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So einfach

Yamato Ishida x Taichi Yagami / Hiroaki Ishida x Yamato Ishida
von

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Mit einer Zigarette in der Hand sitze ich an meinem Fenster und schaue abwesend in die Dunkelheit der Nacht. Ein leichtes Frösteln durchfährt meinen Körper, obwohl angenehm warme Frühlingstemperaturen herrschen. Der Notarzt sprach klare Worte, als er mir vorwarf, dumm, unreif und unverantwortlich gehandelt zu haben, indem ich Taichi auf kalten Entzug setzte. Sein Immunsystem sei durch den massiven Alkoholkonsum und seine inzwischen allgemein ungesunde Lebensweise ohnehin schon sehr geschwächt. Er verschrieb ihm ein stärkeres Fiebermittel, als ich meinem Freund zuvor verabreichte, und gab mir genaue Weisungen bezüglich der Anwendung. Zu der Zeit sah der Arzt noch keine Notwendigkeit für eine Einweisung, sollte das Medikament jedoch nicht anschlagen und das Fieber bis morgen nicht sinken, wäre es ratsam, Tai doch ins Krankenhaus zu bringen. Bevor mein Freier nach Hause zu seiner Familie fuhr, besorgte er noch das Medikament und für mich einige Schachteln Zigaretten, damit ich bei Taichi bleiben konnte. Ich nehme einen tiefen Zug von der fast heruntergebrannten Zigarette und werfe den Filter aus dem Fenster. Sofort zünde ich mir eine weitere Zigarette an. Ich sehne mich nach der Wirkung von GHB oder Heroin, denn Nikotin ist kein besonders guter Ersatz. Egal, wie viel ich rauche, ich werde nicht ruhiger, ich fühle mich nicht besser, ich nehme die Realität noch immer wahr. Aber von meinem Freier werde ich, bei allem Verständnis, nichts bekommen. Dafür ist es noch zu früh. Zwar weiß ich, wie ich auch so an Stoff herankomme, dann allerdings würde ich mein Versprechen brechen und ihn hintergehen. Es wäre charakterschwach, meinem Freier auf diese Weise für seine Hilfe zu danken. Zum wiederholten Mal ziehe ich an meiner Zigarette. Mein Blick schweift ziellos durch den Raum und bleibt an meinem Freund haften. Das Fieber scheint zu sinken, da er relativ ruhig schläft. Ich stehe auf, werfe die Zigarette in die Finsternis und schließe das Fenster. Leise durchquere ich mein Zimmer, setze mich zu Taichi auf das Bett und streiche ihm leicht durch die Haare. Er fühlt sich nicht mehr ganz so warm an. Ich nehme das Thermometer von meinem Nachtschrank und messe seine Körpertemperatur. Erleichtert stelle ich fest, dass sein Fieber tatsächlich gesunken ist. Müde lege ich mich neben ihn und starre zur Decke.

„Endlich habe ich begriffen, dass ich nicht die richtige Person bin. Ich kann dir nicht helfen, Taichi. Ich kann dich nicht auffangen, wenn du fällst, und nun bin ich froh, dass ich nie den Mut aufbrachte, dir das Lied vorzuspielen, welches ich vor einiger Zeit für dich schrieb.“
 

Gedankenversunken setze ich Wasser auf, um Tee für meinen Freund zuzubereiten. Es ist wichtig, dass er viel Flüssigkeit zu sich nimmt, aber er trinkt eindeutig zu wenig. Vielleicht hat er genug von Wasser und ich hoffe, ihm mit Tee etwas Abwechslung geben zu können. Seit der Notarzt vorgestern hier war, ging das Fieber durch das Medikament tatsächlich kontinuierlich zurück, doch seit gestern Abend hält es sich konstant bei 38,1°C. Um die Zeit des Wartens zu überbrücken, zünde ich mir eine Zigarette an und nehme am Küchentisch Platz. Gähnend reibe ich über meine brennenden Augen. Ich überlege, zusätzlich noch eine Kanne Kaffee zu kochen, um der Müdigkeit entgegenzuwirken. Seit Tagen schmerzt mein Kopf, ein starkes Stechen vorwiegend auf der linken Seite. Tai versteckte meine Tabletten, zwar suchte ich danach, fand sie aber nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn er sie entsorgt hat. Meinen Freier traue ich mich nicht zu fragen, ob er mir Schmerzmittel mitbringt. Ich schätze, er stuft diese derzeit auch als Droge ein und würde mir somit keine zugestehen. Lediglich die Zigaretten lässt er mir und sagt auch nichts zu meinem deutlich ansteigenden Konsum. Er scheint zu wissen, dass ich ansonsten wahrscheinlich durchdrehen würde. Unterschwellig nehme ich wahr, dass ein Schlüssel im Schloss gedreht wird, kurz darauf steht mein Vater im Flur vor der Küche und schaut mich an.

„Yamato, wieso rauchst du in der Küche?“ Sofort drücke ich die Zigarette im Aschenbecher aus.

„Entschuldige“, sage ich beinahe unterwürfig. Ruhigen Schrittes kommt mein Vater auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung.

„Du siehst sehr schlecht aus. Ich halte ja nur noch Haut und Knochen im Arm.“ Ich schiebe meinen Vater bestimmt von mir, gehe zu dem von mir aufgesetzten Wasser, welches inzwischen längst gekocht hat, und bereite den Tee für Taichi zu.

„Schon gut. Mach dir keine Sorgen. Es geht mir gut“, versuche ich meinen Vater zu beruhigen. „Wie konntest du deinen Aufenthalt hier so schnell mit deiner Arbeit abklären?“

„Es war kein Problem, meinen Urlaub in die nächsten drei Wochen zu verlegen.“ Ich rief meinen Vater an, nachdem der Notarzt und mein Freier gegangen waren, und bat ihn, für Taichi zurückzukommen. Vielleicht ist mein Vater die richtige Person. Vielleicht kann er Tai helfen, wenn ich schon nicht dazu in der Lage bin. Immerhin ist er für Tai mehr als eine Vertrauensperson und für mich die einzige Option, die bleibt, um meinen Freund nicht in die Obhut der Klinik geben zu müssen.

„Er ist in meinem Zimmer und müsste auch wach sein. Geh zu ihm. Mit Sicherheit freut er sich dich zu sehen.“ Ich schaffe es nicht, Emotionen in meine Worte zu legen.

„Yamato…“

„Bitte, er braucht dich wirklich!“ Meine Stimme zittert hörbar, obwohl ich versuche es zu unterdrücken. Schweigend verlässt mein Vater die Küche. Tränen tropfen auf meine Hand, mit der ich mich auf der Arbeitsfläche abstütze.
 

Genervt stehe ich in der völlig überfüllten U-Bahn und konzentriere mich darauf, mein Ekelgefühl zu unterdrücken, indem ich mich der Musik hingebe, die mich über meine Kopfhörer beschallt. Dadurch, dass mein Vater seit gestern wieder zu Hause ist, habe ich die Möglichkeit, endlich zur Uni zu gehen. Ich werde viel nachholen müssen, da ich bereits die ersten fünf Wochen wegen der begonnenen und abgebrochenen stationären Therapie sowie Taichis Entzug verpasst habe. Zudem fällt es mir schwer, nach längerer Zeit wieder in der Öffentlichkeit und unter Menschen zu sein. Sogleich werde ich auch daran erinnert, warum ich diese so sehr hasse. Unfreiwillig muss ich mit ansehen, wie ein Mann mittleren Alters, der neben mir steht, mit seiner Hand bei einem Mädchen unter den Rock gleitet. Voller Abscheu wende ich mich um und greife ihm schmerzhaft zwischen die Beine. Der Mann, welcher einen Anzug samt Krawatte trägt und somit wie ein Geschäftsmann aussieht, keucht und starrt mich entsetzt an. Ich nehme meine Kopfhörer ab.

„Gefällt Ihnen das?“, frage ich trocken. „Wenn nicht, dann nehmen Sie Ihre dreckigen Finger von dem Mädchen. Oder soll ich Ihnen Ihren kleinen, widerlichen Schwanz abschneiden und Sie so lange in den Arsch ficken, bis Sie sich wünschen, tot zu sein beziehungsweise Sex zur unerträglichen Qual wird? Alpträume werden Sie für den Rest Ihres Lebens verfolgen. Nacht für Nacht müssen Sie die Vergewaltigung erneut über sich ergehen lassen.“ Der Mann steht reglos vor mir, er zittert und der Angstschweiß steht ihm auf der Stirn. Obwohl einige Fahrgäste auf den Vorfall aufmerksam geworden sind, nimmt niemand wahr, dass ich mein Klappmesser aus der Jackentasche holte und dem Mann nun an sein Geschlechtsteil presse, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. Ich stehe so dicht vor ihm, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüre. Übelkeit schnürt meine Kehle zu, aber ich muss mich zusammenreißen und darf mir nichts anmerken lassen. „Ich rate dir, dich so schnell wie möglich zu verpissen, sonst kann ich für nichts garantieren, perverser Wichser!“ Als die U-Bahn an der nächsten Station hält und die Türen sich öffnen, drängelt sich der Mann panisch durch die Menge, steigt aus und verschwindet in der Masse von Menschen aus meinem Blickfeld. Behutsam klappe ich das Messer wieder zusammen und verstaue es ungesehen in meiner Jackentasche.

„Vielen Dank“, spricht mich das Mädchen plötzlich an. Ich erschrecke leicht und schaue sie irritiert an. Seltsamerweise habe ich sie total vergessen, obwohl sie der Auslöser für mein Verhalten war. Die Situation ließ mich handeln ohne zu denken, verzerrte die Realität und löste eine unterschwellige, unbestimmte Panik in mir aus.

„Schon gut“, entgegne ich knapp und setze meine Kopfhörer wieder auf, um ein mögliches Gespräch von Anfang an zu verhindern. Einige Stationen später muss ich aussteigen und noch ein Stück zu Fuß gehen. Warum suchte ich mir ausgerechnet eine Uni am anderen Ende der Stadt aus? Treppenstufe um Treppenstufe schleppe ich mich nach oben. Das Pulsieren in meinem Kopf wird fast unerträglich. Dann laufe ich durch eine Allee von Kirschbäumen, welche jedoch längst verblüht sind. Zum Kirschblütenfest ist dies einer der beliebtesten Orte in Tokyo, an denen das obligatorische Picknick stattfindet. Der Anblick der rosafarbenen und weißen Blüten ist tatsächlich wunderschön, aber leider nur von sehr kurzer Dauer. Heute ist es recht warm, die Sonne scheint zwischen einigen Wolken hindurch. Laut Wetterbericht soll es am Nachmittag regnen. Bevor ich das Unigelände betrete, weise ich mich zunächst beim Pförtner als Student dieser Universität aus. Dann blicke ich mich kurz um und versuche mich zu orientieren. Ich schätze, es wäre von Vorteil gewesen, wenigstens zur Einführungsveranstaltung anwesend zu sein.

„Yamato?“ Verwundert darüber, meinen Namen zu hören, drehe ich mich in die Richtung, aus der die Stimme kam.

„Sora?“
 

Unsicher laufe ich durch die Flure der Schule auf der Suche nach dem Lehrerzimmer. Ich hätte doch am Tor warten sollen. Ohne Uniform falle ich auf und wie ein Mittelschüler sehe ich auch nicht unbedingt aus. Da die Schulen oft jedoch einen ähnlichen Aufbau haben, gehe ich zuerst den Weg, der in meiner damaligen Schule zum Lehrerzimmer führt. Die Gänge sind weitestgehend leer, da der Unterricht offenbar inzwischen beendet ist und die AGs bereits begonnen haben. Beim Vorbeigehen schaue ich in einen der Klassenräume, da die Tür offen steht. Überrascht verharre ich in meiner Bewegung und vergewissere mich, dass ich nicht nur einer Täuschung meiner Augen zum Opfer fiel. Mein Freier steht mit dem Rücken an das Lehrerpult gelehnt und unterhält sich angeregt mit einem Jungen, der einer seiner Schüler zu sein scheint. Die beiden gehen sehr vertraut miteinander um, es werden oft flüchtige, scheinbar zufällige Berührungen ausgetauscht und der Blickkontakt ist nie länger als ein paar Sekunden unterbrochen. Ich beobachte die Situation eine Weile aus der Ferne, doch bevor ich mich bemerkbar machen kann, sieht mein Freier plötzlich in meine Richtung. Kurz stutzt er, doch dann legt sich ein Lächeln auf seine Lippen.

„Yamato“, spricht er mich liebevoll an. „Warte bitte einen Moment.“ Er wendet sich wieder dem Jungen zu, der mich argwöhnisch mustert. „Geh jetzt in deine AG, dort wirst du sicher schon erwartet. Wir sehen uns morgen.“ Der Kleine nickt und während er an mir vorbeigeht, um den Raum zu verlassen, fixiert er mich mit seinen Augen. „Schließ bitte die Tür, Yamato, und komm her.“ Ich handle gemäß seiner Aufforderung und bleibe dicht vor meinem Freier stehen.

„Haben Sie Sex mit dem Jungen?“, frage ich unvermittelt und direkt.

„Nein, natürlich nicht.“

„Aber Sie wollen ihn vögeln und haben es in Ihrer Fantasie auch getan, nicht wahr?“

„Was soll das?“, fragt mein Freier eher belustigt. „Bist du eifersüchtig?“

„Ich fand Ihr Verhältnis zueinander nur sehr innig, das ist alles.“ Mein Gegenüber streichelt flüchtig über meine Wange.

„Du bist so süß, mein kleiner Liebling. Gehen wir an einen Ort, der weniger öffentlich ist, einverstanden?“

„Aus diesem Grund wollte ich ursprünglich zu Ihnen. Mein Vater ist wieder zu Hause. Ich bat ihn, zurückzukommen, in der Hoffnung, dass er Taichi mehr helfen kann als ich. Es wäre also besser, wenn wir uns in den nächsten drei Wochen nicht bei mir treffen.“

„In Ordnung, dann gehen wir ins Hotel. Oder willst du nicht?“

„Doch.“ Schüchtern berühre ich seine Hand und schaue zu Boden. „Bitte besorgen Sie es mir richtig hart. Ich will Sie danach zu Hause noch spüren können“, flüstere ich verlegen. Traurig küsst mein Freier meine Stirn.

„Ich liebe dich, mein süßer Schatz, und ich wünschte, ich könnte dir deine Einsamkeit nehmen und die Leere in deinem Inneren füllen. Zwar kann ich dir den Schmerz geben, den du brauchst, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Dinge, die ich mit dir mache, eher kontraproduktiv sind.“

„Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, der Schmerz ist das Einzige, was mich momentan noch am Leben hält.“

„Das ist nicht wahr, Yamato. Und das weißt du eigentlich auch“, erwidert mein Freier in verständnisvollem Ton. „Gehst du schon zum Ausgang? Ich muss noch einmal ins Lehrerzimmer.“ Mit einem Nicken bestätige ich seine Aussage. Leicht drücke ich seine Hand, bevor ich sie loslasse.

„Bis gleich.“ Wie fremdgesteuert mache ich mich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Obwohl die Sonne von dichten Wolken verdeckt wird, ist es nicht sehr viel kälter als heute Vormittag. Der vom Wetterbericht prophezeite Regen fiel noch nicht. Ich hole eine Schachtel Zigaretten aus meiner Jackentasche, stecke sie jedoch sofort wieder weg, als mir bewusst wird, dass ich mich noch immer auf dem Gelände einer Mittelschule befinde. Seufzend schaue ich auf den Asphalt vor mir. Ob Taichi und mein Vater meine Abwesenheit nutzen, um miteinander zu schlafen? Merkwürdigerweise empfinde ich selbst bei diesem Gedanken nichts, nicht einmal Eifersucht oder Verlustangst. Unerwartet eine Hand auf meiner Schulter zu spüren lässt mich leicht zusammenzucken.

„Was hältst du davon, wenn wir vorher noch irgendwo etwas essen?“, schlägt mein Freier vor, während wir zu seinem Auto laufen. „Sicher hast du heute noch nichts zu dir genommen, oder?“ Ich schweige, doch das ist für ihn Antwort genug. „Glaub mir, du wirst die Energie anschließend brauchen.“ Mit einem Lächeln, auf welches er mit seiner Bemerkung zu hoffen schien, öffne ich die Fahrzeugtür und steige ein.

„Yamato.“ Ich schaue hinaus zu meinem Freier, doch der beugt sich zu mir und küsst mich. Zurückhaltend erwidere ich das kurze Zungenspiel. Er löst sich ungewöhnlich schnell von mir, vermutlich weil wir uns noch in der Nähe seiner Schule befinden, und steigt ebenfalls, auf der Fahrerseite, ein. Ich lehne meinen Kopf gegen die Scheibe und richte meinen Blick nach draußen, ohne die Umgebung wirklich zu registrieren.

„Ich will nicht nach Hause“, sage ich abwesend. Besorgt legt mein Freier seine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelt sanft darüber. Dann startet er den Wagen.
 

Erschöpft und mit dröhnenden Kopfschmerzen schließe ich die Wohnungstür auf. Mein Freier hielt Wort, ich spüre seine Berührungen noch immer intensiv auf meiner Haut. Er ging grob mit mir um, genau wie ich es wollte und wofür ich ihm sehr dankbar bin. Es ist spät geworden. Im Flur stelle ich meine Tasche an die Seite und ziehe meine Schuhe aus. Als ich mich meiner Jacke entledige, erblicke ich meinen Vater, der im Türrahmen des Wohnzimmers lehnt.

„Wo warst du so lange?“, fragt er weniger vorwurfsvoll als besorgt.

„Unterwegs“, antworte ich knapp und gehe in die Küche, um Kaffee zu kochen. Nach wie vor habe ich die Hoffnung, die Kopfschmerzen durch das Koffein etwas eindämmen zu können. Zwar besorgte ich mir auf dem Weg von der Uni zur Schule meines Freiers Schmerz-und Schlafmittel, möchte sie jedoch nicht vor den Augen meines Vaters einnehmen. Dieser folgte mir in die Küche. Behutsam legt er seine Hand auf meine Schulter, welche ich allerdings sofort wegschlage. „Nicht anfassen!“, weise ich meinen Vater mit Nachdruck zurecht, während ich Kaffeepulver in die Filtertüte fülle. Argwöhnisch nimmt er Abstand von mir und setzt sich auf einen der Stühle.

„Warum bist du so verschlossen und abweisend?“

„Bin ich nicht“, versichere ich kühl und schalte die Kaffeemaschine ein. Anschließend gehe ich an meinem Vater vorbei, um die Küche zu verlassen, werde von diesem jedoch am Handgelenk zurückgehalten.

„Ich fand auf deinem Schreibtisch einen Brief vom Gericht, in dem du als Zeuge vorgeladen bist. Was ist passiert und warum hast du mir davon nichts erzählt?“

„Und warum liest du einfach meine Post?“, entgegne ich missbilligend.

„Wenn ich auf deinem Schreibtisch einen Brief vom Gericht liegen sehe, schaue ich natürlich nach, worum es geht. Schließlich bin ich dein Vater und noch immer erziehungsberechtigt.“

„Es ist nichts passiert. Lass mich los!“ Wider Erwarten gibt mein Vater mich tatsächlich frei.

„Taichi geht es schon etwas besser. Seine Temperatur ist nur noch leicht erhöht“, ruft mein Vater mir nach. Für einen Augenblick bleibe ich stehen, dann verlasse ich die Küche, ohne auf die Worte meines Vaters zu reagieren. Im Flur nehme ich meine Tasche und gehe in mein Zimmer. Der Fernseher läuft, aber mein Freund scheint eingeschlafen zu sein. Als ich das Gerät ausschalte, wacht er auf und blinzelt mich müde an.

„Du kommst spät“, bemerkt er. Seine Stimme klingt rau, ein wenig kratzig.

„Ja“, bestätige ich nur und knöpfe mein Hemd auf. Schweigend beobachtet mich Taichi dabei. Spuren von dem schonungslosen Sex mit meinem Freier dürften noch nicht sichtbar sein.

„Du bist schrecklich dünn geworden. Wenn ich dich anfasse, muss ich Angst haben, dich zu zerbrechen.“

„Dann fass mich nicht an“, werfe ich ihm gleichgültig an den Kopf. Eine Bemerkung bezüglich seiner körperlichen Beziehung zu meinem Vater schlucke ich hinunter. „Außerdem siehst du nicht besser aus, also lass mich in Ruhe.“ Mein Freund betrachtet mich sorgenvoll.

„Hast du schon mit deinem Vater gesprochen?“

„Kurz.“

„Also hast du es ihm nicht gesagt“, stellt er bekümmert fest. Ich gehe zu meinem Schreibtisch und verstaue den Brief in einem der Schubfächer.

„Was?“, frage ich mit leicht genervtem Unterton, nehme von meinem Tisch eine Zigarettenschachtel samt Feuerzeug und zünde mir am Fenster eine Zigarette an. Tai richtet sich auf und fixiert mich mit seinem Blick.

„Dass du von dem Sportlehrer vergewaltigt wurdest.“

„Warum sollte ich meinem Vater davon erzählen? Es war keine Vergewaltigung, sondern nur ein beschissener Job. Immerhin wollte ich unbedingt in der Turnhalle für 1000 Yen von diesem Wichser gevögelt werden.“ Der Rauch entweicht meinen Lippen und ich ziehe erneut an der Zigarette.

„Yamato, was ich damals sagte…“

„Vergiss es einfach, okay?“, unterbreche ich meinen Freund unwirsch. „Mir ist egal, ob du deine Bemerkung zu dem Vorfall ernst meintest oder nicht. All das ist ohnehin nicht wichtig.“

„Doch, Yamato. Deshalb habe ich deinem Vater gesagt, was passiert ist.“ Ich schaue weiterhin nach draußen in die Dunkelheit der Nacht. Tief inhaliere ich den Rauch, bis meine Lungen schmerzen.

„Mit welchem Recht mischst du dich in meine Angelegenheiten ein, Taichi Yagami?“, frage ich ruhig.

„Dein Vater fand den Brief und stellte diesbezüglich Fragen. Sollte ich ihn anlügen?“

„Nein. Schon gut. Ich stelle es richtig.“ Den Filter werfe ich aus dem Fenster, bevor ich durch den Raum zur Tür laufe.

„Hör auf damit. Es gibt nichts richtigzustellen.“ Taichi klingt aufgebracht.

„Mein Vater meinte, dir ginge es besser. Das freut mich“, bringe ich ihm lieblos entgegen und schließe die Tür hinter mir. In der Küche fülle ich Kaffee in eine Tasse, mit welcher ich dann ins Wohnzimmer gehe. Wie erwartet sitzt mein Vater auf dem Sofa, seinen Kopf mit der Stirn auf die Hände gestützt, zwischen den Fingern eine Zigarette.

„Wieso rauchst du hier?“, gebe ich seine Frage von vorhin zurück. Mein Vater sieht auf.

„Yamato.“ Ich nehme neben ihm auf dem Sofa Platz, trinke einen Schluck Kaffee und stelle die Tasse auf den Tisch.

„Was Taichi dir erzählte, entspricht nicht der Wahrheit. Es stimmt, dass dieses Arschloch Schüler vergewaltigte, mich jedoch bezahlte er für meine Dienste.“ Traurig schließt mein Vater die Augen und atmet tief durch.

„Du hast dich sehr verändert. Dein Verhalten gibt Grund zur Besorgnis. Warum hast du die Therapie abgebrochen?“ Ein paar Mal zieht mein Vater intensiv an seiner Zigarette, dann drückt er sie im Aschenbecher aus.

„Weil ich es nicht mehr aushielt. Außerdem bildete ich mir zu diesem Zeitpunkt noch ein, dass Taichi mich braucht“, sage ich voller Bitterkeit.

„Er braucht dich, Yamato!“

„Nein. Er braucht dich. Seit du da bist, geht es ihm besser.“

„Du allein hast dich die ganze Zeit um ihn gekümmert und nicht aufgegeben.“

„Allein hätte ich gar nichts tun können.“

„Wie meinst du das?“ Mein Vater ist sichtlich irritiert.

„Der Mann, den du verurteilst, weil er mit mir ins Bett geht, hat mir sehr geholfen. Dank ihm bin ich seit fast zwei Monaten drogenfrei. Egal worum es geht, er ist immer für mich da.“ Am Gesichtsausdruck meines Vaters erkenne ich, dass meine Aussage ihn schmerzlich getroffen hat.

„Du fühlst dich alleingelassen, hab ich recht?“ Ich antworte nicht und zünde mir stattdessen eine Zigarette an. Für eine Weile herrscht unangenehmes Schweigen im Raum.

„Papa“, unterbreche ich schließlich die Stille. „Vielleicht sollte ich für die Zeit, die du hier bist, bei Mama schlafen.“ Bestürzt sieht mein Vater mich an.

„Mit welcher Begründung?“

„Ich ertrage die Nähe von dir und Taichi momentan nicht“, antworte ich schonungslos ehrlich.

„Aber warum?“, will mein Vater verzweifelt wissen und streckt seine Hand nach mir aus.

„Nicht anfassen, sagte ich!“ Meine unmissverständliche Zurechtweisung scheint meinen Vater nicht zu interessieren, denn er zieht mich trotzdem an sich. Instinktiv halte ich die Zigarette weg von unseren Körpern.

„Fass mich nicht an!“, schreie ich und versuche mich zu befreien. Ungeachtet dessen legt mein Vater seine Arme um mich und nimmt mir jegliche Bewegungsfreiheit.

„Ich möchte jetzt wissen, warum du dich so sehr zurückziehst und weder Taichi noch mich an dich heranlässt.“

„Es gibt keinen Grund. Und jetzt lass mich los, verdammt!“

„Nein!“

„Meine Zigarette ist fast heruntergebrannt“, argumentiere ich nahezu panisch.

„Streck deinen Arm aus. Bis zum Aschenbecher kommst du. Lass die Zigarette einfach fallen, sie geht irgendwann von allein aus.“

„Du widerst mich an!“, beschimpfe ich ihn hasserfüllt. Erschüttert gibt mein Vater auf und starrt mich wie gelähmt an. Ich nutze die Gelegenheit, um meine Zigarette auszudrücken. Ohne weiter auf meinen Vater zu achten, gehe ich aus dem Zimmer. Im Flur knöpfe ich mein Hemd zu, welches ich ursprünglich ausziehen wollte, um ins Bett zu gehen, ziehe hastig meine Schuhe und meine Jacke an, nehme den Schlüssel von der Kommode und verschwinde fluchtartig aus der Wohnung, in der ich mich so schutzlos wie nie zuvor fühle.
 

Reglos sitze ich in einer Gasse des Stadtteils Shibuya an eine Hauswand gelehnt und starre auf meine Schuhe. Es ist merkwürdig, aber immer, wenn ich nicht weiß, wohin ich gehen soll, zieht es mich in das Viertel der Lovehotels. Was hoffe ich, hier zu finden? Ablenkung in Form von schnellem Sex, nach dem ich mich noch beschissener fühle? Oder will ich mich damit bestrafen? Zu meiner Mutter konnte ich nicht gehen, da mein Vater mich dort vermutlich zuerst sucht. Die Adresse meines Freiers kennt er nicht, weshalb hier sein nächster Anlaufpunkt sein wird. Es wäre also besser, nicht allzu lange in Shibuya zu verweilen. Allerdings brauche ich Geld. In meiner Hosentasche hatte ich nur ein paar Yen, welche ich für die U-Bahn-Fahrkarte benötigte. Zum Glück dürfte es in dieser Gegend kein Problem sein, jemanden zu finden, der für Sex bezahlt. Ich zittere leicht und verfluche mich, nicht daran gedacht zu haben, wenigstens Zigaretten mitzunehmen. Zu kopflos verließ ich die Wohnung, um vor Taichis und meines Vaters Nähe zu fliehen. Seufzend ziehe ich meine Knie dichter an meinen Körper und lege meine Arme darum.

„Hey, Kleiner. Du siehst so traurig aus. Ich habe etwas, womit es dir garantiert gleich besser geht.“ Ein junger Mann, vermutlich etwas älter als ich, steht vor mir und schaut mich erwartungsvoll an. Ich senke meinen Blick und betrachte wieder meine Chucks.

„Nein, danke“, antworte ich, obwohl alles in mir nach bewusstseinsverändernden Substanzen verlangt. Der Fremde hockt sich vor mich. Ich schaue ihn an. Er ist gutaussehend und scheint vor allem sehr selbstbewusst zu sein.

„Wow, ich glaube, du bist der erste Stricher, den ich kennen lerne, der keine Drogen konsumiert. Du bist doch ein Stricher, oder?“

„Ja“, gebe ich offen zu. Mein Gegenüber lächelt.

„Treibst du es mit jedem?“ Ich begegne ihm ebenfalls mit einem Lächeln, freudlos, kühl.

„Wieso, hast du Interesse?“

„Naja, du bist süß und wirkst ziemlich verloren. Das weckt Beschützerinstinkte. Ich wette, du lässt es dir überwiegend von älteren Männern besorgen.“

„Stimmt. Allerdings…“ Unerwartet beugt der Fremde sich vor und schiebt mir seine Zunge in den Mund. Irritiert erwidere ich den fordernden Kuss. Als der junge Mann sich nach einer Weile von mir löst, kramt er in seiner Hosentasche.

„Ja, du gefällst mir sehr.“ Mit einer Hand greift er in meinen Nacken und stopft mir etwas in den Mund. „Lutsch meinen Schwanz. Wenn du deine Arbeit gut machst, lade ich dich danach auf einen Drink ein.“ Ungläubig starre ich auf den 10000-Yen-Schein, den ich gerade ausgespuckt habe. „Heute Nacht gehörst du mir. Sei schön lieb und du bekommst noch mehr.“

„Du dealst nicht, weil du Geld brauchst, oder?“, bemerke ich nüchtern.

„Genau, du hast es erfasst, mein Hübscher. Mit den Drogen mache ich süße Strichjungen wie dich gefügig und von mir abhängig. Um Geld geht es mir nicht, davon habe ich genug.“ An seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass der Fremde nicht scherzt.

„Heißt das, ich sollte mich vor dir in Acht nehmen?“

„Vielleicht solltest du das. Falls es dafür nicht schon zu spät ist. Aber jetzt wirst du mir erst einmal einen blasen.“ Er setzt sich neben mich, lehnt sich entspannt mit dem Rücken gegen die Wand und öffnet seine Hose. „Und du wirst schlucken, verstanden?“

„Ja.“ Gewohnheitsmäßig und teilnahmslos beuge ich mich hinab, streiche meine Haare hinter die Ohren und befolge seinen Befehl. Die Atmung des Dealers wird schwerfälliger, dann vernehme ich lauter werdendes Stöhnen. Bevor er abspritzt, hält er meinen Kopf fest und stößt sich schmerzhaft tief in mich. Sein Sperma läuft direkt meine Kehle hinab. Ich kann kaum schlucken, da mein Mund bis zu meinem Rachen mit seinem Schwanz ausgefüllt wird. Als er sich endlich aus mir zurückzieht, muss ich würgen und stark husten. Es tut weh.

„Nicht schlecht, Kleiner. Man merkt, dass du Erfahrung hast. Nur das Schlucken fällt dir schwer, nicht wahr?“

„Kann sein“, entgegne ich monoton. Ich brauche eine Zigarette. Mir kommt das zugesteckte Geld in den Sinn und ich stehe langsam auf. Der Fremde erhebt sich ebenfalls und schließt seine Hose.

„Wohin…“

„Zigaretten.“

„Also doch nicht ganz drogenfrei“, grinst er. „Willst du wirklich nichts anderes ausprobieren?“

„Und mich von dir abhängig machen? Du selbst hast mich vor dir gewarnt. Es bleibt bei dem Nein.“ Völlig unangebracht lacht mein Begleiter.

„Hier entlang. Ein Freund von mir besitzt dort vorn eine Bar.“

„Ich bin noch nicht volljährig“, wende ich ein.

„So siehst du auch nicht aus. Wie alt bist du? Sechzehn? Siebzehn?“

„Neunzehn.“

„Du wirkst jünger.“

„Ich weiß“, murmle ich und ziehe eine Schachtel Zigaretten aus einem Automaten, der neben einer Reihe Getränkeautomaten steht.

„Woher hast du den TASPO?“

„Von meinem Vater. Hast du Feuer?“

„Nein, aber wir sind auch schon beim Club meines Freundes. Da gibt es zumindest Streichhölzer.“ Ich betrete zuerst die Räumlichkeit. Offenbar hat mein Begleiter Angst, dass ich es mir anders überlege und weglaufe. Das Licht ist abgedunkelt, als Sitzgelegenheiten dienen gemütlich aussehende Sofas. Der Club ist gut gefüllt und meine Vermutung bezüglich des Etablissements bestätigt sich, denn es sind ausschließlich Männer zugegen. Wir nehmen am Tresen Platz und ich zünde mir die lang ersehnte Zigarette an.

„Na, wer besucht mich denn hier?“ Freundschaftlich begrüßen sich die beiden Männer. „Und schon wieder hast du dir einen Strichjungen zu eigen gemacht.“

„Noch nicht ganz“, lacht mein Begleiter und wirft mir einen merkwürdigen Blick zu, den ich nicht deuten kann. Der Freund von ihm betrachtet mich genauer, wobei er näher kommt.

„Stimmt, du hast ihn nicht unter Drogen gesetzt“, stellt er verblüfft fest.

„Er wollte nicht“, klärt der Dealer ihn auf.

„Ein Stricher, der sich nicht zudröhnt?“ Der Barkeeper wirkt überrascht. „Das ist selten.“ Er mustert mich interessiert. „Bist du so wählerisch oder wie hältst du es ohne Drogen aus, die dreckigen Schwänze von alten Säcken zu lutschen, geschweige denn dich von ihnen vögeln zu lassen?“ Statt mich zu der Aussage zu äußern, ziehe ich an meiner Zigarette. „Gesprächig ist der Kleine nicht gerade.“

„Dabei ist er mit dem Mund eigentlich ganz gut.“ Mein Begleiter grinst mich süffisant an.

„Schon verstanden.“ Schmunzelnd wendet sich der junge Mann hinter der Bar von mir ab. „Ich mache euch etwas zu trinken. Das Übliche?“ Die Frage richtet sich an seinen Freund.

„Natürlich“, bestätigt der.

„Warum machst du andere von Drogen und somit von dir abhängig?“, möchte ich wissen, ohne eine Wertung in meine Stimme zu legen.

„Wenn mir ein Junge gefällt, will ich Macht über ihn besitzen. Er soll mir hörig sein.“ Ein kaltes Lächeln huscht über meine Lippen.

„Das ist schon ein wenig krank, findest du nicht?“ Als Antwort packt er mich unsanft am Hinterkopf, nimmt mir die Zigarette aus der Hand und hält sie dicht an meine Wange, sodass ich die Hitze spüren kann.

„Krank wäre, wenn ich die jetzt in deinem hübschen Gesicht ausdrücken würde.“ Ich blicke ihm fest in die Augen. „Du bist wirklich ungewöhnlich. Entweder hast du aus irgendeinem Grund keine Angst oder du kannst verdammt gut bluffen.“ Mich beobachtend drückt er die Zigarette im Aschenbecher aus.

„Warum sollte ich Angst haben?“, fordere ich ihn unbeeindruckt heraus. Der Barkeeper stellt uns zwei Gläser auf den Tresen.

„Mein Spezialdrink nur für euch. Lasst es euch schmecken.“ Ich bekomme mit, dass er seinem Freund zuzwinkert, und lächle.

„Spezialdrink heißt in meinem Fall mit GHB versehen, nehme ich an.“ Die beiden Jungs tauschen kurz einen vielsagenden Blick.

„Du gefällst mir wirklich immer mehr. Ich will dich und ich werde dich bekommen.“

„Warum versuchst du mich mit Hilfe von Drogen willenlos zu machen? Ich lasse dich auch so ran. Oder fickst du gern wehrlose Jungs, die ohne Bewusstsein sind?“

„Vielleicht. Und jetzt sei brav und trink, mein Süßer.“

„Ich mag keinen Alkohol.“ Diesen Satz spreche ich mit Nachdruck. Kurz muss ich an Taichi denken.

„Das ist mir egal.“ Bevor ich reagieren kann, hält mein Gegenüber mich fest und setzt das Glas an meine Lippen. „Schluck, wie du es vorhin getan hast.“ Verzweifelt weigere ich mich meinen Mund zu öffnen, was sich als wenig erfolgreich herausstellt. „Ich finde es mutig von dir, so aufmüpfig zu sein und mir Widerstand zu leisten. Umso mehr will ich dich.“ Rücksichtslos drückt er meine Wangen auseinander und flößt mir etwas von dem Getränk ein. Die Flüssigkeit brennt auf meiner Zunge, auch läuft sie mein Kinn hinab und tropft auf meine Kleidung. Grob werden mir der Mund sowie meine Nase zugehalten, sodass ich nach kurzer Zeit gezwungen bin, den Alkohol hinunterzuschlucken. Diese Prozedur wiederholt mein Begleiter, bis das Glas vollständig leer ist. „So ist es gut. War doch gar nicht so schlimm, oder, mein Schatz?“ Erneut zwingt er mich zu einem intensiven Zungenkuss. Mir wird schwindelig und ich spüre allmählich die wohlbekannte, angenehme Wirkung des GHB. Allerdings scheint die Dosierung ziemlich hoch zu sein, da ich bereits langsam in die Bewusstlosigkeit abgleite.

„Elender Bastard“, flüstere ich kraftlos und falle dabei nach vorn in die Arme meines Begleiters.

„Bringen wir ihn nach oben“, höre ich diesen noch sagen, dann wird alles schwarz.
 

Ich öffne meine Augen und erblicke eine fremde Umgebung. Zwar fühle ich mich ausgeruht, aber ich habe keine Erinnerung an die letzte Nacht. Weder weiß ich, was passiert ist, noch, wo ich mich befinde oder wie ich hierher gekommen bin. Da ich allerdings starke Schmerzen im unteren Bereich meines Körpers verspüre, ließ ich mich wahrscheinlich von irgendeinem Freier vögeln. Behutsam richte ich mich ein wenig auf.

„Na, mein Süßer? Zurück aus dem Land der Träume?“ Ich schaue Richtung Tür, aus der ich die Stimme vernahm. Am Holzrahmen lehnt ein junger Mann, dessen Anblick Erinnerungen in mir hervorruft. Ich traf ihn auf der Straße, wir gingen in einen Club und… da war noch ein anderer Mann.

„Hast du mich gefickt?“, frage ich, obwohl ich die Antwort bereits zu kennen glaube. Der Fremde grinst und setzt sich zu mir auf das Bett.

„Mein Freund und ich hatten viel Spaß mit dir.“

„Gleichzeitig?“, hake ich nach, dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt wissen möchte, was diese Männer alles mit mir machten.

„Unter anderem. Wir hatten jedoch Bedenken, dass du zwei Schwänze in dir nicht aushalten würdest, weil du so zierlich bist. Aber du scheinst viel passiven Sex zu haben, denn wir glitten beide relativ leicht in dich, im Gegensatz zu meiner Faust.“

„Du hast mich gefistet?“

„Ja. Spürst du es nicht? Hast du keine Schmerzen in deinem Unterleib?“

„Doch.“

„Eigentlich warst du noch nicht so weit, also benötigte ich etwas Gewalt, um bis zum Beginn meines Unterarms in dich einzudringen.“ Der fremde Mann berührt meine Wange und streichelt sanft darüber. Sein Lächeln ist sehr selbstsicher. „Ich entjungferte dich, denn du hast geblutet.“ Begierig küsst er meine Lippen, drückt meinen Körper dabei zurück auf das Laken und kommt über mich. Interessiert betrachtet er mein Gesicht, streicht über die Stirn meine Haare zurück. „Warum weinst du eigentlich nicht und wirfst mir vor, dich vergewaltigt zu haben?“

„Wozu? Ich erinnere mich nicht, was in der Nacht geschehen ist. Egal, was ihr mit mir gemacht habt und wie pervers es war, ich bekam davon nichts mit. Ohne Bewusstsein empfand ich weder Ekel noch Angst. Was die Schmerzen anbelangt…“

„Die Verletzungen fügst du dir selbst zu, nicht wahr?“ Ich nicke. „Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein kleiner Fixer bist?“

„Wie kommst du darauf, dass ich Heroin spritze?“ Sinnlich gleiten die Finger des jungen Mannes, der noch immer auf mir verweilt, über meine Schulter, meinen Arm entlang, hinab zur Armbeuge.

„Hier sind kaum sichtbare Vernarbungen von Einstichstellen. Jeder, der sich mit der Thematik ein wenig auskennt, würde sehen, dass du ein Heroinjunkie bist. Mit GHB hast du ebenfalls Erfahrung, richtig?“ Schweigend drehe ich meinen Kopf zur Seite, um seinem stechenden Blick auszuweichen. „Verstehe, du bist momentan clean.“ Mit seiner Zunge leckt er über einige Narben auf meinem Oberkörper, tastet sich dann langsam hinab zwischen meine Beine. Tief ziehe ich die Luft ein, bäume mich etwas auf und lege meinen Kopf in den Nacken. Je weiter der Fremde sein Spiel treibt, desto höher wird die Anspannung meines Körpers. Verkrampft kralle ich meine Finger in das Bettlaken. Dann hört er abrupt auf. „Warte kurz.“ Er verlässt das Zimmer. Schwer atmend versuche ich meine Erregung niederzukämpfen, doch es gelingt mir nicht. Der junge Mann kommt lächelnd zurück. „Dieses Mal habe ich dich ganz für mich allein, mein Süßer.“ Ich leiste keine Gegenwehr, als er mich mit Handschellen an das Bettgestell kettet. Zu spät registriere ich die aufgezogene Spritze, die er ebenfalls aus dem Nebenraum mitbrachte.

„Nein!“ Meine Stimme klingt panischer, als ich es beabsichtigte.

„Kleiner, ich sehe dir an, dass du dich nach dem Gefühl, welches nur Heroin dir geben kann, sehnst. Wurdest du schon einmal auf H gevögelt?“

„Ja, mehrfach. Also hör auf, verdammt!“ Der Dealer verschließt meinen Mund mit seinen Lippen und seiner Zunge.

„Nachher wirst du mir für den Flash dankbar sein. Entspann dich, Schatz. Lass dich fallen und genieße es.“ Er legt das Fixierband an und zieht es fest. „Dein Körper gehört nur mir.“

„Wozu die Drogen?“ Tränen laufen meine Wangen hinab. „Du darfst auch so mit mir tun, was du willst. Ich gebe mich dir bedingungslos hin, aber bitte…“ Der junge Mann löst das Band und spritzt das Heroin in eine Oberarmvene, dann küsst er mich wieder. Mit Einsetzen der Wirkung zieht mich die Droge in eine wundervolle Welt, aus der ich nicht zurückkehren möchte.
 

Mit langsamen, bedachten Bewegungen kleide ich mich an.

„Es hat Spaß gemacht, mit dir zu spielen“, grinst der Fremde mich an. „Du bist ein sehr außergewöhnliches Sextoy.“

„Freut mich“, entgegne ich knapp, ohne ihn anzusehen.

„Eigentlich will ich dich noch nicht gehen lassen, aber vielleicht können wir irgendwann da weitermachen, wo wir jetzt aufhören.“

„Ja, vielleicht.“ Umständlich binde ich meine Schuhe zu.

„Es scheint, als hättest du noch immer Schmerzen. Keine Angst, deine Verletzungen sind nicht innerlich. Du warst einfach noch zu eng, weshalb ich dir einige Fissuren zufügte, die bluteten.“

„Du musst nicht versuchen mich zu beruhigen. Ich kenne meinen Körper. Ihm wurden schon wesentlich schlimmere Verletzungen zugefügt, die ich auch überlebt habe.“

„Freiwillig oder unfreiwillig?“, fragt mein Gesprächspartner neugierig. Schweigend erhebe ich mich und ziehe mein Jacke über.

„Wahrscheinlich eher freiwillig“, antworte ich weniger ihm als mir selbst. Der junge Mann beginnt zu lachen.

„Ich kann dich wirklich nicht einschätzen, du bist kaum greifbar, aber das gefällt mir sehr.“ Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, kommt er auf mich zu, legt seine Hand in meinen Nacken und küsst mich leidenschaftlich. Mir wird leicht schwindelig, sodass ich mich Halt suchend an ihm festkralle.

„Du bist viel undurchsichtiger“, flüstere ich etwas benommen. „Warum dealst du mit Drogen, wenn du das Geld offensichtlich nicht brauchst?“

„Sagte ich doch, um süße Strichjungen von mir abhängig zu machen. Zum einen betäube ich sie mit den Drogen, spiele mit ihnen und ficke ihre wehrlosen Körper, zum anderen brauchen sie den Stoff und kommen immer wieder zu mir zurück.“

„Wäre es nicht schöner, wenn sie deinetwegen zurückkommen würden? Dein Vorgehen ist doch eher armselig, findest du nicht?“ Mein Gegenüber gleitet mit seiner Hand unter meine Jacke samt Hemd, über meine nackte Haut.

„Mag sein. Ich suche jedoch keine Freunde, sondern lediglich Spielzeug, das mich erregt und welches ich nach Belieben benutzen kann. So intensiv wie mit dir habe ich mich mit noch keinem der Jungs unterhalten.“

„Willst du mich schon wieder ficken?“ Vergeblich versuche ich mich aus seinen Armen zu befreien.

„Ja. Wahrscheinlich liegt es daran, weil du mir das Gefühl gibst, nie die komplette Kontrolle über dich zu haben. Das reizt mich und ich will dich erst recht unterwerfen.“

„Vergiss es, du wirst mich nie unterwerfen können. Du hast es nicht einmal geschafft, mich mit den Drogen von dir abhängig zu machen.“

„Scheint so. Liegt es daran, dass du bis gestern noch clean warst? Was geschieht jetzt, nach dem Rückfall? Du hast Blut geleckt. Ich kann dich gern weiterhin mit Stoff versorgen.“ Knopf für Knopf öffnet er mein Hemd.

„Vielen Dank für dein Angebot, aber ich verzichte.“

„Also gut“, seufzt der Fremde, zieht aus seiner Hosentasche sein Portemonnaie und wirft einige Geldscheine auf das Bett. „350000 Yen. Reicht das?“ Sprachlos starre ich das Geld an, dann betrachte ich meinen Gegenüber.

„Ich will es nicht“, antworte ich schließlich.

„Was? Warum nicht?“ Seine Augen mustern mich erstaunt, irritiert. „Du hast es dir verdient. Wenn du für deine Dienste nicht bezahlt werden willst, sieh es als Schmerzensgeld.“

„Es ist zu viel“, wende ich ein.

„Da bin ich anderer Meinung. Du musstest einiges über dich ergehen lassen. Mein Freund und ich haben dich regelrecht geschändet.“

„Verstehe, du denkst, du kannst mit Geld dein schlechtes Gewissen beruhigen.“

„Nimm es einfach, okay?“ Er sammelt die Scheine zusammen und stopft sie in meine Hosentasche. „Die bleiben da!“, befiehlt er und verschließt meinen Mund mit seinen Lippen, bevor ich widersprechen kann. „Jetzt verstehe ich zumindest teilweise, weshalb ich dich nicht von mir abhängig machen kann, mein Süßer. Du lässt dich nicht des Geldes wegen ficken.“

„Ich werde jetzt gehen. Lässt du mich bitte los?“

„Ungern.“

„Okay, fick mich. Und dann gib mich frei.“

„Ein solches Angebot hat mir auch noch niemand gemacht, Kleiner.“ Der Fremde lacht.

„Allerdings möchte ich bei Bewusstsein bleiben. Im Übrigen wäre es mir auch lieber gewesen, ich hätte die anderen Male spüren dürfen.“

„Tatsächlich?“ Verblüfft schaut er mich an. „Verstehe, du stehst auf Schmerzen, kann das sein?“

„Kann sein. Nimmst du eigentlich auch selbst Drogen?“

„Nein. Nur zur Qualitätsprüfung.“

„Woher hast du überhaupt so viel Geld, wenn du auf das Dealen nicht angewiesen bist?“

„Ich bin der verzogene Sohn reicher Eltern. Sie besitzen eine Firma, in die ich vor kurzem eingestiegen bin.“

„Du gehst einer seriösen Arbeit nach?“, hake ich überrascht nach. Mein Gegenüber öffnet meine Hose und zieht sie ein Stück nach unten.

„Momentan befinde ich mich noch in der Einführungsphase, da ich gerade erst mein Studium abgeschlossen habe, was bedeutet, dass ich überwiegend an nervigen und langweiligen Geschäftsessen teilnehmen muss.“

„Wissen deine Eltern von deinem freizeitlichen Treiben, deinen Vorlieben und illegalen Machenschaften?“

„Natürlich nicht. Aber es interessiert sie zum Glück auch nicht.“ Ich drehe mich um und stütze mich am Bettgestell ab. Als der fremde Mann in mich eindringt, muss ich zum ersten Mal seit Stunden an Taichi und meinen Vater denken. Tränen füllen meine Augen und ich beginne leise zu weinen.

„Sind die Schmerzen sehr schlimm?“, höre ich den Mann, der mich mit festen Stößen penetriert, fragen.

„Es geht schon. Nimm mich härter“, presse ich gequält hervor. Ich schließe meine Augen und konzentriere mich darauf, ihn intensiv in mir zu spüren und somit alle anderen Gedanken zu vertreiben. Unsere verschwitzten Körper bewegen sich im gleichen Rhythmus, der Raum ist erfüllt von unserem lustvollen Stöhnen. Nach einer Weile sinken wir erschöpft und schwer atmend auf die Matratze.

„Würdest du den Weg zu dieser Bar auch allein finden?“ Der Fremde dreht sich zu mir und legt seine Hand auf meinen Brustkorb.

„Ja.“

„Komm her, wenn du Probleme hast. Die Nacht auf der Straße verbringen zu müssen ist sicher nicht sehr angenehm. Du kannst jederzeit hier schlafen. Auch wenn du Drogen oder Geld benötigst, kannst du dich an mich wenden. Als Gegenleistung will ich lediglich deinen Körper, ihn nach meinem Belieben benutzen.“

„Wem gehört diese Wohnung? Es sieht nicht so aus, als würde hier jemand tagtäglich leben.“

„Meinem Freund aus der Bar unten. Wir verwenden diese Räumlichkeiten für unsere Sexspiele mit zugedröhnten Strichjungen sowie den Drogenhandel.“

„Es ist faszinierend, wie harmlos du deine kriminellen Handlungen klingen lassen kannst, wie beiläufig du davon sprichst. Ich denke über dein Angebot nach und komme unter Umständen darauf zurück. Aber jetzt lass mich gehen.“

„Hast du ein bestimmtes Ziel? Soll ich dich fahren? Vermutlich war der Sex gerade eher weniger schmerzlindernd, oder?“ Ich setze mich auf und muss mir eingestehen, dass er recht hat.

„Würdest du mich zur Takamatsu Mittelschule bringen?“
 

„Yamato, es ist schön, dich zu sehen“, begrüßt mein Freier mich herzlich, als er das Schulgelände verlässt und mich an der Schulmauer lehnend erblickt. „Allerdings muss ich dich bitten, die Zigarette auszumachen. Wir befinden uns vor einer Schule, nicht an einem Raucherpunkt.“ Ohne Widerworte lasse ich die Zigarette fallen und trete sie aus. Dann schaue ich mich nach einem Papierkorb um, sehe jedoch lediglich die für Flaschen und Dosen bereitgestellten Behältnisse an den Automaten unweit von uns.

„Wo ist der nächste Raucherpunkt?“, frage ich, während ich den zertretenen Filter aufhebe.

„Ich glaube, ein Stück weiter in diese Richtung.“ Ich folge mit meinen Augen dem Handzeig meines Freiers.

„Würden Sie einen Moment auf mich warten? Ich…“

„Nein, ich komme mit. Und auf dem Weg erzählst du mir, was los ist. Du wirkst unruhig und ein wenig neben dir stehend.“ Beschämt senke ich meinen Kopf. Lügen hätte vermutlich keinen Sinn und in meiner momentanen Verfassung könnte ich keine überzeugende Geschichte erfinden, geschweige denn sie glaubhaft rüberbringen.

„Ich brauche Heroin“, sage ich kaum hörbar, aber laut genug, um von meinem Freier gehört zu werden. Dieser seufzt.

„Willst du dein bisher Erreichtes so einfach zunichte machen? Bitte denk noch einmal darüber nach, anstatt einem plötzlichen Impuls zu folgen.“ Verständnisvoll spüre ich die Hand meines Freiers auf meiner Schulter, weise sie allerdings sofort zurück.

„Ich habe letzte Nacht sowohl GHB als auch Heroin konsumiert.“ Mein Freier bleibt stehen und hält mich am Handgelenk fest.

„Gab es einen Grund? Sieh mich an, Yamato!“ Schuldbewusst weiche ich seinem Blick aus. „Hattest du Streit mit Taichi oder deinem Vater?“

„Nein… es ist alles meine Schuld!“ Meine Beine tragen mich nicht mehr und ich breche vor meinem Freier auf dem Gehweg zusammen. Tränen laufen unaufhörlich meine Wangen hinab. „Ich hätte mich niemals in meinen Vater verlieben dürfen! Nie hätte ich Gefühle für Akito entwickeln dürfen! Vielleicht würde er dann sogar noch leben. Vielleicht wäre Taichi dann nie in den Alkoholismus gerutscht. Warum passiert das alles?“, frage ich schluchzend, während ich kraftlos immer weiter in mich zusammensinke. Mein Freier versucht mir Halt zu geben, indem er mich schützend in den Arm nimmt. Die seltsamen Blicke der Passanten blenden wir beide aus. „Warum kann ich alle in meiner Nähe immer nur verletzen? Warum tue ich ihnen immer nur schlimme Dinge an? Ich will Taichi glücklich machen. Einfach nur glücklich machen. Warum geht es nicht? Warum kann ich das nicht, verdammt!“ Verzweifelt presse ich mich an den Körper meines Freiers, kralle meine Finger fest in dessen Anzug. „Ich liebe Taichi! Es tut so weh! Es tut so sehr weh, ihn zu lieben!“ Nach wie vor laufen Tränen unablässig über mein Gesicht. Mein Hals schmerzt bereits und ich kann kaum schlucken, trotzdem höre ich nicht auf zu weinen. Allmählich wird auch meine Atmung unregelmäßiger, hektischer und doch schwerfälliger. Ich muss mich beruhigen, sonst endet dieser ohnehin unnötige Nervenzusammenbruch in einer Hyperventilation. Erst jetzt spüre ich die Hand meines Freiers, mit der er beruhigend durch mein Haar streicht. „Ich kann nicht! Ich kann nicht nach Hause zurück!“ Heftige Bauchkrämpfe zwingen mich, endgültig aufzugeben. „Bitte! Helfen Sie mir!“ Ich krümme mich in den Armen meines Freiers vor Schmerzen zusammen. Eine junge Frau beugt sich ein wenig zu uns hinab.

„Was ist passiert? Braucht der Junge einen Arzt?“, fragt sie besorgt.

„Nein, vielen Dank. Es wird ihm gleich wieder besser gehen.“

„Danach sieht es aber nicht aus“, erwidert die junge Frau misstrauisch. „Sind Sie sein Vater?“

„Ich bitte Sie, weiterzugehen.“ Mein Freier klingt sehr freundlich, spricht seine Worte jedoch mit Nachdruck. Er hält meinen zitternden Körper noch immer fest in seinen Armen. Tief nehme ich seinen Duft in mich auf, schließe meine Augen und versuche kontrolliert ein- und auszuatmen.

„Er wird ruhiger. Glauben Sie mir nun?“, richtet mein Freier seine Frage an die junge Frau, die noch immer neben uns steht. Schwerfällig versuche ich mich aufzurichten, mein Freier stützt mich dabei. Lächelnd schaue ich die junge Frau an.

„Er hat recht. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Mir geht es gut.“ Die Frau betrachtet mich eingehend.

„Bist du sicher? Du siehst sehr blass aus.“

„Ja, vielen Dank.“ Ich verbeuge mich und gehe, mich an meinem Freier festhaltend, an ihr vorbei. Schweigend laufen wir ein Stück.

„Yamato, ich werde dich dann nach Hause fahren.“ Abrupt bleibe ich stehen und starre ihn fassungslos an.

„Warum? Ich dachte, Sie würden mir helfen!“, sage ich vorwurfsvoll, löse mich von meinem Freier und gehe auf Abstand.

„Genau damit helfe ich dir am meisten. Und ich führe auf offener Straße auch keine Diskussionen, hast du verstanden, Yamato?“, äußert sich mein Gegenüber bestimmt.

„Ich habe den zertretenen Zigarettenfilter verloren.“ Meine Stimme ist leise und monoton.

„Das ist nun auch egal. Gehen wir zum Auto.“ Langsam laufen wir den Weg zurück, vorbei an dem verlorenen Zigarettenfilter, der auffällig und doch unbeachtet auf dem Asphalt liegt. Erst als die Fahrzeugtüren zugezogen sind, bricht mein Freier die unangenehme Stille zwischen uns.

„Was ist vorgefallen, dass du solche Angst davor hast, nach Hause zu gehen, mein Süßer?“ Sanft legt er seine Hand auf meinen Oberschenkel.

„Ich liebe meinen Vater.“ Lasziv spreize ich meine Beine ein wenig, woraufhin seine Hand an der Innenseite nach oben gleitet. „Darf ich Sie etwas fragen? Wie schaffen Sie es, die Nähe ihres Sohnes zu ertragen, ohne ihn anzufassen, ohne mit ihm zu schlafen?“

„Eigentlich sollte ich dir nicht ehrlich antworten, aber ich möchte dich auch nicht belügen. Oft ist es alles andere als einfach. Zwar versuche ich durch den Sex mit dir unter anderem mein Verlangen nach meinem Sohn zu stillen, doch du weißt selbst, dass es nicht dasselbe ist. Ich kann deinen Vater ebenso wenig ersetzen. Außerdem bist du nicht immer im richtigen Moment verfügbar. Wenn es möglich ist, verlasse ich die Wohnung, nehme mir ein Hotelzimmer und entfliehe der Realität, indem ich mir einen Schuss setze oder andere Drogen konsumiere. Je nach Grundstimmung. Falls ich allerdings mit meinem Sohn allein zu Hause bin und er mit mir spielen will, muss ich mir immer wieder sagen, dass ich ihn vergewaltige, wenn ich Hand an ihn lege.“

„Und das funktioniert?“

„Naja, schon. Irgendwie. Eine Erektion bekomme ich trotzdem manchmal. In dem Fall hole ich mir im Bad einen runter.“

„Das kommt mir bekannt vor“, erinnere ich mich bitter.

„Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du deinen Vater siehst?“ Kurz überlege ich.

„Ich liebe ihn, will ihn berühren, seinen Körper spüren, ihn in mich aufnehmen.“

„Versuche deine Gedanken zu beeinflussen, umzulenken. Vielleicht solltest du stattdessen an Taichi denken.“ Ich lächle traurig.

„Taichi ist mein Ein und Alles. Ohne ihn kann ich nicht leben. Aber man kann einen Menschen nicht gegen einen anderen austauschen. Auch Sie sind unersetzlich für mich.“ An seiner Krawatte ziehe ich meinen Freier zu mir und küsse ihn. „Fahren Sie mich bitte nach Hause.“ Erleichtert wuschelt er durch meine Haare und startet den Wagen. „Dass ich weggelaufen bin, war eine Panikreaktion. Ich war von der Gegenwart meines Vaters überfordert. Hinzu kamen meine Unfähigkeit, Taichi zu helfen, sowie die Beziehung der beiden zueinander. Ich dröhnte mich mit Drogen zu, verbrachte die Nacht mit fremden Männern und kann mich an kaum etwas erinnern.“

„Wurdest du von den Typen unter Drogen gesetzt oder war die Einnahme freiwillig?“ Ich schaue aus dem Fenster und folge mit meinen Augen den vorbeiziehenden Häusern.

„Keine Ahnung. Das ist auch nicht wichtig. Allerdings…“

„Du willst wieder fixen?“, führt mein Freier meinen Satz weiter.

„Ja“, antworte ich entschieden.



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