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Kurzgeschichten

24-Stunden-Schreibaufgabe
von  Medihra

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Kapitel 5: Der Duft der Mandelblüte

Eine Tiara aus Diamanten zierte den blonden Schopf der jungen Frau. Sie funkelte in den verschiedensten Farben, als sich das Licht, das von den silbernen Lüstern kam, in den Edelsteinen brach.
Die Ballgäste applaudierten, als Jewel Melody April Hope de l’Amande denn Saal betrat. Ihre ozeanblauen Augen strahlten vor Freude, da viele der jungen Männer sie zu ihrem Thron begleiten wollten. Sie liebte es, wenn sie so umgarnt wurde, wenn sie beachtet wurde.
Eine Träne, einer Perle gleich, lief an der Wange hinunter, so gerührt war sie von der Aufmerksamkeit, die ihr entgegengebracht wurde.
Die Männer – egal ob alt oder jung – konnten ihre Augen nicht von ihr abwenden. Jewel gehörte zu den schönsten Frauen im Reich. Blonde Haare mit engelsgleichen Locken umrahmten ihr feingeschnittenes Gesicht. Die zierliche Stupsnase, die großen blauen Augen und die vollen roten Lippen ließen jedes Männerherz höher schlagen und jeder wollte sie beschützen.
Ihr Körper hingegen passte gar nicht zu ihrem kindlichen Gesicht. Sie besaß eine feengleiche Figur. Der Verstand der Männer setzte aus, wenn sie Jewels wohlgeformte Oberweite und Hüfte und die schmale Taille sahen.
Mit einem Lächeln setzte sich Jewel Melody April Hope de l’Amande auf ihren goldenen Thron. Eine Vorfreude stieg in ihr auf, als sie ihre geladenen Gäste ansah. Sie war froh darüber, dass so viele ihrer Freunde zu ihrem achtzehnten Geburtstag gekommen waren und konnte es gar nicht erwarten, die Geschenke zu öffnen.
Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und blieb an einem stattlichen jungen Mann hängen, dessen Haare schwärzer waren als die Nacht und im Nacken zu einem Zopf gebändigt waren. Seine klaren eisblauen Augen ruhten seit einer Weile auf ihr.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie die Muskeln sah, die sich unter seiner engen Kleidung abzeichneten. Sie spürte, wie ihr Kopf feuerrot wurde, als er ihr zunickte.
»Wer ist das, Mimi?«
Ihre Zofe Mimi beugte sich zu ihr hinunter. »Das ist Gordon Errol of Taunt. Er müsste drei Jahre älter sein als Ihr. Wie ich gehört habe, hat er schon seit Eurem sechzehnten Geburtstag an Euch Gefallen gefunden, doch Euer Vater hatte ihm verboten das Schloss noch einmal zu betreten, so lang er noch unter den Lebenden weilte.«
»Und Vater ist vor einem Monat gestorben, so kann er das Schloss wieder frei betreten.«
»Habt Ihr Euch denn nicht gewundert, dass seit Eurem Geburtstag vor zwei Jahren, die Attentate auf Euren Vater, Gotte habe ihn selig, zunahmen?«
Jewel sah ihre Zofe wütend an. »Du dumme Kuh! So etwas würde Gordon nie tun! Sieh doch sein unschuldiges Gesicht an! Dieser Mann hätte nie meinen Vater töten wollen! Scher dich fort und komme nie wieder!«
Mimi sah sie entsetzt an. »Ihr benehmt Euch wie ein naives Kind.« Sie raffte ihre Röcke und verließ den Saal um nie wieder zurückzukehren.
Alle Augenpaare waren auf Jewel Melody April Hope gerichtet, die versuchte ihre Wut auf Mimi zu unterdrücken.
Gordon Errol of Taunt würde so etwas nie machen!
»Was seht ihr mich so an? Wo sind meine Geschenke?«, fuhr sie ihre Gäste an. »Ich bin wahrlich etwas verstimmt. Bringt mir meine Geschenke!«
Ihr Herz hüpfte vor Freude, als Gordon als erster zu ihr kam.
»Mylady, Euer Herrschername heißt übersetzt Mandel. Ich habe meinen besten Parfümier darum gebeten einen Duft aus Mandelblüten für Euch zu zusammenzumischen. Zu meiner Freude hat er es getan.«
Einer seiner Diener brachte ihm ein Flakon aus durchsichtigem Kristall. Eine rosafarbene Schleife war um den Hals des zarten Fläschchens gebunden und in klaren Lettern stand auf dem Etikett Odeur de la fleur d'amande.
Jewel fühlte sich geschmeichelt. Noch nie hatte jemand ihr so ein persönliches Geschenk überreicht.
»Ist es mir erlaubt, dem Geburtstagskind einen Hauch des Duftes auf die lieblichen Handgelenke zu träufeln?«
Sie spürte, wie das Blut vermehrt durch ihre Wangen floss. Sie nickte, stand auf und ging zu Gordon hin. Sie hielt ihm ihre behandschuhte Hand hin.
Vorsichtig zog er den Handschuh aus und hauchte einen Kuss auf ihren empfindlichen Handrücken.
Jewel Melody April Hope bekam eine Gänsehaut. Lust durchströmte ihren Körper. Sie spürte die neidischen Blicke aller Männer und Frauen, doch sie konnten nichts dagegen machen. Sie hatte ihn auserwählt und er sie.
Gordon öffnete das zierliche Fläschchen. Eins, zwei, drei Tropfen fielen auf Jewels Haut, die er vorsichtig verstrich und blickte sie erwartungsvoll an, als sie daran roch.
»Was für ein süßlich-lieblicher Duft, oh mein Gordon Errol of Taunt! Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe!«
»Das freut mich, dass Ihr so entzückt seid. Mein Parfümier saß über zwei Jahre an der Formel. Seit Euer Vater mich des Hofes verwiesen hat, konnte ich nur noch an Euch denken. Mein Herz sehnt sich nach Eurer Liebe, ich verzehre mich nach Euch.« Er schloss sie in seine Arme. »Bitte, oh meine Jewel Melody April Hope de l’Amande, werdet meine Frau!«
Perlentränen kullerten über ihre Wangen. »Ja, ich will die Eure sein.«
Die Geburtstagsgäste seufzten vor Freude und applaudierten.
»HAHAHAHAHAHIHIHIHIHAHAHA!«, lachte Gordon plötzlich los und warf den Flakon auf den Boden. »Du wirst für immer zu mir gehören, du törichtes Weib!«
Der süße Duft benebelte Jewels Sinne, sodass sie in Ohnmacht fiel.

Jewel wachte in einem dunklen Verlies wieder auf. Nur das fahle Mondlicht schien durch die vergitterten Fenster.
Sie wollte aufstehen, doch sie merkte, dass ihre Hände in Ketten lagen.
»Na, mein kleines Kätzchen, bist du wieder aufgewacht?«
Ihre Gedanken wurden schlagartig klar, als sie in das hässlichste Gesicht blickte, das sie bis jetzt gesehen hatte. Die grauen Haare hingen strähnig und fettig vom Kopf und viele Falten und Narben zierten das Gesicht des Mannes. Als er sie dreckig angrinste, sah sie, dass viele seiner Zähne fehlten.
Ekel stieg in ihr empor, als er sie anfassen wollte. Verzweifelt trat sie nach ihm. »Fass mich nicht an, du abgrundtief hässliches Ekelpaket!«
»Wieso? Wir sind verlobt. Du hast mir vor den Augen deiner Geburtstagsgäste deine Treue geschworen, meine Mandelblüte.«
Tränen der Verwirrung stiegen in ihre Augen. »Nie und nimmer hätte ich so einen Mann wie dir mein Einverständnis der Verlobung gegeben! Dein Parfüm hat bestimmt meine Sinne getrübt, weil ich in dir einen Schönling gesehen habe!«
»Das war ein Illusionszauber«, grinste er böse. »Ich habe nur sein Aussehen angenommen, aber ich heiße wirklich Gordon Errol Taunt. Ich bin der Spott auf zwei Beinen.« Er machte ein trauriges Gesicht und schniefte etwas. »Vor zwei Jahren, als ich Euch das erste Mal gesehen habe, habe ich bei Eurem Vater um Eure Hand angehalten. Doch er jagte mich von seinem Hof. Als ich dann gesehen habe, wie er Gefallen an einem jungen Burschen namens Alexandre Patrice le Saveur gefunden hatte, wurde ich eifersüchtig«, jammerte er.
Jewel Melody April Hope sah ihn mit großen Augen an.
»Ich habe Alexandre entführt und ihn in ein dunkles Verließ gesperrt. Die zwei Jahre habe ich nach dem Duft gesucht, der Eure Sinne betören sollte und gleichzeitig einen Trank entwickelt, mit welchem ich für ein paar Stunden das Aussehen von Alexandre annehmen konnte.«
»Du Widerling! Was hast du mit ihm gemacht?«, spie sie ihm ins Gesicht
»Er müsste schon längst tot sein! HAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHA!«
»NEIN!«
Jewels Herz zog sich zusammen. Der Mann, den sie liebte, war tot!
Die Kerkertür wurde aufgestoßen. Herein trat Mimi.
»Mimi?«, schluchzte das arme angekettete Mädchen. »Aber… Ich habe dich doch fortgejagt!«
»Und ich sollte zusehen, wie du ins Unglück rennst?« Dann sah sie Gordon an. »Sieh an, so trifft man sich wieder.«
»Ich habe dich noch nie gesehen, Weib! Gegen mich kannst du nichts ausrichten! Gegen meine Magie bist du machtlos!«
Mimi hob ihre Arme über ihren Kopf und rief: »LIFT THE ILLUSION!«
Grelles Licht umgab ihren Körper und wurde nach ein paar Sekunden wieder dunkler.
»Du?« Gordon sah die Person vor sich mit großen Augen an. »Aber du müsstest schon längst tot sein!«
Jewel erkannte, wer da vor ihr stand. »Alexandre Patrice le Saveur?«
Er sah sie milde an. »Ja, meine Liebste. Eine gute Zauberin hat einen Illusionszauber über mich gelegt, nachdem ich es geschafft hatte, dem Kerker zu entfliehen. Als Mimi habe ich mich bei dir eingeschlichen, damit ich immer in deiner Nähe sein konnte. Ich habe deinem Vater geschworen, immer auf dich aufzupassen, egal in welcher Gestalt.«
»Oh, Alexandre, ich wusste, dass jemand in meiner Nähe war. Meine Liebe zu dir hat es mir verraten.«
»Nein! Das ist meine Frau!«, schrie Gordon Errol of Taunt. »DEADLY BLOOD POISON!«
Alexandre wich dem Zauber geschickt aus. Geschmeidig wie eine Katze bewegte er sich.
Mit magischen Worten rief Alexandre nach seinem Schwert, welches sich in seiner Hand materialisierte. Er griff den bösen Mann und stieß das Schwert in dessen Brust.
Gordon spie Blut und brach tot zusammen. Rauchwolken stiegen von seinem Körper empor und er verschwand.
»Oh, meine Geliebte Jewel. Er ist nun endlich tot und du kannst in Frieden leben.« Alexandre löste die Fesseln von ihren Handgelenken.
Schluchzend schlang Jewel Melody Hope April ihre Arme um seinen Hals. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Sonst hätte ich nicht gewusst, was er mir angetan hätte.«
»Was musstest du dumme Gans mich auch wegschicken? Ich hätte es als deine Zofe nie so weit kommen lassen.«
»Ich konnte deine Widerworte nicht ertragen und wurde wütend. Aber du warst ja da. Wie hast du mich gefunden?«
»Ich bin dem Duft des Parfüms gefolgt, das er dir geschenkt hatte. Etwas Gutes hatte dieses Parfüm letztendlich doch.«
Er presste seine Lippen auf ihre und sie erwiderte ihn. Diese Leidenschaft hatte sie sich schon immer ersehnt.
Alexandre hob sie ihn seine Arme. Er trug sie zu seinen weißen Schimmelhengst und setzte sie vorsichtig in den Sattel. Er selbst setzte sich hinter sie und gab dem Pferd die Sporen.
Zusammen ritten sie zurück zum Schloss von Jewel Melody April Hope de l’Amande.
Die Gäste waren alle froh darüber, dass ihre gütige Herrscherin unversehrt zurückgebracht wurde.
Jewel gab bekannt, dass sie Alexandre Patrice le Saveur heiraten wollte. Jubel brach aus und die gute Nachricht wurde mit viel Champagner angestoßen.
»Ich werde dir von nun an zu jedem Geburtstag ein Mandelblütenparfüm schenken. Es soll an den Tag erinnern, an dem ich dich wiederfand und rettete, meine Liebste«, flüsterte Alexandre ihr ins Ohr.
»Das wird unser Duft der ewigen Liebe sein, oh Alexandre.«


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