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Please Recall...

Shinji ♥ Natsuki
von

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Enttäuschte Hoffnung

Je näher das Ende der Stunde rückte, desto hibbeliger und ungeduldiger wurde Natsuki und rutschte auf ihrem Platz hin und her.

Sie konnte es kaum erwarten, ihrem Plan nachzugehen und endlich die Bibliothek aufzusuchen. Dort würde sie in den digitalisierten Zeitungsarchiven nach jemandem suchen, der den Namen Access trug.

Die neueste Technik ermöglichte es heutzutage, nach Stichworten und Namen per Computer zu suchen, wofür Natsuki sehr dankbar war - denn ob sie es mit Hunderten von alten Zeitungen aufnehmen konnte, daran hatte sie ihre lieben Zweifel. Sie wusste ja nicht einmal, in welcher Zeitspanne sie suchen müsste - doch dieses Problem erledigte sich ja dank Computer sowieso wie von selbst.
 

Endlich ertönte der Gong, der den Schulschluss einleitete. Natsuki sprang von ihrem Platz auf und verließ als eine der Ersten das Klassenzimmer. Sie wollte so schnell wie möglich dieses Gebäude verlassen und in die Bibliothek stürmen, doch da kam ihr ein anderer Gedanke und sie blieb stehen. Stirnrunzelnd näherte sie sich dem Fenster, das auf den Schulhof und den dahinterliegenden Parkplatz führte.

Und wie Natsuki erwartet hatte - Shinji stand an einer Mauer gelehnt und wartete auf sie.

Oh nein... Natsuki konnte auf eine zweite Begegnung am heutigen Tag mit ihm wahrlich verzichten. Hatte er heute sein Pensum an "Natsuki-auf-die-Palme-bringen" etwa noch nicht erreicht? Also ihr reichte es allemal. Sie überlegte kurz, wie sie vorgehen sollte, doch plötzlich legte ihr jemand eine Hand auf die Schulter.

Erschrocken fuhr Natsuki herum und war erleichtert, dass es nur ihre beste Freundin war.

Naomi stemmte die Hände in die Knie und keuchte atemlos. "Man, Natsuki, du hast vielleicht ein Tempo drauf!" Sie lachte. "Wohin denn so eilig?"

"Ich muss noch dringend was in der Bibliothek erledigen", antwortete Natsuki wahrheitsgetreu und warf wieder einen Blick nach draußen. Hoffentlich würde Shinji sie bloß hinter der Glasscheibe erkennen...

"Oh, Shinji wartet draußen", stellte Naomi milde überrascht fest, als sie Natsuki's Blick gefolgt war.

"Ja leider." Natsuki seufzte. Sie wollte ihm auf keinen Fall begegnet... am liebsten nie wieder!

Als die Blonde die leidende Miene ihrer besten Freundin bemerkte, konnte sie dem Drang, Natsuki zu helfen, einfach nicht widerstehen. "Wie wär’s, wenn du über den hinteren Schulhof flüchtest und falls Shinji fragt, sag ich ihm, du bist schon vorher nach Hause gegangen, weil es dir nicht gut ging?", schlug sie vor und ehe sie sich versah, war diese ihr auch schon um den Hals gefallen.

"Danke, Naomi, du bist die Beste!"

Naomi grinste. "Kein Problem!", versicherte sie und machte sich auf den Weg, gewappnet mit einer Notlüge, um ihrer besten Freundin den Rücken zu decken.
 

Die Bibliothek war ein älteres Gebäude im europäischen Stil und befand sich - zu Natsuki's Leidwesen - auf dem Universitätsgelände. Sie hoffte nur, dass sie Shinji nicht über den Weg laufen würde.

Da er vor der Schule auf sie gewartet hat, schloss sie daraus, dass er bereits frei hatte, jedoch konnte er ebenso einen Kurs geschwänzt haben - ihm würde sie es sehr wohl zutrauen! Dieser Schwänzer...

Das Mädchen öffnete die schwere Tür und sah sich um. Die Luft schien rein.

Sie trat in das Foyer und sofort stieg ihr der Geruch uralter Bücher in die Nase, den Natsuki so liebte. Sie verweilte einen Moment und besah sich die große Treppe, die zu den Archiven führte und den riesigen Kronleuchter, der über ihrem Kopf in seiner vollen Pracht glänzte.

Natürlich war er nur ein Accessoire aus längst vergangenen Zeiten, denn an den Wänden waren überall kleine Halogenlampen angebracht, aber genau dieser Kronleuchter verlieh dem Raum diese ganz besondere Atmosphäre und seinen typischen Charme. Natsuki kam sich vor, als sei sie in einer anderen Zeit an einem anderen Ort gelandet.

Schließlich konnte sie sich endlich von dem atemberaubenden Anblick losreißen und suchte ihren Weg zur Garderobe, wo sie ihre Jacke und die Tasche abgab. Lediglich ihre Wertsachen behielt sie bei sich, denn man konnte ja nie wissen...
 

Der Orientierungstafel konnte Natsuki entnehmen, dass das Zeitungsarchiv sich im vierten Stockwerk befand - also ganz oben im Gebäude.

Enthusiastisch machte sie sich auf den Weg und nahm zwei Stufen auf einmal - den Lift wollte sie nicht benutzen, sie war schließlich noch jung und fit!

Es war früher Freitagnachmittag, deshalb erstaunte es sie nicht allzu sehr, dass sich nicht sonderlich viele Menschen in der Bibliothek befanden. Ein paar gehetzte Studenten, die sich zurzeit mitten in ihren Prüfungen befanden - das wusste sie von Shinji, obwohl er seltsamerweise nie im Prüfungsstress zu sein schien - begegneten ihr auf dem Weg nach oben und beachteten sie gar nicht.

Oben angekommen suchte sich Natsuki einen freien Computer in einer abgelegeneren Ecke und begann mit ihren Nachforschungen.

Gespannt tippte sie in das Stichwortsuchfeld den Namen "Access" ein...
 

Frustriert ballte Natsuki ihre Hand zur Faust und hätte am liebsten auf den Computer eingeschlagen. Dieser blöde Kasten spuckte nichts aus, was in irgendeiner Art und Weise relevant sein könnte!

Sie hatte schon wahrlich alles ausprobiert - die Namenssuche, die Stichwortsuche, hatte sogar die letzten Jahrhunderte Zeitungsgeschichte abgeklappert! Und nicht zu vergessen, hatte sie ebenso die Zeitungen der Nachbarstädte, die ebenfalls archiviert waren, duchrgesuch.

Nichts! Gar nichts! Niemand, der Access hieß!

Einmal jedoch war auf dem Bildschirm der kleine, aber vielsagende Satz "Ihre Suche hatte 1 Treffer" erschienen und Natsuki's Herz machte einen unkontrollierten Sprung, doch als sie diesen Treffer anklickte, wuchs ihre Enttäuschung ins Unendliche... Es wurde lediglich von der Gründung einer Internetplattform mit dem Namen "Access to studies" berichtet, auf die Studenten der hiesigen Universitäten zugreifen konnten.

In Gedanken verfluchte sie die Technik und insbesondere diesen Computer hier, der ihr absolut keine Hilfe gewesen war!

Entmutigt drückte sie auf den "Off"-Knopf und seufzte tief, wofür sie sich einen strengen Blick der Aufsichtsfrau einhandelte, die gerade in ihrer Nähe ein paar Bücher in die Regale einsortierte.

Natsuki machte sich wieder auf den Weg nach unten, um ihre Sachen zu holen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihre Vermutung: Es war bereits Abend und ihre Eltern würden sich bestimmt schon Sorgen machen.

Aufgrund der kleinen Auseinandersetzung hatte sie ihnen ganz vergessen zu sagen, dass sie länger wegbleiben würde...

Das schwarzhaarige Mädchen umschiffte ein paar schwere Holzregale, die - so schien es ihr zumindest - bis in den Himmel hinaufragten.

Am der Garderobe bekam sie ihre Sachen zurück, ohne lange anstehen zu müssen, denn mittlerweile befand sich beinahe keine Menschenseele mehr hier.

Als sich Natsuki zum zweiten Mal an diesem Tag gegen die Eingangstür lehnte, um diese zu bewegen und heraustrat, blieb sie stehen.

Sie hatte es doch geahnt!

Es schüttete wie aus Eimern! Das Mädchen schlüpfte in seine beige-braune Sommerjacke und zog den Reißverschluss zu. Warum hatte sie nur vor kurzem die Kapuze abgeknöpft? Jetzt musste sie wieder durch den Regen nach Hause laufen - sie konnte sich schon lebhaft vorstellen, was für Vorhaltungen die besorgte Marron ihr machen würde und Chiaki würde sie wieder einmal an die schlimme Grippe vom letzten Jahr erinnern und darüber hinaus wissen wollen, ob es ihr nicht bereits gereicht hatte, vor kurzem zwei Tage im Krankenhaus verbracht zu haben. Natsuki rollte mit den Augen. Auch wenn sie keine große Lust hatte, sich diesem Sommergewitter auszusetzen, fand sie, dass ihre Eltern übertrieben. Sie war ja schließlich kein kleines Kind mehr, das nicht selbst auf sich aufpassen konnte.

Vorbereitet auf das, was jetzt auf sie zukommen würde - nämlich die Nässe und Kälte - trat sie unter dem schützenden Vordach der Bibliothek hervor und wollte bereits losrennen, als sie eine Grüppchen, aus drei Leuten bestehend, bemerkte, die sich unter einem großen, schwarz-weiß-gestreiften Regenschirm tummelten und lachten. Diese Stimmen kannte sie doch?

"Hallo ihr da!", rief sie erfreut und trat näher. Obwohl sie die Köpfe und Gesichter nicht sehen konnte, erkannte sie doch Toki und Cersia und - oh nein, das hatte sie viel zu spät bemerkt - Shinji.

Der Regenschirm wurde angehoben und die drei Köpfe drehten sich zu ihr herum. Überraschung stand in ihren Gesichtern geschrieben.

"Natsuki-chan, was machst du denn hier?", fragte Cersia verblüfft und konnte ein Husten nicht unterdrücken. Sie schien sich eine leichte Erkältung eingefangen zu haben.

"Hallo, Natsuki-chan!", begrüßte auch Toki sie mit einem Lächeln im Gesicht, doch Shinji sagte gar nichts und hielt sich mit verkniffener Miene im Hintergrund. Das war Natsuki ganz recht so.

Cersia währenddessen war zu Natsuki getreten und hatte ihren eigenen Regenschirm aufgespannt, damit sie und Natsuki nicht nass wurden.

"Ich war in der Bibliothek...", antwortete sie langsam und dachte an die Lüge, die Naomi Shinji vorhin aufgetischt hatte - ob er das durchschauen würde?

"Das ist ja ein Zufall", sagte Cersia's heisere Stimme, und obwohl sie erkältet war, war sie trotzdem guter Laune. "Ich bin leider etwas krank, aber zum Glück ist es nicht wirklich schlimm... haaatschiii." Sie nieste.

"Gesundheit", kam es im Chor zurück. Cersia lächelte mit einer roten Nase. "Vielen Dank. Natsuki-chan, wie geht es dir denn? Darfst du überhaupt schon hier rumlaufen, wo du doch erst kürzlich im Krankenhaus warst?", fragte sie 17jährige besorgt und schaute Natsuki mitleidig an. Sie hatte sich wirklich erschrocken, als Natsuki neben ihr plötzlich zusammengesackt und schwerlich wieder zu Bewusstsein gekommen war. Chiaki hatte sich solange um sie gekümmert, während Miyako den Krankenwagen rief und Marron aufgelöst neben ihrer Tochter hockte und deren Hand hielt.

Danach war verständlicherweise niemandem mehr nach Feiern zu mute.

"Mir geht’s gut, keine Sorge", tat Natsuki Cersia's Besorgtheit ein bisschen beschämt ab. Schließlich hatte sie vor den Augen aller das Bewusstsein verloren und somit das ganze Geburtstagsessen verdorben! Das Ganze war ihr sehr unangenehm... sie wusste auch, dass nicht nur Shinji nicht zu seiner Party gegangen war, sondern auch Toki und Cersia.

Natsuki hatte so gut wie möglich versucht, die Begebenheit im Krankenhaus zu verdrängen... sie hatte die leise Ahnung - eher Befürchtung, dass Shinji die ganze Nacht an ihrem Bett gehockt und ihre Hand gehalten hatte... Daran konnte sie sich auch noch erinnern... wenn auch ungern.

Und trotzdem hatte sie ihm und allen Gästen den Tag ruiniert. Obwohl sie absolut nichts für ihren Schwächeanfall konnte, verspürte sie, wie ihr die Sache zu schaffen machte. Und das leckere Essen, das Miyako so hingebungsvoll zubereitet hatte... Je länger Natsuki darüber nachdachte, desto mehr nagte das schlechte Gewissen an ihr, Vielleicht konnte sie das irgendwie wieder gutmachen? Nur wie?

"Jetzt müssen wir aber los, sonst gibt es zu Hause Ärger!", rief Cersia plötzlich aus, nachdem sie eingehend die Uhr über dem Bibliothekseingang studiert hatte. "Natsuki, du solltest nicht allein nach Hause gehen, schon gar nicht bei diesem Gewitter! Versprich mir, dass du dich von Shinji heim begleiten lässt, in Ordnung?", fragte Cersia und wartete gar nicht erst eine Antwort ab, denn ihr Bruder drängte schon.

"Bis bald, Natsuki-chan!", rief er ihr noch zu und zog seine hustende Schwester am Arm hinter sich her, die ihrer Freundin und Shinji voller Euphorie zuwinkte.
 

Stille.
 

Na toll. Da stand sie allein mit Shinji auf dem Bibliotheksvorplatz und keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort. Natsuki fühlte sich etwas unbehaglich in ihrer Haut. Was würde als nächstes kommen? Sie hatte Angst, dass Shinji an ihr Gespräch von heute morgen anknüpfen würde und so mehr oder weniger aus ihr herausbekommen würde, dass... sie vorher noch nie geküsst worden war. Natsuki wurde rot. Nicht dran denken, nicht dran denken!

Plötzlich hörte der Regen auf. Natsuki blickte auf.

Shinji stand neben ihr und hielt ihr seinen Regenschirm über den Kopf, der mindestens für eine sechsköpfige Familie angefertigt worden war.

"Warum hast du deine Kapuze abgeschnallt?", fragte er streng. "Du weißt doch noch, was letztes Jahr passiert ist?"

Mein Gott, schoss es Natsuki durch den Kopf, der hat vielleicht ein Gedächtnis wie ein Elefant! Es war ihr schon öfter aufgefallen, dass Shinji sich an vieles erinnern konnte, auch an unbedeutende Kleinigkeiten.

"Ich vermute, du hast keinen Regenschirm dabei, so kopflos wütend, wie du immer aus dem Haus stürmst", analysierte er sie weiterhin und warf einen grimmigen Blick zum Himmel. Dieser hatte sich mittlerweile schwarz gefärbt und ein Ende des Regens war nicht in Sicht.

Aus der Ferne hörte man ein dumpfes Donnergrollen.

"Lass uns gehen", schlug er vor. Bei diesem Wetter wollte er keine Minute länger draußen verbringen, als nötig war.

Er setzte sich und Bewegung und Natsuki, die bis dato nicht viel gesagt, sich aber Tausende von Horrorszenarien ausgemalt hatte, wie Shinji sie auf heute morgen ansprach, versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, bis -

"Es tut mir wirklich leid", sagte Shinji geknickt nach einigen Augenblicken und seine Entschuldigung hörte sich ehrlich und aufrichtig an. Natsuki biss sich auf die Unterlippe. Was jetzt? Doch sie brauchte nichts zu sagen, denn Shinji fuhr schon weiter fort.

"Ich wusste nicht, dass du..." Er zögerte, Natsuki errötete und senkte den Blick. "...na ja. Ich bin ein Idiot", schloss er lahm und schaute flüchtig zu der 15jährigen, die aufmerksam den Boden studierte. Er kratzte sich ratlos am Hinterkopf. Würde sie denn gar nichts sagen? Er konnte sowieso nicht nachvollziehen, warum er für Mädchen so wichtig war, dieser berühmte erste Kuss. Aber anscheinend war es wirklich so und das, war er gemacht hatte, war bestimmt nicht in Natsuki’s Sinne gewesen - wahrscheinlich dachte sie da an etwas bei sternenklarer Nacht, überlegte er sich und erinnerte sich selig an die Nacht, als er - beziehungsweise Access - und Fynn auf einem Ast saßen und eine Sternschnuppe vom Himmel herabfiel, während beide in ihrem berauschenden Glück versanken...

Das war kurz nachdem sie zusammengefunden haben und kurz bevor... alles wieder vorbei war.

Shinji seufzte. Ja, ihre gemeinsame Zeit konnte man mit keinem Wort besser bezeichnen als mit "kurz".

'Peinlich', dachte Natsuki und wagte es nicht, irgendwo anders hinzuschauen als auf den matschigen, regendurchtränkten Boden. Sie wollte es eigentlich vermeiden, über dieses Thema zu reden, aber Shinji ließ ja ganz offensichtlich nichts anbrennen. Wenigstens hatte er sich entschuldigt, auch wenn ihr das nicht viel nützte. Dann rang sie sich doch noch durch.

"Einsicht ist der erste Weg zur Besserung", erklärte sie ihm altklug und Shinji lachte erleichtert. Ja, das war genau die Natsuki, die er kannte und liebte! Doch Natsuki hatte nicht vor, ihm noch mehr Zugeständnisse zu machen und schwieg, ihm aber reichte allein schon dieser Satz. Es bedeutete, dass sie seine Entschuldigung angenommen hatte. Seine Laune besserte sich und er beschloss, die Sache nicht mehr anzusprechen, denn dem Mädchen schien es etwas unangenehm zu sein - das schlussfolgerte er aus dem rosa Schimmer, der sich auf ihre Wangen gelegt hatte, sobald er das Thema angeschnitten hatte.

Ihren eigenen Gedanken nachhängend, liefen die zwei wieder stumm nebeneinander her.

"Wo ist denn dein Auto?", fragte sie ihn dann plötzlich in die Stille hinein, weil ihr aufgefallen war, dass sie zu Fuß gingen - normalerweise fuhr Shinji mit dem Auto zur Uni und demnach auch wieder zurück. Er selbst hatte sie doch heute morgen mit seinem Wagen gefahren und auch, als er nachmittags vor ihrer Schule auf sie gewartet hatte, hatte sie sein Auto gesehen.

Shinji grinste schief. "Da ist mir doch tatsächlich heute irgend so ein Idiot reingefahren!", erklärte er aufgebracht und schüttelte empört den Kopf.

"Du hattest einen Unfall?", wiederholte Natsuki ungläubig, aber Shinji schien nicht gehört zu haben.

"Ich frage mich, wo die ganzen Affen auf den Straßen ihre Führerscheine machen? Vor ein paar Wochen hat mir doch tatsächlich einer die Vorfahrt genommen - ich bin gerade noch rechtzeitig zum Stehen gekommen, sonst hätte es wirklich schlecht ausgesehen!"

Natsuki bemerkte, wie er sich immer weiter in seine Wut hineinsteigerte, was sie allerdings verstehen konnte. Shinji hatte hart dafür gearbeitet, sich seinen Wagen kaufen zu können, zwei Sommer lang und jede freie Minute rackerte er sich bei verschiedenen Kleinjobs ab, um sich endlich den Traum eines Autos - was für ihn gleichbedeutend mit Unabhängigkeit und Selbstständigkeit war - erfüllen zu können. Dass er so vorsichtig auf den Straßen war, garantierte aber trotzdem nicht für seine Unversehrtheit oder die seines Autos.

"Was ist passiert?", hakte Natsuki nach. Sie war sich beinahe sicher, dass es nicht Shinji's Schuld war - sie kannte seinen Fahrstil zu gut...

"Na was wohl?", schnaubte er wütend. "Der Volltrottel hat wohl noch nie was von Einparken gehört! Dabei war da so viel Platz, aber der Schwachkopf hat nicht besseres zu tun, als mir seine Stoßstange mit voller Wucht in die Seite zu rammen!"

Natsuki hatte Shinji selten so außer sich gesehen. Sie konnte regelrecht sehen, wie in seinem Augen der Zorn flimmerte und beobachtete ihn fasziniert. Normalerweise war eher sie die Temperamentvollere von beiden, aber das hier schien Shinji wirklich fast aus der Fassung zu bringen...

"Du warst aber nicht im Wagen drin, oder...?", fragte sie vorsichtig nach. Auch wenn sie sehen konnte, dass Shinji nichts passiert war - zumindest nichts, was auf Anhieb zu sehen war - wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen.

"Natürlich nicht", bestätigte Shinji. "Nicht auszudenken, was dann passiert wäre. Der hätte mich doch zermalmt!" Bei dem Gedanken wurde ihm unbehaglich zumute. "Das war echt Glück...", murmelte er dann ernst vor sich hin und fuhr sich abwesend mit der freien Hand durch die Haare, während er mit der anderen immer noch pflichtbewusst den Regenschirm über sie beide hielt.

Natsuki nickte erleichtert. Nicht, dass ihr viel an Shinji lag, aber so etwas wünschte sie doch keinem und auch, wenn sie Shinji nicht besonders leiden konnte, war sie doch froh, dass er verschont geblieben war.

"Was hast du überhaupt so spät noch in der Bibliothek gemacht?", wechselte Shinji das Thema und erinnerte Natsuki wieder an ihre nicht gerade vom Erfolg gekrönt Suche.

"Nichts besonderes... etwas gesucht...", wich sie aus, doch wenn sie in der Annahme ging, Shinji würde sich damit abspeisen lassen, hatte sie falsch gelegen.

"So so, und was? Hast du es gefunden?", wollte er wissen, als sie beide in die nächste Straße abbogen.

Das Mädchen seufzte. "Nein, leider nicht", beantwortete sie wahrheitsgemäß seine zweite Frage, während sie die Erste geflissentlich überging.

"Und was hast du gesucht? Vielleicht kann ich dir helfen!" Shinji war wirklich hartnäckig, stellte die 15jährige wieder einmal grimmig fest. Da kam ihr eine Idee - warum sollte sie ihm nicht die Wahrheit sagen? Und vielleicht konnte er ihr ja wirklich helfen! Er als Student kannte viel mehr Menschen als sie und demnach viel mehr Geschichten.

"Nach einem Mann", sagte sie und warf ihm einen Seitenblick zu. Stirnrunzelnd drehte er sich zu ihr um und betrachtete sie.

"Nach einem Mann?", wiederholte er zweifelnd und als sie ernst nickte, ein Grinsen unterdrückend, musste Shinji sich sehr zusammenreißen.

"Aha. Einen Mann also. Für eine Schulaufgabe? Ein Referat über eine besondere Persönlichkeit?", hakte Shinji hoffnungsvoll nach, doch Natsuki verneinte und schüttelte den Kopf.

"Einfach einen Mann. Also... meinst du, du kannst mir jetzt helfen oder nicht?"

Shinji rang mit sich selbst. Was für einen Mann wollte Natsuki finden? Und wozu? Das überstieg sein Vorstellungsvermögen, doch er wusste schon, dass er ihr diesen Wunsch nicht abschlagen konnte - es war bestimmt das erste Mal, dass ihn um Hilfe bat, beziehungsweise - seine Hilfe angenommen hatte!

"Na gut", knurrte er widerwillig. "Ich kann es ja versuchen. Also... wie heißt der Vermisste?"

Natsuki überlegte kurz. War das richtig? Konnte sie diese wichtige Aufgabe wirklich Shinji überlassen? So, wie sie ihn kannte, war das Einzige, das an ihm verlässlich war, die Tatsache, dass er jeden Morgen pünktlich bei ihr zu Hause zum Frühstück auftauchte und sie auf die Palme brachte.

"Access", sagte sie dann. "Sein Name ist Access."

Ein heller Blitz zuckte über den Himmeln und erleuchtete diesen für den Bruchteil einer Sekunde, begleitet von einem lauten Dröhnen direkt über ihnen.

Shinji war wie vom Donner gerührt stehen geblieben und starrte fassungslos Natsuki's Hinterkopf an, die im ersten Moment nicht bemerkt hatte, dass ihr Gesprächspartner zurückgeblieben war. Sie drehte sich irritiert zu ihm um und konnte die Verwunderung und gleichzeitig den Schock deutlich in seinem Gesicht ablesen.

"Was ist los...?", fragte sie argwöhnisch und betrachtete, wie seine Züge sich verspannten und er krampfhaft versuchte, die Beherrschung wiederzuerlangen.

Shinji schluckte. Was hatte das zu bedeuten? Hatte sie ihn gerade ernsthaft nach "Access" gefragt? Aber... er war doch Access? Zumindest mal gewesen... Sollte das heißen, sie konnte sich wieder an alles erinnern und das alles hier... das war alles nur Show, weil sie nicht offen zugeben wollte, dass sie wusste, wer ER einmal gewesen ist? Wer SIE war...?

"Was... willst du von ihm?" Shinji hatte seine Sprache wiedergefunden und das war die erste Frage, die ihm eingefallen war. Marron und Chiaki hatten es ihm ausdrücklich verboten, Natsuki von ihrer - und seiner - Vergangenheit zu erzählen. Und er konnte es ihnen auch unmöglich verdenken, denn solange sie sich nicht selbst an alles erinnerte, würde sie ihm doch unmöglich Glauben schenken! Vielmehr würde sie ihn für geistesgestört erklären und dann wäre er bei ihr endgültig unten durch...

Natsuki zuckte die Schultern. Shinji's merkwürdige Reaktion gab ihr zu denken. Wusste er etwas von diesem Access? Kannte er ihn womöglich?

"Ich muss ihn finden", sagte sie knapp und ließ Shinji nicht aus den Augen. Sollte er etwas wissen und es ihr vorenthalten wollen, würde er nicht einfach so damit davonkommen!

"Warum?" Mit zusammengekniffenen Augen sah Shinji Natsuki ernst an und diese wunderte sich immer mehr über sein Verhalten. Aber sie konnte ihm auch nicht erzählen, dass ihr eine Frau im Traum begegnet war und ihr diese Aufgabe gestellt hatte - das klang ja selbst in ihren Ohren total absurd, aber so war es nun einmal geschehen. Shinji jedoch - er würde sie für geistesgestört erklären. Wer glaubte denn schon an solche Märchen, außer die, die es selbst erlebten?

"Das geht dich gar nichts an, klar?", beeilte sie sich zu sagen und drehte dem verwirrten Shinji den Rücken zu. "Ich muss ihn einfach finden! Weißt du etwas oder nicht? Kennst du ihn?"

Shinji befand sich im Zwiespalt. Was sollte er sagen? Er durfte auf keinen Fall... aber was ist, wenn das doch nur alles Theater war und Natsuki sich bloß nicht traute, den ersten Schritt zu machen? Aber außer, dass sie anscheinend über Access bescheid wusste, hatte sie ihm sonst keinerlei Hinweise gegeben, sollte dies der Fall sein...

Shinji beschloss, es auszutesten.

"Fynn...?", versuchte er vorsichtig und blickte Natsuki's Rückansicht erwartungsvoll an, die sofort herumwirbelte. Aufgeregt und mit großen Augen schaute sie ihn an und sein Herz machte einen Hüpfer, er wollte den Regenschirm fallen lassen und sie ihn die Arme nehmen, doch Natsuki machte seine Hoffnung innerhalb eines Augenblicks zunichte.

"Du kennst Fynn? Wer ist das? Woher kennst du sie? Du musst es mir erzählen!", sprudelte es aus seiner Nachbarin heraus und sie blickte hoffnungsvoll zu ihm auf.

Shinji's Herz sank in die Hose. Das konnte doch nicht wahr sein? Wer erlaubte sich da so einen grausamen Scherz mit ihm?

Sie kannte Fynn, sie kannte Access, aber sie hatte keine Ahnung, wer die beiden waren...

Enttäuscht ließ Shinji den Regenschirm sinken und nahm dafür in Kauf, vollkommen durchnässt zu werden. Jetzt war ihm sowieso alles egal.

Er schüttelte demotiviert den Kopf. "Ich kann dir nichts darüber erzählen, tut mir leid", sagte er abweisend und drückte der irritierten Natsuki seinen Regenschirm in die Hand. "Ich hab etwas vergessen, muss dringend noch mal zurück...", murmelte er, vermied es, sie anzusehen und rannte davon, in die Richtung, aus der beide eben gekommen waren.

Perplex starrte Natsuki ihm hinterher. Ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum.

Shinji kannte sowohl Fynn als auch Access, das wusste sie! Warum wollte er ihr nichts sagen? Jetzt war sie nur noch einen Katzensprung von der Wahrheit entfernt! Egal, was Shinji auch für Gründe hatte - Natsuki fasste den Entschluss, dass sie ihm das Geheimnis auf alle Fälle entlocken würde - sie MUSSTE einfach!

Ganz nebenbei würde sich so auch die Frage klären, die sich etwas später in ihren Kopf schlich: woher hatte Shinji sein Wissen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von: abgemeldet
2008-08-22T17:27:16+00:00 22.08.2008 19:27
einfach nur geil!!!! er tut mir so leid...
Von:  Monny
2008-07-05T18:54:24+00:00 05.07.2008 20:54
O man sie war kurz davor. aber war ja klar das er ihr nichts sagen konnte oder beser gesagt durfte. Also wenn ich sie wäre würde ich mal ihre Eltern Fragen^^. Aber in diesen Träumen die sie hatte waren da nicht auch ihre Eltern in Jungen jahren anwesend??.

Nun jedenfalls echt klasse geschrieben^^.

gez.Kurosaki-kun^^.
Von: abgemeldet
2007-08-23T13:22:34+00:00 23.08.2007 15:22
wow,
das iost echt der renner... ich mag deine story

liebe grüße
Apollon-klio
Von:  the5kyliner
2007-08-12T16:42:27+00:00 12.08.2007 18:42
Wow!!!
Ich hab mir mal eben alle 12 Kapitel durchgelesen und ich bin echt fasziniert o.o
Ich finde deinen Schreibstil sehr schön und du hast eine besondere Gabe, die Charakter der beiden (Shinij+Natzuki) so schön rüber zu bringen.

Auch die Story an sich gefällt mir sehr gut und ich bin auf die nächsten Kapitel schon sehr gespannt X3
Das 12. Kapite ist jetzt erstmal mein lieblings Kapitel XDDD


Ich hatte eigentlich vor ein Kamikaze Kaito Jeanne Hörspiel über Shinji und Natzuki zu machen, und somit stieß ich eben auf deine Geschichte hier

Und ich würde gerne wissen, ob du deine Geschichte vllt für das Hörspiel bereit stellen würdest?

Ich würde mich über eine ENS deinerseits sehr freun ^^


liebe Grüße

Bloody4Rose
Von: abgemeldet
2007-08-11T17:24:19+00:00 11.08.2007 19:24
WOW! Ich finde diese Story einfach nur genial.
Aber Shinji tut mir echt leid.
Der leidet im Moment Höllenqualen.
Quäl ihn nicht mehr so lange, aber schreib bitte schnell weiter.
Möchte wissen wie es weiter geht.
*total gespannt sei*
Von:  W-B-A_Ero_Reno
2007-08-10T15:18:59+00:00 10.08.2007 17:18
hui ich hab ja ewig keine natsuki und shinji ff gelesen!
deine hat mir auf jedenfall richtig gut gefallen!
du triffst die beiden charaktere wirklich sehr gut!
mach schnell weiter!
lg yuki
Von: abgemeldet
2007-08-07T21:40:52+00:00 07.08.2007 23:40
hei^^

Ich bin zufällig auf deine FF getossen, sie gefällt mir^^
Ich kenne das ende vom Manga bloss von der Erzählung meiner Cousine und selbst das ist schon eine kleine Ewigkeit her, daher interessiert es mich, wie es weiter geht, vielleicht kann ich meine Erinnerungen auffrischen, im Anime wurde die Geschichte ja völlig unterschlagen soweit ich mich erinnern kann.
Ich mag deine Art zu schreiben, sie passt zu der Serie und ich finde es höchst amüsant, wie sich die beiden verhalten, errinnert es mich doch sehr an Chiaki und Maron, komisch das Chiaki was dagegen hat, wie Shinji Natsuki umschwärmt...war er doch auch nicht viel zurückhaltender^^
vaterinstinkt? ><

das einzige was ich komisch finde ist der-relativ-grosse Altersunterschied..ich mein ab zwanzig aufwärts, von mir aus ab achtzehn, sind 5 jahre ja nichts, aber vorher...ne ganze Menge..zumindest kommt mir das so vor.

Irgendwie ist es auch komisch, das beziht sich jetzt nicht auf die Ff sondern ist einfach so gemeint, aber wenn du schon bei deiner geburt weisst, wer (früher oder) später mit dir zusammen sein wird, bist du dann überhaupt noch offen für eine Bezihung? ich glaube, das funktioniert dan überhaupt nicht weil man-wie du geschrieben hast-dann immer das Gefühl hat, den jeweiligen Partner anzulügen....anderseits verpasst man so auch die Chance, Erfahrungen zu machen, seien es gute oder schlechte und beides braucht man um sich im Leben weiter zu entwickeln..meine ich^^

Herjee ich sollte endlich lernen mich kurz zu fassen..
Also ich mags xD

Von:  Lume
2007-08-06T03:19:10+00:00 06.08.2007 05:19
uii toll toll toll!
bitte, ganz schnell ein neues kapitel xD
i need it!! xDDD
Von:  psychopat
2007-08-04T02:35:09+00:00 04.08.2007 04:35
man jetzt gerade wp es so spanennde ist, hoert das kapitel auf :( hoffe es geht bald weiter :)


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