Tränen
Manchmal frag ich mich, was ich getan habe. Es muss etwas schreckliches, unendlich Grausames gewesen sein, denn sonst würde ich es nicht verstehen. Sonst würde es für mich keinen Sinn ergeben. Aber was ergibt schon einen Sinn?
Ich bin immer alleine. Manchmal gibt es jene in meinem Leben, die mich mögen, die sich für mich interessieren, denen ich wichtig zu sein scheine, aber letzten Endes muss ich doch immer erkennen, dass es nur Lug und Trug ist. Sie verstehen mich nicht wirklich. Sie denken es, aber sie tun es nicht.
Ich bin einsam. An manchen Tagen spüre ich es besonders stark. Dann, wenn niemand da ist, wenn keiner die Tränen sieht, die ich weine. Wenn keiner mich in den Arm nehmen will, oder zumindest einmal kurz inne hält, um mir ein nettes Wort zu sagen.
Ich fühle mich benutzt. Ich muss immer andere aufheitern, ich muss immer für sie da sein. Und ich sage nicht nein. Ich weiß, wie es ist, wenn sich keiner um einen kümmert, wie könnte ich das dann jemand anderem antun? Also versuche ich, meine Tränen zu verbergen. Manchmal gelingt es mir nicht, aber meistens folgt darauf keine Reaktion.
Ich muss immer stark sein. Wie oft will ich einfach nur weinen und all meinen Schmerz in die Welt hinausschreien? Aber ich kann es nicht. Ich tue es nicht. Weil ich es nicht darf. Weil andere es mir verbieten. Weil sie selbst schwach sein wollen und das können sie nicht, wenn jemand starkes zeigt, dass er selbst genauso klein und verletzlich ist.
Wann immer jemand meine Tränen sieht, versteht er nicht, dass sie mir gut tun. Dass sie meine einzige Möglichkeit sind, anderen zu zeigen, wie schlecht es mir geht. Immer wollen alle, dass ich meine Tränen verberge. Es gibt doch keinen Grund zu weinen.
Für euch nicht, für mich schon, denn wenn mein Schluchzen mich schüttelt, dann erst bekommen sie eine Ahnung davon, wie es hinter meinem Lächeln wirklich aussieht. Erst dann, wenn es fast schon zu spät für mich ist, erst dann bekomme ich, was ich mehr als alles andere auf der Welt haben will. Ein paar liebe Worte, jemand, der mich tröstend in den Arm nimmt.
Aber meistens ist nicht einmal jemand da. Meistens muss ich mich selbst in den Arm nehmen, mich selbst trösten. Weil ich jenen, die mir wichtig sind, völlig egal bin. Denn sie sind nie für mich da, wenn ich sie einmal wirklich brauche. Sie sind nur da, wenn sie mich brauchen.
Und so verberge ich wieder meine Tränen, so versuche ich wieder zu lächeln, während meine Seele stirbt. Ich warte einfach auf den Tag, an dem es sich ändert. Ich warte einfach, bis ich diese Welt verlasse und es mir egal ist. Ich warte und schaue dann zu, wie viele um mich trauern. Weil sie jetzt selbst stark sein müssen. Weil es niemand anderes mehr für sie tut. Nicht, weil sie mich wirklich gern hatten.
Oder auf den Tag, an dem ich endlich jemanden treffe, dem ich wirklich wichtig bin. Der endlich mal für mich stark ist. Der die Tränen hinter dem Lächeln sieht und bei mir ist, wenn ich ihn brauche.
Ich warte auf den Tag, an dem mir ein wirklicher Freund die Tränen wegwischt und sagt: »Du brauchst nicht zu weinen, denn du bist nicht mehr einsam. Ich bleibe immer bei dir. Gemeinsam bis ans Ende der Welt.«