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Wolfsträume

von

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Zurück in Altena

Fjodor hielt mit halb geschlossenen Augen seine Nase in den Wind. Es war kalt, doch es störte ihn nicht, denn er war Kälte gewohnt. Dort, wo er mit Nea lebte, war es immer kalt, es war das einzige Land, in dem die Eiswölfe noch lebten, die er so liebte. Wie sollte es auch anders sein, war er doch selbst so lange Zeit einer gewesen. Doch er hatte schon vorher dort gelebt und die weißen Geisterschatten geliebt.

»Es wird Schnee geben, wir sollten uns beeilen«, sagte er zu Nea. Er sprach leise, er wollte die Ruhe des Winters nicht stören.

»Nach Altena ist es nicht mehr weit«, antwortete sie ihm mit einem Lächeln, aber so laut, dass er unwillkürlich zusammenzuckte. Vielleicht aber lag es auch nicht an ihrer Lautstärke, sondern einfach nur an dem Klang des Namens der Stadt, die so kurz vor ihnen lag. Er verbannt keine schönen Erinnerungen mit Altena.

»Keine Angst, du musst nicht dort bleiben und du brauchst ihnen auch nicht allein gegenüberzustehen. Ich bin bei dir.«

Sie schien seine Gedanken lesen zu können. Vielleicht kannte sie ihn auch nur einfach sehr, sehr gut.

Eigentlich war es aber auch egal, denn es war gleich, was sie wusste, und was sie sagte, nach Altena wollte er dennoch nicht. Er hasste sie, er kannte nichts, was er mehr hasste und zugleich fürchtete, als die Stadt der Zauberer.

Und trotzdem ging er weiter. Zögernd nur und mit einem sehnsüchtigen Blick zurück, aber er folgte Nea. Er wusste, dass sie niemals zulassen würde, dass irgendjemand ihm etwas antat und was sollte ihm auch schon gefährlich werden? Er war mächtig, mächtiger als jene, die er treffen würde, vielleicht der Mächtigste überhaupt.

Sie waren noch nicht viel weiter gelaufen, da blieb er stehen.

»Was ist, Lugh Akhtar?«, fragte sie sanft. Lugh Akhtar. Ja, das war der Name, den er nun trug. Nicht mehr Fjodor.

»Nea, ich will nicht!«

Mit großen Augen starrte er in die Luft.

»Ich weiß. Aber stell dir vor, es wäre eine andere Stadt. Und wer weiß, vielleicht treffen wir ja Tariq.«

Sie lächelte aufmunternd und ergriff seine Hand, um ihn sanft weiter zu ziehen.

Er folgte, doch sein Gesicht war verschlossen. Das war es fast immer. Nur Angst und Schmerz konnten es zu einer Regung verführen. Sie hatte schon so oft versucht, in seiner Miene zu lesen, doch das Einzige, in dem man lesen konnte, waren seine Augen. Seine wundervollen, ausdrucksstarken Augen, die in den Farben des Nordlichts schimmerten, und die immer und überall seine Gedanken und Gefühle vor sich her trugen, wie ein offenes Buch.

Diese einzigartigen Augen und sein schneeweißes Haar, das über den Ohren zwei schwarze Flecken aufwies waren alles, was noch an seine Zeit als Wolf erinnerte. Jeder, der über die Verwandlung Bescheid wusste, erkannte ihn als Verzauberten, denn seine Augen verrieten es. Doch auch sein Haar hatte die Färbung des Wolfs angenommen.

Fjodor allerdings wäre der Letzte, der sich darüber jemals beschwert hätte. Mit seinem Aussehen hatte er auch sein Nichtleben, wie er es nannte, hinter sich gelassen. Sein wirkliches Leben begann erst in jenem Moment, als er als Eiswolf Lugh Akhtar bei Maya erwachte. Davor hatte bloß sein Körper gelebt, nicht aber seine Seele.

Damals hatte er auch Nea getroffen. Nea, die glücklose Zauberin, die es als Einzige mit seiner Macht hatte aufnehmen können, die ihren Zauber aber noch nicht hatte finden können. Sie war es gewesen, die seine eigene Macht genutzt und durch Tariq bis in die Unendlichkeit verstärkt hatte, um ihn aus der Wolfsgestalt zu befreien. Sie hatte ihren Zauber damals gefunden und die Beiden einander, das jeweils einzige Gegenstück, das niemals Angst haben würde. Denn ihre Macht ist sich gleich.

Sie hatte ihm auch seinen Namen gegeben. Bisher hatte er sich immer selbst Namen gegeben. Er war der mächtige, böse Zauberer Fjodor, der gelehrige, sanfte Schüler Makani, der lebensfrohe, verspielte Tariq, und noch so unendlich viele mehr. Doch seinen wirklichen Namen, der Name des Wolfs, den hat Nea ihm gegeben. Und jenen hatte er gerne behalten. Und er war ihr gerne gefolgt. Er wäre ihr vermutlich bis ans Ende der Welt gefolgt, hätte sie es gewollt.

Bald schon erreichten sie Altena und durchquerten die, von einem magischen Feuer gewärmte Stadt. Hier wurde es nie wirklich heiß, aber auch niemals wirklich kalt, denn in einer Stadt, die sich das Zentrum der Magie nannte, sollte der Zauber auch regieren. Die Menschen wussten nicht, dass die Magie immer und überall ihren eigenen Regeln und Gesetzen folgte, und dass ein Zauberer bloß in der Lage war, dass Hier und Jetzt dahingehend zu verändern, dass der Zauber tat, was er wollte.

Niemals, weil er es ihr befahl, nur weil die Magie zufällig genau dies tun wollte. Es war schwierig zu erklären, deswegen versuchten die Zauberer es auch gar nicht erst. Doch die Menschen fragten auch nicht. Für sie reichte es, dass es so war.

Fjodor schaute sich um. In seinem Blick las Nea mühsam unterdrückte Furcht. Sie nahm ihn mit einem Lächeln bei der Hand und zog ihn ganz nah an sich heran.

»Sie werfen dir nichts vor, sie wissen nicht, dass du es warst«, flüsterte sie ihm zu, doch er schüttelte sacht den Kopf.

»Selbst wenn, wäre es mir egal. Sie können mir nichts tun. Ich fürchte eher, dass die Stadt selbst mich nicht wieder gehen lassen will«, antwortete er ebenso leise.

»Die Stadt?«

Sie blickte ihn verwundert an.

»Ja. Vergiss nicht, es ist eine magische Stadt und auch die Magie besitzt ein Bewusstsein. Sie hat nicht vergessen, was ich getan habe«, antwortete er und blickte sich weiter unbehaglich um.

»Keine Sorge, dir geschieht nichts«, meinte sie und drückte beruhigend seine Hand.

Doch Fjodor war gedanklich schon woanders. Es war ihm unangenehm, von allen angeschaut zu werden, obwohl er wusste, dass es nichts mit ihm selbst zu tun hatte. Es war sein weißes Haar und seine Nordlichtaugen, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Doch er konnte es nicht ändern, er wollte es auch nicht, denn beides zeigte ihn als Lugh Akhtar. Sie würden ihn nicht erkennen.

Sie standen vor dem Turm der Zauberer. Er betrachtete nachdenklich die Glasscheibe über dem Tor.

»Wir werden Tariq hier gewiss nicht treffen«, meinte er, denn er wusste, dass Tariq dem Zauberlicht nicht würde widerstehen können. Das konnte kein Mensch, niemals. Dies war die wirkungsvollste Wache für den Turm, die man sich nur vorstellen könnte. Die beiden Männer davor waren lediglich dazu da, die Menschen vor dem Licht zu warnen. Oder eben nicht.

Nea und ihn hielten sie jedoch nicht auf, als sie eintraten. Sie erkannten sie sofort. Dies war vermutlich das Einzige, in ganz Altena, auf das er sich gefreut hatte. Kaum waren sie eingetreten, explodierte ein Meer von Farben um sie herum. Es glitzerte und leuchtete, als wenn man in einen Regenbogen hinein gelaufen wäre, doch waren es nicht die blassen Farben, die entstanden, wenn man Licht durch Wasser brach, sondern sie leuchteten, als ginge es um ihr Leben. Dabei war es bloß Licht, das durch eine bunte Scheibe fiel.

»Wer hat sich nur so etwas ausgedacht…?«, murmelte Nea. Sie fand das Licht gruselig, sie verstand nicht, wieso es hier war. Fjodor sah das anders, er freute sich einfach über das Leuchten, das sich in seinen Augen widerspiegelte, immer und überall.

»Nea, Makani!«

Ein Mann kam die Treppe hinab geeilt. Er war nicht jung, und nicht alt, er wirkte irgendwie Zeitlos. Als wäre die Zeit bei ihm zwischen Kindsein und Greiswerden irgendwo stehen geblieben.

Nea lächelte ihn freudig an, Fjodor dagegen hielt sich eher im Hintergrund. Er verbannt keine guten Erinnerungen mit diesem Mann, der einmal sein Lehrer gewesen war.

»Schön euch einmal wieder zu sehen. Es ist ja schon eine Weile her«, sprach er weiter. Fjodor schloss für einen Moment die Augen, wischte sich über das Gesicht und lächelte, als er Nikolai wieder anschaute. Nun war er nicht mehr Fjodor, sondern Makani, der seinen Lehrer mochte. Allerdings nur so lange, wie er ihm seine Freiheit ließ, denn als Makani wollte er nicht eingesperrt sein. Makani bedeutete Wind, und so wollte er auch sein. Frei wie der Wind.

»Nikolai, eine Weile ist’s her, ja.«

Sie waren nicht im Guten auseinander gegangen, doch er hoffte, dass der Mann merkte, wen er vor sich hatte, und begriff, dass er nichts fürchten brauchte. Solange Fjodor nicht da war, brauchte niemand ihn zu fürchten.

Nea hatte Nikolai geschrieben, wer der weiße Wolf gewesen war, den sie bei sich hatte, als sie das letzte Mal in Altena und bei ihm gewesen waren, so hatte er den jungen Mann auch sogleich aller Veränderungen zum Trotz erkannt.

»Ja, in der Tat. Aber gerne hätte ich dich unter glücklicheren Umständen wieder getroffen.«

Der Herr wirkte müde und seltsam grau.

»Du hast nicht geschrieben, um was es geht«, bemerkte Nea sogleich und Nikolai nickte.

»Ja. Zum Einen um deinen Vater, Nea«, begann er, doch sein ehemaliger Schüler wischte den Rest seines Satzes mit wütendem Blick beiseite.

»Ich habe mehrfach gesagt, dass ich damit nichts zu tun haben will«, knurrte er. Fjodor.

»Ich weiß, aber du musst. Ein Zauberer darf niemals einem anderen Zauberer Schaden zufügen, seine Tat darf nicht ungestraft bleiben, selbst Nea sieht es so«, versuchte er es wieder, doch Fjodor schüttelte so entschieden den Kopf, dass er es nicht wagte, weiter zu sprechen. Mit Fjodor legte man sich nun einmal nicht an.

»Ich werde nichts sagen, dass ihm schadet«, knurrte er böse und erklärte das Thema mit einer Handbewegung so endgültig für beendet, dass keiner es weiter zu verfolgen wagte. Stattdessen räusperte sich Nikolai vernehmlich.

»Das andere Thema werdet ihr erst in einer Woche erfahren. Die entsprechende Versammlung wird genau in einer Woche in der Ratshalle stattfinden.«

»Wieso dort?«, fragte Nea überrascht. Zauberdinge wurden sonst nur von Zauberern besprochen, und dazu war ein Umzug in die Menschenhallen nicht nötig.

»Weil verschiedene Lords und Könige dieser Versammlung ebenfalls beiwohnen werden. Es geht sie genauso viel an, wie uns, also wollten wir dies mit ihnen besprechen«, erklärte Nikolai.

»Es ist also alles, aber nicht angenehm. Aber warum sind wir überhaupt hier? Ich kümmere mich um meine eigenen Belange, alles andere kann mir einerlei sein. Wie kommst du darauf, dass es uns interessieren könnte?«

Er war wieder der Zauberer.

»Weil ich weiß, dass es zu deinen Belangen gehört. Vielleicht jetzt noch nicht, mich wundert es sowieso, dass du es noch nicht bemerkt hast, aber es wird dich nicht schonen«, antwortete der alte Mann.

Da nickte Fjodor.

»Habe ich das gleiche Zimmer, wie zu meiner Lehrzeit?«, kam er zu praktischeren Dingen.

»Nein. Ich kann dich nicht eine Woche hier in Altena festhalten, mich hat es gewundert, dass ich es zehn Jahre geschafft habe. Ich habe eine Bauersfamilie gebeten, dich bei sich aufzunehmen, und sie überlassen dir entweder ihre Jägerhütte, oder auch den ganzen Hof. Wobei ihnen ersteres lieber wäre, obwohl sie das Gegenteil behaupten«, antwortete Nikolai.

»Mir auch, eine einfache Hütte in der Stille des Waldes ist bei weitem besser, als ein Schloss in einer lauten, hektischen Stadt. Mit wem muss ich sprechen, um eine Wegbeschreibung zu meinem Heim zu bekommen?«

»Die Familie mit dem größten Hof im Norden. Sie werden Bescheid wissen, wenn du sagst, dass ich dich schicke. Du, Nea, kannst bei deiner ältesten Schwester unterkommen, sie freut sich schon auf ein Wiedersehen«, sprach der alte Zauberer.

»Oh, ich…«, begann sie und warf Lugh Akhtar einen schnellen Blick zu.

»Du brauchst nicht mit mir kommen. Besuch ruhig deine Familie, ich komme schon zurecht«, erklärte er und lächelte aufmunternd.

»Aber ich… möchte gerne, dass du mit mir kommst…«, antwortete sie leise.

»Ich weiß, es ist dir unangenehm und du musst auch nicht, aber…«, beeilte sie sich zu sagen, doch Lugh Akhtar schüttelte sacht den Kopf und schaute in das Zauberlicht, bevor er antwortete.

»Einigen wir uns darauf, dass ich mit dir komme und bleiben, so lange ich meine es aushalten zu können«, meinte er und ging die Treppe wieder hinab, würdigte jedoch dem völlig verblüfften Nikolai keines Blickes mehr. Nea verabschiedete sich schnell mit einem glücklichen Lächeln und lief dann Lugh Akhtar nach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Cat-girl
2010-11-13T06:22:48+00:00 13.11.2010 07:22
Oh, wer war denn da? Welcher Fjodor?
Ah, okay... Lugh^^
Oh, hi! *springt freudig auf ihn zu* Ich hab dich so vermisst *knuddelt ihn so richtig*
Cool, weiße Geisterschatten, schöne Bezeichnung
Der Winter wird es dir danken...
Nea! *springt sie an* Hey, Süße *knuddelt auch sie so richtig*
Oh ja, ich erinnere mich an diese Erinnerungen...
Und ich bin auch bei dir... *tritt neben ihn* Wir schaffen das schon...
Das tut mir Leid... dass er diese Stadt so fürchtet...
Siehst du, Lugh, da kann dir nichts passieren...
Was hat er denn?
Du musst nicht...
Armer Lugh...
Die wunderschönen Augen... *fiept verträumt*
Ja, der wunderschöne Wolf...
Und jetzt lebt auch die Seele...
Ahja...
Okay...
Es sind ja auch nur Menschen...

Wieso sollte die Stadt dich gefangen halten? O.o
Ist ja unheimlich, die Magie hat ein Bewusstsein... *zittert zusammen*
Nicht, so lange wir das sind! *streicht ihm über den Rücken* Bleib ganz ruhig...
Nein, das würden sie nicht...
Wie nnnnnniedlich... die Farben leuchteten, als ging es um ihr Leben...
Die schönen Farben in den wundervollen Augen...
Oh, hallo Nikolai^^
Oh je... ich hoffe der Charawechsel geschieht nicht all zu oft...
Okay... dann sperren wir Fjodor für immer aus …
Der arme Nikolai... *senkt den Kopf*
He, Lugh... lässt du das jetzt mal!
Warum, was kann der mir schon tun! *dreht sich zu Fjodor um* Ich hab dir gesagt, du sollst diesen Charawechsel lassen! *funkelt ihn wütend an*
Man Fjodor... du bist aber auch ein unerträgliches Stück...
Und wo ist die?
Ist einfach so!! Der Zauberer macht mich noch mal wahnsinnig...
Nee... du liegst draußen vor der Tür!
Naja, dann liegt er eben fast draußen...
Sie wollte eigentlich bei Lugh bleiben...
Ein schönes Licht...
Bis zum nächsten Mal, Nikolai *jagt ihnen nach*

So sieht man die Zwei wieder^^ Sie haben sich nicht verändert.
Aber diesen Charawechsel von Lugh und Fjodor und wer da noch so war, der hat mich irgendwie wahnsinnig gemacht... O.o. Ansonsten war der Anfang ganz nett, die Begegnung mit Nikolai und die bevorstehende Versammlung, wer weiß um was es geht... und jetzt geht es auf zu Nea's Schwester...
Von:  -Lenobia-
2010-04-05T20:44:01+00:00 05.04.2010 22:44
wie toll, ich werd weiterlesen^^


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