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Sonnenaufgang im Westen

Aus den jungen Jahren eines Hundefürsten...
von

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Hochzeit

Als Kodoro und seine Tochter zurück auf dem Schlachtfeld eintrafen, erhoben sich der Taishou und sein Sohn höflich, die unter dem Schatten eines Baumes sitzend gewartet hatten. Beide bemerkten sehr wohl den Schauder, den die Prinzessin beim Anblick der zerstörten Landschaft, der zerfetzten Toten und wohl auch der gefangenen Krieger ihres Vaters überlief. Aber das ziemte sich für eine wohlerzogene junge Dame.

Sie wusste das, kannte ihre Rolle nur zu gut. Wollte sie die Monate oder Jahre bis zur Geburt eines Thronfolgers hier durchstehen, mussten sie sie unterschätzen, durften in ihr nur das höfliche, gut ausgebildete Mädchen sehen – und durften nicht ahnen, dass ihr Verstand dem eines Mannes ebenbürtig war. Sie wusste nicht, wie sie das schaffen sollte, aber erst danach würde ihr Vater sie wieder aufnehmen. Floh sie zuvor vor dieser Ehe – wohin hätte sie gehen sollen? Zu Fürst Susumu? Sie bezweifelte nicht, dass der sie aufnehmen würde, aber der Preis, den er verlangen würde, wäre sicher identisch mit dem des Herrn der westlichen Gebiete, eher ärger, denn dort könnte sie Vater auch nicht nur ein wenig beschützen.

Nichts davon zeigte sich nach außen, als sie neben ihrem Vater, den Kopf sittsam gesenkt, vor den Fürsten und seinen Sohn trat. Sie hatte es aus der Entfernung riskiert, einen Blick auf ihren Bräutigam zu werfen und etwas erleichtert festgestellt, dass er wirklich in ihrem Alter war und wenigstens nicht Abscheu erregend aussah. Natürlich war ihr im Endeffekt immer klar gewesen, dass sie als Prinzessin Handelsware war – und dass sie sich glücklich schätzen konnte, wenn sie ihren ausgesuchten Ehemann auch nur sympathisch finden würde. Hoffentlich täuschte der erste Eindruck nicht, aber sie entsann sich der Gerüchte, dass er ein Bücherwurm war, kein Krieger. So würde er doch vermutlich auch nicht dazu neigen, seine Ehefrau zu schlagen oder anderes.

„Danke, Kodoro,“ sagte der Inu no Taishou, als sich der Vater mit der Tochter an der Hand vor ihm niederknieten. „Ich bin erfreut, dich kennenzulernen, Prinzessin. Ich vermute, dein Vater hat dir bereits mitgeteilt, warum ich dich zu sehen wünschte.“

„Ja, Herr,“ erwiderte sie höflich, zum ersten Mal erleichtert, dass nicht er selbst sie zur Braut wollte, sondern sie seinem Sohn gab. Er war ja sicher so alt, wenn nicht älter, als ihr Vater, und sie hätte nicht gewusst, wie sie ihren Schauder vor seiner Nähe hätte unterdrücken sollen. Sein Sohn war doch jünger, sah eigentlich auch besser aus.....Was sollte, durfte sie noch sagen: „Ich danke für die Ehre.“

„Dann werden wir die Zeremonie sofort begehen. Danach, Kodoro, sind alle deine Männer frei.“

„Wie Ihr wünscht, Herr.“ Der Provinzfürst erhob sich und bot seiner Tochter die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. In dem kostbaren, steifen Kimono war das schwer.

Sie sah zu Boden. Nie zuvor hatte sie sich so abwesend von tatsächlichen Vorkommnissen gefühlt. Es war, als träume sie nur, doch etwas in ihr sagte, dass es Realität war. Schreckliche Realität. Sie fühlte, wie ihr Vater ihre Hände fasste, sah, wie der Inu no Taishou die Hände seines Sohnes nahm. Die ihren wurden in die seinen gelegt, beide Väter übernahmen das Eheversprechen. In ihrer Trance nahm sie seltsame Kleinigkeiten wahr, die ihr doch eigentlich hätten gleich sein müssen: dass ihr Ehemann warme Finger hatte, die er nicht grob um die ihren schloss, schwarze Schuhe trug zu einer seidenen, weißen Hose, eine sicher schwere Rüstung mit Stacheln daran, ein Schwert...

Endlich wurden ihre Hände losgelassen und sie hörte den Fürsten sagen: „Bringe deine Gemahlin in unser Schloss und zeige ihr ihre Räume. Der Haushofmeister soll gebührend Dienerinnen abstellen, Zofen. - Kodoro, wir haben noch einige Kleinigkeiten zu besprechen.“

Was sollte sie tun? Sie verneigte sich höflich vor ihrem neuen Schwiegervater, ehe sie neben ihren Gemahl trat, ihn zum ersten Mal aus der Nähe in das Gesicht blickend. Nein, scheußlich sah er nicht aus, und sie atmete unwillkürlich etwas auf. Es würde schwer genug werden seine Nähe zu erdulden, um einen Sohn zu empfangen, besser, wenn er ihr kein Grausen einjagte. Er musterte sie auch. Hatte er etwa ebenfalls Sorge gehabt, sie könnte ihm Abscheu einjagen? Dieser Gedanke war ihr neu. Sie musste sich ihm unterwerfen, so verlangte es Recht und Tradition, sie war ihm bedingungslosen Gehorsam schuldig. Was also konnte er für Besorgnisse hegen?

„Wie Ihr wünscht, verehrter Vater. - Kommt, meine Teure,“ sagte der Prinz. Zum Glück sah die Prinzessin nicht gerade schlecht aus, so dass es ihm wohl wirklich nicht schwer fallen würde seine Pflicht zu tun. Sie tat kühl, aber ein oder zwei Blicke hatten ihm verraten, dass sie besorgt war. Angst konnte man es kaum nennen, dazu war sie zu selbstbeherrscht, aber es war wohl auch ungewöhnlich, ohne jede Vorwarnung in ein anderes Leben geworfen zu werden. Nicht einmal eigene Dienerinnen hatte sie mitnehmen dürfen. Sein Naturell ließ ihn nicht ungerührt, und als sie einige Strecke entfernt waren, meinte er: „Wir sollten uns jetzt verwandeln, um die Strecke rascher zurücklegen zu können. - Eines noch. Es ist eine große Veränderung in Euren Leben, aber ich denke nicht, dass Ihr sie zu bereuen haben werdet.“

Was sollte sie dazu schon sagen? „Danke.“ Immerhin klang das freundlich. Und das war schon das Äußerste, was sie von einem Ehemann erwarten durfte. Das war ihr klar. Ihre Ausbilderinnen hatten ihr nur zu eindringlich erzählt, wie sich eine so junge, hochgeborene Dame verhalten sollte – nicht, dass das nicht wiederholt ihr Bedauern geweckt hätte, als Mädchen geboren zu sein. Aber Vater, seine Krieger....sie alle waren darauf angewiesen, dass sie ihre Rolle spielte.

Sie tat zurückhaltend, um ihren Stolz zu wahren, dachte der Prinz plötzlich, der aus einem gewissen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Und doch: heute Nacht gehörte sie ihm. Und wo mochte da dann wohl ihr Stolz bleiben? Das konnte noch interessanter werden, als er zuerst gedacht hatte.
 

Die Prinzessin aus dem schwebenden Schloss war überrascht, als sie das Heim des Fürsten des Westens sah. Hohe Mauern, und überall Bewaffnete, männliche und weibliche Hundedämonen ebenso wie Angehörige verwandter Arten. Vater hatte es stets vermieden seine Krieger in sein Schloss zu holen, sie höchstens unten warten lassen.

„Isamu!“

Der Ruf ihres Ehemanns ließ ihr bewusst werden, dass alle hier im Hof sie mehr oder weniger anstarrten. Unmögliches Volk! Sie hob etwas den Kopf und gab den Blick eisig zurück, was die Dämonen bewog, beiseite zu sehen. Schließlich war es ungehörig einen Fürsten oder ein Mitglied seiner Familie derart zu mustern und auch, wenn diese Leute keine Ahnung über ihren neuen Stand hatten, so war sie nicht willens, das durchgehen zu lassen.

Ein Dämon eilte heran, so gut er es in dem kostbaren Kimono eines hohen Beamten konnte, und verneigte sich eilig.

Nun gut, dachte die Prinzessin, immerhin jemand, der sich zu benehmen wusste.

„Isamu, ich will dir meine Gemahlin vorstellen. Sie benötigt Dienerinnen, Zofen und anderes.“

„Ja, mein Prinz.“ Der Haushofmeister war zu gut geschult um seine Überraschung zu erkennen zu geben und neigte den Kopf erneut: „Willkommen im Schloss im Westen. - Wenn der Herr keine weiteren Anweisungen gegeben hat und Ihr nichts dagegen habt, würde ich der jungen Dame die Gemächer der verstorbenen Fürstin geben.“

„Ja, tue das.“

„Dann folgt mir bitte, Prinzessin.“

Sie tat es mit gewisser zwiespältiger Erleichterung, nicht vergessend, sich vor ihrem Ehemann etwas zu verneigen. Die verstorbene Fürstin? Dann hatte sie keine Schwiegermutter, das war zum einen gut, da sie ihr keinen Gehorsam schuldete, aber andererseits bekam sie auch keine Hilfe beim Einleben. Dienstboten konnte sie schließlich unmöglich fragen. Sie bemerkte, dass Isamu einer anscheinend höherrangigen Dame etwas zuflüsterte, aber das interessierte sie wenig. Falls dies ihre neue Hofmeisterin war, würde sie ihr offiziell mit den anderen Dienerinnen vorgestellt werden. Vermutlich sollte sie diese nur zusammenstellen.

Der Seitenflügel, der der Familie vorbehalten war, bestand aus zwei Gängen.

„Hier rechts, Prinzessin, geht es zu den Räumen der Herren, hier links zu den nun Euren. Teiko, die Haushofmeisterin, wird sich und die ausgesuchten Dämoninnen Euch dann vorstellen. - Hier, bitte.“ Er öffnete die Tür: „Das offizielle Empfangszimmer. Selbstverständlich wird es noch nach Euren Wünschen eingerichtet.“

„Nach dem Tode der Fürstin wurde dieser Trakt wohl geräumt.“

„Ja.“

Er schien erstaunt. Hielt er sie etwa für dumm? Sie hatte den Schlosshaushalt ihres Vaters für Jahre organisiert. Natürlich wurden Matten oder auch Möbel nicht sinnlos für unbestimmte Zeit stehen gelassen.

Izamu öffnete die nächste Tür: „Hier ist der Raum für Eure Damen – und danach kommt nur Euer Privatraum, Euer Schlafzimmer.“ Er ging durch den Raum der Dienerinnen und öffnete eine weitere Tür.

Sie sah sich in dem fast dreißig Quadratmeter großen Raum um, etwas verwundert, zwar drei Fenster, aber keine weitere Tür zu sehen.

„Vergebt, Prinzessin, wenn Ihr etwas wissen wollt, so fragt mich bitte. Dazu bin ich da.“

„Es erstaunt mich nur, keine weitere Tür zu sehen,“ gab sie zu.

„Wozu?“ Der Haushofmeister wahrte zwar die berufsbedingte und dämonische Selbstbeherrschung, aber das Unverständnis war hörbar.

Es ärgerte sie, in ein Fettnäpfchen getreten zu sein, aber sie meinte kühl: „Das Schlafzimmer meiner Mutter hatte eine eigene Tür zu dem meines verehrten Vaters. Hier ist das zwar bauartbedingt nicht möglich, aber ich vermutete nicht, dass der Prinz, mein Gemahl...“ Nichts verriet, wie schwer ihr dieser Ausdruck fiel: „Durch alle Räume und an den Damen vorbeigehen möchte.“

„Oh, ich verstehe. Das sind dann wohl andere Sitten. Hier kommt nicht der Herr zu Euch, sondern fordert die Damen auf, Euch vorzubereiten und zu ihm zu bringen.“

Ging es noch schlimmer? Das bedeutete, dass das halbe Schloss, nun, bei dem ewigen Geschwätz eher das ganze, Bescheid wusste, wenn und wann sie gerufen wurde – und wann nicht. Dass sie nie mehr allein sein würde, war nur zu offensichtlich. Zum Glück hatte sie durchaus gelernt sich und ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Immerhin war sie kein Irgendwer. Auch Zuhause war meist mindestens eine Kammerfrau bei ihr gewesen – allerdings kannte sie diese seit ihrer Geburt, das war doch etwas anderes. Hier kannte sie niemanden, aber das war eben so und wenn sie nicht zu Fürst Susumu flüchten wollte, musste sie hier durch. So meinte sie nur: „Die Haushofmeisterin wird in Kürze kommen?“

„Ja, Prinzessin.“

„Dann darfst du dich verabschieden.“ Er wollte, musste gehen, das war klar und besaß immerhin genug Höflichkeit, das nicht ohne ihre Erlaubnis zu tun. Alleingelassen sah sie sich um. Auch das Schlafzimmer war momentan vollständig leer, aber gewiss würden bald Matten geliefert werden, Schreibzeug und anderes. Isamu schien seinen Beruf zu verstehen. Hoffentlich die neuen Kammerfrauen auch.
 

Sie blieb eine halbe Stunde allein, ehe sich eine Dämonin namens Teiko höflich bei ihr als neue Hofmeisterin vorstellte und die neun anderen präsentierte. Die Prinzessin beachtete eigentlich nur Teiko, die ihre Ansprechpartnerin wäre, und die beiden Zofen. Alle anderen waren entweder zur Gesellschaft oder auch zum Putzen eingeteilt und sie müsste sich ihre Namen zunächst nicht merken. Da Teiko sie nach ihren Einrichtungswünschen fragte, teilte sie diese mit. Dabei entging ihr nicht, dass die Hundedämonin stutzte, als sie neben einem Schreibpult im Arbeitszimmer auch eines in ihrem Schlafzimmer verlangte. Da sie es allerdings erhielt, war es ihr gleich.

Abschließend begleiteten die Haushofmeisterin und die beiden Zofen die Jungverheiratete zum Bad. Während sie dort gewaschen wurde, ihr Haar gebürstet wurde, konnte die Prinzessin einen gewissen Widerwillen nicht unterdrücken. Es waren zum einen Fremde, die sie berührten, aber ihr war klar, dass das eben so war. Sie musste sich an diese gewöhnen. Zum anderen jedoch widerstrebte ihr die Tatsache, dass sie nicht um ihrer selbst willen verschönert wurde, sondern um einem Mann, ihrem Ehemann, zu gefallen. Aber es half nichts. Wollte sie nicht, dass ihr Vater starb, sie selbst zumindest heimatlos wurde, wenn sie sich nicht gleich Fürst Susumu ausliefern wollte, musste sie sich fügen. Zumindest, bis sie einen Sohn bekommen hatte. Daran würde sie sich festhalten. Ein Sohn war ihre einzige Gelegenheit zu einer auch nur einigermaßen erfolgreich scheinenden Flucht.

„Wie ist es hier üblich?“ erkundigte sie sich kühl: „Der Prinz wird mich rufen lassen?“

„In der Tat, Prinzessin.“ Teiko betrachtete sie kurz: „Ich werde Euch dann zu seinen Räumen begleiten und dort vor der Tür warten.“

Auch das noch. Aber die Prinzessin war zu selbstkontrolliert, um nicht aufzustehen und die Arme auszubreiten, um sich abtrocknen zu lassen: „Und dann?“

„Nun, das werdet Ihr wissen.“

War das hier etwa üblich, dass junge Ehefrauen bereits wussten, was sie erwartete? Wie peinlich. Da würde sie sich ja schön vor ihrem Mann blamieren. Alles, was sie wusste, war, dass sie tun sollte, was er verlangte. Aber ehe sie Teiko fragte...nein. Das war immerhin ein Prinz, mit ihr verheiratet, und da war es nicht ganz so demütigend. Oder erst recht? Wo war nur ihre Selbstsicherheit hin? Ihr klarer Verstand? Um sich zu schützen, sagte sie: „Ich meinte, morgen.“

„Oh, vergebt, Prinzessin. Nun, wenn der Fürst gesehen hat, dass die Ehe vollzogen ist, wird er ohne Zweifel Euch allen als seine Schwiegertochter vorstellen und Euch dann auch sagen, was Ihr zu tun habt.“

Wenn der Fürst gesehen hat...? War er etwa dabei? Aber dann entsann sie sich, dass es die Sitte gab, ein Tuch mit Blut darauf als Nachweis der Jungfräulichkeit der Braut zu präsentieren. Das wurde ja immer schlimmer. Aber da musste sie durch, ebenso, wie jede junge Frau. Nicht zum ersten Mal bedauerte sie, in einem weiblichen Körper geboren zu sein. Aber sie würde kalt sein, eiskalt bleiben, um sich zu schützen, und die gehorsame Ehefrau spielen. Alles, um bald schwanger zu werden, bald hier wieder weg zu kommen. Um abzulenken erkundigte sie sich: „Es gibt eine Heilerin im Schloss?“

„Ja, Herrin. Einen Heiler und eine Heilerin. Sie ist seine Schülerin seit langen Jahren und genießt unter uns Dämoninnen einen sehr guten Ruf, gerade auch, was Geburtsvorbereitungen und derartiges betrifft. Ihr werdet in den nächsten Tagen ohne Zweifel viele Fragen haben. Dazu bin ich da. - Seid ihr mit der Prinzessin fertig?“ Die Haushofmeisterin musterte kritisch das Werk der Kammerzofen: „Ich glaube, Ihr seid perfekt.“

„Danke,“ ließ anerzogene Höflichkeit die Prinzessin sagen, obwohl sie am liebsten sich verwandelt hätte und davongelaufen wäre.
 

Nur wenig später begleitete Teiko ihre neue Herrin in den Trakt, in dem der Fürst und der Prinz ihre Privaträume hatten. „Hier ist es,“ sagte sie: „Ich werde hier auf Euch warten, denn es ist niemandem, der nicht herbefohlen ist, erlaubt, die Privatgemächer zu betreten.“ Sie öffnete die Tür, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie schwer es der jungen Hundedämonin fiel mit ungerührtem Gesicht in das Unbekannte zu schreiten.

Der Trakt war ähnlich aufgebaut wie der ihre, stellte sie fest. Allerdings war dies hier eindeutig schon der Vorraum, in dem gewöhnlich wohl Diener warteten. Natürlich. Der Prinz besaß vermutlich in den offiziellen Räumen ein eigenes Arbeits- und Empfangszimmer. Jetzt war allerdings niemand hier. Hatte ihr Ehemann etwa seine Diener weggeschickt?

Nahm er auf sie Rücksicht? Das konnte sie fast nicht glauben. Nach den wenigen Berichten, die ihr jungverheiratete Bekannte gegeben hatten, kümmerte sich ein Mann nicht um die Befindlichkeiten seiner Frau, schon gar nicht um Empfindsamkeiten. Nein, es konnte durchaus auch den anderen Grund haben, damit niemand sie hören könnte. Sie würde nicht schreien, nicht um Hilfe rufen, das nahm sie sich fest vor. Zum einen würde sie keine bekommen – nicht gegen den Prinzen und nicht gegen ihren Ehemann – zum anderen war sie das auch ihrem persönlichen Stolz schuldig.

Sie bemerkte, dass sie gezögert haben musste, denn sie hörte durch die geschlossene Tür seine dunkle Stimme: „Kommt nur.“

Was blieb ihr schon übrig? Als sie die Tür zu seinem Schlafzimmer beiseite schob, empfand sie ein Gefühl, dass einem Delinquenten vor dem Henker nur zu ähnlich war, ohne es jedoch zu zeigen. Der Prinz erwartete sie, am anderen Ende seines Zimmers sitzend, das deutlich kleiner als das ihre war. Wie schon zuvor hatte er sein weißes Haar zu einem Zopf zusammengebunden, jetzt aber natürlich keine Rüstung mehr an. An seiner rechten Seite lagen Tatami-Matten, sicher sein Bett. Sie verneigte sich wohlerzogen.

„Guten Abend, meine Teure.“

„Guten Abend....“ Mit gewissem Mut der Verzweiflung ging sie voran und ließ sich auf den Matten nieder, legte sich hin: „Dann tut, was Ihr tun wollt,“ sagte sie kühl: „Danach lasst mich gehen.“ Sie schloss die Augen, willens, sich in das Unvermeidliche zu fügen.

Der Hundeprinz stutzte etwas, ehe er meinte: „So hatte ich mir das allerdings nicht vorgestellt.“

Machte man es nicht so? Sie war einen Moment verwirrt, ehe ihr einfiel, dass Teiko angedeutete hatte, hier wüssten die Ehefrauen, was von ihnen erwartet wurde. Das musste sie wohl erklären, damit er sie nicht für taktlos, oder schlimmer, dumm hielt. So sah sie zu ihm: „Ich bitte um Verzeihung, so wurde mir das beigebracht.“

„Dann lasst Euch gesagt sein, dass ich das nicht so will. Setzt Euch wieder auf. - Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr die eine oder andere Frage habt.“

Kein Krieger, dachte sie während sie gehorchte. Vater hatte ja erwähnt, er sei ein Bücherwurm, also, weich. Das bewies er auch gerade. Aber ihr war klar, dass sie ihre gewisse Verachtung verbergen sollte. So meinte sie nur: „Gut. Was erwartet Ihr von einer gezwungenen Braut?“

„Das, was wohl jeder von seiner Gemahlin erwartet: einen Erben.“ Er bemühte sich seine Heiterkeit nicht zu zeigen, um sie nicht zu verletzen. Unter ihrer Kühle lag etwas, das ihn eher an einen Welpen erinnerte, seinen Beschützerinstinkt weckte.

Was sollte sie dazu sagen? „Ich kann Euch versichern, dass dies mein Wunsch ist.“

Wohlerzogen, aber.... „Aber Ihr ...Eure Ausbildung haperte in diesem Punkt? Eure Mutter...“

„Meine Mutter starb bei meiner Geburt.“ Aus irgendeinem Grund wurde ihr plötzlich bewusst, dass auch sie dieses Schicksal erleiden konnte: „Mein verehrter Vater heiratete nicht mehr und erzog mich als seine Erbin.“

„Wie einen Jungen,“ folgerte er prompt.

Nun, immerhin war er nicht dumm: „Ja.“

„Umso überraschender kam heute die Ehe.“

„Ja.“

Sie war gut ausgebildet, anscheinend nicht gerade töricht – und ebenso wie er selbst von dieser Heirat überrascht worden. „Auch ich hatte keine Ahnung, dass mein verehrter Vater derartiges beabsichtigte. Nun, bevor wir beide unsere Pflicht erfüllen, möchte ich Euch eines zusichern: gleich, was kommt, Ihr werdet mit mir immer offen sprechen können.“

Das war mehr, als sie erwartet hatte. Aber, meinte er das wirklich ernst? Das würde wohl erst die Zukunft zeigen: „Danke. Das werdet Ihr auch mit mir tun können.“

Noch während ihr die Ungehörigkeit eines solchen Angebots zu Bewusstsein kam, lächelte der Hundeprinz ein wenig: „Ich könnte darauf zurückkommen. - Bringen wir es hinter uns. Legt Euch bitte wieder nieder. Und seid versichert, dass ich Euch keine Schmerzen zufügen möchte.“

Weich, dachte sie wieder. Wäre es etwa möglich, wenn er einst der Fürst und der Herr hier wäre, dass sie ihn so beeinflussen könnte, dass eigentlich sie regierte? Diesen Weg hatte sie nie zuvor gesehen – aber das wäre eine Alternative, solange sie keinen Sohn haben konnte. Sein Vater war schon relativ alt, und es gab auch andere Möglichkeiten...Sie musste nachdenken. So legte sie sich gehorsam zurück und fragte, um ihrer Rolle genüge zu tun: „Was soll ich machen?“

Ein wenig erschreckt bemerkte sie, dass er sich neben ihr ausstreckte: „Nichts,“ meinte er fast freundlich: „Nur möchte ich Euch bitten, mich machen zu lassen.“

Bitten statt befehlen? Wieder dachte sie, dass er weich sei: „Dann macht....“
 

Weit im Süden lehnte sich der Fürst zurück: „Neuigkeiten, Tomi?“

Sein Ratgeber kniete eilig nieder: „Ja, Herr. Unser...Euer Spion im schwebenden Schloss sandte Nachricht. Kodoros Aufstand ist fehlgeschlagen.“

„Wie..hm..bedauerlich. Soll ich sagen, ich hoffe, dass der Gute einen leichten Tod hatte?“

„Er lebt noch, mein Fürst.“

Fürst Suzumu richtete sich etwas auf: „Das erstaunt mich dann doch ein wenig. Ich hielt den Taishou bislang nicht für weich.“

„Der Sohn des Taishou heiratete Kodoros Tochter.“

„Ich verstehe. Schlau von Kodoro, sich so aus der Schlinge zu ziehen. Oder eher schlau vom guten, alten Taishou, sich solcherart die Dankbarkeit des Ungetreuen zu sichern und eine nette kleine Geisel zu nehmen. Dieser Plan wuchs sicher nicht auf Kodoros Mist. - Beauftrage alle unsere Spione im Schloss im Westen, jede Nachricht über diese neue Ehe mir zu senden.“

„Nachwuchs, natürlich.“

„Nicht nur, mein armer Tomi. Du nimmst nicht an, dass die liebe Prinzessin gern mit dem Weichei verheiratet ist. Wenn sie zu unglücklich ist, könnte man sie hierher einladen. - Geh. Ich will jeden Tag etwas Neues hören. Was ist?“

„Vergebt, Herr, aber darf ich darauf aufmerksam machen, dass sich unsere Spione bislang nicht untereinander kennen? Soll ich dies ändern?“ Der Ratgeber schluckte etwas, sah dann erleichtert, wie die bereits erhobene Hand seines Herrn sank.

„Da hast du trefflich recht, Tomi. Der Taishou muss nicht alle finden, falls sich einer ungeschickt anstellt. Nein. Jeder soll dir einzeln Berichten, mindestens jedoch einmal die Woche. Mich interessiert vor allem die Prinzessin aus dem schwebenden Schloss.“
 

**
 

Während Fürst Susumu plant, einen Keil in die neue Verbindung zu treiben, arbeitet der Schwiegervater ihm schon einmal zu.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  Kurayami_
2011-06-05T22:49:47+00:00 06.06.2011 00:49
Oh Ich liebe deine Geschichte!! *.*
Bin gerade in der Hälfte von Kapitel 2 und finde es nur super realistisch irgendwie und total spannend =)
Von: abgemeldet
2011-04-24T12:19:47+00:00 24.04.2011 14:19
Und mir tut das Mädel immer mehr Leid. Durchs ganze Schloss laufen... ich will mir das garnicht vorstellen. Aber andererseits hat sie noch einen guten und anscheinend auch netten Ehemann erwischt. Es könnte noch um einiges schlimmer sein. Jetzt heißt es eben, Zähne zusammen beißen, Augen zu und durch.

Hm... Susumu mag ich irgendwie nicht... der ist böse... =)

Ich bin gespannt wie es weiter geht und hoffentlich habe ich heute noch genug Zeit ein weiteres Kapitel zu lesen.

LG
Tinerina
Von:  Weissquell
2011-04-10T11:26:12+00:00 10.04.2011 13:26
Na, das kann ja heiter werden. Hat muir gut gefallen das Kapitel. Einerseits die berechnende, intelligente Art der Prinzessin, (von der wir noch immer nicht den Namen kennen, nebenbei bemerkt. Ändert sich das noch?) andererseits die Verzagtheit einer Jungfrau vor der Hochzeitsnacht. Diese ausgewogene Mischung bringt sie sehr realistisch rüber.
Ich glaube aber noch immer, dass die lieben Herrschaften den guten Inu Taishou jr. gehörig unterschätzen wenn sie auf Grund seiner Milde glauben, leichtes Spiel mit ihm zu haben. Und sollte er tatsächlich noch etwas blauäugig sein, zahlt er vermutlich sein Lehrgeld und ist dann um ein gehöriges reifer.
Mal schaun ob das mit dem Erben bald klappt, aber da wir Sessi ja alle kennen... ;-)

L.G. Weissi
Von:  chaska
2011-04-07T20:00:41+00:00 07.04.2011 22:00
Wieder mal zeigt es, dass die Frauen, auch unter den Dämonen, leider zumeist nur als Handelsware angesehen wurde. Die Vorstellung ganz allein in die Fremde geschickt zu werden um zu heiraten , bzw. um in einem fremden Schloss zu leben, jagt einem einen Schauder über den Rücken. zumal ja diese Ehe nicht gerade aus Liebe geschlossen wurde. Außerdem kam die Aufklärung der Hime in der Hochzeitsnacht wirklich etwas spät. Aber so war das eben. die Herren durften Erfahrungen sammeln, aber die Frauen.... die folgen für so eine "Forschungsarbeit" waren verheerend.
Der Fürst des Südens kocht sein eigenes Süppchen und Deine letzten Worte lassen schlimmes ahnen.

Liebe Grüße
chaska
Von:  Lothiril
2011-03-31T21:27:19+00:00 31.03.2011 23:27
Ich dachte ja zuerst "Ach nein, ich will eine Story mit Sesshoumaru..." dann hab ich reingelesen, und ich finde es klasse. :) Du hast wirklich einen sehr guten Schreibstil. Scheint, als würde ich mich auch zu den anderen Taisho-Geschichten bequeme. Man lernt nie aus... ^^

Allerdings frag ich mich, was die werte Tochter gegen den Prinz hat.
Klar wäre sie glücklicher, könnte sie das Gebiet ihres Vaters regieren - aber grade wenn sie so intelligent ist, hätte ihr klar sein müssen, dass eine Heirat nahezu unumgänglich ist. Erwähnt sie ja auch irgendwo. Warum also so viel Abneigung vor dem Prinzen? So gesehen könnte sie kaum eine bessere Partie machen. ö.ö

Ich freu mich auf neue Kapitel... :)
LG,
Lothiril
Von:  fukuyama
2011-03-29T21:38:03+00:00 29.03.2011 23:38
Okay...
Ich habe nach dem ersten Kapitel natürlich erst mal wieder hochgescrollt und überpüft, ob du vielleicht als Genre 'Alternative Universe' angegeben hast, das war aber nicht der Fall. ôo
Und dann bin ich dahintergestiegen, dass wir es hier nicht mit sesshomaru zu tun haben, sondern quasi mit einer Alternative zu 'er kam, sah, siegte'.
Mir gefällt das Image, dass du dem jungen Taisho gibst, sehr unerwartet, aber auf lange Sicht vermutlich passend. Sein Verhalten ist wirklich sehr zweispältig zu beobachten: wie ein Welpe... - oder einfach sehr aufgeschlossen und wissbegierig.
Die liebste Gattin hat ihn ja schon in eine Schublade gesteckt - und ich bin sehr gespannt, mit welchen aktionen er da wieder rauskommen will. Ihre netten Gedankengänge (v.a. in ihrem Trakt) haben eine sehr erheiternde Note, wirken aber auch verständlich. Mehr Probleme bereitet mir dagegen, nachzuvollziehen, warum sie unbedingt wieder zu ihrem Vater will. Da seine Intelligenz scheinbar nicht besonders schätzt und auch ihre Stellung (Frischfleisch) nicht gerade lieb gewonnen hat, sollte sie die neue Situation eher als chance auffassen, da sie nun praktisch frei ist und ihren eigenen Interessen nachgehen kann.
Die tiefe Verwurzelung in ihrem Heimatschloss bzw. die tiefe Abneigung gegen Taisho Jr. finde ich hier etwas übertrieben und unbegründet und ich hoffe, es steckt noch mehr dahinter als die fadenscheinige Loyalität zum Vater.

Wenn der junge Taisho nur halb so schlau ist wie wir ihn kennen, wird er hoffentlich einen Überblick über die Situation gewinnen und versuchen, seine Gefährtin für sich einzunehmen.
Wann kommen hier die Updates?

Gruß,
Yama^^
Von:  kiji-chan
2011-03-27T15:50:33+00:00 27.03.2011 17:50
Die arme Prinzessin. Eine ungewollte plötzliche Ehe, eine fremde Umgebung und sie wird immer beobachtet. Als ob das nicht genügen würde, ist ihr Ehemann so eine Flasche...

Allerdings tut mir der Prinz auch Leid. Papa sagt so random, du, die Tussi heiraten, jetzt und puff! hat er eine unerfahrene Frau am Hals.

Ich glaube, der Einzige, den es einigermaßen freut ist Susumu, der auf neue Untergangsmöglichkeiten für den Westen hofft.


Freue mich auf neue Kapitel ^^


ncha!
Kiji
Von:  Minerva_Noctua
2011-03-26T10:30:57+00:00 26.03.2011 11:30
So, geschafft.
Wieder nach zweimal lesen.
Ich freu mich auf die Reaktion der Prinzessin, wenn sie sieht dass ihr Ehemann kein Weichei ist, sondern einfach versucht einfühlsam zu sein.
Ich mag alle Charaktere sehr gerne.
Ich freu mich auf das nächste Kapitel^^.

Bye

Minerva
Von:  Cistus
2011-03-25T17:49:51+00:00 25.03.2011 18:49
Ein wenig muss ich schon über die werte Hundeprinzessin grinsen. Sie erinnert mich in Punkto Stolz und spitzer Zunge an eine andere Fürstin des Westens, aber weitaus weniger kriegerisch. Ich glaube die beiden geben ein gutes Paar ab, auch wenn sie es nciht ganz freiwillig sind. Beide scheinen auf einer Wellenlänge zu denken und haben mehr drauf als der erste Blick vermuten lässt.

Der Südfürst macht einen gewaltigen Fehler, denn schlimmer als die beiden gegeneinander aufzubringen ist es wenn man sich beide zum Feind macht!

mfg
Cistus
Von:  Haruko-sama
2011-03-25T16:13:38+00:00 25.03.2011 17:13
Die Ehe selber ist schon mal Glück für die Prinzessin; da gibt es sicher schlechtere Ehemänner. Sorgen machen mir allerdings Susumu und diese Andeutung von wegen Schwiegervater. Wenn die beiden sich einmischen, kann es doch eigentlich nur Schwierigkeiten geben...
LG, Haruko


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