Zum Inhalt der Seite

Kein einfacher Anfang

Yamato Ishida x Taichi Yagami
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Liedtext von "Jede Wahrheit" gehört Zeraphine. Mit der Verwendung möchte ich keinerlei Urheberrechte verletzen. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Was machst du denn hier?“ Völlig verschwitzt und außer Atem laufe ich auf meinen besten Freund zu.

„Rollentausch. Jetzt schaue ich dir beim Training zu. Ich habe zwar keine Ahnung von Goshin-Jitsu, aber deine Bewegungen sehen gut aus. Wahrscheinlich kann ich dich im Kampf bald nicht mehr besiegen.“ Unpassenderweise spricht er die Worte mit einem Lächeln auf seinen Lippen.

„Das klingt, als würde ich immer gegen dich verlieren. Dabei war ich beim letzten Mal nur unaufmerksam, sonst hättest du mich nicht außer Gefecht setzen können.“

„Tatsächlich? Wovon warst du denn so sehr abgelenkt?“ Tais Lächeln wandelt sich in ein Grinsen. Ausweichend wende ich mich ab.

„Ich gehe duschen“, sage ich verkrampft und lasse meinen besten Freund allein zurück. Warum reagiere ich in letzter Zeit auf Taichis Gegenwart so unbeholfen? Er nervt mich, verunsichert mich, nimmt mir die Luft zum Atmen, aber gleichzeitig hat er eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich will ihn von mir stoßen, weil ich seine Nähe nicht ertrage. Sie schmerzt. Doch gleichzeitig will ich ihn an mich ziehen, ihn spüren und nie wieder loslassen. Im Umkleideraum lege ich meine Tasche auf eine der Bänke und entkleide mich. Mit einem Handtuch um die Hüfte gebunden gehe ich in den Duschbereich, hänge es dort an einen der dafür vorgesehenen Haken und stelle das Wasser an. Es tut gut, diese Abkühlung auf meiner erhitzten Haut zu spüren und den Schweiß davon abzuwaschen. Mit dem Kampfsport habe ich eigentlich nicht aus Interesse daran begonnen, sondern weil ich Taichi gegenüber im Vorteil sein will. Ich muss zugeben, dass er mir körperlich leicht überlegen ist, allein schon aufgrund seines Fußballtrainings und wegen meiner sportlichen Abstinenz. Doch hirnlosen Muskelaufbau erspare ich mir lieber und versuche stattdessen mit Technik einen Ausgleich zu schaffen. Allerdings frage ich mich in letzer Zeit häufiger, ob es sich wirklich nur um einen Wettkampf, kindliche Spielerei, ein Kräftemessen zwischen uns handelt. Ich habe das Gefühl, es ist inzwischen weit mehr als das. Dieser undurchdringliche Blick, den mein bester Freund mir manchmal entgegenbringt, beweist mir, dass ich richtig mit meiner Annahme liege. In solchen Momenten wirkt Tai, als wäre er nicht er selbst. Ich bin dann nicht in der Lage, ihn zu durchschauen, er wirkt unberechenbar. Und offenbar ist er sich dieses Zustandes noch nicht einmal bewusst. Es ist interessant, die plötzliche Veränderung zu beobachten, einen Auslöser konnte ich bisher jedoch nicht erkennen. Dabei möchte ich ihn gern öfter in diesen Zustand bringen, sehen, was passiert, wenn ich das Spiel weitertreibe. Zu weit. Bei diesen Gedanken breitet sich ein Kribbeln in meinem Körper aus. Ich will Tais Grenzen austesten. Ein wenig erschrecke ich, als plötzlich ein Junge neben mir auftaucht. Er lächelt mich an und beginnt ebenfalls sich abzuduschen. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich ihn vorhin beim Training gesehen. Ich stelle das Wasser ab und greife nach meinem Handtuch. Als ich den Umkleideraum betrete, sehe ich Taichi auf der Bank neben meiner Tasche sitzen. Sobald er mich erblickt, legt sich ein Grinsen auf seine Lippen.

„Du bist aber blass“, bemerkt er beinahe liebevoll. „Etwas Sonne würde dir gut tun.“

„Was willst du?“, frage ich unwirsch, ohne auf seine Aussage zu reagieren.

„Ich warte auf dich“, entgegnet mein bester Freund, als wäre es selbstverständlich. Statt zu antworten, beginne ich damit, mich abzutrocknen. Verlegen drehe ich mich zur Seite, als ich bemerke, dass Taichi mich aufmerksam mustert.

„Warum betrachtest du mich so gründlich?“

„Tue ich das?“ Der Tonfall meines besten Freundes ist unschuldig, als wüsste er nicht, wovon ich spreche. „Bist du etwa verklemmt geworden? Im Sommercamp warst du doch auch nicht so eine Zimperliese und da waren wir zusammen nackt baden.“ Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf, die ich nicht einordnen kann. Ein großes Haus, welches nur Einbildung war. Wieder einer dieser Träume? Oder eine vergessene und verzerrte Realität? Zittrig berühre ich mit den Fingern meine Schläfe. „Yamato? Ist alles in Ordnung?“, fragt Tai besorgt.

„Ja, mir ist nur etwas schwindelig.“ Wankend nehme ich neben meinem besten Freund Platz. Dieser legt beruhigend eine Hand auf meine Schulter. Der Junge aus der Dusche kommt in den Umkleideraum und wirft uns einen fragenden Blick zu.

„Es ist alles okay“, erklärt Taichi knapp und winkt ab. Flüchtig fährt der Junge mit dem Handtuch über seine Haut und zieht sich dann hastig an. Er wirkt etwas verschüchtert, dabei fand ich Tai nicht unfreundlich. Mit einer flüchtigen Verbeugung verlässt der Junge eilig das Gebäude. Seinem Aussehen und Verhalten nach zu urteilen, ist er in der zweiten, höchstens dritten Klasse.

„Geht es wieder?“, spricht mein bester Freund mich fürsorglich an.

„Ja, ich denke schon.“ Mit bedächtigen Bewegungen trockne ich mich weiter ab. Ich verstehe nicht, warum mein Körper gerade so heftig reagiert hat, obwohl eigentlich nichts geschehen ist. Jedes Mal, wenn es um diese vermeintlichen Träume geht sowie im Zusammenhang mit dem Sommercamp.

„Ich bringe dich besser nach Hause“, durchdringt Tais Stimme meine Gedanken. Abwesend schaue ich ihn an. „Du stehst irgendwie neben dir. Das bereitet mir Sorgen. Soll ich dich ins Krankenzimmer bringen und deinen Vater informieren, damit er dich abholt?“

„Nein. Du übertreibst, Taichi.“ Dieser beugt sich zu mir hinüber und schaut mir direkt in die Augen, dabei ist er meinem Gesicht so nahe, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren kann. Hitze steigt in mir auf. Wie von selbst umschließt meine Hand den Hals meines besten Freundes. Die andere drückt ihn an der Schulter der Länge nach auf die Bank, in eine liegende Position. Ich setze mich mit gespreizten Beinen auf Tais Oberschenkel und drücke seine Hauptschlagader ab. Reflexartig umfasst er mein Handgelenk, wehrt sich aber nicht gegen den Übergriff. Stattdessen schließt er die Augen. Es sieht beinahe so aus, als würde er die Gewalt genießen. Ich verstärke den Druck und fühle den schwächer werdenden Atem meines besten Freundes, wodurch sich meine Erregung noch weiter steigert.

„Das gefällt dir, Yamato, hab ich recht?“, haucht Taichi mit kratziger Stimme. Noch ehe ich antworten kann, schlägt er mir kraftvoll seine Faust in den Magen, sodass ich von ihm ablasse. Hustend, aber mit geschickten Bewegungen bringt er mich zu Boden und dreht unsere Positionen um. Nun hat er seine Finger an meiner Kehle und schneidet meine Luftzufuhr ab. „Magst du es auch auf diese Weise?“ Er lächelt. Wieder dieses Lächeln. Ob er sich dessen gerade bewusst ist? Ich versuche zu atmen, doch es gelingt mir kaum. Mein bester Freund drückt jedoch nicht nur auf die Hauptschlagader, sondern auch auf den Kehlkopf, was äußerst schmerzhaft ist und einen starken Hustenreiz auslöst. Meine Wahrnehmung beginnt bereits zu schwinden, als Tai seine Gewalteinwirkung plötzlich einstellt. Kurz darauf betritt eine Gruppe von Jungen die Umkleide. Er muss sie gehört und deshalb sein Tun eingestellt haben. „Er hat sich nur verschluckt“, erklärt Taichi mein starkes Husten, als einige von ihnen mich irritiert mustern. Schweigend entkleiden sie sich und verschwinden im Duschraum. Allmählich gelingt es mir, den Anfall unter Kontrolle zu bekommen. Etwas benommen ziehe ich mich an. Das Gefühl der Gewalt, egal ob aktiv oder passiv, ist unbeschreiblich. Es irritiert mich, derartige Empfindungen zu haben. Ich schaue Taichi an, betrachte sein Gesicht. Seine Augen sind unergründlich und wunderschön.

„Was siehst du?“, flüstere ich.

„Meinen besten Freund.“

„Und was noch?“

„Nichts weiter.“ Aus unerklärlichen Gründen fahre ich mit meinem Daumen über Taichis Lippen.

„Nur mich? Wieso?“

„Was sollte ich noch sehen?“ Ich antworte nicht, stattdessen beuge ich mich leicht zu ihm, sodass mein Mund seinen fast berührt.

„Du gehörst mir! Niemand außer mir darf dir etwas bedeuten, hast du verstanden?“ Mit einem Blick, als würde er die Bedeutung und das Ausmaß meiner Worte jetzt erst begreifen, schaut er mich an. Erschreckt über meine eigenen Gefühle nehme ich meine Tasche und verlasse fluchtartig die Jungenumkleide.
 

Nachdenklich liege ich auf meinem Bett. Im Hintergrund läuft eine CD, die ich mir auf dem Weg nach Hause gekauft habe. Wobei es sich eher um einen Umweg handelte, weil ich dafür extra von Odaiba nach Shibuya zu Tower Records gefahren bin. Ich versuchte auf diesem Weg den Kopf frei zu bekommen. Der Vorfall mit Taichi hat mich seltsamerweise ziemlich aufgewühlt, mein gesamter Körper kribbelt, ich kann meine Gefühle nicht einordnen, aber ich weiß, wenn ich nicht gegangen wäre, hätte ich Taichi in irgendeiner Form Gewalt angetan. Das laufende Lied endet gerade und ein neues beginnt. Ich schließe meine Augen und versuche mich vollkommen darauf einzulassen.
 

Der Krampf in deinem Hals

Die Wut in deinem Blick

Das Lot hängt schräg in der Luft, die du zum Atmen brauchst

Die Trägheit fest im Griff

Die Apathie besiegt

Du flüsterst nicht, du schreist, wenn du gehört werden willst
 

Willst du ein letztes Mal Verständnis haben?

Jede Wahrheit ändert sich

Die Mitte interessiert dich nicht

Die Unterschiede leicht verblasst

Es fehlt die Dimension
 

Jede Wahrheit ändert sich

Die Richtung interessiert dich nicht

Die Unterschiedlichkeit verblasst

Es fehlt die Dimension
 

Und bricht dir das Genick

Erklärst du es für neu

Gefahrlos wolltest du noch nie zugrunde gehen

Die Masken sind durchschaut

Funktionen einstudiert

Kann keiner es verstehen, dass du daran gar nicht teilhaben willst
 

Willst Du ein letztes Mal Verständnis haben?
 

Trotz der Musik gelingt es mir nicht, meine Gedanken von meinem besten Freund abzulenken. Die Ereignisse in der Umkleide waren zu… erregend. Noch immer spüre ich seine Hände an meinem Hals und ich muss zugeben, dass mir diese Rollenverteilung sehr gefallen hat. Die Gewalt, mit der Tai auf mich einwirkte, fühlte sich seltsam richtig und vor allem gut an. Seufzend erhebe ich mich und schalte den CD-Player aus. Für einen kurzen Moment ziehe ich in Erwägung, meinem aufkommenden Drang nachzugeben und zu meinem besten Freund zu gehen. Allerdings habe ich keinen besseren Grund für einen Besuch als ihn sehen zu wollen. Doch dieses Bedürfnis zuzugeben, ist mir peinlich. Möglicherweise wirkt es so, als wäre ich in Taichi verliebt. Mich selbst belächelnd verwerfe ich jegliche Gedanken in dieser Richtung und beschließe stattdessen etwas für meine Kondition zu tun. Rasch ziehe ich mich um, verlasse mein Zimmer und gehe in die Küche. Aus dem Kühlschrank nehme ich ein kleine Flasche Wasser, dann ziehe ich im Flur meine eigens zum Lauftraining gekauften Turnschuhe an. Normalerweise hasse ich jegliche Art sportlicher Betätigung, aber wenn ich die Sache mit dem Goshin-Jitsu durchziehen will, muss ich zwangsläufig eine gute Kondition haben. Da ich nicht weiß, wann mein Vater heute nach Hause kommt, gehe ich noch einmal zurück in die Küche und schreibe ihm einen Zettel, damit er sich keine Sorgen macht, falls er vor mir da sein sollte. Ich erschrecke leicht, als das Telefon klingelt. Wie erstarrt bleibe ich stehen, bin unentschlossen, ob ich rangehen soll oder nicht. Normalerweise ignoriere ich das Telefon, worüber sich mein Vater schon oft aufgeregt hat. Erleichtert atme ich aus, als in der Wohnung wieder Stille herrscht. Wenn es etwas Wichtiges war, ruft derjenige noch einmal an und vielleicht ist bis dahin mein Vater zu Hause. Ich kümmere mich nicht weiter darum, nehme die kleine Wasserflasche in die Hand und verlasse eilig die Wohnung.
 

Verschwitzt und völlig außer Atem überwinde ich die letzten Stufen bis zur Wohnung. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und öffne die Tür.

„Yamato“, begrüßt mich mein Vater, als er mir aus dem Wohnzimmer entgegenkommt. „Takeru hat angerufen. Er würde uns am Wochenende gern besuchen. Ich habe zugesagt und hole ihn ab, da ich mir für die zwei Tage freinehmen kann. Wir könnten alle zusammen etwas unternehmen. So einen Männertag hatten wir schon lange nicht mehr. Was hältst du davon?“ Er zwinkert mir zu.

„Ja, klar“, antworte ich. Also war es mein Bruder, der vorhin versucht hatte, einen von uns beiden zu erreichen. „Aber ich gehe jetzt erst einmal unter die Dusche. Was gibt es denn zum Abendessen? Ich habe ziemlichen Hunger.“

„Hast du auf etwas Bestimmtes Appetit?“

„Yakisoba fände ich gut.“

„Mit Fleisch. Fisch müsste ich erst einkaufen. Ist das okay?“

„Ja“, stimme ich zu, während ich bereits auf dem Weg zum Bad bin.

„Ach, Yamato“, ruft mein Vater mir nach. „Taichi ist da. Er wartet in deinem Zimmer. Ich hoffe, das ist in Ordnung.“

„Was? Warum sagst du das erst jetzt?“ Sofort wende ich mich um und laufe zu meinem Zimmer. Als ich die Tür öffne, halte ich inne. Mein bester Freund liegt auf dem Sofa und scheint zu schlafen. Leise gehe ich auf ihn zu, hocke mich neben ihn. Seine Gesichtszüge sind entspannt, er sieht friedlich, nahezu unschuldig aus. Ohne nachzudenken beuge ich mich etwas vor und küsse seine Lippen.

„Was tust du?“, fragt Tai, als ich mich wieder von ihm löse. Anhand seiner Mimik und seines Tonfalls kann ich keinerlei Wertung erkennen.

„Ich küsse dich. Und bevor du weiterfragst, mir war einfach danach.“ Merkwürdigerweise erwarte ich ein Lächeln meines besten Freundes zu sehen, doch seine Gesichtszüge bleiben starr und seine Augen undurchdringlich. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich fahre mit meinen Fingern Taichis Hals entlang, über seinen Kehlkopf und verweile auf seiner Hauptschlagader. Das deutliche Pulsieren beruhigt und erregt mich gleichermaßen.

„Was ist los mit dir, Yamato? Du verhältst dich in letzter Zeit so anders.“ Bestimmt umgreift er mein Handgelenk, gibt mir zu verstehen, dass ich ihn nicht weiter berühren soll.

„Ich weiß es nicht. Aber du weckst Gelüste in mir, die ich nicht mehr aus meinem Kopf bekomme und die ich immer weniger kontrollieren kann“, gebe ich ehrlich zu, weiche seinem Blick dabei allerdings aus. „Lass mich bitte los, damit ich unter die Dusche gehen kann. Ich bin vom Laufen ziemlich verschwitzt.“ Mein bester Freund reagiert nicht.

„Kann ich dir irgendwie helfen? Vielleicht bist du schlicht von mir genervt und deshalb so aggressiv. Ich gehe dir einfach eine Weile aus dem Weg, damit du in Ruhe und vor allem distanziert nachdenken kannst, dann fühlst du dich sicher wieder besser.“ Er lächelt zuversichtlich, doch glücklich sieht er nicht aus. Schmerzlich betrachte ich Tai.

„Was?“, flüstere ich bestürzt. Ich bekomme kaum Luft bei dem Gedanken und mein Körper verkrampft sich. „Du hast recht“, lenke ich dennoch monoton ein. Zögernd lässt Taichi mein Handgelenk los und richtet sich auf.

„Du wolltest doch duschen. Ich werde jetzt besser nach Hause gehen.“ Scheinbar fest entschlossen steht er auf und geht zur Tür. „Wir sehen uns in der Schule.“ Kurz legt sich ein Lächeln auf seine Lippen, dann verlässt er eilig mein Zimmer. Wie versteinert sitze ich auf dem Boden neben meinem Sofa und starre zu der Stelle, an der mein bester Freund gerade noch stand. Warum Tränen über meine Wangen laufen, kann ich mir selbst nicht erklären.
 

Unruhig wälze ich mich in meinem Bett hin und her. Ich versuche einzuschlafen, doch die stechenden Kopfschmerzen bringen mich fast um den Verstand. Mehrfach bin ich in dieser Nacht bereits aufgewacht, jedes Mal durch Träume von dieser digitalen Welt. Inzwischen verschieben sich die Schauplätze immer mehr in die reale Welt, Monster kämpfen in den Städten gegeneinander, zerstören Gebäude, bringen Menschen in Gefahr. Die Existenz der Wesen bleibt nicht mehr unentdeckt. Tai sehe ich kaum noch, da jeder versucht, seine Familie zu schützen. Aber auch in der Wirklichkeit habe ich mit ihm derzeit nicht viel Kontakt. Er hält sich an seine Worte, geht mir eher aus dem Weg. In der Schule sehen wir uns zwar, aber mir bleibt kaum etwas anderes, als ihn von Weitem zu betrachten. Dabei fällt mir auf, dass ich diesen Umstand unerträglich finde. Mit jedem Tag mehr. Seit über drei Wochen. Ich kann nicht behaupten, dass es mir ohne Tai besser geht. Im Gegenteil. Meine Laune sinkt von Tag zu Tag und das Verlangen nach meinem besten Freund frisst sich schmerzhaft tief in mich hinein. Mehrfach habe ich versucht mit ihm zu reden, doch er weist mich immer mit dem gleichen seltsamen Lächeln zurück. Ich drehe mich erneut und schiebe die Bettdecke von mir. Kalter Schweiß benetzt meine Haut und lässt mich unangenehm frösteln. Verzweifelt presse ich meine Handballen gegen meine Schläfen, um einen Gegendruck zu dem Schmerz zu erzeugen. Hass steigt in mir auf. Hass auf mich selbst. Hass auf die Situation. Hass auf Taichi. Schwerfällig richte ich mich auf und beginne einem Impuls folgend meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen.

„Yamato, was ist hier los?“ Verschlafen schaltet mein Vater das Licht an, wodurch ich allerdings heftig zusammenzucke. Sofort kommt er zu mir und hält meinen Körper fest in seinen Armen, um mich am Weitermachen zu hindern. Ich wehre mich, versuche mich von ihm zu befreien. „Yamato! Hörst du mich? Was hast du?“ Spürbar von Angst erfüllt wendet er sanfte Gewalt an und macht mich bewegungsunfähig, indem er meinen Körper dichter an sich drückt. Ich zittere stark.

„Papa, es tut so weh!“, schluchze ich und kralle mich an ihn.

„Was tut dir weh, mein Sohn?“ Seine Besorgnis ist deutlich hörbar.

„Mein Kopf.“ Fahrig zerre ich an meinen Haaren.

„Shh, ruhig.“ Liebevoll, aber bestimmt umfasst er mein Handgelenk und hindert mich somit an meinem selbstverletzenden Verhalten. „Ich hole dir eine Tablette, dann wird es besser werden. Kann ich dich einen Augenblick allein lassen?“ Mein Nicken ist kaum auszumachen, doch mein Vater bemerkt es, legt mich fürsorglich mit dem Kopf auf mein Kissen und verlässt mein Zimmer. Dabei schaltet er das Licht wieder aus. Offenbar hat er bemerkt, dass ich die Helligkeit unangenehm finde. Ich krümme mich weinend zusammen. Mit einem Glas Wasser und einer Medikamentenpackung kommt er zurück und setzt sich zu mir.

„Hier, schluck eine davon mit viel Flüssigkeit hinunter.“ Er hält mir eine kleine weiße Tablette entgegen, die ich dankbar annehme. „Es dauert etwas, bis die Wirkung eintritt.“ Beruhigend streichelt er über meine Wange, anschließend über meine Stirn. Der Schmerz, der durch die Schläge gegen die Wand entstanden ist, fühlt sich merkwürdig wohltuend und beruhigend an, im Gegensatz zu den inneren Kopfschmerzen. Das verwirrt mich ein wenig.

„Ich kann nicht atmen, Papa. Es fühlt sich so an, als würden meine Eingeweide zerquetscht werden. Kann das von den Kopfschmerzen sein?“ Meine Stimme klingt leicht verzerrt.

„Eigentlich nicht. Wie lange hast du das schon?“

„In den letzten Wochen ist es immer schlimmer geworden.“ Tränen rinnen über mein Gesicht und tropfen auf das Laken. Angestrengt versuche ich Luft zu bekommen. Behutsam legt mein Vater seine Hand auf meinen Brustkorb, dann hält er seine Finger an mein Handgelenk.

„Dein Herz sowie dein Puls rasen und du bist total verkrampft. Hast du schlecht geträumt? Angst? Oder ist etwas passiert, mit dem du allein nicht fertig wirst?“

„Bleibst du heute Nacht bei mir? Deine Nähe tut gut, entspannt mich. Bitte.“ Ich gehe nicht auf die Fragen meines Vaters ein, weil ich selbst keine Antwort darauf habe. Er seufzt, stellt das Glas mit der Medikamentenschachtel auf den Nachttisch und legt sich zu mir. Schützend zieht er mich an sich, legt die Bettdecke über unsere Körper und nimmt mich in die Arme. Mit klopfendem Herz schmiege ich mich an ihn. Ich fühle mich sicher, geborgen. Die Kopfschmerzen lassen allmählich nach und ich schlafe ungewohnt schnell ein.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück