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Narben der Liebe

Tintenherz
von

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Begehrt

Das einzige, was Staubfinger wahrnahm, waren die Flammen.

Sie wirbelten um seine Hände, umschmeichelten seinen Oberkörper, ohne ihn jedoch zu verbrennen, und entlockten seinem Publikum, das aus allen Alters- und Berufsklassen stammte und sich vor der kleinen Plattform, auf der er stand, drängte, begeisterte „Aah“s und „Ooh“s.

Staubfinger grinste, wisperte ein paar letzte Worte und brachte die Flammen zum Erlöschen.

Er verbeugte sich und warf einer Kaufmannstochter von etwa vierzehn Jahren, die in einer der vordersten Reihen stand und ihn fasziniert anstarrte, eine Kusshand zu, während von allen Seiten Münzen in den Korb fielen, den er an der Seite aufgestellt hatte.

Suchend glitt sein Blick über den Marktplatz, und schließlich entdeckte er den Schwarzen Prinzen nur wenige Meter entfernt, neben sich den Bären, und bei ihnen…

Er streifte sich sein Hemd über und machte sich auf den Weg durch die Menge zu Roxane, nachdem er das Geld aus dem Korb sicher in einem Beutel hatte verschwinden lassen, den er wie üblich unter seinem Hemd trug, doch noch bevor er sie erreicht hatte, trat ihm jemand in den Weg.

Ein Eisklumpen senkte sich in Staubfingers Magen hinab, als habe ihn eine Faust getroffen, als er Basta erkannte.

Basta, Capricorns treuester Diener, unter dessen Führung schon diverse Dörfer wie dieses hier in Flammen aufgegangen waren.

Basta, der sich soeben mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das Staubfinger ganz und gar nicht gefiel, an Roxane wandte.

„Sieh an, es gibt also auch hübsche Spielfrauen. Ach nein, du bist ja diese Bäuerin, dir gehört der Hof südöstlich von Ombra, richtig?“

„Ja.“

Roxanes Stimme klang ruhig und kühl, doch gänzlich ließ sich die Angst nicht aus ihren Augen verbannen.

Staubfinger sah, wie ihr Blick nervös über die Gesichter der Menschen um sie herum wanderte.

Schließlich entdeckte sie ihn und wirkte gleich ein wenig entspannter.

„Hab‘ davon gehört… he, so ein Bauernhof ist ’ne verdammt riskante Sache, wenn da mal ein Feuer ausbricht…“

Roxanes Augen wurden schmal, doch sie sagte nichts.

Staubfinger biss die Zähne zusammen.

„Was hältst du davon, stattdessen in Capricorns Unterschlupf zu wohnen? Capricorn kann dich vor Brandstiftern beschützen, weißt du, und außerdem ist da alles aus solidem Stein, so leicht bricht da kein Feuer aus, und die Verpflegung ist auch nicht die schlechteste… he, stell dir das mal vor, wir beide, allein im Wald…“

„Nein, danke.“

Roxane verzog das Gesicht.

Basta knurrte leise.

„Ah, du bist dir wohl zu fein für uns? Oder glaubst du, du brauchst keinen Schutz, weil du schon einen Beschützer hast?“

Unwillkürlich flackerte Roxanes Blick zu Staubfinger hinüber.

Basta folgte ihrem Blick und grinste.

„Ah, der Feuerfresser? Natürlich, er kennt sich schließlich mit sowas aus.“

Der verachtende Blick, mit dem Basta ihn maß, ließ Staubfinger einen Schauder über den Rücken laufen, doch er trat neben Roxane, nahm ihre Hand und drückte diese leicht.

„Ich schätze, du solltest jetzt verschwinden.“, sagte der Schwarze Prinz von der Seite, „Capricorns Männer sind in diesem Teil des Landes nicht gern gesehen, weißt du?“

Basta setzte zu einer Bemerkung an, die vermutlich mehrere Beleidigungen und diverse Gewaltfantasien beinhaltete, verkniff sie sich jedoch, als der Bär sich drohend hinter dem Schwarzen Prinzen aufrichtete und ein leises Grollen von sich gab.

„Wir sehen uns.“, sagte Basta mit einem Unterton, der Staubfinger ganz und gar nicht gefiel, „Wir sehen uns, Feuerfresser, keine Sorge.“
 

Feuer.

Feuer, das in ihm brannte.

Es war nicht wie das Feuer, mit dem er auftrat, nein.

Dieses Feuer verschlang ihn.

Es zog sich durch seinen Körper, loderte in jeder Faser.

Es fraß ihn auf.

Es leckte an seinem Oberkörper, seinem Gesicht.

Er würde sterben.

Staubfinger sehnte sich den Tod herbei.

Bitte, macht, dass es aufhört, schickt mir die Weißen Frauen, bitte…

„Staubfinger.“, wisperte eine Stimme, „Staubfinger, um Gottes Willen…“

Das waren nicht die Weißen Frauen.

Er kannte diese Stimme, und er kannte auch die Hand, die ihm sanft und liebevoll das blutverklebte Haar aus der Stirn strich.

Angenehme Kühle blieb zurück – und der Schmerz.

Mit einem erstickten Aufstöhnen versuchte er, den Kopf beiseite zu drehen.

Es gelang ihm nicht, stattdessen riss die plötzliche Bewegung die kaum verheilten Wunden auf seinem Gesicht wieder auf.

Er war sich nicht ganz sicher, ob er geschrien hatte, aber der sanfte Druck auf seine Hand verstärkte sich.

„Pscht.“, wisperte Roxane, „Ist ja gut, Staubfinger. Ich bin hier.“

Sie hielt seine Hand fest, ganz fest, als fürchtete sie, ihn zu verlieren, wenn sie ihn losließ.

„Wer hat dir das angetan, Staubfinger? War es Basta?“

„Natürlich.“

Der Schwarze Prinz nahm neben Roxane Platz und warf einen besorgten Blick auf Staubfinger, der wieder reglos dalag.

„Scheint so, als wären wir gerade noch rechtzeitig gekommen.“, murmelte er.

„Ich weiß es nicht.“

Roxane biss sich auf die Lippen.

„Ich… er hat hohes Fieber, Prinz. Ich weiß nicht, ob er das überlebt, w-wenn er keinen Bader bekommt….“

„Kein Bader in Ombra wird ihn behandeln, und die wenigstens Dörfer haben ihren eigenen Bader… und wenn wir in der Natternburg nach einem Arzt suchen, sind wir gehängt, bevor wir überhaupt einen gefunden haben. Was ist mit der Nessel?“

„Sie hat mir bereits recht klar zu verstehen gegeben, dass sie sich nicht um die Spielleute schert, und dass sie nicht allzu viel von uns hält.“

Roxane seufzte tief.

„Es gibt einen Bader in der Nähe der Natternburg. Man sagt, er schickt niemanden fort, ob Spielmann oder nicht, und er verlangt nicht allzu viel Geld.“

Etwas weiches rollte sich neben Staubfinger zusammen, er spürte Gwins buschigen Schwanz an seiner Hand.

„Gwin vermisst seinen Herrn, hm?“

Der Schwarze Prinz grinste leicht und kraulte das Nackenfell des Marders.

„Da ist er nicht der einzige.“, murmelte Roxane.

Der Prinz sah zu ihr.

„Ihr solltet nicht hier bleiben. Falls Basta vorhatte ihn umzubringen – was ich nicht bezweifle – kommt er höchstwahrscheinlich her, um sein Werk zu vollenden und seine Drohung wahrzumachen. Ich kann euch schlecht eine Truppe Spielmänner zum Schutz dalassen.“

Roxane, die Staubfingers Hand noch immer fest umklammerte, berührte behutsam die Schläfe des Feuerspuckers mit den Fingerspitzen.

„Ich kann meinen Hof nicht verlassen.“, sagte sie leise, „Basta würde ihn niederbrennen. Der Hof ist alles, was ich habe, Prinz.“

Der Schwarze Prinz seufzte leise.

„Nun gut, ich werde sehen, wie weit wir unsere Abreise noch hinauszögern können, aber viel Zeit bleibt uns nicht. Denkst du, du kannst dich allein um Staubfinger kümmern, vielleicht mit der Hilfe von ein paar der anderen Frauen?“

„Ich weiß es nicht.“ Roxane schloss für einen Augenblick die Augen und atmete tief durch. „Ich weiß es wirklich nicht, Prinz.“



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