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Sunset over Egypt

Even if tomorrow dies
von

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Wünsche

Die Libyer waren zurückgedrängt. Nicht besiegt, doch auch nicht überlegen. Es war wirklich kaum zu glauben. Die Übermacht, mit der Cyrus und Shada in dieses Land eingefallen waren, war beeindruckend gewesen – und totbringend. Doch sie waren nicht überlegen.

Es war wohl die größte Überraschung. Doch trotzdem. Welche Chance bestand noch für sie? Cyrus Wille war unverkennbar. Er hatte nicht vor, das Reich zu verschonen. Welchen Grund hätte er auch haben sollen? Er selbst konnte doch nur gewinnen. Reichtum, Macht, Anerkennung? Er tat alles für seine Familie. Seine Familie, die so lange auseinandergerissen gewesen war. Konnte er sie wirklich wieder vereinen? Konnten sie wirklich wieder so etwas werden? Eine Familie? Oder hatte dieses Wort längst an Bedeutung verloren?
 

In all dem Durcheinander konnte er doch eine Person ausmachen, deren Anwesenheit ihn verwirrte. Kisara schlich sich durch die Kämpfenden, zielstrebig irrte sie umher und suchte sich ihren Weg. Ein Weg, der sie unweigerlich immer näher heranbrachte an Seth.

Und wieder war es Seth. Wo nur lag die Faszination, die ihn ausmachte? Akim konnte es nicht verstehen. Es war ihm nicht einleuchtend. Sahen sie denn alle nicht, wie viel Blut an seinen Händen klebte? Wie viel Verantwortung er besser abgegeben hätte? Sahen sie denn alle nicht seine Fehler?

Der Jüngere verstand es beim besten Willen nicht. Wie er es auch drehte oder wendete – der einzige Pluspunkt, den er Seth zugestehen konnte, war die Tatsache, dass er ihn nicht getötet hatte, als er die Wahl gehabt hatte – und auch das war wohl nur aus Eigennutz so verlaufen. Worauf also stützte sich seine Herrschaft? Als Pharao über das Land zu regieren… Es war wirklich zweifelhaft. Konnte dieses Land so viel aushalten? Konnte das ägyptische Volk so viel ertragen?

Oder tat Cyrus richtig daran, es auszulöschen, bevor es zu spät war? Akim beschloss zu warten. Abzuwarten und den Lauf der Dinge zu beobachten. Blieb ihm etwas anderes übrig?

Ja. In der Tat gab es Möglichkeiten für ihn zu handeln. Doch er zog es vor, die Entwicklungen auf sich zukommen zu lassen. Denn für wen hätte er kämpfen sollen? Für Cyrus? Gar für Seth?

Dieser Kampf war nicht der Seinige. Was mit dem Land geschehen sollte, war ihm egal. Ob sein Bruder seine Hilfe brauchte? Vermutlich nicht.

Er hatte also Zeit. Die Auseinandersetzung zwischen Seth und Cyrus war bei weitem der interessanteste Kampf. Und auch wenn die libyschen Truppen ein weiteres Mal nicht stark genug waren um einen Sieg auf dem Schlachtfeld zu erringen, war der Krieg dennoch noch nicht entschieden. Solange Seth atmete, würden die ägyptischen Männer kämpfen. Es gab also nur eine Möglichkeit, dieses sinnlose Blutvergießen zu beenden.

Durch Blut.

Das Blut des ehemaligen Hohepriesters.

Das Blut des Pharaos.

Es war ein kostbares Gut und gleichzeitig die mächtigste Waffe, die den Libyern zur Verfügung stand.
 

Mana lief. Lief und lief. Und sie wusste nicht wohin. Sie wusste überhaupt nichts. Einfach gar nichts. Sie wusste nicht, wer sie war. Sie wusste nicht, wo sie war. Sie wusste nicht, weshalb sie hier war. Sie wusste nicht, was das alles bedeutete. Sie wusste nicht, weshalb es so dunkelt war. Sie wusste nichts mehr von dem, was Adalia ihr erklärt hatte. Es war einfach weg. Sie wusste nur, dass sie lief. Sie wusste nicht wieso und sie wusste nicht wohin.

Sie wollte nur raus. Nach draußen. Wo Seth war. Weg von Bakura.

Sein Lachen war grausam gewesen. Sie hatte einen eisigen Schauer in sich gespürt und sie konnte es nicht deuten. Sie wusste nicht, was es gewesen war. Sie wusste nicht, weshalb er gelacht hatte.

Und Adalia?! Was war nun mit ihr? Auch das wusste Mana nicht. Sie wusste auch nicht, ob sie es wissen wollte. Das war so verwirrend. Es war alles durcheinander und nichts machte mehr Sinn.

Adalia würde es bestimmt gut gehen. Sie würde es schaffen. Sie war doch stark! Sie war doch mächtig! Sie wusste bestimmt, was sie tun musste. Ein Teil in ihr, den sie nicht kontrollieren konnte, drängte sie förmlich dazu, umzudrehen und der Priesterin zu helfen. Adalia war doch ihre Freundin! Musste sie denn nicht auch auf sie aufpassen?

Doch ein anderer Teil – und dieser war weitaus größer – ließ sie einfach nur laufen. Weg von Adalia, weg von Bakura. Ihrem Vater…?!

Es war egal. Sie musste weg, einfach nur weg! Und das so schnell wie möglich. Es tat weh. Jeder einzelne Schritt tat so schrecklich weh, aber sie konnte nicht langsamer werden. Wenn sie jetzt stehen blieb, dann würde sie nie wieder loslaufen. Mana war sich sicher. Sie konnte nicht anhalten.

Sie musste laufen. Laufen, bis sie bei Seth war.

Er würde sie beschützend. Er würde auf sie aufpassen! Und wann wäre alles gut… Sie schluchzte. Es nahm ihr die Luft zum Atmen, doch sie konnte sich nicht beruhigen. So sehr sie auch nach Luft schnappte, es wurde immer nur noch schlimmer.

Und es tat weh.

Aber sie musste weiterlaufen. Sie konnte kaum sehen, wohin sie lief. Die Tränen versperrten ihr die Sicht. Sie konnte sich nur auf das verlassen, was Adalia gesagt hatte: Seth musste draußen sen. Und sie biss sich auf die Lippe. Und sie lief weiter.

Wie konnte sie nach draußen kommen? Sie kannte den Weg nicht. Alles, was sie kannte, war der Weg in den Garten. Das war auch ‚draußen‘. Doch irgendetwas in ihr sagte ihr, dass es das falsche ‚draußen‘ war. Das Haupttor des Palastes hatte sie nie passiert, soweit sie sich erinnern konnte. Die Wege waren alle fremd, alle unbekannt. Doch sie musste sie gehen. Sie musste es versuchen, musste IHN suchen. Sie musste den Palast verlassen, aus dem goldenen Käfig fliehen, der ihr Zuhause war. Und sie konnte niemanden fragen. Die Posten waren verlassen, der Palast war wie ausgestorben. Sie hatten alles stehen und liegen gelassen um in den Krieg zu ziehen, doch das konnte Mana nicht wissen.

Es gefiel ihr nicht. Es machte ihr Angst. Und sie konnte nicht aufhören zu schluchzen.

Wieso war niemand hier?! Sie hatte das Leben im Palast doch gemocht. Auch wenn sie so wenig wusste, so hatte sie sich doch besser gefühlt, wenn sie unter Leuten gewesen war. Sie war nie vielen begegnet, hatte nie mit vielen gesprochen. Jetzt konnte sie sie nicht einmal mehr sehen. Sie konnte nur rennen. Sie musste nur laufen.

Und sie weinte.

Und sie lief.
 

Die Luft war erfüllt von Schreien. Der Nebel erstickte nicht nur jedes Licht, sondern auch jede Hoffnung im Keim.

Cyrus hatte wirklich ganze Arbeit geleitet. Er verstand sein Handwerk und Akim hatte nicht eine Sekunde lang daran gezweifelt. Ganz im Gegenteil. Es hätte ihn maßlos enttäuscht, wenn es anders gewesen wäre.

Doch nicht nur Cyrus Magie war hier am Werk. Und die Stimmen im Nebel waren auch nicht nur ein Echo dessen, was unten auf dem Schlachtfeld geschah.

Cyrus konnte es nicht ahnen, denn er war den Kreaturen nie begegnet, doch in dem Nebel lauerte etwas Tödliches. Die Seelen von Kul Elna… Angetrieben von all der Zerstörung und all dem Leid labten sie sich an der Verzweiflung.

Akim war sich nicht einmal sicher, ob Bakura selbst von ihrer Anwesenheit hier wusste. Vermutlich hatten sie es einfach nicht geschafft, fern zu bleiben. Zu groß war der Wunsch nach Rache.

Und doch blieben sie friedlich. Sie mischten sich nicht ein, dazu fehlte ihnen vermutlich der direkte Befehl. Und das bedeutete zumindest, dass Bakura seinen Kampf nicht auf dem Schlachtfeld mit all den anderen suchte.

War das etwas Gutes? Akim wusste es nicht. Er wusste, dass er den Meister der Diebe nicht unterschätzen durfte, aber er wusste ebenso genau so sicher, dass er seinen treuen, eigenartigen Untertanen keinen Befehl zum Angriff gegeben hatte.

Und außerdem – war denn davon auszugehen, dass Cyrus ihn verschonte, wenn er sich einmischte? Nein. Bakura war nicht sein Problem. Und auch die Seelen waren nicht sein Problem. Schaulustige gab es immer und diese Beobachter machten noch einen speziellen Reiz aus. Die Vernichtung des ägyptischen Volkes und die Niederstreckung all ihres Glanzes war nicht unerwünscht…

Akim lächelte. Und als er Meira schließlich ankommen sah, wusste er, dass es ein Ende haben würde. Der Violetthaarige ließ seine Gedanken schweifen, weit ab von irgendwelchen Geistern im Nebel, ohne auf Seth oder seinen Bruder zu achten. Für den Moment hatte seine Schwester sich aus diesem Krieg herausgehalten. Sie hatte sich nicht in die Kämpfe gemischt.

Wieso nicht? Ein einziges Wort von ihr und Cyrus wäre sofort am Ziel seiner Wünsche. Sie beide beherrschten den Nebel mit einer solchen Stärke, dass allein ein Augenzwinkern schon enorme Verwüstungen ausrichten konnte.

Nicht, dass er nicht auch diese Macht beherrschte… Doch Meira war ihm ein Rätsel. Seit er zu seinen Geschwistern zurückgekehrt war, wirkte sie wie ausgetaucht. Zwar hatte er nicht mit seinem vollen Bewusstsein mitbekommen, wie Cyrus und auch Meira sich in das Leben am Palast eingemischt hatten, doch eines hatte auch er verstanden: Sie waren voller Hass gegen das Land vorgegangen, sie hatten mit den Menschen gespielt, ohne Rücksicht zu nehmen. Sie hatten ihre Macht ausgeweitet, ohne Zweifel an ihrer Rechenschaft zuzulassen. Sie hatten zusammen gekämpft, ganz so, wie Cyrus es immer noch tat.

Was also hatte sie dazu gebracht, aufzuhören? War es wirklich genug gewesen, dass er – ihr verloren geglaubter Bruder – zu ihnen zurückgekehrt war? Hatte seine Wiederkehr ihrem rachsüchtigen Herzen Frieden geschenkt?

Er konnte es sich nicht vorstellen. Es lag kein Sinn in dieser Vermutung, selbst, wenn es ein schöner Gedanke gewesen wäre.

Nein. Meira musste einen anderen Grund gehabt haben. Etwas, das sie entweder tief verstört oder tief bewegt hatte – oder sie wartete einfach nur auf den richtigen Moment. Auch diese Möglichkeit musste er in Betracht ziehen. Niemand kannte seinen Bruder besser als Meira, des musste er neidlos anerkennen. Vielleicht verfolgte sie einen ganz anderen Plan.

So gesehen sollte es ihn gar nicht verwundern, sie hier zu sehen. Sie hatte nicht weniger Grund hier zu sein, als er. Eigentlich war er froh, ihr vertrautes Gesicht zu sehen. Die Rothaarige hatte eine ausgesprochene Sanftheit in ihren Augen – sie war die Quelle der Ruhe in ihrer hitzigen Familie. Allein der Gedanke an sie ließ ihn lächeln. Endlich waren sie wieder alle zusammen an einem Ort. Seine ganze Familie war nun wieder vereint. Und sie konnten im Grunde nur einen einzigen Gegner haben: den Mann, der sie auseinandergerissen hatte.
 

Seine Worte lagen schon weit zurück, doch Meira kam nicht darum herum, sie sich immer wieder zurück ins Gedächtnis zu rufen. Er hatte Recht. Sie fühlte es in jeder Faser ihres Körpers, spürte ein Verlangen in ihrem Herzen brennen, dem sie nicht zu entkommen vermochte. Was sollte sie nun tun? Wie sollte sie sich verhalten? Sollte sie einfach abwarten?

Sie hatte keine Ahnung. Sie wusste es einfach nicht. Sie hatte so vieles vorausgesehen und doch konnte das die Entscheidung nicht erleichtern. Sie hatte so lange darüber nachdenken können und doch war sie zu keinem Ergebnis gekommen. War das die Zukunft, die sie gesehen hatte? Die Zukunft, die nun immer näher rückte? Oder war doch alles nur eine Illusion?

Die Rothaarige schloss die Augen und zählte leise für sich bis drei. Als sie sie wieder öffnete, befand sie sich an einem anderen Ort. Der Ort, an den es nun jeden zog, der Ort, der ihre Bestimmung sein sollte. Die Tore des Palastes waren prächtig anzusehen, doch die Idylle war getrübt. Schreie und Kämpfe, die in dem Chaos vorherrschten und die alles zu überwältigen drohten.

Dies also war die Zukunft. Alles, was hier geschah, war nichts als eine Wiederholung dessen, was sie längst gesehen hatte. Sie hatte es gesehen. Hatte gewusst, dass es so kommen würde. Und noch immer wusste sie nicht, wieso sie nicht einfach etwas veränderte. Es hätte doch in ihrer Macht gelegen! Sie hatte es noch immer in der Hand. Doch sie war regungslos. Sie sah einfach nur zu und wartete. Und sie konnte es nicht verstehen. Sie wollte etwas tun, sie wollte selbst eingreifen, wollte etwas verändern – doch sie konnte einfach nicht. Sie war wie erstarrt. Bewegungsunfähig. Irgendetwas in ihrem Herzen sagte ihr, dass sie es nicht durfte. Dass dies die Zukunft war, die sie sich wünschte. Und waren nicht die eigenen Wünsche das, was man zu erfüllen versuchen sollte? Selbst wenn der Preis nicht abzusehen war?



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