▷ Please ...
Es war kalt, weswegen Sonoda Umi ihren Schal weiter in ihr Gesicht zog. Ihre Wangen waren rot vor Kälte und fühlten sich an als wären sie eingefroren. Sie konnte es kaum erwarten endlich in der Universität anzukommen. Die Hörsaale waren warm und in der Cafeteria konnte sie sich einen heißen Kaffee, oder einen Kakao kaufen. Einen Kakao, warm und mit einem Sahnehäubchen – das hatte sie früher immer mit ihren beiden Freundinnen Kousaka Honoka und Minami Kotori getrunken. Doch seit sie vor fast zwei Jahren die Oberschule abgeschlossen hatten waren sie kaum noch dazu gekommen sich zu treffen.
Honoka machte eine Ausbildung im Laden ihrer Eltern, den sie in der Zukunft übernehmen sollte und Kotori studierte in Deutschland Kostümdesign. Umi selber studierte japanische Literatur und schaffte es nicht immer regelmäßig bei Honoka vorbei zu schauen und ein Telefonat nach Deutschland war unglaublich teuer – von der Zeitumstellung ganz zu schweigen.
Eine Frauenstimme verkündete das die U-Bahn – mit der Umi jeden Morgen fahren musste – in wenigen Augenblicken an der Tokio Universität halten würde und entschuldigte sich noch einmal für die Unannehmlichkeiten wegen der defekten Heizung. Das eine solche Bahn zu solchen Temperaturen überhaupt noch fahren durfte-
Als die Türen sich öffneten schon sich Umi zusammen mit weiteren Studenten aus der Bahn auf das Gleis und in Richtung Treppen hinauf. Auch hier war es eisig kalt und dennoch ließen sich die jungen Leute davon nicht beeinflussen: Über all konnte man fröhliche Stimmen vernehmen. Sie unterhielten sich fast alle über das anstehende Winterfestival das Akibahara abhalten will. Ähnlich wie das Halloween-Event an dem Umi und ihre Freundinnen damals teilgenommen hat.
So wie damals wurden auch diesmal die Schüler und Studenten des Bezirks aufgerufen um daran teilzunehmen und dieses Fest zu gestalten. Schoolidols, Theatergruppen, Kunstclubs- Alles mögliche wurde angefragt und es gab eine Gruppe die dadurch wieder in alle Munde kam: µ's.
Auch wenn sich die Schoolidols damals aufgelöst hatten, weil sie ohne Ayase Eli, Toudo Nozomi und Yazawa Nico nicht mehr als µ's aktiv sein konnten, war die Beliebtheit der neun Idols nicht im geringsten gesunken. Umi war deswegen auch des öfteren angesprochen worden, ob sie den wirklich die Sonoda Umi von µ's war und war um das ein oder andere Autogramm gebeten worden.
Die neun Mädchen hatten damit gerechnet das ihre Fans enttäuscht sein würden, jedoch waren sie der festen Überzeugung gewesen das neue Idols kommen würden, die die Trauer über µ's' Auflösung verdecken würden, aber ihr Ruf hielt sich. Eisern.
So eisern wie die Kälte die Umi ins Gesicht schlug als sie nach draußen ins Freie trat. Trotz der Kälte und des Wintergefühls war in diesem Dezember noch keine einzige Schneeflocke gefallen. Im letzten Jahr hatte der Schnee schon Berge erschaffen und die U-Bahnen mussten ihre Fahrten einstellen und dieses Jahr war es einfach nur kalt. Vielleicht viel zu kalt-
»Das wäre großartig!«, rief ein Mädchen ganz in Umis nähe. Sie schenkte ihr nur kurz ihre Aufmerksamkeit und wand sich dann wieder nach vorne, damit sie endlich zur warmen Uni gelangen konnte.
»Ja, ich bin mir sicher das sich einige Fans freuen würden!«
»Und ich erst!«
Umi sah noch einmal zu dem Mädchen und erkannte sie und ihre Begleiterin vom Sehen. Sie ging ebenfalls auf die Tokio Universität und war eine der Mädchen die sie um ein Autogramm gebeten hatte. Sonst hatte sie mit ihr nicht sonderlich viel Kontakt gehabt bisher.
»Wenn µ's wirklich auftreten würde, bei unserem Festival, das wäre eine Wahnsinns Sensation!«
Umi musste stehen bleiben und konnte nicht glauben was sie da gehört hatte. Wie kamen die beiden Mädchen darauf das µ's noch einmal auftreten würden? Keiner der Mitglieder ging noch zur Schule und lebten teilweise in anderen Städten, oder wie in Kotoris Fall: in einem anderen Land. Wie kamen sie denn dann auf den Gedanken das µ's auftreten könnte?
Die Studentin blickte zu ihren Kommilitonen und ihre Blicke trafen sich. Die beiden Mädchen sahen Umi direkt an, als wäre das alles geplant gewesen und gingen dann auf das ehemalige Idol zu.
»Guten Morgen Umi-san!«, sagte eines das Mädchen. Sie hatte lange, braune Haare und ihre Begleitung kurzes, zerzaustes, Schwarzes. »Wir haben gerade über µ's gesprochen!«
Das Mädchen mit den kurzem Haar nickte eifrig und fragte: »Wäre es nicht wundervoll wenn µ's auf dem Festival auftreten würde?«
Umi konnte nicht anders als die beiden Mädchen sprachlos anzusehen. Sie war ja noch nicht einmal in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Was sollte sie ihnen also antworten?
»Ihr habt euch zwar aufgelösst-«
»Und seid keine Schoolidols mehr, aber dennoch gehört ihr zu Akibahara«, führte die Langhaarige die Erklärung ihrer Freundin fort und übergab dieser wieder: »Deswegen ist es ein Muss für euch!«
Umi war wahrlich gerührt von den beiden Mädchen und es war schön das die Fans von µ's ihnen noch immer so treu waren, deswegen viel es ihr gleich noch viel schwerer ihren Wunsch zu enttäuschen. Sie seufzte und sah kurz nach oben zu den grauen, schweren Wolken die so aussahen als wären sie vollgepackt mit dicken Schneeflocken, die sie jedoch nicht nicht freigeben wollten.
Sie widmete sich wieder zu den beiden treuen µ's-Fans und lächelte diese entschuldigend an: »Es wäre schon noch einmal mit µ's auf der Bühne stehen zu können, aber das wird leider nicht möglich sein.«
»Was? Warum nicht? Es ist doch nur ein Auftritt! Mehr nicht«, fragte das Mädchen mit dem Jungenhaarschnitt.
»Wir sind alle viel älter geworden und haben ein Studium oder eine Ausbildung begonnen. Manche sind in andere Städte gezogen und Kotori ist sogar nach Deutschland gegangen um dort Kostümdesign zu studieren.«
»Ah … Ja das stimmt«, murmelte das Mädchen mit den langen Haaren. »Das habe ich ganz vergessen. Ich fürchte der Gedanke hat uns einfach so begeistert, dass wir daran gar nicht mehr gedacht haben.«
Umi lächelte und nickte. »Es ist ja nicht schlimm und ich denke die anderen denken genauso wie ich. Wir würden gerne als µ's auf der Bühne stehen und für alle singen, doch leider ist uns das nicht möglich.«
»Aber Kousaka Honoka-san ist doch noch hier!«, warf das Mädchen mit den kurzen Haaren ein. »Ihr trefft euch regelmäßig oder?«
Das ehemalige Idol schüttelte den Kopf. »Nicht immer. Sie muss arbeiten und jetzt zur Weihnachtszeit hat sie sehr viel zu tun, das war schon immer so.«
»Ist da wirklich nichts zu machen?«
»Leider nein«, antwortete Umi.
»Es tut uns Leid das wir dich damit aufgehalten haben Umi-san«, sagte die Brünette.
»Auf wiedersehen Umi-san.«
Umi sah den beiden Mädchen nach wie sie an ihre vorbei in Richtung Uni eilten. Sie wirkten nicht mehr so fröhlich und energisch wie zu vor, sondern schienen über den Ausgang dieser Unterhaltung wirklich traurig zu sein und genau so war es auch bei ihr. Die Auftritte als µ's waren ihr zu Anfang zwar unangenehm und auch etwas peinlich gewesen, jedoch hatten sie immer Spaß gemacht. Der Zusammenhalt der Gruppe war wundervoll und auch wenn sie alle unterschiedlich waren und kaum etwas – außer µ's – gemeinsam hatten, hatte Umi das Gefühl gehabt in jeder eine Freundin gefunden zu haben. Sie waren jedoch eine viel zu große Gruppe um alle beisammen zu halten. Es war ja schon bei dreien schwer, wie man an Honoka, Kotori und Umi erkennen konnte.
Umi seufzte und blickte noch einmal zum Himmel empor. Der Winter erinnerte sie immer wieder aufs Neue an ihren Auftritt beim Love Live als sie das aller erste Mal auf einer Bühne ihr Lied Snow Halation performt hatten. Nur das diesmal kein Schnee lag.
Das Gefühl damals war so unglaublich gewesen, so wie bei jedem ihrer Auftritte und sie hätte es nicht zu träumen gewagt das aus Honokas Idee so etwas großes werden könnte. Nach ihrem Debüt im Schuleigenem Auditorium mit Start:Dash! hatte sie ans Aufgeben gedacht, weil was könnten sie schon schaffen, doch Honoka hatte nicht aufgegeben und sie immer weiter gebracht, bis ans Ziel. Gewinner des Love Live. µ's.
Zusammen hatten sie solch unglaubliche Dinge geschafft warum sollte es dann nicht auch möglich sein alle Mitglieder für das Winterfestival zusammen zu bekommen? Sie musste es zumindest versuchen, selbst wenn nicht alle kommen könnten, zumindest so viele wie möglich. Nico, Hanyao, Rin, Honoka und Nozomi … Ob Maki, Eli und Kotori – besonders Kotori – die Zeit dafür finden könnten wusste sie nicht. Aber bevor Umi nicht die Frage gestellt hatte, konnte sie auch keine Antwort darauf formulieren.
Die dicken, grauen Wolken schienen zu schwer zu sein um sich weiter zu bewegen. Als würden sie sich über all die Menschen lustig machen die sich den ersten Schnee im Winter wünschten, hingen sie oben am Himmel und verhinderten das die Sonne ihr Licht zu ihnen schicken konnte. »Es wäre wundervoll, wenn es zum Fest auch schneien würde«, murmelte Umi und seufzte. Sie atmete einmal kurz ein und wieder aus ehe sie leise zu singen begann:
»Oh the weather outside is frightful But the fire is so delightful And since we've no place to go Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!
»It doesn't show signs of stopping And I've bought some corn for popping The lights are turned way down low Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!«
»When we finally kiss good night How I'll hate going out in the storm! But if you'll really hold me tight All the way home I'll be warm«
»The fire is slowly dying And, my dear, we're still goodbying But as long as you love me so Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!«
Applaus erklang und riss Umi aus ihren Gedanken. Nervös und peinlich berührt sah sie sich um. »Ah, nicht doch, nicht doch«, sagte sie und versuchte die Leute die um sie herum standen mit Hilfe von Gesten zu beruhigen, doch es brachte nichts. Es dauerte bis das Klatschen aufhörte und das Geraune anschließend los ging.
»Du bist Sonoda Umi-san von µ's!«, rief ein Mädchen mit piepsiger Stimme. Grundschülerin, so vermutete Umi.
»Ähm ja … Aber das war kein Auftritt, ich habe nur für mich gesungen.«
»Es war wunderschön!«, rief ein anderes Mädchen.
»Wirst du beim Winterfestival singen Umi-san?«, fragte jemand, den Umi nicht ausfindig machen konnte.
»N-nein … Ich denke nicht … Ich weiß es nicht«, gab sie zu und zuckte zusammen. Etwas kaltes war auf ihrer Nasenspitze gelandet und verwundert sah sie hoch zum Himmel. Dicke, weiße Schneeflocken segelten zum Himmel hinab als hätte Umi mit ihrem Lied das Startsignal gegeben. »Schnee«, murmelte sie. »Es schneit!«
Die Aufmerksamkeit die ihr geschenkt worden war wurde nun auf den Schnee gelenkt der mit jedem Augenblick immer mehr wurde.
»Es schneit tatsächlich«, sagte Umi und hob ihre Hände an um die Flocken in ihren Handflächen einzufangen. Ein unmögliches Unterfangen, denn die Flocken schmolzen sobald sie ihre Haut berührten. Es war nur ein Gefühl, doch es schien als würde der Schnee sie auffordern ihre Idee, ihren Plan umzusetzen. Es musste doch möglich sein das µ's noch einmal zusammenfinden konnte.
»Ich werde sie fragen«, murmelte Umi und kaum einer schenkte ihr Beachtung. »Ich bin mir sicher sie fühlen genauso wie ich.«
