen Blick auf diese Ginny geworfen hatte.
 

„Und sie ist das einzige Mädchen, dass ich kenne, das einen ganzen Gugelhupf essen kann, ohne dass ihr schlecht wird.“, schloss Ginny ihre Betrachtung über Monika.

Harry blinzelte verblüfft. Wollte Ginny ihn jetzt schon wieder auf den Arm nehmen?

„Einen ganzen Gugelhupf?“, fragte nach.

„Ja, einen ganzen.“, lachte Ginny. „Deshalb heißt sie mit Spitznamen auch ´Gugelhupf´. War wohl eine Wette, wenn ich das richtig verstanden habe, und sie hat tatsächlich gewonnen.“

Bei der Vorstellung musste Harry auch lachen und er konnte Ginny nur zustimmen, wenn man lachte, war die Welt um einen herum wirklich viel freundlicher. Aber dann beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl und er musste wieder an das denken, was er gerade an Ginny gesehen hatte. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, wenn er sich an sein zweites Schuljahr erinnerte. Auch wenn er damals einen von vielen Siegen gegen Voldemort- oder besser gegen dessen sechzehnjähriges Ich- gewonnen hatte, so hatte er doch Hilfe gehabt. Aber den letzten Kampf mit Voldemort würde er jedoch ganz alleine austragen müssen. Niemand anderer als er, Harry Potter, war dafür auserwählt worden, diesen Wahnsinn zu stoppen, doch wenn er ehrlich war fühlte es sich nicht wie eine Ehre an – eher wie ein Fluch. Denn auch wenn er zum Beispiel jemanden wie Draco Malfoy relativ einfach aus dem Weg räumen konnte, war Voldemort doch ein ganz anderes Kaliber.
 

Harry bemerkte, dass Ginny ihn ansah und wenn er ihrem Blick trauen konnte, tat sie das schon eine ganze Weile.

„Was?“, fragte er trotzig und ärgerte sich über sich selbst.

„Das könnte ich dich genauso fragen.“, konterte Ginny. „Du siehst nicht sehr glücklich aus.“

Harry lachte bitter auf. „Hab ich denn einen Grund dazu?“

„Ist es wegen Sirius?“, schoss Ginny so schnell eine Frage ab, dass Harry beinahe darauf geantwortet hätte.

„Wie kommst du darauf?“, versuchte er der Frage auszuweichen.

„Ich bin nicht blöd, Harry, schon vergessen?“, meinte Ginny schlicht und unerwartet ernst. „Und auch wenn Ron das nicht einsehen will, so hätte ich doch gedacht dass du…“ Sie verstummte und starrte geradeaus ins Leere.

Jetzt tat es Harry beinahe leid, dass er nicht offen und ehrlich zu Ginny war. Aber er konnte es einfach nicht. Die ganze Sache mit Sirius, dem Ministerium, Dumbledore und schließlich mit Malfoy; dazu noch diese elende Prophezeiung. Er wollte es einfach alleine schaffen. Er wusste, dass er das konnte. Wenn sie ihm doch nur ein bisschen Zeit lassen würden, dann würde er das alles auf die Reihe bekommen.
 

„Ach, vergiss es.“, sagte Ginny plötzlich und schüttelte den Kopf. „Aber wenn du irgendwas wegen Sirius planst, bin ich dabei. Hast du verstanden? Du bist nämlich nicht der Einzige, der ihn vermisst. Und du bist nicht der Einzige auf der Welt, der Probleme hat.“

„Aber der Einzige von uns, der jemanden umbringen muss.“, fauchte Harry. Dann erstarre er. Hatte er das jetzt gerade tatsächlich gesagt?

„Wie meinst du das?“, wollte Ginny wissen.

Ihr Gesichtsausdruck schwankte zischen Unglauben und Verwirrung und Harry wurde sich wieder einmal bewusst, wie wenig er doch mit seinen Mitschülern gemein hatte. Der Gedanke, dass ein Sechzehnjähriger jemanden umbringen wollte oder musste war so widersinnig, dass nicht einmal Ginny daran glauben wollte. Obwohl sie doch diejenige sein müsste, die neben Harry noch am ehesten von allen anderen verstehen sollte, dass Voldemort endgültig gestoppt werden musste. Schließlich hatte sie seine Grausamkeit am eigenen Leib erlebt.

„Ach nichts.“, murmelte Harry. „Ist nicht so wichtig. Ich schaff das schon.“

Aus irgendeinem Grund wollte er Ginny nicht damit belasten. Sie sollte nicht schon wieder an diese Sache erinnert werden. Sicherlich war es ihr auch nicht leicht gefallen, dass alles zu vergessen. Wer also war er, dass er ihr erneut Kummer machen wollte? Noch dazu hatte er in diesem Moment eine wunderbare Idee, die nicht nur ihm mit seinem Problem helfen würde, sondern auch Ginny wieder glücklich machen würde.

„Was würdest du dazu sagen“, begann er langsam, „wenn ich nicht mehr Quidditch spielen würde. Also in der Schul-Mannschaft, meine ich.“

Ginny sah ihn an, als wäre ihm so eben eine zweite Nase gewachsen.

„Was?“, krächzte sie. „Bist du übergeschnappt? Du musst spielen!“

„Sagt wer?“, gab Harry ärgerlich zurück. Eigentlich hätte er mehr Begeisterung erwartet. „Ich fände, du wärst ein guter Ersatz für mich.“ Kein hundertprozentiger, fügte er in Gedanken hinzu, verschwieg das aber wohlweislich.

„Ich?“, kiekste Ginny und wurde erst blass und dann erschien ein leichtes Rosa auf ihren Wangen. „A-aber ich bin doch lange nicht so gut wie du und überhaupt, die Mannschaft steht doch schon.“

„Ron hat vorhin gerade gesagt, dass sie wahrscheinlich noch neue Treiber suchen müssen. Warum also nicht auch einen neuen Sucher?“, erklärte Harry ein bisschen ungeduldig. Er stand auf und trat wieder an die Brüstung des Unterstandes. „Ich denke, ich werde mich in Zukunft eh nicht mehr so auf Quidditch konzentrieren können. Es gibt… wichtigere Sachen, weißt du?“

Na, komm, dachte Harry, Nun schluck den Köder schon. Im Zusammenhang mit dem, was ihm vorhin rausgerutscht war, konnte Ginny das doch jetzt nur auf eine Weise verstehen. Er musste innerlich fast ein bisschen lachen. Anscheinend hatte Solomon doch schon auf ihn abgefärbt.

„I-ich wie weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“, stotterte Ginny, offensichtlich hin und her gerissen zwischen der Verlockung, nun doch spielen zu können, und diesem lächerlichen Geziere, dass Mädchen anscheinend meinten an den Tag legen zu müssen, wenn man ihnen mal sagte, dass sie bei irgendetwas gut waren.

„Herrje, Ginny.“, stöhnte Harry. „Ich meine das wirklich ernst. Du bist gut und Gryffindor braucht einen guten Sucher, wenn ich nicht mehr da bin. Wen sollten sie denn sonst nehmen? Hermine vielleicht?“
 

Als hätte er mit Hermines Namen irgendeinen unbekannten Schlüssel in Ginnys Hirn gedreht, fing deren Augen mit einem Mal an zu strahlen und bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte Ginny die Distanz zwischen ihnen überbrückt und stürmisch die Arme um ihn geschlungen.

„Oh, Harry, du bist so…“, lachte sie und drückte noch einmal zu, so dass Harry ganz instinktiv die Arme um sie schloss.

Ihre Blicke trafen sich und plötzlich war da noch etwas zwischen ihnen, das vor wenigen Sekunden ganz sicher noch nicht da gewesen war. Harry fühlte ein merkwürdiges Ziehen in seinem Magen und Ginnys Atem an seiner Wange schien ihm trotz seiner Wärme Gänsehaut zu verursachen. Sein Körper schien beschlossen zu haben, sämtliche seiner Befehle zu ignorieren- und so sah Harry lediglich zu, wie ein Junge, der genauso aussah wie er, sich, die Bewegungen des Mädchens in seinen Armen kopierend, vorbeugte und ihre Lippen sich berührten.
 

So schnell wie es gekommen war, war es auch schon wieder vorbei. Hastig befreite Ginny sich aus Harrys Arm und es war schwer zu entscheiden, wem von beiden das Ganze peinlicher war. Ginny glühte in einer, einer vollreifen Tomate nicht unähnlichen, Farbe und auch Harrys Gesicht brannte verdächtig. Er wusste nicht, wo er zuerst hinsehen sollte und Hände hatte er mit einem Mal auf viel zu viele.

Verlegen versuchte Ginny sich zu rechtfertigen. „Ich weiß nicht, was mich da eben geritten hat.“, murmelte sie. „Aber als du das gesagt hast, da…“

Ihre Stimme versagte und sie sah Harry irgendwie hilflos an. „Tut mir leid, Harry.“

Mit diesen Worten sprang sie auf, wirbelte herum und raste die Treppe an der Rückseite der Tribüne hinunter. Schweigend sah Harry ihr nach. In seinem Inneren wirbelten die Gefühle durcheinander, während seine Magen immer noch Achterbahn fuhr. Ohne es wirklich zu registrieren glitt seine Hand zu der Stelle, an der einen Moment lang Ginnys Lippen gelegen hatten. Es hatte sich irgendwie gut angefühlt. Ganz anders als der nasse Kuss von Cho, der ja mehr Fiasko als alles andere gewesen war.

Aber gleichzeitig mit den Glücksgefühlen stellte sich auch ein schlechter Beigeschmack ein. Zweifel nagten an ihm, denn Ginny bereute ganz offensichtlich, was sie getan hatte. Hätte sie sich sonst dafür entschuldigt? Doch so ganz verstand er die Sache nicht. Ob das wieder so ein Mädchen-Gefühlssachen-Problem war?
 

Halbherzig griff Harry nach seinem Besen und flog zu den anderen zurück. Er hätte wahrscheinlich am besten sofort gesagt, dass er einen Ersatz-Spieler für sich gefunden hatte, aber dann fiel ihm ein, dass Ginny ja noch nicht einmal ´Ja´ gesagt hatte, und so verschob er diese Ankündigung nur zu gerne auf später. Monika klebte mehr als vorher an Ron, der das Ganze auch noch zu genießen schien, und so verzog sich Harry irgendwann stillschweigend in die Umkleidekabine.

Als er dann beim Abendessen noch eine kurze Notiz von Solomon erhielt (ein Rabe hatte sie gebracht) dass dieser die Okklumentik-Stunde auf den Sonntag verlegen würde, beschloss Harry, dass er diesen Tag endgültig satt hatte. Mit der Entschuldigung, er sei müde, klinkte er sich recht schnell aus der Runde im Gemeinschaftsraum aus, ging in den Turm hinauf, zog die Vorhänge seines Himmelbettes zu und versuchte beim Licht seines Zauberstabes zu lernen, bis er die Schritte der anderen auf der Treppe hörte. Schnell löschte er den Zauberstab, deckte sich bis über beide Ohren zu und versuchte möglichst den Eindruck zu erwecken, als würde er schon lange schlafen. Wie die Reaktionen der anderen zeigten, war er recht erfolgreich.
 

„Schläft Harry schon?“, wollte Seamus wissen und Harry konnte hören, wie er sich an den Vorhängen zu schaffen machte.

„Ach, lass ihn doch.“, meinte Dean nur und schmiss sich anscheinend auf Nevilles Bett- das war das Einzige, das quietschte. „Du weißt doch: Draco dormiens nunquam titillandus.“

„Was?“, hörte Harry Neville dazwischen fragen. Innerlich schüttelte er den Kopf. Selbst Harry, der nun wirklich in der muggelichsten Familie aufgewachsen war, die man sich denken konnte, kannte das Schulmotto von Hogwarts.

„Schlafende Drachen soll man nicht kitzeln.“, erklärte Seamus bereitwillig. „Aber sag mal Ron, warum grinst du eigentlich die ganze Zeit so?“

„Bestimmt wegen Monika.“, flötete Dean, und die Geräusche, die darauf folgten, hörten sich sehr danach an, dass ihn eines der schweren Daunenkissen mitten ins Gesicht getroffen hatte.

„Gar nicht.“, motzte Ron und Harry musste keinen Unterricht bei Trelawney besucht haben, um leuchtendrote Ohren zu weissagen. „ Wir haben uns lediglich über Quidditch unterhalten. Und ich hab ihr Schach spielen beigebracht.“

„Also nicht verliebt, sondern nur ein neues Opfer für deine Leidenschaft, oder wie?“, stichelte Dean weiter. Er gab sich keine besondere Mühe, die Schadenfreude in seiner Stimme zu verbergen.

„Ja genau.“, bestätigte Ron, bevor ihm offensichtlich auch auffiel, dass dieser Satz durchaus zweideutig war. „Ach, ihr könnt mich alle mal. Ich geh jetzt ins Bett.“
 

Grummelnd verzog sich Ron auch hinter seine Vorhangfront und nachdem er tatsächlich nicht mehr auf Dean Sticheleien einging, beruhigten sich auch die anderen auch und wahrscheinlich nicht einmal eine halbe Stunde später war der Schlafsaal fast völlig ruhig – wenn man mal von Rons Geschnarche und Nevilles manchmal leise vor sich hin quietschende Bett absah. Als auch das irgendwann verstummte, war Harry sich sicher, dass alle tief und fest schliefen. Das Problem daran war, dass er immer noch hellwach war. Nicht, dass er nicht erschöpft genug gewesen wäre, aber die Gedanken in seinem Kopf hatten sich inzwischen zu einem schwindelnden Crescendo hochgeschaukelt, das ihm Kopfschmerzen bereitete. Wie er es auch drehte und wendete, es ergab sich einfach keine rechte Lösung; für keines seiner Probleme.
 

Irgendwann gab er auf und machte sich leise auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. An der Tür zögerte Harry, denn ihm war der Spiegel an der Wand eingefallen. Glücklich darüber, sich auf ein greifbares Problem konzentrieren zu können, spähte Harry um die Ecke.

Der Spiegel war noch da und schimmerte im Mondlicht auffällig hell. Aber von hier aus betrachtet konnte Harry erkennen, dass es vielleicht doch eine Möglichkeit gab, dem Sichtbereich des Spiegels zu entkommen. Wer auch immer ihn angebrachte hatte, hatte offensichtlich nicht mit dessen Entdeckung gerechnet, so dass im Prinzip alles, was sich unterhalb eines halben Meters und nicht an der direkt gegenüberliegenden Seite des Zimmer befand, für den Spiegel unsichtbar blieb. Wenn sich Harry also auf den Boden legte und vorsichtig an der Wand entlang bis zum Portraitloch kroch, konnte er trotzdem nachts durch Hogwarts spazieren, wenn ihm das passte.

So schnell und so lautlos wie möglich, schlich sich Harry zurück in den Schlafsaal, zog sich wieder an, schnappte sich den Tarnumhang und machte sich auf den Weg durch den Gemeinschaftsraum. Wäre er größer gewesen, so hätte Harry sicherlich an der einen oder anderen Stelle Schwierigkeiten bekommen, so aber drückte er sich vorsichtig an Möbelstücken und schlafenden Bildern vorbei, bis er schließlich vor dem Portraitloch stand. Dort angekommen warf er sich den Umhang über und stahl sich auf den Gang hinaus. Die Fette Dame murmelte im Schlaf etwas vor sich hin, wachte aber nicht auf, so dass Harry seinen Weg unbehelligt fortsetzen konnte. Nur…. Wohin führte sein Weg?

Darüber hatte sich Harry noch gar keine Gedanken gemacht, denn gerade noch war es einfach wichtig gewesen, dass er es tun konnte und nicht warum. Neben einer, im Mondlicht seltsam lebendig aussehenden, Rüstung lehnte Harry sich an die Wand und dachte nach. Ihm stand im Prinzip Hogwarts offen, denn niemand würde ernsthaft damit rechnen, dass jetzt noch jemand in der Nacht herumschlich. Aber Hogwarts schien auf einmal fremd und leer zu sein- so wie seine Flure- und Harry wünsche sich, dass er einen anderen Ort hätte, an den er gehen könnte. Langsam begann er, einen dieser leeren Gänge hinab zu wandern, denn nichts erschein ihm schrecklicher, als noch weiter bewegungslos auf einer Stelle verharren zu müssen. Es gab schon zu viel Stillstand in seinem Leben.
 

Seine Schritte hallten, wie es ihm erschien, unheimlich laut durch die verlassenen Flure und er musste jeden Moment damit rechnen, entweder Filch, dem Hausmeister, oder seiner lampenäugigen Katze Mrs. Norris zu begegnen. So folgte er kurzentschlossen einer Treppe, die so eben ihre Richtung geändert hatte, weiter nach oben in der Hoffnung, so wieder zum Gryffindor-Turm zurückzukehren. Doch anscheinend hatte diese Treppe in dieser Nacht tatsächlich ziemliche Langeweile, so dass sie erneut ihre Richtung änderte, während Harry sich auf ihr befand. Er beeilte sich, die launische Treppe an ihrem Ende zu verlassen und fand sich auf einem schmalen Absatz wieder, der ihm lediglich die Wahl ließ, noch weiter hinauf zu steigen. Leicht verärgert machte Harry sich auf den Weg. Als er sich endlich in einem Korridor wieder fand, den er kannte, befand er sich bereits weit weg von seinem Ausgangspunkt und starrte geradewegs auf den Aufgang zum Astronomie-Turm. Zu seiner Rechten befanden sich noch die Türen des Klassenraums und einer kleinen Kammer, in der Professor Sinistra ihre Unterrichtsmaterialien aufbewahrte.
 

„Klasse“, murmelte Harry und fragte sich nun schon zum vierten Mal, warum er nicht die „Karte des Rumtreibers“ dabei hatte, die sein Vater und seine Freunde in ihrer Schulzeit angefertigt hatten. Auf dieser Karte waren fast sämtlich Wege und Geheimgänge von Hogwarts verzeichnet, und was die Original-Rumtreiber vergessen hatte, war nachträglich von Fred und George Weasley ergänzt worden.
 

Draußen fauchte der Wind an den dicken Mauern vorbei. Harry konnte hören, dass es angefangen hatte zu regnen und in der Ferne grollten bereits die Vorboten eines herannahenden Gewitters. In Raum, in dem sie normalerweise Unterricht hatten, schien noch ein Festern offen zu stehen, denn ein stetiger Luftstrom strömte durch das Schlüsselloch der Tür und das dadurch entstehende Pfeifen hallte unheimlich von den steinernen Wänden wieder. Wahrscheinlich war es besser, wenn er das Fenster schloss. Langsam begann Harry sich auf die Tür zuzubewegen. Immer mehr Geräusche schienen hinter der Tür zu hören zu sein. Ein Rascheln und Flüstern, dumpfes Klappern und ein schweres Klopfen ließen Harrys Nackenhaare zu Berge stehen. Etwas schepperte und klirrte. Harry war jetzt fest überzeugt, dass hinter der Tür jemand war.
 

Wie von selbst glitt seine rechte Hand zu seinem Zauberstab, während die linke nach der Klinke griff. Langsam drückte er sie hinunter… und riss dann die Tür mit einem Ruck auf. Den Zauberstab drohend auf eventuelle Angreifer gerichtet, sah er sich hektisch in dem voll gestopften Raum um. Tatsächlich stand eines der Fenster auf und Harry beeilte sich, es zu schließen. Die danach eintretende Stille war fast noch unheimlicher. Aufmerksam musterte er den Raum, konnte jedoch niemanden entdecken- bis sein Blick schließlich auf dem Fußboden an einem der hier aufbewahrten Fernrohre hängen blieb. Das erklärte zumindest das Klirren, dass er gehört hatte, denn die Linsen waren herausgesprungen und in tausend Scherben zerbrochen. Neben dem zerbrochenen Fernrohr stand ein Tisch, mit etlichen Rollen Pergament, die Harry als ihre Abschlussarbeiten des letzten Jahres identifizierte. Professor Sinistra war sie in den ersten zwei Stunden noch einmal mit ihnen durchgegangen. Das war wahrscheinlich das Rascheln gewesen, das er gehört hatte. Je mehr sich Harry in dem Raum umsah, desto mehr einleuchtende Geräuschquellen konnte er finden.
 

Leise seufzend entspannte Harry sich wieder. Es war also alles in Ordnung und niemand war hier. Wie hatte er nur glauben können, jemand wäre so verrückt, sich nachts auf dem Astronomie-Turm herumzutreiben. Selbst für Angreifer von außen… Harry erstarrte. Und wenn nun jemand von der Plattform des Turms aus versuchte, in Hogwarts einzudringen? Was, wenn sich in diesem Moment Dutzende von Todessern darauf vorbereiteten, Hogwarts zu stürmen? Doch dann schüttelte er den Kopf. Das war einfach zu lächerlich.
 

Plötzlich knallte es und die Tür zum Dach des Turms flog auf. Heulend fuhr der Wind erneut in die Pergamente, fegte den größten Teil von ihnen vom Tisch, das Modell des Sonnensystems an der Decke begann heftig zu rotieren und die restlichen Fernrohren schepperten in ihrem Regal aneinander. Eine Gestalt in einem dunklen Umhang trat leise fluchend auf den Gang und schloss die Tür wieder hinter sich.
 

Harry- gerade noch starr vor Schreck- reagierte sofort und warf sich den Tarnumhang über. Den Zauberstab so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel wahrscheinlich weiß gewesen wären, hätte er sie denn sehen können, starrte er die Person im Gang an. Wasser tropfte von dem schwarzen Umhang und bildete eine Lache auf dem Fußboden. Im Gegenlicht war das Gesicht unter der tief in die Stirn gezogenen Kapuze nicht zu erkennen, und irgendwie konnte sich Harry nicht gegen die Vorstellung einer weißen Todesser-Maske darunter erwehren. Die Gestalt hob nun die Hände, wohl um die Kapuze abzunehmen, und Harry hielt den Atem an.
 

Im nächsten Moment musste Harry sehr an sich halten, um sich nicht durch sein erleichtertes Aufatmen zu verraten. In der Tür stand niemand anderer als Solomon, der höchst verdrießlich dreinblickte. Leise vor sich hin murmelnd betrat der Lehrer die Klasse und nahm sich einige Gegenstände von Professor Sinistras Tisch, bevor er den Raum, die Tür hinter sich schließend, verließ. Eilige Schritte auf dem Flur, die sich schnell entfernten, zeigten Harry, dass er nun wieder völlig allein hier oben war. Aufatmend zog er sich den Tarnumhang vom Kopf und musste sich erstmal setzen. Warum hatte er nur so panisch reagiert? Warum war er nicht darauf vorbereitete gewesen?

Harry musste sich eingestehen, dass er die Antwort auf diese Fragen kannte. Er war zu abgelenkt gewesen. Seine Gedanken hatten sich während seiner Wanderung durch Hogwarts zu sehr um Ginny und das Erlebnis auf dem Quidditch-Feld gedreht… und der Antwort, zu der er schließlich gekommen war. Inzwischen war er nämlich davon überzeugt, dass Ginny einfach nicht wollte, dass Dean etwas von diesem Kuss erfuhr. Und zeigte ihm das, was gerade passiert war nicht, das dass es wahrscheinlich besser war, wenn er in ihr weiterhin nur Rons kleine Schwester sah. Dass ihn so etwas wie eine Freundin nur ablenken würde, von dem, was wichtig war?
 

Inzwischen war das Gewitter herangezogen. Immer wieder erhellten Blitze den Raum und tauchten ihn in scharfe, scherenschnittartige Kontraste. Regen klatschte mit voller Wucht gegen die Scheiben und der Wind schien sich zu einem ausgewachsenen Sturm zu steigern. Trotzdem rührte Harry sich nicht vom Fleck sondern beobachtete den ständigen Wechsel von schwarz und weiß. Je heller der Blitz war, desto dunkler schienen die Schatten zu sein, die er zurückließ. Das Licht war einfach nicht in der Lage, die Dunkelheit für mehr als nur Bruchteile zu vertreiben. Eine Erinnerung stieg in Harry auf.
 

Er stand in der dunklen Halle des Ministeriums für Zauberei. Vor ihm Bellatrix Lestrange, die ihn spöttisch anfunkelte, nachdem er verzweifelt versucht hatte, einen Cruciatus auf sie zu wirken, um sie für Sirius Tod büßen zu lassen. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf wieder:

Potter, du kannst nicht gegen mich gewinnen. Ich war und bin die treueste Dienerin des Dunklen Lords. Ich habe die dunklen Künste von ihm erlernt und ich kenne Flüche von solcher Kraft, gegen die du jämmerlicher Wicht nicht einmal hoffen kannst anzukommen.
 

Harry hatte in diesem Jahr schon einmal die Macht, einen Unverzeihlichen Fluch zu benutzen, in sich gespürt. Sicherlich, damals hatte es ihn erschreckt. Der Gedanke, jemandem wehzutun oder ihn gar zu töten, war ihm im Nachhinein so fremd vorgekommen. Es fühlte sich immer noch falsch an, doch wenn er Voldemort nicht tötete, würde der ihn töten. Das Glück, ihm ein weiteres Mal zu entkommen… Harry konnte sich nicht darauf verlassen, dass er es wirklich haben würde. Ob er wollte, oder nicht, er musste lernen, wie er Voldemort besiegen konnte.
 

Ein besonders heftiger Blitz erhellte das Zimmer länger als alle anderen und als es wieder dunkel wurde, flimmerten kleine Lichtpunkte vor Harrys Augen. Trotzdem konnte er erkennen, dass die Dunkelheit vor ihm nicht mehr leer war. Sirius war zurückgekehrt und zum ersten Mal, seit Harry dieses Abbild seines Paten als Begleiter hatte, konnte er ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht erkennen.
 

„Ich werde dich nicht enttäuschen.“, flüsterte Harry in die Dunkelheit. „Ich werde diesen Bastard besiegen. Ich werde Mum und Dad rächen. Ich werde die Welt vor Voldemort schützen, koste es, was es wolle. Und ich werde dich zurückholen, Sirius.“
 


 

Wie er in sein Bett zurückgekommen war, wusste Harry am nächsten Tag nicht mehr so genau. Er erwachte, weil ihm die Sonne mitten ins Gesicht schien und laute Schreie die Luft durchschnitten.

Schreie?

Wie von der Tarantel gestochen fuhr Harry hoch, und stürzte zum Fenster. Draußen liefen haufenweise Schüler durch die Gegend und die meisten von ihnen riefen etwas von „Hilfe!“ und „Er kommt“ und „Rettet euch!“

„Ron! Neville! Dean!“, rief nun auch Harry. „Was ist los?“

Er riss die Vorhänge seiner Bettnachbarn auseinander, nur um überall das gleiche Bild vorzufinden: Ein leeres Bett. Ohne lange zu überlegen, stürzte er die Treppe hinunter, und traf dort auf eine Menge erschreckte Schüler aus den unteren Klassen. Kurzentschlossen griff er sich einen davon und schüttelte ihn.

„Was ist hier los?“, blaffte er. „Wo sind die anderen? Wer kommt?“

Der Junge sah Harry aus großen Augen an, sein Gesicht war kreideweiß und seine Lippen bewegten sich, als versuche er irgendetwas zu sagen.

„Was hier los ist, will ich wissen.“, schnauzte Harry ihn an. Ihm war nun wirklich nicht nach Ratespielen zu Mute. Vor allem ärgerte er sich im Moment darüber, dass die anderen es offensichtlich nicht für nötig befunden hatten, ihn zu wecken, obwohl das Schloss in Gefahr war.

Er ließ den Jungen, der immer noch nicht zu einer Antwort fähig war, los und stürzte durch das Portraitloch nach draußen. So schnell ihn seine Füße trugen raste er die Treppen zum Haupteingang hinunter und als er unten ankam war er so außer Atem, dass er erst eine kostbare Minute damit vergeuden musste, wieder Luft in seine Lungen zu pumpen. Warum hatte er nicht einfach seinen Besen genommen?
 

Immer wieder liefen Schüler sowohl in die eine, wie auch die andere Richtung an ihm vorbei. Zwischen ihnen erkannte Harry Ernie MacMillan, der offensichtlich eine Schar jüngerer Schüler daran hindern wollte, ebenfalls nach draußen zu stürmen.

„Ihr habt die Anweisung gehört.“, rief er ärgerlich. „Geht zurück in euren Gemeinschaftsraum und verhaltet euch ruhig, bis ein Lehrer euch sagt, dass alles in Ordnung ist.“

Einer der Schüler- Harry sah jetzt, dass es sich bei allen um Slytherin handelte- trat vor, warf sich in die Brust und höhnte. „Sehen wir aus, als wären wir solche Weicheier wie die in Hufflepuff? Wir wollen den Riesen auch sehen.“

Ernie bekam sichtbar einen roten Kopf, reagierte jedoch erstaunlich gelassen. „Ihr werdet jetzt alle wieder in die Kerker gehen. Und wer sich nicht in fünf Minuten dort befindet, bekommt von mir fünf Punkte abgezogen. Wenn ihr euren Hauslehrer also nicht erklären wollte, wie ihr…“, er überflog kurz die Anzahl der aufsässigen Jung-Syltherins, „… über 60 Punkte für Slytherin verloren habt, dann verzieht ihr euch jetzt. Also Abmarsch!“

Dieser Ankündigung folgte unwilliges Murmeln, doch offensichtlich wogen seine Argumente schwer genug. Unwillig aber stetig zogen die Kleinen ab. Ernie atmete sichtbar auf.

Harry jedoch wartete nicht ab, bis Ernie Zeit hatte, seine Fragen zu beantworten. Der Junge hatte von einem Riesen gesprochen und Harry hatte einen furchtbaren Verdacht, was das zu bedeuten hatte. Ohne darauf zu achten, ob er jemanden anrempelte, hechtete er durch Eingangshalle nach draußen. Dort liefen immer noch Schüler kreischend und johlend durch die Gegend. Einem von ihnen konnte Harry nicht mehr ausweichen und rannte mit voller Wucht in ihn hinein. Als er sah, wer es war, hatte er ein leichtes Déjà-Vu-Gefühl.
 

„Neville!“, keuchte Harry. „Wo sind die anderen? Wo ist Grawp?“

„Wer?“, fragte Neville verdattert und Harry fiel ein, dass außer ihm, Ron und Hermine ja niemand Grawp je gesehen hatte. Es schien, als hätte sich das geändert.

„Der Riese.“, erklärte Harry ungeduldig. „Wo ist er?“

„Da hinten.“, sagte Neville und wies ihm die Richtung. „Oh Mann, Harry, der ist so… riesig. Und er hat Hermine.“

„Was?“, keuchte Harry entsetzt, ließ Neville einfach stehen und rannte weiter in die Richtung, die der ihm gezeigt hatte. Hinter sich hörte er Neville noch etwas rufen, doch er verstand nicht was. Das war in diesem Moment auch völlig egal, ebenso wie der Streit, den er mit Hermine hatte. Dann sah er Grawp.

Der Riese lief mit wahrhaft riesigen Schritten vor keuchte einer Meute Menschen davon, unter denen Harry auch Ron und Hagrid sehen konnte. Sein riesiger Mund stand offen und die grünen Haare wehten im Wind. Er brüllte aus Leibeskräften unzusammenhängenden Wortfetzen, in denen auch immer wieder „Hagger“, und „Hermi“, vorkamen… und wenn Harry sich nicht sehr täuschte, amüsierte er sich köstlich.

Hagrid dagegen brüllte ebenfalls so laut er konnte, dass Grawp endlich stehen bleiben sollte und dass Hermi jetzt nicht mehr mit ihm spielen wollte. Er würde ihm auch einen ganz großen Kuchen backen, wenn er jetzt nur endlich stehen blieb. Andere aus der Gruppe, darunter auch einige der Lehrer, schossen verschiedene Flüche auf Grawp ab, die jedoch aufgrund seiner Riesenhaut nicht wirklich den gewünschten Effekt hatten. Jetzt sah Harry auch, dass Grawp etwas in de Hand hatte, von dem jedoch nur och der buschige, braune Haarschopf zu erkennen war. Ob Hermine noch bei Bewusstsein, ohnmächtig oder gar schlimmeres war, konnte man nicht feststellen.

Neben Harry kam schnaufend Neville zum Stehen. Sein Gesicht war krebsrot vom Laufen und seine Haare klebten an seinem Kopf.

„Was machen wir denn jetzt?“, japste er. „Dir muss doch irgendwas einfallen, Harry.“

Genau das wünschte sich Harry in diesem Moment auch, doch sein Kopf war irgendwie seltsam leer. Kein Zauber, den er gelernt hatte, erschien ihm passend. Er spürte, wie sich eine wahnsinnige Wut über seine eigene Hilflosigkeit aufbaute. Warum bekam man denn in der Schule nur nichts wirklich Nützliches beigebracht? Was nützte es ihm jetzt, dass er eine Maus in eine Teetasse verwandeln konnte, wenn seine beste Freundin nicht aus der Hand eines dämlichen Riesen befreien konnte? Und warum hatte Hagrid nicht schon lange dafür gesorgt, dass Grawp verschwand? Warum hatte Harry ihm das Ganze nicht ausgeredet? Warum…
 

Eine Gestalt war neben Harry getreten und als der den Kopf hob, blickte er in Solomons ernstes Gesicht.

„SO TUN SIE DOCH ETWAS!“, brüllte Harry ihn an. ´Sie sind schließlich unser Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste. ´, wollte er noch anfügen, als ihm einfiel, dass Solomon wahrscheinlich gar nichts tun konnte.

„Ein Rankenwurzel-Zauber sollte den Riesen lange genug fixieren, um ihm einen wirksamen Schlafzauber in die Augen platzieren zu können.“, erklärte Solomon ruhig und sah Harry auffordernd an. „Die Augen sind bei Riesen der schwächste Punkt.“

Harrys Gedanken rasten. Einen Zauber, der Rankwurzeln produzierte? Kannte er so einen? Doch so sehr er auch überlegte, eine solche Formel wollte ihm einfach nicht einfallen. Und Neville machte ihn auch ganz nervös, weil er die ganze Zeit etwas vor sich hinmurmelte.

„Halt doch mal die Klappe!“, fuhr Harry ihn an. Es tat ihm auch gar nicht Leid darum, denn wenn er jetzt etwas nicht gebrauchen konnte, dann war das der schusselige Neville, der ihn mit seinem Gebrabbel noch ganz aus dem Konzept brachte. Wenn er doch nur seinen Besen hätte… da stürzte Neville mit einem Mal nach vorne.

Radiesco aliquantus! “, schrie er und richtete seinen Zauberstab auf Grawp. Aus dem Boden schossen plötzlich Unmengen von Wurzelsträngen hervor und hinderten den Riesen am Weiterlaufen. Zum Glück waren die Wurzel so schnell an seinen Beinen emporgewachsen, dass sie ihn sowohl festhielten, wie auch am Fallen hinderten. Enttäuscht brüllte er und versuchte sich loszureißen. Einmal verlangsamt holten nun auch seine Verfolger auf und noch mehr der Wurzeln, diesmal sehr viel dicker als die von Neville, begannen an Grawps Beinen emporzukriechen und lähmten nun jeden seiner Bewegungen, so dass er Hermine, die ebenfalls irgendwo in dem Pflanzenberg steckte, nicht mehr fallen lassen konnte. Urheber der zweiten Wurzeln war offensichtlich Professor Sprout, die nun zu ihnen hinüberwinkte

„Saubere Arbeit, Longbottom.“, rief sie ziemlich außer Atem. „Ich hätte es ja selber getan, aber ich kam einfach nicht mit. Erinnern Sie mich, dass ich das für ihre Kräuterkunde-Note vermerke.“

Professor McGonagall und Professor Flitwick, der der ganzen Truppe in immer größer werdenden Abstand gefolgt war, begannen verschiedenen Zauber auf dem Pflanzenhaufen Grawp zu wirken und nach ein paar Minuten sackte dieser in sich zusammen. Als Harry und Neville sich endlich an den anderen vorbei gequetscht hatten, war Hagrid gerade dabei, Hermine von den letzten Ranken zu befreien. Ron stand leichenblass daneben und murmelte immer wieder: „Lass sie nicht tot sei. Oh bitte, lass sie nicht tot sein.“
 

„Lassen Sie mich mal durch, meine Herrschaften. Hier ist Fachpersonal gefragt.“, erklag die resolute Stimme der Krankenschwester und tatsächlich teilte sich die Menge, um sie zu Hermine durchzulassen. Madame Pomfrey fühlte zunächst Hermines Puls, sah ihr kurz n die Augen und hielt ihr dann ein kleines Fläschchen unter die Nase. Eine Zeit lang passierte gar nichts, dann flogen Hermines Augen mit einem Mal auf und sie nieste dreimal kräftig. Immer noch etwas benebelt setzte sie sich auf.

„Ist er weg?“, fragte wackelig. In diesem Moment tat Grawp einen lauten Schnarcher und Hermine sprang alarmiert auf. Da sie noch nicht besonders sicher auf den Füßen war, stolperte sie jedoch und landete direkt in Hagrids Armen. Dem liefen die Tränen in Strömen über das Gesicht und in seinen dichten Bart hinein.

„`s tut mir so leid, Hermine, ehrlich.“, schnüffelte er. „Wollte ja nicht, dass dir was passiert. Hab einfach gedacht, ´s wird schon mit Grawpie. Er is´ doch noch so klein. Wollte nur spielen.“

„Schönes Spiel!“, warf Professor McGonagall wütend ein. „Jetzt bringen Sie Miss Granger erstmal auf die Krankenstation, Hagrid, damit Madame Pomfrey sie untersuchen kann. Danach werden Sie wieder hierher kommen und wir werden diese Riesen-Problem lösen.“

Sie wandte sich um und richtete sich an die immer größer werden Menschentraube.

„Und alle anderen gehen jetzt sofort in ihre Häuser zurück und warten auf die Anweisungen ihrer Hauslehrer.“

Hagrid nahm die immer noch recht blasse Hermine auf den Arm und stapfte mit gesenktem Kopf hinter Madame Pomfrey zum Schloss zurück. Die restlichen Schüler zogen es offensichtlich ebenfalls vor, Professor McGonagalls Anweisung Folge zu leisten, was sie natürlich nicht daran hinderte, lautstark über die Herkunft des plötzlich aufgetauchten Riesen zu diskutieren. Die Lehrerin schüttelte den Kopf.

„So eine Unvernunft. Also manchmal…“, sie verstummt und blickte auf Ron, Neville und Harry. „Ich denke, ich habe eine klare Anweisung gegeben.“

“Professor?“, frage Ron zögernd. „Können wir nicht…ich meine, Hermine ist unser Freundin…“

„Das ist mir wohl bewusst, Mister Weasley.“, antwortete die gestrenge Lehrerin nun etwas milder. „Aber Miss Granger braucht nun in erster Linie einmal Ruhe und wahrscheinlich wird Madame Pomfrey ihr nach einer ersten Untersuchung einen Beruhigungstrank geben, mit dem sie mehrere Stunden schlafen wird. Außerdem werde ich Professor Dumbledore kontaktieren müssen, so dass das Haus Gryffindor ohne Aufsicht eines Lehrers ist. Sie haben als Vertrauensschüler in einem solchen Fall die Pflicht, diese Position einzunehmen. Also gehen Sie! Ich werde ihnen Bescheid geben, falls sich Miss Granger tatsächlich ernsthaft verletzt hat.“
 

Damit eilte auch Professor McGonagall wieder zum Schloss zurück und ließ die drei Jungen allein. Missmutig und ohne ein Wort zu sagen schlich sie in Richtung des Gryffinor-Turms. Harry schwieg, weil er ganz einfach nicht wusste, was er sagen sollte. Er fühlte sich schuldig, weil er nicht da gewesen war, um Hermine zu helfen und gleichzeitig wurmte es ihn, dass gerade Neville schließlich die entscheidende Wendung herbeigeführt hatte. Außerdem wusste er nicht, wie er Ron trösten sollte. Der war immer noch blass und starrte immer nur vor sich auf dem Fußboden. Ein Blick auf Neville, der die ganze Zeit an seiner Unterlippe kaute, verriet Harry, dass es ihm wohl nicht viel besser ging.

„Also wirklich Neville!“, scherzte Harry lahm. „Einen strahlenden Helden stellt man sich aber anders vor.“

Neville verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Also ich bin nicht scharf auf den Job. Wenn du ihn willst, bedien dich.“

Danach schwiegen sie alle drei wieder. Als sie vor dem Portraitloch ankamen, blieb Ron auf einmal stehen.

„Ich hätte sie beschützen müssen.“, flüsterte er und das Kieksen in seiner Stimme klang, als würde er gleich in Tränen ausbrachen.

„Hey…“, versuchte Harry ihn aufzumuntern. „Ist doch nichts passiert.“

„NICHTS PASSIERT?“, brüllte Ron mit einem Mal. „Sie hätte verdammt noch mal sterben können. Nur wegen diesem verdammten Riesen. Ich könnte Hagrid umbringen. Er immer mit seinen blöden Ideen, von denen die anderen dann den Ärger haben. Ich hasse ihn!“

„Na, na, junger Mann. Deshalb brauchen sie ja nicht gleich so zu schreien.“, tadelte die Fette Dame. „Wollt ihr nun rein, oder nicht?“

Die drei Gryffindors ignorierten sie.

Neville nahm seinen Mut zusammen, legte Ron die Hand auf den Arm und fragte vorsichtig: „Was ist denn nun eigentlich passiert?“
 

Stockend doch dann immer flüssiger begann Ron zu erzählen. Er und Hermine hatten beschlossen, Hagrid zu besuchen. Dieser war in guter Stimmung gewesen und hatte die beiden gebeten, ihn zu Grawp zu begleiten. Er wollte ihnen zeigen, wie gute Fortschritte er während der Ferien gemacht hatte. Alles war soweit auch ganz gut verlaufen, bis Grawp auf einmal nach Hermine gegriffen hatte. Danach hatte er sich geweigert, sie wieder runter zu lassen und war schließlich vor Ron und Hagrid davon gelaufen.

Ron schluckte und sagte. „Er hat wohl gemeint, das sei ein Spiel oder so. Wir sind dann hinter ihm her, doch er flüchtete irgendwann auf das offene Gelände. Dort haben ihn dann einige Schüler entdeckt und dann war natürlich die Hölle los. Und die ganze Zeit hat er Hermine in der Hand herumgeschwenkt wie ein Spielzeug. Ich hatte solche Angst, er zerdrückt sie.“
 

„Weißt du was?“, sagte Neville, nachdem Ron geendet hatte. „Ich glaube, du gehst auch besser auf die Krankenstation. Harry und ich kriegen das schon hin hier. Oder?“

„Klar!“, sagte Harry und grinste Ron aufmunternd an.

„Ok.“, sagte der und schlurfte in Richtung des Krankenflügels.

„Wollt ihr ihn wirklich alleine gehen lassen?“, fragte die fette Dame besorgt nach. Sie tupfte sich gerade ein paar Tränen aus dem Augenwinkel und schnaubte dann leidenschaftlich in ihr Taschentuch. „So ein Schock kann gefährlich sein.“

„Wer hat einen Schock?“, fragte eine Stimme, und als Harry sich umdrehte identifizierte er ihre Besitzerin als Monika Bell. Noch bevor er Neville davon abhalten konnte, hatte der schon „Ron“ geantwortet.

Monikas Augen wurden groß.

„Oh, ist ihm was passiert? Ich hab davon gehört. Er hat bestimmt mit diesem Riesen gekämpft, oder?“

„Ja, um Hermine das Leben zu retten.“, versetzte Harry ihr giftig. „Und er ist jetzt auf der Krankenstation und braucht Ruhe.“

„Ich muss zu ihm.“, widersprach Monika und wollte sich schon auf den Weg machen, als Harry sie grob am Arm zurückriss.

„Ich hab doch gesagt er braucht Ruhe.“, zischte er. „Kannst du mich nicht verstehen oder willst du nicht?“

Monika entwand Harry ihren Arm und funkelte ihn an.

„Du bist kein Vertrauensschüler, Potter, ich muss mir von dir gar nichts sagen lassen. Und außerdem wirkst du in deinem Schlafanzug einfach nur lächerlich. Also lass mich zufrieden.“

Mit diesem Worten drehte sie sich auf dem Absatz herum und rauschte in Richtung des Krankenflügels davon.

Wütend starrte Harry ihr nach und hätte ihr auch fast einen Zauber auf den Hals gejagt, wenn Neville ihn nicht zurückgerufen hätte.

„Lass sie doch, Madame Pomfrey wird sie schon zurückscheuchen. Wir haben Ron versprochen, dass wir seinen Job machen. Also komm jetzt.“

Der drängende Ton in Nevilles Stimme brachte Harry schließlich wieder zur Vernunft. Aber insgeheim schwor er sich, dass er sich dafür noch revanchieren würde. Das letzte Wort zwischen ihm und Monika war noch nicht gefallen. Und wenn er ehrlich war, tat es ihm dann auch um das Quidditch-Spielen nicht mehr besonders leid.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Medialuna
2005-07-06T18:45:43+00:00 06.07.2005 20:45
Genau wie bei HDZ hab ich mir bei deiner FF den Kommi aufgehoben um dir einfach mittendrin einen kleinen Ansporn zu geben. Zwar ist es jetzt wirklich ein bisschen her, dass ich das Kapi gelesen habe, aber einige Szenen sind mir noch gut im Gedächtnis.

Harry wirkt ja ganz schön fertig, und mir hat sehr gefallen, das du seine Höhen und Tiefen zeigst. Vorallem, dass er nicht immer der Held sein kann, sondern eigentlich auch nur ein normaler Junge ist der in diese Rolle gedrängt wurde. Sie zwar oft hervorragend meistert, aber er ist eben nicht perfekt. Und das es mal eine Situation gibt, in der er nichts tun kann...hast du echt gut gemacht.
Die Szene mit Ginny hat mir auch sehr gefallen, ich mag die beiden einfach. Ob sie in FFs nun ein Paar sind oder nur Freunde.

Da ich gern konstruktiv kritisiere wollte ich noch anmerken, dass ich zur Zeit das Gefühl habe, dass in den letzten Kapiteln die Geschichte immer mehr stagniert. Ich meine, dass sie eben nicht so schnell vorrangeht, vorallem was das Geheimnis dieses ominösen Schatten betrifft. Würde mir wünschen da bald mehr zu erfahren.
Dafür bist du zwar mehr auf das Innere Harrys eingegangen, er wandelt sich ja immer mehr, schottet sich ab usw. Doch er ist dem Geheimnis des Schattens eben nicht näher gekommen.
Bin eben einfach gespannt was du dir da ausgedacht hast^^

Gehörst für mich einfach zu den guten FF-Schreibern die ich kenne und ich kann kaum erwarten, dein nächsts Kapi zu lesen. Ich erwarte, dass es schon mind. zu 80% geschrieben ist ^-~!!! Also halt dich ran. Solange du Leser hast, hast du auch Verantwortung^_^

...Hoffe du konntest meinen wirren Gedankengänge folgen...

*ganz doll knuddel*

Luna-chan
Von: abgemeldet
2005-06-10T19:15:44+00:00 10.06.2005 21:15
hey,
hab die story erst jetzt gelesen, find sie ganz toll!
schreib schnell weiter
könntest du mir dann vielleicht bitte bescheid geben, wenn ein neues kapitel on ist???
danke
lg schpinnchen
Von: abgemeldet
2005-06-10T15:54:01+00:00 10.06.2005 17:54
Also irgendwie wird mir Harry immer unsympathischer ^^
Auch die wirklich süße Szene mit Ginny reißt es nimmer raus. Dafür finde ich Monika sehr sympathisch, und obwohl ich mich mit HP so gar nicht auskenne, würde sich spontan sagen: die passt zu Ron. Auch so als mütterlicher resoluter Typ.

Zusammen?? Neee, wir haben nichts zusammen ausgearbeitet, das Lob gebührt alleine dir. Ich habe nur mal drüber geguckt, und viel zu kritisieren gab es - wie immer bei dir - eh nicht.

Freu mich auf die Fortsetzung...

Redhead

P.S.: Irgendwo hast du "Hysterisch Ziege" geschrieben und "art" statt Bart. Mehr ist mir an Korinthen nicht aufgefallen.
Von: abgemeldet
2005-06-10T10:29:39+00:00 10.06.2005 12:29
super, so ein langes chap!!!*beifall klatsch*
ich weis gar nicht, was ich sagen soll!

fangen wir mal am anfang an.
gin denkt -meiner meinung nach- ähnlich wie harry, also, dass er "nur" sowas wie ein großer bruder für sie ist und nicht mehr oder zumindest will sie sich das einreden!? is meine meinung dazu.

das mit grawp war ja auch schocking!harry hat in diesem chap die rolle des, wie soll man sagen?, pessimistischen und schlechtgelaunten teenagers übernommen, was mir sehr gut gefallen hat, ich an manchen stellen jedoch schon fast übertrieben fand. die szene mit siri bzw. seinem schatten, gibt mir zu denken und auch hoffnungen.

nun ja, ich glaube, das war bis jetzt mein längstes kommi ever^^ ich hoffe, es ist nicht zu unlogisch und einigermaßen nachvollziehbar...
freu mich schon aufs nächste chap!

bye
mio
Von: abgemeldet
2005-06-09T11:13:58+00:00 09.06.2005 13:13
Krass, ERSTE!!!!!!!!!!! *ggg*

Geiles Kap!
Das letzte Wort zwischen Monika und Harry ist wirklich noch nicht gesprochen!^^
Ich mag diesen Charakter irgendwie.... so schön aufbrausend und eigensinnig! *g* Hey und wie gesagt, gegen ein bisschen Kitsch hab ich echt nix, aber wo war der denn abgeblieben???? ^_______^ Ich fand die Szene super!
Aber irgendwie ist Harry schon nen bisschen grantig zu Monika gewesen! Komisch, aber doch nachvollziehbar!^^

Schreib bitte schnell weiter!

*knuddel*
Itako

Ps: Danke für die Benachrichtigung!=^.^=


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