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Narben der Liebe

Tintenherz
von

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Prolog

Für Sandra, die beste Freundin aller Zeiten und meine ständige Inspiration.
 

Erstes Buch: Der Feuertänzer
 

Staubfinger wusste, dass er sterben würde.

Er wusste es von dem Augenblick an, an dem er Basta vor sich auf dem Weg sah, Basta, mit dem Messer in seiner Hand, und dem üblichen weißen Hemd, noch bevor er Bastas Gesichtsausdruck sah – nicht, dass Bastas Gesicht je etwas gutes verhieß, jedenfalls nicht für Spielleute.

Er musste nicht erst das Rascheln hinter sich im Gebüsch hören, um zu wissen, dass ihm der Rückweg nun ebenso abgeschnitten war wie Basta den Waldpfad vor ihm versperrte.

Es war ein Fehler gewesen, allein nach Ombra zurückkehren zu wollen, nach dem, was gestern auf dem Marktplatz gewesen war, ein Fehler, nicht auf den Schwarzen Prinzen und den Rest der Spielleute zu warten, ein Fehler, heute früh allein zu Roxanes Hof zu gehen.

Ein Fehler, für den er nun mit dem Leben bezahlen würde.

„Na, Feuerfresser?“

Basta sprach leise – er fürchtete wohl, dass noch mehr Spielleute in der Nähe waren, die Staubfinger zu Hilfe eilen konnten. Er wusste ja nicht, dass ihr Lager noch gut zwei Meilen entfernt war.

Zwei Meilen nur…

Zwei Meilen, im Wald, mit ein paar wütenden Feuerfingern auf den Fersen, war eine lange Strecke.

Nein, es würde keine Hilfe kommen.

Staubfinger war allein.

„Ich nehme an, du kommst gerade vom Hof deiner Freundin.“

Unwillkürlich machte Staubfinger einen Schritt zurück, als Basta auf ihn zukam, und stieß gegen einen der Feuerfinger hinter sich.

Gwin auf seiner Schulter fauchte leise und drohend.

Ohne große Mühe packte einer der Feuerfinger – war es Cockerell? Die Namen von Capricorns Männern konnte er sich ohnehin nicht alle merken – den keckernden Marder am Nackenfell.

Gwin fauchte und zappelte; mit einem Aufschrei ließ der Mann ihn fallen – auf seiner Hand zeigte sich eine blutig-rote Bissspur.

Unwillkürlich musste Staubfinger grinsen.

Ein Faustschlag traf seine Wange, so heftig, dass er stürzte, und dass für einen Augenblick Sterne vor seinen Augen tanzten. Er schmeckte Blut, konnte jedoch, als er behutsam mit der Zungenspitze nachprüfte, keine lockeren Zähne feststellen.

Basta packte ihn unsanft am Kragen und stellte ihn wieder auf die Beine, seine Spießgesellen hielten die Arme des Feuerspuckers fest.

Noch immer tanzten Sterne vor seinen Augen, als Bastas Faust ihn in den Magen traf und ihm erneut die Luft aus den Lungen trieb.

Einer der beiden Feuerfinger packte Staubfingers Haar, riss ihm den Kopf ins Genick und hielt ihn fest.

Staubfinger hielt den Atem an.

Hatte man wohl noch Zeit, die Klinge zu spüren, bevor der Tod eintrat?

Natürlich hatte man das; Basta verstand sich darauf, den Tod eines Mannes hinauszuzögern, wenn er es wollte.

Roxane…

Sie würde ihn verfluchen – eine Frau hatte ohnehin nicht viel zu melden, aber eine schwangere verwitwete Spielfrau war vogelfrei, oder schlimmeres.

Erneut schien die Angst ihm die Kehle zuzuschnüren – nicht nur um sich selbst, auch um Roxane…

Wieder ein Schlag ins Gesicht; mit einem hässlichen Knacken spürte er, wie seine Nase nachgab.

Warmes Blut lief über sein Gesicht, er spürte es auf seinen Lippen; es hinterließ einen seltsam-salzigen, vertrauten Nachgeschmack.

„Wir werden ihr einen kleinen Besuch abstatten, wenn wir hier fertig sind, Feuerfresser. Sie wird es bitter bereuen, dass sie mich zurückgewiesen hat, das kannst du sicherlich vorstellen, oder?“

Nicht antworten, Staubfinger., befahl er sich selbst, Nicht antworten, das macht ihn nur wütend…

Leider war es schwer, gelassen zu bleiben, während man fast skalpiert wurde und einem das eigene Blut über das Gesicht lief und aufs Hemd tropfte.

„Vielleicht sollten wir ihn mitnehmen? Ich würde zu gern sein Gesicht sehen, wenn seine geliebte Hure um sein jämmerliches Leben bettelt.“

Unwillkürlich spannten sich die Muskeln an seinen Oberarmen – nichts, was man tun sollte, wenn einem gerade die Arme auf den Rücken gedreht wurden – und Staubfinger stöhnte auf, als es ihm fast die Schultern aus den Gelenken riss, als Cockerell härter zugriff, um ihn festzuhalten.

„Mach ihn fertig, Basta, und dann lass uns von hier verschwinden. Ich hab‘ keine Lust, dem Schwarzen Prinzen und seinem Bären über den Weg zu laufen, und das verdammte Mardervieh hat sich auch schon in die Büsche geschlagen.“, erklang die Stimme eines der beiden Männer neben seinem Ohr.

Gwin.

Tapferer, schlauer Gwin.

Er würde sicher allein zum Lager finden, und wenn er dort ohne Staubfinger auftauchte, würde der Schwarze Prinz wohl begreifen, dass es Probleme gab.

Was nichts daran änderte, dass er dann zwei Meilen im Wald überbrücken musste, und in der Zeit hatte Basta ihm, Staubfinger, wohl schon die Kehle durchgeschnitten.

Andererseits, wenn es ihm gelang, Basta in ein Gespräch zu verwickeln…

„Und wie genau… stellst du dir deine Rache vor, hm? Glaubst du, du kommst ungeschehen davon, wenn du zwei Spielleute umbringst? Der Schwarze Prinz wird-“

„Halt deine vorlaute Zunge im Zaum, sonst schneide ich sie dir heraus.“, zischte Basta und legte ihm die flache Seite der Klinge unters Kinn, „Mal sehen, wie du dann mit dem Feuer sprichst!“

Nicht darauf hören, weiterreden.

Zeit schinden.

„Wer weiß, vielleicht beleidigst du das Feuer ja, wenn du mich tötest. Vielleicht bringt es Unglück. Du hast kein Amulett, das dich vor dem Feuer schützt, oder?“

Beim Ausdruck in Bastas Augen wurde ihm angst und bange.

Zwei Meilen, Staubfinger, zwei Meilen…

„Hast du schon vergessen, wie sich Flammen auf der Haut anfühlen? Ich könnte es dir nochmal zeigen, nur zur Erinnerung-“

Der wahnsinnige Hass in Bastas Augen wich einem süffisanten Lächeln; ein Ausdruck, der Staubfinger überhaupt nicht gefiel.

„Wie willst du das Feuer herbeirufen, wenn du deine Finger dazu nicht benutzen kannst?“

Für einen Augenblick nahm die Angst ihm den Atem.

Basta war durchaus im Stande dazu, ihn zum Krüppel zu schlagen oder zu verstümmeln, und ein Spielmann, der seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, war meistens nicht einmal mehr seinen Kameraden etwas wert.

Erst letzten Winter hatte ein Jongleur, der früher einmal mit ihnen durch die Lande gezogen war, sich in einem Schneesturm verirrt, und binnen einer Woche waren seine Fingerkuppen schwarz geworden und abgefallen. Nun musste der Ärmste sich sein Essen im Ombra erbetteln, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er verhungern würde.

„Ich sehe, es hat dir die Sprache verschlagen, Feuerfresser.“, stellte Basta erfreut fest.

Er wandte sich an Cockerell und den anderen, dessen Gesicht Staubfinger noch immer nicht gesehen hatte.

„Brecht ihm die Finger.“

„Nein!“ In Staubfingers Stimme schwang blanke Panik mit. „Nein, bitte-“

Es raschelte und knackte im Gebüsch neben ihnen und ein weiterer von Bastas Spießgesellen tauchte neben ihnen auf.

„Wir haben keine Zeit, Basta, der verfluchte Marder ist zum Lager zurückgelaufen, und die sind jetzt auf der Suche nach Staubfinger. Was immer du mit ihm vorhast, beeil dich, denn mit dem Schwarzen Prinzen und seinem Bären leg‘ ich mich nicht an!“

Basta knurrte unwillig und wandte sich wieder Staubfinger zu.

„Also gut, das muss warten. Aber ich bin nicht hierher gekommen, um nun unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, dessen kannst du dir sicher sein, Feuerfresser. Halt ihn gut fest.“, sagte er in Cockerells Richtung, „Dass er mir nicht verschwindet, klar?“

Staubfinger schluckte.

Er hörte, wie die Klinge von Bastas Messer aus dem Futteraal glitt – sie hörte sich sehr lang an.

Roxane…

„Wir werden sehen, wie sehr dich die kleine Schlampe wirklich liebt.“, zischte Basta.

Sein Pfefferminzatem strich Staubfinger über das Gesicht, unwillkürlich versuchte er, den Kopf beiseite zu drehen.

Es misslang.

Basta war flink mit dem Messer, sicherlich, aber im Augenblick brauchte er sich nicht zu beeilen.

Er hatte alle Zeit der Welt.

Man sagt, dass der menschliche Körper bei schweren Verletzungen Adrenalin ausschüttet, sodass dem Verletzten hinterher die Szenerie nur noch schemenhaft, wenn überhaupt, bewusst ist.

Tatsache war, dass dieser Augenblick Staubfinger noch Jahre später in unzähligen Alpträumen heimsuchte, vollkommen detailliert und schonungslos.

Nacht für Nacht fuhr er schreiend aus dem Schlaf, weil er die Klinge von Bastas Messer im Gesicht spürte.

Er roch seinen Pfefferminzatem, spürte Cockerells Griff schmerzhaft an seinen Schultern, hörte das Lachen der beiden anderen Feuerfinger und seine eigenen Schreie, wie die Klinge Haut und Fleisch zerteilte.

Er verlor nicht das Bewusstsein, so sehr er sich auch danach sehnte, nein.

Erst, als Cockerells Griff sich lockerte, Basta die blutige Klinge seines Messers achtlos an Staubfingers Hemd abwischte und sich dann hastig mit den Feuerfingern davon machte, als er die Rufe der Spielleute, die sich auf die Suche nach ihm gemacht hatten, bereits hören konnte, als er wimmernd und zusammengekauert auf dem Waldboden lag, die Hände auf das Gesicht gepresst, wurde ihm endlich schwarz vor Augen.



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