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Schatten von Mestala

Die Geschichte Draconias geht weiter
von

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Schlossruine Darkesch

Er hatte überlebt, auch wenn er nun nicht mehr wusste wie. Er – nein sie hatten überlebt. Auch wenn der Freibeuter, der über dem Rücken des schwarzen Jagdrosses lag, mehr tot als lebendig war und auch Sturm selbst konnte sich kaum auf den Beinen halten. Nur die Tatsache, dass er sich die Zügel seines Rosses um das Handgelenk gewickelt hatte, hielt ihn aufrecht, denn immer wenn er in die Knie zu brechen drohte, zog Fremder ihn weiter. Eine Spur roter Flecken zeichnete den Weg des Ritters und seines bewusstlosen Begleiters, denn in Rücken und Seite Sturms klafften tiefe Wunden, die nicht nur von den Seeungeheuern stammten. Viel besser ging es aber Sirith, als welcher sich der Bewusstlose auf Fremders Rücken herausstellte, auch nicht. Der Freibeuter hatte wahrscheinlich sogar noch mehr gelitten als Sturm. Ein Teil des brechenden Mastes hatte seine Schläfe getroffen und ihm die Besinnung geraubt – und das waren längst nicht alle Wunden.

Sturm ließ den Blick schweifen. Irgendwo musste es doch eine Stadt geben. Irgendwo mussten sie doch Hilfe finden. Ab und an blickte er besorgt zu Sirith. Er hatte den Freibeuter über die Zeit auf See lieb gewonnen, ebenso wie dessen Kapitän, doch wo Turamarth war vermochte der Drachenritter nicht zu sagen und er bezweifelte, dass noch jemand das Glück gehabt hatte diese Hölle auf See zu überstehen.

Der Ritter taumelte und wieder hielt nur seine in den Zügeln verfangene Hand ihn davon ab zu Boden zu sinken. In der Ferne zeichneten sich blasse Konturen ab und ließen Sturms Herz etwas höher schlagen. Eine Stadt. Endlich nach Tagen fand er eine Stadt. Der Ritter beschleunigte seinen unsicheren Schritt ein wenig und stolperte dabei ab und an über einen Stein oder eine Wurzel.

Die Stadt kam erschreckend langsam näher und schon bald verließ Sturm die Kraft. Ein weiteres Mal stolperte er und diesmal hielten ihn nicht einmal die Zügel mehr aufrecht. In seinem Arm knackte es, als die um ihn geschlungenen Lederriemen ihn auf brutale Weise, durch das Gewicht des Ritters gezwungen, verdrehten. Doch Sturm nahm auch diesen Schmerz kaum noch wahr. War es doch nur eine weitere Verletzung unter etlichen, die den Körper des Drachenritters bereits zierten. Hart schlug sein Kopf bei dem Sturz gegen einen Stein und der Ritter versank in Schwärze.
 

Eine hagere, knochige Hand lag auf seiner Stirn als Sturm wieder zu sich kam. Noch wagte er nicht die Augen zu öffnen – sein Leib schmerzte einfach viel zu sehr, als dass er dies in Erwägung gezogen hätte. Er versuchte die Finger zu bewegen. Es klappte. Doch als er den Arm heben wollte, konnte er nicht. Nicht dass sein Arm steif oder festgebunden gewesen wäre, es ging einfach nicht. Wo war seine Kraft hin? Warum konnte er sich nicht bewegen?

Die Hand von seiner Stirn verschwand, als er die Augen aufschlug und mit glasigem Blick an die Decke sah. Decke? Sollte da oben nicht eigentlich ganz normaler, blauer Himmel sein? Doch stattdessen waren da Holzbretter zu einer ebenen Fläche zusammengehauen, aus welcher noch hier und da die Nägel herausschimmerten. Sturm sah die Decke noch eine Weile an, dann ließ er den Blick – soweit er in dieser auf dem Rücken liegenden Position konnte – durch den Raum schweifen. Er war augenscheinlich in einem Zimmer eines Gebäudes. Es war einfach eingerichtet. Sein Bett stand unter einem Fenster, durch das die Sonne hineinschien und seltsame Schatten auf die Wände malte, gegenüber dem Fenster war die Tür, die einen Spalt offen stand, doch mehr konnte Sturm nicht erkennen, ohne sich aufzurichten, nur noch die normalen Holzwände an denen hier und da ein Bild oder eine Karte hingen. Dann blieb sein Blick auf dem Besitzer der Hand hängen.

Die Frau war alt – sehr alt –, das Gesicht ausgezehrt von etlichen Jahren. Ihre eisblauen Augen wirkten müde und abgespannt, wie als ob sie seit Tagen nicht mehr geschlafen hatte. Das schlohweiße lange Haar hing ihr ins Gesicht und der Mund war zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Alles in allem musste diese Frau etliche Jahrzehnte alt sein. Und dennoch strahlte sie etwas Ehrfurchtgebietendes aus, das Sturm davor warnte, sie zu schnell in eine Kategorie einzuordnen, ehe er sie wirklich kannte.

Als sie merkte, dass er wach war, beugte die Frau sich leicht über ihn und sah in seine Augen, was Sturm instinktiv ein wenig zurückzucken ließ. „Scht... habt keine Furcht, junger Herr.“ Die Stimme der Frau war wie ihr Antlitz – uralt und gebrechlich, aber dennoch irgendwie energiegeladen. „Ihr seid in Sicherheit. Ihr und Euer Freund. Ihr hattet großes Glück, dass Ihr es bis hierher geschafft habt.“

Sturm sah sich verwirrt um. Er erinnerte sich kaum noch an etwas. Erst nach einigen Sekunden kamen die Erinnerungen zurück. Das Tosen des Meeres... der brechende Mast… die Schreie der Männer, die in die wütende See gerissen wurden… und schließlich der Strand an den Sirith und er gespült worden waren. Sirith! Die Göttin mochte ihm beistehen, wo war Sirith? Sturm fuhr in die Höhe und sah sich gehetzt um. Sein Herz jagte und sein Atem ging schnell. „Wo ist er?“ herrschte der Ritter die Alte an und packte sie – da sie auch nach mehreren Herzschlägen nicht antwortete – grob am Kragen. „Wo ist Sirith?“

Die Alte antwortete noch immer nicht. Sie riss sich mit einer übertrieben harschen Bewegung los und ging zur Türe um Sturm allein zurück zu lassen.
 

Er wusste nicht mehr, wie lange er da gesessen und auf die Tür gestarrt hatte, ehe er aufgestanden war, seine Sachen zusammengesucht hatte und aus dem Zimmer gegangen war. Nun stand Sturm in einem halb verfallenen Flur in dem schon seit einem halben Menschenzeitalter niemand mehr gewesen sein konnte – wie die Staubschicht auf dem Boden bewies. Doch wo war dann diese Frau geblieben? Sturm verstand es nicht. Er schritt den Flur entlang und sein Blick blieb an einem alten Gemälde hängen. Darauf war ein junger Mann zu sehen, der einen Spieß in der Hand hielt und diesen auf einem Drachen richtete. Doch nicht das war es, was Sturms Augen fesselte. Das Bild musste mehrere hundert Jahre alt sein, denn die meisten Details waren nicht mehr zu erkennen. Dennoch im Hintergrund war eine Gestalt, die Sturm einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagte. Dort wo ein kleiner Fels aus der Ebene ragte, auf der Drache und Mensch ihren auf Pergament gebannten Kampf fochten, saß die alte Frau.

Sturm schüttelte sich wie ein nasser Hund „Geister...“ murmelte er und schüttelte den Kopf. Dann löste er sich von dem Bild und ging den Flur hinunter.

Hinter der einzigen noch existenten Türe fand er Sirith. Der Freibeuter hockte in einer Ecke des Zimmers und zitterte. Als er Sturm erblickte Atmete er erleichtert aus.

„Ich dachte schon es sei wieder diese Alte.“ Sirith schüttelte sich. „Wusstest du, dass sie ein Geist ist? Doch ehrlich. Im Flur hängt ein Bild und-“

„Genug!“ schnitt Sturm ihm das Wort ab. „Ich weiß es bereits, Sirith. Wir sollten lieber von diesem gottverdammten Ort verschwinden, so lange wir noch laufen können.“

„Nichts lieber als das.“ Sofort sprang der Freibeuter auf und hastete an Sturm vorbei den Flur hinunter. Doch nun ergab sich ein weiteres Problem.

Als Sturm zu seinem Begleiter trat, stand dieser wie angewachsen vor der einer schief hängenden Türe und starrte diese fast panisch an.

„Was ist denn?“ Der Drachenritter trat neben den anderen und blickte auf die Tür, ehe er selbige öffnete und hinaus treten wollte. Zu seinem Glück jedoch, hatte Sirith seinen Kragen gepackt, denn Sturms Fuß trat ins Leere. Die Hütte entpuppte sich als Schloss hoch oben auf einem Berg und die Türe hatte wohl dereinst auf einen Balkon geführt, nun aber war unter ihnen nichts als Leere. Ein Abgrund, der Meterweit in die Tiefe stürzte. Erschrocken wich Sturm zurück und taumelte in den Gang. „Ihr Götter… Sirith, warum hast du es nicht gesagt?“

„Weil du wie ein hungriger Tigerhai an mir vorbei gelaufen bist…“ gab der Freibeuter schnippisch zurück und sah sich kurz um. „Ich fühl mich hier nicht wohl, Sturm… Wir müssen hier raus finden! Wir müssen Tura und die anderen finden!“

„Tura ist wahrscheinlich tot, Sirith…“ Sturm schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Ich bezweifele, dass außer uns noch einer den Untergang des Schiffs überstanden hat. Wir wurden angespült… Sirith, wir hatten einfach nur Glück…“

„Nein! Das kann nicht sein!“ Energisch schüttelte Sirith den Kopf und sah Sturm an. „Das glaube ich nicht! Wir müssen sie suchen!“

„Erstmal müssen wir von hier runter kommen und dann sehen wir weiter.“ Sturm wandte sich um und ging den Gang hinunter. Er rüttelte an den verzogenen Türen, bis er eine fand, die sich öffnen ließ und den Blick auf einen weiteren, Staubigen Gang Preis gab. „Gehen wir.“ Und ohne weiter auf den Freibeuter zu warten, ging er nun auch schon los. Langsam und immer auf den Boden achtend. So alte Gemäuer neigten dazu plötzlich ein zu brechen oder wiesen gerne Löcher im Boden auf, durch welche man allzu schnell fiel und sich die Knochen brach.

Sirith folgte ihm. Doch schien er noch weniger auf diesen Untergrund zu vertrauen, fand Sturm. Oft beobachtete der Draconiar wie der Pirat vor kleineren Rissen stehen blieb und diese erst eine Weile betrachtete, ehe er es wieder wagte weiter zu gehen und Sturm zu folgen. Der Ritter wartete dann immer auf seinen Begleiter. Niemand sollte ihm nachsagen, dass ausgerechnet er – der General der draconischen Armee und der Leibwächter des Prinzen seines Heimatlandes – einen anderen zurück ließ. Nein, das würde Sturm niemals in den Sinn kommen.

Eine weitere Tür, ein neuer Gang. Doch diesmal war etwas anders. Die Staubschicht auf dem Boden wies Unregelmäßigkeiten auf. Jemand war hier gewesen. Der Gang war nicht unberührt, folglich war auch das Gemäuer nicht so unbelebt, wie es oben geschienen hatte.

Sturm legte die Hand an sein Schwert. Wer wusste, welche Monstren sich hier aufhielten? Wer konnte sagen, worauf sie sich einstellen mussten?

Mit einer Handbewegung weiß er auch Sirith an, sich bereit zu halten. Nur für den Fall der Fälle.

Die Luft hier war stickig, abgestanden und roch nach Staub und altem Stein. Abgerissene Wandteppiche hingen an den Wänden. Hier und dort fand sich Schutt auf dem Boden und darüber klafften Löcher in der Decke. Doch regte sich kein Lufthauch. Die Dunkelheit hing mal schwer und undurchdringlich, mal trügerisch und manche Dinge Preis gebend über den beiden Reisegefährten.

Dies alles machte die Umgebung nicht gerade einladender für Sirith, der den Abstand zwischen sich und Sturm lieber noch verringerte.

Doch auch Sturm war nicht vor der Furcht gefeit, die sich langsam in sein Denken stahl. Seine Nackenhaare stellten sich auf, sein Herz schlug schneller und überall glaubte er huschende Schatten zu sehen, welche für Ratten oder Vögel, die man oft in Ruinen wie dieser fand, zu groß waren.

Alsbald glaubte er den schweren Atem einer riesigen Kreatur zu hören. Etwas knackte tief unter ihnen, als sie endlich eine Treppe fanden. Sturm zuckte bei diesem Geräusch merklich zusammen und auch Sirith tat einen Schritt zurück.

Sturm sah zu ihm. Also war er doch nicht verrückt. Er bildete sich dieses Geräusch also doch nicht nur ein. Der Ritter schloss kurz die Augen und zählte stumm bis zehn, ehe er den Fuß auf die oberste Stufe setzte und langsam den Abstieg begann.

Das Geräusch wurde lauter. Schweres Schnauben einer gewaltigen Kreatur. Heißer Wind schlug ihnen von unten entgegen und trieb den Staub zu ihnen herauf, dass Sturm und Sirith kaum erkennen konnten, wo sie ihre Füße hin setzten. Mehr als einmal gerieten sie ins Straucheln und konnten sich nur mit Mühe noch fangen.

Sturms Muskeln begannen bald zu schmerzen. Er war zu schwer verletzt worden beim Untergang des Schiffes und hatte sich noch bei Weitem nicht genug erholt um nun einen solchen Gewaltmarsch durch eine alte Ruine durch zu stehen und an dem keuchen und hecheln, welches von Sirith ausging, konnte er erkennen, dass es auch dem Freibeuter nicht besser ging. Es nützte alles nichts, die brauchten eine Pause.

Auf einem Absatz machten sie also Rast und versuchten trotz der schlechten Luft, welche sie oft zum Husten brachte, zu Atem zu kommen.

Sturm wusste nicht, wie lange sie dort gesessen und gewartet hatten doch letztlich machte es auch keinen Unterschied. Sie hatten die Pause gebracht. Nun jedoch setzten Sturm und sein Begleiter ihren Weg hinab in die Finsternis fort. Immer tiefer wand sich die Treppe hinab. Immer lauter wurde das Schnauben und immer wärmer die Luftstöße, die empor schlugen. Schließlich erreichten sie vollkommen verdreckt und müde den Fuß der Treppe und atmeten mehrmals tief durch.

Sirith ließ sich nach hinten sinken. „Was tun wir hier, Sturm? Wir sollten verschwinden und nicht nach der Quelle irgendeines Geräusches suchen…“

„Weiter…“ War jedoch alles, was der Drachenritter auf diese Worte erwiderte. Er wusste es ja selbst. Dennoch… Sein Pferd war irgendwo hier unten, das spürte er und er hatte nicht vor dieses edle, treue Tier hier bei irgendeinem Ungeheuer zu lassen auf das es starb.

Also ging er weiter. Tiefer in die Ruine. Hier unten war es sogar noch dunkler. Weshalb Sturm noch einmal zurück zur Treppe ging und einen Balken nahm. Er riss ein Stück seiner Kleidung ab und wickelte den Streifen um das Holz. Das gleiche tat er noch zweimal, ehe er einen Stein aus seiner Tasche zog und diesen über sein Schwert führte, dass Funken stoben. Sie setzten die erste der provisorischen Fackeln in Brand und Sturm packte Schwert und Stein wieder weg. Der Ritter hob die Fackel hoch und ging los, nachdem er Sirith die beiden anderen in die Hand gedrückt hatte. Sie sollten als Reserve dienen.

Nun schlug ihnen nicht mehr nur der heiße Wind entgegen. Dazu gesellte sich wieder modriger Geruch von Stein, aber noch etwas anderes, etwas, was Sturm zum würgen gebracht hätte, hätte er es nicht gekannt: der faulige Gestank von Verwesung.

„Das wird ja immer gemütlicher hier.“ murrte Sirith und hielt sich die Hand vor Mund und Nase. „Das riecht schlimmer als die Fischsuppe von Tiras Schiffskoch… und das will was heißen“

„Sag bloß du kennt diesen Geruch nicht…“ Sturm sah den Anderen erstaunt an.

„Doch klar… So riecht’s wenn irgendwo ein Versager verfault.“

„Nicht nur bei Versagern… Es riecht immer so, wenn irgendwas verfault, dass aus Fleisch besteht.“ Sturm ging nun langsamer weiter. Wer konnte schon ahnen, was sich da hinter der nächsten Biegung verbarg? Er selbst jedenfalls wollte da kein Risiko eingehen.

Sie erreichten die Quelle dieses entsetzlichen Gestanks und selbst dem kampferprobten Sturm verschlug es die Sprache. Vor ihnen erstreckte sich eine gewaltige Halle, die – wie die Mauerreste vermuten ließen – einmal in mehrere Räume und Flure unterteilt gewesen war. Der Boden war übersäht von Leichen, welche zum Teil bereits Monate, wenn nicht Jahre, hier liegen mussten. Der Boden war zerrissen von gewaltigen Klauen. Das Mosaik an einer Wand ließ nur noch erahnen, dass man hier einst eine Szene aus alten Mythen hatte erkennen können. Ein schabendes Geräusch wie von einem riesigen Wesen, welches sich durch einen zu engen Tunnel zwängte, erfüllte den Raum.

Sturm hob die Fackel höher und konnte gerade noch erkennen wie ein gewaltiger Drachenkopf sich in die Finsternis zurück zog. Grüne Augen hatten ihn unter einem goldenen Stirnschutz angeblitzt. Sturm erkannte die Drachin erst, als sie bereits verschwunden war.

„Beim Blute Raunems…“ murmelte er leise und schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein.

„Sturm?“ Sirith sah seinen Begleiter fragend an. „Sturm, wer war das? Kanntest du den Drachen?“

„Ja…“ Der Ritter nickte. „Das war Simarin… sie Verräterin.“



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