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Mythna

Das Erwachen einer neuen Zeit
von

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Die Hölle auf Erden

14. Kapitel:
 

Axel
 

Die Hölle auf Erden
 


 

Das Erste was er wieder wahrnahm, war ein stechender Schmerz auf dem Rücken. Es brannte so sehr, als hätte man ein Feuer auf ihm entfacht. Sein Körper zitterte und sein Kopf war leer. Er fühlte nur die Schmerzen, die ihm eisern im Griff hielten. Das taube Gefühl der Angst wurde er einfach nicht los.

Axel konnte sich nicht mehr erinnern, was in den letzten Tagen mit ihm geschehen war. Sobald er versuchte es herauszufinden, da wurde alles Schwarz und Übelkeit übermannte ihn. Seine Augen waren geschlossen und er glühte vor Fieber. Das Atmen fiel ihm schwer und jeder Zug schmerzte in seiner Brust.

Axel versuchte sich aufzurichten, doch etwas Kaltes an seinen Handgelenken verhinderte das. Er stutze und versuchte es erneut mit einem festen Ruck zu befreien. Seine Hände waren fest gekettet. Seltsam...bisher war er doch nur eingesperrt worden und nicht fest gekettet. Irgendetwas war heute anders. Endlich gewöhnten sich seine Augen an das Dämmerlicht, was die eine Fackel außerhalb seiner Zelle in sein Gefängnis warf. Er saß in einem Kerker tief unten in der Burg von Dragos. Lange Gänge führten durch das Innern der Insel, welche mitten in einem Ozean lag. Glaubte Axel zumindest, denn er hatte einmal kurz ein Rauschen wie vom Meer gehört.

Fünf Tage saß er nun in dieser Hölle fest. Einmal täglich kam ein vermummter Mann in die Zelle um ihn zu tyrannisieren. In seinem Gedächtnis hörte er wieder die Peitschenschläge, die seine Haut wegrissen. Die Schlieren auf seinen Rücken zurrten sich nun zu fleischigen Narben zusammen oder waren vereitert. Eine Platzwunde pochte auf seiner Stirn und sein Atem geht schwer unter der stickigen, heißen Luft hier unten. Sie war durchtränkt von dem ekeligen Geruch von verwesendem Fleisch.

Ein Schrei hallte durch den Kerker wider und Axel wandte seinen Kopf langsam der Gittertür zu. Da wurde Einer gefoltert...das war hier ständig...schon normal.

Bald war er auch wieder dran. Axel war nach der letzen Prozedur in Ohnmacht gefallen. Wie würde es heute sein?

Jeden Tag kam Dragos in seine Zelle um ihn zu fragen, ob er sich ihn nun anschließen wolle. Axel hatte bisher jedes Mal verneint. Doch wie lange noch?

Wütend trat er gegen einem bleichen Schädel, der umgeben von Knochen war. Es knackte als der Schädel sich etwas bewegte und gegen die Knochen schlug.

Wieder keimte das bekannte Gefühl in ihm auf- Hass und Wut. Seit seiner Gefangennahme waren diese Gefühle besonders intensiv und sie kamen immer wieder. Er hasste das Gefühl zum Nichtstun verdammt zu sein. Noch nicht einmal richtig zu treten konnte er.

Ein Vorteil hatte die Situation ja schon, obwohl Axel es nicht unbedingt als solcher ansah. Dass er die ganze Zeit in dieser Zelle war, hatte zur Folge, dass er viel nachdachte. Seine Gedanken drehten sich die ganze Zeit um seine Vergangenheit.

Er hatte Camizu verraten und es zerstört. Seine Freunde und Familie umgebracht. Die Verachtung, die sich deshalb in ihm breit machte, hatte ihn in ein schwarzes Loch gezogen. Der Vorwurf hatte ihn Suizidgedanken in den Kopf getrieben. Er hatte kein Recht auf ein Leben, aber er wollte leben, auch wenn das Leben Qualen bedeutete. Eigentlich hatte er es ja nicht anders verdient.

Wieso war er damals bloß auf Dragos hereingefallen? Er biss sich auf die Lippen und verschloss verkrampft die Augen. Warum musste Dragos ausgerechnet jetzt wieder begegnen?

Nicht, dass er es je vergessen hätte, was er getan hatte, doch er könnte sagen, dass er gelernt hatte, es zu ignorieren. Die Tränen, die er abends geweint hatte, waren längst versiegt und die Ereignisse waren nur noch dann gekommen, wenn er allein in der Dunkelheit der Nacht lag.

Die Schreie und Beschuldigungen waren längst verklungen, doch nun waren sie wieder so klar da wie selten zuvor.

Der Körper des Jungen zitterte so stark, wie die Ketten es ihm erlaubten. Das Metall klirrte und durch den modrigen Gestank drehte sich alles vor seinem inneren Auge. Was stand wohl heute auf dem Programm? Streckbank, Auspeitschung oder vielleicht doch eher die eiserne Jungfrau? Innerlich lachte er sarkastisch über diesen Gedanken. Demnächst würde er wohl auch noch Wetten abschließen welche Torturen er wohl aushalten müsste. Jetzt bekam er ja sogar schon Galgenhumor, das konnte ja heiter werden. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis sein Wille gebrochen war oder er wahnsinnig werden würde?

Verbittert starrte er zu Boden und wieder brannten Tränen in seinen Augen. Innerlich war er zerrissen: Am liebsten würde er sein Leben einfach aufgeben, doch etwas hielt ihm am Leben. Eine einzige Sache: Melanie!

Wieder biss er sich auf die Lippen und starrte auf eine Fleischwunde auf seinem Bein, welches unter dem zerfetzten Mantel hervorragt. Es tat ihm so leid, dass er ihr nie erzählt hatte, was es mit seiner Vergangenheit auf sich hatte...warum er ihr nie erzählt hatte, wieso er so weit gereist war. Wieso hatte er seinen Freunden nie vertraut und ihnen von seiner Vergangenheit erzählt? Hatte er gehofft, dass er es irgendwann vergessen würde? Wie dumm er doch gewesen war. Nun saß er deswegen in Schwierigkeiten und ob er es überleben würde war ungewiss. Anscheinend hatte er wirklich geglaubt, dass er vor der Schuld davonrennen könnte. Die Erinnerungen waren nun noch deutlicher und er konnte sie nicht mehr zurückdrängen. Wie in einem Kino lief das Vergangene vor seinen Augen ab:
 

~Ein schwülheißer Sommertag, wo die Hitze auf der Haut brannte- so fing der Tag damals an. Die Hitze staute sich in dem Canyon auf und dadurch entstand ein Wind, der von unten aus der Schlucht hoch pfiff.

Axel war damals 10 Jahre alt und sollte an der Abschlussprüfung der speziellen Kampfschule von Camizu teilnehmen. Sein Herz klopfte damals so heftig, dass es aus seiner Brust zu springen schien und er war so aufgeregt. Sein kleiner Bruder lief freudestrahlend neben ihm her und hielt die Hand von Axel festgedrückt. Die türkisblauen Augen waren groß vor Freude, denn die Ausbildung von Karir begann heute. Axel hingegen freute sich gar nicht- er war einfach nur nervös.

Sein Clan war der Mächtigste im ganzen Dorf und jeder hatte bisher mit Auszeichnung bestanden. Heute war es an Axel diese Tradition fortzuführen. Für den 10-Jährigen Axel stand heute alles auf dem Spiel und es fühlte sich für ihn so an, als würde ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Schultern lasten. Beide liefen durch die geordneten Gassen von ihrem Dorf. Die Häuser waren einfache, aber große Holzhäuser mit schwarzen Reetdächern.

Die Türen waren meistens mit schwarzem Harz verkleidet und auf mythanisch standen die Namen des Clans auf ihnen geschrieben. Meist waren die Namen kaligraphisch mit verschnörkelten Buchstaben geschrieben.

Vor ihnen ragte eine riesige Arena in ovaler Form in den Himmel. Es ist im matten Erdtönen gestrichen und hatte dass Aussehen des Amphitheater in Athen. Geschwungene Säulen stützten den schweren Stein, der die Tribüne bildete.

„Heute wird ein ganz toller Tag, nicht wahr, großer Bruder?!“ Karirs Stimme überschlug sich fast vor Freude. Die kleine Hand zitterte vor Aufregung in der von Axel. Axel warf seinem kleinen Bruder einen lächelnden Blick zu und wandte sofort den Kopf wieder ab und biss sich auf die Zähne. Er mochte seinen kleinen Bruder ja, aber jetzt wäre er lieber allein gewesen. Er musste unbedingt ausgezeichnet sein, sonst wäre die Ehre seiner Familie dahin.

„Ja, heute wird ein ganz toller Tag, Karir.“, presste der Junge zwischen seinen Zähnen hervor.

Axel wich einer Katze aus, die rasend schnell über den Weg rannte und über die er fast gestolpert wäre. Sein Herz flatterte vor Nervosität. ~
 

Der jetzige Axel in der Gegenwart lehnte seinen Kopf an die raue Wand und blickte zur Decke hoch, für die das schwache Licht der Fackeln nicht mehr ausreichten. Eine Ratte huschte vor seine Füße, richtete sich auf die Hinterpfoten und mampfte einen Brotkrümel. Axel hörte seinen Magen knurren und fühlte wie der sich verkrampfte. Man, hatte er einen Hunger. 4 Tage hatte er nun nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen und niedergeschlagen ließ er den Kopf hängen.

Wie hilflos er sich nun fühlte. Er wollte doch nie mehr abhängig sein, doch nun hing sein Leben am seidenen Faden und dann war er auch noch von Dragos abhängig- ausgerechnet von ihm!

Der Körper von Axel bebte erneut vor Zorn. Eigentlich hatte er sich geschworen nicht mehr zu hassen, doch diesen Menschen hasste er wie die Pest. Nun konnte er sein Versprechen nicht mehr halten. Er hatte Melanie versprochen sie für immer zu beschützen und nun konnte er es nicht mehr halten. Tränen brannten wieder in seinen Augen. Er fühlte sich schwach und Melanie, die ihm immer Kraft und Trost gegeben hatte, fehlte ihm nun, wodurch er sich unglaublich leer fühlte. Genau wie damals, nach dem dass Dorf abgebrannt war.
 

~Die Prüfung war vorbei gewesen und Axel hatte bestanden, wenn auch nicht so gut, wie er eigentlich sollte. Er hatte Kämpfe immer verabscheut. Eigentlich mochte er Konflikte lieber mit Worten lösen, doch das war hier fehl am Platze.

Traurig und deprimiert schlurfte er durch die Gassen und kickte einen kleinen Kieselstein vor sich her. Die Hände hatte er in die Tasche gesteckt und er ließ den Kopf hängen. Der Tag war nun fast vorbei und das Sonnenlicht reichte nicht mehr, um die Schlucht zu erhellen. Axel öffnete die Hand und eine weiße Lichtkugel bildete sich vor seiner Handfläche. Ein flackerndes Licht erhellte die Straße und verdunkelte die bekümmerte Miene von Axel. Er wollte eigentlich gar nicht nach Hause und die Rüge von seinem Vater wollte er auch nicht hören. Sein Gegner war nun mal stark gewesen...er hatte halt Pech gehabt und hatte gegen den Jahrgangsbesten antreten müssen.

Er blieb stehen und blickte zu dem klaren Nachthimmel hoch und sein rotes Haar wehte ruhig im Wind. Die Sterne leuchteten schwach.

„Hey, Axel. Hast echt gut gekämpft, aber ich weiß einen Weg, wie du deine Auszeichnung doch noch schaffst.“ ~
 

Axel bebte, als er sich wieder an diese Stimme erinnerte. Ein Schrei hatte die Erinnerung wieder verwischt. Ein quietschendes Geräusch zerschnitt die Stille der Nacht. Eine neue Zelle wurde geöffnet und der Junge senkte den Kopf.

Die Tränen rollten aus seinen Augen und tropften auf einen Knochen. Leise tropfte Wasser von der Decke auf den Boden und immer im gleichen Rhythmus- ein Zustand, welcher Axel zusätzlich fast wahnsinnig machte. Immer dieses Plopp, Plopp...das war zuviel. Der Junge kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf ruckartig weg.

Das Fieber beachtete er nicht mehr, obwohl ihm schwindelig war und sein Körper war so glühend heiß, wie ein Feuer. Feuer...das Element, was ihn noch heute in Panik versetzte. Seitdem Tag damals hatte er eine richtige Phobie vor dem Feuer. Es ließ immer wieder die Erinnerungen wach werden. Wahrscheinlich würde er nie mehr Frieden empfinden. Wahrscheinlich würde er nie mehr glücklich sein...nur Melanie hielt ihm noch am Leben, doch nun war die Frage, ob sie überhaupt noch etwas von ihm wissen wollte, nachdem was geschehen war. Würde er sie überhaupt noch wieder sehen?

Die Erinnerungen an die Ereignisse, nachdem er diese Stimme gehört hatte, waren nur sehr verwischt und verschwommen. Er wusste nun nicht mehr, warum er damals auf ihn gehört und dem verhüllten Mann vertraut hatte. Wahrscheinlich war es die Verzweiflung gewesen...doch er war sich nicht sicher. War bloß eine Vermutung.

Irgendetwas in der Stimme hatte ihn veranlasst, dass er das Vorgeschlagene umsetzte.
 

~Heimlich, still und leise hatte er sich in den großen Tempel der drei Ursprungsgöttinen geschlichen. Leise wie eine Katze und verschmolzen mit der Dunkelheit, glitt durch die lange Gänge, versteckte sich hinter den weißen Marmorsäulen und hielt Ausschau nach Feinden. Es waren keine Wächter weit und breit zu sehen. Eigentlich sollte es ihn nachdenklich stimmen, doch es interessierte ihn nicht. Er war schon fast wie besessen. Immer wieder drehte er seinen Kopf um oder spähte durch die Schiebetüren, die von dem Gang abzweigten.

Es war mucksmäuschenstill und man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Eigentlich war alles seltsam an diesem Abend, doch den jungen Axel interessierte es nicht. Wie in Trance ging er durch den unendlich erscheinenden Gang, der sich in der Dunkelheit verlor. Die vorsichtigen Schritte von dem Jungen verursachten kein einziges Geräusch. Die Luft war so dick und abgestanden in dem heiligen Raum, wo Shinsara aufbewahrt wurde, dass man hätte reinbeißen können.

Ein prachtvoller Altar befand sich in der Mitte des großen Raumes. Er war mit Gold und Edelsteinen verzogen und die Ursprungsgöttin zierten die Flügel. Ihr feingliedriger Körper im schneeweißen Gewand stand auf einer grünen Wiese und sie blickten gedankenverloren zum Himmel hinauf.

In der Mitte des Altars, auf einem Ständer, ruhte die heilige Waffe in ihrer goldenen Scheide. Das schwache Licht der Fackeln war komplett auf dieses Schwert gerichtet, so dass es auf eine besondere Art und Weise leuchtete. Axel blieb andächtig stehen, hörte aber nicht auf zu lauschen. Es ging so eine imposante Aura von der Waffe aus, dass der 10-Jährige eine Gänsehaut bekam.

Fast hätte er vergessen, wieso er hier war und als es ihm wieder einfiel, hatte er ein schlechtes Gewissen, diese Waffe zu stehlen. Sie war doch der größte Schatz des Dorfes, doch dann zuckte er mit den Achseln. Immerhin würde er damit nur beweisen, dass er sowohl gut kämpfen als auch infiltrieren konnte und danach würde er sie zurückgeben und alles wäre wieder in Ordnung. Dass er gerade damit Hochverrat beging, war ihm gar nicht bewusst. Er war damals einfach zu naiv gewesen, schließlich war er gerade mal 10 und total verzweifelt.

Vorsichtig stahl er sich zu Shinsara und hielt dabei nach Fallen Ausschau. ~
 

Im Nachhinein würde Axel nun sagen, dass es viel zu einfach gewesen war, aber damals war es ihm egal gewesen.

Was dem rothaarigen Jungen aber am merkwürdigsten vorkam war, dass er es so einfach gemacht hatte. Normalerweise hielt er sich streng an Regeln und hasste es sie zu brechen, das war schon immer so gewesen und würde auch immer so sein. Wieso also hatte er es getan? Nun erschien es Axel so, als wäre er damals in Trance gewesen- fast schon hypnotisiert und die Hoffnung, doch noch die Ehre der Familie zu bewahren war zu groß gewesen, doch dann geschah dass, was er selbst damals nicht für möglich gehalten hatte.
 

~Axel hatte das Schwert dem Mann gegeben und lief nun glücklich nach Hause. Er war stolz auf sich und nun, nun würde er doch die Familienehre wahren. Sein Vater würde sicher stolz auf ihn sein. Er schmunzelte erfreut und lief so schnell er konnte in Richtung Süden. Das weiße Licht seiner Energiekugel flackerte im frischen Nachtwind, doch es reichte Axel um genau zu sehen, wo er hinrannte. Seine Füße tappten leise durch die Stille der Nacht. Seine schwarze Robe flatterte im Wind und eben jener fuhr spielerisch durch das feuerrote Haar. Der Junge war so glücklich, dass sein Herz im freudigen Takt schlug.

Plötzlich kam ein glühend heißer Wind von hinten und ließ Axel stocken. Der Junge blieb abrupt stehen und betrachtete verwirrt den gelben, gleißenden Schein, der sich nun durch die Dunkelheit der Nacht fraß. Es wurde plötzlich heiß und es knisterte und knarrte überall. Ein Zischen und ein dumpfer Rums ließen Axel herumfahren. Seine Augen wurden groß und er wich entsetzt zurück. Eine riesige Flammenwand erstreckte sich zum Himmel und erhellte den Nachthimmel in feurigen Schein.

Das Kolosseum stand im Flammen. Das, wo gerade die Zeremonie von Karirs Einführung stattfand. Axel keuchte heftig. Nein...Nein. NEIN! Angst durchflutete den Jungen. Sein Körper begann zu zittern. Tränen sammelten sich in seinen Augen und schimmerten gelb im Schein des Feuers.

„Karir!“, schrie er und Tränen flogen aus seinen Augen. Ohne weiter darüber nachzudenken rannte er dem Feuer entgegen. Er ignorierte die Hitze und das Feuer, was immer näher und größer wurde. Er wich dem brennenden, herunterfallenden Gebälk aus und rannte so schnell er konnte die Straße entlang. Er hörte Schreie aus dem Kolosseum kommen. Sein Herz hämmerte in seinem Kopf und er feuerte sich an immer schneller zu laufen. Das schwarze Gewand mit den gelben, tanzenden Schatten spielte um seine Beine und sein treues Schwert Horan klapperte in seiner Scheide. Es spürte die Gefahr, die vor ihnen lag, doch Axel war zu verzweifelt sie wahrzunehmen. Die Sorge um seinen kleinen Bruder war viel zu groß, als dass er hätte nachdenken können. Tränen spritzten aus seinen Augen und verschleierten seine Sicht. Was war geschehen? Wieso brannte alles? Wo waren die Wachen?

Axel schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Die Hitze wurde immer größer und war nun fast unerträglich. Alles verschwamm vor seinen Augen und der Junge musste sich schwer konzentrieren um überhaupt noch in der Lage zu sein zu laufen. Überall hing der beißende Gestank von Schwefel und verbrannten Holz in der Luft und ermüdete seine Sinne. Axel schüttelte benommen den Kopf und versuchte sich seinen Weg durch den dichten Rauch zu bahnen.

Doch auf halber Strecke musste er anhalten. Drei Balken waren von den Dächern gefallen und versperrten nun Axel durch eine lodernde Feuerwand dem Weg. Zu diesem Zeitpunkt sah er es das erste Mal: Das Ungeheuer, welches sein Leben für immer verändern würde.

Die Wand erstreckte sich nun bereits über sechs Meter in die Höhe und der Heißluft nahm an Stärke beängstigend zu. Die heiße Luft floss nun immer schneller und Axel musste seine Augen schützen. Zwischen dem Spalt seiner Arme konnte er einen verschwommenen Schatten sehen. Ein riesiges Monster mit drei Köpfen richtete sich auf und brüllte so laut, dass der Erdboden erzitterte. Er war so tief und bedrohlich, dass es Axel so vorkam, als wäre er nicht von dieser Welt. Das Monster stellte die Vorderpfote auf die Rundung der Tribüne und der Stein gab dem Gewicht nach. Axels Körper und Augen zitterten vor Angst. Was...was war das für ein Monstrum? Wo...wo kam es her? Und was wollte es? Keiner der Bewohner hatte irgendwem Unheil angetan.

Axel holte tief Luft und wandte sich nach Rechts um- in eine schmale Gasse, die noch nicht ganz von Feuer eingeschlossen war. Ein Falke stieß aus den blutroten Himmel zu Axel herab und bremste seinen Sturzflug neben seinem Kopf. Die Flügel schlugen gegen den Boden und entfachten einen kleinen Wirbelsturm.

„Sheyer, heiliger Falke...was geht hier vor? Wo kommt dieses Monster her?“, rief Axel dem Falken so und sprang galant zur Seite, als ein Balken herabstürzte. Der Falke schraubte sich unter dem knisternden Balken hindurch und seine gelben Augen durchdrangen die Nacht.

„Es ist deine Schuld, Axel. Wie bist du bloß auf die Idee gekommen Shinsara zu stehlen?“ Die scharfe Stimme des Falken ließ den Jungen zucken. Bestürzt wandte er den Kopf ab. Er verkrallte seine Hand in dem schwarzen Stoff seines Umhanges. Er...er war schuld? Sein hals wurde ganz trocken und das Atmen fiel ihm immer schwerer.

„Wo ist Karir?“

„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist er bereits verbrannt, wie alle anderen. Das Feuer ist zu heiß, das haltet ihr nicht aus- auch du nicht, Axel.“ ~
 

Wenn der Junge jetzt so darüber nachdachte, kam ihm die Formulierung doch äußerst seltsam vor. „auch du nicht, Axel...“ Das hatte Sheyer damals gesagt. Ob er schon damals ahnte, was seine Aufgabe seien werden würde? Was für Kräfte verbargen sich noch in ihm? Das Feuer war heiß gewesen- zu heiß für alle Menschen- und dennoch hatte es ihm damals nichts ausgemacht. Fast so, als hätte ihn eine Art Barriere umgeben.

Der Gefangene haute mit dem Hinterkopf gegen die Wand vor Zorn. Warum war er damals so blöd gewesen? Wieso hatte er diese Kräfte und die anderen nicht? Wieso lebte er noch und seine Freunde und Familie nicht mehr? Wieso lebte er, mit einer Seele, die voller Neid und Dunkelheit war, noch?
 

~Er rannte weiter und blickte sich verzweifelt um.

„Karir...Karir wo steckst du bloß?! Halte aus, ich bin bald bei dir!“, schrie Axel so laut er konnte, doch die Antwort war nur sein eigenes Echo, ansonsten blieb die Nacht stumm. Immer weiter lief er die Straße entlang und Sheyer wich nicht von seiner Seite. Axel bekam Seitenstiche und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Der Gestank und die Hitze waren kaum noch zum aushalten, doch der rothaarige Junge kämpfte sich weiter. Mit jeden Schritt, den der Junge sich auf das Kolosseum zu bewegte, desto langsamer wurde er. Er hielt sich den linken Arm vor die Augen und kämpfte sich gegen den starken Wind, die Hitze und den Qualm. Der heilige Falke wich nicht von seiner Seite.

Axel war völlig verzweifelt. Es war seine Schuld, das alles war seine Schuld! Das könnte er sich nie wieder vergeben. Tränen brannten in seinen Augen und verdunsteten noch bevor sie sich auf den Weg aus seinen Augen machen konnten. Die Hitze tanzte und brannte über Axels Armen und verglühte sein Gesicht, doch dem Jungen war das völlig egal. Er musste seinen Bruder finden.

Sein Bruder war der Einzige, der ihn wirklich liebte und dem Axel etwas bedeutet hatte. Nicht als Mitglied des Clans, sondern als eigenständiges Individuum. Von seinen Vater hatte der Junge immer nur Intoleranz und Leistungsdruck erfahren und war Axel mal einmal nicht so gut, wie es sein Vater wollte, dann gab es oft harte Strafen.

Axel ließ den Kopf hängen. Was konnte er denn dafür, dass er nicht so gerne kämpfte? Er war nun einmal der Überzeugung, dass es auch andere Wege geben muss, um Uneinigkeiten zu klären. Oftmals fühlte er sich hier missverstanden und einsam...da war sein Bruder der einzige, musste er ihn retten.

„Axel, pass auf! Zur Seite!“, kreischte Sheyer plötzlich. Axel fuhr aus seinen Gedanken und sah einen riesigen Feuerball auf sich zu kommen. Der Junge verharrte ganz starr vor Schreck und blickte mit entsetztem Ausdruck in den Augen der Flammenkugel entgegen. Die Luft flimmerte vor Hitze und das Holz verbog sich in die unmöglichsten Formen. Axel Geist versuchte sich zu bewegen, doch sein Körper war wie gebannt. Egal wie sehr er sich anstrengte, er konnte sich einfach nicht bewegen.

Die flackernde Kugel flog rasend schnell auf ihn zu und Axel konnte das Knistern in ihrem Innern hören. Da spürte er plötzlich, wie er von den Füßen gerissen wurde und in eines der umstehenden Häuser krachte. Es knarrte und das Gewölbe stürzte über ihm ein. Kurz bevor ihn das Holz begrub, konnte er sehen, wie Sheyer in seiner Menschengestalt von der Feuerkugel erfasst wurde und laut schrie. Axel wollte sein Bein strecken und zu ihm rennen, doch sein Bein steckte unter einem Balken fest, fast so, als wollte er verhindern, dass Axel dem Falken half. Er ruckte an seinem Bein und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Der Balken hatte eine tiefe Schlürfwunde in seinem Schienbein hinterlassen. Axel verzog das Gesicht und zischte. Er sah zu Sheyer, doch auf dem Boden lag nur noch ein Haufen Asche.

Der heilige Falke, der Schutzpatron dieses Dorfes, war verbrannt- verbrannt, um ihn zu retten. Axel schrie verzweifelt auf und Tränen rollten aus seinen Augen. Nein, das durfte nicht wahr sein. Wieso...wieso passierte das alles nur, weil er so blöd gewesen war? Was würde noch alles passieren?

Kurze Zeit blieb er so hocken und beobachtete das Feuer, wie es sich immer mehr durch die Feuer fraß. Er konnte eh nicht aufstehen, weil sein Bein noch immer eingeklemmt war und er es nicht schaffte sich zu befreien. Fast schon abwesend blickte er dem Schein des Feuers zu, wie es immer näher kam. Vielleicht wäre es ja gerecht, wenn er dem Flammentod erleben würde, wie seine Freunde auch. Er presste ein verkohlte Stück Holz in seiner Hand. Er saß einfach nur da in den Trümmern, abgeschirmt von einem verbrannten Dach, und beobachtete das Feuer.

Irgendwann riss er sich von seiner Starre los und schaffte es irgendwie sich zu befreien. Sobald er mit dem linken Fuß auftrat durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Er biss die Zähne zusammen und humpelte durch die Straße. Eine rote Spur hinterließ er, als er sich durch die Straßen schleppte.

Der Junge taumelte und alles vor seinen Augen verschwamm. Er konnte nicht mehr gerade laufen und der Schmerz betäubte ihn zusätzlich. Immer wieder krachte er gegen eine Häuserwand.

Nach einiger Zeit wusste er nicht mehr, wie lange er vor sich hin getaumelt war. Es war, als wäre er in einem dunklen Gang gefangen, der ihm keine Fernsicht gewährte. Axel wusste nicht wo er war und beinahe hatte er vergessen, wer er war, wenn nicht eine leise Stimme an sein Ohr gedrungen wäre:

„Axel...? Bist du das Axel?“ Axel blieb stehen und zuckte. Das war Karirs Stimme. Hatte er endlich seinen kleinen, heiß geliebten Bruder gefunden? ~
 

Schmerzhaft verzog der jungendliche Axel das Gesicht. Es war wirklich Karir gewesen, doch dass, was sein kleiner Bruder ihm damals gesagt hatte, würde er nie mehr vergessen. Die Worte hallten immer wieder in seinen Ohren und ließen ihn nicht los. Es waren eben diese Worte, die sein Herz hatten zerreißen lassen und die ihn noch bis heute quälten.

„Wieso hast du uns verraten? Ich habe dich immer bewundert!“ Das hatte er damals gesagt und Axel kamen noch heute die Tränen, dabei war es nun sechs Jahre her. Er war geschockt gewesen und konnte sich nicht mehr rühren. Axel blickte zur Decke hinauf und das Wasser tropfte auf sein Gesicht. Ja...damals, nach dem Feuer...da hatte es auch geregnet.
 

~Entsetzt starrte Axel Karir an und die Tränen brannten in seinen Augen. Er ging auf seinen Bruder zu, doch dieser wich zurück. Sein Gesicht war verschmutzt und das festliche Gewand zerrissen. Überall hatte er Verbrennungen auf der Haut. Die vorher klaren, azurblauen Augen des 6-Jährigen wirkten nun stumm und teilnahmslos, nur Vorwurf und Hass leuchtete in ihnen.

„Karir, bitte glaub mir, ich habe das nicht gewollt.“, versuchte Axel zu beteuern.

„Schweig still, Verräter! Deinetwegen sind wir nun nichts weiter als umherirrende Seele, die ihren Weg nicht ins Jenseits finden. Ich habe dir vertraut und du hast mich umgebracht.“ Karirs Stimme war so schneidend scharf, wie Axel es noch nie erlebt hatte. Der Junge blickte umher. Überall aus den Gassen kamen weitere Familienmitglieder und Dorfbewohner. Axel wich immer weiter zurück, bis er an einer Häuserwand stand. Er blickte zwischen seinen ehemaligen Kollegen hin und her, als wäre er eine Antilope, die von einer Schar Hyänen in die Enge getrieben worden war. Seine Augen flehten um Vergebung, doch die Mienen blieben eiskalt und unbewegt.

Immer wieder wiederholten sie die Worte: „Du hast uns umgebracht! Du Verräter.“ Axel schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht mehr hören. Er bedeckte seine Ohren mit den Händen und sank zu Boden. Er zitterte und der Mageninhalt kam ihm hoch. Axel weinte so viel, wie er noch nie in seinem Leben geweint hatte. Er sah die Seelen nicht an- sah nur zu Boden und flehte, dass sie endlich aufhörten.

Danach brach er zusammen. ~
 

Axel wandte den Kopf um und versuchte in den Gang zu spähen. Er reckte den Kopf und versuchte etwas zu sehen. Schritte hallten durch den Gang.

„Dieses Mal ist so weit.“ Axel zuckte zusammen. Es war Dragos Stimme.



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