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So Eden Sank To Grief

OneShots - 1o. [NaLu]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr könnt nicht glauben, wie froh ich gerade bin, dass ich diese FF nicht am Stück editieren musste. X__X

So, letztes Jahr im Oktober angefangen hab ich gedacht, ich könnte das schnell runterschreiben und dann noch schön im Dezember beenden. Damals wusste ich auch noch nicht, wie lang der Blödsinn hier wird. >.< Wer lieber in kleineren Happen genießt, kann auch gerne hier vorbeischauen, wo es auf 8 + 2 Kapitel heruntergebrochen ist.
Epilog und Prolog (wenn man das so nennen möchte) sind (laut Word) beide 666 Wörter lang. :D Ich hab mich echt angestrengt, das so hinzukriegen. ^^" Beim Rest variiert es, teilweise ziemlich stark.

Das Ganze spielt in einem Modern Times!AU-'Verse, das an unserer Welt angelehnt ist (auch wenn ich Magnolia & Fiore als Setting nehme), aber Magie existiert im Verborgenen und so. Ich werde während der Story noch genauer darauf eingehen, aber ich wollte euch jetzt nicht ganz ungewarnt ins kalte Wasser schmeißen.
Ich bin eigentlich ziemlich zufrieden mit der Fic, ihrem Verlauf und den auftauchenden Charakteren. Selbst Natsu hab ich ganz gut hingekriegt, wenn ich das so sagen darf. :) Die Namen, die ich für die Models verwende, stammen übrigens alle aus dem FairyTail-Wiki.

Die FF enthält einen indirekten Charakterspoiler für die Alvarez-Arc.
Außerdem spreche ich eine Warnung für Gewalt, Minor Characterdeath, ein paar Horrorelemente und ein paar andere Dinge, die mir jetzt nicht einfallen. ^^"

Enjoy. Komplett anzeigen

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Black Magic: The Gaze Of The Abyss

BLACK MAGIC
 

0. Abyss
 

Früher habe ich mich gefragt, ob es etwas gibt, das über das offen Sichtbare, das Fassbare, das Normale hinausgeht. Wer tut das nicht? Jeder kennt sie, möchte ich meinen, diese Momente, in denen man einfach weiß, dass das, was direkt vor einem liegt, nicht alles ist. Dass da noch etwas Anderes existiert, etwas hinter unserer Realität, die sich logisch erklären lässt – das Ungreifbare, das Mystische, das Rätselhafte.
 

Es äußert sich in diesem unbehaglichen Gefühl, in diesem Loch, das in unserem Leben besteht, das wir wahrnehmen und doch nicht füllen können, ein wahrer Abgrund, der sich auftut und uns schwindeln macht. Und es ist immer da, selbst wenn wir versuchen, es zu ignorieren und zu vergessen.
 

Aber wie kommt es, dass nur so Wenige diese Wahrheit akzeptieren? Kann es nur daran liegen, dass sie auch das Verborgene ist, das Geheimnisvolle, versteckt hinter Märchen und Lügen und absichtlicher Verschleierung?
 

Aber das glaube ich nicht. Es gibt so viele Leute, die es wissen wollen, so viele, die gegen jeden Sinn und Verstand daran glauben, so viele, die es erblicken wollen und sich sogar danach sehnen, um das Loch zu füllen, das in ihnen ist, so viele, die die Wahrheit ahnen und doch absichtlich oder unbewusst die Augen davor verschließen.
 

So viele, die es im Augenwinkel bemerken und nur den Kopf zu drehen bräuchten, um zu erkennen. Aber stattdessen schauen sie in die andere Richtung und tun so, als ob sie nichts bemerkt hätten. Sie leben weiter, als wäre nichts gewesen in ihrer seligen Ignoranz und alles ist gut. Ich weiß das genau – ich war auch einmal so.
 

Es gibt nur wenig Leute, die die Wahrheit schon immer kennen, einer unter Hundert oder vielleicht sogar Tausend. Für sie ist sie einfach da, ein weiterer Aspekt des Lebens. Vielleicht sind sie damit geboren worden oder vielleicht haben sie eines Tages den Kopf in die richtige Richtung gedreht.
 

Oder vielleicht wurden sie gewaltsam darauf gestoßen – schnell und brutal und ohne Erbarmen. So ging es mir. Für mich hieß es, der Wahrheit direkt in die Augen zu blicken oder zu sterben.
 

Ich denke, ich verstehe jetzt, warum so viele Leute es nicht wahrhaben wollen, warum sie lieber mit dem Loch leben, als den Kopf zu drehen. Denn sie ahnen, dass das, was sie erblicken werden, etwas Schreckliches ist. Etwas Magisches, ja, zeitweise sogar Wunderschönes, aber auch etwas Grausames, Erbarmungsloses, Unerbittliches, verstärkt noch durch die reine Menschlichkeit, die wir selbst mitbringen. Es steckt die Leute an mit Boshaftigkeit, bringt das Schlimmste in ihnen hervor und treibt sie in den Wahnsinn.
 

Menschen zerbrechen an dieser Wahrheit der Welt.
 

Es mag stimmen, dass darunter ein weiteres Geheimnis liegt, versteckt, so gut verborgen, dass viele nicht einmal bemerken, dass es da ist. Es ist etwas Reines, etwas Heiliges, aber auch etwas so Flüchtiges, dass wir es nicht festhalten können. Aber die meisten Leute bemerken es gar nicht, wie der zarte Flügelschlag eines Schmetterlings, denn ihr Blick ist starr auf das Andere gerichtet, das Rätselhafte, das so düster und finster wirkt und uns zu verschlingen droht.
 

Dies ist der Grund, warum es so, so viele Menschen gibt, die nicht einmal die erste Wahrheit erkennen wollen: es ist die Angst.
 

Die Angst davor, was die Wahrheit tun könnte, und davor, was wir mit der Wahrheit tun könnten. Die Angst vor dem unirdischen Unbekannten und die Angst vor uns selbst, denn in uns allen sitzt ein Stück des Unfassbaren, verborgen und stumm. Die Angst vor dem, was dort im Schatten auf uns lauert, vor dem Gewaltigen, Unerklärbaren und Mysteriösen, das für uns nicht erklärbar ist, das sich nicht in saubere Boxen, Formeln und Regeln packen lässt.
 

Aber ich denke, vor allem ist es die Angst davor, dass das Rätselhafte unseren Blick erwidern könnte.
 

Dass es uns direkt ansieht, in uns hineinsieht und unsere Seele so grundlegend verändert, dass wir uns nicht wiedererkennen. Nietzsche hat einmal gesagt, dass, wenn man lange genug in den Abgrund schaut, der Abgrund irgendwann zurückblickt.
 

Ich habe hineingesehen und ich kann euch versichern: er hatte Recht.
 


 

1. Death And The Maiden
 

Das Mädchen war noch jung, wunderschön und voller Leben. Eine Wolke kastanienbraunes Haar umgab ihr niedlich-makelloses Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den Grübchen. Die Augen waren groß, umgeben von einem dichten Kranz Wimpern und von einem wundervollen Himmelblau.
 

Sie schaute überlebensgroß von dem auf Leinwand gezogenen Foto herab. Es war kaum mehr als ihr lachend zurückgeworfener Kopf zu sehen, der schlanke Hals, die schmalen Schultern, über die dünnen Träger eines einfachen Tops liefen. Ihr Lächeln war so strahlend, dass es den ganzen Raum zu erhellen schien.
 

Unter ihrem Bild war ein kleiner Tisch aufgebaut worden, auf dem Blumen und Kerzen standen und der über und über mit Karten bedeckt war, teilweise gekauft, doch die meisten wirkten von Fans selbst bemacht. Wir vergessen dich nicht! und In stiller Trauer und Ruhe in Frieden, kleiner Engel, du hast diese Welt viel schöner gemacht. und Wir sehen uns auf der anderen Seite. und was man sonst so alles an Beileidsbekundungen schickte.
 

Rechts und links des großen Bildes hingen zwei weitere Fotos von wunderschönen Frauen, nur wenig älter, was gar nicht aufgefallen wäre, wäre die Brünette nicht so jung, die Lächeln beherrschter, gekonnter. Professioneller. Die junge Nalshe Mikagura war noch nicht lange im Modelbusiness und sie hatte eine Art gehabt, ihre Natürlichkeit zu behalten, die anderen beiden waren langjährige Mitarbeiter der Agentur. Auch unter ihren Bildern standen ähnlich gestaltete Tische.
 

Lucy hatte das Mädchen, vor deren Bild sie stand, nur flüchtig gekannt, da sie nur in einer Handvoll Shootings zusammengearbeitet hatten, doch die herzensgute, lebensfrohe, naive Nalshe war ihr gut in Erinnerung geblieben. Die Nachricht von ihrem Tod hatte Lucy getroffen, mehr noch als der Verlust von DeZille keine drei Wochen vorher oder Rikos, die erst vor acht Tagen in einer morbid-komischen Verkettung von Ereignissen von einem Blumentopf erschlagen worden war.
 

Nervös verstärkte Lucy den Griff an ihrer Clutch und blickte sich unruhig um. Ihr war schon seit ein paar Tagen unwohl zumute, ein Gefühl, das stetig gewachsen war, bis sie es nicht mehr ausgehalten hatte. Jedes Geräusch und jede unerwartete Bewegung ließ sie zusammenzucken und sie träumte wildes Zeug, das sie erschöpft erwachen ließ. Sie hatte heute Morgen einige Zeit darauf verwenden müssen, die dunklen Augenringe wegzuschminken.
 

Aber drei tote Models innerhalb von fünf Wochen? Und dann auch noch durch so außergewöhnliche Umstände – wer wurde denn von Blumentöpfen ins Jenseits befördert?
 

Es ist nur ein Zufall, versuchte sie sich selbst einzureden. Du bist nicht die Nächste. Sie war nur zur Absicherung und Beruhigung hier und es hatte nichts zu bedeuten, dass DeZille und Riko den gleichen Job gehabt hatten wie sie. Gar nichts. Und sowieso gab es keine Flüche oder Geister, die solche Dinge in Gang setzen konnten.
 

Lucy blickte auf, als sich die Tür zum Besprechungsraum öffnete und die drei Personen heraustraten, wegen denen sie hier war. Eine Sekretärin eilte mit einem kurzen Nicken in ihre Richtung davon, aber die zweite Frau in der kleinen Gruppe, Erza Scarlet, hielt überrascht inne. Sie kümmerte sich um die Models und ihre Verteilung und war die Person in der Führungsetage, mit der Lucy am meisten zu tun hatte.
 

„Lucy, was tun Sie denn hier?“, wollte sie erstaunt wissen, wie immer akkurat gekleidet, heute in einem schicken Hosenanzug, und dezent geschminkt, das flammend rote Haar zu einem langen Zopf geflochten. Sie trug außer einem schweren Ring am linken Mittelfinger keinen Schmuck und war schön genug, eines der Models zu sein.
 

„Ich… ähm…“, begann Lucy und kam sich plötzlich albern vor. Niemand war mit Blumentöpfen um sich, um Leute zu töten! Dann dachte sie an ihre höllischen letzten Tage und gab sich einen Ruck. Es half einfach nichts. „Es geht um den Job.“, erklärte sie. „Kann ich ihn noch abgeben?“
 

Erza zog eine Augenbraue hoch. „Aber wieso denn? Das erste Shooting lief hervorragend und Sie haben sich so über den Auftrag gefreut? Das ist eine einmalige Chance für Sie.“
 

„Ja, schon, aber…“, begann Lucy zögerlich. „Es ist so, DeZille hatte ihn auch und Mira hat gesagt, dass Riko ebenfalls…“
 

„Papperlapapp!“, mischte sich einer der beiden Männer ein, die auf ihr Gespräch aufmerksam geworden waren. Es war ein winziger Mann mit braunem Haar und einem mächtigen Schnauzer, Michello Gato. Er trug einen altmodischen, aber sehr schicken Anzug, was ihm einen hochnäsigen Eindruck verlieh, sowie einen Spazierstock, auf den er sich schwer stützte. Ihm gehörte die Modelagentur, für die Lucy arbeitete, CatWalk, und niemand mochte ihn besonders.
 

„Hyberion ist sehr zufrieden mit Ihnen und wir haben bereits zu viel investiert, als dass wir jetzt von neuem anfangen können!“, mokierte er sich und klopfte mit seinem Stock mehrfach nachdrücklich auf dem Boden. „Noch ein viertes Mal können wir das Model nicht wechseln.“
 

Der Mann neben ihm, hochgewachsen und schlank, nickte. Er wirkte legerer als Michello, trug Jeans und einen Hoodie, dessen Kapuze er über die schwarze Haarpracht gezogen hatte. Die Koteletten sowie die dunkle Sonnenbrille, die er selbst im Inneren von Gebäuden trug, waren seine Markenzeichen. Er war Michellos rechte Hand und war für die Kontakte mit den Klienten zuständig, Leiji Kubal. „Hyberion würde vermutlich abspringen. Die anderen Wechsel waren unglückliche Umstände, aber bei Ihnen fällt mir kein anständiger Grund ein, warum sie sich plötzlich umentscheiden sollten.“
 

„Unglückliche Umstände…!“, empörte sich Lucy. „DeZille und Rico sind tot! Das ist etwas mehr als unglückliche Umstände!“
 

„Als was würden Sie es denn sonst bezeichnen?“, erkundigte sich Michello ungehalten. Er schien eher zornig über die Ereignisse zu sein als traurig. „Die Vorfälle haben uns um Wochen zurückgeworfen. Jetzt muss alles wie am Schnürchen klappen, damit wir den Zeitplan noch einhalten können und der Halloweenball ist auch schon ein paar Tagen. Ihre Anwesenheit wird übrigens vorausgesetzt.“
 

Lucy schnappte nach Luft. Hörten die ihr überhaupt zu? „Ich weiß es nicht, aber ich denke nicht, dass es noch ein Zufall ist!“ Und ich will nicht die nächste sein, fügte sie in Gedanken hinzu.
 

Erza legte ihr begütigend die Hand auf den Arm und führte sie etwas zur Seite. „Lucy, ich verstehe, warum Sie beunruhigt sind, aber es besteht wirklich kein Grund zur Sorge. Der Tod von DeZille war ein tragischer Unfall, ebenso Riko und auch Nalshe. Es ist unglücklich und bestürzend, dass sie alle drei so schnell hintereinander gestorben sind, aber gibt nichts, was man hätte tun können. Manchmal geschehen solche Dinge einfach und wir können nur zusehen, danach alles wieder in den Griff bekommen und weitermachen.“
 

Wenigstens bezichtigte sie die arme DeZille nicht, Selbstmord begangen zu haben, wie es kurz nach dem Vorfall durch die Presse gegangen war. Auf der einen Seite hatte Erza ja recht. Es gab keinen Grund für diese Beunruhigung. Aber Lucy wurde das Gefühl nicht los, dass etwas ganz Fürchterliches im Gange war, auch wenn sie es nicht erklären konnte.
 

„Was soll denn sonst geschehen sein?“, mischte Leiji sich ein. „Sind Sie besonders abergläubisch oder so?“
 

„Sagen Sie bloß nicht, dass Sie denken, ein Geist hätte die Mädchen getötet.“, schnaubte Michello abfällig.
 

Lucy runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen. Natürlich würde sie nicht zugeben, an eine solche Möglichkeit gedacht zu haben – sie hatte sich über dieses Thema schon einiges anhören müssen, viele Dank auch für das Vertrauen, Dan! – aber anscheinend spiegelten sich ihre Gedanken auf ihrem Gesicht wieder, denn Michello kicherte gehässig. „Was auch immer Sie glauben, halten Sie den Mund darüber. Wir können nicht noch mehr schlechte Presse gebrauchen. Und nein, Sie können den Job nicht abgeben.“ Damit stapfte er davon und bei jedem Schritt pochte sein Stock auf den blanken Steinboden, bis die Tür des Empfangsraumes hinter ihm ins Schloss fiel.
 

Lucy holte tief Luft und fühlte sich, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Sie wusste ja, dass das alles irrational und kindisch und an den Haaren herbeigezogen war! Aber das hieß nicht, dass ihre Sorgen und Ängste nicht echt waren! Und sie zerrten schon einige Tage an ihren Kräften, so dass sie kurz davor war, einfach dicht zu machen.
 

„Zerbrechen Sie sich nicht Ihr hübsches, kleines Köpfchen darüber.“ Leiji tätschelte ihr gönnerhaft die Schulter. „Wir haben alles unter Kontrolle.“ Damit folgte er Michello nach draußen und Lucy hätte am liebsten geschrien. Nahm denn niemand hier sie ernst?!
 

„Lucy?“ Erzas besorgte Stimme ließ sie zusammenzucken und sie drehte sich um, um in besorgte braune Augen zu blicken. „Wollen Sie sich setzen? Etwas trinken?” Die Rothaarige machte eine Geste zu einem Beistelltisch hinüber, auf dem Flaschen und Gläser standen.
 

Lucy holte tief Luft und schüttete dann den Kopf. „Nein… Danke… Ich will nur…“ Sie zuckte mit den Schultern.
 

Sie wollte diesen Job loswerden, aber anscheinend lag das nicht in ihrer Hand. Sie wollte, dass alles vorbei war, aber tatsächlich stand sie erst am Anfang. Vielleicht hatten die drei Recht und alles war tatsächlich nur ein Zufall und Lucy war einfach nur bescheuert, dass ihre Gedanken überhaupt in diese übernatürliche Richtung gegangen waren. Vielleicht sollte sie sich nach diesem Job eine Auszeit nehmen.
 

„Ich werde nur das Gefühl nicht los, dass irgendwas hier abläuft und ich jetzt eine Zielscheibe auf der Stirn habe.“ Sie lachte freudlos und schaute die andere Frau an, die ihren Blick aufmerksam erwiderte. „Wollen Sie mich jetzt auch noch für verrückt erklären?“
 

Erza lächelte begütigend. „Nein. Ich denke nur, Sie stehen unter einigem Stress. Ich weiß, dieser Job ist anstrengend und das größte, das Sie bis jetzt gemacht haben, aber ich denke Sie sind ihm gewachsen. Ach was, mehr als gewachsen. Und wenn Sie zusätzlich noch private Probleme haben, empfehle ich Ihnen, sich mit jemandem hinzusetzen, dem sie vertrauen, und darüber zu reden, das wirkt Wunder.“
 

Sie sah Lucy forschend an. „Aber wenn Sie so sehr besorgt um Ihre Sicherheit sind, warum besorgen Sie sich keinen Bodyguard? Der kann ein Auge auf Sie und die Umgebung haben. Warten Sie, ich habe hier noch die Nummer einer Sicherheitsfirma, die ich Ihnen sehr empfehlen kann…“ Sie kramte in ihrer Tasche herum und zog ein Visitenkartenblock heraus. „Hier.“
 

Zögernd nahm Lucy das kleine Kärtchen entgegen, schlichter weißer Karton mit einem eingeprägten Logo und schwarzer Schrift.
 

„Diese Leute sind wirklich professionell und Sie können Ihnen vertrauen. Wenn Sie noch etwas brauchen, können Sie mich jederzeit anrufen.“
 

„Danke.“ Tatsächlich fühlte Lucy sich schon jetzt etwas besser und vielleicht würde sie nachher tatsächlich bei dieser Firma anrufen. Es konnte ja nicht schaden, oder? Dann würde sie zumindest ruhiger schlafen.
 

Erza drückte ihr kurz ermutigend die Schulter. „Kommen Sie, ich bringe Sie raus.“
 

In der Lobby verabschiedeten sie sich und Erza steuerte die Treppen an, die ins Parkhaus hinunterführte, während Lucy die großen Glastüren ansteuerte, die auf die Straße führten. CatWalk war in einem der hohen Türme aus Glas und Chrom untergebracht, die neben der altertümlichen Innenstadt eine Art zweites Stadtzentrum bildeten. Hier waren die Gebäude modern und neu, alles blitzte und blinkte im Licht der Herbstsonne, die am strahlendblauen Himmel stand. Auf den Straßen herrschte reger Betrieb, Stimmen, Schritte und der Verkehrslärm vermischten sich zu einer einzigen, vertrauten Kakophonie.
 

Misstrauisch warf Lucy einige Blicke nach oben, als ob sie das vor herabfallenden Gegenständen schützen konnte, und machte sich dann auf den Weg, die Straße hinunter. Wie schon so oft verfluchte sie die hochhackigen Schuhe, die sozusagen zu ihrer Arbeitsuniform gehörten, und spielte kurz mit dem Gedanken, ein Taxi zu rufen. Stattdessen entschied sie, sich zuerst einmal zu überlegen, wohin sie genau wollte.
 

Gleich zu der Sicherheitsfirma? Nach Hause und dann noch einmal über die Sache schlafen? In die Hauptfiliale von Count, einer der größten und teuersten Modemarken in Fiore, für deren neue Herbstkollektion sie als das Gesicht ausgewählt worden war? Sie musste noch das Kleid für die Gala morgen abholen. Auf der anderen Seite konnte sie dafür einfach Virgo schicken, sie hatte gerade so viel um die Ohren…
 

Mit einem Seufzten kramte sie ihr Handy aus der Handtasche. Vielleicht war es ratsam, sich erstmal einen guten Ratschlag zu holen. Aber mit wem sollte sie sprechen? Ihren Eltern? Aber die waren gerade in ihrem wohlverdienten Urlaub und Lucy wollte sie auf keinen Fall stören.
 

Dan? Ihr Freund hatte schon am letzten Tag klargemacht, was er von ihren Anwandlungen hielt. Du bist paranoid, Lucy. Es gibt keine rachsüchtigen Geister, die hinter dir und deinen Kolleginnen her sind! Lass das bloß niemanden hören, sowas könnte deinem Ruf ziemlich schaden. Lucy, bist du verrückt? Was ist nur los mit dir, du bist doch sonst so vernünftig!
 

Sie gestattete sich ein bitteres Lächeln, was hätte sie von Dan auch anders erwarten sollen? Er war schon immer viel zu sehr auf sein Ansehen fixiert gewesen und in der letzten Zeit dachte sie sowieso, dass es zwischen ihnen kriselte. Spätestens wenn das hier vorbei war, würde sie sich hinsetzen und darüber nachdenken, ob sie die Beziehung, die so stürmisch und romanisch begonnen hatte, noch weiterführen konnte und wollte.
 

Wozu sie sich im Moment nicht in der Lage fühlte, war, sich mit ihm auseinanderzusetzen, also scrollte sie in ihrem Telefonbuch an seinem Namen vorbei, bis sie den ihrer besten Freundin fand. Hoffentlich konnte Levy im Moment sprechen! Ihr Studium nahm sie voll und ganz ein, aber ihr Stundenplan war unregelmäßig, so dass Lucy nie wusste, ob sie zu einer günstigen Zeit anrief.
 

Aber sie hatte Glück. Levy nahm schon nach dem zweiten Klingeln ab und meldete sich mit einem fröhlichen: „Hi, Lucy! Ich habe gerade an dich gedacht, wie wäre es, wenn wir heute mal wieder zusammen ausgehen? Haben wir schon lange nicht mehr gemacht.“
 

Sofort wurde Lucy von einem warmen Gefühl erfüllt. Es tat doch immer gut, Levys Stimme zu hören. Diese war schon seit der weiterführenden Schule ihre beste Freundin und sie hatten einiges zusammen erlebt. Sie würde sogar behaupten, dass ihr niemand anderes näherstand, nicht einmal ihre Eltern. Während der letzten drei Jahre sahen sie sich nicht mehr so häufig, da ihre unterschiedlichen Lebenswege sie einnahmen, doch Zeit für ein Telefongespräch fanden sie häufig.
 

„Sorry, Levy, ich habe gerade ein paar … Probleme.“, gab sie zu und sofort änderte diese ihren Tonfall. Lucy konnte beinahe sehen, wie ihr Gesichtsausdruck ins Besorgte wechselte.
 

„Was ist denn passiert?“, wollte sie sofort wissen und Lucy sah vor dem inneren Auge, wie sie sich aufsetzte, um aufmerksamer zu erscheinen.
 

„Ach, es ist dieser neue Job und du hast doch von den toten Mädchen gehört und … ich weiß auch nicht.“
 

„Und du denkst, das hängt zusammen.“, brachte Levy die Sache auf einen Punkt; sie hatte schon immer eine unnachahmliche Art gehabt, an allen Gefühlen, und Nebensächlichkeiten und allem Zaudern einfach vorbei zu preschen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
 

„Ich weiß, es ist bescheuert und niemand kann all diese Unfälle inszeniert haben. Dan hat es mir gesagt, Michello hat es mir gesagt, alle haben es mir gesagt. Aber ich werde dieses Gefühl einfach nicht los und es macht mir Angst.“
 

„Lucy.“, begann Levy in vernünftigem Tonfall. „Unsere Instinkte sind aus einem guten Grund da und wenn deine dir sagen, dass da etwas faul ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch nicht so gering, dass du Recht haben könntest. Moment.“
 

Lucy atmete erleichtert auf; dieses Mädchen war ein echter Segen! Zumindest Levy stempelte sie nicht für verrückt oder einfach nur als überarbeitet ab, sondern hörte sich ihre Sorgen ernsthaft an. Sie wusste doch, dass sie sich auf Levy verlassen konnte! Was würde sie nur ohne sie tun?
 

Das hastige Klicken einer Tastatur drang zu ihr durch und sie konnte Levy nachdenklich vor sich hin brummen hören. „Das klingt nach sehr seltsamen Unfällen…“, gab sie nach einigen Augenblicken zu. „Aber es wären auch sehr sonderbare Morde…“ Sie brummelte weiter, ein Anzeichen dafür, dass ihr genialer Verstand auf Hochtouren lief. „Was weißt du noch? Irgendwas, was nicht hier in den Artikeln steht?“
 

„Ich glaube nicht.“, gab Lucy zu. Viel gab es eigentlich nicht zu wissen. „Außer vielleicht, dass DeZille und Riko den gleichen Job hatten wie ich. Darum bin ich ja so besorgt. Ich will nicht die Nächste sein! Ich weiß nicht, wie Nalshe da mit hineinspielt, aber sie war auch im Gespräch für den Job, das weiß ich.“ Sie seufzte tief und erklärte kurz, was ihre Anfrage darauf, den Job abzugeben, gebracht hatte, während Levy aufmerksam zuhörte. „Ich denke, ich werde Erzas Rat annehmen und mir jemanden besorgen, der ein wenig alles im Auge behalten kann.“
 

„Hm.“, machte Levy und Lucy runzelte die Stirn. „Du hältst das für keine gute Idee?“
 

„An sich schon…“, erklärte ihre Freundin. „Aber ich denke, mit einem Bodyguard bist du nicht richtig bedient.“
 

„Hast du einen besseren Vorschlag?“
 

„Wie gut, dass du fragst! Den habe ich nämlich tatsächlich.“ Levys Stimme klang triumphierend aus dem Handy. „Du brauchst keinen Bodyguard, du brauchst einen Privatdetektiv, der dich zur Not auch beschützen und sich mit nicht so ganz normalen Dingen auseinandersetzen kann. Und zufälligerweise kenne ich sogar einen, der perfekt auf diese Beschreibung passt!“
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

Levy hatte ihr die Adresse für Slayer Investigations gegeben und ihr das Versprechen abgeknöpft, sie auf dem Laufenden zu halten und sich absolut zu melden, wenn sie Hilfe bräuchte. Dankbar hatte Lucy zugestimmt und endlich ein Taxi gerufen. Kurzentschlossen hatte sie dem Fahrer die Adresse der Detektei gegeben anstatt der der Sicherheitsfirma, und der freundliche Mann, der die ganze Fahrt geplaudert hatte, hatte sie am Rande der Fußgängerzone abgesetzt, in der ihr Ziel lag.
 

Levy hatte ihr allerdings nicht gesagt, wie schwer das Gebäude zu finden war, oder dass der Eingang zu den Büros sich hinterm Haus befand. Slayer Investigations war in einem alten Backsteingebäude untergebracht, deren Fenster- und Türrähmen mit Stuck verziert waren. Eine freundliche alte Dame hatte ihr erklärt, wo sie die Eingangstür fand, nachdem sie fünf Minuten die Klingelschilder studiert und schon frustriert daran gedacht hatte, noch einmal Levy anzurufen.
 

Jetzt drückte sie die schwere Tür auf und folgte dem Hinweisschild die hölzernen Treppen hinauf, die unter ihren Schritten bedrohlich knarrten. Auf dem ersten Treppenabsatz sah sie sich einer Milchglastür gegenüber, auf dem der Name der Detektei zu lesen war, also holte sie tief Luft und trat ein.
 

Die Tür führte in ein kleines Vorzimmer, das durch zwei große Fenster auf der einen Seite, unter denen ein langes Sofa stand, in helles Licht getaucht wurde. Gegenüber diesen befand sich ein großer, schwerer Schreibtisch, dem das Alter anzusehen war und vor dem ein bequem wirkender Stuhl für Besucher stand. Ein Bildschirm hatte auf der Oberfläche seinen Platz gefunden, dazu ein paar Aktenkörbe, einige Ordner und jede Menge Papierkram.
 

Die Wände dahinter waren komplett von fast deckenhohen Aktenschränken verborgen und neben beiden Türen hingen große Bilder mit Aufnahmen der Stadt. Durch einen offenen Durchgang konnte man in einen Flur sehen, von dem mehrere Türen abgingen, die jedoch alle geschlossen waren.
 

Hinter dem Schreibtisch, die Füße auf dem Tisch abgelegt, lümmelte eine junge Frau mit welligem, braunem Haar und einem Headset und blätterte in einer Illustrierten. Sie trug eine enge Jeans, hohe Stiefel sowie ein kurzes Top, das ihren Bauchnabelring sowie ein Tattoo auf der linken Hüfte zur Schau stellte. Ihr rechter Unterarm war ebenfalls tätowiert und ihr Gesicht war delikat und äußerst hübsch, mit einer winzigen Nase, sinnlichen Lippen und großen, braunen Augen, die zu so perfekten Smokey Eyes geschminkt waren, dass Lucy der pure Neid packte. Nicht nur, dass sie das ohne Hilfe niemals so hinbekam, der Stil passte auch gar nicht zu ihr. Sie mit ihrem hellen Teint brauchte zarte Farben.
 

Die Frau richtete sich langsam auf, als Lucy eintrat, und der Blick in ihren Augen zeigte an, dass sie die neue Mandantin nicht genau einordnen konnte. „Willkommen bei Slayer Investigations.“, grüßte sie freundlich, während sie ihre Zeitschrift auf den Schreibtisch warf und die Füße herunternahm. „Wie können wir Ihnen helfen?“
 

„Ich brauche-“, begann Lucy und stellte dann abrupt fest, dass sie sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie diesen völlig fremden Leuten die Sachlage erklärte, ohne als völlig verrückt dazustehen. „Also, es ist so…“
 

„Sollen wir herausfinden, ob Ihr Mann eine Affäre hat? Oder brauchen Sie Hilfe dabei, Ihre eigene zu verstecken?“ Die Brünette grinste breit und Lucy schoss das Blut in die Wangen.
 

„Was?! Nein, natürlich nicht!“, erklärte sie empört. Kamen Leute deswegen zu Privatdetektiven? Und warum glaubte die Sekretärin, sie gehöre auch in diese Kategorie?! „Ich glaube, drei meiner Kolleginnen sind ermordet worden.“
 

Die Frau setzte sich unwillkürlich gerader hin und blinzelte verdutzt. Vermutlich bekam auch sie solche Aussagen nicht oft zu hören und Lucy war es peinlich, so mit der Angelegenheit herauszuplatzen. Das hätte sie auch besser formulieren können! Eigentlich besaß sie eine sehr eloquente Wortwahl.
 

Die Sekretärin zog eine feine Augenbraue hoch und bemerkte: „Nicht, dass ich Sie verjagen will, aber eigentlich geht man mit einem solchen Verdacht zur Polizei und kommt nicht zu uns. Die Bullen haben es nicht so gern, wenn wir uns in ihre Angelegenheiten einmischen.“ Ihr Tonfall machte deutlich, dass ihr persönlich letzteres ziemlich egal war und darum trotzdem geschah.
 

Lucy zuckte mit den Schultern. „Die Polizei hat es als Unfälle abgetan, aber ich glaube nicht, dass es so war. Da passt zu vieles nicht zusammen und…“
 

Die Frau hob die Hand. „Das können Sie dem erzählen, der Ihren Fall übernehmen wird, einen Moment. Hier sind übrigens unsere Gebühren inklusive Zulagen und so.“ Die Brünette drückte ihr eine Broschüre in die Hand, auf die Lucy nur einen kurzen Blick warf – Geld war nun wirklich nicht ihr Problem –, und tippte dann auf eine Taste an ihrem Telefon. „Natsu, hier ist eine neue Mandantin, die es eilig hat.“ Für einen Moment blieb es still, dann antwortete sie: „Nein, um Mord und Totschlag.“ Die Sekretärin kicherte. „Räum ein wenig deinen Schreibtisch auf, sie ist ‘ne echt hinreißende Braut.“
 

Lucy blies die Backen auf, sagte aber nichts dazu, während die Sekretärin das Gespräch beendete. Levy hatte ihr nicht gesagt, dass die Sekretärin eine sehr seltsame Mischung aus einnehmend, unverfroren und kompetent war. „Ich muss nur noch kurz Ihre Daten aufnehmen, dann können Sie mit ihm sprechen. Ich bin übrigens Cana und ich weiß alles und kenne jeden. Setzen Sie sich, ich rede nicht gern nach oben.“
 

Zehn Minuten später führte Cana sie durch den Gang in ein hell beleuchtetes Zimmer, an deren Tür eine Plakette mit dem Schriftzug N. Dragneel hing. Auch hier wurde eine Wand komplett von Schränken eingenommen und der Schreibtisch, von dessen Oberfläche kaum etwas zu erkennen war, sah nicht weniger benutzt aus.
 

Akten stapelten sich auf dem Boden, in eine Ecke gequetscht stand eine kleine Sitzgruppe, über der weitere Photographien von Magnolia hingen, und eine der Jalousien hing schief in ihrer Halterung. Auf einer Kommode an der Längsseite standen eine Kaffeemaschine und einige umgedrehte Tassen, die nicht zueinander passten.
 

Anders als Lucy erwartet hatte, war Mr. Dragneel kein etwas abgehalfterter Mittvierziger mit dem Ansatz eines Bierbauches und einem Dreitagebart. Stattdessen sah sie sich einem äußerst attraktiven Mann mit dem athletischen Körperbau eines Sportlers gegenüber, der nur wenige Jahre älter sein konnte als sie selbst. Seine Haare waren pink und standen in alle Richtungen ab, seine dunklen Augen funkelten und er schenkte ihr ein breites Grinsen, für das er eigentlich einen Waffenschein bräuchte.
 

Levy hatte ihr auch nicht gesagt, dass der Detektiv so heiß war.
 

Sie erinnerte sich streng daran, dass sie einen Freund hatte, auch wenn sie den schon seit einem Monat nicht mehr gesehen hatte und die Telefonate immer seltener wurden, und nahm die angebotene Hand an, die der Mann ihr hinstreckte. Ihr Mund war auf einmal trocken und sie leckte sich nervös die Lippen, als sie seinen Gruß erwiderte.
 

„Das ist Lucy.“, stellte Cana sie formlos vor. „Den Rest soll sie dir selbst erzählen. Ruf mich, wenn du was brauchst.“ Damit verschwand sie auch schon aus dem Zimmer und Lucy wünschte sich, sie würde nicht gehen. Plötzlich erschien es ihr im Raum ziemlich heiß und sie zupfte an der leichten Jacke, die sie heute als angemessen empfunden hatte.
 

„Sie können sich da hinsetzen.“, bot Mr. Dragneel ihr an. „Wollen Sie einen Kaffee? Wasser?“
 

„Nein, danke.“, wehrte Lucy reflexartig ab und sank in den angebotenen Stuhl. Er ließ sich ihr gegenüber auf seinen Sitzplatz fallen und sah sie auffordernd an.
 

„Also?“, begann er, nachdem sie nichts sagte und Lucy spürte, wie sie vor Verlegenheit rot wurde. Er wollte wissen, worum es ging! Immerhin war sie es, die hier etwas wollte!
 

„Sehen Sie, Mr. Dragneel…“, setzte sie an und er unterbrach sie.
 

„Bitte, nennen Sie mich Natsu. Ansonsten komme ich mir so alt vor. Erst Leute ab dreißig werden mit Mr. angesprochen!“, erklärte er im Brustton der Überzeugung und sie schmunzelte.
 

Doch sie wurde rasch wieder ernst. „Also. Natsu.“, begann sie erneut und holte tief Luft. Dann versuchte sie, die Sachlage so klar wie möglich vor ihm auszubreiten – die drei ungewöhnlichen Todesfälle von DeZille, Nalshe und zuletzt Riko, die Verbindung von zweien von ihnen zu dem Job, den sie selbst jetzt hatte, der Unglauben von allen, außer natürlich Levy, die alle eventuellen Zusammenhänge schlichtweg von sich wiesen.
 

Natsu hörte sich alles aufmerksam an und unterbrach sie nicht. Hin und wieder nickte er, doch als sie geendet hatte, erklärte er: „Das hört sich tatsächlich nach Unfällen an.“
 

Für einen Moment wusste Lucy nicht, wie sie darauf reagieren sollte, dann fühlte sie, wie Zorn in ihr aufstieg. Sie war nicht hierhergekommen, nur um von einer Person mehr für verrückt erklärt zu werden! Heftig sprang sie auf und fauchte: „Also schön, wenn Sie lieber die Jungs mit den weißen Jacken rufen wollen, anstatt ein Geschäft zu machen, nur zu!“
 

Er wich reflexartig vor ihr zurück und hob die Hände. „Ich wollte eigentlich nur wissen, warum Sie denken, dass es keine sind.“
 

„Oh.“ Peinlich berührt ließ sie sich in ihren Stuhl zurücksinken. „Entschuldigung. Ich … bin nur etwas … angespannt von all dem.“ Nervös drehte sie ihre Clutch in den Händen. „Also, es ist so: DeZille ist von einer Dachterrasse gestürzt, Nalshe vor einen Lastwagen gelaufen und Riko wurde von einem Blumentopf erschlagen.“
 

„Okay, aber bis auf die Sache mit dem Blumentopf kommt das schon mal vor.“, wies Natsu auf. Er musterte sie eingehend, die Brauen zusammengezogen und den Kopf schief gelegt.
 

Ihr wurde heiß unter seinem intensiven Blick und sie fragte sich, ob sie ihn aufklären sollte, dass sie schon vergeben war. Und ob sie das überhaupt wollte. Stattdessen entschloss sie sich, seine Frage zu beantworten: „Aber das wirkt nur auf den ersten Blick normal. DeZille hatte fürchterliche Höhenangst. Sie wäre niemals auf eine Dachterrasse gegangen. Und Nalshe hat immer alle Regeln beachtet, sie war wirklich süß. Sie wäre niemals einfach so über die Straße gegangen, ohne sich zweimal zu vergewissern, dass frei ist. Das passt einfach nicht zu ihr. Passte.“
 

Natsu nickte bestätigend und Lucy war sich einmal mehr sicher, dass sie auf der richtigen Spur war. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu, aber jetzt hatte sie endlich Hilfe von jemandem, der mit dieser Situation besser zurechtkommen würde. Das hoffte sie zumindest. „Ich weiß, es klingt verrückt und ich kann mir auch nicht erklären, wie das alles zustande gekommen ist, aber ich weiß, dass es keine Unfälle waren. Das würde einfach keinen Sinn ergeben!“
 

„In Ordnung, ich glaube Ihnen. Ich übernehme Ihren Fall. Ich habe im Moment eh nur Papierkram zu erledigen, das ist langweilig.“ Angewidert warf er einen Blick auf die Blätter, die halb ausgefüllt vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, und schob sie zur Seite. „Warum denken Sie, dass Sie die Nächste sind?“
 

„DeZille hatte den Job für Count zuerst. Heute habe ich erfahren, dass Riko ihn auch hatte. Und jetzt ist es meiner.“
 

„Und die andere, Nalsh…e?“ Er sprach den Namen zögerlich aus, wie um ihr Gelegenheit zu lassen, ihn zu verbessern, falls das nötig war.
 

„Sie war auch im Gespräch, aber ich weiß nicht, ob sie sie gefragt haben.“ Lucy runzelte die Stirn. Irgendetwas nagte an ihr, aber sie konnte nicht den Finger darauflegen.
 

„Also denken Sie, dass es um den Job geht?“
 

Lucy zuckte mit den Schultern. „Das ist der einzige Zusammenhang, den ich finden kann, außer halt, dass sie Models sind und bei der gleichen Agentur waren. Aber das gilt für mich auch und für viele andere auch.“
 

„Vielleicht gibt es noch mehr, ich setze Cana darauf an.“ Er winkte ab und kritzelte etwas auf ein Stück Papier.
 

Lucy nickte. Die einzige der drei toten Models, die sie näher gekannt hatte, war DeZille gewesen – aufgeweckt, verwöhnt, etwas hochnäsig und ein Mann an jedem Finger, aber immer großzügig, freundlich und mit einem offenen Ohr für alle Probleme, so klein und seltsam sie auch waren. Ein Drittel jeder ihrer Gagen war mindestens für irgendwelche Wohlfahrtsverbände draufgegangen, was Lucy eher am Rande mitgekriegt hatte.
 

Trotzdem hatte sie nicht viel über sie gewusst, sie waren eher flüchtige Freundinnen gewesen. Mit Riko und Nalshe hatte sie noch weniger zu tun gehabt. Es konnte also durchaus sein, dass es noch weitere Verbindungen gab – vielleicht waren sie in das gleiche Fitnessstudio gegangen oder in sonst einen gemeinsamen Club.
 

„Okay. Womit fangen wir an?“, wollte sie wissen. Keine Chance, dass er das allein machte. Sie würde an seiner Seite kleben, bis er das Rätsel gelöst hatte – zumindest, solange ihre Pflichten dies zuließen.
 

„Wir?“, echote Natsu verwirrt. Dann zuckte er mit den Schultern und grinste. „Eigentlich mache ich sowas allein, aber mir soll’s recht sein. Ich werde versuchen, die Akten der drei Fälle von der Polizei zu bekommen oder zumindest einen Blick hineinwerfen zu können.“
 

Sie zog die Augenbrauen hoch – war das überhaupt legal?
 

Er grinste sie unschuldig an. „Ich kenne da ein paar Leute im Dezernat, die mir sicher weiterhelfen. Ist ja kein offener Mordfall oder sowas. Außerdem will ich die Tatorte ansehen. Viel wird man vermutlich nicht mehr sehen können, aber einen Blick ist es wert. Das ist zumindest ein Anfang.“
 

Lucy nickte, das machte Sinn. Dann fiel ihr noch etwas ein. „Morgen Abend muss ich zu einer Gala.“, erklärte sie. „Wenn jemand etwas versuchen will, wäre das die beste Möglichkeit. Ich wohne im Moment im Haus meiner Eltern, da kommt niemand so leicht rein.“
 

Natürlich war das Haus ihrer Eltern kein wirkliches Haus, sondern tatsächlich ein kleines, altes Schloss, das jedoch mit dem modernsten Sicherheitssystem ausgestattet war, das man auf dem Markt bekommen konnte. Nichts und niemand würde so leicht daran vorbeikommen. Außer natürlich, es hing tatsächlich etwas Übernatürliches damit zusammen. Keine Kamera und kein Alarm würden sie vor Magie schützen. Sie war froh, dass ihre Eltern im Moment außer Landes waren.
 

„Dann komme ich natürlich mit.“, erklärte Natsu mit größter Selbstverständlichkeit und stand auf. Anscheinend war die Vorbesprechung damit abgeschlossen. Sie wusste nicht, was genau sie erwartet hatte, aber das erschien ihr etwas kurz…? Naja, er wusste es sicher besser als sie.
 

Er winkte ihr, ihm in den Vorraum zu folgen, wo Cana wieder ihre Illustrierte aufgenommen hatte. „Ich nehme den Fall, kannst du das Geschäftliche klären?“
 

Die Sekretärin zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts dazu, sondern erklärte stattdessen: „Kein Problem.“ Sie klickte auf ihrem Computer herum, während Natsu wieder in die hinteren Räume verschwand.
 

Unsicher starrte Lucy ihm nach, doch Canas Stimme hielt sie zurück. „Der ist nur aufs Klo. Keine Sorge, bei uns sind Sie in guten Händen.“
 

Lucy hoffte das, auch wenn er keinen Ton über ihren Verdacht, dass etwas nicht ganz Normales hinter all dem stecken konnte, hatte fallen lassen. Vielleicht hielt er sie tatsächlich für verrückt, wollte sie aber nicht als Mandantin verlieren oder war zu taktvoll, um das Thema anzusprechen.
 

Einige Minuten später saß sie auf dem Sofa und studierte den Vertrag, während Natsu wiederkam und sich zu Cana gesellte. Die beiden tuschelten leise miteinander und Lucy bemühte sich, das Gespräch auszublenden, doch sie kam nicht umhin, einige Sätze mit anzuhören.
 

„Und du glaubst, dass sie in diesen Bereich fällt? Ich meine, sie wirkt nicht wirklich so…“
 

„Es könnte Zufall sein, aber … da sind ein paar Spuren an ihr. Vielleicht ist es auch gar nichts… Aber wenn doch, könnte sie in ernsten Schwierigkeiten stecken.“
 

„Und du mit dazu. Du lässt es also darauf ankommen?“
 

„Soll ich sie wegschicken? Es ist auf jeden Fall etwas dran an dem, was sie sagt. Ansonsten wäre das die unglaublichste Kette von Zufällen, von der ich je gehört habe.“
 

„Wenn du meinst… Ihre Angst ist auf jeden Fall echt, also wird es nicht schaden. Im besten Fall ist es leicht verdientes Geld.“
 

„Und im schlimmsten… das werden wir wohl sehen.“
 

Das klang nicht sehr vielversprechend – außerdem klang es sehr rätselhaft. Was für Spuren meinte er genau, denn Lucy war sich sicher, dass sie nicht weniger als perfekt aussah? Etwas Physisches konnte es also kaum sein.
 

Cana nahm ihr den Vertrag weg, kaum dass sie ihn unterschrieben hatte, und winkte ihnen nach, als sie die Büroräume verließen. „Tschau, Kinderchen, viel Spaß zusammen.“, flötete sie hinter ihnen her. „Tut nichts, dass ich nicht auch tun würde!“
 

Warum bekam Lucy den Eindruck, dass das nicht sehr viel ausschloss?
 


 

2. You Cast A Spell On Me
 

Das 48. Polizeirevier von Magnolia war in einem Altbau untergebracht und man betrat es durch eine hohe Tür mit zwei Flügeln. Natsu winkte den beiden jungen Polizisten hinter dem Empfangstresen nur kurz zu, während er bereits die breite Treppe ansteuerte, die in den ersten Stock führte.
 

Lucy musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten, und die Pfennigabsätze ihrer Schuhe klackerten laut auf dem glatten Fliesenboden. Man hatte in der Eingangshalle alles so original belassen, wie es nur möglich war, und das Treppenhaus war entsprechend offen und lag direkt gegenüber den Eingangstüren.
 

Helles Sonnenlicht strömte durch die Bogenfenster hinein, Schilder an den Wänden zeigten an, wo welche Abteilungen lagen, und das gesamte Gebäude erschien erfüllt von dem Gemurmel von Stimmen. Alles in allem wirkte es sehr hell und aufgeräumt und freundlicher, als Lucy sich das bei einem Polizeirevier hätte vorstellen können.
 

„Und du kennst Leute hier?“ Neugierig blickte Lucy sich um und las im Vorbeigehen die Schilder, an denen sie vorbeikamen.
 

„Ich hab hier mal gearbeitet.“, gab Natsu zu. Auf der Herfahrt hatte er nicht viel über das Thema gesagt, obwohl sie so viel geredet hatten, dass sie inzwischen beim Du angekommen waren. Es war verrückt, wie schnell das ging! Lucy fühlte eine seltsame Verbindung mit ihm, als würden sie sich schon ewig kennen. Sowas hatte sie noch nie erlebt, nicht mal mit Levy damals.
 

Außerdem hatten sie einen kleinen Umweg gemacht, um an der Stelle vorbeizufahren, an der Nalshe ihren Unfall gehabt hatte. Doch dadurch, dass es eine belebte Hauptverkehrsader war, war natürlich nichts mehr zu sehen gewesen. Alle Spuren waren längst von den Rettungskräften und der Polizei beseitigt worden und was auch immer danach noch zurückgeblieben war, hatten die hunderten, wenn nicht gar tausenden Passanten, die seitdem daran vorbeigekommen waren, vernichtet.
 

Natsu hatte sein Auto, einen flammendroten, offensichtlich geliebten älteren Mustang, trotzdem abgestellt um sich alles persönlich anzusehen, doch nach ein paar Minuten hatte er schulterzuckend aufgegeben. Die anderen beiden Tatorte würden sie nachher aufsuchen, ehe Natsu sie Zuhause absetzen würde, wie er vorhin bereits versprochen hatte.
 

Jetzt schob er die Tür in einen großen Raum auf, der mit Hilfe von niedrigen Trennwänden in kleinere Arbeitsplätze aufgeteilt war. Aktenschränke säumten die Wände, Türen führten in weitere Büros oder vielleicht Verhörräume, wie man sie in Filmen immer sah. Es herrschte reger Betrieb. Beamte in Zivil und Uniform wuselten durcheinander, das Gewirr von Stimmen hing in der Luft und es roch nach abgestandener Luft, Kaffee und zu vielen Menschen auf einem Raum. Lucy quietschte erschrocken auf, als ein sehr abgerissen wirkender Mann, der nach etwas Undefinierbarem stank, in Handschellen an ihr vorbeigeschoben wurde.
 

„Hi, Jungs!“, grüßte Natsu die beiden Männer, die sich die Arbeitsnische teilten, auf die er zusteuerte. Sie befand sich direkt unter den Fenstern, insofern hatten sie Glück, doch alles andere sah ähnlich aus wie bei den anderen.
 

Die Polizisten waren in Zivil und mittleren Alters – tatsächlich waren sie Lucys Bild von einem Privatdetektiv näher als Natsu. Der eine hatte dunkles, nach hinten gekämmtes Haar und einen Schnauzer. Trotz seines Alters hatte er noch ein attraktives Gesicht und gab sich offenbar Mühe, in Form zu bleiben. Sein Kollege war blond, mit einem ausgeprägten Wangen- und Kinnbart und schmalen Augen.
 

„Hi, Grünschnabel.“, antwortete der Dunkelhaarige, doch sein Tonfall war gutmütig. „Was führt dich hierher?“
 

„Besser gesagt, was genau willst du heute von uns?“, warf sein Kollege ein und grinste verschmitzt.
 

Natsu rieb sich den Hinterkopf. „Ach, nur ein paar Infos.“ Er trat einen Schritt beiseite, damit die beiden seine Begleiterin besser sehen konnten und stellte vor: „Das ist meine neue Mandantin, Lu…“
 

„Lucy Heartphilia!“, erkannte der Dunkelhaarige sie auf Anhieb und auch sein Kollege machte große Augen. Lucy schenkte ihnen ihr professionelles Lächeln und hoffte, dass ihre Begeisterung nicht Überhand nehmen würde. Sie war nicht hierher gekommen, um sich bewundern zu lassen und Autogramme zu schreiben.
 

Natsu dagegen blinzelte erstaunt und blickte von ihr zu den beiden Beamten und zurück. „Ihr kennt sie?“
 

Der Blonde lachte und schüttelte nachsichtig den Kopf. „Du bist einfach hoffnungslos, Grünschnabel!“
 

Der andere legte Natsu freundschaftlich einen Arm um die Schultern und zog ihn einen Schritt weg, als ob Lucy seine nächsten Worte dadurch nicht verstehen könnte. „Sie ist ein bekanntes Model, Natsu.“
 

„Okay, wenn ihr das sagt.“ Natsu zuckte mit den Schultern und befreite sich. „Lucy, das sind Macao und Wakaba, die mich damals nach der Polizeiakademie unter die Fittiche genommen haben.“ Er deutete dabei zuerst auf den Dunkelhaarigen, dann den anderen.
 

Macao seufzte tief. „Und wie zahlst du es mir zurück? Stiehlst mir meinen Sohn mit deinem Detektivgewäsch! Hier bei uns wäre er viel besser aufgehoben!“
 

Natsu grinste. „Er tut sich ganz gut. Grad ist er mit Gray unterwegs um einen Politiker in flagranti zu erwischen.“
 

„Wenigstens das.“, grummelte Macao, doch ein Anflug von väterlichem Stolz schwang in seiner Stimme mit.
 

Wakaba wechselte freundlicherweise das Thema: „Worum geht’s? Was können wir für Sie tun, Miss Heartphilia?“ Er klang dabei so eifrig wie ein begeisterter Hund, alles, was fehlte, war ein wedelnder Schwanz.
 

„Oh, also ich…“, begann sie, aber Natsu fiel ihr ohne Umschweife ins Wort: „Es geht um die toten Models, ihr habt sicher gehört.“
 

„Natürlich. Was für eine Schande.“, erklärte Wakaba mit tief betrübter Stimme und Macao fügte mit einem Stirnrunzeln hinzu: „Aber soweit ich weiß, wurden die Fälle geschlossen? Waren das nicht Unfälle?“
 

„Naja, Lucy hat den starken Verdacht, dass etwas faul ist und darum…“
 

„…habe ich Natsu engagiert, damit er mir hilft, etwas herauszufinden. Das waren Freundinnen von mir.“, mischte Lucy sich ein. Sie konnte immer noch für sich selbst reden!
 

„Könnt ihr uns die Akten geben? Ich werde sie vertraulich behandeln, Ehrenwort!“ Natsu hob sogar wie zum Schwur die Hand.
 

Die beiden Polizisten wechselten einen Blick. „Eigentlich dürfen wir das ja nicht…“ Doch all das klang wie ein einstudierter Text, den sie schon hundertmal heruntergeleiert hatten.
 

Als sie das Revier verließen, neigte sich die Sonne bereits dem Horizont entgegen. Lucy warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr; kurz nach fünf. Eine knappe Stunde hatten sie noch, ehe es dunkel wurde. Das reichte noch zur Besichtigung der beiden Tatorte.
 

Natsu neben ihr grinste zufrieden vor sich hin, die Akten unter den Arm geklemmt. „Die mit dem Blumentopf ist auch auf offener Straße gestorben.“, erklärte er. „Ich denke nicht, dass wir da mehr herausfinden als vorhin. Lass uns zu dem Hotel fahren, in dem die dritte war. Hat sie nicht in der Stadt gewohnt? Ich dachte, sie arbeitet hier.“ Er schloss den Mustang auf und öffnete ihr mit so großer Geste die Tür, dass es schon albern wirkte.
 

Trotzdem ließ sie sich ohne Protest in den Beifahrersitz gleiten. „Doch, schon.“, antwortete sie auf Natsus verwirrte Feststellung, als er auf der anderen Seite einstieg. „Vermutlich hat sie sich mit einem Lover getroffen. Das hat sie nie Zuhause gemacht.“
 

Natsu schenkte ihr einen verwirrten Blick, dann zuckte er mit den Schultern und angelte nach DeZilles Akte. „Es war kein Zeuge anwesend.“, stellte er kurz darauf fest.
 

„Sie mochte es auch nicht, ihre Nächte mit ihren Lovern zu verbringen.“, erklärte Lucy und war selbst etwas überrascht über ihr Wissen, was das Liebesleben ihrer verstorbenen Kollegin anging. Aber DeZille war damit immer sehr offen umgegangen und hatte jedem, der davon hören wollte – oder auch nicht – davon erzählt. Vermutlich hatte der Mann auch noch das Zimmer bezahlt; nicht, dass DeZille sich das nicht hätte selber leisten können.
 

Natsu jedenfalls akzeptierte ihre Worte mit einem Schulterzucken und bugsierte sein Auto gekonnt aus der Parklücke heraus. Der Cardia Palace war das beste Hotel der Stadt und befand sich in einem alten, prachtvollen Stadthaus direkt gegenüber der berühmten Kardia Kathedrale. Alte, schmiedeeiserne Straßenlaternen säumten die Gehwege, abwechselnd mit hohen Birken und dazwischen standen Sitzbänke.
 

Inzwischen war die ganze Gegend um die große Kirche herum eine Fußgängerzone, aber in der grandiosen Eingangshalle des Hotels hingen einige der bekannten, historischen Photographien, die Pferdekutschen und älteste Automobile vor dem Eingangsportal und der Häuserfront zeigten. Im Inneren war alles im edlen Stil der Jahrhundertwende gehalten, aber kunstvoll und erlesen genug, um nicht billig oder gar geschmacklos zu wirken.
 

Einige Leute trieben sich in der Lobby herum, die meisten davon in Kostümen und Anzügen, außer einer Gruppe Jugendlicher, die auf den ersten Blick etwas heruntergekommen wirkten. Lucy jedoch musste sie kaum ansehen um zu erkennen, dass dieser Eindruck durchaus gewünscht war und die Garderobe der Gruppe vermutlich weit mehr gekostet hatte, was ein Normalbürger in einem Monat verdiente.
 

Natsu steuerte schnurstracks auf den Empfangstresen zu und lächelte die Dame dahinter gewinnend an. Ihr Gesicht leuchtete auf und ihr Lächeln wurde unwillkürlich etwas natürlicher. Sie war noch jung und hübsch auf eine niedliche Art, das braune Haar zu einem ordentlichen Knoten nach hinten gebunden. Auf dem Namensschild an ihrer Uniform stand in geschwungenen, deutlich lesbaren Buchstaben Kylie.
 

Natsu ließ seine Akten vor ihr auf den Tresen fallen und erklärte, als hätte er das Recht dazu: „Guten Abend, Kylie. Wir müssen Zimmer 658 sehen.“
 

Die junge Frau hinter dem Tresen riss überrascht die Augen auf und blinzelte. Trotzdem entging ihr natürlich nicht das polizeiliche Siegel auf den Rücken der Ordner. „Zi…Zimmer 658?“ Sie räusperte sich und warf einen kurzen, unsicheren Blick zu Lucy hinüber, die sie so freundlich anlächelte wie möglich, und dann zu einem Mann in einem Anzug, der gerade mit einer Dame im Abendkleid diskutierte. Dann senkte sie ihre Stimme: „Die Polizei hat es noch nicht freigegeben.“
 

„Das weiß ich. Raten Sie mal, warum ich hier bin?“, antwortete Natsu und schenkte ihr sein entwaffnendes Grinsen. Lucy runzelte die Stirn; war das nicht etwas übertrieben?
 

Aber es wirkte, denn nach einem weiteren kurzen Blick zu dem Mann, der vermutlich ihr Vorgesetzter war, drehte Kylie sich um und nahm einen Schlüssel von dem altmodischen Schlüsselbrett. „Ich bringe sie hoch.“, erklärte sie, doch Natsu streckte die Hand aus. „Wir wollen Sie nicht weiter bei der Arbeit stören und finden das Zimmer sicher auch allein.“
 

Die Frau zögerte einen Moment, doch dann händigte sie ihm den gewünschten Gegenstand aus. „Bitte schließen Sie die Tür wieder ab, wenn Sie fertig sind, und bringen den Schlüssel zu mir zurück. Die Polizei…“
 

„Keine Sorge, das ist mir bekannt. Wir werden Sie sicher nicht in Schwierigkeiten bringen. Danke, Kylie!“ Damit packte er Lucy am Arm und zog sie auf die Fahrstühle zu, die zwar altmodisch aussahen, aber sich bewegten wie moderne.
 

Kurz darauf stieß Natsu die Tür zu der Suite auf, die im selben Stil gehalten worden war wie der Rest des Gebäudes. Vertäfelte Holzwände, Holztüren, die in die angrenzenden Zimmer führten, verglaste Schränke, in denen Bücher und Gläser zu sehen waren, Kunst an den Wänden, eine zierlich wirkende Sitzgruppe… Sogar ein kleines Piano stand vor den Flügeltüren, die auf die Dachterrasse führten.
 

Eben jene Terrasse, von der DeZille in ihren Tod gestürzt war.
 

Plötzlich überfuhr Lucy ein eiskalter Schauer. Was tat sie überhaupt hier?! Im günstigsten Fall besuchte sie nur die Orte von tödlichen Unfällen, im schlimmsten Fall aber schnüffelte sie einem Mörder hinterher. Wenn das herauskam, würde sie als sensationsgierige Voyeurin dastehen, auch wenn es ihr um etwas ganz Anderes ging.
 

Außerdem war hier jemand gestorben
 

Sie fröstelte bei dem Gedanken und klammerte sich Schutz suchend an ihre Clutch. Bildete sie sich das nur ein oder war die Luft hier anders? Irgendwie … geladener, schwerer, als könnte man den Tod noch in der Luft schmecken.
 

Beinahe wider Willen blickte sie sich um. Der Tisch der Sitzgruppe fehlte und eine der Flügeltüren zum Balkon war mit einer Folie zugeklebt worden, da in dem Rahmen nur noch wenige Glassplitter steckten.
 

Lucy zog verwirrt eine Augenbraue hoch. Das sah ihr nicht nach einem Unfall aus. Natsu schien es ähnlich zu gehen, denn er zog die Akte zur Rate und blätterte langsam darin herum, während er durch das Zimmer wanderte.
 

„Was ist denn hier passiert?“, wollte Lucy nach einigen Minuten wissen, als sie es nicht mehr aushielt. Er hob die Schultern und winkte sie heran. Nur zögerlich folgte sie ihm tiefer ins Zimmer, so dass sie Blicke auf die Fotos werfen konnte, die die Polizei hier gemacht hatte, als alles noch frisch gewesen war.
 

„Sie haben es zuerst wie einen Mordfall behandelt.“, erklärte er. „Wegen dem zerbrochenen Tisch und der kaputten Scheibe. Sie haben die Idee abgetan, weil außer DeZille und ihrem Lover sowie dem Zimmermädchen, das in der Zeit keinen Schritt über die Schwelle machen durfte, niemand auch nur in die Nähe des Zimmers gekommen ist. Es gibt Videoaufnahmen.“
 

„Aha.“, machte Lucy. „Wie haben sie das da dann erklärt?“ Sie deutete auf die zerbrochene Scheibe. Jegliche Scherben sowie alle Beweise waren entfernt worden, doch viel mehr war offensichtlich noch nicht angerührt worden.
 

„Sie fanden einige Flaschen Alkohol, Sekt vor allem.“, erklärte Natsu mit einem kurzen Blick auf ein Übersichtsfoto des Raumes. Lucy konnte die besagten Gegenstände gut erkennen. Klang logisch – DeZille hatte gerne mal einen gekippt, auch wenn sie es nie wirklich zu weit getrieben hatte. „Außerdem gab es einige Vermutungen, dass sie sich mit ihrem Lover gestritten hat, aber der hat zum Zeit ihres Sturzes und der Stunde davor ein hieb- und stichfestes Alibi.“
 

„Ich weiß.“, grummelte Lucy und verschränkte die Arme. „Diese ganzen Schundblätter haben es so hingestellt, als hätte sie Selbstmord begangen.“ Schon allein der Gedanke daran war lächerlich.
 

„Und du glaubst das nicht?“
 

„Warum sollte sie? Sie hatte an jedem Finger zehn Typen hängen und wegen Stress mit einem von ihnen springt sie nicht gleich vom Balkon. Außerdem sagte ich doch, sie hatte Höhenangst. Vermutlich hätte sie eher irgendwelche Pillen geschluckt.“ Es kam ihr ein wenig frevelhaft vor, so über eine Tote zu sprechen und auch noch über eine, die sie gekannt und gemocht hatte. Aber sie glaubte ja gar nicht daran, dass an der Selbstmordtheorie etwas dran war, verteidigte sie sich vor sich selbst.
 

Sie schob sich an Natsu vorbei und öffnete die Tür zum Balkon, was glücklicherweise ging. Die Dachterrasse war so großzügig bemessen wie der Rest der Suite. Einige Pflanzen, die froh sein konnten, dass Herbst war, waren strategisch um eine abgedeckte Sitzgruppe verteilt, und das Geländer war kunstvoll gestaltetes Schmiedeeisen. Sie ging bis zum Rand vor und blickte hinunter.
 

Tief unter ihr wuselten die Menschen herum, Einheimische, die gerade von der Arbeit kamen, Urlauber, die die Kardia Kathedrale im schwindenden Sonnenlicht fotografieren wollten, die Angestellten von diversen Cafés und Touristenfallen, die langsam begonnen, ihre Auslagen aufzuräumen.
 

Diesen Weg hatte DeZille genommen, hier irgendwo hatte sie gestanden – und dann war sie über das Geländer gestürzt. Plötzlich war Lucy schwindelig, ihr Atem ging schneller und ihr Puls jagte. Es war beinahe, als würde die Tiefe locken, verführerisch und gefährlich wie eine Femme Fatale. Dort unten auf dem Gehsteig war DeZille aufgekommen, Handyfotos von ihrem ehemals perfekten, zerbrochenen Körper kursierten noch immer im Internet. Lucy stolperte zurück.
 

„Alles klar?“, wollte Natsu wissen, der aus irgendeinem Grund zum Dachfirst hochschaute und jetzt mit gerunzelter Stirn zu ihr herüberblickte.
 

„J…ja.“, stotterte sie und versuchte, ihr rasendes Herz unter Kontrolle zu bringen. „Da geht es nur ganz schön tief runter.“
 

Er warf einen kurzen Blick über das Geländer und grinste sie dann an – und ihr Herz schlug aus einem ganz anderen Grund wild. „Wir sind ja auch im sechsten Stock.“ Das schien ihn persönlich nicht sonderlich zu beeindrucken und er steuerte wieder auf die Tür zu. „Komm, hier finden wir nichts.“
 

„Also war das auch ein Reinfall?“, wollte sie enttäuscht wissen, froh, sich auf etwas anderes konzentrieren zu können, als auf einen tiefen Sturz oder ihn.
 

„Noch haben wir hier nicht alles angeschaut.“, erinnerte er sie und blickte sich eingehend um. „Ganz schön schick hier.“, gab er in einem Tonfall zu, der zeigte, dass er so etwas auf der einen Seite nicht gewohnt und es ihm auf der anderen Seite ziemlich egal war. Das erinnerte sie noch an etwas…
 

Währenddessen steuerte er auf die nächstbeste Tür zu, die in ein verschwenderisch ausgestattetes Bad führte. Auch hier verlor Natsu bald wieder das Interesse. Die nächste Tür führte in ein unbenutztes Schlafzimmer, das er nicht einmal betrat. Lucy war vollkommen schleierhaft, nach welchen Kriterien er vorging, aber er tat es so selbstsicher, dass sie nicht nachfragen wollte.
 

Außer natürlich, er versuchte sie ebenso an der Nase herumzuführen wie Kylie, die offensichtlich geglaubt hatte, dass er zur Polizei gehörte.
 

Die letzte Tür führte in ein großes Schlafzimmer. Im Mittelpunkt stand ein zerwühltes Himmelbett und einige Kleider, die Lucy sich durchaus an DeZille vorstellen konnte, lagen auf dem Boden verstreut, offensichtlich hastig und in wilder Leidenschaft entfernt. Die Bluse war sogar zerrissen. Ansonsten war nichts Außergewöhnliches zu sehen, die Fenster geschlossen, ebenso wie die Schränke. Offenbar war nicht einmal die Polizei hier gewesen, vermutlich, weil sie DeZilles Tod vorher als Unfall abgestempelt hatten.
 

„Halt das mal.“ Natsu drückte ihr die Akte in der Hand und begann systematisch, den Raum abzusuchen. Er schaute unter jedes Kissen, fuhr die Ritzen zwischen den Polstern entlang und hob sogar die Matratze an.
 

„Was genau suchst du?“, wollte sie etwas ratlos wissen und drücke den Ordner an sich. Sie konnte sich immer noch keinen Reim auf seine Methode machen, aber er zuckte nur mit den Schultern und erklärte nichts Genaueres.
 

„Ich dachte nur… Aha!“, rief er aus, als er hinter das Nachttischschränkchen spähte. Kurz darauf angelte er etwas hervor, dass Lucy einige Augenblicke später als einen Kettenanhänger identifizieren konnte, als er es ihr unter die Nase hielt. Er war einfach und hatte die Form eines Herzens.
 

„Was ist daran so besonders? Das hat offensichtlich jemand verloren und die Zimmermädchen haben es nicht gefunden.“
 

„Vielleicht. Vielleicht ist es auch ein Fokus… Ganz schön schwer für Schmuck, Eisen würde ich vermuten. Seltsam…“
 

„Okay, das ist ein seltsames Material, aber es gibt Leute, die darauf stehen. Ich hab mal für eine Modeshow Eisenschmuck von einem bekannten Designer getragen.“, erklärte Lucy, aber Natsu wirkte nicht sehr überzeugt.
 

„Ich geb das nachher mal Cana. Komm, wir sind hier fertig.“ Diesmal waren sie es tatsächlich.
 

Natsu schloss pflichtbewusst die Tür hinter sich ab und lieferte brav den Schlüssel an Kylie ab, zusammen mit dem Versprechen, demnächst mit dem Verantwortlichen wegen der Freigabe des Zimmers zu sprechen.
 

Als sie vor die Eingangstüren traten, erinnerte Lucy sich wieder an eine vorherige Beobachtung. Während sie wartete, dass er um das Auto herumgehen und einsteigen konnte, kramte sie die Visitenkarte von ihrem persönlichen Schneider aus der Handtasche.
 

Er starrte sie verwirrt an, als sie sie ihm reichte. „Was soll ich damit?“ Ehrliche Neugierde lag in seiner Stimme und er drehte die Karte herum, als ob sie ihm eine Antwort geben könnte.
 

„Nachdem du mich zuhause abgesetzt hast, fährst du dahin. Sag Taurus, dass ich dich schicke und du mich morgen auf die Gala begleiten sollst. Er wird dich ausstatten. Vertrau ihm, er weiß, was er tut.“ Sie warf einen vielsagenden Blick auf seine Jeans und das Sweatshirt mit dem Aufdruck einer Band darauf. Das war nicht sehr professionell, aber ehrlich gesagt war es ihr erst aufgefallen, nachdem sie schon mit ihm unterwegs war. Er braucht einen Waffenschein für dieses Grinsen, sie hatte es ja gleich gesagt. „Egal, wie schick deine Anzüge sind, sie werden dich hochkant wieder rauswerfen.“
 

Seine Augenbrauen wanderten nach oben. „Anzug? Ist das dein Ernst?“
 

Entgeistert starrte sie ihn an. „Und wie! Und wage es ja nicht, morgen ohne den aufzukreuzen, den Taurus dir gibt!“, fauchte sie. Das konnte ja heiter werden! Was würden die Klatschblätter morgen über sie schreiben, wenn sie mit einem solchen Dorftrampel ankam!
 

Natsu lachte. „Entspann dich. Das war ein Witz. Wird schon schief gehen.“
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

Draußen war es bereits dunkel, als Lucy endlich von ihrem Stylisten endlassen wurde. Cancer hatte wie immer einen hervorragenden Job geleistet. Ihr Haar war zu einem geflochtenen Chignon hochgesteckt, nur ein paar Strähnen entkamen dem kunstvollen Geflecht, in dem kleine Seidenblüten steckten. Ihr Make-up reichte von Weiß bis Zartrosa und der Lidschatten glitzerte leicht im Licht der Deckenlampen.
 

Dazu trug sie ein langes, fließendes Kleid aus schwarzer Seide, das eng am Oberköper anlag und sich um ihre Hüften zu einem flatternden Rock ausbreitete, der hinter ihr über den Boden strich. Der Stoff war dunkelblau oder schwarz, je nachdem, wie das Licht darauf fiel, und manchmal sogar von einem dunklen Türkis. Darüber lagen lange Schleier aus weichem Tüll, der mit Pailletten übersäht war, so dass sie die Illusion eines Sternenhimmels boten, was wahrhaftig aufsehenerregend aussah.
 

Doch das war nicht das aufregendste Merkmal des Kleides, vor allem nicht, wenn man eine solche Oberweite wie Lucy zu bieten hatte, denn es hatte einen Ausschnitt bis zu ihrem Bauchnabel hinunter. Virgo hatte tief in ihre Trickkiste greifen müssen, damit alles so saß, wie es sollte, und auch so sitzen bleiben würde.
 

Lucy wollte absolut nicht, dass hier ein Malheur passierte. Weder Michello noch Hyberion würden es ihr danken, ganz zu schweigen davon, wie peinlich so etwas war. Auch wenn es eigentlich nicht ihre Schuld wäre – sie hatte das Kleid nicht ausgesucht, es stammte aus der Herbstkollektion von Count und wer genau die Wahl getroffen hatte, es auf der Gala vorführen zu lassen, wusste sie nicht.
 

Virgo hatte es abgeholt, während Lucy selbst den Tag Zuhause verbracht, über ihrem Manuskript gesessen, das eigentlich keine Verbesserungen mehr brauchte, und sich vorberietet hatte. Er war ihr sehr lang erschienen, aber sie hatte nicht einmal gewagt, einen Fuß vor die Tür zu setzen, trotz des goldenen Herbstwetters.
 

Die ganze Zeit hatte sie sich gefragt, was Natsu so trieb und ob er schon mehr herausgefunden hatte. Vielleicht über den Anhänger? Oder vielleicht hatte Cana eine andere Verbindung zwischen den drei toten Models gefunden oder es hatte sich eine andere Spur aufgetan? Aber er hatte versprochen, sich zu melden, falls etwas dergleichen der Fall sein sollte. Da er nicht angerufen hatte, ging sie davon aus, dass es nichts gab, worüber es sich zu berichten lohnte.
 

Sie hoffte nur, dass er tatsächlich bei Taurus vorbeigesehen hatte und auch tragen würde, was dieser ihm aushändigte. Dass der Schneider der Aufgabe gewachsen war, innerhalb von wenigen Stunden einen passenden Anzug für ihren Begleiter herbeizuzaubern, daran hatte sie nicht den geringsten Zweifel. Er hatte schon größere Wunder in kürzerer Zeit vollbracht. Es hing alles an Natsu.
 

„Ihre Begleitung ist eben angekommen.“, verkündete Virgo gerade, als Lucy ihre Pumps über die Füße streifte.
 

Überrascht warf Lucy einen Blick auf die große Standuhr – Natsu war nur minimal zu spät. Irgendwie hatte sie angenommen, dass sie länger warten müsste. „Danke.“, sagte sie zu ihrem Hausmädchen und nahm die zum Kleid passende Tasche entgegen, ein winziges Teil, das an einer silbernen Kette hing. Im Vorbeigehen prüfte sie im Spiegel den Sitz ihrer Ohrringe und der Silberkette mit einem einfachen Anhänger in Form eines Schlüssels, ehe sie zur Tür eilte und dann die große Freitreppe hinunter, wo Natsu vor seinem offensichtlich frisch gewaschenen Auto wartete. Sie fragte sich, wem sie wohl dafür danken musste. Cana vielleicht?
 

Das zweite, das ihr auffiel, war, dass Natsu bei Taurus gewesen war, denn er trug einen schwarzen Dreiteiler, der offensichtlich für ihn gemacht – oder ziemlich auf ihn geändert worden – war. Die klaren Linien des Anzugs betonten seine breiten Schultern und den muskulösen Körperbau. Unter der Jacke blitzte ein weißes Hemd hervor, die rote, korrekt gebundene Krawatte verschwand akkurat in der Weste und jemand hatte ihm selbst ein anständiges Paar Schuhe verpasst.
 

Niemand hatte allerdings seine Haare gebändigt, was ihm einen rebellischen Touch verlieh, und kurz huschte die Idee durch ihr Hirn, ihn zu Cancer zu komplimentieren. Doch der Gedanke endete im Nichts, denn das einzige, worauf sie sich konzentrieren konnte, war er. Er hatte vorher schon toll ausgesehen, doch jetzt, so in Schale geschmissen und ausgestattet von dem besten Schneider des Landes, war er einfach umwerfend und sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
 

Sie stolperte und war froh um das Geländer, auf das sie sich stützen konnte, ansonsten wäre sie kopfüber die Treppe hinuntergefallen. Einen Moment innehaltend und tief Luft holend versuchte sie, ihre verrücktspielenden Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Dabei war sie doch längst aus diesem Alter raus!
 

Du hast einen Freund, ermahnte sie sich erneut streng, einen Freund, der gegen diesen faszinierenden, jungen Mann, der dort unten gelangweilt mit seinen Manschettenknöpfen spielte, nicht ankam. Dan würde blass, trivial und wenig attraktiv neben diesem Bild von einem Mann aussehen.
 

Dabei war Lucy sich sicher, dass es nicht nur Natsus Aussehen war, dass sie so gefangen nahm, sondern auch seine Art – ein wenig albern und kindlich, aber dennoch ernst, wenn die Situation es verlangte, schnell zur Verteidigung von denen, die es verdienten, und selbst ohne einen gehässigen Knochen im Körper. Sie kannte ihn kaum, aber manchmal reichten ein paar Stunden, um jemanden kennen zu lernen und … manchmal passte es einfach, dann rastete etwas ein und zwei völlig Fremde waren wie alte Freunde.
 

Doch ob Natsu ebenso fühlte?
 

Als sie sich in der Lage fühlte, ihm gegenüberzutreten, setzte sie ihren Weg die Treppe hinunter fort. „Du kannst dich ja ganz schön herausputzen.“, bemerkte sie, als sie nahe genug war und endlich bemerkte er sie und blickte auf.
 

Sie konnte sehen, dass er eigentlich etwas sagen wollte, aber stattdessen kam nur ein seltsames Krächzen aus seinem Mund, während er sie anstierte. Schön zu wissen, dass sie ebenfalls eine Wirkung auf ihn hatte. Seine Augen verweilten einen Moment zu lange auf ihrem großzügigen Dekolleté, ehe er sich davon losriss und auch den Rest von ihr musterte.
 

Geschmeichelt lächelte sie ihn an und sofort schenkte er ihr eines seiner umwerfenden Grinsen. „Du siehst toll aus.“, erklärte er ehrlich und in einem Ton voller Bewunderung, dass ihre Wangen rot anliefen. Ein solches Kompliment hatte sie … schon lange nicht mehr bekommen. Früher hatte Dan sie ihr bei jeder Gelegenheit geschenkt, zusammen mit viel romantischem Gerede, doch jetzt fiel ihr auf, dass dies schon lange nicht mehr gehört hatte.
 

„Wollen wir?“, kam er jedoch gleich zum Thema und öffnete die Tür für sie, damit sie einsteigen konnte. Sie raffte ihr Kleid zusammen und kletterte vorsichtig hinein, den Rock so um sich drapierend, dass er möglichst glatt lag und auch nicht in der Tür eingeklemmt wurde. Kein leichtes Unterfangen, denn der Mustang bot nicht sehr viel Platz.
 

Kurz darauf lenkte er den Oldtimer von dem großen Grundstück und fuhr in die Richtung ihres Ziels. Die Gala fand im Feenschloss statt – ein historischer Palast, in dem Feste und ähnliche Veranstaltungen in großer Kulisse abgehalten wurden. Count scheute keine Kosten und Mühen, ihre Herbstkollektion zum größten Ereignis des Modejahres zu machen.
 

Das Schloss sah aus, als wäre es einem echten Märchen entsprungen, mit weißen Mauern, Türmchen, Zinnen und sogar einer Zugbrücke, die heutzutage jedoch fest im Boden verankert war. Umgeben war es von einem groß angelegten Park, der nichts zu wünschen übrigließ.
 

Während der Fahrt erklärte Lucy ihrem Begleiter, wie er sich zu verhalten hatte – zumindest während des Gangs auf dem roten Teppich, ehe sie im Inneren des Feenschlosses verschwanden und damit den größten Teil der Presse und alle Schaulustigen hinter sich ließen. „Wenn sie mich fotografieren, halte dich einfach im Hintergrund und mach ein strenges Gesicht.“, endete sie und warf ihm einen Seitenblick zu. Seine Manschettenknöpfe hatten die Form von Drachen, fiel ihr auf, warum verwunderte sie das eigentlich nicht?
 

Natsu nickte zu alldem nur; hörte er ihr überhaupt zu? Doch jetzt war es zu spät, noch einmal etwas zu ändern, denn sie fuhren bereits die lange Allee aus hohen, alten Pappeln hinunter, die sie bis vor die Zugbrücke führen würden. Er drosselte das Tempo, während die Straße immer belebter wurde.
 

Sie rumpelten hinter einer schwarzen Stretchlimousine über die Brücke, die vorsichtig an den Pollern und Blumentöpfen auf dem Schlosshof vorbeibugsiert werden musste. Einige Minuten mussten sie warten, ehe die Personen vor ihnen ausgestiegen waren, irgendein Rockstar mit gleich drei Mädchen an jedem Arm, und das Blitzlichtgewitter wieder abgeklungen war.
 

Auf dem Hof tummelten sich Menschen kunterbunt gemischt – Journalisten, die für ein Foto gekommen waren, Paparazzi, die auf ein möglichst skandalöses Bild hofften, Fans von diversen Leuten, die heute hier erwartet wurden, und einfach Leute, die zum Schauen da waren. Lucy war dieser Trubel wohl bekannt, aber sie war jedes Mal froh, wenn sie diesen Spießrutenlauf hinter sich hatte und im Festgebäude verschwinden konnte, in dem die Öffentlichkeit nicht zugelassen war.
 

Ein Portier sprang sofort hinzu, als Natsu sein Auto in Position fuhr, und riss ihm die Tür auf. Mit einem verwirrten Lächeln stieg Natsu aus, um wie besprochen Lucy herauszuhelfen. Sofort ging das Blitzlichtgewitter auch auf sie herunter. Sein Gesichtsausdruck wirkte schon etwas angespannter, als er ihr folgte.
 

Lucy ließ das übliche Prozedere des roten Teppichs über sich ergehen – lächeln, winken, sich drehen, damit das Kleid aus allen Richtungen angesehen werden konnte, ein paar Autogramme schreiben, sich fotografieren lassen. Natsu, für den das alles neu war, rutschte bald das sowieso schon spärliche Lächeln aus dem Gesicht, aber zum Glück achteten nicht viele Leute auf ihn.
 

„Na endlich!“, knurrte er, als sie sich bei ihm einhakte, um sich von ihm zu den hohen Portalen hinaufführen zu lassen. Oben angekommen drehte sie sich noch einmal für ein paar letzte Fotos um, diesmal mit Natsu an der Seite. „Läuft das immer so ab?“, wollte er entsetzt wissen. „Wie hältst du das aus?!“
 

„Man gewöhnt sich dran.“, erklärte Lucy mit einem Lächeln in die Kameras. „Außerdem bin ich mit diesem Trubel aufgewachsen.“ Nach einigen Augenblicken entschied sie, dass das jetzt genug war, und wandte sich ab. Bedienstete öffneten die Tür für sie und schlossen sie auch direkt hinter ihnen wieder.
 

Im Inneren des Feenschlosses sah es nicht weniger großartig aus als draußen. Beleuchtet wurde die Eingangshalle durch echte Kerzen, die zahlreich genug waren, um ein helles Licht zu verbreiten, was dem Ambiente einen leicht zauberhaften Touch verlieh und alles gleichzeitig erwärmte, so dass sie erst merkte, wie kalt es draußen tatsächlich war.
 

Die hohen Säulen, die das Kuppeldach hielten, wurden von funkelnden Tüchern verhüllt und die große Freitreppe, die in die Galerie hinaufführte, war mit roten Kordeln abgesperrt. Für die meisten Leute war die Eingangshalle nur eine Durchgangstation, sie strebten sofort auf die großen Flügeltüren zu, in der die eigentlichen Feierlichkeiten stattfanden. Von dem Rockstar mit seinem Anhang war nicht einmal mehr etwas zu sehen. Trotzdem befand sich eine beeindruckende Anzahl an Personen hier.
 

Lucy, die sich bei ihrem Begleiter eingehängt hatte, bugsierte ihn ebenfalls auf die Halle zu. Sie musste sich ein wenig unter die Leute mischen, um gesehen zu werden, aber vielleicht konnte sie sich rasch wieder loseisen. Eigentlich genoss sie solche Veranstaltungen, doch heute war ihr nicht zum Feiern zumute. Mit einem Schlag war ihr wieder voll bewusst, warum genau sie Natsu engagiert hatte und hier in dieser Menschenmenge konnte wortwörtlich alles passieren.
 

„Ah, Miss Lucy!“, riss eine dunkle, angenehme Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich und sie wandte sich um.
 

„Mr. Hyberion.“, begrüßte sie den Mann liebenswürdig, der durch die Menge auf sie zukam und ihr die größte Chance ihres Lebens verschafft hatte. Ihn zumindest musste sie anständig begrüßen, immerhin hatte er ihr die größte Chance ihres Lebens verschafft. Dass das Ganze eine solche Wendung genommen hatte, war ja nicht seine Schuld.
 

Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann in den besten Jahren, dessen richtiges Alter sie nie einschätzen konnte, mit aristokratischen Gesichtszügen, glattem, schwarzen Haar und sorgfältig gestutztem Bart. Er war wie immer elegant gekleidet, sein Anzug besaß den edlen Touch von Gothic und Romantik, den sie inzwischen von ihm gewohnt war.
 

Sie löste sich von Natsu, um ihm entgegenzutreten, und reichte ihm die Hand, aber statt sie zu kurz zu drücken, beugte er sich zu einem Handkuss darüber. „Das Kleid steht ihnen besser, als ich es mir je hätte vorstellen können. Sie sehen hinreißend aus.“
 

Leicht errötend dankte sie ihm und ging in Smalltalk über. Natsu blieb im Hintergrund, doch als sie ihm einen Blick zuwarf, hatte er einen so nachdenklichen Gesichtsausdruck, dass sie es dabei beließ, ihn kurz als Bodyguard vorzustellen. Der Detektiv machte jedenfalls keine Anstalten, näher zu kommen und den genialen Modemogul anständig zu begrüßen.
 

„Was ist mit dir?“, wollte sie von ihm wissen, nachdem sie sich von Hyberion losgeeist und einige Meter zwischen sie gebracht hatte.
 

Natsu verzog den Mund und führte sie noch etwas tiefer in die Halle. „Es ist so, dass er vielleicht oder vielleicht auch nicht ein Vampir ist. Oder so etwas ähnliches.“
 

„Wa…?“, begann sie und starrte ihren Begleiter aus weit aufgerissenen Augen an. Meinte er das ernst? Oder war das nur ein blöder Witz?
 

„Das ist nicht lustig!“, zischte sie ihn an, aber Natsu zuckte nur mit den Schultern. „Habe ich auch nie behauptet. Hey, da hinten gibt es ein Buffet!“ Dabei klang er so erfreut wie ein Kind, das gerade sein Lieblingsspielzeug entdeckt hatte.
 

Sie musterte ihn kurz noch einmal misstrauisch, aber er schien das Thema Hyberion bereits abgeschlossen zu haben, also ließ sie es fallen. Ob es nun ein Witz gewesen war oder nicht, anscheinend war der eventuelle Vampirismus des Modeschöpfers kein weiterer Grund zur Sorge.
 

„Ja.“, antwortete sie darum und musste ihn beinahe gewaltsam davon zurückhalten, auf die reichlich ausgestattete Tafel zuzustreben. „Aber es ist noch nicht eröffnet. Sie müssen erst noch ein paar Reden halten.“
 

Sein enttäuschter Gesichtsausdruck war so komisch, dass sie lachen musste. Doch ehe sie ihn trösten konnte, dass nachher mehr als genug da sein würde, rief jemand: „Lucy! Da bist du ja!“
 

Mirajane Strauß, das Zugpferd von CatWalk, natürlich wie immer umwerfend in einem Traum aus Grün, kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Die beiden Models umarmten sich und Lucy begrüßte auch die klassisch schöne, hochgewachsene Frau, Reisha Whiteday, die Mirajane folgte. Sie hatte eine zierliche Figur und einen roten Lockenkopf und war ein weiteres von Michellos Models.
 

„Toll siehst du aus!“, lobte Mirajane, die natürlich wie immer allen die Show stahl mit ihrem heute offenen, schneeweißen Haar, der zarten Haut und den riesigen, blauen Augen, die in ihrem perfekten Gesicht saßen.
 

„Man könnte fast neidisch werden.“, gab Reisha zu, einen harten Unterton in der Stimme.
 

Lucy schenkte ihr ein kurzes Lächeln und erwiderte die Komplimente artig. Natsu neben ihr seufzte genervt auf, als sie erneut in Smalltalk verfiel, doch sie konnte es ihm nicht ersparen. Das würde er sich heute noch öfter anhören müssen. Über was sonst sollte sie mit all diesen Leuten reden, die sie flüchtig bis gar nicht kannte? Es gab nur wenige Anwesende hier, denen sie näherstand, Mirajane zum Beispiel, doch unter all diesen Salonlöwen redete es sich selten über tiefere Dinge, die sie konkret betrafen.
 

„Ich habe gehört, dass du den Hyberion-Job bekommen hast und ich muss sagen, der Stil steht dir ausgezeichnet zu Gesicht.“, erklärte Mirajane und eine weitere, dunklere Stimme mischte sich ein: „Lucy wirkt ein wenig zu sehr wie ein unschuldiges Lämmchen, muss ich widersprechen.“
 

Sie drehten sich zu der jungen Frau um, die zu ihnen getreten war, eine weitere Kollegin, Jenny Reallight. Sie und Lucy waren beide der gleiche Typ – blond, kurvig und sogar nahezu gleich groß. Jennys Haar jedoch fiel ihr in großen Locken über den Rücken und ihre Augen waren von einem strahlenden Blau. Dazu hatte sie ein verführerisches Lächeln und einen verruchten Blick und Lucy musste nicht raten um zu wissen, worauf sie anspielte.
 

Doch ehe Lucy sich verteidigen konnte, erklärte Mirajane: „Vielleicht ist es genau das, was sie wollen? Nalshe war ja noch viel unverdorbener und wir zumindest wissen, dass unsere Lucy kein reines Engelchen ist.“ Übermütig schlang die Weißhaarige einen Arm um Lucys Schultern und zog sie an sich.
 

„Ich finde trotzdem, jemand reiferes wäre die bessere Wahl gewesen.“, erklärte Jenny und warf Lucy einen giftigen Blick zu. Es war leicht zu sehen, dass sie sich selbst damit meinte, aber niemand tat ihr den Gefallen und ging auf die Worte ein.
 

„Nalshe?“, mische Natsu sich ein und seine Stirn war gerunzelt. Er hatte die ganze Zeit gelangweilt daneben gestanden und sich umgesehen. „Was hat sie denn damit zu tun?“
 

Für einen Moment war Lucy verwirrt, was ihn das interessierte. Dann machte es auch bei ihr Klick! und sie wurde blass. „A-aber Nalshe hatte den Job doch gar nicht.“, versuchte sie ihre sich überschlagenden Gedanken zu beruhigen.
 

„Davon weiß ich auch nichts.“, gab Reisha zu und Jenny zuckte mit den Schultern, als würde sie das alles nichts angehen, doch ihre Mundwinkel zogen sich leicht nach unten.
 

Mirajanes Gesicht dagegen war einen Moment von Trauer überschattet. „Sie hat mich gebeten, vorerst Stillschweigen darüber zu bewahren, weil sie nicht wollte, dass vorher jemand davon erfuhr, aber ich schätze, das ist jetzt auch hinfällig. Ich kann es immer nicht glauben, dass sie diesen schrecklichen Unfall hatte.“ Sie legte sich bestürzt eine Hand an die Wange und die anderen beiden murmelten Zustimmungen.
 

„Sie hatte den Job auch?!“, platzte es aus Lucy heraus und es machte alles Sinn. Selbst Michello hatte am letzten Tag davon geredet, dass er das vierte Model nicht auch noch tauschen konnte. Vier Mädchen – DeZille, Nalshe, Riko und jetzt sie. Warum war ihr das erst jetzt aufgefallen? Schon die ganze Zeit hatte sie gedacht, dass etwas nicht zusammenpasste…
 

Sie wechselte einen Blick mit Natsu, der von der Neuigkeit ebenso überrascht war, auch wenn sie von der Möglichkeit gesprochen hatte, dass das junge Model in der engeren Auswahl gestanden hatte. Aber es jetzt definitiv zu hören…
 

Es ging also tatsächlich um den Job!
 

Plötzlich fühlte sie sich schwach und Natsu packte sie um die Hüften und führte sie tiefer in den Raum hinein. „Alles in Ordnung?“, raunte er ihr zu, als sie weit genug von den anderen Models entfernt waren, die sich längst wieder in ihre Plauderei vertieft waren. „Keine Sorge, das haben wir ja schon vermutet. Und genau darum bin ich hier. Ich pass schon auf dich auf!“
 

„Du glaubst auch nicht mehr an einen Zufall, oder?“, wollte Lucy schwach wissen und lenkte Natsu in die Richtung, wo zwei Stühle für sie reserviert waren. Am unteren Ende des langen Saales gab es eine kleine Bühne mit einer Leinwand, auf der auch ein Rednerpult stand, hinter dem sich inzwischen der Veranstalter aufgebaut hatte und sich ins Mikrophon räusperte.
 

Vor dem Podest waren Tische und Stühle aufgebaut, die sich jetzt langsam füllten. Erhellt wurde die Halle von fünf gigantischen Kronleuchtern, die Wände waren hinter schweren Vorhängen aus dunkelblauem Samt verborgen und antik wirkende Vasen auf schlanken Säulen standen auf den schmalen Plätzen zwischen den hohen Bogenfenstern, die beinahe zur Decke reichten. Draußen war es stockdunkel und man konnte absolut nichts hinter den Scheiben erkennen.
 

Der Veranstalter begrüßte inzwischen ausschweifend alle Gäste, insbesondere Draculos Hyberion und diverse Prominente von Magnolia. Danach würden noch ein paar weitere Reden kommen, doch Lucy interessierte sich nicht dafür.
 

Sie steckte tuschelnd die Köpfe mit Natsu zusammen, der jetzt auf seine eigenen Erkenntnisse einging. „Nein. Das ist alles zu seltsam. Cana hat keine anderen Verbindungen zwischen den drei gefunden, sie stammen aus verschiedenen Gegenden, aus verschiedenen Familien, sie wohnen nicht einmal im gleichen Viertel. Leider habe ich noch keine Ahnung, wie das bewerkstelligt wurde.“ Er verzog den Mund, als wäre er von dieser Tatsache enttäuscht. „Aber wir bleiben dran.“
 

„Guten Abend, Miss Lucy.“, unterbrach Michellos schnarrende Stimme ihr Gespräch und Lucy erhob sich, um ihren Chef anständig zu begrüßen. „Wie ich sehe, haben Sie es doch hergeschafft.“ Sein Anzug heute war in edlem Violett gehalten und seine Reversnadel funkelte im goldenen Licht der Kronleuchter.
 

Erza, in einem halterlosen, blauen Kleid, das mit strategisch platzierten, weißen Blumen bedruckt war und das Dekolleté in das rechte Bild rückte, stand hinter dem winzigen Mann. Sie lächelte freundlich und ihr Blick ruhte für einen Moment auf Natsu, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
 

„Es scheint Ihnen besser zu gehen.“ Ihr Lächeln vertiefte sich und Natsu erhob sich eilig, nachdem Lucy ihn unauffällig mit dem Ellbogen gegen den Arm gehauen hatte, um die Begrüßung zu erwidern.
 

„Ja, danke. Ich habe ich an Ihren Rat gehal…“, begann die Blondine, um den Moment zu überspielen.
 

„Wer ist Ihr Begleiter?“, wollte Michello grob wissen und Lucy hätte ihm am liebsten eine kleine Predigt in Sachen Anstand und Höflichkeit gehalten. Aber, entschied sie, wer so alt geworden war wie dieser Knacker, der kümmerte sich entweder nicht um diese Grundregeln der Etikette oder der würde es nie lernen.
 

Selbst Natsu war höflicher, dessen Missfallen deutlich in seinem Gesicht abzulesen war, trotz des Faux-pas von eben. Wenigstens sagte er nichts dazu.
 

„Mr. Dragneel ist zu meiner Sicherheit hier.“, erklärte Lucy.
 

Michello runzelte die Stirn. „Lassen Sie von dieser Paranoia nur nichts gegenüber der Presse verlauten. Oder Hyberion. Haben Sie verstanden?“
 

Sie spürte, wie Natsu sich neben ihr versteifte, und griff rasch nach seinem Handgelenk, um ihn von einer Dummheit abzuhalten, wie etwa ihrem Chef den Kopf abzureißen. „Sie müssen sich keine Sorgen machen.“
 

Michello wedelte mit seinem Stock vor ihrer Nase herum, so dass sie vermutlich von Glück sprechen konnte, dass er nicht an ihrem Kleid hängen blieb und ihren Ausschnitt noch etwas vergrößerte. „Das möchte ich ihnen auch geraten haben!“ Mit einem Schnauben wandte der kleine Mann sich ab und ging davon. Die Zurückbleibenden sahen ihm nach.
 

„Entschuldigen Sie, ich weiß auch nicht, was in ihn gefahren ist.“, bemerkte Erza, aber ihrem Tonfall war anzuhören, wie verärgert sie über dieses Verhalten des gemeinsamen Chefs war.
 

„Behandelt der kleine Affe dich immer so?“, wollte Natsu wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine dunklen Augen funkelten vor Zorn. „Warum arbeitest du für den?“
 

Lucy lachte nervös. „Eigentlich habe ich selten mit ihm zu tun. Erza hier ist es, die sich um uns Models kümmert. Erza Scarlet, Natsu Dragneel.“, stellte sie die beiden einander vor und die zwei reichten sich die Hand, während sie sich eingehend musterten, diesmal offen. Offenbar kamen sie beide zu einem positiven Ergebnis, denn ihre Gesichter hellten sich wieder auf.
 

„Sehr erfreut.“, bemerkte Erza, wandte sich dann aber sofort an Lucy: „Wie ich sehe, haben Sie meinen Rat nicht gänzlich angenommen.“
 

Diese fühlte, wie sie errötete. Immerhin hatte Erza ihr die Sicherheitsfirma empfohlen. Die waren vermutlich richtige Profis. „Oh, ich… Natsu wurde mir von einer Freundin empfohlen.“, erklärte sie und fragte sich, ob sie der anderen erzählen sollte, dass er eigentlich Privatdetektiv war und kein Bodyguard. Aber dann entschied sie sich dagegen, da es ihr zu peinlich war zuzugeben, dass sie hinter einem Mörder herjagte, den es vielleicht gar nicht gab, in der vagen Ahnung, dass er Magie zum Töten nutzte. Das wäre unangenehm. „Und dann habe ich spontan entschieden.“
 

Erza lächelte verständnisvoll und rieb sich die Hände, wobei sie ihren Ring drehte. „Das ist nachvollziehbar.“ Sie blickte wieder Natsu an und hob streng den Finger. „Passen Sie bloß gut auf unsere Lucy auf, verstanden? Wir brauchen sie noch.“
 

Der salutierte schneidig. „Zu Befehl, Ma’am!“
 

Sie nahmen wieder ihre Plätze ein und Erza setzte sich zu ihnen. Dadurch wurde die Zeit, in der die Reden gehalten wurden, etwas kurzweiliger und bald darauf wurde auch das Buffet eröffnet. Das war auch an der Zeit, inzwischen hatte sie Hunger.
 

Natsu war ein wenig zu begeistert bei der Sache und konnte eine beeindruckend große Menge von den angerichteten Häppchen und dem vorbereiteten Fingerfood verschlingen. Dabei interessierten ihn die pikierten Blicke nicht, die er von anderen Leuten bekam, weil er seinen Teller so voll stapelte. Er schenkte den Leuten nur liebenswürdige Lächeln, was diese aus dem Konzept brachte, und futterte sich durch das reichhaltige Angebot.
 

Erza verschwand irgendwann und auch Lucy ließ ihren Begleiter zwischendurch allein. Sie hatte noch ein paar Pflichten zu erfüllen haben und hatte vor, dies so schnell wie möglich zu tun. Dabei achtete sie darauf, in seiner Nähe zu bleiben.
 

Eigentlich genoss sie solche Galaabende – die bewundernden Blicke, die ihr folgten, die schwärmenden Komplimente, die wie Öl runtergingen, diverse Männer, die an sie herantraten und um einen Tanz baten – aber heute wollte sie sich nicht so recht damit anfreunden. In ihrem Hinterkopf hockte ständig die Sorge, dass etwas passieren würde, die Befürchtung und die Anspannung…
 

Das Alles half ihr nicht, das Lächeln zu bewahren, das von ihr erwartet wurde, sich auf die nichtigen, oberflächlichen Gespräche zu konzentrieren, oder überhaupt ihre Anwesenheit zu genießen. Darum klapperte sie pflichtbewusst ihr Rahmenprogramm ab, sprach mit den Leuten, mit denen sie gesehen werden sollte, und lächelte in die Kameras der wenigen Fotografen, die hier zugelassen waren, während sie Hände schüttelte, Wangenküsse andeutete, Umarmungen erwiderte und unauffällig ein paar grabbelnde Hände abwehrte. Dabei ließ sie immer wieder Hinweise fallen, dass es ihr nicht gut ging, damit sich niemand wunderte, wenn sie früh verschwand. Einzig, weil ihr Blick immer wieder Natsu streifte, der sie bei aller Begeisterung über das Essen nicht aus den Augen ließ, ließ sie überhaupt so lange durchhalten.
 

„…aber entschuldigen Sie mich bitte.“, wimmelte sie eine ältere Dame ab, die sich unbedingt mit ihr über das schreckliche Kleid und den billigen Schmuck einer anderen Frau unterhalten wollte. Lucy fand solche Themen nie sonderlich interessant, ganz zu schweigen davon, wie bösartig sowas war.
 

Rasch duckte sie sich in die Menge und drängte sich an einigen Menschen vorbei, ehe sie aufatmend in eine ruhigere Ecke kam. Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte, dass es schon spät war und sie überlegte, ob sie bald verschwinden konnte. Lange jedoch musste sie nicht mehr aushalten.
 

Einige Meter entfernt befand sich das nächste Fenster, in dem sie sich gut erkennbar spiegelte. Dafür, dass sie sich heute Abend eigentlich ziemlich gestresst fühlte, sah sie noch äußert umwerfend aus. Vielleicht sollte sie sich gleich mal kurz auf die Toilette verziehen, um ihren Lippenstift nachzuziehen, wenn sie sich nicht dazu entschloss, bald zu verschwinden. Mit wem musste sie noch…?
 

Mit einem Schlag änderte sich plötzlich die Atmosphäre um sie herum. Es wirkte subtil, aber doch spürbar und eine Gänsehaut überzog ihre nackten Arme. Die feinen, goldenen Härchen in ihrem Nacken und auf ihren Armen stellten sich auf, als wäre die Luft plötzlich mit Elektrizität geladen und ein hohes Zirpen drang an ihre Ohren, das sie nicht einordnen konnte. Verwirrt blickte sie sich um, aber niemand außer ihr schien es zu bemerken, die Leute redeten, lachten, tanzten, alles schien normal zu sein, auch wenn sich plötzlich alles drehte. Aber so viel hatte sie doch gar nicht getrunken…
 

Sie taumelte und dann klirrte etwas über ihr und unwillkürlich wanderte ihr Blick hinauf zu dem Kronleuchter, dessen im goldenen Licht funkelnde Kristalle hin- und herschwangen und aneinanderstießen. Die Spannung um sie herumstieg an und sie holte tief Luft und versuchte, das Schwindelgefühl loszuwerden, das sie gepackt hielt, während das Klirren über ihr lauter wurde. Ein unerbittliches Gefühl drängte sie dazu, sich zu bewegen, sich zu entfernen, doch sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Die Luft war geladen wie von Elektrizität.
 

Dann knallte etwas, wie ein Seil, das abrupt gekappt wurde, das Licht direkt über ihr verlosch mit einem Schlag und für einen Moment war sie sicher, gleich zu sterben. Dann kollidierte ein schwerer Körper mit ihr, riss sie um und mit sich, so dass sie einige Schritte über die blankpolierten Fliesen schlitterten.
 

Der Kronleuchter knallte mit ohrenbetäubenden Krachen und Klirren auf dem Boden auf, dort, wo sie eben noch gestanden hatte. Kristalle zerbarsten wie überreifes Obst und die Splitter sprangen in alle Richtungen davon.
 

Erschrockene Aufschreie drangen an ihre Ohren, übertönten das Nachklirren des Kristalls und gingen in ein entsetztes Gemurmel über. Desorientiert blinzelnd starrte Lucy nach oben, direkt in Natsus besorgte, dunkle Augen, der sie eingehend musterte. Ihr Hinterkopf pochte heftig, doch das Schwindelgefühl war wieder verschwunden.
 

Dann setzte ihr Beschützer sich mit einem erleichterten Lächeln auf. „Es geh dir gut!“, stellte er erfreut fest. Kristallsplitter funkelten in seinen Haaren und er hatte einen blutigen Kratzer auf der Stirn. „Ein Glück.“ Er schaute über seine Schulter zu dem gefallenen Kronleuchter hinüber und Lucy folgte sich aufrichtend seinem Blick.
 

Bei dem Anblick wurde ihr schlecht. Der Lüster hatte einen Durchmesser von mindestens einem Meter und drei metallene Ringe, an denen Ketten von Kristalljuwelen befestigt waren. Unter der Wucht des Aufpralls waren die Fliesen zersplittert, ebenso wie die schweren Kristalle, die im Umkreis verteilt lagen wie um einen Krater.
 

Hätte Natsu sie nicht aus dem Weg gestoßen, hätte der Leuchter sie erschlagen. Dann wäre sie tot. Der Gedanke allein ließ sie erzittern und mit einem Mal wusste sie, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hatte. Irgendwer hatte es auf sie abgesehen und er benutzt etwas Übernatürliches als Waffe.
 

Nur nebensächlich bekam sie mit, wie er ihr auf die Füße half, die Augen noch immer weit aufgerichtet auf den zertrümmerten Lüster gerichtet. „Du zitterst ja.“, hörte sie Natsu und er griff mit warmen Fingern nach ihren Händen.
 

„Miss! Geht es ihnen gut?“, drang eine andere Stimme zu ihr durch und jemand fragte: „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“
 

„Was für ein Unglück!“, jammerte eine Frau sensationsgierig.
 

„Meine Güte, das hätte schlimm ausgehen können…“ Leute drangen auf sie ein und sie wich erschrocken zurück, bis eine vertraute Präsenz sich dazwischenschob.
 

„Lassen Sie ihr Platz, verdammt noch mal!“, protestierte Natsu, dann legte sich etwas Warmes um ihre Schultern und sein Duft stieg ihr in die Nase, sein Aftershave, der Geruch von Feuer und etwas, das nur er selbst war… Erst, als sie am Kragen seiner Anzugjacke zupfte, die er ihr um die Schultern gelegt hatte, erkannte sie, woran das lag. Dankbar zog sie den weichen Stoff enger um die Schultern. Ihr fröstelte.
 

„Lucy!“ Das war Erza und sie zwang sich, aufzublicken um der anderen Frau ins Gesicht zu sehen. „Ein Glück, dass dir nichts geschehen ist! Geht es dir gut?“
 

Abgehakt nickte Lucy, obwohl ihr Hirn ihr vage mitteilte, dass sie einen Schock hatte. Aber sie lebte noch! So knapp!
 

Erzas braune Augen bohrten sich besorgt in ihre, als die Rothaarige sich vorbeugte, um in ihr Gesicht zu spähen. Doch Erza richtete ihre befehlenden Worte an Natsu. Normalerweise hätte Lucy heftig dagegen protestiert, einfach so übergangen zu werden, aber im Moment war das wohl das Beste. „Bringen Sie sie nach Hause und kümmern sich um sie. Am besten rufen Sie einen Arzt für sie, jemand in ihrem Haushalt wird schon die Nummer haben. Bleiben Sie bei ihr, kann ich mich auf Sie verlassen?“
 

„Absolut, Ma’am.“, antwortete Natsu, doch Lucy konnte nicht erkennen, ob er den Kommentar spöttisch oder absolut ernst meinte.
 

„Gut. Ich kümmere mich um dieses Chaos hier.“ Erzas Stimme verklang in dem allgemeinen Stimmengewirr, da Natsu Lucy bereits davonführte. Er hatte einen Arm um ihre Schultern geschlungen und achtete darauf, dass sie nicht fiel. Sein gesamter Körper war angespannt und sie konnte seine Unruhe fühlen, trotzdem presste sie sich schutzsuchend an ihn. Seine Gegenwart allein hielt sie noch auf den Beinen und spendete ihr Trost.
 

Dabei war seine Aufmerksamkeit nicht einmal auf sie gerichtet; er blickte sich dauernd um, als würde er etwas suchen, aber nichts finden. Erst, als die kühle Nachtluft über ihr Gesicht strich, entspannte er sich etwas.
 

Unten an der Freitreppe stand der rote Mustang und der Portier hielt ihnen bereits die Türen auf und half Lucy beim Einsteigen und Anschnallen. Kurz darauf machte der Wagen einen Satz unter ihr. „Arzt, verdammt noch mal.“, konnte sie Natsu knurren hören, während er sein Auto in einem großen Bogen herumlenkte und auf das Tor zu. „Ein Arzt wird dir jetzt nicht helfen. Wenn du diese Nacht überleben willst, brauchst du eine Hexe.“
 


 

3. Down The Rabbit Hole
 

Vage nahm Lucy war, wie Lichter an ihr vorbeizogen. Sie verwischten vor ihren Augen zu langen Schlieren und flossen ineinander, wie Wasserfarben, über die man mit einem feuchten Pinsel wischte. Die Autos, Menschen, Bäume und Gebäude, die an ihr vorbeizogen, verschwammen und wurden zu undeutlichen Silhouetten.
 

Die Fensterscheibe presste sich kühl gegen ihre Stirn und langsam wurde sie sich ihrer Umgebung wieder gewahr. Dann wurde die Welt vor ihrem Fenster klarer und deutlicher und die Bewegungen langsamer, kamen schließlich zum Halt. Sie konnte den Gehsteig sehen, die Hauswand nur wenige Schritte von ihr entfernt, die mit einem Graffity beschmiert war, und als sie leicht den Kopf wandte, sah sie eine Gruppe Jugendlicher in Partyaufmachung, die die Straße herunterkam.
 

Sie blinzelte erneut; die Welt war gestochen scharf und deutlich vor ihren Augen, und sie saß in Natsus Auto, das gerade an einer Ampel stand. „Wo sind wir?“, wollte sie wissen und setzte sich auf. Sie fühlte sich schwach und matt und fröstelte noch immer, doch ihr Verstand spielte wieder mit. Dankbar zog sie die Anzugjacke enger um die Schultern und warf ihrem Begleiter einen Blick zu.
 

Er starrte geradeaus aus dem Fenster, die Hände so fest um das Lenkrad gekrallt, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstanden. „Auf dem Weg zu jemandem, der dir helfen kann.“, erklärte er kurz angebunden und beschleunigte ein bisschen zu schnell, so dass sein Auto einen Satz machte. Seine Stimme klang abgehetzt, aber beherrscht.
 

Sie blinzelte ihn an und versuchte, ihr Hirn zum Laufen zu bringen, während sie sich den Kopf darüber zerbrach, was er meinte. Hatte er nicht etwas gesagt, als sie das Feenschloss verlassen hatten? Etwas über… über… „Eine … Hexe?“ Das allein kam ihr verrückt vor. Hexen. In welchem Horrorfilm war sie jetzt gelandet?
 

„So in etwa.“, antwortete Natsu und eine steile Falte hatte sich zwischen seinen Brauen gebildet. Offensichtlich war er nicht glücklich darüber. „Ich hab wirklich gehofft, dass wir darum herumkommen, aber das ist das einzige, was ich mir im Moment einfällt.“
 

Lucy holte tief Luft. Sie verstand nicht ganz, was er meinte, auch wenn seine Worte alle Sinn machten. Aber vorhin war sie noch die Dumme gewesen, die an etwas Übernatürliches geglaubt hatte – Flüche, Geister, was auch immer. Was verstand sie denn davon? Selbst die Recherchen für ihre Bücher waren selten in diese Richtung gegangen, da sie meistens zeitgemäßes Drama schrieb.
 

Zugegeben, Natsu war niemals direkt auf dieses Thema eingegangen, auch nicht, als sie es angedeutet hatte, aber es war so weit hergeholt. Und jetzt brachte er sie auf einmal zu einer Hexe?!
 

„Okay, Stopp, Auszeit!“, verlangte sie und er trat reflexartig auf die Bremse, so dass sie nach vorne in den Gurt geworfen wurde.
 

„Lass das!“, fauchte er gereizt und beschleunigte unter einem Hupkonzert hinter ihnen wieder.
 

Er machte eine rüde Geste nach hinten, aber sie ließ nicht zu, dass er etwas sagte, sondern begann einfach zu reden: „Alles von vorn! Was ist da vorhin passiert und warum bist du so und … eine Hexe?! Im Ernst?“
 

Der Abend hatte so gut angefangen, ganz normal, mit Natsu an ihrer Seite hatte sie sich sogar das erste Mal seit Tagen sicher gefühlt und seine Gegenwart war alles andere als unangenehm. Aber dann dieser Schwindelanfall, gefolgt von einem Kronleuchter, der heruntergefallen war und sie beinahe erschlagen hatte – das war nicht mehr normal.
 

Das war ein Kronleuchter, der ganz sicher mehrmals im Jahr überprüft wurde, damit so etwas eben nicht geschah. Das Feenschloss hatte einen äußerst guten Ruf, der jetzt unwiederbringlich angeschlagen war, ganz zu schweigen von den Kosten, die dadurch entstanden waren. So ein Lüster war nicht billig, vor allem nicht in dieser Größe.
 

„Also. Was ist da eben passiert? Und komm mir nicht mit Unfall oder so einem Quark, wir wissen beide ganz genau, dass das kein Zufall war!“
 

Natsu schwieg, die Augen konzentriert auf die Straße gerichtet. Inzwischen waren sie wieder zurück in Magnolia, bemerkte Lucy beiläufig. Gerade durchquerten sie das Randgebiet der Innenstadt, doch ihr Ziel schien nicht hier zu liegen. Aber das interessierte sie jetzt nicht wirklich, es gab wichtigere Fragen zu klären.
 

„Auf dir liegt ein Todesfluch.“, erklärte er, gerade als sie noch einmal auf ihn eindringen wollte.
 

Sie starrte ihn an. „Was.“
 

„Ein Todesfluch.“, wiederholte er mit bemüht ruhiger Stimme.
 

„WAS?!“ Inzwischen war sie so weit, ihm jedes Wort einfach zu glauben, egal, wie verrückt es klang. Aber so etwas hatte sie nicht erwartet. Ein Fluch, um sie zu töten. Wie sollte sie denn damit umgehen?! Was sollte sie denn dagegen tun? Sie wollte nicht sterben!
 

Aber es bedeutete aber noch etwas ganz Anderes: Jemand wollte sie tot sehen.
 

Allein der Gedanke, ließ ein kaltes Gefühl ihren Rücken hinaufsteigen, wie eisige Finger, die ihr Rückgrat entlangstrichen. Sie schauderte und schrumpfte auf ihrem Sitz zusammen, als könnte dieser sie schützen.
 

„Es klingt schlimmer, als es ist.“, versuchte Natsu sie zu beruhigen. Aber Todesfluch klang schon ziemlich schlimm, da halfen alle Beruhigungsversuche nicht viel! „So ein Fluch hat Einschränkungen und so. Er bedient sich der Umgebung, um seine Opfer zu töten, und danach gibt es eine Aufladezeit, falls es nicht funktioniert hat wie bei dir und dem Kronleuchter. Im Moment bist du also in Sicherheit, weil er ruht.“
 

„Und wie lange dauert das an? Das ist doch nur eine Verschnaufpause! Was mache ich, wenn er wieder aufgeladen ist?“, versuchte sie, nicht in Panik auszubrechen. „Bleibst du für immer bei mir und reißt mich aus dem Weg von herunterfallenden Dingen?“ Auf diese Weise musste es auch Riko erwischt haben und der Blumentopf machte auf einmal viel mehr Sinn. Und Nalshe war vor ein Auto gelaufen und DeZille… Irgendwas war da passiert, dass sie gestorben waren, eine Verkettung von Zufällen, die durch den Fluch hervorgerufen worden waren.
 

„Natürlich nicht“, riss Natsu sie aus den Gedanken „das wird nicht ewig funktionieren und der Fluch wird mit jedem Mal stärker. Irgendwann würde ein Gebäude über dir zusammenbrechen oder sowas – es interessiert ihn nicht, wie viele andere Leute dabei noch zu Schaden kommen. Darum sind wir ja auf dem Weg, ihn brechen zu lassen.“
 

„Von einer Hexe.“ Aus irgendeinem Grund war das der Punkt, den sie am Wenigsten fassen konnte. Vielleicht, weil sie bei dem Wort Hexe automatisch an das Klischeebild einer alten, buckligen Frau mit schwarzem Kleid und spitzem Hut denken musste, Warzen auf der Hakennase und einem krummen Rücken, um die Füße eine schwarze Katze oder einen Raben auf der Schulter. Aber warum auch nicht?! Im Moment hatten sie sogar die richtige Jahreszeit dafür, mit Halloween direkt vor der Tür!
 

„Der Fokus, den wir in dem Hotelzimmer gefunden haben, würde übrigens auch passen.“, bemerkte Natsu beiläufig und bog von der Durchgangsstraße ab. Die Gegend kannte sie, ein ehemaliges Arbeiterviertel, in dem jedoch jetzt die obere Mittelschicht und einige Neureiche lebten.
 

Vor mehr fünf Jahren hatte die Stadt alles hier aufgekauft, als die Zustände unhaltbar geworden waren. Eine Weile war darüber gegrübelt worden, alles zu renovieren, da es historischen Wert hatte, weil die Gebäude noch aus der Zeit der Industriellen Revolution und der Jahrhundertwende stammten. Doch das hatte sich als zu teuer herausgestellt, also hatten sie alles platt gemacht und neue Häuser bauen lassen sowie die Grundstücke verkauft.
 

Jetzt sah alles sehr geschniegelt und modern aus und Lucy gefiel es überhaupt nicht. Das einzige alte Gebäude, das noch stand, war der Bahnhof, ein grandioses, wunderschönes Backsteingebäude mit Uhrenturm und großartiger Front, den jemand gekauft hatte um ihn zu renovieren und dann die Wohnungen darin zu vermieten.
 

Lucy traute ihren Augen kaum, als die schnieken Häuser an ihnen vorbeizogen und fragte ungläubig: „Die Hexe wohnt hier? In diesem Viertel? Was, ist sie nebenher Hausfrau, hat sie drei Kinder und einen Ehemann, der morgens pünktlich zu seiner Arbeit auf der Bank fährt, oder was?“
 

Natsu starrte sie an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Das Auto schwankte gefährlich und Lucy hielt sich reflexartig am Armaturenbrett fest. „Achtung!“, rief sie aus, während er den Wagen noch immer lachend wieder unter Kontrolle brachte.
 

„Oh man! Dieses Bild!“ Natsu lachte noch stärker. „Herrlich!“
 

Anscheinend traf ihre Vermutung nicht ganz zu, aber er brauchte sie deswegen trotzdem nicht in Lebensgefahr zu bringen! „Schön und gut, aber würdest du dich bitte auf die Straße konzentrieren? Wie lange habe ich überhaupt noch, bis der Fluch wieder zuschlägt? Du hast sicher keine Lust, dass wir einen Unfall bauen!“
 

Letzteres brachte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und er beruhigte sich. „Das kann man nicht sagen, keine Ahnung, woran das liegt, so gut kenne ich mich mit Flüchen auch nicht aus. Kannst du ja nachher fragen. Aber wir sind eh gleich da.“
 

Sie rumpelten über einige stillgelegte Schienen und kurz darauf konnte sie den Bahnhof vor ihnen auftauchen sehen. Hinten, wo früher die Bahnsteige gewesen waren, ging eine freie Fläche hinaus. Man konnte die ursprüngliche Anlage noch erkennen, doch alle Dächer und Unterstände waren entfernt worden und anscheinend waren auch der Versuch unternommen worden, die Plattformen zu beseitigen. Die Gleise hatte die Stadt komplett entfernen lassen, auch auf diesem Privatgrundstück, das ziemlich verwildert und überwachsen wirkte und absolut finster war.
 

Das langgezogene, ehemalige Bahnhofsgebäude erhob sich davor, eine kantige Silhouette mit einem niedrigen Turm und mehreren Erhebungen und Gauben im Dach, so dass es sehr unförmig wirkte. Da es schon sehr spät war, brannten nur noch wenige Lichter und das Eingangsportal mit seinem hohen, halbrunden Fensteraufbau war nur dimm beleuchtet. Die große Halle dahinter mit ihren Galerien, über die man offensichtlich die Wohnungen betreten konnte, war durch das Glas gerade noch so zu erkennen. Unförmige Schemen erweckten den Eindruck, dass dort jemand sein könnte, der sie durch die Scheiben beobachtete, und Lucy erschauderte.
 

Doch Natsu fuhr durch einen hohen Torbogen auf einen gepflasterten Hof, auf dem ein paar Autos standen, und ließ den Mustang bis ganz nach hinten rollen. Hier wurde der Platz durch eine hohe Hecke begrenzt, aus der Äste über die Pflastersteine hingen und nur wenig entfernt von ihnen war ein Loch in der Mauer, hinter dem es kohlschwarz war. Erst nach einem Moment erkannte Lucy, dass es sich um einen zweiten Torbogen handelte, kleiner und für Personen bestimmt, der in die hohe Mauer eingelassen war. Offensichtlich umschloss sie den Garten oder vielleicht nur einen Hinterhof, trotzdem durchfuhr sie ein schauriges Gefühl.
 

Früher hatten sie und Levy und ein paar andere Freundinnen sich gern alte Häuser angesehen oder verlassene Gebäude, am besten nachts – eben für dieses Gruselgefühl, wohl wissend, dass es einfach nur der Reiz des Verbotenen und Schaurigen gewesen war, der Adrenalinschub, der durch die unbekannte Umgebung, die Dunkelheit und die unheimlichen Geschichten, die solchen Orten immer anhafteten, hervorgerufen wurde, die sie so gereizt hatten. Dabei war alles nur ein großer Spaß gewesen und die schlimmste Gefahr, die ihnen gedroht hatte, wären ein umgeknickter Knöchel oder ein paar aufgeschrammte Knie gewesen, wenn sie an dem unebenen Boden hängen geblieben wären.
 

Jetzt aber war alles und die Realität sah weit fürchterlicher aus als die Spielereien und Scherze und ihren Phantastereien, denen sie sich damals hingegeben hatten. Das Schlimmste, das ihr jetzt passieren würde, war… ja, was war es…? Der Tod war ganz sicher nur eine Möglichkeit, wie es grausam für sie enden konnte.
 

Sie wollte gar nicht wissen, was die Dunkelheit noch für sie bereithielt.
 

Was gab es da draußen noch alles, wenn es Hexen in Wirklichkeit gab und Flüche – wo hörte das auf? Was war mit Dämonen? Vampiren und Werwölfen? Das Monster unter dem Bett? Wie weit ging das?
 

Aber eigentlich wollte sie das gar nicht wissen. Sie wollte einfach nur, dass es Tag war und alles vorbei.
 

Doch statt ihren Wunsch erfüllt zu bekommen, ließ sie sich von Natsu aus dem Auto helfen. Es war kalt, immerhin war es schon Ende Oktober, und eine Gänsehaut breitete sich über ihre Beine aus. Das schwarze Kleid war zwar wunderschön, aber schützte sie nur minimal vor Wind und Wetter und der tiefe Ausschnitt trug ebenfalls nicht dazu bei.
 

Fröstelnd zog sie Natsus Anzugjacke enger um ihre Schultern und folgte ihm zu dem dunklen Torbogen hinüber, der nun aussah wie das geöffnete Maul eines Untiers oder besser – ein Portal direkt in die Hölle. Erneut erschauderte sie und rückte unwillkürlich näher an ihn heran. Er wirkte so selbstsicher, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen.
 

Unbehaglich die Schultern hochziehend blickte sie sich um. Etwas raschelte im Gebüsch und sie fuhr erschrocken herum, doch natürlich konnte sie nichts erkennen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass jemand – oder etwas – sie aus der Dunkelheit heraus beobachtete. Sie konnte den scharfen Blick zwischen den Schulterblicken spüren, als sie sich wieder umwandte, um Natsu hastig zu folgen.
 

„Ich glaube, hier ist jemand.“, flüsterte sie ihm zu, als er den Kopf reckend in die Dunkelheit spähte, und warf erneut einen beunruhigten Blick zurück.
 

„Kann schon sein.“, war Natsus nicht sehr beschwichtigende Antwort. „Warum zum Teufel haben die hier kein Licht?“, murrte er dann frustriert und packte kurz entschlossen ihre Hand. „Bleib bei mir, in Ordnung?“
 

Seine Finger waren warm und sein Händedruck fest, genau das, was sie jetzt brauchte, um überhaupt unter dem Torbogen hindurchzugehen. Der Boden unter ihren Füßen war fest, ein Plattenweg, der sich in der Finsternis verlor, und sie hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu treten.
 

Über ihr war der Himmel weit und wolkenlos, übersät von so vielen Sternen, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Der Mond war eine Sichel, scharf und silbern wie eine Klinge. Um sie herum war es still und sie zuckte zusammen, als ein Käuzchenruf zu ihr herüberscholl. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das wenige Licht, während sie gleichzeitig das Gefühl hatte, dass um sie herum überall kleine, unsichtbare Lichtquellen erschienen, die ihr das Sehen überhaupt ermöglichten.
 

Vage Silhouetten und Schemen tauchten aus der Dunkelheit auf – die Mauern, der helle Weg, der quer durch den Garten führte, ein hoher Baum, der sich in der Mitte desselben erhob, Hecken, die entlang der Abgrenzungen wuchsen, eine seltsame Form, die sie nach einem Moment als eine aufrecht stehende Schubkarre erkannte, eine Regentonne… Dann machte sie ein paar Treppenstufen aus, die zu einer Haustür führten, und sah sich nervös um. Irgendwie erwartete sie, dass da noch etwas kam, dass etwas dort lauerte, direkt außerhalb ihres Radius‘ und nur darauf wartete, zuzuschlag-
 

Sie schrie erschrocken auf, als zwei glühende Augen in der Dunkelheit auftauchten und sie durchdringend anstarrten.
 

„Wa…?“, begann Natsu und schob sie reflexartig hinter sich. Lucy war wie versteinert vor Angst und ihr Herz schlug so hart, dass sie es an den Rippen und im Hals spüren konnte. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Was war das?!
 

Dann bewegte sich dort in der Finsternis etwas, ein gigantischer, schwarzer Schatten, massig und kraftvoll. Ein tiefes, drohendes Knurren ertönte und sie konnte die Zähne aufblitzen sehen, Fänge lang wie ihre Finger, entblößt zu einem furchteinflößenden Zähnefletschen.
 

„Wa… was ist das?!“, rief sie entsetzt aus, während die Kreatur näherkam. Sie schien immer größer zu werden, die Bewegungen fließend und bedrohlich. Würde sie sie gleich anfallen und zerfleischen? Das tiefe Grollen wurde lauter.
 

Natsu räusperte sich. „Bist du das, Minerva?“ Das Monster kam näher, ein Ungetüm aus Fell und Muskeln und einem mächtigen Gebiss, die glühenden, grünen Augen noch immer fest auf die beiden Eindringlinge gerichtet, und trat endlich nahe genug, dass Lucy es ausmachen konnte.
 

Es war ein Hund, erkannte sie nach einem Moment, aber das nahm ihm nicht viel von dem Schrecken. Der Kopf war fast in der Höhe ihrer Brust, die Pranken größer als ihre eigenen Hände, die Rute war drohend aufgerichtet und der ganze Körper so massig, dass das Tier sie vermutlich nur umzurennen bräuchte, um ihr sämtliche Knochen zu brechen. Das jettschwarze Fell war dicht und lang, der Kopf von einer Art Mähne umgeben, die einem Löwen alle Ehre gemacht hätte. Und mit der geduckten Haltung und den gefletschten Zähnen sah er alles andere als freundlich aus.
 

„Oh, hey, Minerva.“, sagte Natsu und seiner Stimme war die Nervosität deutlich anzuhören. „Wir sind wegen eines Jobs hier.“
 

Das Knurren wurde wilder und erneut wurde Lucy unangenehm an einen wütenden Löwen erinnert. Hätte Natsu sie nicht vorwarnen können, dass hier so ein Vieh herumlief? Dann würde sie sich jetzt vielleicht nicht fast vor Angst in die Hose machen.
 

„Das ist Lucy.“, stellte der Detektiv sie vor, als könnte der Hund die Worte verstehen. „Äh… Lucy Heartphilia. Sie braucht die Hilfe deines Meisters.“
 

Das Maul öffnete sich zu einem wütenden Knurren und Natsu schreckte zurück. „Ich meine, ja…“ Der Hund duckte sich wieder und schlich um sie herum, die Augen fest auf Lucy gerichtet, misstrauisch, abwägend, feindselig.
 

„Hör mal.“, versuchte Natsu es erneut. „Können wir nicht eine kurze Pause einlegen? Es ist wirklich nicht leicht, sich zu erklären, wenn wir befürchten müssen, dass du uns gleich anfällst und … so. Verstehst du? Lucy hier ist wirklich keine Gefahr für dich. Oder deinen Meister.“
 

Der Hund hielt inne und das Knurren verstummte, doch seine Haltung lockerte sich nicht. Eine falsche Bewegung und er würde sie anfallen, daran hatte Lucy keinen Zweifel.
 

„Ich weiß, es ist schon spät und eigentlich würde ich auch bis morgen warten, wenn das nicht ein Notfall wäre. Und ich weiß wirklich nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Siehst du, auf Lucy hier liegt ein Todesfluch. Sie hat mich für einen Fall engagiert und ich bin dran, aber einen Fluch kann ich nicht brechen.“
 

Der Hund blinzelte ein paar Mal. Dann richtete er sich auf und setzte sich, den Kopf schief gelegt. Natsu atmete erleichtert auf und die Anspannung verließ seinen Körper. Ermutigend drückte er Lucys Hand, die er noch immer hielt. Anscheinend war die Gefahr überstanden.
 

„Danke.“, sagte er und machte eine Bewegung zum Haus hinüber. „Dürfen wir reinkommen? Ich weiß wirklich nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Der Fluch hat heute schon einmal zugeschlagen und ich will wirklich nicht riskieren, dass er eine zweite Gelegenheit bekommt.“
 

Nach einem Moment stieß der Hund ein leises Wuffen aus und erhob sich, um ihnen voraus zu trotten, auf die kurze Treppe zu. Die Tür öffnete sich von allein und der Hund setzte mit einem Sprung über die Stufen hinweg durch den Durchgang. Die beiden Menschen folgten langsamer und kaum hatten sie die Schwelle überschritten, flammten die Deckenlampen auf und endlich konnte Lucy wieder klar sehen.
 

Sie standen in einem kleinen Vorraum – auf einer Seite stand eine hohe Kommode, gegenüber befand sich eine Garderobe. Die Wände waren einfach weiß gestrichen und eine einfache Treppe aus Metall führte zu einer kleinen Plattform hinauf, um die geschlossene Doppeltür zu erreichen. Über der Kommode hing ein echtes Schwert an der Wand, das Lucy für einen Moment verwirrt anstarrte.
 

Hinter ihnen fiel die Tür wieder ins Schloss, aber aus irgendeinem Grund wirkte das weder seltsam noch bedrohlich auf Lucy, eher … beruhigend und tatsächlich hatte sie es erwartet. In jedem Horrorfilm sah man sich von selbst bewegende Türen, sie wäre ehrlich gesagt enttäuscht gewesen, wenn das hier nicht der Fall gewesen wäre.
 

Während Natsu sie anwies, die Schuhe auszuziehen, trottete der Hund bereits die Treppe hinauf. Auch jetzt im Licht sah er keinen Deut weniger gefährlich aus. „Sie ist ein Fu Hund.“, erklärte Natsu seiner Begleiterin leise, während er seine Schuhe einfach abstreifte, das gigantische Tier nicht aus den Augen lassend. „Ein magischer Wächterhund. Es gibt wirklich wenig, was dich und dein Hab und Gut besser schützen könnte.“
 

Lucy nickte – sie war zwar mit Alarmanlagen und Securitymenschen aufgewachsen, aber sie konnte sich durchaus vorstellen, dass dieses Ungetüm jeden noch so mutigen Einbrecher in die Flucht schlagen würde. Wenn man noch die magische Komponente hinzufügte, war es leicht zu glauben, mit einem solchen Beschützer sicher zu sein.
 

Strumpfsockig folgten sie Minerva die Treppe hinauf, wo die Tür erneut von allein aufschwang und in einen langen, geräumigen Flur führte. Links und rechts neben der Tür saßen zwei geflügelte Gargoyles auf dem Boden, die Lucy selbst in ihrer zusammengekauerten Haltung bis zur Hüfte reichten, und die Fratzen schauten sie mit gefletschten Zähnen an.
 

Sie warf ihnen einen skeptischen auf die Steinfiguren und folgte dann hastig Natsu. Als sie noch einen Blick über die Schulter warf, hatte sie das Gefühl, dass die Wasserspeier ihr mit dem Blick gefolgt waren, und sie erschauderte – Einbildung oder nicht, sie musste nicht alles provozieren. Hastig konzentrierte sie sich auf den Rest der Inneneinrichtung.
 

Mehrere Türen führten von dem Flur weg. Der Boden bestand aus hellem Holz und war warm genug, dass sie von einer Fußbodenheizung ausgehen konnte. In die Wände waren einige Nischen eingelassen, in denen Statuen standen, und dazwischen waren ein paar Schränke verteilt. Auf einer Kommode stand ein hölzerner Schwertständer mit einem Katana, einem Wakizashi und einem Tanto darauf. Außerdem entdeckte sie eine weitere Klinge an der Wand, so lang, dass man sie unmöglich mit nur einer Hand halten konnte.
 

Der Hund führte sie zielsicher auf die einen Durchlass in der Wand zu, der in einen großen, offenen Raum führte. Die gesamte hintere Wand musste aus Fenstern bestehen und führte auf den kohlschwarzen Garten hinaus, und Lucy erkannte nach einem Moment, dass dies die Rückseite der ehemaligen Eingangshalle sein musste.
 

Vom Eingang aus erkannte man gut eine Küche, die durch einen hohe Bar vom Rest des Zimmers getrennt war, und eine Tischgarnitur aus Holz, mit einer langen Bank und ein paar Stühlen. Einige Metallsäulen stützten die hohe Decke und zwischen zwei von ihnen hing eine Hängematte. Hohe Regale, größtenteils gefüllt mit Bücher oder CDs und Platten, säumten die Wände und einige Pflanzen waren im Raum verteilt. Eine offene Treppe führte zu einer Galerie direkt über dem vorderen Teil des Zimmers.
 

„Ich wundere mich, warum du immer wieder hier aufschlägst, Natsu.“ Die kühle Stimme gehörte einem jungen Mann, der mit überkreuzten Armen am Tresen lehnte. Er trug schwarze Jeans und ein ebenso schwarzes Hoodie mit einem Bandaufdruck darauf, doch unter der lockeren Kleidung zeichnete sich ein athletischer Körper ab. Er war hochgewachsen und schlank, seine Haltung gleichzeitig lässig und lauernd, wie eine Raubkatze, die jeden Moment aus der Ruhestellung zum Angriff übergehen konnte.
 

Das halblange schwarze Haar hatte er am Hinterkopf zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengefasst, während kürzeres Pony um sein Gesicht und über sein rechtes Auge fiel. Das andere war von einem intensiven roten Farbton, der Lucy erschaudern ließ, und eine senkrechte Pupille, die sie erneut an eine Katze erinnerte.
 

Er hatte ein hübsches, aber verschlossenes Gesicht, ein Eindruck, der durch die zusammengezogenen Augenbrauen noch verstärkt wurde, und quer über seine Nase zog sich eine Narbe. Einen Moment musterte er Lucy eingehend, die das Gefühl hatte, dass sein Blick sie durchleuchtete und direkt in ihre Seele drang, um ihre dunkelsten Geheimnisse zu erkennen.
 

Am liebsten hätte sie sich hinter ihrem Begleiter versteckt, stattdessen straffte sie die Schultern und starrte zurück, auch wenn sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Nur keine Blöße zeigen!, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie hatte immer noch Angst, aber sie wollte verdammt sein, ehe sie das zeigte.
 

Der Schwarzhaarige machte eine kurze Bewegung mit dem Kopf in die Richtung, wo eine Wand ihren Blick auf die hintere Hälfte des Zimmers versperrte, eine wortlose Einladung. Offensichtlich war er kein Mann der großen Reden.
 

Natsu hob die Arme und ging voran. „Was soll ich sagen?“, begann er und Lucy beeilte sich, ihm zu folgen. „Irgendwie finde ich mich immer hier wieder, ob ich nun will oder nicht. Und meistens will ich nicht.“
 

Unter der Galerie heraustretend wirkte der große Raum noch beeindruckender als vorher schon, da er sich zu beiden Seiten ausstreckte. Weitere Türen führten in die Räume dahinter und eine große Wohnzimmersitzgarnitur bildete zu ihrer rechten Seite den Mittelpunkt. Hier stapelten sich noch mehr Bücher, oft alte, in Leder gebundene Wälzer, deren Wert Lucy nicht einmal schätzen wollte.
 

„Wie ein schlechter Pfennig.“, mischte sich der junge Mann ein, der im Schneidersitz in der Ecke des Sofas saß. Sein kurzes, blondes Haar stand wirr in alle Richtungen ab und er hatte jene Art von Gesicht, für die andere Leute töten oder ihre Seele verkaufen würden. Frauen mussten ihm zu Füßen liegen. Eine Narbe zog sich quer an seinem rechten Auge vorbei und spaltete die Braue, die Augen selbst waren schmale Katzenaugen von einem intensiven Kobaltblau. Zu einer einfachen Jogginghose war er in ein lockeres T-Shirt gekleidet, die seinen athletischen Körperbau nicht schmeichelten. Um die Handgelenke trug er zwei breite Ledermanschetten, über die sich je drei dünnere Bänder zogen, auf die mit Symbolen versehene Metallquadrate gezogen waren.
 

Neben ihm auf einem farbenfrohen Quilt lag lang ausgestreckt eine schneeweiße Angorakatze mit flauschigem Fell und großen, bernsteinfarbenen Augen. Sie starrte die Neuankömmlinge unentwegt an. Minerva tappte an dem Schwarzhaarigen vorbei und ließ sich schwer neben dem Sofa auf den flauschigen Teppich fallen.
 

Der Blonde machte sich nicht einmal die Mühe, aufzustehen, sondern legte nur beobachtend den Kopf schief. „Man könnte meinen, du vermisst uns.“, grinste er, doch der Ausdruck hatte etwas Zähnefletschendes und ganz und gar Unfreundliches.
 

„Wenn ich eine Wahl hätte, wäre ich nicht hier, das kannst du mir glauben. Dann müsste ich deine hässliche Fratze nicht mehr sehen.“ Der feindselige Unterton in Natsus Stimme war nicht zu überhören und Lucy warf ihm einen erstaunten Blick zu.
 

Trotz aller Formlosigkeit und Leichtfertigkeit war Natsu bis jetzt nur einmal ausfällig geworden und selbst das war nicht so heftig gewesen. Er war ihr als jemand erschienen, den so leicht nichts wirklich auf die Palme bringen konnte. Was war bloß in ihn gefahren und wer war dieser Kerl, dass er so eine Wirkung auf Natsu hatte?
 

„Reiß hier bloß das Maul nicht so weit auf.“, knurrte der nicht weniger aggressiv zurück. „Sonst kannst du dich gleich wieder verpissen.“ Sein scharfer Blick wanderte zu Lucy hinüber. „Und du bist nie ohne guten Grund hier.“ Er grinste, wohl wissend, dass sie auf ihn angewiesen waren.
 

Apropos, konnten sie nicht bald zur Sache kommen? Wie lange ging die Aufladezeit des Fluches noch und wie lange würde es überhaupt dauern ihn zu brechen? Und warum vergeudeten sie hier wertvolle Zeit mit diesen Kindereien?! Es war immerhin Lucys Leben, das am seidenen Faden hing!
 

Natsu allerdings hob wegwerfend die Hände. „Ich bin nun mal nicht der Typ für Höflichkeitsbesuche und dich will eh niemand freiwillig sehen.“
 

Lucy warf einen halb verwirrten, halb verärgerten Blick zu dem Schwarzhaarigen hinüber – sie konnte immer noch nicht fassen, dass Natsu sich so verhielt –, doch der beobachtete die Szene nur mit verschränkten Armen und einem ausdruckslosen Gesicht. Anscheinend war es nicht unüblich, dass die beiden sich so anpissten.
 

„Schließ nicht von dir auf andere, du Hackfresse.“, raunzte der Blonde zurück. Sein Rücken war gerade wie ein Stock und seine Augen funkelten wütend, doch er hatte sich noch immer nicht von seinem Platz erhoben.
 

Das schien Natsu nur noch mehr zu reizen, so dass er wirkte, als würde er gleich um den Tisch herumgehen und ihn auf die Beine zerren. Lucy fragte sich, ob sie sich einschalten sollte – Hallo! Sie hatten einen guten Grund, hier zu sein! –, da Natsu nicht bereit schien, als erster nachzugeben, als der Schwarzhaarige sich endlich einmischte: „Verschwende nicht unsere Zeit, Natsu.“
 

„Genau!“, stimmte der Blonde grinsend zu. „Was genau willst du hier? Und wer ist das Tittenwunder?“
 

Reflexartig zog Lucy die Jacke am Kragen zusammen und plusterte sich auf. Tittenwunder?! Dem zeigte sie gleich ein Wunder…!
 

Blondie auf seinem Sofa grinste sie jedoch nur herausfordernd an, als wollte er sie zu einer Antwort provozieren. Vielleicht hätte er damit einen guten Grund, sie hinauszuwerfen. Plötzlich verstand sie Natsus Reaktion auf diesen unerträglichen Kerl! Wenigstens blickte Blondie ihr dabei in die Augen und starrte ihr nicht auf das offenherzige Dekolleté, dessen sie sich plötzlich überaus bewusst war und das von Natsus nachlässig übergeworfener Jacke doch nur unzulänglich bedeckt wurde.
 

Dann holte sie tief und zitternd Luft und sagte gar nichts. Die Nacht war auch schon so aufregend und überreizend genug gewesen, da musste sie sich nicht auch noch mit einem völlig Fremden streiten. Außerdem, wo war jetzt diese Hexe, von der Natsu gesprochen hatte? Irgendwie hatte sie das Gefühl, etwas zu übersehen und zwei und zwei nicht zusammenzuzählen. Aber es war ein langer Tag gewesen! Wer konnte ihr verübeln, dass ihr Verstand nicht mehr hundertprozentig arbeitete?
 

„Das ist Lucy Heartphilia.“, erklärte Natsu ohne weitere Umschweife und sie war ihm dankbar dafür, nicht schon wieder in einen heftigen Wortwechsel zu fallen. „Sie steckt in ein paar Schwierigkeiten.“ Das war wohl noch untertrieben… Immerhin war es bereits zu Morden gekommen…
 

Dann wandte Natsu sich an Lucy. „Darf ich vorstellen? Sting Eucliffe, ortsansässiger Hexenmeister und leider das einzige in dieser Richtung, das du hier in der Gegend findest.“
 

Oh! Das hatte sie übersehen… Wie dumm von ihr, das nicht zu erkennen…
 

Doch Natsu war noch nicht fertig, er gestikulierte zu dem Schwarzhaarigen hinüber. „Und das ist sein persönlicher Haussklave, Rogue Cheney.“
 

Der stieß nur ein Schnauben aus bezüglich der verächtlichen Vorstellung, doch der Blonde verengte feindselig die Augen und zeigte Natsu den Mittelfinger. „Fick dich, du Arsch.“
 

„Eher vögel‘ ich deinen Hund.“, schnappte der zurück.
 

Das Tier, das eben noch entspannt auf seinem Platz gelegen hatte, hob den Kopf und knurrte ungehalten. Sting grinste. „Sieht aus, als hättest du gerade einen Korb bekommen.“
 

Rogue schnaubte wieder belustigt und Natsu setzte erneut zu einer heftigen Antwort an, doch jetzt platzte Lucy der Kragen. Wenn das so weiterging, würde der Fluch sie umbringen, ehe Natsu ihr Anliegen vortrug! Und sie hatte wirklich keine Lust, von einem dieser Schwerter erschlagen zu werden, die hier überall herumfuhren, oder was auch immer der Fluch als geeignet für ihr Ableben befand!
 

„Könnt ihr bitte aufhören mit diesem Schwanzvergleich?!“, fauchte sie wenig damenhaft. „Es ist mein Leben, das hier in Gefahr ist! Könnten wir uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren!“
 

Für einen Moment starrten alle Anwesenden – inklusive der Hund und die Katze, verdammt noch mal! – sie an, aber sie war viel zu aufgebracht, um jetzt zurückzustecken. Sie hatte ja nicht Unrecht! „Nun?“, wollte sie wissen, als niemand sich rührte.
 

Rogue war es, der sich zuerst fing, und sich betont ruhig erkundigte: „Worum geht es genau?“ Anscheinend war er gewillt, das Gespräch auf einer professionellen Ebene zu halten und über das Geschäftliche zu reden. Wenigstens einer.
 

„Auf Lucy liegt ein Todesfluch.“, erklärte Natsu ohne Umschweife. „Irgendwer hat diese Models umgebracht, die in den letzten Wochen gestorben sind, und jetzt hat er es auf Lucy abgesehen. Ich vermute, jemand ist hinter dem Job her, den sie alle hatten.“
 

„Okay, aber können wir den Fluch zuerst wegmachen, ehe wir irgendwelche Theorien ausbreiten?“, warf Lucy ein und bemerkte selbst, wie hysterisch ihre Stimme klang. Aber daran konnte sie jetzt auch nichts ändern. Und vielleicht brachte es diese drei Typen endlich in Bewegung, etwas zu tun!
 

„Hier drin geschieht dir nichts.“, erklärte Sting nach einem Moment nüchtern und machte eine Handbewegung, die das ganze Gebäude einschloss. „Wir würden hier wohl kaum einziehen ohne einen ausreichenden Schutz. Der Fluch ist hier drin nicht wirksam.“
 

Lucy starrte ihn einen Augenblick entgeistert an, dann atmete sie tief aus. „Oh…“, machte sie und fühlte sich plötzlich sehr viel ruhiger. Es tat gut zu wissen, dass ihr Leben nicht mehr in direkter Gefahr war und keines dieser Schwerter, die hier verteilt waren, der Grund für ihr Ende sein würde. Sie holte tief Luft. „O-okay. Trotzdem. Mir wäre wohler, wenn der Fluch nicht mehr da wäre.“
 

Sting zuckte mit den Schultern, als ob ihn das nicht sonderlich interessierte, und blickte zu Natsu. „Der übliche Preis?“ Mit den Fingern fummelte er an seinen Armbändern herum.
 

Der nickte. „Jaja. Wie lange dauert das? Können wir so lange hierbleiben?“
 

„Als ob ich mir die Mühe mit dem Fluch machen würde und dein Tittenwunder in der Zwischenzeit ra-“
 

„Mein Name ist Lucy und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du ihn benutzen würdest.“, unterbrach sie ihn scharf. Sie würde so höflich bleiben, soweit es ihr möglich war, weil er jetzt ihr Leben retten würde, aber das hieß noch lange nicht, dass sie akzeptieren musste, dass er so mit ihr sprach!
 

Sting grinste nur selbstgefällig und drehte sein Armband um das Handgelenk. „Es wird ein paar Stunden dauern.“ Er warf einen Blick zu Rogue hinüber, der nickte und auf die unausgesprochene Frage antwortete: „Ich kümmere mich darum.“ Damit löste er sich von dem Platz, an dem er die ganze Zeit gestanden hatte, und verschwand in den Flur. Der Hund rappelte sich auf und folgte ihm, während seine Krallen ein leises Klacken auf den Holzdielen erzeugten. Lucy konnte hören, wie ihre Schritte den Flur hinunterführten.
 

„Weißt du irgendwas über den Fluch?“, riss Stings Stimme ihre Aufmerksamkeit wieder an sich.
 

„Nicht wirklich.“, gab Natsu zu und Sting schnaubte verächtlich.
 

„Hey, es ist nicht so, als ob ich schon lange an dem Fall dran wäre!“, verteidigte sich Natsu und kramte in seiner Hosentasche. Dann zog er etwas heraus und warf es zu dem Hexer hinüber, der es mühelos fing. Es war das kleine eiserne Herz, das er in DeZilles Zimmer gefunden hatte.
 

„Da haften noch ein paar Spuren Magie dran.“, erklärte er. „Wir haben es an einem der Tatorte gefunden, ich dachte, dass es vielleicht ein Fokus ist.“
 

„Hm.“, Sting legte den Kopf schief und betrachtete es von allen Seiten, aber ihm schien nichts Besonderes aufzufallen. Doch statt es zurückzugeben, hielt er es seiner Katze unter die Nase. „Was denkst du, Yukino?“
 

Das Tier blinzelte und reckte den Kopf, um daran zu schnuppern. Lucy schaute verwirrt zu – was sollte das? Auf der anderen Seite schien Natsu nicht sehr überrascht von dem Verhalten zu sein und Minerva der Hund war offensichtlich ebenfalls klüger als jedes noch so intelligente Tier. Dann setzte die Katze sich auf und tastete mit der Pfote nach dem Anhänger.
 

„Könnte durchaus ein Fokus sein.“, murmelte Sting und sagte dann an Natsu gewandt. „Ich behalte das erstmal.“
 

„Was?!“, protestierte der. „Das waren meine Beweise!“
 

„Beweise? Für was? Nur, weil du die Magie spürst, heißt das noch lange nicht, dass jemand anderes das auch tut.“
 

„Ist ja nicht meine Schuld, dass alle anderen blind und taub sind.“, grummelte Natsu und stopfte sich die Hände in die Hosentaschen.
 

„Was meinst du?“, schaltete Lucy sich ein, ehe die beiden sich wieder Schimpfworte an den Kopf werfen konnten. Dabei lief es gerade so gut! „Was meint er?“ Doch Natsu zuckte nur missgelaunt mit den Schultern, anscheinend begann der lange Tag auch ihn einzuholen.
 

„Natsu hier ist magiesensitiv.“, erklärte Sting und fummelte schon wieder an seinen Armbändern herum. Lucy runzelte die Stirn. Ihre Mutter hatte eine ähnliche Angewohnheit, der sie nachging, wann immer sie gestresst war. Aber der Hexer wirkte beinahe entspannt, da war nur etwas in seinem Blick, der höchste Aufmerksamkeit verriet. Yukino die Katze rollte inzwischen den Herzanhänger auf dem Sofa herum und betastete ihn von allen Seiten.
 

„Jaja, wie auch immer.“, wehrte Natsu ab. „Ich kann Magie spüren, aber tatsächlich ist sie fast überall.“ Er zuckte mit den Schultern und blickte Lucy direkt an. „Gestern, als du ins Büro gekommen bist, hingen schon Spuren an dir, aber das hätte auch Zufall oder irgendetwas ganz anderes sein können.“
 

„Wa…“ Lucy starrte ihn entgeistert an. „Der Fluch war schon gestern auf mir?!“, wollte sie wissen. „Vermutlich, nur … ruhend. Man kann ihn schon sprechen, lange bevor man ihn benutzen will.“
 

„Er wurde dann etwa ein bis drei Stunden vor dem Auslösen aktiviert.“, erklärte Sting abgelenkt, die Augen auf die Katze gerichtet. „Je länger die Aufladezeit, desto größer seine Auswirkungen. Was genau hätte dein Tit… Lucy denn fast umgebracht?“
 

„Ein Kronleuchter. Und nicht nur so ein kleines Teil, das Leute in ihre Wohnzimmer zu hängen, sondern von diesen Ausmaßen.“ Natsu zeigte mit den Armen, was er meinte.
 

Sting nickte. „Der hatte einige Zeit, ziemlich stark.“
 

„Heißt das, dass eine sehr mächtige Hexe dahintersteckt?“, mutmaßte Lucy.
 

„Nicht unbedingt.“ Sting zuckte mit den Schultern und spielte mit den Metallteilen seiner Armbänder, die Brauen zusammengezogen. „So ein Todesfluch ist ziemlich einfach zu werfen, das kann jeder Novize. Oder Adept. Entsprechend ist er leicht zu brechen und im Grunde ist es auch leicht, ihn zu umgehen, zumindest einige Zeit. Er entwickelt aber ein Eigenleben, das macht ihn gefährlich.“
 

„Und natürlich, dass es ein Todesfluch ist.“, fügte Natsu hinzu und Sting zuckte mit den Schultern. „Und das. Fakt ist, dass es im Grunde jeder halbwegs ausgebildete Magiebegabter dahinterstecken könnte.“
 

„Das schränkt unseren Kreis der Verdächtigen nicht unbedingt ein, oder?“, fragte Lucy niedergeschlagen. Denn das mussten sie auch noch herausfinden – was würde den Täter daran hindern, einfach einen neuen Fluch zu werfen, wenn sie diesen hier losgeworden war? Sie konnte nicht ihr ganzes Leben hier verbringen, wo sie geschützt war. Ihre momentanen Gastgeber wären sicher nicht erfreut darüber.
 

„Ein wenig schon.“, widersprach Natsu. „Nicht viele Leute haben überhaupt Magie. Alle anderen sind draußen.“
 

„Außer, der Fluchende wurde bezahlt dafür.“, wies Sting auf und grinste Natsu unschuldig an, als der ihm einen bösen Blick zuwarf.
 

„Vielleicht warst es du.“, knurrte der Detektiv und Sting presste sich eine Hand aufs Herz. „Was? Ich? Und sowas traust du mir zu?“
 

„Eindeutig! Und hör endlich auf mit diesen Dingern zu spielen, das macht mich nervös.“ Er deutete auf die Ledermanschetten, aber Sting zuckte nur mit den Schultern.
 

Er bekam nicht mehr die Gelegenheit zu einer Antwort, denn Rogue tauchte so plötzlich und absolut lautlos hinter ihnen auf, dass Lucy beinahe einen Herzkasper bekam, als er sprach. „Kommt, ich hab euch ein paar Betten gerichtet. Über die Nacht könnt ihr hierbleiben. Sting sollte bis zum Morgen fertig sein.“
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

„Levyyyyyy.“, jammerte Lucy ins Handy, kaum dass ihre Freundin sich gemeldet hatte. Mit der freien Hand versuchte sie, ihre Haare zu trocknen, das Handtuch noch halb um die Schultern geschlungen. „Ich weiß nicht, was hier los ist!“
 

„Lu…Lucy?“, murmelte Levy ins Handy und ihre Stimme klang verschlafen. „Weißt du, wie spät es ist?“
 

Schuldbewusst warf Lucy einen Blick auf die Uhr, die über der Tür des spartanisch eingerichteten Raumes hing. Halb zwei in der Nacht. In Anbetracht der Tatsache, was in dieser Nacht alles passiert war, war das eigentlich noch gar nicht spät, doch ein normaler Mensch lag um diese Zeit im Bett.
 

Zerknirscht zog sie den Kopf zwischen die Schultern, auch wenn ihre Gesprächspartnerin sie nicht sehen konnte, und antwortete: „Tut mir leid. Ich habe gar nicht auf die Uhr geschaut.“
 

„Schon gut.“, winkte Levy ab und das Rascheln von Stoff verriet, dass sie aus dem Bett stieg und vermutlich einen Morgenmantel überzog. „Ich habe dich ja gebeten, mich auf dem Laufenden zu halten. Und anscheinend ist einiges passiert.“
 

„Ich wurde fast von einem Kronleuchter erschlagen.“, erklärte Lucy, was sich seltsam anhörte, also sprach sie rasch weiter: „Und jemand will mich wegen meines Jobs umbringen. Michello ist ein Arsch, ohne Erza würde ich das nicht überstehen, Sting ist absolut unverschämt und Natsu ist echt heiß und warum hast du mir das nicht gesagt?!“
 

Dann warf sie einen hastigen Blick zur Tür hinüber, die in das angrenzende Badezimmer führte; sie wollte auf keinen Fall, dass er das mitbekam! Einzig Levy durfte sowas wissen. Doch die Tür war noch immer geschlossen und sie hörte das Rauschen der Dusche und wie er im Bad herumwerkelte.
 

Erleichtert atmete sie auf und ließ ihren Blick kurz durch das Zimmer wandern, als befürchtete sie, dass sich hier noch jemand anderes versteckte, der ihrem Gespräch lauschen würde. Nicht, dass es hier allzu viele Orte gab, wo man sich verbergen konnte. Zwei große Betten standen rechts und links in den hinteren Ecken des Raumes, daneben je ein Nachttisch. Ein Tisch befand sich neben einer Glastür, die auf einen kleinen Balkon hinausführte, von dem man am Tag bestimmt einen tollen Blick über die kleine Wildnis hinter dem Bahnhof haben musste. Vielleicht konnte man sogar die Kardia Kathedrale von hier sehen. Momentan war natürlich alles dunkel.
 

Eine Wand wurde vollständig von einem Schrank verdeckt, der mit einer überraschend vielfältigen Auswahl an verschiedenen Kleiderstücken gefüllt war. Hatten Sting und Rogue so oft Besuch von Fremden, die ohne Wechselkleidung hier auftauchen oder wie sollte sie das verstehen? Nicht, dass sie sich beschweren wollte. Sie hatte sogar einen BH gefunden, der ihr beinahe passte und nur ein kleines Bisschen zwickte. Das war auf jeden Fall besser, als gar keinen zu haben, also hatte sie ihn erleichtert angezogen, nachdem sie kurz unter die Dusche gehüpft war.
 

Während sie sich im Bad bettfertig gemacht hatte und ewig dazu gebraucht hatte, sich die Schminke aus dem Gesicht zu waschen – so was wie Make-up-Entferner hatte sie trotz allem nicht gefunden – hatte Natsu diverse Telefonate geführt, mit Cana und seinem Geschäftspartner, zumindest das hatte sie mitgekriegt. Jetzt hatten sie die Rollen getauscht und Lucy saß hier in Jogginghose und T-Shirt auf dem Bett, das sie als ihres beansprucht hatte, und telefonierte mit ihrer besten Freundin, die gerade „Was.“ in den Hörer sagte, offensichtlich unfähig, all diese Informationen auf einmal zu verarbeiten. „Du… Erschlagen?!“
 

„Ja.“ Lucy seufzte schwer und zog ihr Handtuch weg, um es über einen Stuhl zu werfen. Inzwischen beeindruckte sie der Fluch gar nicht mehr so sehr. Vielleicht war sie im Moment einfach emotional zu ausgelaugt, als dass es ihr Angst machen konnte. „Natsu hat mich aus dem Weg gestoßen, sonst wäre ich jetzt tot. Ein Glück, dass er da war.“ Sie warf einen weiteren prüfenden Blick zu der geschlossenen Badezimmertür hinüber und senkte die Stimme. „Jetzt mal ganz ehrlich, warum hast du mich nicht vorgewarnt, dass er so … so … so toll ist?! Was bist du für eine Freundin?“
 

Levy kicherte. „Ich dachte nicht, dass er dein Typ ist. Du ziehst normalerweise den scheinbar intellektuellen, gebildeten Typ vor. Außerdem hast du einen Freund.“
 

Lucy verzog missmutig das Gesicht. „Einen Freund, von dem ich das letzte Mal gehört habe, als er mir erklärt hat, dass ich mich zusammenreißen soll, weil er keine schlechte Presse brauchen kann mit dem bevorstehenden Film und allem.“ Blöder Dan! Man sollte meinen, eine aufgelöste Freundin wäre wichtiger als irgendso ein Blockbuster, der eh gut ankommen würde, weil alle Namen stimmten und die Franchise erfolgreich war.
 

„Ich hab‘s dir doch gesagt.“, antwortete Levy wenig mitleidig, die Dan nie sonderlich gemocht hatte.
 

„Das hilft mir jetzt auch nicht, vielen Dank!“, grummelte Lucy und fragte sich auf einmal, wie viel sie ihrer Freundin verraten konnte. Würde Levy sie trotz allem als verrückt erklären, wenn sie mit dem Todesfluch anfangen würde? Aber sie hatte ihr auch Natsu empfohlen… Wie viel wusste sie und wenn sie etwas wusste, warum hatte sie nie etwas gesagt?
 

Lucy beschloss, erstmal ein wenig drum herum zu reden, Levy würde schon ein paar Hinweise fallen lassen, wenn sie an Magie und dergleichen glaubte. „Jedenfalls hat er mich dann zu ein paar … äh … Bekannten geschleift, wo ich für heute Nacht zumindest sicher bin. Sie können anscheinend helfen.“
 

„Bekannte?“, hakte Levy nach.
 

„Jaaaah… Sie heißen Sting … äh… Eucliffe? Und Rog-“
 

„Warte!“, unterbrach Levy so laut, dass Lucy zusammenzuckte. „Er hat dich zu Sting gebracht? Mädchen, in was für eine Scheiße hast du dich da reingeritten?!“
 

„Ich habe keine Ahnung!“, brach es heftig aus Lucy heraus. „Ich weiß ehrlich nicht, was hier vor sich geht. Die ganze Zeit das Gefühl, allen hinterherzurennen und sie doch nicht einzuholen!“ Und das war ermüdend. Sie war nicht gewohnt, die Dümmste im Raum zu sein.
 

Oder vielleicht wäre es besser, sie als die Unerfahrenste und Unwissendste zu beschreiben. Trotz aller Vorurteile, denen sie ziemlich oft begegnete, war sie nicht dumm. Tatsächlich wusste sie ziemlich viel. Aber hier fühlte sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen und ohne Hoffnung, bald wieder das Wasser zu finden.
 

Sie seufzte, ehe ihr etwas auffiel. „Warte, du weißt, wer Sting ist?“ Nach allem, was Lucy mitgekriegt hatte, in dem sie zwischen den Zeilen las, lebten ihre Gastgeber ziemlich zurückgezogen. Wenn Levy sie kannte, dann war sie viel tiefer involviert, als dass sie Natsu nur irgendwie nebenbei kannte. Außerdem, hatte sie nicht von nicht ganz normalen Dingen gesprochen, als sie Lucy an ihn weitergeschickt hatte?
 

„Äh…“, antwortete Levy und druckste dann ein wenig herum. „Ich… also… Irgendwie … schon?“
 

„Aha.“, sagte Lucy kühl. „Soso.“
 

Ihre Freundin hatte offensichtlich ein schlechtes Gewissen deswegen, auch wenn sie durchaus nachvollziehen konnte, warum Levy sich ihr gegenüber bezüglich dieses Teiles ihres Lebens nie geöffnet hatte. Wie auch? Hey Lucy, wusstest du schon, dass Magie real ist und schauerliche Kreaturen nachts ihr Unwesen treiben?
 

Lucy hätte sie vermutlich ausgelacht, auch wenn das natürlich nicht sehr höflich gewesen wäre. Aber wer hätte das denn geglaubt? Das war zu verrückt…! Selbst jetzt, da sie mittendrin steckte, hatte sie immer noch Probleme, die Tatsachen wirklich zu begreifen. Immer wieder kehrte sie zu dem Gedanken zurück, dass das einfach wahnsinnig war, dass sie träumen musste oder verrückt geworden war.
 

Doch unter diesem Gedanken saß stets die Angst, die real war und vielleicht der Grund dafür, dass sich ihr Verstand noch immer gegen diese neue Realität, diese verborgene Wahrheit wehrte.
 

Denn Magie war eines, etwas eigentlich Wunderbares, im wahrsten Sinne des Wortes Zauberhaftes, doch sie zog viele Dinge mit sich. Wer wollte schon glauben, dass all das Schreckliche, Fürchterliche wahr war? Dämonen, Geister, gräuliche Untiere, all diese Monster in den alten Legenden – Vampire, Werwölfe, Wiedergänger, Hexen…
 

Wo fing es an und wo hörte es auf? Vielleicht hatte sie einfach zu viele Horrorfilme gesehen und zu viele schauerliche Mythen gelesen. Doch hieß es nicht, dass in jeder Sage ein Körnchen Wahrheit steckte?
 

Frustriert rieb Lucy sich die Nasenwurzel und riss ihre Gedanken davon weg. Vielleicht bekam sie irgendwann einmal die Gelegenheit, mit jemandem darüber zu sprechen, Natsu oder Levy oder wer wusste das schon. Jetzt musste sie sich erstmal mit dem Gedanken anfreunden, dass die Möglichkeiten überhaupt da waren.
 

Wie tief steckte Levy eigentlich genau drin? Wie Natsu, der keine eigene Magie hatte? Oder eher wie Sting, der offensichtlich über beträchtliche Macht oder beachtliches Wissen verfügte? Oder wie Rogue – was auch immer der darstellte?
 

„Hast du mir etwas zu beichten?“, wollte sie streng wissen und wechselte dann ins Vorwurfsvolle: „Ich dachte, wir wären die besten Freundinnen! Und dann verschweigst du mir sowas!“
 

Levy lachte nervös. „Ich… ähm… Also…“
 

„Wie kannst du nur?!“ Lucy spürte, wie ihr Tonfall brach und sich ihre Belustigung in ihre Stimme schlich. Hin und wieder musste sie ihre beste Freundin doch auch einmal aufziehen!
 

„Du blöde Kuh.“, motzte Levy, als ihr klar wurde, dass Lucy sie nur neckte. „Du weißt genau warum! Mach dich nicht so über mich lustig!“
 

Lucy lachte. „Sorry. Du hast so schuldbewusst geklungen und ich hab mir vorgestellt, wie genau du mir das hättest beibringen sollen. Ich hätte dir kein Wort geglaubt, also mache ich dir keinen Vorwurf. Aber jetzt mal ehrlich, wie lange bist du schon eingeweiht?“
 

„Naja. Schon immer, eigentlich. Meine Eltern sind involviert und das geht schon einige Generationen zurück.“ Levy atmete erleichtert auf. „Aber weißt du, wie toll das ist, jetzt doch mit dir darüber sprechen zu können?!“ Sie klang so begeistert, dass Lucy für einen Moment nur grinsen konnte. „Ich hätte mir das nie vorstellen können, weil es bei Leuten ab einem gewissen Alter meistens sehr schwerwiegende Ereignisse braucht, damit sie diese Seite der Welt akzeptieren und ich habe mir sowas für dich nicht gewünscht. Dass es jetzt doch geschehen ist, tut mir leid.“
 

Lucy zuckte mit den Schultern. „Was passiert ist, ist passiert und wenn nicht du es warst, die mir diesen Fluch auf den Hals gehext hast, dann ist es nicht deine Schuld.“
 

„Zu so etwas bin ich nicht in der Lage.“, erklärte Levy ernsthaft, als ob Lucy jemals wirklich geglaubt hätte, dass sie dahinterstecken könnte! „Aber jetzt erzähl mal, was ist denn nun passiert und was ist das für ein Fluch?“
 

Lucy holte tief Luft und erklärte so kurz wie möglich, was vorgefallen war. Es tat gut, sich alles von der Seele zu reden mit jemandem, der nicht direkt involviert war. Jemand, der ihr glaubte und bestätigte, ja, das war alles tatsächlich möglich, sie hatte sich nicht alles eingebildet.
 

„Und jetzt bist du bei Sting und er hat sich bereit erklärt, dir zu helfen?“
 

„Ja.“, antwortete Lucy. „Ist das so seltsam? Mir ist aufgefallen, dass er und Natsu sich nicht sonderlich mögen, aber…“
 

„Du bist gut. Nicht sonderlich mögen.“ Levy schnaubte belustigt ob der Untertreibung und Lucy musste zugeben, dass sie recht hatte.
 

„Was ist denn eigentlich denen ihr Problem?“, wollte sie wissen, diese Feindschaft kam ihr noch immer spanisch vor.
 

„Ach… So genau weiß ich das auch nicht.“, antwortete Levy. „Sting kenne ich auch nicht wirklich, aber Natsu regt es auf, dass er nie etwas selbst tut oder irgendwie aktiv hilft und so… Sting ist ein Hexenmeister vierten Grades, das ist ziemlich hoch für jemanden, der so jung ist wie er. Naja, jedenfalls schickt er immer Rogue durch die Gegend, anstatt selbst etwas zu tun.“, schloss Levy. „Natsu reagiert da ein wenig gereizt drauf. Anscheinend sind sie schon mehrmals aneinandergeraten. Rogue scheint das auch alles nicht sehr zu stören.“
 

Lucy nickte langsam. Natsu war ein sehr rastloser, praktisch veranlagter Typ, der sich nicht davor scheute, auch mal mit anzupacken und sich die Hände schmutzig zu machen. Dazu hatte er keine Geduld mit Leuten, die das eben nicht waren. Kein Wunder, dass es da Spannungen gab.
 

„Und Rogue?“, wollte sie wissen.
 

„Mit ihm hat Natsu die Geduld ebenfalls verloren – er versteht einfach nicht, warum Rogue sich so behandeln lässt. Ich übrigens auch nicht. Bezahlt wird er dafür nicht.“
 

„Aha.“, machte Lucy und runzelte die Stirn.
 

„Frag mich nicht, irgendeinen Grund wird es geben. Vielleicht ist es Liebe, was weiß ich. Nach allem, was ich erfahren habe, sind die zwei ein Paar. Aber was auch immer du jetzt denkst, unterschätzen solltest du Rogue nicht.“
 

„Okay.“, antwortete Lucy und dachte an die katzenhafte Anmut, mit der der Schwarzhaarige sich bewegt hatte, und die unheimlichen Augen. „Warum? Kann er auch zaubern?“
 

„Nein. Er ist ein Exorzist. Wenn du jetzt an dämonenaustreibende Priester in langen Roben denkst, liegst du falsch – das geht weit darüber hinaus. Sie sind exzellente Kämpfer, die mit ihrer Ausrüstung ziemlich viel Schaden anrichten können. Also, was auch immer du denkst und tust, unterschätze die beiden nicht, sie sind sehr gefährlich.“
 

Das klang ominös. Beherrscht ließ Lucy den Atem entweichen, von dem sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie ihn angehalten hatte. „O-okay. Danke für den Hinweis.“
 

„Du kannst mich alles fragen. Übrigens glaube ich nicht, dass sie euch etwas tun oder so. Sie mögen nicht sonderlich freundlich erscheinen und haben ihre Finger sicher in der einen oder anderen moralisch fragwürdigen Sache, aber sie sind keine schlechten Menschen oder so. Und Natsu ist ja bei dir. Er hätte dich nicht dorthin gebracht, wenn er nicht denken würde, dass dir keine Gefahr von ihnen droht.“
 

„Wenigstens etwas.“, brummelte Lucy und blickte auf, als Besagter wie auf das Stichwort aus dem Bad kam. Er trug nur eine Jogginghose und seine Haare waren noch nass, so dass einige Tropfen Wasser über seinen Oberköper rannen.
 

Seinen überaus gut gebauten Oberkörper, unter dessen leicht gebräunter, noch feucht glänzender Haut sich definierte Muskeln abzeichneten. Lucys Mund war plötzlich trocken und ihr entging völlig, was Levy gerade sagte. In der Hand hielt er ein einfaches T-Shirt, das er jetzt über den Kopf zog, spielten die Muskeln unter seiner glatten Haut und er hatte einen pinken Glückspfad, der von seinem Bauchnabel hinunterführte und im Bund der Hose verschwand… Sie wollte ihre Hände über seine Brust gleiten lassen und hinunter über das ausgeprägte Sixpack, nur um zu sehen, ob alles so fest war, wie es aussah, und noch mehr…
 

Erst, als Natsu das T-Shirt herunterzog, wurde Lucy bewusst, dass sie ziemlich offensichtlich starrte, während ihre Freundin ihr noch immer etwas erzählte. Peinlich berührt wandte sie sich ab, auch wenn sie sich noch immer nicht auf das Gespräch konzentrieren konnte, das sie eben geführt hatte. Aber vielleicht war es sowieso besser, das jetzt abzubrechen…
 

„Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen.“, sagte sie abwesend und sie wusste noch nicht einmal, wobei sie Levy gerade unterbrach. „Wenn das vorbei ist, reden wir nochmal richtig… Sorry nochmal, dass ich dich geweckt habe, gute Nacht…“ Sie legte auf, noch Levys verwirrte Abschiedsworte im Ohr. Hoffentlich war die andere ihr nicht allzu böse über dieses abrupte Abwürgen. Aber sie konnte sich jetzt einfach nicht mehr auf Levys Stimme konzentrieren.
 

Während Natsu in der Tasche seiner Jacke herumkramte, rutschte Lucy auf ihrem Bett zurück, so dass sie sich an das Kopfbrett lehnen konnte. „Alles klar?“, wollte sie wissen und der junge Mann blickte auf, um ihr ein Lächeln zuzuwerfen.
 

„Klar, was sollte sein?“, fragte er.
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Naja… Wir wurden beinahe von einem Kronleuchter erschlagen, da ist ein Mörder, der es auf mich abgesehen hat und du sollst mich schützen, ein Todesfluch, ein … Hexer, den du nicht leiden kannst, aber dessen Hilfe du trotzdem benötigst…“ Sie machte eine Geste, die zeigen sollte, dass er eines oder alle davon wählen konnte.
 

Natsu zuckte nur mit den Schultern. „Nur ein normaler Tag in meinem Job.“, erklärte er wegwerfend und Lucy zog eine Augenbraue hoch. „Im Ernst?“ Sie wusste nicht genau, ob sie ihn beim Wort nehmen sollte oder ob er sie nur aufzog.
 

Natsu lachte. „Nein. Endlich passiert mal was Aufregendes! Sowas haben wir sonst selten!“
 

So konnte man das auch ausdrücken, aber Lucy zog es vor, nicht darauf einzugehen, dass sie ihr vorheriges langweiliges Leben dieser Gefahr eindeutig vorzog. „Aber ihr habt es?“
 

Er zuckte mit den Schultern und ging zum Fenster hinüber. „Hin und wieder flattert uns so ein Fall auf den Tisch. Meistens ist es Mundpropaganda, aber langsam kriegen wir eine Reputation, mit solchen Sachen umgehen zu können. Entsprechend werden es mehr. Besser als irgendwelchen Leuten hinterherzusteigen, um Affären zu belegen.“
 

Lucy nickte. „Levy hat mich darum zu dir geschickt. Woher kennt ihr euch eigentlich?“
 

„Ach, sie hat mir mal bei einer Sache geholfen. Sie ist wirklich klasse und weiß, wovon sie spricht!“
 

Leider wusste Lucy nicht wirklich, worum es sich dabei handelte. Was machte Levy denn genau? Das hatte sie vergessen zu fragen, aber sie würde schon noch darauf zu sprechen kommen. Ihre beste Freundin lief ihr nicht weg. Natsu auf der anderen Seite… Wie war er denn in die Sache reingerutscht?
 

„Sting auch?“, fragte sie, da es ihr zu unhöflich vorkam, ihn direkt auf seine Verstrickung in den magischen Teil der Welt anzusprechen.
 

„Ach der…“, grummelte Natsu und machte eine wegwerfende Handbewegung, wobei er etwas vor sich hinmurmelte, das verdächtig nach Beleidigungen klang. „Der auch. Ich kann ihn nicht sonderlich leiden, aber manchmal ist er … nützlich.“ Ärgerlich stapfte er hin und her.
 

„Das ist offensichtlich.“, erklärte sie ihm. „Was hat er ihr denn getan?“
 

Natsu hielt einen Moment inne und blickte sie an. Dann verzog er das Gesicht und nahm sein Tigern wieder auf. „Er ist ein arrogantes Arschloch, das ist alles. Tut so, als dreht sich die Welt um ihn und als würde jeder nach seiner Pfeife tanzen müssen, dabei ist er auch nur ein kleines Rädchen im Getriebe.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, eine steile Falte zwischen den Brauen.
 

„Aha.“, machte Lucy und sie dachte an Sting zurück, wie er da auf seinem Sofa gesessen und mit seinen Armbändern gespielt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass sich da unter dieser selbstbewussten, ja schon arroganten Oberfläche sehr viel mehr Geheimnisse verbargen, als sie jetzt auch nur erahnen konnte. „Okay, aber warum fragst du ausgerechnet ihn um Hilfe, wenn du ihn so wenig leiden kannst?“
 

„Wohin sollen wir sonst gehen? Die meisten Hexen – oder Zauberer – leben entweder in ihren geheimen Enklaven oder führen einen relativ nomadischen Lebensstil, wenn sie ihr Geld wert sind. Frag mich nicht, was diesen faulen Sack hier davon abgebracht hat, ich hab gehört, er war in dem Gebiet mal ziemlich erfolgreich. Hätten wir mehr Zeit, hätte ich jemand anderen angefordert, aber die haben wir leider nicht… Sting ist der einzige, den ich in Mangolia und Umgebung kenne.“
 

Natsu zuckte mit den Schultern und ging wieder zum Fenster hinüber, um kurz hinauszuspähen, ehe er zur Tür ging und wieder zurück. „Setz dich?“, bat sie schließlich und klopfte neben sich auf das Laken. „Du machst mich nervös.“
 

Natsu blickte sie einen Moment an, dann seufzte er und tat ihr den Gefallen. Er ließ sich schwer neben ihr auf die Matratze fallen und streckte sich kurz. Seine Körperwärme drang durch ihre Kleidung, angenehm und wohltuend, und ihr schoss durch den Kopf, dass das vielleicht keine so gute Idee gewesen war. Man musste sich ja nicht unbedingt selbst in Versuchung führen.
 

Um sich abzulenken, griff sie nach dem erstbesten Thema, das ihr durch den Kopf schoss. „Darf ich dich mal etwas fragen?“
 

Er blickte sie auffordernd an und sie wandte hastig den Blick ab. „Du musst nicht antworten, wenn es dir unangenehm ist.“
 

„Okay?“
 

Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und hielt sich davon ab, ihn kurz anzusehen. Das würde ihr sicher nicht helfen, sich abzulenken! „Ich will dir nicht zu nahe treten oder so.“
 

„Raus damit. Ansonsten nehme ich an, dass du mich fragen willst, ob ich eine Freundin habe.“
 

Jetzt warf sie ihm doch einen Blick zu, empört die Brauen zusammengezogen. „Das meinte ich nicht!“
 

Natsu grinste. „Ist mir klar. Ich weiß, dass du einen Freund hast, diesen Schauspieler, Dan Straight.“
 

„Woher weißt du das?“ Lucy hatte es ihm sicher nicht erzählt.
 

Natsu warf ihr einen Blick zu. „Klatschblätter? Wikipedia? Ich stelle auch über meine Mandanten ein paar Nachforschungen an, weißt du? Ich bin da schon ein, zwei Mal kräftig auf die Nase gefallen. Naja, Cana tut es meistens für mich.“
 

„Oh.“, machte Lucy, peinlich berührt. Das hätte sie sich denken können!
 

„Ich hab übrigens keine.“ Er grinste sie an.
 

„Wa…?“, begann sie, ehe ihr klar wurde, dass er von der Freundin sprach. Sie fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, obwohl sie nicht genau wusste, warum. Sie hatte einen Freund, verdammt noch mal! Aber plötzlich war ihr heiß und sie wischte sich Hände an ihrer Hose ab.
 

„Also, was wolltest du mich fragen?“, brachte er gnädig die Sprache wieder auf das ursprüngliche Thema zurück.
 

„Hä? Oh… Äh… Wie bist du in diese Sache hineingerutscht? Ich meine, Magie und das Übernatürliche und alles, diese Art der Fälle und so… Das ist doch auch nicht normal.“
 

„Kommt drauf an, wie und bei wem du aufwächst.“, erklärte Natsu. „Viele Zauberer und Hexen haben ihre Macht von Geburt an und sie ist vererbbar. Es gibt noch andere Familien, die tief in dieser Welt verwurzelt sind, auch wenn sie keine solchen Verbindungen haben, Levys zum Beispiel. Alte Alchemistenfamilie. Die geben ihr Wissen natürlich auch an ihre Kinder weiter und hin und wieder stolpert ein Außenseiter über unsere Geheimnisse. Oder wird hineingezogen, wie du.“
 

„Und du?“
 

Natsu schwieg einige Augenblicke und wurde ruhig und still neben ihr. Als sie ihm einen Seitenblick zuwarf, war sein Gesicht verschlossen und spiegelte nichts von seinen Emotionen wider. Sie wollte sich gerade entschuldigen, das Thema überhaupt angesprochen zu haben, da es ihn offensichtlich so mitnahm, als er den Mund öffnete. Seine Stimme war rau, aber entschlossen. „Mein Vater.“
 

Dann holte er tief Luft. „Ich kannte meine Mutter nicht, sie starb in Folge der Geburt, aber mein Vater war immer da, wenn ich ihn gebraucht habe. Er war Soldat, ein ziemlich hohes Tier sogar, aber als ich noch klein war, hat er sich extra in den inaktiven Dienst versetzen lassen und so. Erst später ist er wieder in seine Einheit eingestiegen – es war eine Spezialeinheit und ich glaube, sie hat sich um sonderbare Fälle gekümmert, die mit dem Übernatürlichen in Zusammenhang standen und zu groß waren, um sie einfach unter den Teppich zu kehren. Aber das hab ich erst hinterher erfahren.“ Er fiel wieder in Schweigen, der Blick verloren in Erinnerungen.
 

„Hinterher?“, regte sie ihn an, weiterzusprechen. Er würde ihr schon sagen, wenn sie die Klappe halten sollte, aber jetzt hatte sie Blut geleckt und wollte mehr wissen.
 

„Am 7.7.X777 verschwand er und seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen.“
 

„Was?!“, entfuhr es ihr und ihr blieb der Mund offen stehen. Das hatte sie nicht erwartet! Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es war, auf diese Weise die Eltern zu verlieren.
 

Natsu hatte einen harten, entschlossenen Zug um den Mund, als er nickte. „Er und sein Team waren an einer ganz großen Sache dran, das weiß ich. Sie konnten von der Basis arbeiten, also war er in der Zeit abends und am Wochenende zuhause wie ein normaler Angestellter und hat sich nicht sonstwo auf der Welt herumgetrieben. Aber dann ist irgendwas passiert und sie haben sich einfach in Luft aufgelöst. Die Oberen in der Armee haben natürlich nach ihnen gesucht und die Polizei dann auch, aber bis heute gibt es keine Spur von ihnen.“
 

„Ich…“, begann Lucy hilflos, aber was sollte man dazu sagen? Stattdessen nahm sie seine Hand und drücke sie ermutigend. Nach einem Moment erwiderte er die Geste, sein Griff beinahe zu stark, aber sie beschwerte sich nicht.
 

„Er ist noch immer irgendwo da draußen und ich werde ihn finden. Sie alle, meinen Vater und sein Team.“ Seine Stimme war hart und entschlossen und sie zweifelte nicht daran, dass er es zumindest bis an sein Lebensende versuchen würde. Aber jetzt war er schon Jahre an der Sache dran, wie groß war die Hoffnung, das sich doch was auftat?
 

Für eine Weile schwiegen sie und hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach, so dass Lucy zusammenzuckte, als er unvermittelt weitersprach: „Jedenfalls bin ich dann nach der Schule zur Polizei. Ich hab überlegt, ob ich zur Armee gehen soll wie er, aber das erschien mir dann dumm. Das war keine Garantie, dass sie mich nach ihm suchen lassen oder sowas. Soldaten befolgen Befehle, sie haben keine eigene Agenda wie ich. Das ist nicht ihr Job.
 

Und die Polizei ist es, die normalerweise vermisste Personen findet, richtig? Das erschien mir das Beste zu sein, zumindest konnte ich dort alles lernen, was ich brauchte für meine Suche, Kontakte knüpfen, anfangen zu graben. Ich konnte sogar auf die Akten zugreifen, die sie über ihre eigenen Nachforschungen bezüglich des Falls damals angestellt hatten, auch wenn sie nicht sehr weit gekommen sind.“
 

Er hatte sein ganzes Leben darauf ausgerichtet, seinen Vater zu finden, stellte sie fest. Aber gleichzeitig hatte er nicht seinen Mut verloren oder den unerschütterlichen Glauben daran, auf dem richtigen Weg zu sein, den Optimismus, dass alles gut werden würde. Eine solche Entschlossenheit verdiente Bewunderung.
 

„Und dann?“, wollte sie wissen. „Wie genau kommt das Übernatürliche ins Spiel und warum hast du jetzt eine Detektei?“
 

„Auf der Polizeiakademie selbst konnte ich noch nicht viel tun, aber danach habe ich angefangen zu graben und plötzlich haben sich dabei sonderbare Dinge aufgetan, die man nicht mit herkömmlichen Erklärungen abtun konnte. Irgendwann ergab sich dann ein größeres Bild und ich konnte die Wahrheit nicht länger verleugnen.“ Er verzog das Gesicht, als ob diese Erkenntnis nicht so einfach gewesen war, wie er jetzt tat. Doch da sie gerade selbst damit kämpfte, drang sie nicht weiter darauf ein.
 

Zudem sprach er schon weiter: „Dann bin ich über Gray gestolpert.“
 

„Gray?“ Den Namen hatte sie schon gehört und einen Moment später viel ihr auch ein, wo, und zwar war das…
 

„Mein Partner.“, bestätigte Natsu ihre Gedanken. „Wir haben Slayer Investigations gemeinsam aufgebaut. Er war auch bei der Polizei, tatsächlich sind wir auf der Akademie einige Male aneinandergeraten.“ Er lachte bei der Erinnerung. „Er war immer so verbissen und zielgerichtet darauf, alles perfekt zu machen und besser als alle anderen zu sein, die Ausbildung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, und hat darüber vergessen, dass es daneben noch ein richtiges Leben gibt. Tatsächlich war er nur wie ich.“
 

„Hm?“, verwirrt runzelte sie die Stirn.
 

„Ebenfalls auf der Suche nach seinem Vater, der am 7.7.X777 verschwand.“
 

Sie riss die Augen auf. „Sein Vater und deiner kannten sich?“
 

„Wir gehen davon aus, auch wenn wir keine Bestätigung haben. Aber unsere Nachforschungen haben uns in die gleiche Richtung geführt, das gleiche Datum, Silver war ebenfalls in Magnolia zu der Zeit, alles hat zueinander gepasst. Also beschlossen wir, unsere Erkenntnisse zusammenzuwerfen, auch wenn uns das am Ende nicht viel weitergebracht hat. Aber irgendwie kam eins zum anderen und wir beschlossen, uns selbstständig zu machen und jetzt sind wir hier.“
 

„Klingt nach einer aufregenden Geschichte.“
 

Natsu lachte. „War es auch. Nachdem wir aus der Polizei ausgestiegen sind, wurde es noch verrückter, weil es einfach nichts und niemanden gab, der uns zurückgehalten hat. Wir sind auf die seltsamsten Dinge gestoßen. Levy hat uns ziemlich früh mal bei einem Fall geholfen, sie hat uns sehr viel erklärt, was die Welt des Übernatürlichen und ihre Regeln angibt. Ich glaube, ohne sie wären wir irgendwann draufgegangen. Und ich glaube, Cana weiß mehr, als sie zugibt…“ Er verzog grübelnd das Gesicht und Lucy nickte, sich die Augen reibend.
 

Vorhin hatte sie sich noch hellwach gefühlt, noch gefangen in der Aufregung des Abends, doch langsam wurde sie doch müde. Aber sie bezweifelte, dass sie jetzt einfach einschlafen konnte. Zu viele Fragen plagten sie, zu viele Abers und Wenns und ihr Hirn drehte sich noch immer im Kreis.
 

„Gibt es das Monster unter dem Bett?“, platzte es auf einmal aus ihr heraus. „Was ist mit Vampiren, war das heute Abend bezüglich Hyberion ein Witz? Muss ich da auf etwas Acht geben? Werwölfe? Was ist mit … mit Selkies? Sind all die alten Legenden wahr? Götter, gibt es die? Kobolde? Feen? Einhörner? Und…“
 

„Selkies?“, unterbrach Natsu sie verdutzt, während ihr immer mehr und mehr magische Wesen einfielen und mehr Fragen und mehr … Alles. „Unter all dem, was da draußen kreucht und fleucht, wie kommst du aufgerechnet auf die?“
 

Lucy wurde rot und fummelte mit ihren Fingern herum. „Ich hab mal eine Geschichte über sie geschrieben.“, gab sie schließlich zu.
 

Natsu akzeptierte die Erklärung mit einem Schulterzucken. „Okay. Ja, es gibt sie. Alles und jeden, auch wenn sie sie nicht unbedingt immer so sind wie in den Geschichten. Viele von ihnen sind weit gefährlicher, als du es dir vorstellen kannst.“
 

Der Tonfall seiner Stimme, ernst und nachdrücklich, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Okay…“ Sie holte tief Luft. Wie kam es, dass überhaupt noch ein Mensch am Leben war, wenn dort draußen solche Kreaturen ihr Unwesen trieben? „Wie… wie bist du damals damit zurecht gekommen? Mit all dem? Ohne dass du darüber verrückt geworden bist?“ Ihr Hirn lief inzwischen auf Hochtouren und ihre Gedanken gingen in alle Richtungen gleichzeitig. Wie sollte sie da jemals wieder Ruhe hineinbringen?!
 

„Du denkst zu viel.“, erklärte Natsu und verschränkte seine Finger mit ihren, um sie zu drücken.
 

Sie war dankbar darum, es fühlte sich an wie ein Anker, ein fester Punkt, auf den sie sich konzentrieren konnte. Tief atmete sie ein. Sie wusste gar nicht, wo dieser Schwall an wirren Gedanken plötzlich hergekommen war – vielleicht ging es Hand in Hand damit, dass sie sich entspannte.
 

„Du musst es einfach akzeptieren. Loslassen. Denk nicht daran! Nimm es einfach an, wie es ist, ändern kannst du es sowieso nicht.“
 

„Das sagst du so leicht.“ Sie rang sich ein Lächeln ab und holte tief Luft. Trotzdem fühlte sie sich schon ein kleines bisschen besser und ihre Gedanken beruhigten sich ein wenig. Jede neue Frage, die hochkam, blockte sie einfach ab, ließ sie gehen, auch wenn es ihr Schwierigkeiten bereitete.
 

Sie war einfach nicht der Typ dafür, keine Fragen zu stellen und nicht dahinter sehen zu wollen, alles zu ergründen. Ihr Verstand wollte alles wissen und in saubere Boxen packen, aber hier stieß sie an ihre Grenzen – das Übernatürliche ließ sich nicht so einfach kategorisieren.
 

Aber sie war müde und es war spät und morgen stand ihr ein langer Tag bevor. Sie hatte nicht vor, Natsu all die Arbeit allein zu überlassen! Tief holte sie Luft und beschloss, sich auf eine Sache zuerst zu konzentrieren, eine zu der Natsu ihr Antworten geben konnte. „Du hast vorhin Zauberer erwähnt. Sind das nicht einfach nur männliche Hexen?“ Aber Natsu hatte Sting von Anfang an als Hexe – oder Hexenmeister, was war da der Unterschied? – bezeichnet, also war diese Theorie schon mal falsch.
 

„Nein.“, bestätigte Natsu ihre Gedanken. „Hexen und Zauberer sind Bezeichnungen unabhängig des Geschlechts und sie bezeichnen die Anhänger der beiden Schulen, die menschlichen Magiebegabten offenstehen. Das ist alles.“
 

„Und was ist der Unterschied zwischen einem Hexenmeister und einer Hexe?“ Lucy hatte die Neugierde gepackt, aber gleichzeitig merkte sie, wie sie ruhiger wurde und ihre rasenden Gedanken sich beruhigten. Sich auf ein Thema zu konzentrieren war eine gute Idee gewesen.
 

„Das sind beides einfach nur Stufen in der Hierarchie. Beide Schulen haben je fünf davon, dazwischen gibt es bei den Hexen sieben Grade und bei Zauberern dreizehn Ränge. Frag mich nicht, wie das alles zustande gekommen ist, so genau hab ich mich damit noch nie beschäftigt.
 

Sting zum Beispiel ist ein Hexenmeister des vierten Grades, davor kommen Hexen und davor die Novizen, das sind Schüler, die noch ausgebildet werden müssen. Mindestens die Hälfte aller magiebegabten Menschen bleiben auf der zweiten Stufe stehen oder erreichen eine höhere Stufe erst im hohen Alter, sie haben einfach nicht die Macht für mehr…“
 


 

4. Morning After Dark
 

Lucy fühlte sich warm und geborgen. Sie kuschelte sich tiefer in das Bett und zog unwillkürlich die Decke enger um sich. Etwas Schweres lag auf ihrer Hüfte und ihre Finger waren in einem T-Shirt verkrallt. Jemand lag neben ihr, sie konnte spüren, wie seine Brust sich gleichmäßig hob und senkte und schlang ihre Arme enger um ihn.
 

Sie versuchte, den Schlaf wieder zu fangen und noch einmal einzuschlummern, denn es war so gemütlich und friedlich hier. Am liebsten würde sie den ganzen Tag hier im Bett verbringen, eingekuschelt in die Decke, an diesen warmen Körper geschmiegt, die lauschige Atmosphäre genießend.
 

Doch anstatt wieder in den trägen Dämmerzustand zwischen Träumen und Wachen zu sinken, wurde sie sich ihrer Umgebung bewusster. Bald konnte sie nicht mehr verleugnen, dass sie immer munterer wurde und langsam erwachte. Ihre Glieder waren matt und ausgeruht und ihr Verstand begann langsam wieder zu arbeiten.
 

Sie lag in einem sehr bequemen Bett unter einer kuscheligen Decke und jemand hielt sie in den Armen. Jemand, der sehr muskulös und sehr männlich war und absolut nicht ihr Freund. Unwillkürlich runzelte sie die Stirn und öffnete blinzelnd die Augen, um in das attraktive Gesicht von Natsu Dragneel zu starren, der noch schlief.
 

Er atmete tief und gleichmäßig und sabberte leicht auf sein Kissen. Sein Gesichtsausdruck war entspannt und die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln nach oben gezogen. Die pinken Haare fielen ihm in die Stirn; sie wirkten weich und zart, wie im Moment, in diesem Zustand alles an ihm. So wirkte er ganz anders als der energiegeladene, aufgeweckte junge Mann, den sie kennen gelernt hatte und der kaum stillhalten konnte. Friedlich und entspannt, wie er so direkt neben ihr schlief und…
 

Mit einem erschrockenen Quieken setzte sie sich auf und stieß ihren Bettnachbarn gleichzeitig von sich. Mit einem Poltern und einem erschrockenen Ausruf landete er auf dem Boden, während sie erleichtert feststellte, dass sie Jogginghose und T-shirt trug. Letzte Nacht war also nichts geschehen und wo war sie überhaupt genau? Ihr Verstand hatte noch etwas Probleme, auf den aktuellen Stand der Dinge zu kommen.
 

„Was soll das denn?“, maulte Natsu beleidigt und setzte sich auf. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte er in eine Steckdose gefasst, und auf seiner Wange war der Abdruck einiger Falten zu erkennen, die das Laken geworfen hatte. Er rieb sich die Augen, was unglaublich niedlich aussah, und hatte sich in der Decke verheddert, was ihm noch mehr Ähnlichkeit mit einem Kind verschaffte, das gerade erwachte. Nur waren Kinder nicht so durch und durch anziehend und in welche ungezogene Richtung gingen ihre Gedanken jetzt schon wieder?
 

„Was machst du in meinem Bett!?“, verlangte sie entrüstet zu wissen und zog ihr T-Shirt zurecht, das in der Nacht hochgerutscht war.
 

„Ähm…“, machte Natsu und sah sich um, als könnte der Raum ihm Antwort auf die Frage geben. „Schlafen?“
 

„Ja, aber warum ausgerechnet in meinem Bett? Hast du nicht ein eigenes?“ Sie stemmte entrüstet die Hände in die Hüften. Okay, es war nichts geschehen, aber trotzdem konnte er doch nicht einfach die Nacht in ihrem Bett verbringen!
 

Er grinste zu ihr hoch und zuckte mit den Schultern. „Du bist gestern mitten im Gespräch einfach eingepennt.“, erklärte er leichthin und befreite seine Beine aus der Decke. „Ich schätze, der Abend hat dir einiges abverlangt. Aber dann wolltest du mich nicht loslassen und ich war auch müde, also hab ich ebenfalls geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken. Jetzt mach nicht so einen Aufstand, ist doch nichts passiert!“ Er verfrachtete die Decke mit Schwung auf das Bett und stemmte sich hoch.
 

Lucy schob die Decke von sich und starrte ihn böse an, die Unterlippe vorgeschoben. Er hatte ja Recht, argumentierte der objektive, vernünftige Teil ihres Verstandes. Eigentlich würde es sie nicht so stören. Aber diese Situation würde sie auch nicht so aufwühlen, wenn er nicht eine solche Wirkung auf sie hätte! Er brachte sie einfach völlig durcheinander! Warum hatte er auch diese Anziehungskraft auf sie?!
 

So etwas war ihr noch nie untergekommen und sie wusste einfach nicht, wie sie damit umgehen sollte. Sie beschloss, zumindest nicht ihm die Schuld dafür zu geben – er machte das doch auch nicht mit Absicht! – und blickte sich um, einen Moment noch orientierungslos. Der Raum war ihr völlig fremd.
 

Helle Sonnenstrahlen drangen durch die großen Fenster herein und tauchten alles in ein freundliches Licht. Ein paar Möbel, ein heller Holzboden, ein Kunstdruck über den Betten, ein paar seltsame Symbole an den Wänden, die erst jetzt am Tage zu sehen waren, da sie in Beige auf Weiß gehalten waren…
 

Ach ja, rief sie sich in Erinnerung, sie waren Gäste eines Hexenmeisters und seines Exorzistenfreundes. Die Uhr über der Tür zeigte an, dass es schon nach halb zwölf morgens war und ihr klappte der Unterkiefer herunter. So spät schon?! Eigentlich war sie früher auf den Beinen, selbst wenn sie am Abend vorher lang unterwegs gewesen war.
 

Aber das war kein normaler Morgen, rief sie sich in Erinnerung, und sie hatte ganz sicher nicht vor, daraus eine Angewohnheit zu machen. Also schwang sie die Beine aus dem Bett und fragte sich, wie der Tag jetzt weiterging. Konnte sie jetzt einfach wieder gehen? Lag immer noch ein Todesfluch auf ihr? Sting hatte zwar versprochen, ihn von ihr zu nehmen, aber ehe sie es nicht laut ausgesprochen hörte, würde sie nicht daran glauben. Immerhin lebte sie noch, also hatte er wohl nicht zugeschlagen, während sie geschlafen hatte.
 

Sie blickte zu Natsu hinüber, der mit seinem Handy herumspielte und aufblickte, als sie fragte: „Was passiert jetzt?“
 

„Hm? Oh. Jetzt frühstücken wir erstmal. Ich hoffe, unsere Gastgeber lassen ein Frühstück springen.“ Davon hatte sie eigentlich nicht gesprochen, auch wenn ihr leerer Magen sie daran erinnerte, dass durchaus eines angebracht war.
 

„Wenn nicht, gehen wir irgendwo kurz was essen.“, fuhr Natsu fort, seine Aufmerksamkeit schon wieder halb auf dem Handy.
 

„Ich meine, bezüglich des Fluchs und so… Denkst du, er ist noch da?“
 

„Nein. Wenn Sting sagt, er tut es, dann hat er es getan, darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Erzähl ihm bloß nicht, dass ich das gesagt habe, aber darauf kannst du dich verlassen.“
 

Sie lächelte kurz über den Seitenhieb und nickte erleichtert. „Okay. Aber was, wenn ihm doch etwa dazwischengekommen ist?“
 

„Du kannst ihn ja gleich selbst fragen.“, schlug Natsu vor und runzelte die Stirn, den Blick auf sein Handy gerichtet. „Und danach müssen wir kurz beim Büro vorbei. Cana hat anscheinend Neuigkeiten.“
 

Das klang schon besser! Vielleicht hatte die Sekretärin – oder was auch immer sie genau darstellte, eine einfache Empfangsdame war die Brünette sicher nicht! – eine neue Spur. Vielleicht etwas, das direkt auf den Mörder hindeutete? Das wäre schon ein großer Fortschritt für sie!
 

Lucy nickte und blickte kurz auf den Boden. Sie wünschte, die Sache wäre bald vorbei, auch wenn das hieß, dass sie Natsu nicht mehr sehen würde. Obwohl sie sich sicher nicht über Albträume oder dergleichen beschweren konnte, denn sie hatte in der Nacht geschlafen wie ein Baby und fühlte sich ausgeruht und erholt. Trotzdem saß ein Gefühl der Angst in ihrem Nacken, das sie unruhig und nervös machte. Sie glaubte nicht, dass sie es wieder los wurde, ehe sie nicht wusste, dass die Person, die dahintersteckte, festsaß oder zumindest keine Gefahr mehr darstellte.
 

Dann holte sie tief Luft, schob den Gedanken beiseite und stand auf. „Ich gehe duschen.“ Sie suchte sich ein paar Kleider aus dem Schrank aus und verschwand im Badezimmer. Zwar hatte sie sich am letzten Tag bereits unter das Wasser gestellt, aber das war nur kurz gewesen und sie fühlte sich danach eindeutig besser, auch wenn sie sich beeilte.
 

Nachdem sie fertig und in ein paar frische Kleider geschlüpft war, schnappte sie sich ihr Handy, während Natsu ebenfalls im Bad verschwand. Drei verpasste Anrufe, teilte ihr das kleine Gerät mit, als sie es anschaltete. Dazu ein paar Nachrichten in einigen unwichtigen Chats, Virgo, die nachfragte, wo sie steckte, und Erza, die sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigte.
 

Den letzteren beiden antwortete sie sofort mit einer kurzen Nachricht, ehe sie weitermachte, ihre Eltern und Levy hatten ihr ebenfalls geschrieben. Außerdem Dan mit fünfzehn neuen Nachrichten und die Anrufe stammten ebenfalls alle von ihm. Was war denn da kaputt? Sie runzelte die Stirn und klickte den Chat an. Die Nachrichten waren alles Variationen von Ruf mich an, wir müssen reden, also ging es ihm selbst schon mal gut.
 

Darum entschied sie, dass das nicht so wichtig war, und klickte erst Levys Nachricht an. Lebst du noch? ;) Bin heute den ganzen Tag an der Uni, schreib mir, wenn es Neuigkeiten gibt und sag Bescheid, wenn ich dir irgendwie helfen kann!
 

Lucy antwortete kurz als Lebenszeichen und klickte dann den Chat mit ihren Eltern an. Ihr Vater schickte meistens Fotos, seit er dieses Hobby für sich entdeckt hatte. Auch jetzt waren ein paar wunderschöne Bilder dabei – farbenfrohe Herbstwälder, ein paar historische Stätten, das windgepeitschte Meer. Mit der richtigen Kamera hatte er sicher einige wunderbare Aufnahmen gemacht und Lucy freute sich schon auf den gemütlichen Abend zusammen, an dem er sie alle vorführen würde.
 

Das Schönste der Bilder allerdings war das von ihrer Mutter, die halb eine Löwenstatue erklettert hatte und über das ganze Gesicht lachte. Nachdem sie vorher einige Wochen eine so schwere, stressige Zeit gehabt hatte, war es schön, sie so guter Dinge zu sehen.
 

Von ihr kamen die Textnachrichten, beginnend bei Wir haben wieder Empfang!. Sie erzählte, dass der Urlaub wunderschön war, gratulierte Lucy zu ihrem neuen Job, erkundigte sich, wie alles lief, und erzählte, wie Jude ins Wasser gefallen war, weil er unbedingt ein Foto von einem Stein im See aus hatte machen wollen. Die Kamera hatte er allerdings irgendwie gerettet, so dass sie nicht nass geworden war.
 

Die letzte Nachricht, die vom Morgen stammte, las Wie war die Gala letzte Nacht und wer ist der hübsche, junge Mann an deiner Seite? Ihr gebt ein tolles Bild ab! ;) Lucy wusste nicht, ob sie darüber lachen oder weinen sollte und fragte sich, ob sie die Worte einfach ignorieren konnte.
 

Mit Jude war Dan erstaunlich gut ausgekommen, vermutlich weil er verstand, immer die richtigen Dinge zu sagen. Aber Layla war nie mit ihm warm geworden und sie hatte mit dieser Meinung nie hinter dem Berg gehalten, darum machte sie sich nun vermutlich Hoffnungen.
 

Lucy lächelte über die kleine Jude-Anekdote und starrte ihr Handy lange an, ehe sie antwortete. Wie schön, ich freue mich für euch! Ihr habt es verdient. Die Bilder machen mich auch ganz neidisch. Hier gibt es ein paar kleinere Schwierigkeiten, aber nicht der Rede wert. Ich erzähle euch alles, wenn ihr wieder daheim seid.
 

Sie hielt einen Moment inne und las den Text noch einmal durch. Wenn sie ihren Eltern sagte, was hier wirklich los war, wären sie spätestens morgen wieder in Magnolia und sie wollte ihnen auf keinen Fall den Urlaub verderben. Nicht nach der schweren Zeit, die ihm vorangegangen war, das wäre wirklich unfair. Sie würde schon allein mit all dem fertig werden, da brauchte sie nicht gleich zu Mama und Papa zu rennen.
 

Also beendete sie ihren kleinen Text mit: Das ist Natsu, er hat mich begleitet, weil Dan noch am Set ist. Genießt euren Urlaub, hab euch lieb. ❤ Zufrieden damit schickte sie ihn weg und checkte kurz ihren Kalender.
 

„Ich muss heute Nachmittag in die Twilight Hall.“, erklärte sie Natsu, der gerade aus dem Bad stolperte und jetzt viel wacher aussah. „Aber ansonsten habe ich heute keine Termine. Womit fangen wir an?“
 

„In Ordnung, aber zuerst…“ Er wurde von dem lautstarken Grummeln seines eigenen Magens unterbrochen und vollendete: „…kümmern wir uns darum.“
 

Ihr Handy in die Bauchtasche des geliehenen Sweatshirts schiebend folgte sie ihm den langen Gang hinunter zu dem großen Wohnraum. Jetzt, ausgeschlafen und bei Tag konnte sie den schlichten Charme der Wohnung mehr schätzen. Die Möbel waren hochwertig und größtenteils aus Holz, die verteilten Artefakte und die Waffen an den Wänden mussten echt sein – auserlesen und teilweise sogar antik; den Wert wollte sie nicht einmal schätzen. Die Einrichtung war zwar etwas spartanisch, aber geschmackvoll und an den Wänden hingen ein paar dazu passende Bilder.
 

Schon von weitem kam ihnen der aromatische Duft von frischem Kaffee entgegen, darunter meinte Lucy Eier und Bacon zu riechen, und ihr wurde bewusst, wie hungrig sie wirklich war. Rogue stand in der Küche und räumte Einkäufe in den Kühlschrank. Er nickte ihnen kurz zu, als sie ihn grüßten, und gestikulierte zur Theke hinüber, auf dem zwei Gedecke standen. Zu Natsus Glück schien er nicht vorzuhaben, sie frühstückslos aus dem Haus zu schmeißen.
 

Der gesamte Raum war von hellem Licht geflutet, das durch die Fensterfront hereindrang, durch die man tatsächlich einen hervorragenden Ausblick über den kleinen Privatpark hatte, der sich dahinter erstreckte. Man konnte noch die Strukturen erkennen, die die ehemalige Bahnhofsanlage vorgab, doch alles in allem ähnelte der weitläufige Garten – wenn man das denn so nennen wollte – einer kleinen Wildnis, bedeckt von Bäumen, Gestrüpp und wild wuchernden Pflanzen.
 

Jetzt im Herbst und beschienen von einer goldenen Oktobersonne wirkte alles sehr farbenfroh, verschiedene Gelb- und Rottöne, unterbrochen von dem gelegentlichen Grün von Nadelbäumen. Im Hintergrund ragten die Silhouetten der Altstadt auf, aus denen sich deutlich erkennbar der prächtige Bau der Kardia Kathedrale mit ihrem Glockenturm emporhob. Es war so ein phantastisches Bild, dass Lucy einen Moment sprachlos innehielt und alles andere vergaß.
 

„Du bist ein Lebensretter.“, riss Natsus Stimme sie einen Moment später aus dem Staunen und sie wandte sich den beiden Männern zu. Rogue schaufelte gerade Eier neben die gebratenen Speckstreifen auf einem Teller. Eine dampfende Tasse Kaffee stand bereits daneben und Natsu griff gleichzeitig nach einer Gabel und einem Brötchen.
 

Als Rogue fragend eine Augenbraue hochzog und mit einer Geste andeutend fragte, ob Lucy auch etwas wollte, antwortete sie mit einem Lächeln: „Ja, danke.“ Auch wenn er selten zu sprechen schien und ein hungriger Natsu offensichtlich keine Manieren hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie unhöflich sein musste.
 

Sich nach den anderen Mitgliedern des Haushalts umsehend, trat sie zum Tresen hinüber, um auf einen Barhocker zu gleiten. Es waren alle versammelt, stellte sie bald fest. Minerva fläzte lang ausgestreckt vor dem Fenster in der Sonne und schlief. Hin und wieder stieß sie ein Schnaufen aus, als würde sie träumen, und ihre großen Pfoten zuckten dazu. Das Tageslicht nahm ihr absolut nichts von ihrer monströsen Schrecklichkeit.
 

Sting schlief ebenfalls noch; er lag auf dem Sofa, den bunten Quilt bis zu Brust hochgezogen. Er wirkte sehr gelöst und friedlich, unter anderem dadurch, weil Yukino schnurrend quer über seinem Bauch lag. Oder vielleicht, weil sein Gesicht durch den Schlaf weich und entspannt war.
 

„Kaffee?“, wollte Rogue wissen und bot ihr die Kanne an. „Wir haben auch Tee.“
 

„Kaffee ist in Ordnung.“, wehrte sie ab und widmete sich ihrem überraschend guten Frühstück. Ihr Handy war es, das sie unterbrach, während Natsu neben ihr unglaubliche Mengen vertilgte. Wo Rogue das alles hernahm, wusste sie allerdings nicht.
 

Dan ❤ teilte das Telefon ihr mit, während sein stattliches Gesicht auf dem Screen auftauchte, und sie seufzte genervt auf. Eigentlich hatte sie gar keine Lust, mit ihm zu sprechen, allerdings war ihr klar, dass er keine Ruhe geben würde, bis sie es tat. Also beschloss sie, gleich in den sauren Apfel zu beißen, legte ihre Gabel weg und rutschte vom Hocker, um sich ein paar Schritte zu entfernen.
 

„Guten Morgen.“, grüßte sie, nachdem sie abgenommen hatte. Ihr Blick wanderte dabei aus dem Fenster, wo die Sonne schon recht hoch am Himmel stand. „Oder eher guten Mittag.“
 

„Lucy, meine Blüte, warum tust du mir das an?“, jammerte Dan ihr ohne weitere Umschweife ins Ohr. Seine tiefe Stimme war etwas, in das sie sich seinerzeit sofort verliebt hatte, aber dieser Tonfall stand ihm nicht.
 

Sie zog eine Augenbraue ehrlich verwirrt hoch. „Was tue ich?“
 

Aber er ging gar nicht auf ihre Frage ein, sondern redete einfach weiter, als hätte er sie gar nicht gehört, was durchaus auch der Fall sein konnte. Manchmal war er ziemlich selbstverliebt. „Ich bin hier am Set, arbeite hart, damit alles perfekt ist, und bin so lange getrennt von dir, dass ich dich so sehr vermisse wie ein Hund seinen Knochen! Ich schmiede hundert Pläne, wie wir unsere Wiedervereinigung feiern können, und was machst du? Du bist mir untreu!“
 

„Untreu?“, wiederholte Lucy entrüstet, während sie gleichzeitig ein schlechtes Gewissen bekam. Sie war ihm nicht untreu, aber sie wurde gerade stark in Versuchung geführt. Heute Morgen neben Natsu aufzuwachen, sich so behaglich fühlend wie selten, hatte ihr nicht geholfen, ihre wirren Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Aber sie hatte ihren Freund nicht betrogen! „Absolut nicht! Wie kommst du überhaupt darauf?“
 

„Wer ist dann dieser Mann?“, war die beleidigte Antwort. „Du gehst einfach mit jemand anderem aus, was soll ich denn da denken?“
 

Sie kratzte sich am Kopf. Vorhin war es ihr nicht aufgefallen, aber Layla hatte Natsu auch schon erwähnt, obwohl sie nie von ihm erzählt hatte. Vermutlich hatten irgendwelche Klatschblätter Bilder vom letzten Abend abgedruckt und wie sie diese Art von ‚Zeitung‘ so kannte, hatten sie die möglichst anzüglichste Erklärung gewählt und spekulierten darüber, ob Natsu ihr neuer Lover wäre und was denn wohl mit Dan passiert war. Am liebsten würde sie ein paar Überschriften selbst lesen, um sich davon zu überzeugen, aber eigentlich war das unnötig und sie hatte sowieso keine dieser Magazine zur Hand. Ihr Blick irrte durch den Raum, aber sie entdeckte nicht einmal eine Tageszeitung, geschweige denn irgendein Klatschblatt.
 

Minerva aber war nun wach und hatte den Kopf auf ihr Vorderbein gelegt. Sie starrte sie unverhohlen an, die Ohren gespitzt, und machte sich nicht einmal die Mühe so auszusehen, als würde sie nicht zuhören. Natsu und Rogue unterhielten sich leise. Sting schlief noch, bewegte sich aber unruhig, eine steile Falte zwischen den Brauen. Vermutlich störten ihn all die Stimmen. Außerdem saß Yukino inzwischen aufrecht auf seinem Bauch und leckte sich grazil die Pfote.
 

Der Tisch vor ihm war bedeckt mit Papier – zwei riesige Wälzer, Notizblätter und dazwischen einige Landkarten. Auf der Theke entdeckte sie einen zugeklappten Laptop, doch sie wollte eigentlich nicht fragen. Dan währenddessen kaute ihr noch immer ein Ohr ab und wurde mit jeder Sekunde erregter und lauter. Er hatte anscheinend schon beschlossen, dass sie ihn betrog oder kurz davor stand und nichts, das sie jetzt sagte, würde ihn von dieser Meinung abbringen. Da konnte sie sich den Mund fusselig reden, wenn sie versuchen wollte, ihn zu beruhigen.
 

Stattdessen fuhr sie ihm ins Wort: „Das war mein Bodyguard!“
 

„Was? Lucy, ich erkenne doch einen Bodyguard!“, beschwerte Dan sich empört. „Das kannst du mir nicht erzählen! Die haben immer diese steinernen Gesichter, sind in der Regel bewaffnet und niemals so gut gekleidet. Verkauf mich doch nicht für dumm!“
 

„Natsu ist eben etwas unkonventionell!“, widersprach sie heftig. „Was nicht heißt, dass er nicht gut in seinem Job ist! Und ich war es, die ihn eingekleidet hat! Ich kann nicht mit jemandem auftauchen, der sich nicht neben mir sehen lassen kann!“
 

„Du nennst ihn also schon beim Vornamen, ja? Ich habe zwei Wochen gebraucht, ehe ich dich so weit hatte, dass du die Förmlichkeit hast fallen lassen, obwohl wir zusammengearbeitet haben! Und wofür brauchst du überhaupt einen Bodyguard? Ist es schon wieder diese Geschichte mit den Geistern? Du solltest dir vielleicht einen Therapeuten deswegen suchen, das ist nicht gesund für dich.“
 

Lucy konnte kaum glauben, was sie da gerade hörte. War das noch derselbe Mann, in den sie sich verliebt hatte? Der ihre abweisende Schale mit Beharrlichkeit und niedlichen Gesten geknackt hatte, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt alle auf Abstand hatte halten wollen, um sich neben ihrem Job richtig um ihre Mutter kümmern zu können? Er war so süß gewesen, hatte sie mit Komplimenten, Geschenken und Aufmerksamkeit überschüttet, war an ihren Lippen gehangen und hatte sich beinahe überschlagen vor Begeisterung, als sie schließlich zugestimmt hatte, mit ihm auszugehen.
 

Und jetzt hörte er ihr weder richtig zu noch nahm er sie ernst!
 

Wo war ihre Beziehung schiefgelaufen, was war geschehen? Sie verlangte ja nicht, dass er ihre Geschichte über übernatürliche Morde glaubte – bis vor ein paar Stunden hatte sie ja selbst noch etwas an ihrem Verstand gezweifelt – aber deswegen konnte er ihr trotzdem zuhören und sich mit ihren Sorgen befassen! Stattdessen kam sowas! Das war ja wohl das Letzte!
 

„Jetzt hör mir mal genau zu!“, fiel sie ihm ins Wort, während ihre Wut noch weiter wuchs. Er hatte irgendwas über ihren Ruf erzählt und war jetzt bei seinem angelangt und dass sie ihn ja nicht auf diese Weise in den Dreck ziehen und ihm Hörner aufsetzen durfte. Typisch! Aber nicht mit ihr!
 

„Ich lasse mich begleiten, von wem ich will, und nur, weil das normalerweise du bist, heißt das noch lange nicht, dass das immer du bist! Sowieso, ich habe dich seit Wochen nicht gesehen und alle Gespräche hältst du kurz, weil du ja was zu tun hast, und ich habe auch mein eigenes Leben! Und jetzt tust du gerade noch so, als wäre ich ein Fall für die Klapsmühle! Nein, jetzt rede ich!“, blockte sie ihn ab, als er ein paar beruhigende Worte einwerfen wollte.
 

Trotzdem senkte sie die Stimme, sich auf einmal darüber bewusst, dass Minerva nicht mehr die einzige war, die ihr lauschte. Fünf Augenpaare waren auf sie gerichtet. Vielleicht hätte sie den Raum verlassen sollen? Aber dafür war es jetzt zu spät und eigentlich war sie auch zu aufgeregt, um sich groß um Zuschauer zu kümmern. Sollten sie doch eine Show haben!
 

„Auf jeden Fall fühle ich mich gerade ein wenig verarscht und übrigens hat Natsu mir gestern tatsächlich das Leben gerettet – das stand sicherlich nicht in deinen Klatschblättern!“ Zumindest wünschte sie sich das. Aber das Feenschloss und Erza hatten hoffentlich zusammengearbeitet und die Sache unter den Teppich gekehrt oder zumindest so weit heruntergespielt, dass es wie ein harmloser Zwischenfall aussah. Sie wollte nicht als das Model bekannt sein, das beinahe von einem Kronleuchter ins Jenseits befördert worden war.
 

Dan schien für einen Moment nicht zu wissen, was er antworten sollte, dann aber versuchte er es mit: „Lucy-Baby, geht es dir gut?“
 

„Ob es mir gut geht?! Gerade eben war das noch so, aber jetzt muss ich das nochmal überdenken! Und steck dir dein ‚Baby‘ sonstwohin! Ich bin im Moment echt nicht aufgelegt für solche Plattitüden! Nach allem, was geschehen ist, kannst du mir jetzt nicht mit so einem Scheiß kommen!“
 

„Lucy-“, begann Dan, aber sie ließ ihn gar nicht weiterreden, sondern fuhr ihm aufgebracht dazwischen: „Ich will auch nicht irgendwelche Entschuldigungen oder Beruhigungen oder sonst was hören! Tatsächlich wollte ich nur, dass du mir zuhörst, weil ich Sorgen habe, aber du scheinst dich ja kein Stück dafür zu interessieren! Hast du mir vorhin überhaupt zugehört?!“
 

„Du wirkst ein wenig aufgebra-“
 

„Ich wurde fast von einem Kronleuchter erschlagen, nach allem, was schon vorgefallen ist, aber das scheint hier niemand anderen zu interessieren! Warum macht das eigentlich sonst niemanden stutzig! Aber alles, was sich höre, ist ‚das ist nur Zufall, kann ja mal vorkommen‘! Manchmal glaube ich, ihr alle seht in mir nur einen Goldesel oder das Eyecandy im Arm oder was auch immer! Von Michello kann ich das hinnehmen, aber von dir zumindest hätte ich mehr erwartet, als einfach so abgewimmelt zu werden!“
 

„Lucy! Jetzt komm doch erst mal runter!“
 

„Runterkommen? Warum? Damit du mir wieder ein paar leere Worte in die Ohren säuseln kannst, die am Ende doch nichts bedeuten?“ Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Es war niemandem geholfen, wenn sie jetzt an die Decke ging. Oder wohl eher, noch mehr an die Decke ging. „Ich halte es für das Beste, wenn wir für eine Weile Funkstille halten.“, schlug sie dann in dem vernünftigsten Tonfall vor, den sie zustande brachte. Es klang immer noch ziemlich gepresst, aber wenigstens hielt sie die Stimme gleichmäßig. „Wir – oder besser, ich brauche etwas Zeit, um darüber nachzudenken, wo wir gerade stehen und ob das Ganze noch Sinn macht.“
 

„Was?!“, rief Dan entsetzt aus. Seiner Stimme war anzuhören, dass er damit ganz und gar nicht gerechnet hatte. Tatsächlich überraschen die Worte Lucy selbst ebenfalls, aber gleichzeitig fühlte sie sich befreit, als hätte diese Beziehung sie niedergedrückt und festgehalten, anstatt ihr Wärme, Halt und Unterstützung zu geben. Es war einfach nicht mehr wie am Anfang. „Aber du kannst mich doch nicht einfach so abservieren! Lucy!“
 

„Wir sprechen uns wieder, lass uns das in ein bis zwei Wochen noch einmal diskutieren. Tschüss.“ Damit leget sie auf, ohne ihm weiter Gelegenheit zu Protesten zu geben. Vielleicht war das ein bisschen unfair, aber sie konnte sich im Moment nicht auch noch damit befassen. Er würde schon darüber hinwegkommen.
 

Dann wurde sie sich schlagartig wieder darüber bewusst, dass sie Zuschauer hatte, und fauchte „Was?!“ in den Raum.
 

Minerva wandte sich uninteressiert wieder ab und auch Rogue begann, wieder in seiner Küche herumzuwerkeln, als ginge ihn all das nichts an. Natsu starrte sie währenddessen mit weit aufgerissenen Augen an. „Wow, das war spektakulär!“, erklärte er bewundernd.
 

Sting, der jetzt im Schneidersitz auf dem Sofa saß, den Quilt noch halb auf dem Schoß, grinste und bemerkte: „Hast du gerade über das Telefon mit deinem Freund Schluss gemacht?“ Yukino, die aufrecht neben ihm hockte, maunzte zustimmend und ihr fedriger Schwanz zuckte hin und her.
 

Doch Lucy runzelte die Stirn und widersprach: „Nein, habe ich nicht! Ich habe mehr Klasse als das. Das ist nur eine Auszeit, weil ich gerade so viel um die Ohren habe.“ Warum rechtfertigte sie sich eigentlich ausgerechnet vor dem?! Das ging den mal gar nichts an!
 

Doch sein Grinsen wurde nur breiter. „Mach dir doch nicht selbst was vor – solche Bitten enden doch immer im Aus!“
 

Er hatte vermutlich Recht; zumindest in ihrem Fall, aber das würde sie ihm jetzt sicher nicht zugestehen. „Was weißt du schon?“, antwortete sie darum nur und wurde von Rogue gerettet, der eine Tasse und einen vollen Teller zu Sting hinüberbrachte. Konnte der denn nicht mal selbst laufen?!
 

Frustriert schnaufend kehrte Lucy zu ihrem Stuhl zurück, doch der Hunger war ihr vergangen. Sie leerte ihre Tasse und saget zu Natsu: „Wir sollten demnächst los. Es ist schon fast Mittag.“ Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte, wie recht sie mit dieser Einschätzung hatte. „Ich gehe mich fertig machen.“
 

Er nickte, den Mund schon wieder voll, trotzdem versuchte er zu sprechen. Damit schien er Übung zu haben, denn es klang nur undeutlich und nicht völlig unverständlich. „Cana hat vorhin gefragt, wann wir vorbeikommen. Gray und Romeo dürften dann auch wieder da sein. Dann können wir kurz gemeinsam brainstormen. Vielleicht fällt Gray etwas ein, das ich übersehen habe.“
 

„Gute Idee.“, stimmte sie zu und freute sich, dass er sie so einfach mit einbezog, als würde sie dazugehören. „Aber ich muss zuerst nach Hause und in andere Kleider schlüpfen.“ Nichts gegen diese hier, aber das war nicht ihr Stil und sie hatte einen gewissen Standard aufrecht zu halten.
 

Trotzdem, die Klamotten waren besser als das Kleid vom letzten Abend, also drehte sie sich um, um zu fragen, ob sie sie zwischenzeitlich behalten konnte. Doch bei dem Anblick, der sich ihr bot, blieb ihr das Wort im Hals stecken.
 

Der Schwarzhaarige saß neben Sting auf dem Sofa und ihre Köper waren einander zugeneigt, als würden sie unwillkürlich zueinander gezogen werden wie zwei Magnete. Rogue wählte genau diesen Moment, um Sting die Lippen auf die Stirn zu pressen, direkt über der Braue. Es war eine zärtliche Geste, die Lucy mit einem Gefühl von Neid kämpfen ließ, vor allem im Schatten des vorherigen Streits mit ihrem eigenen Freund, und ein geradezu liebenswertes Lächeln auf Stings Lippen zauberte, das ihn völlig veränderte.
 

Es war offensichtlich, wie vertraut die beiden miteinander waren, und peinlich berührt wandte Lucy sich wieder ab. Dieser intime Moment war nicht für ihre Augen bestimmt.
 

Sie griff nach ihrem Handy, das neben ihrem Teller lag, und quiekte erschrocken auf, als ein weißer Schatten an ihr vorbeischoss und mit einem Satz auf dem Tresen landete. Yukino schnupperte kurz an den Resten auf dem Teller, ehe sie sich darüber hermachte.
 

„Hey, ich weiß nicht, ob das gut für dich ist…“ Lucys Stimme verklang unsicher, zögerlich, ob sie die Katze davon abhalten sollte. War das überhaupt eine Katze?
 

„Ihr solltet dann gehen.“, bemerkte Rogue hinter ihr und erschreckte sie dadurch erneut. Warum bewegte er sich auch so geräuschlos?! Langsam sollte sie sich aber an solche Überraschungen gewöhnen! „Ihr könnt uns die Kleider in den nächsten Tagen vor die Tür legen.“ Selbst mit konkreten Worten konnte er nicht deutlicher machen, dass er sie so bald nicht wiedersehen wollte.
 

„Ihr habt es aber auch gar nicht eilig, uns loszuwerden.“, bemerkte Natsu sarkastisch. Dann wechselte sein Ton ins Anzügliche. „Habt ihr noch was Bestimmtes vor?“
 

„Ja, versuchen, die Erinnerung an deine hässliche Visage aus dem Gedächtnis zu verbannen.“, warf Sting von hinten ein und Natsu sprang natürlich sofort darauf an. Mit einer Geste, die seine ganze Person einfasste, erklärte er selbstbewusst: „Das ist wohl zu viel für dich. Wundert mich gar nicht!“
 

Rogue zog ein finsteres Gesicht.
 

Auch Lucy hatte genug von diesen Kindereien, also packte sie Natsu kurzerhand am Handgelenk, ehe die Sache wieder eskalieren konnte, und zerrte ihn hinter sich hier. Nach einem weiteren kurzen Abstecher im Bad packten sie ihre wenigen Sachen zusammen und wurden sogleich von Rogue zur Tür komplimentiert. Minerva stand neben ihm und folgte ihnen, wie um seinem Anliegen noch einmal Nachdruck zu verleihen.
 

„Ich schick die Rechnung ins Büro, Natsu. War nett, mit euch Geschäfte zu machen.“, erklärte er im Türrahmen stehend, die Arme abweisend vor der Brust verschränkt.
 

Natsu nickte zustimmend und Lucy versuchte, noch einen Abschiedsgruß unterzubringen, aber ihr Gastgeber schob bereits die Tür zu, noch ehe sie fertig war. Etwas verdutzt starrte sie auf die blaue Fläche, die so plötzlich ihr Gesichtsfeld ausfüllte. Das war aber auch gar nicht unhöflich!
 

„Wow.“, sagte sie dann. Gestern war er ihr noch freundlicher erschienen. „Läuft das immer so ab?“
 

„Das war noch zivilisiert.“, meinte Natsu leichthin und sie fragte sich unwillkürlich, wie viel der Feinseligkeit auf seine Kappe ging. Ganz unschuldig war er an dem verfahrenen Verhältnis zwischen ihm und den beiden sicher nicht. „Lass uns gehen.“
 

Zuerst fuhren sie zu Lucys Elternhaus, wo sie in ein neues Outfit schlüpfte, elegant, aber praktisch. Sie verzichtete sogar auf Heels und legte nur einen Hauch Make-up auf. Heute musste sie sich nicht vorzeigen und wer wusste, was sie im Zuge der Nachforschungen alles machen würde. Da war es besser, vorbereitet zu sein.
 

Natsu schienen die geliehenen Klamotten egal zu sein, denn danach steuerte er gleich das Büro von Slayer Investigations an. Cana war bereits vor Ort, als sie ankamen. Sie saß auf ihrem Schreibtisch und hielt einen Stapel Fotos in den Händen, die sie offenbar sehr lustig fand, denn sie grinste über das ganze Gesicht.
 

„… nie gedacht, dass er auf solche Sexpraktiken steht!“, amüsierte sie sich gerade und blickte mit blitzenden Augen auf.
 

„Wir waren auch ziemlich … erstaunt.“ Ihr Gegenüber war ein hochgewachsener junger Mann mit einem durchtrainierten Körper und einem kühlen Blick. Er hatte die Hände lässig in den Taschen seiner Jeans vergraben und trug ein einfaches, weißes Hemd darüber, dessen Ärmel über die Unterarme hochgekrempelt waren. Sein dunkles Haar war kurz und ungezähmt und fiel ihm unordentlich in die Stirn. Ein Grinsen zierte sein attraktives Gesicht mit intelligenten, dunklen Augen, deren scharfer Blick sich jetzt auf die Neuankömmlinge richtete.
 

„Hi, Leute!“, begrüßte Natsu gutgelaunt und als sein Blick auf die Fotos fiel, fügte er hinzu: „Scheint, als hätte eure Mühe sich gelohnt.“
 

Der Dunkelhaarige grinste. „Und wie! Neue Mandantin?“ Er musterte Lucy kurz und eingehend, dann schenkte er ihr ein professionelles Lächeln und streckte ihr die Hand hin, die sie automatisch schüttelte. „Gray Fullbuster, Natsus Geschäftspartner.“
 

„Schön, Sie endlich kennenzulernen. Ich bin Lucy Heartphilia.“, stellte sie sich vor.
 

Erkennen leuchtete in den außerordentlich schwarzen Augen auf; offensichtlich wusste er mehr über sie als Natsu. Doch er trat nur einen Schritt zurück und nickte ihr zu. „Freut mich.“
 

„Lucy, meine Liebe!“, mischte sich Cana ein und schlang freundschaftlich einen Arm um ihre Schultern. „Wie hast du es nur geschafft, Natsu in einen Anzug zu stecken? Verrate mir deine Geheimnisse!“ Sie hatte die Fotos, die nun mit dem Rücken nach oben auf dem Schreibtisch lagen, gegen eine Illustrierte ausgetauscht und hielt diese jetzt Lucy unter die Nase, so nah, dass die erst etwas erkennen konnte, als sie zurückwich.
 

Es war das Titelbild eines Modemagazins, auf dem ein Foto der Gala den Blickfang bildete, mit Lucy und Natsu vor den Toren des Feenschlosses. Lucy bemerkte stolz, dass sie absolut umwerfend aussah, bezaubernd schön, und das Kleid kam auch gut zur Geltung. Natsu neben ihr gab in seinem neuen Anzug auch ein äußerst stattliches Bild ab. Mehr als das sogar, wenn er mit diesem Look keine Mädchenherzen schneller schlagen ließ, dann wusste sie auch nicht.
 

Die Bildüberschrift allerdings ließ sie die Stirn runzeln. Neuer Lover für Lucy Heartphilia? stand da und darunter in kleinerer Schrift Wer ist der mysteriöse Beau, der das Herz dieses strahlenden Sterns gestohlen hat? Und was ist aus Dan Straight geworden? Mehr auf Seite 4
 

„Anzug?“, echote Gray und griff nach der Zeitung. „Das muss ich sehen.“
 

„Warum wollt ihr euch alle über mich lustig machen?“, jammerte Natsu und versuchte seinerseits, des Magazins habhaft zu werden. Nach einem kurzen, lauten Handgemenge war es jedoch Gray, der siegreich aus der Schlacht hervorging und triumphierend die Zeitschrift hochhob.
 

Er warf einen kurzen Blick auf das Titelbild und zog eine Augenbraue hoch. „Du machst ja richtig was her!“, erklärte er beinahe beeindruckt und Natsu hielt erstaunt inne, als könnte er nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Selbst die Sekretärin zog eine Augenbraue hoch, doch der positive Eindruck wurde rasch wieder zerstört, als Gray hinzufügte: „Für einen Affen jedenfalls. Ist das der Grund, warum du dich weigerst, Anzüge zu tragen? Weil jemand dich mit einem ernst zu nehmenden Menschen verwechseln könnte?“
 

Lucy warf einen verdutzt-bestürzten Blick zu Cana – sie hatte gedacht, die beiden wären Freunde! –, aber die schien das alles als normal anzusehen, denn der verwunderte Ausdruck verschwand wieder von ihrem Gesicht. Stattdessen grinste sie Lucy einfach an und hob in einer universellen Was soll man machen?-Geste die Schultern.
 

Natsu grinste nur und erklärte: „Nein, das ist, damit du neben mir noch einen halbwegs anständigen Eindruck machst.“
 

Anders als bei seinen Schlagabtauschen mit Sting, die der stets aggressive Unterton zu etwas Feindseligem gemacht hatte, war dieser Wortwechsel humorvoller und die beiden zogen sich nur auf. Das war offensichtlich, nachdem Lucy erst einmal ihren ersten Schrecken überwunden hatte.
 

„Sind die immer so?“, wollte sie flüsternd von Cana wissen, die nur mit den Schultern zuckte und abwinkte. „Man gewöhnt sich dran.“
 

Ehe noch jemand etwas einwerfen konnte, öffnete sich die Tür und ein weiterer junger Mann kam herein. Wobei Mann doch etwas hochgegriffen war, Junge war eindeutig passender; er konnte doch kaum die Schule abgeschlossen haben! War es ihm überhaupt gestattet, in einer Detektei zu arbeiten?
 

Er hatte struppiges, dunkles Haar – das schien hier irgendwie ein Thema zu sein, genau wie der sportliche Körperbau. Wie Natsu schien er den lässigen Kleidungsstil zu bevorzugen, sein Outfit bestand aus Jeans, Sweatshirt und ausgelatschten Armeestiefeln.
 

Wäre er ein paar Jahre älter, würde Lucy ihn durchaus als gutaussehend bezeichnen, aber jetzt hatte sie den Eindruck, noch ein paar Spuren von Babyfett zu erkennen und beschränkte sich auf niedlich. Außerdem kam er ihr bekannt vor und nach einigen Sekunden erinnerte sie sich an Macao den Polizisten, der seinen Sohn erwähnt hatte. Die Ähnlichkeit der beiden war nicht zu übersehen.
 

In den Armen trug er eine Kiste mit Gebäck von einer Bäckerei und drei To-Go-Kaffeebechern. „Hi.“, grüßte er mit strahlendem Grinsen in die Runde. „Hier ist die gewünschte Lieferung.“ Dann machte er ein langes Gesicht, als er die beiden zusätzlichen Personen bemerkte. „Wenn ich gewusst hätte, dass ihr kommt, hätte ich euch Kaffee mitgebracht.“ Dann wandte er sich direkt an Lucy und er klärte dreist: „Ich bin übrigens Romeo und ich weiß, wer du bist. Du hast meinem Vater den Tag versüßt, er konnte den ganzen Abend nicht aufhören, von dir zu sprechen.“
 

Lucy überging die letzte Bemerkung und winkte ab. „Wir haben gerade ziemlich ausgiebig gefrühstückt. Aber danke.“ Natsu allerdings langte bereits zu und blickte bei ihren Worten beinahe ertappt auf.
 

Gray schnaubte. „Du kannst immer essen, wie machst du das nur? Es ist, als würdest du noch wachsen oder so.“
 

Der Angesprochene, eine Apfeltasche bereits halb im Mund, zuckte mit den Schultern. „Wer viel Energie verbraucht, muss viel Essen.“, erklärte er kauend.
 

„Wo ist mein Kaffee!“, verlangte Cana zu wissen und riss dem Jungen die drei Becher in ihrer Halterung beinahe aus der Hand. Nach kurzem Schnuppern wählte sie sie einen davon aus, als hätte sie dadurch irgendwie erkennen können, welcher davon die richtige Flüssigkeit enthielt.
 

Gray schnappte sich wahllos einen der anderen und lehnte sich an den Schreibtisch. „Du hast gesagt, ihr braucht Hilfe?“, begann er. „Schieß los, worum geht es? Cana hat nur etwas von irgendwelchen toten Models erzählt.“
 

„Viel wissen wir noch nicht.“, erklärte Natsu. Er ließ sich auf das Sofa fallen. „Aber es sind definitiv Morde. Todesfluch, um genau zu sein.“
 

Cana und Gray wechselten besorgte Blicke und Romeo riss die Augen auf. Langsam stellte er seine Kiste mit Süßigkeiten auf die Akten, die sich auf Canas Schreibtisch stapelten und war so gespannt, dass er den Atem anhielt.
 

„Wir kommen eben von Sting, er hat den von Lucy genommen.“, fuhr Natsu fort und fügte leise etwas hinzu, das verdächtig wie Dieser Arsch klang, ehe er wieder zum Thema zurückkam. „Und jetzt müssen wir herausfinden, wer es war, ehe er einen weiteren werfen kann. Und wir haben nicht wirklich viele Anhaltspunkte.“
 

„Es könnte jemand sein, der meinen Job will.“, warf Lucy ein. „Immerhin waren nur Mädchen betroffen, die ihn auch hatten. Mehr würde mir ehrlich gesagt nicht einfallen.“
 

„Das ist unsere beste Vermutung im Moment.“, stimmte Natsu zu.
 

„Das ist wirklich nicht viel.“, murmelte Gray und Cana stellte ihren Becher ab, um eine Akte aus dem Chaos auf ihrem Stapel zu stehen. „Ich hatte gestern ein wenig Langeweile, weil alle meine Bosse unterwegs waren, also hab ich ein paar Nachforschungen angestellt über CatWalk, seine Models und was da halt noch so ist. Eine weitere Verbindung zwischen Riko, Nalshe und DeZille habe ich nicht gefunden. Alle anderen Models, die Hoffnung auf diesen Job haben könnten, sind so sauber, dass ich vor lauter Fadheit fast weggepennt bin, als ich sie gecheckt habe. Alle, außer eine.“
 

Lucy horchte auf. Das klang vielversprechend! Auch Natsu setzte sich ruckartig auf. „Wer?“
 

Cana klappte ihre Mappe auf und zeigte das Foto, das an das vorderste Papier geheftet war. Es zeigte das Gesicht einer wunderschönen jungen Frau mit funkelnden Saphiraugen und wallendem, schneeweißem Haar…
 

„Mirajane!“, rief Lucy erstaunt aus, ehe Cana weitersprechen konnte, und wollte ihren Augen nicht trauen. „Aber… Nein, das kann nicht sein! Sie ist eine der freundlichsten, liebenswertesten Personen, die ich kenne!“ Das konnte sie einfach nicht glauben. Mirajane würde so etwas niemals tun. Außerdem… „Sie hat das gar nicht nötig, sie ist unser bekanntestes Gesicht.“
 

Die Sekretärin zuckte mit den Schultern. „Ich sag euch nur, was ich finde. Heißt ja nicht, dass sie tatsächlich dahintersteckt. Aber sie ist die einzige, bei der es Bling! gemacht hat.“
 

„Und in welchem Zusammenhang?“, schaltete Gray sich ein.
 

Cana klappte ihre Akte wieder zu und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. „Sie hat Verbindungen zu De Cybele.“ Lucy öffnete den Mund um nachzufragen, als Cana sie schon anblickte. „Das ist ein Händler, der sich auf übernatürliches Zeug spezialisiert hat. Was er da treibt, ist nicht immer ganz legal, aber was wollen sie tun? Ihn wegen Handels mit unerlaubten magischen Artefakten wegsperren? Die Bullen haben keine Ahnung, was für gefährliches Zeug bei ihm über die Theke geht.“ Sie wedelte mit der Hand. „Jedenfalls hat sie mehrere Käufe bei ihm getätigt.“
 

„Könnte auch etwas ganz Harmloses sein.“, wandte Gray ein. „Er hat auch noch normale Sachen im Angebot.“
 

„Das ist jedenfalls das einzige, das ich gefunden habe.“
 

„Aber es gibt keinen Grund für Mirajane, so etwas zu tun.“, beharrte Lucy starrköpfig. Sie konnte einfach nicht glauben, dass die herzliche Weißhaarige dahintersteckte! Das machte einfach keinen Sinn.
 

„Und nur, weil ich nichts gefunden habe, heißt das noch nicht, dass da nichts ist.“, bemerkte Cana spitz. „Ihr wisst, wie das läuft und manche Leute sind echt gut darin, ihre Spuren zu verwischen, vor allem, wenn sie Magie beherrschen. Ich habe genau elf Models auf meiner Liste, die ihr euch näher ansehen könnt. Vielleicht ist eine davon die Täterin, vielleicht habe ich etwas übersehen.“
 

„Weil du auch so viel übersiehst.“, grummelte Natsu und runzelte die Stirn, während er den Rest eines Nusshörnchens verspeiste. Dann blickte er plötzlich auf. „Was ist mit dieser Blondine, die dich gestern so angezickt hat?“
 

Für einen Moment war Lucy verwirrt, wen genau er meinte, dann fiel es ihr ein. „Jenny…? Also…“ Jenny war zwar eine ziemliche Zicke und für Lucys Geschmack etwas zu sehr eingenommen von sich selbst, doch einen Mord traute sie ihr auch nicht zu. „Ich weiß nicht…“
 

„Wenn du das jedes Mal sagst, wenn wir eines der Models nennen, kommen wir nicht weit.“, bemerkte Cana trocken und Gray fügte hinzu: „Wie gut kennst du diese Jenny?“
 

„Nicht sehr gut.“, musste Lucy zugeben und runzelte die Stirn. „Sie erzählt zwar sehr viel, wenn der Tag lang ist, aber eher wenig über sich selbst. Sie heißt Jenny Reallight und kommt aus Hydrangea City, aber mehr weiß ich gar nicht.“ Wie seltsam. Über die meisten ihrer Kolleginnen wusste sie das eine oder andere Detail, aber nicht über diese.
 

„Vater, Mutter ist tot, aber sie hat zwei Geschwister, die beide studieren. Ihr Hintergrund wirkte ganz normal.“, fügte Cana noch hinzu, womit sie offiziell mehr über Jenny wusste als Lucy.
 

„Wir sollten sie mal genauer unter die Lupe nehmen.“, beschloss Natsu. „So ein normaler Hintergrund ist relativ schnell gefälscht, wenn man sich Mühe gibt. Und die andere auch, Mirajane oder wie? Was ist mit der?“
 

Abwartend blickte er Cana an, doch die runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist auch noch ein seltsamer Punkt. Und beunruhigend.“, gestand sie und nahm wieder ihre Akte zur Hand. Allerdings schien es ihr eher darum zu gehen, ihre Hände zu beschäftigen, als dass sie die Notizen darin tatsächlich benötigte. „Strauss‘ Eltern wurden ermordet, als sie noch jung war. Der Mörder wurde nie gefasst, aber es gab Gerüchte, dass die Leichen völlig zerfetzt waren oder zumindest sehr entstellt. Sie hat zwei jüngere Geschwister, einen Bruder und eine Schwester.“
 

Sie blickte von ihren Notizen auf. „Mirajane hat sich um sie gekümmert und dafür gesorgt, dass die drei zusammenblieben und gemeinsam von Pflegeeltern aufgenommen wurden. Ein paar Jahre nach dem Mord an den Eltern allerdings verschwand die Schwester, Lisanna Strauss, spurlos. Sie wurde bis heute nicht gefunden, aber es gibt die wildesten Gerüchte.“
 

Schockiert sog Lucy die Luft ein; ihr war plötzlich kalt. Von diesen Ereignissen hatte sie vorher auch noch nie den Hauch einer Ahnung gehabt, was bedeutete, dass Mirajane sie unter Schloss und Riegel hielt und sehr darauf achtete, dass nichts davon an die Öffentlichkeit drang. Vermutlich waren die Polizeiakten dazu sogar versiegelt. Wie Cana wohl an diese Informationen gelangt war…?
 

Allerdings erinnerte sie sich daran, wie Mirajane öfter stolz von ihrem kleinen Bruder Elfman erzählte, der an die örtliche Universität ging. Aber darüber hinaus wusste Lucy über sie ebenso wenig Privates wie über Jenny. Warum fielen ihr solche Sachen erst jetzt ein…?
 

Natsu und Gray wechselten einen vielsagenden Blick. „Da scheint jemand schon früher mit dem Magischen in Konflikt geraten zu sein…“, murmelte Gray. „Oder wir haben es hier mit einer unglaublichen Aneinanderreihung phänomenaler Zufälle zu tun.“
 

„Es gibt keine solchen Zufälle.“, grummelte Natsu und wischte sich die klebrigen Hände an der Hose ab. Dann erhob er sich. „Sind Jenny und Mirajane auch bei diesem Event, zu dem du heute gehst?“
 

„Es ist nur eine kurze Probe für die Halloweenshow.“, wehrte Lucy ab. „Aber die beiden sind da auch eingespannt, also sollten sie heute anwesend sein.“
 

„Das trifft sich gut. Dann können wir vielleicht ein wenig bei ihnen herumschnüffeln. Ich zähle auf deine Hilfe!“
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

„Lucy! Ich habe nicht gedacht, dass wir Sie heute zu sehen bekommen!“ Erzas Stimme zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, kaum dass sie durch die Hintertür der Twilight Hall getreten war. Es war bereits später am Nachmittag, als sie gewollt hatte, aber zum Glück noch nicht zu spät. Erza mochte keine Unpünktlichkeit.
 

Die rothaarige Frau stand einige Meter entfernt, ein Clipboard in der Hand, und redete mit einem Lieferanten. Der wandte sich jetzt ab und eilte durch eine Seitentür zurück zur Laderampe, während Erza mit langen Schritten herüberkam. Sie trug einen eleganten Hosenanzug und hatte ihr Haar zu einem Knoten hochgesteckt. „Ich hätte gedacht, Sie würden sich heute ausruhen.“
 

Lucy lächelte und winkte ab. „Mir geht es gut.“, erklärte sie und kam sich neben ihrer Vorgesetzten in ihrem Kaschmirsweater ziemlich underdressed vor. Aber tatsächlich hatte sie keinerlei Verpflichtung, heute in voller Aufmachung aufzukreuzen, also verdrängte sie das Gefühl. Erza war stets todschick gekleidet, eine richtige Perfektionistin, die kein Haar an der falschen Stelle duldete.
 

„Das gestern war nur ein Schock, aber es ist nicht so, als hätte jemand den Kronleuchter absichtlich auf mich fallen lassen.“ Lucy lachte nervös und hoffte, dass ihre Worte nicht wie die große Lüge klangen, die sie waren. Aber wenn jemand anderes als die Eingeweihten sie hören konnten, würde sie so tun, als wäre alles in bester Ordnung und dass sie nicht an Flüche glaubten.
 

„Aber Ihren Begleiter haben Sie trotzdem mitgebracht.“ Erza zwinkerte ihr zu und begrüßte kurz Natsu, der mit in die Hosentaschen geschobenen Händen hinter Lucy wartete. Natsu nickte nur als Antwort, ein unbekümmertes Halblächeln auf den Lippen.
 

„Ist das okay?“, fragte Lucy, doch die Rothaarige winkte nur ab. „Solange er uns nicht in die Quere kommt… Ansonsten kann er sich auf etwas gefasst machen!“ Erza grinste, um zu zeigen, dass sie es nicht ernst meinte. Trotzdem richtete Natsu sich gerade auf und seine Augen waren geweitet, als ob er gleich versichern würde, dass er nie auf diese Idee komemn würde.
 

Doch die Rothaarige winkte sie bereits hinter sich her. „Kommen Sie, die meisten anderen sind bereits anwesend.“
 

Sie führte die beiden durch die langen, hellen Gänge der Veranstaltungshalle in einen großen Raum, den sie als Besprechungszimmer nutzten. Auf einer aufgebauten Tafel waren einige Snacks angerichtet worden, denen Natsu einen interessierten Blick zuwarf, als hätte er weder gefrühstückt noch im Büro süße Stückchen verdrückt.
 

Es hatten sich bereits die knapp dreißig Models versammelt, die an der Halloweenshow teilnehmen würden. Lucy spürte, wie sich alle Blicke auf sie richteten, und dann explodierte der Raum in heftigem Geflüster. Die meisten Anwesenden waren nicht so leise, wie sie es gerne wären, doch die Worte gingen im allgemeinen Gerede unter, so dass sie nicht zu verstehen waren. Trotzdem konnte Lucy sich ziemlich gut denken, worum es ging.
 

Würde sie nicht darauf bestehen, Natsu bei seinen Nachforschungen zu helfen, hätte sie sich heute tatsächlich entschuldigt und wäre zuhause geblieben. Das würde ihr zumindest diesen Spießrutenlauf ersparen. Es war auch nicht so, als ob diese Besprechung überaus wichtig war, den letzten Endes liefen diese Shows immer sehr ähnlich ab und sie hatte an genug davon teilgenommen, um keine Hilfe mehr zu brauchen.
 

„Lucy!“ Mirajane drängte sich aus der Menge heraus und kam mit raschen Schritten herüber um sie in den Arm zu nehmen, eine Geste, die sie erfreut erwiderte. Dann erinnerte Lucy sich an Canas Informationen und sie fragte sich unwillkürlich, ob nicht doch Mirajane hinter allem steckte. Waren die Dinge, die die weißhaarige Schönheit mit dem Übernatürlichen verbanden, nicht ein wenig zu groß um noch Zufälle zu sein?
 

Aber nein, wehrte sie automatisch ab, das konnte einfach nicht sein. Nicht Mirajane, die immer liebenswürdig und freundlich war, die jedem eine Chance gab und trotz all ihrem Erfolg so natürlich und bodenständig geblieben war, das die meisten anderen sich eine Scheibe von ihr abschneiden konnten. Alle, aber nicht Mira.
 

Die Sorge in den blauen Augen war ehrlich.
 

„Geht es dir gut?“, fragte Mirajane sogleich, als sie bei Lucy ankam, und nahm sanft ihre Hände.
 

„Natürlich.“ Lucy erwiderte den kurzen Händedruck. „Ich habe ja Natsu.“
 

Sofort huschte sich Mirajanes Blick zu diesem und er richtete sich unwillkürlich gerader auf. „Sie sind also Lucys Bodyguard?“ Sie musterte ihn kurz mit gerunzelter Stirn und strengem Gesicht, dann verzogen sich ihre vollen Lippen plötzlich zu einem strahlenden Lächeln und sie schüttelte seine Hand. „Sie machen eine wirklich gute Figur dabei. Das sah gestern sehr heroisch aus.“
 

Andere Frauen stimmten ihr lautstark zu und Lucy bemerkte peinlich berührt, wie sich alle um sie versammelt hatten. Ein paar taten so, als wäre ihnen der Auflauf egal, aber die meisten lauschten ungeniert. Als Lucy wütend in die Runde starrte, wichen sie zurück, aber die Aufmerksamkeit ließ nicht nach.
 

„Danke…?“, murmelte Natsu und warf Lucy einen unsicheren Blick zu.
 

Die grinste nur und hob die Schultern. Damit konnte er gut selbst fertig werden.
 

„Lassen Sie unsere Lucy nur nicht zu lange aus den Augen, sonst passiert nochmal ein Unglück.“, trug Mirajane ihm auf.
 

„Nicht, während ich da bin.“, versprach Natsu und schlang unvermittelt einen Arm um Lucys Schultern, was der Menge um sie herum ein entzücktes Aufseufzen entlockte. Lucy verdrehte die Augen. Ihr Leben war doch keine Soap! Hatten die nichts anderes, was sie amüsieren konnte?
 

Mirajane zwinkerte ihm zu, ehe sie einen Arm um Lucys Schultern schlang und sie ein Stück mit sich wegzog. „Das ist alles sehr romantisch.“, flüsterte sie Lucy zu und ihre Augen funkelten. „Gibt es darüber nicht einen romantischen Actionfilm? Und ich muss zugeben, ihr habt gestern ein äußerst harmonisches Bild abgegeben.“
 

Lucy verzog das Gesicht. Sie kannte die kupplerischen Anwandlungen der Weißhaarigen, die ihren Kolleginnen immer gern mal Männer vorstellte, von denen sie dachte, dass sie gut zu ihnen passten. Hin und wieder wurde sogar etwas daraus, was Mirajanes Eifer natürlich nur beflügelte. Lucy war meistens darum herumgekommen, unter anderem darum, weil sie einen Freund hatte. Doch jetzt war wohl sie an der Reihe. „Ich kenne ihn seit zwei Tagen, okay? Da läuft nichts! Warum denken alle, wir wären ein Paar?“
 

„Vielleicht, weil jeder Blinde sieht, dass die Chemie zwischen euch stimmt?“, antwortete Mirajane grinsend. „Ich meine, diese Funken, die glühenden Blicke… Huh.“ Sie wedelte mit der Hand, als müsste sie sich Luft zufächeln. „Da wundert man sich, warum ihr noch nichts in Brand gesteckt habt.“
 

Entgeistert starrte Lucy sie an. Sie musste ja selbst zugeben, dass ihr Blick ungebührlich oft zu ihm wanderte. Immer wieder erwischte sie sich dabei, ihn anzusehen, als müsste sie sein Bild in sich aufnehmen, um ihn auch ja nicht zu vergessen, um immer wieder neue und neue Details zu entdecken.
 

Die Art, wie sein rechter Mundwinkel sich nach oben zog, wenn er etwas bemerkte, das ihm gefiel.

Die Art, wie sein Gesichtsausdruck sich verhärtete und ernst wurde, wann immer er sich einer Herausforderung stellte, so klein sie auch war.

Die Art, wie sich seine Emotionen sich so offen und sorglos auf seinem Gesicht abzeichneten.

Die Art, wie er mit den Händen sprach…
 

Lucy hielt sich mitten im Gedanken auf. War sie so offensichtlich gewesen? Natsu selbst hatte es noch nicht bemerkt, da war sie sich sicher, aber anscheinend alle anderen um sie herum. Wie peinlich… Nicht nur, dass sie noch einen Freund hatte, sie hatte sich in ihren angeblichen Bodyguard verknallt wie ein Teenager in den Sportstar der Schule.
 

„A-aber das stimmt doch gar nicht!“, behauptete sie trotzdem. „Ich habe nie… Und sowieso, ich habe einen Freund!“ Einen Freund, den du gerade auf Eis gelegt hast, flüsterte eine verräterische Stimme in ihrem Kopf.
 

Mirajane lächelte nur hinterlistig und ihr Blick zeigte, dass Lucy ihr rein gar nichts vormachen konnte. Trotzdem sprach sie sie nicht auf die offene Lüge an, sondern bemerkte verschlagen: „Wer redet denn von dir, meine Liebe? Er kann ja kaum den Blick von dir lösen, nicht mal jetzt, umgeben von dieser Horde wunderschöner Frauen.“
 

Sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter und Lucy folgte der Geste automatisch mit den Augen. Tatsächlich hatten die meisten Models sich wieder ihre eigenen Angelegenheiten zugewandt, doch neun, zehn von ihnen hatten sich um Natsu versammelt. An dem koketten Gebaren und all dem Gekicher der jungen Frauen konnte Lucy genau ablesen, was genau sie von ihm wollten. Sie runzelte die Stirn, bereit, sofort hinüberzumarschieren und ihn aus ihren Klauen zu befreien. Wie konnten die es wagen…!
 

Doch Natsu wandte in eben diesem Moment den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen weiteren sich auf ulkige Art und sein übertrieben entsetzter Gesichtsausdruck ließ sie die Hand vor den Mund schlagen, um das verräterische Lächeln zu verstecken. Hilf mir formte seine Lippen lautlos und sie kicherte unwillkürlich.
 

Dann erinnerte sie sich an Mirajane an ihrer Seite und war sich mit einem Mal klar, dass die Weißhaarige ihre Gedanken und Gefühle von ihrem Gesicht ablesen konnte. Eine feine Braue zog sich nach oben, sie dazu herausfordernd, noch einmal die Anziehungskraft zu verneinen, die Natsu auf sie hatte. Lucy räusperte sich. Jetzt sich bloß nicht noch weiter reinreiten!
 

„Das war schon wie verhext mit diesem Kronleuchter, oder?“, versuchte sie hastig das Thema zu wechseln und lachte nervös. „Zum Glück war niemand anderes in der Nähe.“
 

„Du solltest nicht das Thema wechseln.“, schalt Mirajane sie und winkte ab. „Und verhext, was meinst du damit?“ Ihr Blick huschte zur Seite, als ob sie sich selbst verfluchte, die Frage überhaupt gestellt zu haben, und Lucy fragte sich auf einmal, wie dünn das Eis tatsächlich war, auf dem sie sich bewegte.
 

Doch jetzt gab es kein Zurück mehr, also preschte sie einfach vor: „Ach, ich weiß nicht, es wäre nur so ein großer Zufall gewesen, wenn es mich doch erwischt hätte. Nach Riko und Nalshe und DeZille… Dieses Jahr scheint ein Fluch über Hyberions Herbstkollektion zu liegen.“
 

Mirajane lachte, aber war das ein angestrengter Unterton darin? Oder bildete sie sich das nur ein? Der schreckliche Gedanke, dass Mirajane hinter all dem stecken könnte, hatte sich anscheinend doch bei ihr festgesetzt, trotz aller Verneinung dieser Idee. Aber das war doch verrückt…! Oder? Vielleicht steckte der Feind genau dort, wo man ihn nicht vermutete.
 

„Okay, können wir dann anfangen?“, mischte sich Erza ein, ehe sie etwas sagen konnte, und langsam legten sich die Gespräche. „Wir haben schon genug Zeit damit vertrödelt, auf alle Leute zu warten, die anscheinend denken, die Uhren laufen nach ihrem Gefühl.“
 

Lucy wurde rot. Tatsächlich waren sie und Natsu etwas zu spät angekommen. Sie schob es darauf, dass sie so lange geschlafen hatten, aber eine solche Ausrede würde Erza nicht gelten lassen. Doch anscheinend waren sie nicht die einzigen, die sich verspätet hatten, denn die Rothaarige sah sich herrisch um und frage: „Sind inzwischen alle da?“
 

„Jenny hat sich entschuldigt, irgendein plötzliches Familienproblem.“, erklärte jemand aus dem Hintergrund. „Und Bernicka ist vorhin auch noch gekommen, es fehlen also nur noch Reisha und Elena.“
 

„Auf sie können wir jetzt nicht mehr warten, wir haben sowieso schon genug Zeit verloren.“, entschied Erza und konzentrierte sich wieder auf ihr Clipboard. Lucy versuchte, sich auf die folgenden Anweisungen und Themen zu konzentrieren, aber das meiste bekam sie nur mit einem Ohr mit, da ihre Gedanken bald abschweiften.
 

Hatte es etwas zu bedeuten, dass Jenny nicht anwesend war? Ein plötzliches Familienproblem? Ja, klar
 

Als ob diese Ausrede nicht jeder benutzen würde, dem kurzfristig etwas dazwischenkam, aber der nicht zugeben wollte, worum es sich wirklich handelte! Lucy hatte sie auch schon ein oder zweimal selbst benutzt. Sie kam immer gelegen und niemand wollte sich in Familienangelegenheiten einmischen, also ließ man sie meistens durchgehen.
 

Natürlich gab es solche Probleme hin und wieder tatsächlich, wie Lucy aus schmerzhafter Erfahrung wusste, doch der Zeitpunkt dafür kam einfach nur zu gelegen. Konnte das denn noch ein Zufall sein? Oder war Jenny aufgebracht, dass ihr Plan, Lucy mit Hilfe des Fluchs aus dem Weg zu räumen, in der letzten Nacht nicht funktioniert hatte, ja, dass ihr Opfer ihn sogar losgeworden war?
 

Oder blieb sie der Veranstaltung heute sogar fern, um ihn erneut zu werfen?
 

Der Gedanke jagte Lucy einen Schauer über den Rücken und sie nahm sich vor, Natsu danach zu fragen, ob es nicht einen permanenten Schutz gegen solcherlei Flüche gab. Sie wollte nicht auf diese Art sterben, nur weil sie eine solche Möglichkeit außer Acht gelassen hatte.
 

Doch außer diesen Kleinigkeiten lief die Besprechung glatt und ohne größere Probleme ab. Natsu hielt sich am Rand und tippte die Hälfte der Zeit auf seinem Handy herum, ohne sich weiter um die Models zu kümmern. Die andere Hälfte bediente er sich am reichlich vorhandenen Buffet. Lucy sah mit heimlicher Befriedigung, wie er es kaum merkte, dass die eine oder andere ihrer Kolleginnen mit ihm flirtete, aber er sie trotzdem ohne große Worte abblitzen ließ.
 

Elena Alteria schlüpfte während der Besprechung noch in den Raum und schrumpfte förmlich unter Erzas strengem Blick in sich zusammen, aber ansonsten gab es keine weiteren Störungen. Anscheinend hatte sie sich nicht von ihrem Freund trennen können und ließ die anschließende Strafpredigt ohne große Widerworte über sich ergehen. Manchmal war es einfach besser, Erza reden zu lassen und zu allem Ja und Amen zu sagen.
 

Danach eiste Lucy sich so rasch wie möglich los und zog Natsu hinter sich her in eine kleine Garderobe, die ihr zur Verfügung gestellt worden war. Da sie eines der wichtigeren Models war, die öfter hinausmusste und entsprechend viele Kleider vorzuführen hatte, war es für die Organisation einfacher, ihr einen Raum für sich zu überlassen.
 

Die Twilight Hall wurde vorranging für Konzerte und Theaterstücke verwendet, darum waren entsprechende Räumlichkeiten vorhanden, was ihnen natürlich nur entgegenkam. An einer Wand war eine Armatur mit Spiegeln und Ablageflächen für die Maske angebracht, davor der Stuhl mit viel Platz außen herum, um möglichst vielen Helfern Gelegenheit zum gleichzeitigen Arbeiten zu geben.
 

Gegenüber befand sich ein Kleiderständer, auf dem bereits einige der Kleider hingen, eingepackt in schwarze Säcke. Es waren bei weitem noch nicht alle, aber da die Halloweenshow schon übermorgen stattfand, hatte man bereits begonnen, die Designerstücke herzubringen.
 

Auch auf dem Schminkbereich stapelten sich bereits einige Boxen und Haarspray und in den Rahmen des Spiegels hatte sie ein Foto von ihren Eltern geschoben. Es war bis auf eine Tasche voller bequemer Wechselkleidung und ihrem Kulturbeutel für Notfälle das einzige persönliche Stück, das Lucy hierher mitgebracht hatte. Andere Models hielten es anders und brachten diverse Glücksbringer, unverzichtbare Möbel und Schnickschnack mit. Außerdem standen zwei Blumensträuße auf einer Kommode in der Ecke, die sie von Bewunderern bekommen hatte, dazu zwei Packungen voller teurer Pralinen.
 

„Was machen wir jetzt?“, wollte Lucy wissen. „Sollen wir Mira befragen oder so?“ Da Jenny im Moment nicht zu greifen war, blieb wohl nur noch die Weißhaarige übrig, auch wenn es Lucy noch immer widerstrebte, sie überhaupt als Täterin in Betracht zu ziehen. Aber die andere Möglichkeit wäre, wieder umzukehren ohne etwas getan zu haben, und das wollte sie auf keinen Fall.
 

„Wenn sie die Täterin ist, wird sie Verdacht schöpfen und das sollten wir noch vermeiden.“, widersprach Natsu und blickte sich um. „Haben alle hier so einen Raum wie du?“
 

„Nein, nur ein paar… Jenny und Mira gehören aber dazu.“, antwortete Lucy. „Warum?“
 

„Als ersten Schritt würde ich sie durchsuchen. Vielleicht finden wir etwas. Wie viel Zeit haben wir noch, ehe sie hier alles zu machen?“
 

Lucy schaute auf die Uhr. „Knapp eine Stunde.“, erklärte sie überrascht und blickte automatisch zum Fenster hinüber. Dort färbte sich der Himmel bereits gelb und orange. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie spät es schon wieder war. Dieser verschlafene Morgen hatte ihren ganzen Tagesrhythmus durcheinandergebracht. „Okay, erst die Räume, aber wenn wir da nichts finden, was dann? Wir wissen dann immer noch nicht, ob Jenny oder Mira involviert sind oder nicht.“
 

„Wer weiß, vielleicht finden wir was. Ich habe ein gutes Gefühl. Cana stellt weitere Recherchen an und wir können uns dann selbst noch ein wenig umhören. Ich habe Mirajane vorhin gehört, wie sie noch mit Erza sprechen wollte, also sollten wir vielleicht bei ihrem Raum zuerst vorbeischauen.“
 

Lucy stimmte zögerlich zu – es behagte ihr gar nicht, in Miras privaten Sachen herumzuschnüffeln – doch es half nichts, da musste sie durch. Immerhin ging es um ihr Leben und kein Polizist der Welt würde ihr glauben, wenn sie hinging und ihm erklärte, dass jemand sie mit Hilfe eines Fluches hatte töten wollen. Einem Fluch, dem bereits drei andere Frauen vor ihr zum Opfer gefallen waren. Darum mussten sie diesen nicht ganz so legalen Weg wählen.
 

„Hier lang.“, führte sie Natsu den leeren Flur hinunter zu einer Tür, an der ein Schild mit Mirajanes Namen stand. Energisch klopfte sie an, doch innen rührte sich nichts. Sie wiederholte die Geste. „Mirajane?“ Erneut keine Antwort, also drücke sie die Klinke hinunter und die Tür öffnete sich glücklicherweise sofort. „Mirajane, bist du da? Ich habe eine Frage…“ Sie verstummte, denn die Garderobe war wie vermutet leer.
 

Natsu, der den Flur im Blick gehalten hatte, schob sie ohne weiteres hinein und schloss die Tür hinter ihnen. „Gut gemacht.“, lobte er und Lucy konnte nicht umhin, stolz zu lächeln.
 

Der kleine Raum sah nicht sehr unterschiedlich aus als Lucys, außer, dass man einen weiteren Tisch hatte hereinbringen müssen, um all die Blumen und Geschenke unterzubringen, die das Topmodel hinterhergeworfen bekam, wo sie ging und stand. Nicht wenige Leute beobachteten dies mit Neid, aber Lucy fragte sich jedes Mal, was Mirajane damit anstellte. In keinem Apartment der Welt gab es genug Platz, um all diese Blumen unterzubringen und die Geschenke hatten es an sich, dass sie sich wiederholten. Auch wenn sie selbst sicher nicht Nein sagen würde zu so einem Geschenkkorb, wie er dort auf der Kommode stand.
 

Jetzt allerdings war diese Masse an Gaben ein echtes Ärgernis, da sie ihnen nur im Weg herumgehen mussten. „Wir sollten uns beeilen.“, erklärte Natsu. „Ich habe keine Ahnung, wie lange wir Zeit haben, ehe deine Freundin vorbeikommt. Sie sollte uns wirklich nicht überraschen.“
 

„Ein bisschen bestimmt.“, gab Lucy zu, doch auch ihr war unwohl bei dem Gedanken daran, dass Mirajane hereinplatzte, während sie noch hier waren. Wie könnte sie das erklären? „Erzas Besprechungen gehen meistens sehr lang, weil sie jede Kleinigkeit durchgehen will.“
 

Natsu nickte und marschierte ohne weiteres zur Kommode hinüber, um die Schubladen zu durchsuchen. „Bring nichts durcheinander und wenn du etwas wegnimmst, leg es genau dahin wieder zurück, wo du es herhast.“, wies er sie an, während er systematisch mit seiner eigenen Suche begann.
 

„In… in Ordnung.“ Mit einem mulmigen Gefühl ging Lucy zum Schminkbereich hinüber. Sie ließ nur einen kurzen Blick über die darauf ausgebreiteten Utensilien gleiten, doch davon war nichts ungewöhnlich, also überging sie sie.
 

Auch an diesem Spiegel hingen Fotographien. Eine davon zeigte Mirajane selbst, doch es musste schon ein paar Jahre alt sein. Sie sah sehr jung und mädchenhaft aus und strahlte über das ganze Gesicht, einen großen Blumenstrauß in den Händen. Lucy erkannte das Kleid, das sie trug, ein großartiges Stück in flammendem Rot – das war ihr erster Modeljob gewesen, denn sie war sofort als Star in das Business eingestiegen. Sie war damals erst sechzehn gewesen.
 

Ein weiteres zeigte ein junges Paar mit drei Kindern – ein Mädchen, ein Junge und ein Baby, vermutlich Mirajane mit den ermordeten Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern, von denen nur noch eines da war. Schon als Cana den Verlust der drei erwähnt hatte, hatte Lucy tiefes Mitleid für ihre Freundin verspürt, doch jetzt, in Angesicht mit dem, was Mirajane verloren hatte, fragte sie sich, wie diese die Schicksalsschläge überlebt hatte und nur das, sondern auch noch als herzensgute, lebenslustige und liebenswürdige Frau dabei herausgekommen war.
 

Falls dieser Eindruck nicht nur eine Front war.
 

Da war ein weiteres Foto mit den Geschwistern, ein paar Jahre später. Die Eltern waren nicht mehr darauf zu sehen. Zuletzt war da ein Bild mit Mirajane an der Seite eines gigantischen jungen Mannes, der die Ausmaße eines Schrankes und ein sehr kantiges Gesicht besaß und damit nichts mit der elfengleichen Erscheinung neben ihm gemeinsam hatte – außer dem weißen Haar und den blauen Augen.
 

Aber diese Bilder würden ihr nicht helfen herauszufinden, ob und wie tief Mirajane in der Sache drinsteckte, also riss sie die Augen davon los und spähte kurz in die Schränke unter dem Schminktisch. Doch außer weiteren Make-up-Utensilien und ein paar Handtüchern fand sie dort nichts Interessantes.
 

Dann fiel ihr Blick auf eine kleine Schmuckbox. Sie bestand aus dunklem, polierten Holz und sah sehr edel aus mit den Rosen, die darin eingeschnitzt waren. Das war sicher nicht die Standardausrüstung eines Visagisten, sondern musste Mira persönlich gehören. Lucy warf einen unsicheren Blick zur Tür, dann griff sie kurzentschlossen zu und öffnete die Kiste.
 

Aufgeklappt enthüllte sie mehrere Fächer und einen winzigen Spiegel. Ohrringe, Ketten, Armreifen, Ringe und sogar eine zierliche, goldene Uhr waren darin verteilt. Im hintersten Fach lagen ein paar elegante Haarnadeln und eine teure Perlenkette war in dem größten Fach untergebracht. Doch eine kurze Suche zeigte, dass darunter nichts Ungewöhnliches war.
 

Enttäuscht wollte sie die Box wieder schließen, als sie bemerkte, dass sie sehr viel tiefer war als die kleinen Bereiche. Vorsichtig holte sie den untersten Einsatz heraus, um ein einzelnes, großes Fach freizulegen, und zog erstaunt die Brauen hoch. Das war nicht mehr so normal…!
 

Das erste, das ihr ins Auge fiel, war ein Pentakel an einem einfachen Lederband, das ganz oben lag. Es musste die Größe ihrer Handfläche haben und in der Mitte war ein violetter, gemaserter Stein eingelassen. Auch der restliche Inhalt des versteckten Fachs war nicht ganz gewöhnlich – goldene Aufsätze, die Finger in Klauen verwandeln würden, ein Bettelarmband mit mindestens zwei Dutzend Anhängern, eine weitere Kette, deren Stein grünlich zu schimmern schien, ein schmaler, eng beschriebener Armreif in einer Schrift, die Lucy nicht kannte…
 

Was auch immer sie erwartet hatte, als sie hereingekommen war, so etwas nicht!
 

„Natsu. Schau mal.“, rief Lucy ihren Begleiter leise heran, der sofort an ihrer Seite war. Er stieß ein erstauntes Brummen aus und griff nach dem Pentakel, doch dann hielt er sich zurück.
 

„Wie interessant… Ob sie nun involviert ist oder nicht, sie hat definitiv ihre Finger in der übernatürlichen Welt.“ Er zückte sein Handy und machte ein Foto von dem Inhalt, ehe er das Gerät nutzte, um vorsichtig unter die obenliegenden Schmuckstücke zu sehen. Darunter kamen ähnliche Dinge zum Vorschein, ein Anhänger in Form eines vielfach verästelten, in einen Kreis geschlossenen Baum, ein paar Ohrringe mit okkulten Symbolen, die kleine Jadefigur einer Raubkatze. Nichts davon war weiter auffällig, wenn man von der offensichtlichen Ungewöhnlichkeit absah, doch alles war sehr zierlich und elegant, augenscheinlich sehr hochwertig.
 

„Wenn das das einzige ist, was wir hier finden, wissen wir zumindest, was Mirajane von De Cybele bezieht.“, bemerkte Natsu und wollte gerade alles wieder an den rechten Platz rücken, als Lucy noch etwas ins Auge stach.
 

„Warte!“, rief sie unwillkürlich und sie pflückte vorsichtig den kleinen Fingerring aus der Box. Er bestand aus Eisen, wirkte eher grob neben all dem anmutigen Schmuck, und zeigte einen Totenkopf. Sie wechselte einen Blick mit ihrem Begleiter. Er erinnerte sie an das Herz, das sie in DeZilles Zimmer gefunden hatten.
 

„Leg es wieder rein.“, befahl Natsu, dessen Brauen zusammengezogen waren.
 

„Aber was, wenn Mirajane das nächste Opfer sein soll?“, wandte Lucy ein. Wenn das wirklich der Auslöser war, bedeutete nicht, dass die Weißhaarige in Gefahr war…? Trotzdem kam sie der Aufforderung zögerlich nach und setzte dann den Aufsatz wieder hinein, ehe sie den Deckel mit einem leisen Klacken schloss.
 

„Da ist keinerlei Magie dran.“, widersprach er und Lucy starrte ihn mit offenem Mund an. Hieß das, Mira hatte den Fluch gesprochen?! „Es ist noch unbenutzt. Komm, lass uns von hier verschwinden.“
 

Nachdem sie kurz gelauscht und dann vorsichtig die Tür geöffnet hatten, schlüpften sie wieder in den leeren Gang hinaus. „Aber Mira… Mira würde so etwas nie tun!“, beteuerte Lucy, doch sie bemerkte selbst, wie hohl ihre Versicherungen klangen.
 

„Wo ist das Zimmer von der anderen?“, antwortete Natsu und ging nicht weiter auf ihre Bemerkung oder den Fund ein. Sie spielte einen Moment mit dem Gedanken, einfach weiter auf ihn einzudringen, entschied sich dann aber dagegen. Zuerst wollte sie irgendwo sein, wo man sie nicht so leicht belauschen konnte.
 

Diesmal war die Tür verschlossen, vermutlich, weil Jenny sich nicht im Gebäude befand. Doch Natsu befahl ihr nur kurz, den Flur im Auge zu behalten, kniete sich vor die Tür und öffnete sie mit Hilfe von ein paar Dietrichen, die er in einem kleinen Etui bei sich trug. Lucy starrte ihn entgeistert an – wer lief mit solchen Dingern in der Tasche herum?!
 

„Pass schon auf, wir sollten dabei echt nicht erwischt werden. Dann muss man immer so viele unangenehme Fragen beantworten, auf die man nicht wirklich eine Antwort hat.“ Natsu warf ihr ein spitzbübisches Grinsen zu und Lucy wandte sich ab, um Schmiere zu stehen. Sie kam sich ein wenig vor wie ein paar Kinder bei einem Streich, nur wären die Folgen, falls sie erwischt wurden, sehr viel schwerwiegender.
 

Doch niemand kam, was womöglich auch daran lag, dass Natsu nicht sehr lange brauchte. Er winkte sie hinein und schlüpfte hinter ihr durch den schmalen Spalt, um die Tür leise zuzudrücken, während Lucy sich bereits umsah.
 

Auch hier sah es ähnlich aus wie in den anderen Garderoben. Jenny hatte weniger Geschenke als Mirajane, was schon einmal hilfreich war, und der Spiegel war komplett bar jeder Fotographien, einzig ein roter Zettel steckte im Rahmen, auf dem in eleganter Kalligraphie stand Das Geheimnis des Erfolges liegt in der Beständigkeit des Ziels. – Benjamin Disraeli.
 

„Fang du wieder da drüben an.“, befahl Natsu ihr und wandte sich der Reisetasche zu, die neben der Tür auf dem Boden stand.
 

Lucy kam der Aufforderung nach und durchsuchte erneut die Schminkkommode, doch diesmal gab es keine schöne Schmuckbox mit Geheimfächern. Tatsächlich fand sie überhaupt nichts Interessantes, auch nicht in dem kleinen Rollcontainer, der daneben stand. „Ich glaube nicht, dass wir hier etwas finden.“, sagte sie schließlich zweifelnd. „Ich meine, Mira scheint ja…“
 

„Sei dir da mal nicht so sicher.“, unterbrach Natsu sie mit beunruhigter Stimme und sie blickte auf. Er hatte sich in der Zwischenzeit der Kommode in der Ecke zugewandt, von der jetzt einige Schubladen offenstanden.
 

„Was is…?“, begann sie, doch ihr blieb das Wort im Mund stecken, als sie ihn ansah. Denn er hielt etwas in die Höhe, dass sogar sie auf den ersten Blick als Zauberbuch erkennen konnte. Es war dick und offensichtlich alt. Der Einband bestand aus schwarzem Leder, das mit einem Pentagramm und weiteren okkulten Symbolen verziert war. Für einen Moment konnte sie es nur mit offenem Mund anstarren – neben diesem Fund verblassten ein paar Schmuckstücke doch!
 

„Oh…“, machte sie und gab die Durchsuchung des Rollcontainers auf. Dort fand sie sowieso nichts. „Ist das, was ich denke, das es ist?“, fragte sie.
 

„Wenn du denkst, dass es ein Buch ist, das haargenau beschreibt, wie man einen Todesfluch wirft, dann hast du recht.“, bestätigte Natsu grimmig und legte es auf der Kommode ab. Aus der gleichen Schublade zog er noch einen Beutel, in dem sie neben fünf schwarzen Kerzen und diversen anderen Dingen, mit denen Lucy nichts anfangen konnte, in einer Kiste auch weitere eherne Anhänger fanden.
 

„Es … es war also wirklich Jenny.“, stammelte Lucy und mit einem Mal war ihr kalt.
 

Jenny war etwas arrogant und von sich eingenommen, aber eigentlich war sie ihr immer sehr freundlich erschienen. Nie hätte sie gedacht, dass die andere Blondine tatsächlich zu so etwas fähig wäre! Vier Morde und das nur für ein wenig mehr Erfolg? Das war… das war bestialisch. Plötzlich war ihr schlecht.
 

„Kann… kann sie einen weiteren Todesfluch auf mich legen?“, wollte sie wissen und Natsu nickte langsam mit gerunzelter Stirn. „Allerdings befindet sich ihr Zubehör hier. Natürlich kann sie noch mehr davon haben und auch alles ziemlich leicht noch einmal finden, aber meistens benutzen Magietätige immer das gleiche Equipment und sie haben selten mehr als ein Buch.“
 

Kurzerhand schloss er alle Schubladen, doch er nahm das Buch und den Beutel an sich. „Vielleicht besteht ihr Familien’problem‘ darin, dass sie ihre Eltern danach fragt, auf welche Art man jemanden noch ins Jenseits befördern kann, nachdem ein Todesfluch nicht funktioniert hat.“
 

Lucy spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. „Das… das ist nicht lustig, Natsu.“ Ihre Stimme zitterte und sie bemerkte selbst, wie kläglich sie klang.
 

Er blickte auf und ein entschuldigendes Lächeln breitete sich über seine Züge aus. „Das bedeutet aber auch, dass sie momentan anderweitig beschäftigt ist.“, erklärte er ihr und nahm ihre Hand. Sein Händedruck war warm und tröstend. „Keine Sorge. Das hier heißt, dass wir jetzt zum Gegenangriff übergehen können. Das ist eine gute Nachricht.“
 

Lucy holte tief Luft. Er hatte Recht. Jenny war nicht gerade jetzt dort draußen und ließ einen anderen, noch viel schlimmeren Fluch auf sie los. Sie wussten jetzt, wer hinter all dem steckte, und jetzt konnten sie auch etwas tun. Das war eine gute Nachricht.
 

Sie schaffte ein wackeliges Lächeln und Natsu grinste sie mit funkelnden Augen an, als hätte er nie einen Zweifel an ihr gehabt. Wärme erfüllte sie von den Zehenspitzen bis zu ihrem Kopf und dieses zuversichtliche Grinsen auf seinem Gesicht ließ ihr Herz schneller schlagen.
 

„Lass uns zuerst von hier verschwinden.“, beschloss er und ließ ihre Hand wieder los, was sie enttäuscht registrierte. Die Berührung spendete Trost und… „Lagebesprechung, aber nicht hier. Außerdem bekomme ich langsam Hunger. Mit vollem Magen denkt es sich besser.“
 


 

5. Of Monsters And Men
 

„Wo gehen wir eigentlich hin?“, wollte Lucy wissen, während sie versuchte, die vorbeiziehenden Häuser zu erkennen. Es war schon dunkel und nachts wirkte Magnolia immer ein wenig anders als am Tage. Lichter erhellten die Stadt; von Straßenlaternen, aus Schaufenstern oder Wohnungsfenstern drang heller Schein durch die kühle Nacht.
 

Menschen hasteten durch die Straßen auf dem Weg nach Hause, wo es nicht so kalt war und der schneidende Wind nicht eindringen konnte. Das Wetter war seit dem Mittag ungemütlicher geworden und der Himmel inzwischen durchzogen von Wolken. Vielleicht würde es nachher noch regnen.
 

Doch Lucy machte sich darum keine Sorgen, sie saß zumindest im Moment warm und trocken im Mustang, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was Natsus Ziel war. Allerdings hatte er ihr Essen versprochen und nachher würde er sie auch nach Hause fahren. Sie waren auf ihrer Suche nach dem Täter ein Stück weitergekommen. Alles in allem war es ein guter Tag gewesen und versprach, ein mindestens ebenso guter Abend zu werden.
 

„Hier in der Nähe gibt es eine hervorragende Grill’n’Bar, da gönnen wir uns erstmal einen Bissen.“, gab Natsu endlich eine konkrete Antwort.
 

„Eine Grill’n’Bar?“ Lucy verzog das Gesicht; das war eigentlich nicht so ihr Ding. Aber gut, sie würde das schon überleben und Natsu sah aus, als würde er gleich anfangen zu sabbern bei dem Gedanken daran, in das Lokal einzukehren.
 

Die bessere Frage war, was taten sie mit all den Entdeckungen, die sie in der Twilight Hall aufgetan hatten? Und wie konnte Lucy verhindern, dass ein weiterer Fluch sie doch noch umbrachte? Zurück zu Sting und Rogue in das vor Magie geschützte Haus?
 

Nur stellte sich da die durchaus angebrachte Frage, ob die beiden sie nicht einfach vor der Tür stehen lassen würden. Sie hatten es ja sehr eilig gehabt, die ungebetenen Gäste loszuwerden.
 

Kurz darauf bog Natsu auf einen großzügigen Parkplatz ein, der von einer Gruppe uralter Platanen umgeben war, und führte sie dann in das dazugehörige Gebäude. Von außen sah die kleine Gaststätte aus wie ein gemütlicher Pub. Große Fenster, umgeben von dunkelblau gestrichenem Holz, erstreckten sich über die Front und auf ihnen stand in verschnörkelter Schrift The Snake And Rose.
 

Die etwas nach innen versetzte Tür hatte kleinere Fensterflächen und der Geruch von Essen, Alkohol und vielen Menschen auf einem Raum schlug ihnen entgegen, als sie eintraten, gemeinsam mit dem Gewirr von Stimmen und begleitender Musik. Der rustikal ausgestattete Gastraum war gut gefüllt und einige Kellner in einfachen Uniformen aus schwarzer Jeans, dunkelblauen Hemden und schlichten Schürzen eilten zwischen den hölzernen Tischen und Bänken herum.
 

„Lass uns da hinten hinsitzen.“, schlug Natsu vor und bugsierte sie durch das Gedränge zu einem kleinen Tisch in einer Nische hinüber. Eine Kerze und violette Astern in einem Topf standen darauf und erzeugten eine romantische Atmosphäre, die auch noch sehr intim wirkte dadurch, dass der Tisch etwas abseits lag.
 

Lucy fragte sich, ob sie lieber einen anderen Platz wählen sollten – nach den Gerüchten, die diese ganzen Klatschblätter gestreut hatten, wollte sie die Aufregung nicht auch noch schüren – entschied sich dann aber dagegen. Das hier war immerhin eine Lagebesprechung und kein Date.
 

Leider, fügte eine verräterische Stimme in ihrem Kopf hinzu, der sie rasch Einhalt gebot. So durfte sie gar nicht erst anfangen zu denken!
 

Natsu jedenfalls schien die vertrauliche Situation nicht wahrzunehmen und schnappte sich gleich die Karte, die in einem Halter auf dem Tisch stand. „Bestell, was du willst, das Büro bezahlt.“, erklärte er ihr und sie schmunzelte leicht. „Also letzten Endes ich.“
 

Er blinzelte einmal verdutzt, dann grinste er verlegen. „Irgendwie schon.“
 

Sie grinste zurück und zuckte mit den Schultern. Es war nicht so, als ob sie nicht genug Geld hätte und außerdem war die Preise in einer ganz anderen Liga gewohnt als das hier, wie ihr ein kurzer Blick in das Menü zeigte. Das war ja fast ein Taschengeld.
 

„Guten Abend, kann ich euch schon etwas zu trinken bringen?“, unterbrach die Kellnerin ihre Gedanken und Lucy blickte auf. Es war eine junge Frau mit süßem, herzförmigem Gesicht, das von glatten, kinnlangen Haaren umgeben war, deren Farbe in dem schummrigen Licht nur als dunkel zu bezeichnen war.
 

„Oi, hi, Kinana!“, begrüßte Natsu sie lautstark und ein erfreutes Grinsen ließ seine Mundwinkel nach oben wandern.
 

Die Kellnerin blinzelte überrascht, dann lächelte sie breit. „Natsu! Ich habe dich gar nicht erkannt. Es ist so viel los heute…“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch nicht, was passiert ist, dass die uns heute alle den Laden stürmen. Aber wie geht es dir? Wir haben dich schon so lange nicht gesehen und wer ist deine Freundin?“
 

Nachdem Natsu seine Begleiterin vorgestellt hatte, überschlugen die beiden sich fast, Lucy das beste Gericht auf der Karte aufzuschwatzen, und hielten ein wenig Smalltalk. Als das alles erledigt war, versprach Kinana, sich rasch um ihre Bestellung zu kümmern, und verschwand wieder zwischen den Tischen.
 

Natsu verlor keine Zeit und zog das Zauberbuch sowie den Beutel mit den Materialien aus der einfachen Tasche, in der er es versteckt hatte. Lucy zog die Augenbrauen hoch. „Ist das eine so gute Idee, das hier so auszubreiten?“, wollte sie wissen und beugte sich neugierig vor. Jetzt, da die erste Aufregung über die Entdeckung verschwunden war und auch die Angst, wie all das mit ihr und ihrem Leben zusammenhing, war sie überaus neugierig. Ob es für jemanden sie verboten war, einen Blick in diesen Wälzer zu werfen?
 

Natsu zuckte mit den Schultern. „Was wollen die Leute tun? Uns anzeigen, weil wir ein Buch und ein paar Kerzen dabeihaben? Außerdem kümmert sich eh niemand um uns.“
 

Mit dieser Einschätzung hatte er eindeutig Recht. Trotzdem warf Lucy einen kurzen Blick in die desinteressierte Runde, als er auch noch begann, den Beutel Stück für Stück zu entleeren. Er reihte die fünf Kerzen nebeneinander vor sich auf und legte dann den zierlichen Schädel eines Nagers daneben wie eine Halloweendekoration. Obwohl dieser Knochen ganz sicher echt war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Plastikschädel bei einem Zauber irgendetwas bringen würde.
 

Danach folgte der kleine Kasten mit den Anhängern, den Lucy nach einem fragenden Blick zu sich herüberzog. Außerdem beförderte er ein Bündel getrockneter Pflanzen, eine Reihe von hellblauen Kristallen und einen Lippenstift zu Tage, den er einen Moment verwirrt anstarrte, ehe er ihn ebenfalls dazustellte.
 

Lucy öffnete die Box und leerte den Inhalt vor sich auf den Tisch. Es waren drei Herzanhänger, dazu zwei weitere in der Form eines Kreuzes und ein einfacher Fingerring. Sie hob ihn hoch und drehte ihn. Er war schwer für seine Größe und beinahe schwarz von Abnutzung.
 

„Wie funktioniert das mit diesen Anhängern?“, wollte sie wissen. „Ich meine, irgendwas müssen sie mit dem Zauber ja zu tun haben?“
 

Natsu zuckte mit den Schultern. „So tief beschäftige ich mich nicht mit Magietheorie. Meine beste Vermutung ist, dass er der Trigger für den Fluch ist.“
 

„Okay?“ Sie verstand nicht wirklich, was er meinte.
 

Natsu runzelte die Stirn und verzog das Gesicht, während er nach Worten suchte, um einem völligen Laien ihr seine Theorie näher zu bringen. „Okay, um bei dieser Metapher zu bleiben: wenn du einen Fluch sprichst, lädst du sozusagen die Pistole, ja? Die Magie ist dabei natürlich die Pistole, der Fluch die Kugeln. Der Anhänger ist der Abzug. Frag mich aber bloß nicht, wie nah er am Opfer sein muss oder wie man ihn auslöst oder so. Hier, schau selbst nach, wenn du willst.“
 

Er schob das Buch über den Tisch und Lucy griff aufgeregt so schnell zu, dass sie beinah die Kerzen umriss. „Darf ich das?“, fragte sie begeistert und drehte es herum, so dass sie es korrekt vor sich liegen hatte.
 

Natsu lehnte sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. „Warum nicht? An und für sich sind die wenigsten Zauberbücher tatsächlich magisch. Viel damit anstellen kannst du allerdings nicht, die magische Begabung kommt vom Anwender selbst.“
 

„Das will ich auch gar nicht. Ich will nur mal hineinschauen!“ Lucy grinste aufgeregt und griff nach dem Buchdeckel, dann fiel ihr noch etwas ein. Sie lehnte ihren Kopf gegen die aufgestützte Hand. „Ich denke, der Auslöser muss nahe am Opfer sein, wenn er aktiviert ist. Ansonsten hätten wir diesen Anhänger nicht in DeZilles Suite gefunden, oder? Jenny hätte ihn sicher wieder mitgenommen, wenn es ihr möglich gewesen wäre, schon um Spuren zu verwischen. Außerdem kann er wohl aus der Ferne aktiviert werden, wenn nicht gerade ihr Lover an diesem Tag dafür verantwortlich ist.“
 

Natsu setzte sich gerade hin und blinzelte überrascht. „Schön und intelligent!“ Er grinste sie an. „Du hast natürlich Recht! Ich setze Cana darauf an, vielleicht kann sie herausfinden, wer der Lover war.“
 

Lucy wurde rot von dem ungezwungenen Kompliment und brauchte einen Moment, um sich zu fangen und das Gespräch auf ungefährlicheres Gebiet zu lenken. „Ich dachte, Jenny ist die Täterin?“
 

„Es lohnt sich aber immer, alles in Betracht zu ziehen. Vielleicht haben sie zusammengearbeitet.“
 

Lucy nickte langsam, damit hatte er natürlich auch Recht. Während sie sich dem Buch widmete, zückte Natsu sein Handy und tippte darauf herum. Der Foliant war dick und schwer, eingebunden in dunkles Leder, auf dem bereits einige Flecken zu sehen waren. Auf dem Rücken waren verschnörkelte Buchstaben eingebrannt, die schwer zu lesen waren und in einer Sprache, die Lucy nicht kannte. Altfiorianisch vielleicht?
 

Sprach Jenny denn Altfiorianisch? Das konnte sie sich nicht vorstellen… Auf der anderen Seite konnte sie sich das bei keiner ihrer Kolleginnen vorstellen, aber sie wusste, dass Mirajane über diese Fähigkeit verfügte, die sie einmal nonchalant demonstriert hatte. Stoff zum Nachdenken…
 

Vorsichtig klappte Lucy den Band auf, doch wider Erwartung fühlte es sich nicht an wie wirklich alte Bücher, von denen sie schon einige in der Hand gehabt hatte. Ihr Vater verfügte über eine umfangreiche Bibliothek mit einer eigenen Abteilung antiker Bücher. Anscheinend gab es nur den Anschein, alt zu sein. Die Seiten waren aus dickem Papier gefertigt und in gestochen scharfer Schrift bedruckt.
 

Nein, dieses Buch war nicht älter als fünf, höchstens zehn Jahre und es war relativ gut behandelt worden. Auf den Seiten waren einige Flecken, manchmal war das Papier gelblich vergilbt, aber es würde nicht gleich auseinanderfallen, wenn man es etwas gröber behandelte. Ob es etwas wie eine Druckvorlage oder Datei für Zauberbücher gab?
 

Zu ihrem Glück war der größte Teil der Texte – oder Zauber, sollte sie wohl besser sagen – in ganz normalem Fioriansich gehalten, so dass sie keine Probleme hatte sie zu lesen. Hin und wieder schummelte sich auch ein Abschnitt in einer anderen Sprache darunter, aber das war nur ein verschwindend geringer Anteil.
 

Neugierig überflog Lucy einzelne Texte – ein Trank für unverschämtes Glück, ein Zauber, der Pflanzen schneller wachsen ließ, ein anderer, der Tiere beruhigte, oder ein Trank, der Frauen half, schwanger zu werden, und einen gegen Grippe… Das klang alles ganz gut, aber darunter mischten sich auch Dinge wie ein Fluch zur Impotenz oder Haarausfall, was beides kleinlich gemein klang. Den Todesfluch entdeckte sie auf die Schnelle nicht, allerdings überblätterte sie viele Seiten.
 

Vielleicht konnte sie das Buch behalten? Zumindest nach dem Abschluss des Falls? Oder vielleicht wusste Natsu, wo sie ihre eigene Kopie herbekam? Auch wenn sie keinen der Zauber nutzen konnte, ihre Neugierde war nun geweckt und Geld war noch nie ein Problem für sie gewesen. Vielleicht konnte sie etwas für ihren nächsten Roman verwenden? Sollte sie den ersten jemals publiziert kriegen, hieß das…
 

Sie blickte auf, als ihr Handy klingelte. Weil Natsu immer noch beschäftigt war, schob sie das Buch beiseite und angelte das Smartphone aus ihrer Tasche, um die Nachricht zu lesen. Sie stammte von Levy. Und, habt ihr etwas Neues herausgefunden?
 

Als eine Antwort schickte Lucy ihr eine Fotographie des Zauberbuchs – die Zutaten für den Zauber hatte Natsu leider schon weggeräumt – und schrieb hinterher: Das haben wir bei Jenny gefunden… Zusammen mit ein paar anderen Dingen.
 

Uh-oh, antwortete Levy. Kann ich etwas tun um zu helfen?
 

„Levy will wissen, ob sie helfen kann.“, gab Lucy die Nachricht an ihr Gegenüber weiter, der verwirrt aufblickte.
 

Er kratzte sich am Kopf. „Levy…? Oh, äh… Im Moment nicht, aber vielleicht später.“
 

Lucy übermittelte die Nachricht an ihre Freundin. „Gibt es schon eine Rückmeldung?“
 

„Cana hört sich um, aber Wunder sollen wir nicht erwarten, sagt sie.“, berichtete Natsu. „Außerdem ist sie nicht mehr im Büro.“
 

Lucy nickte langsam, doch ehe sie zu einer Antwort kam, meldete sich Levy. Natsu sagt das? Soso… :P
 

Was soll das heißen? <>__<>, schrieb Lucy stirnrunzelnd zurück. Dass die alle in die gleiche Kerbe schlagen mussten!
 

Neben ihrem Tisch tauchte plötzlich die Bedienung mit ihren Getränken auf und so wandte sie sich ohne schlechtes Gewissen an die neue Nachricht, die gleichzeitig eintrudelte. Nichts, nichts… Ich finde es nur interessant, dass du dich um diese Zeit noch mit Natsu herumtreibst. Hast du nichts anderes mehr zu tun? *hinthint*
 

Lucy warf einen kurzen Blick auf die Uhr, tatsächlich war es schon später, als sie angenommen hatte und normale Menschen waren bereits Zuhause und genossen ihren wohlverdienten Feierabend. Und sie saß mit Natsu bei Kerzenlicht in einem doch recht romantischen Pub.
 

Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss, und antwortete spröde: Immerhin arbeiten wir gerade daran, mein Leben zu retten. Das kann ich nicht zuhause auf dem Sofa machen! Dann legte sie ärgerlich schnaufend das Handy weg und griff nach ihrem Glas. „Die ist genauso schlimm wie meine Mutter!“, schimpfte sie und trank einen Schluck.
 

„Was hat sie getan?“, wollte Natsu amüsiert wissen, doch Lucy wehrte mit einem Kopfschütteln ab. Das würde sie ihm jetzt sicher nicht auf die Nase binden! „Sie hat nur so eine dumme Bemerkung gemacht.“
 

Nach einem anderen Thema suchend fiel ihr Blick auf das Buch und sie erinnerte sich an den einen oder anderen Zauber darin, der sie schon vorhin hatten denken lassen. Also holte sie tief Luft und hoffte, dass Natsu nicht zu viele bohrende Fragen stellen würde. „Ich habe gesehen, dass es Tränke gegen körperliches Leiden gibt.“, begann sie und er blickte überrascht auf. „Gibt es auch Zauber gegen… psychische Probleme?“
 

„Warum, hast du eines?“, wollte er lapidar wissen und sie war froh, dass er nicht unsensibel gefragt hatte, ob sie einen an der Klatsche hatte. Hatte sie nicht. Aber…
 

„Ich…“, begann sie und schloss die Hände um ihr Telefon, den Blick auf die verschränkten Finger gerichtet. Es fiel ihr schwer, über dieses Thema zu sprechen vor allem gegenüber jemandem, den es eigentlich nichts anging. Der nichts mit den Beteiligten zu tun hatte.
 

Dann gab sie sich einen Ruck; Natsu mochte unsensibel wirken, aber das war nur seine Ausdrucksweise. Sie war sich hundertprozentig sicher, dass sie morgen nichts darüber in der Zeitung lesen würde, wenn sie es ihm erzählte. Er war vertrauenswürdig und er würde sich niemals über ernste Probleme Lustig machen.
 

„Meine Mutter hat schwere Depressionen. Es… es ist ziemlich schlimm, einmal hat sie sich sogar…“ Mit einer heftigen Bewegung fuhr sie sich über das Handgelenk. Sie konnte die Worte immer noch nicht aussprechen, zu schmerzhaft war die Erinnerung selbst jetzt noch. Ihr Vater war es gewesen, der seine Frau gefunden hatte, gerade noch rechtzeitig – aber Lucy würde trotzdem nie vergessen, wie die Sanitäter Layla aus dem Haus getragen hatten, leichenblass und ohne Bewusstsein, oder den Anblick des Blutes auf den Badfliesen und in der Wanne.
 

Betroffen starrte Natsu sie an. „Oh…“
 

Sie runzelte die Stirn. Es war nicht sein Mitleid, das sie wollte. „Also? Ist es möglich?“
 

Er zuckte mit den Schultern, aber weniger enthusiastisch als sonst. „Mit dem Thema habe ich mich noch nie beschäftigt. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Den Körper zu heilen ist eine Sache, der Geist… etwas ganz anders. Ich werde mich umhören und dir die Kontaktdaten für ein paar Experten geben, wenn du willst. Leuten, denen ich mehr vertraue als… Sting.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Der ist eh Kampfhexer und kann dir vermutlich auch nicht wirklich weiterhelfen.“
 

Lucy lächelte dankbar und fühlte sich plötzlich euphorisch, erfüllt von einer wilden Hoffnung. Das heißt nicht, dass eine Heilung tatsächlich möglich ist!, ermahnte sie sich streng, um sich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Trotzdem konnte sie das Gefühl nicht ganz niederkämpfen. „Keine Sorge, ich würde mir auch jemand anderen aussuchen als unbedingt ihn.“
 

„Und jetzt zu etwas Erfreulicherem…“, begann Natsu, den Blick in den Raum gerichtet, ein erwartungsvolles Lächeln auf den Lippen. „Da kommt unser Essen. Du wirst es lieben! Besser kann der Abend gar nicht sein.“ Er grinste sie dabei an, als wäre sie ein Grund dafür, und sie kam nicht umhin, zurückzulächeln und still und heimlich zuzustimmen.
 

Kinana balancierte die Teller in beiden Händen und entschuldigte sich tausend Mal für die lange Wartezeit, in der Küche wäre die Hölle los und einer der Köche hatte sich beinahe den Finger abgeschnitten… Natsu beruhigte sie, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, und sie eilte auch schon wieder davon zu einem Kunden, der offensichtlich nicht so viel Nachsicht besaß wie er.
 

Lucy richtete ihren Blick auf den Burger und die Pommes, die die Kellnerin vor ihr abgestellt hatte. Beides sah köstlich aus, besser sogar als in ihrem Lieblingsrestaurant – wobei sie dort beide Gerichte nur aus der Ferne kannte. Natsu hatte bereits begonnen, sich den Bauch vollzuschlagen, auch wenn er sich offensichtlich Mühe gab, zumindest ein paar Manieren zu behalten. Er war mit weit mehr Enthusiasmus zugange, als sie selbst jemals für Essen aufbringen würde. Allerdings hatte sie inzwischen auch ein Loch im Bauch.
 

Zögerlich nahm sie ihren Burger auf und ebenso zaudernd biss sie hinein. Eigentlich war das nicht so ihr Ding und… Sie stieß ein Stöhnen aus, das beinahe obszön klang, und verdrehte vor Entzücken die Augen. „Oh man, ist das gut!“
 

„Nicht wahr?!“ Natsu grinste sie an und sie konnte ihm nicht einmal verübeln, dass er Tomatensoße auf die Wange geschmiert hatte. Tatsächlich sah er sogar ziemlich niedlich damit aus.
 

Sie schluckte den ersten himmlischen Bissen hinunter. „Du hast nicht zu viel versprochen.“, gab sie zu. „Warum kenne ich diesen Laden nicht?“
 

Weil sie meistens in Fünf-Sterne-Restaurants aß, war die korrekte Antwort, aber Natsu versuchte es auf seine Art: „Das ist ein Geheimtipp. Wir können ja nochmal herkommen, wenn der Fall abgeschlossen ist, du solltest auch die Chicken Wings probieren!“
 

Sie warf ihm einen Blick zu und beschloss, ihn nicht zu danach zu fragen, ob er sie zu einem Date einlud. Vermutlich war das eh nicht der Fall, aber wenn doch, müsste sie ihn darauf hinweisen, dass sie noch einen Freund hatte, und sowas wurde immer schnell unangenehm. Außerdem hatte sie keine Lust, an Dan zu denken, nicht wenn sie hier mit Natsu so gemütlich saß und den besten Burger ihres Lebens aß. Über die Implikationen hinter diesem Bedürfnis wollte sie ebenfalls nicht nachdenken, also ließ sie es bleiben.
 

Den Rest der Mahlzeit über redeten sie über unverfängliche Dinge – Natsu erzählte ein paar Anekdoten aus seiner Zeit als Polizist und die Detektei, die meisten davon beinhalteten Gray auf irgendeine Weise. Lucy plauderte ebenfalls ein wenig aus dem Nähkästchen und über die vielen Missgeschicke, die bei Shootings und auf dem Laufsteg so geschehen konnten.
 

Es war schon weit nach zwölf, als sie endlich den Pub verließen, nachdem sie sich auch noch einen Nachtisch – oder in ihrem Fall, einen Espresso – gegönnt hatten. Selten hatte sie ein Essen erlebt, das so ungezwungen und witzig war und das sie so hatte genießen können. Sie wünschte sich, sie hätte Natsu unter anderen Umständen getroffen oder zumindest ein paar Jahre früher. Vielleicht, ehe sie Dan getroffen hatte…
 

Der Parkplatz war voller Autos, aber ansonsten nahezu menschenleer. Nur eine Gruppe junger Männer zockelte am anderen Ende in Richtung Innenstadt davon. „Ich fahr dich jetzt rasch nach Hause und dann treffen wir uns morgen frisch und munter im Büro. Vielleicht hat Cana bis dahin schon etwas aufgetan. Oder hast du morgen Vormittag schon etwas vor?“, wollte Natsu wissen und seine Schlüssel klimperten, als er sie aus der Tasche zog, um den Mustang zu öffnen.
 

Lucy zückte ihr Handy, aber das nächste Ereignis war die Halloweenshow, also schüttelte sie den Kopf und trat einen Schritt zurück, damit er richtig an die Beifahrertür kam. Den Tag vor einem großen Auftritt nahm sie sich gerne frei. Sie stopfte das Handy in ihre Tasche zurück. „Nein, ich bin frei. Aber vor acht wirst du mich nicht aus dem Bett bekommen. Sagen wir so um zehn? Ich-“
 

Eiskalte Finger packten ihren Unterschenkel und rissen daran.
 

Lucy stieß einen spitzen Schrei aus und krachte mit den Händen voran auf den Boden. Für einen Moment war sie benommen, verstand nicht, was los war, doch der Griff verstärkte sich. Mit einem Ruck setzte sie sich in Bewegung und wurde rasch über den Asphalt gezerrt.
 

„Lucy!“, hörte sie Natsu brüllen, dann folgte ein „Na wartet!“ Doch hinter ihm tauchten plötzlich zahlreiche kleine Gestalten auf und fielen ihn ohne weitere Vorwarnung an. Er stieß einen wütenden Aufschrei aus und fuhr herum, die Arme heftig bewegend, um eine davon loszuwerden, doch sofort waren zwei weitere da.
 

Sie gingen ihm höchstens zur Hüfte, aber es waren so viele, dass er unter wildem Treten und Schlagen zu Boden ging. Entsetzt sah sie zu, wie immer mehr wimmelnde Leiber auf ihn eindrangen, während er stetig kleiner wurde. „Natsu!“ Was geschah da? Ihr Hirn weigerte sich noch immer, die Ereignisse aufzunehmen und zu verstehen, was vor sich ging.
 

Einen Moment später krachte ihr Kinn gegen einen Bordstein, als sie grob dagegen krachte, und sie schrie laut auf. Doch das brachte sie wieder auf Touren, es war, als hätte jemand einen Schaler umgelegt. Natsu war nicht geholfen, wenn sie hier erstarrte und nichts tat!
 

Sie rollte sich mit einer heftigen Bewegung herum und trat zu, ohne überhaupt richtig hinzusehen. Der erste Tritt traf ihren Angreifer gegen die Schulter und er quäkte erschrocken auf. Sein Griff lockerte sich jedoch nur für einen Moment, ehe er sich wieder verstärkte, so dass sie das Gefühl hatte, ihre Knochen würde gleich brechen.
 

Unter ihrem Rücken rutschte ihre Jacke hoch, so dass ihr Rücken über den rauen Asphalt schrammte, und blieb irgendwo hängen. Sie nutzte die kurze Ablenkung und trat erneut mit dem freien Bein zu. Diesmal konnte sie jedoch zielen und traf ihren Gegner mitten ins Gesicht. Sie hörte etwas knirschen und dann gab etwas nach und plötzlich war sie frei.
 

Hastig wich sie im Spinnengang zurück und erst dann kam sie dazu, ihren plötzlichen Angreifer genauer anzusehen. Der Schein einer gelben Straßenlaterne gab ihr genug Licht, um etwas zu erkennen, und ihr gefror bei dem Anblick das Blut in den Adern. Sie hatte nicht wirklich geglaubt, dass eine Horde irrer Kleinwüchsiger aus heiterem Himmel entschieden hatte, sie zu überfallen, doch sowas hatte sie auch nicht erwartet!
 

Es war ein… ein kleines… Monster, das nur auf den ersten Blick wie ein Mensch wirkte.
 

Der hässliche Kopf mit einem fliehenden Kinn und einer kolossalen, in diesem Fall gebrochenen Hackennase war überproportional groß, der Körper dagegen dürr und leicht vornübergebeugt und die Arme zu lang. Unter verdreckten, zerschlissenen Lumpen blitzte eine regelrechte Kugel von einem Bauch hervor und die Hände und Füße waren ebenfalls zu groß für den kleinen Körper. Die Haut schimmerte selbst in dem diffusen Licht der Straßenlampe grün und glitschig, die Ohren waren gigantisch und spitz wie die von Fledermäusen und in dem flachen Gesicht saß ein breiter Mund, der mit zwei Reihen spitzer, scharfer Zähne bewehrt war.
 

Mit weit aufgerissenem Mund starrte sie das Monster an. Magie, Flüche, Hexen, das war eine Sache… Aber so etwas eine ganz andere! Wie tief ging der Abgrund, in den sie hier so unvermittelt gestoßen worden war? Wo begann es und wo hörte es auf? Was war Wirklichkeit, existierte tatsächlich, und was war reiner Mythos?
 

Schmerzerfüllt schrie sie auf, als jemand unvermittelt an ihren Haaren zog, so dass ihr Kopf so heftig zurückgerissen wurde, dass ihr Nacken knackte. Automatisch zuckten ihre Hände nach oben und ihre Finger schlossen sich um ein winziges Handgelenk, das sich kalt und glitschig anfühlte.
 

Das erste Ungeheuer sprang wieder auf sie zu, doch sie trat erneut in seine Richtung. Es strampelnd auf Abstand haltend zerrte sie an dem Arm, der sie festhielt, und wich einer zweiten, zupackenden Hand aus. Mit einem Aufschrei warf sie sich erneut herum und mit dem Kopf voran auf ihren zweiten Angreifer. Mit einem ekelerregenden Krachen landeten sie auf dem Boden und das Monster heulte auf. Doch es hatte sie auch vor Schreck oder Schmerzen losgelassen, so dass sie sich hastig aufrappeln konnte. Ein paar blonde Haare segelten an ihrem Gesicht vorbei und ihre Kopfhaut brannte.
 

Das erste Ungeheuer wich vor ihr zurück, als sie eine drohende Bewegung in seine Richtung machte, und sie blickte sich hastig nach ihrem Begleiter um. „Natsu!“, brüllte sie und ihr wurde eiskalt, als sie sah, dass der Parkplatz verlassen war. Nichts bewegte sich mehr.
 

Dann wurde sie sich der Kampfgeräusche bewusst, die von der Seite kamen und von hohem, heiserem Gekicher überlagert wurden, und sie wirbelte herum. Eine ganze Horde von kleinen, grünen Ungeheuern zerrte ihn durch die Gasse, in die sie auch Lucy geschleift hatten, tiefer hinunter und auf eine metallene Tür zu, die mit dem Logo des Wasserwerks versehen war. Seine Bewegungen wirkten seltsam schwerfällig und ungelenk und mehr als einmal sah sie einen Hieb danebengehen.
 

„Natsu!“, brüllte sie erneut und sah sich hastig nach einer Waffe um, die sie in Form eines Kantholzes am Boden fand. Inzwischen jedoch hatten noch mehr der Monster bemerkt, dass zwei von ihnen nicht ausreichten, um sie zu bezwingen. Eine schnarrende Stimme sagte etwas und einer von ihnen deutete auf sie, so dass eine Gruppe seiner Begleiter auf sie zustürmte. Natsu im Hintergrund kämpfte immer noch mit einer Übermacht, gegen die er keine Chance hatte.
 

Wütend aufbrüllend holte sie mit ihrem Kantholz aus und schlug zu, einmal, zweimal. Die kriegten sie nicht klein! „Verpisst euch! Mich kriegt ihr nicht! Natsu! Natsu!“ Die getroffenen Monster wurden zurückgeschleudert, aber sie gaben nicht auf, sondern rappelten sich sogleich wieder auf.
 

Lucy wich zurück, unwillig, ihren Freund allein zu lassen, doch wissend, dass sie selbst mit ihrer improvisierten Waffe nicht viel ausrichten konnte. „Natsu!“ Was sollte sie tun?! Sie schluchzte wütend auf. Was konnte sie tun?!
 

„Geh!“, brüllte er und machte scheuchende Bewegungen mit der Hand, ehe ein Monster sich an den Arm hängte. „Hol Hilfe! Geh! Mach schon! Ich komm schon zure-“ Seine Worte wurden abrupt abgewürgt und dann verschwand er hinter der Metalltür.
 

Lucy zögerte. Sie wäre ihm am liebsten hinterhergerannt und hätte ihn sofort befreit, aber ihr war klar – würde sie das tun, würden diese kleinen Monster sie ebenfalls erwischen und gefangen nehmen und damit wäre ihm nicht geholfen. Im Gegenteil, die Lage wäre noch schlimmer, da niemand wusste, in was für einer Scheiße sie steckten.
 

Außerdem hatte sie panische Angst.
 

Es war ein Gefühl, das ihr eiskalt im Nacken saß, dass ihren Atem keuchend gehen und ihr Herz so heftig gegen die Rippen schlagen ließ, dass sie es im ganzen Körper spüren konnte. Die Augen weit aufgerissen sah sie sich um – überall grinsende, hässliche Gesichter mit zu langen, zu scharfen und zu sichtbaren Zähnen und funkelnden Augen. Klauenbewehrte Hände, zu groß für ihre Körper, streckten sich nach ihr aus. Das hohe, heisere Gekicher schmerzte in ihren Ohren.
 

Die paar zurückbleibenden Kreaturen eilten nun auf sie zu und sie konnte nicht anders – sie warf sich herum und rannte zum Auto zurück. Sie schleuderte das Holz auf die Seite und es klapperte laut auf dem Boden. Hinter sich hörte sie das Kratzen der Krallen auf dem Asphalt und das heisere Kichern ihrer Feinde, das lauter und lauter wurde.
 

Der Schlüssel steckte noch immer und sie riss ihn heraus und dann die Tür auf. Hastig schlüpfte sie in den Mustang und schlug gerade in dem Moment den Riegel hinunter, als jemand von außen am Griff zog. Ein enttäuschtes Heulen ertönte und dann wackelte das Auto kurz.
 

Lucy kreischte erschrocken auf und rutschte auf den Fahrersitz hinüber. Ihre Hände brannten und ihre Finger zitterten, so dass sie mehrere Versuche brauchte, um den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken. Erneut wackelte das Auto, heftiger diesmal und anhaltender, und ihr Herz schlug ihr vor Angst so stark gegen die Rippen, dass es schmerzte.
 

Eine Kreatur sprang auf die Motorhaube und fuhr mit einem offenen Maul auf sie zu, alle Zähne entblößt. Erschrocken schreiend fuhr sie zurück, doch dann fing sie sich und griff nach dem Schlüssel in ihrem Schoß um mit den Bemühungen fortzufahren.
 

Endlich glitt der er ins Schloss und sie drehte ihn um. Der Motor heulte auf und der Mustang erwachte mit einem wunderbaren Heulen zum Leben. Sie gab sofort Gas, so dass er einen Satz nach vorne machte und das Monster auf der Motorhaube über sie hinwegsegelte.
 

Hinter sich hörte sie Jaulen und Heulen, doch es wurde rasch leiser, als sie das Auto vom Parkplatz lenkte und davonraste.
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

Lucy hatte ihre schmerzenden Hände um das Lenkrad gekrallt ohne darauf zu achten, ob sie Blut darüber verschmierte. Selbst in dem schwachen Licht der Straßenlaternen sahen sie zerkratzt und aufgeschürft aus. Ihr Kopf pochte malträtiert und die Stelle, wo das Ungeheuer ihre Haare ausgerissen hatte, brannte. Sie hatte sogar getrocknetes Blut gespürt, als sie danach getastet hatte. Auch ihr Kinn und andere Teile ihres Körpers schmerzten.
 

Und doch konnte sie sagen, dass sie noch ganz gut davongekommen war. Von Natsu konnte man das nicht behaupten. Wie ging es ihm? Was diese Monster ihm wohl gerade antaten?! Folterten sie ihn? War er überhaupt noch am Leben?
 

Was sollte sie bloß ohne ihn tun?!
 

Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt, so haltlos, so völlig verloren und aufgeschmissen, nicht einmal, als ihre Mutter versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Damals hatte sie ihren Vater gehabt und Levy und ihre Freunde. Damals hatte sie eine Richtung gehabt. Aber jetzt war es, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen und sie befand sich im freien Fall.
 

Sie holte tief und zitternd Luft und weigerte sich, ihre Gedanken wieder in diese Richtung abgleiten zu lassen. Das würde ihr nichts bringen und das würde Natsu nicht helfen. Allein dieses Mantra hielt sie noch auf den Beinen und in Bewegung.
 

Vorhin schon waren ihre hysterischen Gedanken geschlagene zehn Minuten um dieses Thema gekreist und sie hatte sich immer noch fürchterlichere Dinge vorgestellt. Vielleicht hatten diese… diese abscheulichen Monster ihn schon getötet, den Mann, in den sie drauf und dran war, sich zu verlieben.
 

Vielleicht folterten sie ihn just in diesem Moment. Vielleicht hatten sie ihn eingesperrt und ließen ihn darüber rätseln, was sie ihm Schreckliches antun würden. Vielleicht bereiteten sie ihn gerade in einem Topf über dem Feuer vor oder vielleicht taten sie etwas Schlimmeres an oder…
 

Oh Gott!
 

Nicht daran denken, Lucy!, ermahnte sie sich selbst. So kannst du ihm nicht helfen! Reiß dich zusammen, du dumme Kuh!
 

Erneut holte sie tief Luft und spähte von ihrem Sitzplatz im abgestellten Auto zu dem dunklen Torbogen hinüber, hinter dem es noch finsterer zu sein schien als überall sonst. Sie musste jetzt etwas tun, ansonsten würde sie nichts weiter tun als durchdrehen und zu keinem Ergebnis kommen. Und sie war die Einzige, die jetzt etwas tun konnte, die Einzige, die die Ereignisse in Gang bringen konnte, die Natsu retten würden.
 

Allein das zog die eiskalte Schlinge um ihr Herz noch weiter zusammen.
 

Würde sie einen Fehler machen, wäre alles verloren, dann würde Natsu sterben und er vertraute auf sie. Er hatte ihr gesagt, sie sollte Hilfe holen, er würde schon zurechtkommen, er würde durchhalten. Es lag alles an ihr, ansonsten war er tot. Wenn er das nicht schon ist… flüsterte eine verräterische Stimme in ihrem Kopf und sie biss die Zähne zusammen, bis ihre Kiefer schmerzten.
 

Zuerst war sie ins Büro von Slayer Investigations gefahren, aber um diese Zeit war da natürlich niemand mehr. Alle Fenster waren dunkel gewesen und auf ihr Klingeln und Klopfen hatte nur ein aufgebrachter Nachbar reagiert, der ihr beinahe einen Schuh an den Kopf geworfen und sich dann darüber beschwert hatte, dass ihm jetzt einen Pantoffel fehlte.
 

Danach war Lucy hastig wieder ins Auto gestiegen. Sie hatte nur die Nummer von Slayer Investigations selbst, nicht die der Mitarbeiter, und das Telefon wurde nachts auch nicht umgeleitet. Sie hatte keine Chance, einen der drei zu erreichen. Von ihnen konnte sie keine Hilfe erwarten.
 

In ihrer Verzweiflung hatte sie Levy angerufen, doch als das Signal dann auf die Mailbox umgesprungen war, hatte sie wieder aufgelegt. Ihre beste Freundin schlief vermutlich schon, trotzdem hatte Lucy ihr einige panische und vermutlich unverständliche Nachrichten geschickt, aber Natsu brauchte jetzt Hilfe und nicht morgen früh, wenn Levy wach wurde.
 

Was sollte sie tun? Hinfahren und Levy aus dem Bett klingeln? Aber konnte sie ihr überhaupt helfen? Was konnten zwei junge Mädchen wie sie schon anstellen? Nichts, das war es. Lucy wüsste nicht einmal, wo sie anfangen sollten zu suchen! Und Alchemistin klang auch nicht sehr schlagkräftig…
 

Also war sie stattdessen hierhergefahren, wenn auch widerstrebend. Über ihr ragte drohend das alte Bahnhofsgebäude auf, das wie bei ihrer ersten Ankunft hier im Dunkeln lag. Trotzdem hatte sie es noch nicht gewagt, aus dem Auto zu steigen. Nicht, weil sie Angst hatte, dass plötzlich grässliche Ungeheuer aus dem Gully stiegen, sondern eher, weil sie befürchtete, sofort wieder sehr grob vor die Tür gesetzt zu werden.
 

Das war wortwörtlich ihre letzte Hoffnung und wenn diese unter ihren Händen zerfiel…
 

Aber was sollte sie sonst tun? Die Polizei rufen? Was konnte sie denen erzählen? Kleine, grüne Kobolde haben meinen Detektiv entführt, der mit mir versucht herauszufinden, wer mich verflucht hat. Das würde ja gut ankommen. Selbst bei Natsus alten Kollegen würde sie da wohl auf Granit beißen, auch wenn sie ihre Geschichte anpasste. Das klang alles so an den Haaren herbeigezogen, außerdem wollte sie niemanden ohne Warnung gegen einen Haufen Monster in den Kampf schicken!
 

Erneut starrte sie zu dem Torbogen hinüber, neben dem jetzt eine Katze saß, groß und massig. Das konnte kaum Yukino sein, außerdem war das Fell sowieso zu dunkel. Die goldenen Augen leuchteten in der Dunkelheit und sie blickte direkt zu ihr herüber.
 

Lucy schluckte und griff wieder nach ihrem Handy, doch Levy hatte sich nicht gemeldet. Also gab sie sich endlich einen Ruck und stieg aus dem Auto, den Riemen ihrer Tasche umklammert. Das Knallen der Autotür war in der Stille so laut, dass sie zusammenzuckte und beinahe das Abschließen vergaß.
 

Hastig eilte sie quer über den Parkplatz auf den Torbogen zu, vor dem sie erneut zögerte. Was, wenn sie sie wegschicken würden?! Was dann! Würden sie so herzlos sein? Immerhin ging es hier um ein Leben!
 

Lucy warf der Katze einen misstrauischen Blick zu, doch das Tier starrte sie nur neugierig an. Ein verirrter Lichtstrahl zeigte ihr, dass das gepflegt wirkende Fell rotgetigert war, aber es trug kein Halsband. Lucy riss sich von ihm los und konzentrierte sich wieder auf den Vorgarten, der zwischen ihr und der Haustür des einzigen Hexers lag, von dem sie überhaupt wusste.
 

„Er ist ein Kampfhexer.“, erinnerte sie sich selbst an Natsus Worte. „Sowas müsste doch direkt in sein Metier fallen, oder?“
 

Und er verkaufte seine Kräfte für Geld, fiel ihr ein, steigerte das nicht ihre Chancen?
 

Trotzdem brachte sie es nicht über sich, den Torbogen zu durchschreiten. Was, wenn diesmal etwas Schlimmeres – noch Schlimmeres – als Minerva ihr in dieser Dunkelheit auflauerte? Aber was blieb ihr für eine Wahl?! Es ging hier immerhin um Natsu!
 

Eine Berührung an ihrem Knöchel ließ sie heftig zusammenfahren und aufschreien, doch es war nur die rote Katze, die sich um ihre Beine schlängelte. „Erschreck mich doch nicht so!“, schimpfte sie, aber anscheinend war der kleine Adrenalinschub das, was sie brauchte, um sich endlich zu überwinden.
 

„Für Natsu.“, erinnerte sie sich und huschte sie unter dem Torbogen hindurch, doch nichts geschah. Hastig hetzte sie voran, während um es sie herum wieder heller wurde, dass Silhouetten von Pflanzen um sie herum auftauchten und der Steinweg gut zu erkennen war.
 

Man sollte denken, dass das alles nicht mehr so gruselig war, nachdem sie alles bereits bei Tageslicht gesehen hatte. Doch dem war nicht so; das Herz schlug ihr bis zum Hals und der Schweiß auf ihrer Stirn war kalt und klamm. Wenigstens tauchte kein monströser Hund aus dem Schatten auf!
 

Diesmal gab es allerdings auch keinen magischen Türöffner, also suchte sie nach einer Klingel und hämmerte dann gegen die Tür, als sie keine fand. Als sich nicht sofort etwas rührte, spürte sie, wie ihr Hals enger wurde, und sie schluchzte ärgerlich auf. Sie würde jetzt nicht weinen! Sie würde schon einen Weg hineinfinden und sie würde die beiden für Natsus Rettung einspannen, egal, was es kostete, jawohl!
 

„Macht auf! Hallo? Ist jemand da? Bitte!“ Erneut hämmerte sie mit der Faust gegen die Tür und wäre fast vornübergefallen, als sie unvermittelt aufgerissen wurde.
 

„Was soll das!“, blaffte Rogue sie an. „Und was machst du überhaupt schon wieder hier?“
 

Ehe sie antwortete, drängte sie sich an ihm vorbei, damit er ihr nicht einfach wieder die Tür vor der Nase zuknallen konnte. „Wir brauchen Hilfe.“, erklärte sie und schluchzte auf. Dann biss sie sich auf die Zunge, um jegliche Gefühlsausbrüche zu unterbinden.
 

Er zog eine Augenbraue hoch und warf noch einen Blick hinaus, ehe er die Tür schloss. Er musste begriffen haben, dass etwas unglaublich schief gelaufen war. Mit einem Mal wirkte er weniger aufgebracht, aber vielleicht lag das auch nur an seiner hervorragenden Selbstbeherrschung. „Wo ist Natsu?“
 

„Er ist… er ist…“ Sie schniefte; die Ereignisse des Abends und der letzten Tage waren einfach zu viel für sie. „Sie haben ihn mitgenommen!“, jammerte sie und bemühte sich, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie würde jetzt nicht in Tränen ausbrechen! Sie hatte eine Mission zu erledigen!
 

Statt auch nur einen Versuch zu unternehmen, sie irgendwie zu trösten, rieb Rogue sich die Nasenwurzel und winkte ihr dann, ihm zu folgen. „Lass deine Schuhe hier.“
 

Hastig kam sie der Aufforderung nach und stürmte dann ihm hinterher. Er führte sie schnurstracks in den großen Wohnraum, den sie bereits kannte und nicht viel anders aussah als am Morgen. Nur die Unordnung an Papier und Büchern auf der Sitzgruppe war größer geworden. „Sting, wir haben Besuch.“
 

Der blonde Hexer sah von seinem Platz auf dem Sofa, umgeben von Büchern und kleinen Kisten, nicht einmal auf. „Sag ihr, sie soll sich verpissen.“
 

Rogue zuckte nur mit den Schultern, während Lucy sich zur Ruhe ermahnte. „Wir brauchen eure Hilfe.“, sagte sie und merkte selbst, wie flehentlich sie klang. „Bitte.“
 

Sting blickte auf, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen, aber ansonsten wirkte er ziemlich ruhig. „Ist mir egal. Ich hab im Moment echt anderes zu tun.“ Er musterte sie kurz, aber selbst ihr jämmerlicher Zustand schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Dabei musste sie fürchterlich aussehen – nicht nur all die Schrammen und das Blut, das sie zweifellos noch im Gesicht hatte, ihre ganze Haltung drückte Niedergeschlagenheit aus.
 

Denn langsam verzweifelte sie. Würde er sie wirklich wieder vor die Tür setzen, einfach so, ohne sich überhaupt ihre Probleme anzuhören? Und was würde sie tun, wenn er sie tatsächlich im Stich ließ?! Sie blinzelte die aufkommenden Tränen hastig weg und versuchte es noch einmal: „Natsu wurde entführt von diesen… diesen…“
 

„Das ist nicht mein Problem. Verpiss dich.“
 

„Bitte! Ich kann dich bezahlen, ich… ich habe Geld genug! Das ist gar kein Problem! Bitte!“ Sie rang die Hände.
 

Sting verzog frustriert den Mund, aber wenigstens klappte er das Buch zu, das auf seinen überkreuzten Beinen lag, und stützte sich mit den Ellenbogen darauf ab. „Wie kommst du darauf, dass es immer nur um Geld geht?“
 

Die Frage nahm ihr einen Moment den Wind aus den Segeln. „Natsu zahlt auch damit…?“, begann sie unsicher.
 

Slayer Investigations und wir haben eine langjährige Geschäftsbeziehung.“, bemerkte Rogue von der Seite, wo er am Küchentresen lehnte.
 

„Aber es geht hier ja auch um Natsu!“, protestierte sie. „Bitte. Er wurde entführt. Von so… von so kleinen, grünen Monstern.“
 

Stings skeptischer Gesichtsausdruck vertiefte sich. Am liebsten hätte sie geschrien.
 

„Ich erfinde das nicht so einfach! Aber… aber, selbst wenn es nicht um Geld geht, was wollt ihr dann?“ Fieberhaft suchte sie nach etwas, das einen Hexer und seinen Gefährten interessieren könnte. „Kontakte? Ich meine, meine sind vor allem in der Modewelt, aber mein Vater kennt ganz viele Leute überall auf der Welt! Wichtige Leute!“ Sie sah sich um, als ob der Raum ihr einen Tipp geben könnte. „Oder… oder Kunst? Antike Artefakte? Bücher? Irgendetwas Illegales? Bitte, es muss doch etwas geben…“
 

Mit jedem verzweifelten Wort, das sie sprach, wurde ihr mehr und mehr klar, wie viel Natsu ihr jetzt schon bedeutete. Sie würde tun, was Sting verlangte, nicht nur, weil Natsu durch ihre Schuld in diese ganze Sache hereingerutscht war, sondern weil es um Natsu ging. Sie würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, um ihm zu helfen, sie würde alles geben, was sie hatte, und wortwörtlich alles versuchen.
 

Sie würde einen Verbrecher anheuern, um ein unbezahlbares Artefakt aus einem Museum zu stehlen. Sie würde einen Vertrag mit einem Killer schließen und jemanden aus dem Weg räumen lassen. Sogar wenn sie selbst es war, wenn sie ihren Besitz, ihren Körper und ihre Seele an Sting überschreiben müsste, sie würde es tun.
 

Solange um Himmels Willen Natsu nur heil aus der Sache herauskam.
 

„Ich tue alles!“, platzte es aus ihr heraus und jetzt kamen die Tränen wirklich. Ihre Augen flossen über, einfach so, und es gab nichts, das sie dagegen tun konnte. Sie schniefte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, doch sie wurden nur durch weitere ersetzt. Sie war einfach am Ende. Der arrogante Hexenmeister war ihre letzte Hoffnung gewesen und jetzt… Was sollte sie jetzt nur tun?!
 

Natsu war…
 

Natsu
 

„Bitte. I-ich… ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Ich tue wirklich alles, egal, was du von mir willst. Nur bitte, rette Natsu. Bitte.“ Es kümmerte sie nicht mehr, dass sie bettelte, flehte, solange er nur zustimmte, ihr zu helfen.
 

Sting blinzelte, offensichtlich überrascht. „Du meinst das wirklich ernst.“ Er wechselte einen Blick mit Rogue, der ungerührt wie immer wirkte.
 

Lucy nickte und fuhr sich mit den Handballen über die Augen, doch es hatte keinen Sinn. Die Tränen wollten einfach nicht aufhören und was spielte es jetzt noch für eine Rolle… Sie schluchzte auf, am Ende ihrer Kräfte.
 

„Hast du das vor dem Spiegel geübt?“, wollte Sting dann wissen und als sie ihn verwirrt anblickte, starrte er sie mit schief gelegtem Kopf an wie ein besonders interessantes Exemplar eines seltenen Tieres. Von was redete er? Er deutete auf ihr Gesicht. „Heulen, meine ich?“
 

Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch sie konnte ihn nur ungläubig anstarren. Das war alles, das er aus der Situation zog?!
 

„Sieht sehr malerisch aus. Bis auf die… du weißt schon, Schrammen und so.“ Damit warf er ihr etwas an den Kopf, was sich einen Moment später als Packung Taschentücher herausstellte, und verschränkte die Arme vor der Brust, während er wartete, dass sie sich daran bediente und die Nase schnäuzte.
 

„Sting, willst du wirklich…“, begann Rogue, doch er brach den Satz ab, als dieser ihm einen Blick zuwarf, und zog eine Augenbraue hoch.
 

„Minerva kann mir helfen.“, erklärte der Blonde und die Worte machten keinen Sinn.
 

Der Schwarzhaarige verzog unwillig den Mund, die Stirn gerunzelt, nickte aber nach einem Moment abgehackt.
 

Sting sah wieder Lucy an und legte dabei das Buch von seinem Schoß auf den Tisch. „Fein.“, erklärte er und deutete auf den Sessel gegenüber seinem Sofa. „Setz dich.“
 

Sie fuhr sich ein letztes Mal mit dem Taschentuch über die Augen und warf einen Blick auf den angebotenen Platz. Konnten sie jetzt nicht sofort zur Sache kommen? Oder besser, die genaueren Details auf dem Weg klären? Wer wusste schon, wie viel Zeit Natsu noch hatte!
 

Sting machte eine ungeduldige Handbewegung. „Ich mache keine Geschäfte mit Leuten, die mich so weit überragen.“
 

Lucy wies ihn nicht darauf hin, dass er auch einfach aufstehen könnte, sondern trat ohne weitere Worte näher. Sie wollte nicht, dass er seine Meinung wieder änderte. Steif ließ sie sich auf der Kante des Sessels wieder, um ihre Haltung bemüht. Er hatte sie jetzt zwar schon ganz am Boden gesehen, aber sie musste ihm ja nicht noch mehr Munition geben. „Also, was willst du?“
 

Er starrte sie durch halb geschlossene Lider von oben herab an und ließ seine Hände über seine Lederarmbänder gleiten, langsame, bedachte Bewegungen. Die Luft schien plötzlich aufgeladen, sie schien vor Anspannung zu knistern. „Sagen wir, du schuldest mir einen Gefallen.“
 

Überrascht blinzelte sie – sie hatte etwas anderes erwartet. Gefallen hörte sich so harmlos an, doch dann kam ihr, dass das eine sehr vage Ausdrucksweise war. Dahinter konnte sich wortwörtlich alles verbergen. „Einen Gefallen?“ Sie rieb sich die Arme; plötzlich war ihr kalt.
 

„Genau. Momentan gibt es einfach nichts von Interesse, was du mir geben könntest.“
 

Alle Haare in ihrem Nacken richteten sich auf. „Und wie groß wird er sein?“
 

Er breitete die Arme aus. „Angemessen“ Sein Blick glitt an ihr vorbei zu Rogue „für das, was du bekommst. Ein gleichwertiger Austausch.“
 

Sie schluckte. Das würde kein kleiner Gefallen sein, das war ihr klar. Aber sie bekam etwas Unbezahlbares dafür, etwas, das sie nicht ersetzen konnte. Sie hoffte, dass er keine Gedanken lesen konnte, ansonsten würde er etwas ähnlich Wertvolles von ihr verlangen und sie war nicht sicher, ob sie so etwas geben konnte. Ob es überhaupt so etwas gab, das sie ihm geben konnte. „Also gut.“
 

Sie streckte ihm die Hand über den Tisch hinweg hin; sie bezweifelte, dass sie das schriftlich bekam, also wollte sie ihren Deal zumindest auf diese Art besiegeln. Vielleicht würde er sich eher daran gebunden fühlen. Nach einem letzten Blick in ihre Augen beugte Sting sich vor und schlug ein.
 

Sie fühlte, wie etwas sich über sie legte, schwer und bedeutsam wie Fesseln. Gleichzeitig verschwand die Spannung in der Luft und nach einem Moment wurde ihr klar, dass es Magie gewesen war. Sie hatte kein Schriftstück bekommen, aber es war eine andere Art des Vertrages und auf einmal war ihr mulmig zumute. Sting konnte jetzt seine Meinung nicht mehr ändern, aber eines Tages würde sie tun müssen, was er verlangte, und allein der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
 

Etwas verspätet ließ sie seine Hand los und sank auf den Sessel zurück. „So, und was jetzt?“, wollte sie wissen und verschränkte unbehaglich die Arme vor der Brust. Würden sie jetzt losgehen?
 

„Halt still.“, wies er sie an und hob die Hände, aus Daumen und Zeigefingern ein Rechteck formend, mit dem er sie einfasste. Dann bewegte er seine Finger durch eine Reihe Gesten, zu schnell, als dass sie sie wirklich aufnehmen konnte.
 

Sie wollte gerade fragen, was das sollte, als eine wohlige Wärme in ihr aufstieg. Überrascht sog sie die Luft ein, während die Hitze durch sie hindurch zog, ein behagliches, angenehmes Gefühl wie unter eine warme Dusche zu treten, nachdem man vom eisigen Herbstregen durchnässt worden war. Ihre Wirbelsäule wurde abrupt von einer unsichtbaren Macht aufgerichtet, ihr Kopf in den Nacken geworfen und sie atmete seufzend aus.
 

Er hatte Magie auf sie angewendet und wer hatte ihm das erlaubt…!? Ärgerlich ballte Lucy die Fäuste, doch schon während sie sich bewege, merkte sie, was genau er getan hatte. Die Kratzer an ihren Händen waren verschwunden, auch das wunde Gefühl auf ihrem Rücken und die Schmerzen an ihrem Kinn. Selbst ihr Haar schien nachgewachsen. Außerdem fühlte sie sich erfrischt und jegliche Erschöpfung war aus ihren Gliedern verschwunden.
 

„Das war nur oberflächlich.“, erklärte Sting und Rogue, Yukino auf der Schulter ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen. Die Katze sprang sofort von ihrem erhöhten Platz in Stings Schoß und machte es sich dort bequem. Nur ihr Schwanz zuckte unruhig. „Jetzt erzählst du uns, was geschehen ist.“
 

So kurz und knapp wie möglich fasste sie die Ereignisse auf dem Parkplatz des The Snake And Rose zusammen. Ihr war klar, dass die beiden so viel erfahren mussten, wie möglich, wenn sie es gemeinsam mit den Monstern aufnehmen wollten, aber sie wusste nicht, wie viel Zeit Natsu noch hatte.
 

Als Lucy die Angreifer beschreiben wollte, deutete Sting auf einen Bücherstapel, der vor einem Regal stand. „Das Bestiarium liegt da drüben.“
 

Doch Rogue bewegte sich bereits, ehe er den Satz beendet hatte, und kam einen Moment später einen großformatigen, in blaues Leder gebundenen Folianten zurück. Bei den Ausmaßen verwunderte Lucy es nicht, dass sie keinen Platz dafür in einem Regal fanden. Er blätterte darin herum, während sie ihre Erzählung beendete. „… und darum bin ich hierhergekommen. Wehe ihr könnt mir nicht helfen!“ Nach allem, was sie dafür tun musste, bestand sie darauf.
 

„Waren es diese hier?“, wollte Rogue wissen, ihre Forderung einfach übergehend. Er hielt ihr das Buch hin und sie brauchte nur einen Blick auf das detailgetreue Bild zu werfen, um die Angreifer wiederzuerkennen.
 

„Der Hobgoblin.“, las sie die Überschrift auf der Seite vor. „Das sind sie! Die waren das!“
 

Die beiden Männer wechselten einen Blick. Allmählich kam es ihr so vor, als konnten sie auf diese Art ganze Konversationen führen. Es war… verstörend.
 

„Eigentlich greifen die keine Leute so offen an…“, murmelte Sting, die Stirn gerunzelt.
 

„Aber die waren das!“, beharrte Lucy fest. Wollte er ihr jetzt auch noch sagen, dass sie verwirrt war und sich nicht richtig erinnerte?
 

„Beruhig dich, ich zweifle nicht an deinen Worten. Es ist nur seltsam.“
 

„Es sind ziemlich feige kleine Kreaturen, die sich normalerweise von Menschen fernhalten.“, stimmte Rogue zu und legte das Buch zur Seite. „Wir wissen sogar, wo sie ihr Lager haben, das sollte kein Problem sein.“ Damit stand er auf und ging davon. Verwirrt starrte sie ihm nach. Wo wollte er hin?
 

„Natsu dürfte auch noch am Leben sein, ansonsten hätten sie ihn gleich an Ort und Stelle getötet.“, bemerkte Sting und beugte sich vor, um ein Buch von der Landkarte zu nehmen, die auf dem Tisch ausgebreitet war.
 

Es war ein Stadtplan von Magnolia, auf dem auch die Umgebung abgebildet war, erkannte Lucy sofort; die Straßen, Anlagen und Häuserblocks waren ihr vertraut. Doch da waren einige Landmarken aufgedruckt, die ihr überhaupt nichts sagten, Markierungen, die sie auf anderen Karten noch nie gesehen hatte, und hellblaue Linien, die sicher keine Flüsse darstellen sollten, waren sie doch zu gerade und glatt. An drei Stellen waren weiße Bauern von einem Schachspiel aufgestellt worden und ihre Platzierung kam Lucy seltsam vor. Aber im Moment hatte sie keinen Kopf für was immer Sting so Wichtiges tat.
 

Er ließ sie sowieso nicht zur Wort kommen. „Hier in etwa befindet sich ihr Revier.“, erklärte er und deutete auf eine Wohngegend südlich der Innenstadt.
 

Lucy runzelte die Stirn. „Mir sind da noch nie irgendwelche Monster aufgefallen.“, gab sie zu. Sie hätte damit gerechnet, außerhalb der Stadt irgendwo im Wald suchen zu müssen oder in einem der weitläufigen Parks, aber in diesem dicht bewohnten Bezirk?
 

Sting verdrehte die Augen. „Natürlich leben sie nicht an der Oberfläche.“, erklärte er in einem Ton, als wäre das offensichtlich. „Sie sind Kreaturen der Dunkelheit.“ Er sah auf, als Rogue wieder hereinkam, und Lucy folgte seinem Blick.
 

Rogue trug jetzt einen langen, schwarzen Mantel mit silbernen Akzenten und schwere Stiefel. In der Hand hielt er ein Katana, das so schwarz war, dass es alles Licht zu schlucken schien. Einzig das Stichblatt und die Kordel an der Scheide waren blutrot. Der Anblick war tief verstörend.
 

Außerdem trug er einen hölzernen Stock mit einem Griff. Eingebrannte Symbole zogen sich über die ganze Länge, sie wirkten beinahe, als würden sie sich bewegen, durchzogen von roten Linien. „Hier.“ Er drückte Lucy den Stock in die Hand. „Ich hoffe, deine Schuhe halten etwas aus.“ Er warf einen zweifelnden Blick in ihre Richtung, aber Lucy starrte ihn nur überrumpelt an.
 

„Wa…“, begann sie und stand auf, den Stock fest umschlossen. „Was soll ich damit?“
 

„Zuschlagen, wenn es sein muss. Benutze ihn wie ein Schläger. Ich bezweifle, dass du weißt, wie man mit einem Schwert umgeht, das ist das Beste, was ich für dich tun kann…“
 

„Zum Glück halten Hobgoblins nicht viel aus.“, bemerkte Sting grinsend. „Selbst du solltest damit etwas ausrichten können.“
 

Sie richtete mit einer heftigen Bewegung den Stock auf ihn. „Pass nur auf, dass ich nicht dir damit den Hintern versohle!“
 

Er lachte nur, was in ihr den Wunsch wachrief, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Doch er wechselte schon das Thema und blickte Rogue an. „Nehmt Yukino mit. Sie kann euch helfen.“
 

Die Katze richtete sich abrupt auf und maunzte protestierend.
 

„Sorry, aber das ist die beste Möglichkeit. Minerva bliebt ja hier.“
 

Yukino legte den Kopf schief und Sting warf die Arme hoch. „Keine Ahnung, sie wird gleich wieder auftauchen. Du kennst sie doch.“
 

„Wie, ‚ihr‘?!“, verlangte Lucy zu wissen, ohne sich um das einseitige Gespräch zu kümmern. „Was ist mit dir?!“ Würde er denn etwa nicht mitkommen?! Warum sollte ein Kampfhexer sich bei einer solchen Aktion heraushalten?!
 

„Ich sagte doch, ich bin hier an etwas Wichtigem dran. Habt Spaß ohne mich.“ Er winkte ihr gönnerhaft mit den Fingern zu.
 

„A…aber…!“ War er nicht hier der Hexenmeister?! Er kam gefälligst mit ihnen! Es ging hier um Natsu und ihre Abmachung und… und…!
 

Doch ehe sie die richtigen Worte fand, packte Rogue sie an der Schulter und schubste sie rückwärts in Richtung Ausgang. Yukino strich um ihre Beine und lief mit erhobenem Schwanz voraus, während Rogue sich noch einmal an seinen Freund wandte. „Macht nichts Dummes.“, wies er Sting streng an und der zuckte mit einem halben Grinsen die Schultern.
 

Aber in seiner Stimme klang ein verbitterter Unterton mit und seine rechte Hand hatte sich unbewusst um das andere Handgelenk geschlossen, als er antwortete: „Keine Sorge, Minerva passt schon auf mich auf. Lass dir nicht zu viel Zeit.“ Rogue antwortete nicht, sondern drehte sich ohne ein weiteres Wort um und folgte Yukino.
 

Lucy runzelte die Stirn und feuerte noch einen wütenden Blick auf diesen faulen, herablassenden, fordernden, großkotzigen Arsch von einem Hexenmeister ab, ehe sie ebenfalls ging. Der konnte sie doch mal! Sie würden Natsu auch ohne ihn retten!
 


 

6. Into The Dark
 

„Was wollen wir hier?”, wollte Lucy wissen und sah sich suchend um. Sie befanden sich am hintersten Ende auf dem Parkplatz eines Supermarkes, der um diese nachtschlafende Zeit dunkel und verlassen dalag. Außer dem Mustang, den Rogue nach Verlassen der Wohnung ohne größere Worte angesteuert hatte, befand sich kein weiteres Auto hier.
 

In der Nähe erhob sich das typische Gestrüpp, das man von Parkplatzumgrenzungen gewohnt war und aus dem sich ein paar Bäume erhoben. Es machte einen ziemlich schmuddeligen Eindruck, wuchs über die Kanten heraus und war an vielen Stellen von Spinnennetzen überzogen, die im Licht der Straßenlaternen schimmerten. Zum Glück ließen sich deren Bewohner nicht sehen. Trotzdem erschaudernd wandte sie sich ab und rieb sich die Arme.
 

„Den für unser Vorhaben geeignetsten Eingang in die Unterstadt nehmen.“, antwortete Rogue kurz angebunden, Yukino auf der Schulter. Er sah sie dabei nicht einmal an, sondern musterte eingehend den leeren Parkplatz.
 

Lucy würde am liebsten weiter nachhaken, immerhin handelte es sich dabei um eine ganze Stadt unter Magnolia! Doch gleichzeitig spielte das alles gerade keine große Rolle für sie. Im Moment ging es ihr einzig um die Frage, wie sie Natsu aus seiner prekären Lage herausholen konnten und das so schnell wie möglich.
 

Sie stopfte sich den Autoschlüssel in die Hosentasche und nahm ihren Kampfstock – „schlag mit dem Ding einfach zu wie mit einem Baseballschläger, du weißt doch, wie das geht?“ – auf, von wo er gegen das Heck gelehnt hatte. Sie legte ihn mit etwas zu viel Schwung auf ihre Schulter und blickte Rogue herausfordern an. „Also, wo geht’s lang?“
 

Er winkte ihr und ging schnurstracks auf das Gebüsch zu, um mit langen Schritten hinein zu waten. Lucy warf einen angewiderten Blick auf die Spinnennetze und folgte ihm im Tritt. Sie fragte sich, was das sollte, aber sie sagte nichts. Es gab einige Dinge, die sie absolut nicht verstand, seit sie einen Blick hinter die Kulissen in diese magische Welt geworfen hatte, doch die Antwort bekam sie irgendwann doch geliefert.
 

Tatsächlich blieb Rogue einen Moment später stehen und bog einen großen Ast beiseite, um den Blick auf ein dunkles Loch im Boden freizulegen. Selbst in dem schummrigen Licht, das ihr zur Verfügung stand, konnte sie gut die steinernen, ausgetretenen Stufen erkennen, die direkt in die Erde führten. Lucy blinzelte überrascht. Das hatte sie nicht erwartet!
 

Ein kalter Luftzug kam ihr entgegen, so dass sie fröstelnd die Schultern hochzog, und ein Schauer rann ihr über den Rücken, der nichts mit den Temperaturen zu tun hatte. Das war ihr nicht ganz geheuer und ein nervöser Knoten ballte sich in ihrem Magen zusammen. Doch sie hatte das Gefühl, dass sie in dieser Nacht noch weit Schlimmeres sehen würde als eine finstere Öffnung in der Erde.
 

Rogue machte eine ungeduldige Kopfbewegung und nach kurzem Zögern ging sie voran. Die Stufen waren fest und hart unter ihren Füßen und ein wenig glatt, trotzdem ließen sie sich gut begehen. Mit einer Hand an der Wand entlangtastend stieg sie die Treppe tiefer hinunter, die nur vage beleuchtet wurde.
 

Rogue folgte ihr und einen Moment später ließ er den Ast los, der sofort an seinen Platz zurückschnellte. Urplötzlich war alles stockfinster um sie herum, so dass sie nicht einmal die Hand vor den Augen sehen konnte. Sie stieß ein erschrockenes Keuchen aus und blieb abrupt stehen. Doch kein noch so kleiner Strahl drang durch das Blätterdach zu ihnen hindurch, so sehr sie sich auch anstrengte.
 

„Ha-hast du eine Taschenlampe dabei?“, wollte sie wissen und ihre Hand krampfte sich unwillkürlich um ihren Kampfstock.
 

„Nein.“, war die knappe Antwort. „Geh weiter.“
 

„A-aber…“, versuchte sie es erneut und verfluchte sich, ihre Tasche mitsamt ihrem Handy auf Rogues Anraten im Auto gelassen hatte. Dann hätte sie zumindest die eingebaute Taschenlampe des Smartphones! Sie wäre nicht ideal, aber besser als gar nichts. Aber sie konnte ja noch einmal umkehren, es waren nur ein paar Schritte und…
 

„Geh weiter.“, verlangte er erneut und Yukino miaute beruhigend.
 

Lucy schluckte und folgte der Anweisung. Vielleicht gab es dort unten andere Lichtquellen…? Er würde schon wissen, was er tat, immerhin konnte er kaum mehr sehen als sie, richtig? Und selbst eine Katze konnte in völliger Dunkelheit auch nicht mehr erkennen als ein Mensch.
 

Sich vorsichtig vorantastend stieg sie tiefer, doch keine magischen Lichter flammten auf, keine Fackeln an den Wänden erschienen, nichts. Es blieb dunkel um sie herum und sie musste sich ganz auf ihren Tastsinn verlassen.
 

Oder doch…? Langsam wurde es heller um sie herum, so schleichend, dass sie irgendwann abrupt stehen blieb, weil sie eben doch vage Schemen wahrnehmen konnte, die Welt plötzlich Grau in Grau.
 

„Weiter.“, knurrte Rogue hinter ihr und sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Er war nur eine ungefähre Silhouette in der Dunkelheit und Yukino auf seiner Schulter ließ ihn wie ein zweiköpfiges Monster wirken. Ein Eindruck, der durch die zwei Paar Augen verstärkt wurde, die in der Finsternis glühten. Denn nicht nur die bernsteinfarbenen Augen der Katze leuchteten, sondern auch Rogues rote, was ihm ein unheimliches Aussehen verlieh.
 

Rasch wandte sie sich wieder ab. Sie fragte sich, ob er nicht völlig menschlich war oder was es damit auf sich hatte – seine sonderbaren Augen waren ihr schon am Anfang aufgefallen. Aber statt sich danach zu erkundigen, fragte sie: „Wie tief geht das hinunter?“
 

„Unbestimmt.“
 

„O-okay?“ Verwirrt runzelte sie die Stirn, doch er ging nicht weiter darauf ein, also versuchte sie es erneut: „Wo kommt das Licht her?“
 

„Schau nach vorne.“
 

Das war auch nicht sehr informativ, aber doch ein wenig hilfreicher. Nach einem Moment erkannte sie auch, was er meinte. Um sie herum war es stetig heller geworden und nun sah sie vor sich leuchtende Linien, die sich durch den Fels zogen. Erst waren es nur wenige, doch sie wurden immer mehr, bis um sie herum ein angenehmes Licht herrschte.
 

Der Schein war hell und kalt, gar nicht wie das natürliche Licht der Sonne, doch es brannte auch nicht in den Augen, wenn sie direkt hineinsah. Die Linien waren nicht gerade, sie zogen sich in einem unregelmäßigen Muster durch den Stein, kreuzten sich, wurden dicker und schmaler, verschwanden im Fels, nur um später wieder aufzutauchen.
 

„…Kristalle?“, wollte sie verdutzt wissen und fuhr vorsichtig mit der Hand über die glatte Oberfläche. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Noch nie hatte sie überhaupt davon gehört. Selbstleuchtende Kristalle, so ein Blödsinn… Und doch waren sie dort, direkt vor ihren Augen, unter ihren Fingern und sie konnte es nicht verleugnen.
 

Yukino maunzte und einen Moment später landete die Katze so urplötzlich auf Lucys Schulter, dass diese schrill aufkreischte. „Erschreck mich doch nicht so!“, beschwerte sie sich und als eine Antwort bekam sie ein leises Schnurren. Wenigstens ließ niemand eine blöde Bemerkung über ihre Reaktion los – ein Glück, dass Sting nicht dabei war, der hätte sich sicher nicht zurückgehalten!
 

Yukino rieb nur ihren Kopf an Lucys Wange. Ihr Fell war samtweich und ihr kleiner Körper warm, was Lucy ein wenig beruhigte und ihre Nervosität etwas abflauen ließ. Es mochte sich nur um eine Katze handeln – zugegeben, um eine sehr kluge und vermutlich magisch begabte Katze – doch die Anwesenheit einer anderen Kreatur, die sanfte Berührung hatte etwas Tröstliches. Darum beschwerte sie nicht, als Yukino es sich bequem machte und sogar den fedrigen Schwanz um ihren Hals schlang, sondern ging einfach weiter.
 

Am Ende konnte sie nicht mehr sagen, wie lang und wie tief sie gestiegen waren, doch plötzlich ging die schmale Treppe in einen langen Gang über, der immer breiter wurde. Vor ihnen im Schein der Kristalle tauchte ein breites Portal auf. Es war direkt aus dem Stein gehauen worden, geglättete Säulen, ein hoher Torbogen, dessen Schlussstein mit einem herausgearbeiteten Wappen verziert war.
 

Es stellte einen menschlichen Totenschädel dar, eingefasst von zwei erhobenen Schwertern. Direkt darüber befand sich eine vielblättrige Rose, beinahe lebensecht. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, dass die beiden oberen Eckzähne des Schädels länger und spitzer waren als bei einem normalen Menschen. Natürlich zuckten ihre Gedanken sofort zu einer der bekanntesten Arten von Untoten und sie erinnerte sich auch noch gut an Natsus Bemerkung über Hyberion.
 

„Ist das auch sicher?“, wollte sie von Rogue wissen, der zu ihr aufgeschlossen war. „Dort hinein zu gehen?“
 

Er warf einen kurzen Blick auf das Wappen und zuckte mit den Schultern. „Vampire sind ziemlich zivilisiert.“, erklärte er. „Auch wenn sie manchmal nicht wissen, wann sie aufhören müssen und Leute töten. Aber das meiste Blut kriegen sie freiwillig gespendet. Manche Leute überschlagen sich regelrecht, ihnen einen … Gefallen zu erweisen.“
 

Der Unterton in seiner Stimme zeigte deutlich, in welche Richtung das Ganze ging. Es gab ja auch genügend Geschichten. „Oh… Gut.“, antwortete sie erleichtert, auch wenn sie nicht verstand, warum jemand sein Blut auf diese Weise zur Verfügung stellen sollte. War die Gegenleistung wirklich so gut?
 

„Aber sicher? Absolut nicht.“
 

Erschrocken starrte sie ihn an. „Was?“ Ihre Stimme klang ungewöhnlich hoch und sie räusperte sich hastig.
 

Er hob sein Katana. „Erinnerst du dich daran, was genau wir hier tun?“ Kopfschüttelnd beschleunigte er den Schritt und ging voran, um ohne zu Zögern unter dem Portal hindurchzuschreiten.
 

Lucy holte tief Luft und dachte an Natsu – Rogue hatte ja vollkommen recht. Den Gedanken beiseite schiebend lief sie los, um ihn wieder einzuholen. Auch wenn sie Yukino bei sich hatte, sie wollte den Exorzisten auf keinen Fall verlieren. Er hatte die ganze Schlagkraft hier.
 

Dann trat sie hinaus in die unterirdische Stadt. Die Höhle, in der sie sich befanden, wollte sie schon gar nicht mehr als eine solche bezeichnen, denn sie sprengte alle Erwartungen und Maßstäbe und besaß eine solche Dimension, dass die Decke über ihnen kaum zu erkennen war. Einzig der Schein der Leuchtkristalle, die sich auch dort oben durch den Fels zogen, breiter und größer als auf der Treppe, deutete an, wo sie sich befand.
 

Rechts und links von dem Portal, durch das sie getreten waren, erhoben sich die Wände und sie führten beinahe schnurgerade zu den Seiten weg, so dass sie irgendwann einfach aus ihrem Blick verschwanden. So gigantisch war diese unterirdische Halle. Und vor ihnen erhob sich die Stadt.
 

Es war tatsächlich eine Stadt, Häuser um Häuser reihten sich aneinander, so viele, dass sie nicht sagen konnte, wie groß diese Metropole tatsächlich war. Immer wieder ragten Türme aus dem Gewirr der Dächer hervor, die im Schein der Kristalle metallisch glänzten. Einige der Türme gehörten eindeutig zu Kirchen oder ähnlichen Bauten, denn sie besaßen weithin sichtbare Glocken. In der Ferne erhob sich sogar eine Festung, die ihre Zinnen und Türme gen Höhlendecke reckte, stolz und majestätisch.
 

Eine gepflasterte Straße führte in einem weiten Bogen durch einen Park zur Stadt hinüber und vereinigte sich mit der Hauptstraße, die deutlich größer war als die meisten anderen Wege. Ringsum zog sich eine breite Allee, die das Parkgelände von den Häusern trennte und die von der Hauptstraße gekreuzt wurde.
 

Es gab sogar einige Leute – sie wollte nicht Menschen sagen – die durch den schön angelegten Stadtgarten flanierten und offensichtlich schlichtweg lustwandelten. Sie bewegten sich mit einer fließenden Eleganz, die von ihren altertümlichen Kleidern nur unterstrichen wurde, gleitend und mühelos.
 

Was Lucy vermisste, war das Grün.
 

Es gab durchaus Pflanzen, sogar Bäume, doch alles hier unten wirkte blass und farblos, grau, als würde das Licht der Kristalle nicht genug Farbe spenden, selbst das Gras, selbst das Efeu, das sich an ein paar der Häuser emporrankte, die Häuser und sogar die Stoffe, die eigentlich bunt und schillernd sein könnten. Es war, als würde das kalte Licht alle Farbe heraussaugen.
 

Die schönsten Pflanzen, die sie hier entdeckte, waren jene schlanken, schneeweißen Bäume, die zwischen all dem Grau und Schwarz wundersam und feenhaft wirkten. Auch aus der Nähe waren sie rein weiß, wie sie feststellte, als sie unter einem der dichten Blätterdächer hindurchgingen, die sich über den Straßen ausbreiteten. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und eines der Blätter mitgenommen, einfach um eine Erinnerung daran zu haben.
 

Doch stattdessen richtete sie ihren Blick nach vorn und auf die Häuser, die immer näherkamen. Bald fiel ihr auf, dass sie alle im historistischen Stil erbaut waren, verschnörkelt und verspielt, wie um die Erinnerung an alte Zeiten zu wecken. Das nächste, was ihr auffiel, waren die Kutschen, die von fahlen Pferden gezogen durch die Straßen rollten, und dann die Leute, deren Kleidung perfekt dazu passte – die Frauen in langen, schönen Kleidern, die Männer in Zylinder und altertümlichen Mänteln. Es war, als hätte sie eine Zeitreise angetreten.
 

„Gibt es einen Grund, warum hier alles aussieht wie aus dem 19. Jahrhundert?“, wollte sie leise von Rogue wissen, während sie sich weiterhin aufmerksam umsah. So seltsam ihr das auch vorkam, es war doch sehr interessant und wunderschön anzusehen!
 

„Sie stecken noch in der Zeit fest, als sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren.“, erklärte er ebenso leise. „Zu dieser Zeit eroberten sie auch dieses Land und errichteten Under Magnolia, wo die Strahlen der Sonne sie nicht erreichten. Sie hatten lange Zeit auch auf der Oberfläche beträchtliche Macht, doch mit der industriellen Revolution und den neuen Waffen konnten sie nicht mithalten.“
 

„Und darum zogen sie sich nach ihr unten zurück.“, nickte Lucy verstehend und plötzlich entflammte ihre Wissbegierde. Es musste unglaublich faszinierend sein, sich hier unten umzusehen, vielleicht mit den Bewohnern zu sprechen, die ihnen höflich-steif zunickten, wenn sie sie passierten. Lucy konnte kaum den Blick von ihnen abwenden, fasziniert von ihren altertümlichen, so eleganten Kleidern, den anmutigen Bewegungen, den schönen Gesichtern. Was mochten sie alles berichten können…? Immerhin hatten sie die Geschichte direkt erlebt, wenn man den Legenden über Vampire glauben konnte!
 

Doch dann fiel ihr wieder ein, dass es Vampire waren und sie nach Rogues Worten manchmal sich selbst vergaßen und dabei nebenbei jemanden umbrachten. Das brachte sie rasch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und sie dachte an Natsu. Das half ebenfalls, sich wieder darauf zu konzentrieren, warum sie überhaupt hier war. Sich wieder zusammenreißend wandte sie sich an Rogue: „Fallen wir hier nicht auf wie bunte Hunde?“
 

Er grinste sie spöttisch an. „Du vielleicht.“
 

Sie runzelte verwirrt die Stirn und richtete dann unwillkürlich ihren Blick auf seine Aufmachung. Er hatte eine Jeans und schwere Kampfstiefel an, aber darüber trug er den langen Mantel, der im oberen Magnolia durchaus nicht fehl am Platze wäre. Aber hier unten passte er ebenfalls gut hinein, ein zeitloses Design mit langen Rockschößen, schickem Revers und zwei Reihen von Knöpfen, dazu silberne Akzente.
 

„Keine Sorge, wir werden die Stadt nicht einmal betreten.“, beruhigte Rogue sie. Sie fühlte leichte Enttäuschung auf die Worte, aber vermutlich war es besser so.
 

Stattdessen führte er sie durch den Park, direkt an der Stadt vorbei. Es war ein strammer Marsch von etwa einer halben Stunde und die Gebäude lagen längst hinter ihnen, als vor ihnen etwas auftauchte. Es war, als würde der Stadtgarten dort einfach aufhören – keine Bäume mehr, keine zurechtgestutzten Büsche, gar nichts. Doch auch die Höhlenwände dahinter waren noch ein ganzes Stück entfernt.
 

Lucy runzelte die Stirn, während sich erneut ein miserables Gefühl in ihrem Bauch breitmachte. Das konnte doch nichts Gutes bedeuten, was immer es auch war! Und Rogue führte sie direkt darauf zu…
 

Dann ließen sie die letzte Reihe von Bäumen hinter sich und traten auf eine freie Fläche hinaus, die sich ausbreitete bis zu einer Kante, an die sie jetzt traten. Lucy erschauderte, als sie einen Blick hinunter warf in den ein Abgrund so tief, dass der Boden irgendwo in der Schwärze lag, die sich unter ihnen ausbreitete – bis dorthin reichten nicht einmal die Kristalladern.
 

Schaudernd wandte sie sich ab und stolperte einen Schritt von dem Schlund zurück. Wenn sie dort hinunterfiel, würde sie überhaupt irgendwo aufschlagen? Oder würde sie fallen und fallen bis zum Mittelpunkt der Erde?
 

„Hier lang.“, wies Rogue sie an und deutete nach links. „Dort geht es weiter hinunter.“ Dort schwang sich eine steinerne Brücke über den Abgrund hinüber zur Wand, wo die Straße in einem Loch in den Felsen verschwand. Das sah ja nicht sehr beruhigend aus… Trotzdem folgte sie ihm ohne Widersprüche zu der formidablen Architektur, die einen Bogen zwischen der Stadt und den tieferen Ebenen schlug.
 

„Dort drüben ist das, was man nur als Underland bezeichnet.“, erklärte Rogue. „Und dort leben Kreaturen wie die Hobgoblins – alle weit weniger zivilisierter als die Vampire und ihre Mitbürger in Under Magnolia. Halt dich nah bei mir und versuche, möglichst leicht aufzutreten.“ Lucy nickte und nahm ihren Schläger von der Schulter, um ihn mit zwei Händen zu greifen.
 

Gemeinsam betraten sie die Brücke und Lucy schauderte bei dem jähen Gedanken, was wohl passieren würde, wenn sie unter ihnen einfach nachgeben würde. Sei nicht bescheuert, schalt sie sich selbst. Die Brücke wirkte absolut nicht baufällig und war offensichtlich schon Jahrzehnte alt oder gar Jahrhunderte. Wieso sollte sie ausgerechnet jetzt zusammenbrechen?
 

Zumal sie und Rogue gemeinsam nicht sehr viel Gewicht auf die Waage bringen würden, nicht, wenn man sie mit der Brücke selbst und den Felsquadern verglich, aus denen sie erbaut worden war. Außerdem hielt bestimmt irgendeine Art von Magie sie.
 

Warum aber hatte Rogue sie dann ermahnt, leichten Schrittes zu gehen? Sie fragte sich, ob sie sich danach erkundigen sollte, und schaute sich nach ihm um. Der junge Exorzist blickte immer wieder zurück, als würde er erwarten, dass ihnen plötzlich jemand folgte.
 

„Was ist?“, wollte Lucy wissen und Yukino sprang abrupt von ihrer Schulter auf das breite Brückengeländer. Den Schwanz hoch erhoben spähte sie über den Rand in den Abgrund hinunter, als würde sie etwas dort unten sehen. Ihr Näschen zuckte dabei.
 

Eine Hand packte Lucy plötzlich am Oberarm und sie quiekte auf, aber es war nur Rogue, der sich aufmerksam umsah. „Was ist?“, wiederholte sie drängender, doch ehe er zu einer Antwort kam, fiel plötzlich ein gigantischer Schatten über sie.
 

Yukino fauchte aufgebracht, ihr Fell gesträubt und der Rücken zu einem Buckel gewölbt. Lucys Herz klopfte bis zum Hals und sie wollte sich umdrehen, doch Rogue riss sie mit sich, weg und herum, und schob sie so grob hinter sich, so dass sie leidend aufkeuchte.
 

Aber sie bemerkte den Schmerz kaum, ihr Blick war auf die Kreatur gerichtet, die so urplötzlich hinter ihnen aufgetaucht war. Es war ein wahrer Koloss, hässlich, grobschlächtig und nur entfernt an einen Menschen erinnernd. Die Glieder waren zu lang, der Hals zu kurz, der Köper völlig haarlos und die Gesichtszüge plump und ungeschlacht. Aus dem unteren Gebiss ragten zwei spitze Hauer heraus und unter der blassen Haut wölbten sich gigantische Muskeln. Einzig der Bauch war fett und hing nach unten über…
 

Oh mein Gott!, fuhr es ihr durch den Kopf und sie presste ihre Hand stärker vor den Mund, ich glaube, mir wird schlecht. Der Koloss war eindeutig männlich, denn von Kleidung schien er nicht viel zu halten. Ihr Blick auf sein bestes Stück wurde durch nichts aufgehalten und es war mindestens so lang wie ihr Unterarm und doppelt so dick. Sie versuchte krampfhaft, die Augen auf sein Gesicht gerichtet zu halten, so hässlich es auch war, doch es war wie ein Zugunglück, ihr Blick rutschte immer wieder nach unten – man konnte einfach nicht wegsehen.
 

In der Faust hielt er einen halben Baumstamm, mit dem er jetzt auf die Brücke eindrosch, dass es krachte. Er grinste hämisch, als würde das allein bedeuten, dass er irgendetwas gewann. Lucy zuckte heftig zusammen bei dem Aufprall, doch die Brücke wackelte nicht einmal.
 

Rogue wich einen Schritt zurück, so dass sie sich mit ihm bewegen musste, um nicht über den Haufen gerannt zu werden. Seine leicht geduckte Haltung war angespannt wie eine Feder, die kurz vor dem Hochschnellen war, und seine rechte Hand war bereits um den Griff des Katanas geschlossen. Das mehr als alles andere sagte ihr, dass mit dieser Kreatur nicht zu spaßen war.
 

„Ein Troll, das habe ich befürchtet.“, zischte er so leise, dass sie ihn kaum verstand. „Können die nicht einmal ihre Wege frei von Ungeziefer halten?“
 

„Brücke zu!“, brüllte das Monster und seine rohe Stimme klingelte in ihren Ohren. „Wegzoll!“ Zu größeren Reden schien es nicht imstande zu sein.
 

„Du hast kein Recht dazu.“, antwortete Rogue beherrschter Stimme und Lucy bewunderte ihn dafür, dass er selbst jetzt noch diese Ruhe bewahrte. Sie wäre ohne seine Gegenwart längst in Panik ausgebrochen. „Lass uns vorbei.“
 

„Freches Menschling.“ Der Troll richtete seinen Knüppel auf Rogue, der seine Begleiterin einen weiteren Schritt zurückdrängte. „Was geben?“
 

Rogue verengte die Augen und zog dann langsam sein Schwert ein Stück aus der Scheide. Es waren höchstens fünfzehn Zentimeter und die blanke Klinge war ebenso kohlschwarz und verstörend wie die Scheide. Mehr noch, denn im Metall schienen sich dunkle Schatten zu bewegen, Schwarz in Schwarz, und sie schimmerten mit einem dunklen Licht. Hastig wandte Lucy den Blick ab; etwas war so grundlegend widernatürlich an diesem Katana, dass ihr alle Haare zu Berge standen. Wie konnte Rogue es nur berühren?
 

„Zwinge mich nicht.“, antwortete er dem Troll kühl.
 

Doch der lachte bloß, anscheinend zu dumm, um die Gefahr zu erkennen, die von dieser grauenhaften Waffe ausging. „Menschling zahlen.“, knurrte der Troll und griff sich zwischen die Beine. „Mit Mädchen. Nehme Mädchen. Hübsches Mädchen.“
 

„Wa…was?!“, kreischte Lucy entsetzt auf und seine Geste sagte ihr genug. Am liebsten hätte sie sich übergeben.
 

„Nein.“, widersprach Rogue, seine Stimme noch immer beherrscht. Seine Augenbrauen waren konzentriert zusammengezogen. Vermutlich – hoffentlich! – überlegte er gerade, wie sie beide lebend aus dieser Lage herauskamen. „Lass uns passieren und dir geschieht nichts.“
 

„Menschling klein.“, antwortete der Troll höhnisch und hob seine Keule hoch über den Kopf. Sie allein war größer als Rogue. Ein Schlag würde genügen um einen Menschen zu töten, davon war Lucy überzeugt. „Stirbt schnell.“
 

„Lauf!“, befahl Rogue so plötzlich, dass Lucy erschrocken zusammenzuckte, doch trotzdem brauchte sie keine weitere Aufforderung. Sie wirbelte herum, nur im Augenwinkel bemerkend, wie der Troll zuschlug, und rannte los. Ihre Füße trommelten in einem hastigen Rhythmus auf den Boden, der Fahrtwind schlug ihr ins Gesicht und ihre Hand krampfte sich um den Griff des nutzlosen Schlägers, der gegenüber dem Troll wie ein Zahnstocher wirkte.
 

Für einen Moment konnte sie nur das Rauschen ihres Blutes in den Ohren hören und das Keuchen ihres Atems und ihr Herz schlug so stark, dass sie es bis in den Hals spüren konnte. Wie konnte sie nur glauben, diesem Monster davonlaufen zu können?! Es würde sie mit drei, vier Schritten einholen, ganz egal, was sie tat, wie schnell sie lief, wohin-
 

Ein gepeinigtes Brüllen ertönte hinter ihr, das ihre Ohren zum Klingeln brachte, und sie konnte nicht anders, sie musste sich umsehen. Ihr Blick fiel zuerst auf Rogue, der rennend zu ihr aufschloss, seine langen Beine trugen ihn rasch voran. Gleichzeitig schob er mit einer einzigen fließenden Bewegung das Katana in seine Scheide zurück.
 

Hinter ihm taumelte der Troll brüllend von einem Fuß auf den anderen, die linke Hand um das andere Handgelenk geschlossen, das nun in einem Stumpf endete, aus dem grünes Blut spritzte. Es dampfte und brannte flache Löcher in den Stein der Brücke. Die rechte Hand lag etwas entfernt, die Finger noch immer um den Knüppel geschlossen, tot und reglos. Lucy stieß einen ersticken Laut aus und würgte unwillkürlich.
 

„Lauf!“, brüllte Rogue und packte sie an der Schulter, um sie hinter sich herzuzerren. Stolpernd nahm sie ihre Schritte wieder auf. Was kümmerte sie ein Troll, der sehr viel Schlimmeres getan hätte, als ihr nur die Hand abzuhacken! Yukino flitzte an ihnen vorbei und dann donnerten laute Schritte hinter ihnen. Lucy schrie in Panik auf und beschleunigte unwillkürlich. Doch der Troll war ungleich größer und kam schneller voran und…!
 

„Menschling!“, jaulte das Monster hinter ihnen und seine Stimme vibrierte durch ihren Körper. „Töten!“
 

„Nicht nachlassen!“, befahl Rogue fest und vor ihnen wurde die Öffnung in den Fels größer, kam näher, ein zerklüfteter Durchgang, der wie ein aufgerissenes Maul aussah, bereit, die so bereitwillig hineinrennenden Menschen zu verschlucken. Und der Durchgang, der zu klein war für den Troll, der ihnen folgte. Doch er war noch so weit weg…!
 

„Töten!“, donnerte das Monster hinter ihnen und die Brücke erzitterte unter seinen schweren Schritten. Lucy brauchte ihn nicht zu sehen um zu wissen, dass er näherkam, sie vermeinte, seinen Atem in ihrem Nacken zu spüren, widerlich und stinkend…
 

Vor ihnen ragte die dunkle Öffnung auf und ein eisig kalter Wind schlug ihnen daraus entgegen. Trotzdem verdoppelte sie ihre Anstrengungen. Noch ein paar Meter, fünfundzwanzig, dann nur noch zwanzig, fünfzehn und-
 

Ein zweiter Troll schwang sich vor ihnen auf die Brücke.
 

Er versperrte breitbeinig ihren Fluchtweg und das Geräusch, das sein Knüppel machte, als er ihn in seine Hand klatschte, war fürchterlich und vielversprechend und entlockte Lucy ein hysterisches Kreischen. Sie wollte hier nicht sterben, nicht ermordet werden und auf keinen … keinen Fall geschändet von diesen Monstern und… Doch es gab keinen Ausweg, sie konnten nicht nach vorn, nicht nach hinten und die Seiten waren ihnen versperrt…
 

Aber Rogue wurde nicht langsamer, zog sie mit sich, verhinderte, dass sie aufhörte in vollem Tempo zu rennen. Sein Griff um ihren Oberarm war so fest, dass er schmerzte. Aber es reichte, dass sie nicht zögerte, während sie in voller Geschwindigkeit auf den Troll zurasten.
 

Der starrte sie nur verwundert an, als könnte er es nicht glauben, dass sie so dumm waren, ihn direkt anzugreifen und nicht einmal langsamer dabei wurden. Lucy konnte nicht einmal so schnell denken, vertraute einfach darauf, dass ihr Begleiter wusste, was er tat. Yukino war ein weißer Strich vor ihnen und huschte an dem Troll vorbei, der sie nicht einmal zu bemerken schien.
 

Seine Augen fixierten die beiden Menschen, die ihn beinahe erreicht hatten, und er hob die Keule, beinahe wie im Zeitlupentempo… Lucy folgte Rogues Bewegung, duckte sich, als er sie mit sich zog, und dann glitten sie zwischen den Beinen des zweiten Trolls hindurch. Rogue kam dahinter mit einer fließenden Bewegung wieder auf die Füße, zerrte sie hoch und den letzten Meter mit sich, durch das Portal, hinter dem sie in Sicherheit waren. Doch auch jetzt blieben sie nicht stehen, bis sie mindestens zehn Meter zwischen sich und den Eingang gebracht hatten.
 

Hinter ihnen rannte der erste Troll mit vollem Karacho gegen seinen Kumpan und gemeinsam krachten sie gegen die Felswand. Steine polterten zu Boden und Lucy zuckte erschrocken zusammen, reflexartig die Arme hochwerfend. Doch nur etwas Staub rieselte auf sie herab und das Dämmerlicht um sie herum ließ sie kaum etwas erkennen.
 

Die Trolle versperrten den Eingang nach draußen. Sie schoben und stießen sich schreiend und rasend gegenseitig in dem vergeblichen Versuch, die entkommenen Menschen doch noch zu erreichen. Doch da sie nicht einmal ihre zu großen Köpfe durch die Felsen quetschen konnten und nur blind mit den langen Armen hereintasteten, hatten sie keine Chance.
 

Atemlos und mit klopfendem Herzen sah Lucy zu, während sich ihr Atem langsam wieder beruhigte. Eine Weile tobten sie noch herum, doch Lucy verstand die gutturalen Laute nicht, die sie ausstießen. Dann verschwanden sie so schnell und so plötzlich, wie sie gekommen waren.
 

„Das hat doch gut geklappt.“, bemerkte Rogue und Yukino maunzte zufrieden.
 

„Gut geklappt?“, wiederholte Lucy fassungslos. Sie hatte sich die schlimmsten Szenarien vorgestellt, sich vor Angst beinahe in die Hosen gemacht und er sagte gut geklappt?! „Gut geklappt?!“ Ihre Stimme erreichte bisher nie gekannte, hysterische Höhen und schnappte über.
 

Rogue blickte sie verständnislos an und Yukino maunzte fragend den Kopf in den Nacken gelegt, um Lucy anzusehen.
 

„Wir sind kaum mit dem Leben davongekommen!“, schimpfte diese los und die aufgestaute Panik half ihr nicht, die Selbstbeherrschung wiederzufinden. „Diese … diese Monster hätten uns beinahe umgebracht. Oder dich zumindest, mit mir hatten sie noch viel Schlimmeres vor! Du hast mich nicht einmal vorgewarnt! Ein kleiner Hinweis wäre wirklich sehr freundlich gewesen, aber nein, du lässt mich arglos über diese Brücke laufen. Gibt es keinen ungefährlicheren Weg? Ich dachte, wir sind hier entlanggegangen, weil es sicherer ist als woanders. Aber stattdessen tauchen diese Ungeheuer auf und… Oh mein Gott, ich werde diesen Anblick nie mehr vergessen!“ Sie schlug die Hände vor die Augen, einen Moment versucht, sie sich auszukratzen. Allein bei der Erinnerung wurde ihr schlecht.
 

„Es waren Brückentrolle.“, erklärte Rogue und zuckte mit den Schultern.
 

„Ist mir egal, wie man die nennt!“, antwortete Lucy heftig. „Wenn ich sie noch einmal sehen muss, spring ich freiwillig in den Abgrund hinunter! Wie hätten uns beinahe umgebracht! Zack“ sie ließ ihren eigenen Kampfstock, den sie wundersamer Weise nicht während der wilden Flucht verloren hatte, durch die Luft sausen, um ihren Punkt zu verdeutlichen „und wir wären nur noch ein Flecken blutiger Matsch auf dem Stein gewesen! Und du sagst ‚gut geklappt‘!“
 

„Wir sind noch am Leben und haben minimale Zeit gebraucht. Und ich sagte nie, dass der Weg ungefährlich ist.“
 

„Aber eine kleine Warnung wäre doch nicht zu viel gewesen, oder? Du hast mich voll ins offene Messer laufen lassen!“
 

„Ich hab dir doch gesagt, du musst leicht auftreten. Wenn sie geschlafen hätten, hätten sie uns nicht gehört, aber den Moment kann man nicht voraussagen. Bist du jetzt fertig mit deinem kleinen Wutanfall?“
 

Lucy klappte den Mund auf, doch kein Ton drang heraus. Wutanfall? Dem zeigte sie gleich Wutanfall! Sie funkelte ihn an, doch Rogues Gesicht blieb weiterhin so teilnahmslos, als würden sie in einer heimeligen Wohnung über das schlechte Wetter reden, obwohl keiner von ihnen vorhatte, einen Schritt vor die Tür zu gehen.
 

Das brachte sie völlig aus dem Konzept. Noch nie hatte jemand sie so völlig auflaufen lassen und ihr einfach den Wind aus den Segeln genommen. Doch anscheinend war es genau das, das sie jetzt brauchte um wieder auf den Boden herunterzukommen. Sie atmete ein paar Mal heftig ein und aus. Überrascht stellte sie fest, dass sie jetzt viel ruhiger war als noch vor ein paar Augenblicken und das ungestüme Hämmern ihres Herzens hatte sich wieder verlangsamt.
 

Seine stoische Präsenz schien ihr zu helfen, beherrscht zu bleiben, und die Tatsache, dass ihn die kleine Episode kaum erschüttert hatte, nahm ihr noch mehr von der bereits abflauenden Angst. Yukino schlängelte sich schnurrend um ihre Beine, warm und tröstlich, und kletterte dann an ihrem Körper hoch, um es sich wieder auf ihrer Schulter bequem zu machen.
 

Rogue schulterte sein Katana. „Können wir jetzt weitergehen? Natsu wäre sicher dankbar, wenn wir eher früher als später auftauchen.“ Ganz zu schweigen davon, dass wir nicht wissen, wie viel Zeit er noch hat, hing unausgesprochen in der Luft, aber Lucy war dankbar, dass er es nicht aussprach.
 

„O-okay.“, antwortete sie zögerlich. „Entschuldigung.“
 

Er warf ihr einen Blick zu.
 

„Wegen dem Ausbruch. I-ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist.“
 

Er schnaubte, sagte aber nichts dazu, sondern wandte sich ab und Lucy blickte sich endlich in der Kaverne um, in der sie sich befanden.
 

Es war ein beinahe kreisrunder Raum, der größer war, als sie geschätzt hatte. Er lief nach oben in spitz zu und die Decke war hoch genug, um ihm eine hallenartige Atmosphäre zu verleihen. Durch den Eingang fiel das kalte Licht der Kristalle, die sich hier drin nicht mehr durch die Wände zogen. Diese waren aus rauem Fels, doch offensichtlich grob bearbeitet worden. Sie zählte sieben Gänge, die in verschiedene Richtungen wegführten und aus deren kantigen Durchgängen unheilvolles, rötliches Licht glomm.
 

Ohne ein weiteres Wort steuerte Rogue auf einen davon zu; er schien genau zu wissen, wo sie hinmussten. Sie folgte ihm, auf der einen Seite nicht Willens, allein zurückzubleiben, auf der anderen angetrieben von ihrer Sorge nach Natsu, die wieder in den Vordergrund gerückt war.
 

Schon nach wenigen Schritten stellte sie fest, dass das Licht von Kristallen stammte, wie sie sie schon vom Abstieg und Under Magnolia kannte, nur dass die Farbe jetzt anders war – ein seltsames, schwüles Rot, das unrein und schmutzig wirkte. Doch auch wenn sie vorher gedacht hatte, dass das weiße Licht kalt war und alles verblassen ließ, jetzt wollte sie es zurück. Dieser kränklich rote Schein stach bald in ihren Augen und ließ alles verdorben wirken. Sie meinte sogar, dass es wärmer wurde und schreckliche Mattigkeit schlich in ihre Glieder. Wie konnte man nur hier unten leben?
 

Sie folgten einem bequem betretbaren Gang, der hoch genug war, dass sie beide aufrecht gehen konnten, und so breit, dass Rogue selbst sein Schwert hätte ziehen können. Weitere Passagen kreuzten ihn und führten in alle Richtungen tiefer in die Erde und Lucy bekam bald den Eindruck, dass sich ein wahres Labyrinth hier unten erstreckte. Hoffentlich wusste ihr Führer tatsächlich, wo er hinwollte! Die Vorstellung, so lange in diesem abscheulichen Licht herumzuwandern, bis sie verhungerten, war grauenerregend. Doch Rogue zögerte nicht, sondern ging sicheren Schrittes voran. Nur hin und wieder legte er wie lauschend den Kopf schief, ehe er weitermarschierte.
 

Um sie herum war es erstaunlich laut. Immer wieder drangen Geräusche zu ihnen herüber, die sie nicht zuordnen konnte. Rogue wirkte nicht sehr beunruhigt davon, doch ihr raubten sie schon nach kürzester Zeit den letzten Nerv und sie hielt ihren Kampfstock mit beiden Händen fest umklammert.
 

„Müssen wir noch weit gehen?“, wollte sie nach einer Weile wissen, ihre Stimme automatisch zu einem Flüstern gesenkt.
 

„Nein.“, antwortete er ebenso leise. „Wir dürften bald da sein. Bleib bei mir, halte dich an meine Anweisungen und sei so leise wie möglich.“
 

Sie nickte und plötzlich war sie nervös. Sich nacheinander die schweißigen Hände an der Hose abwischend versuchte sie, ihre jähe Aufregung wieder unter Kontrolle zu kriegen. Es würde niemanden nutzen, wenn sie überstürzt handelte, so gern sie auch losrennen und Natsu in ihre Arme schließen wollte.
 

Aber das würde ihn und sie und auch Rogue und Yukino in Gefahr bringen. Nein, sie musste Ruhe bewahren, einen klaren Kopf behalten, nachdenken. Die Trolle waren eine Sache, sie hatte ja nicht gewusst, dass sie auf sie stoßen würden. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum Rogue ihr nicht gesagt hatte, dass sie da waren. Aber jetzt wusste sie ganz genau, dass sie direkt in die Höhle des Löwen marschierten – oder eher, in die der Hobgoblins. Und auch wenn Rogue ihr auf der Fahrt versichert hatte, dass sie einem Menschen eigentlich nicht gefährlich werden konnten, so hatte sie doch gehörigen Respekt vor den kleinen Ungeheuern.
 

„Kannst du nicht einfach wieder Gliedmaße abtrennen? Dein Schwert scheint dafür ja scharf genug zu sein…“, grummelte Lucy leise vor sich hin.
 

Rogue reagierte überhaupt nicht darauf, obwohl sie sicher war, dass er sie gehört hatte, also fügte sie noch etwas lauter hinzu: „Das war übrigens grauenhaft.“
 

„Seine Hand wird nachwachsen, falls du dir darum Sorgen machst.“
 

Sie starrte ihn überrascht an. „Eigentlich ist es mir egal, ob er daran verreckt wäre!“, erklärte sie mit Nachdruck, was sie selbst erstaunte. Früher hatte sie sich für eine Pazifistin gehalten, sie achtete darauf, dass das Fleisch, das sie aß, von glücklichen Tieren stammte und dass sie keine Produkte von Firmen kaufte, die noch Tierversuche durchführten. Aber ihretwegen konnten alle Trolle der Welt auf der Stelle verrecken! „Ich finde abgetrennte Gliedmaße nur widerlich, ganz egal, von wem sie stammen.“
 

Er warf ihr einen skeptischen Blick über die Schulter zu. „Ich werde daran denken, wenn mich das nächste Mal ein Troll erschlagen will.“, antwortete er trocken.
 

Lucy konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken, das auch in ihren Ohren ein wenig schrill klang. Aber wer konnte ihr das auch verübeln? Lachen baute Stress ab und sie konnte die Komik dieser absurden Situation, in der sie gerade steckte, nicht von der Hand weisen.
 

Eine Weile blieben sie still, während der Gang um sie herum enger und niedriger wurde. Hoffentlich blieben sie nicht irgendwann stecken! Um sich von dem Gedanken abzulenken, fragte sie: „Sie wächst echt nach? Die Hand, meine ich?“
 

„Trolle haben bedauerlicherweise eine sehr hohe Regenerationsfähigkeit. Um ihn zu töten, hätte ich ihm schon den Kopf abschlagen müssen. Dafür hatte ich keine Zeit.“ Er sagte es so sachlich, dass sie leicht das schauerliche Thema übersehen konnte. Inzwischen ging er leicht vornübergebeugt, um sich den Kopf nicht anzustoßen.
 

„Außerdem musstest du auf mich aufpassen.“, gestand sie ihm zu und Rogue zuckte mit den Schultern.
 

„Und das.“ Dann blieb er so abrupt stehen, dass sie beinahe in ihn hineingelaufen wäre. „Okay, siehst du die Abzweigung da vorne?“ Er nickte den Gang hinunter und sie verengte die Augen, um angestrengt in die Richtung zu starren. Das rötliche Licht machte ihr die Aufgabe nicht einziger, aber nach einigen Sekunden erkannte sie, was er meinte. Es war eine unauffällige Nische, die kaum zu sehen war.
 

„Dort geht es direkt ins Dorf der Hobgoblins. Wir müssen zuerst herausfinden, wo sie Natsu festhalten und ihn nach Möglichkeit befreien. Darum halten wir uns so lange bedeckt wie möglich. Es wird schon schwer genug werden, Natsu zu befreien, ohne dass sie ihn umbringen.“
 

Sie nickte, dann stutzte sie. „So lange wie möglich?“
 

„Es ist eher unwahrscheinlich, dass sie uns gar nicht bemerken. Stell dich also darauf ein, mit dem Stock auszuteilen. Nutz ihn wie…“
 

„…einen Baseballschläger, schon klar.“ Sie ahmte die Bewegung nach um zu demonstrieren, dass sie dazu durchaus in der Lage war. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie ihre Waffe schlagkräftig einsetzen würde. Tatsächlich freute sie sich schon darauf – das wäre eine Gelegenheit, ihren aufgestauten Frust über all die Steine, die man ihr in den Weg legte, ihre Angst, die mit dem Todesfluch erwacht war und mit jeder neuen Information gewachsen war, und ihren Zorn darüber, dass man ihr Natsu genommen hatte, loszuwerden. Oh nein, sie würde sich ganz sicher nicht zurückhalten!
 

Dann fiel ihr etwas ein. „Was ist mit den Trollen?“
 

Er löste seinen Blick von ihrem Ziel um sie mit gerunzelter Stirn anzusehen. „Hobgoblins und Trolle mögen sich nicht sonderlich.“
 

„Nein, ich meine, unser Rückweg? Die Trolle sind ja immer noch unter der Brücke und werden sicher nicht begeistert sein, uns zu wiederzusehen.“
 

„Sie haben uns vermutlich schon wieder vergessen. Aber wir nehmen einen anderen Weg nach draußen. Dort sollten wir auf niemanden treffen.“
 

Entgeistert starrte sie ihn an. „Aber… hätten wir den nicht hineinnehmen können?!“ Dann wäre ihr die Begegnung mit den Trollen erspart geblieben!
 

„Manche Wege führen nur in eine Richtung.“, antwortete Rogue gleichgültig. „Jemand hätte uns einlassen müssen. Ich mache es mir auch nicht schwerer, als es sein muss, weißt du.“
 

„Oh…“ Verlegen rieb sie sich den Hinterkopf. „Sorry.“
 

Yukino maunzte und hüpfte von ihrem Platz auf Lucys Schulter. Ihr Gewicht, so klein es auch war, nicht mehr tragen zu müssen, war eine Erleichterung, aber gleichzeitig vermisste sie das tröstliche Gefühl von Wärme, so dass sie unwillkürlich enttäuscht aufseufzte.
 

Die weiße Katze huschte voran auf die Nische zu und verschwand zwischen den Felsen, während Rogue seiner Begleiterin winkte und die beiden sich langsam vorwärtsschoben. Kurz darauf spähten sie um die Ecke. Weit konnten sie nicht sehen, denn die Lücken in den Felsen führte offensichtlich in eine Art gemauerten Graben und nur zwei Meter entfernt ragte eine Wand nach oben.
 

Sie war allerdings nicht sonderlich hoch, so dass Lucy einen ersten Eindruck des Hobgoblindorfes bekommen konnte. Die Lehmhütten waren niedrig und kreisrund; ihre Dächer bestanden aus einer Art Ried und sie hatten keine Fenster, nur offene Türen, die höchstens mit einem Vorhang versperrt wurden. Die Wege waren eher ausgetretene Pfade und diverse Gestelle aus Holz für Wäsche, Fleisch, Werkzeuge und alles mögliche andere Zeug standen bei jedem der Gebäude bereit. In einigen der Bauten waren offensichtlich Werkstätten untergebracht.
 

Gedungene, dürre Gestalten, viel kleiner als ein normaler Mensch und mit zu langen Gliedmaßen spazierten dazwischen herum und gingen verschiedenen Arbeiten nach. Der Lärm einer geschäftigen Ansiedlung drang zu ihr herüber, alles vermischte sich zu einer brausenden Geräuschkulisse, der gerade noch zu ertragen war und bei der sie sich fragte, warum sie sie nicht schon früher wahrgenommen hatte.
 

Alles in allem erinnerte die kleine Siedlung sie an etwas, das direkt aus einem Fantasyfilm oder -spiel kommen konnte. Es gab sogar Wachtürme! Eigentlich lag sie damit ja auch nicht sehr weit weg, schoss es ihr durch den Kopf. Immerhin war es ein Dorf der Hobgoblins.
 

Farben konnte sie nur andeutungsweise bestimmen, da das rote Licht auch hier erstrahlte und alles verzerrte. Allerdings half der Schein trotzdem, weit genug zu sehen, um zu erkennen, dass die Ansiedlung sich in einer ähnlichen Höhle erhob wie Under Magnolia, auch wenn sie keinen solch gewaltigen Umfang hatte.
 

Doch bei der gigantischen Größe der Vampirstadt bedeutete dies noch nicht viel – das Hobgoblindorf war groß genug, um mindestens drei Hügel zu besitzen, auf denen jeweils nur ein einziges Gebäude stand. In einem von diesem würden sie Natsu finden, das wettete sie.
 

Yukino hing am oberen Ende der Grabenmauer, die Krallen in den Stein geschlagen, und spähte über ihren Rand hinweg. Nach einem Moment ließ sie sich wieder fallen und kam federnd auf dem Boden auf. Ihre Augen glühten orangerot und ihr Fell wirkte, als hätte man sie in hellrote Farbe getaucht.
 

„Es ist ziemliche Unruhe im Dorf.“, bemerkte Rogue stirnrunzelnd. „Das sollte uns helfen, unbemerkt zu bleiben. Kommt, versuchen wir es erst dort.“ Er nickte zu dem einzigen Steingebäude – etwas, das entfernt an eine Burg erinnerte und sich auf dem Hügel erhob, der ihnen am nächsten war.
 

„Woher weißt du das?“, hakte Lucy verwirrt nach, folgte ihm aber geduckt und im Schatten der Mauer bleibend.
 

„Yukino. Sie wird als unser Späher agieren, weil sie deutlich unauffälliger ist.“
 

„Wa… warte, du kannst mit ihr reden? Aber…“
 

„Es ist ein magischer Bund.“, erklärte Rogue kurzangebunden. „Wenn du mehr darüber wissen willst, frag Sting.“
 

Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Wie hoch stehen meine Chancen, eine Antwort zu bekommen, ohne dass ich für sie zahlen muss?“
 

Rogue grinste. „Gering. Und jetzt sei still.“
 

Gemeinsam schlichen sie weiter durch den Graben, der ihnen eine hervorragende Deckung bot. Lucy fragte sich, was er dem Dorf und seinen Bewohnern überhaupt brachte, denn er erschien ihr taktisch unklug zu sein. Ihnen jedenfalls kam er sehr entgegen, um sie zumindest in die Nähe ihres Ziels zu bringen ohne quer durch das Dorf zu müssen. Es war ihnen auf diese Art ein leichtes, dessen Bewohnern auszuweichen und keine weitere Unruhe zu stiften.
 

Nur manchmal kamen die groben Stimmen der Hobgoblins ihnen so nahe, dass sie sich mit angehaltenem Atem gegen die Wand pressten und abwarteten, bis die kleinen Monster sich wieder entfernten. Sie redeten in ihrer eigenen Sprache, die aus grunzenden, groben Lauten bestand und in ihren Ohren schmerzte.
 

Schließlich erreichten sie die Stelle, wo sie den Graben verlassen mussten. Der Hügel erhob sich leider direkt im Dorf, es gab einfach keinen Weg außen herum. Wenigstens war es hier nicht so geschäftig wie in anderen Teilen des Dorfes, anscheinend befanden sich hier nur Wohnhäuser.
 

Nachdem Yukino ihnen freie Bahn versichert hatte, kletterte Rogue geschickt aus dem Graben und zog dann Lucy nach oben. Sie duckten sich zwischen zwei Gebäude und schlichen von dort aus weiter.
 

Was jetzt folgte war ein Versteckspiel, das sie im Zickzack durch die Ansiedlung führte. Immer wieder mussten sie sich in die engen Gassen ducken und hoffen, dass die vorbeikommenden Hobgoblins nicht gerade ebenfalls diesen Weg gehen mussten. Doch sie hatten sie Glück und die Dorfbewohner blieben auf den Hauptstraßen.
 

Yukino war bei diesem anstrengenden Weg Gold wert, konnte sie doch unauffällig voraneilen und wenn es sein musste, mal schnell hinter ein paar Kisten, in einer Nische oder einem Gefäß verschwinden. Die beiden Menschen waren bei weitem auffälliger.
 

Doch schließlich erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle die letzte Häuserreihe am Fuße des Hügels. Unzufrieden spähte Lucy zu der verqueren Festung hinauf, die sich auf der Kuppe erhob. So wirklich konnte sie nicht den Finger darauflegen, was sie störte, doch da war etwas an ihr… Zwei etwas schiefe Türme ragten in den Himmel, es gab Mauern und Zinnen, doch…
 

„Ungesehen werden wir es nicht hochschaffen.“, bemerkte Rogue neben ihr abschätzend und riss sie damit aus den Gedanken. Er legte den Kopf schief und ließ den Blick nachdenklich über die zerklüfteten Hänge gleiten. Felsen und Grate ragten aus dem Boden, der komplette Hügel war mit Rissen durchzogen und die Steine bildeten teilweise kleine Terrassen, wie die Treppenstufen für einen Riesen. Einen kleinen Riesen, aber wen interessierten solche Haarspaltereien?
 

„Wenn wir da hinten rum gehen, durch diesen Spalt da, sollten wir vor den meisten Blicken geschützt sein.“, schlug Lucy vor und zeigte in die entsprechende Richtung. „Selbst wenn wir danach die Deckung verlieren, ein kleines Stück weiter wird doch helfen, oder?“
 

Rogue nickte langsam und musterte die Stelle, die sie angezeigt hatte. „Das könnte funktionieren. Yukino?“ Sie maunzte und flitzte los, während die beiden Menschen sich hinter zwei Fässer kauerten. Einen Moment später verschwand die Katze zwischen den Felsen.
 

„Denkst du, Natsu ist in dieser Burg?“, fragte Lucy nach einem Moment und reckte den Hals, um einen Blick auf eben jene zu erhaschen. Halte nur noch ein bisschen aus, Natsu. Wir sind gleich da.
 

„Wenn sie nicht total verrückt sind, dann ja. Das ist im Grunde der einzige Platz, wo er sein kann.“ Rogue nickte in die Richtung des zweiten Hügels, auf der ein Holzgebäude stand. „Das ist ein Tempel. Dort hat ein Gefangener schon gar nichts zu suchen, außer er soll geopfert werden. Natsu…“
 

„Geopfert?“, entfuhr es Lucy entsetzt und sie schlug sich eine Hand vor den Mund. Was sagte ihnen, dass dies nicht gerade jetzt der Fall war, dass sie Natsu…
 

„Dazu brauchen sie einige Faktoren, die im Moment nicht erfüllt sind, und sie halten ein ziemliches Spektakel ab. Hobgoblins sind vielleicht nicht die klügsten Kreaturen, aber sie haben eine sehr komplexe Kultur und Religion.“ Rogue deutete zu dem dritten Hügel mit drei kleinen Hütten darauf. „Dort leben die Schamanen. Das sind die wichtigsten Leute im Dorf, in ihre Nähe würden sie ihn niemals lassen. Nein, Natsu ist dort oben irgendwo.“
 

Lucy sah hinauf zu der Festung und runzelte die Stirn. Sie hoffte nur, dass Rogue recht hatte, das würde ihr Vorhaben durchaus erleichtern. Rein, raus und letzteres am besten mit Gewalt. Unwillkürlich verstärkte sich ihr Griff um ihren Kampfstock und sie atmete tief ein. Irgendwie fühlte sie sich jetzt ruhig und ihr Kopf war klar. Sie hatte noch immer Angst, die sich in ihrem Magen zu einem schweren Knoten zusammengeballt hatte, aber sie wusste, es würde sie nicht behindern. Sie war bereit für das, was auch immer jetzt kam.
 

Eine leichte Berührung am Arm ließ sie aufblicken. „Komm.“, sagte Rogue und verließ die Deckung, um rasch zu dem Einschnitt hinüberzurennen, in dem Yukino auf sie wartete. Lucy warf kurz einen Blick über die Schulter und folgte ihm dann rennend.
 

Die Katze huschte ihnen wieder voran, was nun allerdings auch daran lag, dass sie über Geröll klettern mussten, das den Boden bedeckte. Bald mischten sich auch dürre Äste und Tonscherben darunter sowie Stofffetzen und eine gemischte Ansammlung von anderen Dingen, bei denen sie lieber nicht ganz genau hinsah, um was es sich handelte. Anscheinend waren sie hier in die Müllhalde der Hobgoblins gestolpert.
 

Also hielt sie den Blick fest auf die Burg gerichtet, während sie dem steilen Weg erfolgte, der sie nur langsam voranführte, was daran lag, dass er ständig auf und ab ging und einen großen Bogen schlug. Doch sie gingen stetig nach oben und die Burg kam immer näher, Stück für Stück, während das Dorf hinter ihnen kleiner wurde.
 

Immer wieder rollten Steinchen unter ihren Schuhen weg, scharfe Kanten pressten sich gegen ihre Sohlen und Zweige knackten trocken unter ihren Füßen. Mit der Hand stützte sie sich an der Steinwand ab, um sich daran abzustützen und sich daran zu orientieren. Wo kamen eigentlich all diese Äste her? So viele Bäume und Büsche hatte sie hier gar nicht gesehen…
 

„Lucy, Acht-!“, hörte sie Rogue hinter sich zischen, doch es war schon zu spät und ihr Fuß trat ins Leere. Das abrupte Gefühl des Fallens ließ sie ein erschrockenes Quieken ausstoßen und einen Moment saß ihr rasendes Herz in ihrer Kehle.
 

Dann kam sie hart auf und das Geröll rutschte sofort unter ihren Füßen weg, so dass sie mit einem erneuten Aufschrei der Länge nach hinfiel und den Abhang hinunterkullerte. Eine Lawine aus Steinen und Müll begleitete sie und rollte über sie hinweg, als sie mit einem harten Schlag und einem Ächzen zum Liegen kam.
 

„Auauau.“, jammerte sie und rieb sich über das Gesicht. Ihr tat alles weh, ihre Kleidung war vermutlich komplett ruiniert und zu guter Letzt hatte sie bei ihrer unfreiwilligen Rutschpartie auch noch ihren Stock verloren. Blinzelnd öffnete sie die Augen, die sie vor Schreck zusammengekniffen hatte – und starrte direkt in die leeren Augenhöhlen eines menschlichen Schädels. Die gelben Zähne in dem blanken Knochen schienen sie höhnisch anzugrinsen.
 

Erschrocken aufschreiend warf sie sich davon weg und hastete im Spinnengang davon weg. Unter ihr gab der Untergrund leicht nach, Steine und merkwürdig glatte Äste verrutschten unter dem plötzlichen Gewicht, das sie darauf stütze. Unwillkürlich blickte sie nach unten und schrie erneut auf, als sie erkannte, dass es keine Zweige unter ihren Fingern waren, sondern nur noch mehr Knochen.
 

Wie lange war sie schon über Gebein gestiegen? Waren es überhaupt je Äste gewesen…? In diesem blutig roten Licht, abgelenkt durch ihre Sorge um Natsu und fixiert auf ihr Ziel, war es schwer, alle Details zu erkennen. Aber diese Erkenntnis machte es jetzt auch nicht besser, wortwörtlich Gebein in der Hand zu halten.
 

Unter Rogues schweren Stiefeln brachen die Knochen wie dürre Zweige. „Hast du dir was gebrochen?“
 

„Ne-nein, ich glaube nicht.“, antwortete sie und … und war das das einzige, was in interessierte?! Während sie in einem regelrechten Steinkessel voller Knochen standen?!
 

Hastig rappelte sie sich endgültig auf und wischt sich angeekelt die Hände an ihrer zerrissenen Hose ab. Das war ja widerlich! Und, oh mein Gott, so viele Knochen… Sie breiteten sich um sie herum aus bis zu den senkrecht aufragenden Felswänden, Dutzende und Aberdutzende davon, blank und bleich und getaucht in das Rot des Lichts…
 

Lucy schloss die Augen und atmete tief ein und aus in der Hoffnung, dass die Übelkeit nicht Überhand nehmen würde und sie sich übergeben musste. Yukino zu ihren Füßen maunzte und strich um ihre Beine. Dann legte sich eine kräftige Hand auf ihre Schulter und drehte sie um, schob sie vor sich her. Lucy folgte der schweigenden Aufforderung und ließ sich zur Seite führen.
 

Unter ihren Füßen rutschten die Knochen leicht, wenn sie ihr Gewicht auf sie verlagerte, und wenn sie es sich ganz fest vorstellte, konnte sie weiterhin denken, dass es Äste waren… Nach einer Weile ging es wieder nach oben, sachte erst, aber dann immer stärker, so dass sie befürchtete, wieder das Gleichgewicht zu verlieren. Trotzdem wagte sie nicht, die Augen zu öffnen, und sie wünschte sich nur noch, dass dieser Albtraum nie begonnen hätte.
 

„Jetzt musst du wieder alleine weiter.“, bemerkte Rogue schließlich neben ihr und hielt inne.
 

Lucy blieb ebenfalls stehen und öffnete zögerlich die Augen. Sie hatten den Kessel hinter sich gelassen und wieder den halben Weg nach oben erklommen. Doch jetzt standen sie vor einigen hohen Stufen, auf die sie mit Händen und Füßen klettern mussten.
 

Yukino stand bereits auf dem Absatz vor ihnen und sah sich mit glänzenden Augen um. Wenigstens schien der Weg jetzt nicht mehr lang zu sein; die Festung erschien zum Greifen nahe.
 

Inzwischen hatte sich Lucys Magen wieder beruhigt und sie stellte erleichtert fest, dass die Knochen seltener gewesen waren und sie größtenteils über Steine und Tonscherben gingen. Sie ließ sich schweigend von Rogue auf die erste Stufe helfen und ging dann langsam zur nächsten, die glücklicherweise niedriger war.
 

Etwas entfernt erhob sich eine weitere Steilwand, die wirkte wie eine Reihe Palisaden. Eine Lücke dazwischen bot ihnen einen Weg nach draußen, gerade breit genug, damit sie hindurchschlüpfen konnten.
 

„Was machen all diese Knochen hier?“, wollte sie schließlich wissen, nachdem sie die Hälfte des Weges zur Wand hinter sich gebracht hatten. „Das sind Menschenknochen, richtig?“
 

Rogue nickte und hob gleichzeitig die Schultern „Sie laden hier ihren Müll ab.“, war die vage Antwort, die ihr im Grunde gar nichts sagte.
 

„Ja, aber woher all die Knochen?“, wiederholte sie.
 

Er sah sie einen Moment schweigend an. Dann wandte er sich ab. „Was tust du mit den Knochen, die von deinem Brathähnchen übrigbleiben?“
 

Lucys Kopf fuhr herum, so schnell, dass ihr Hals knackte. „Was?“, entfuhr es ihr, ihre Stimme nur ein Hauch. „Du-du meinst, sie ess…“ Das Wort blieb ihr im Hals stecken und ihre Übelkeit kam schlagartig zurück.
 

„Besser, du denkst nicht weiter darüber nach.“, erklärte er ihr und erklomm die nächste Stufe. Noch zwei und dann galt es, an der Wand vorbeizukommen.
 

„A-aber…“
 

„Es sind Hobgoblins. Bei weitem nicht das Schlimmste, das hier unten wohnt, aber sie haben ihre eigenen Tücken. Hier, nimm das.“ Er drückte ihr ihren Kampfstock in die Hand und sie verspürte Erleichterung, den inzwischen vertrauten Griff zu spüren. Was hätte sie getan, wenn er nicht daran gedacht hätte, ihn mitzunehmen…?
 

Rogue allerdings schien genug von ihrer Trödelei zu haben, denn er verlange ungeduldig: „Und jetzt komm, wir haben nicht mehr allzu viel Zeit.“
 

Lucy schluckte und beschloss, nicht zu fragen, ob Natsu dieses schreckliche Schicksal vielleicht schon ereilt haben konnte. Stattdessen folgte sie ihm mit raschen Schritten zu der Lücke zwischen den Palisaden und schob sich hinter ihn in den schmalen Gang. Er war nicht breit genug, dass sie gerade ausgehen konnte, sondern sich seitwärts vorwärtsschieben musste. Ihr Rücken rieb über den glatten Stein, trotzdem blieb ihr Pullover auch an der Vorderseite immer wieder hängen. Wenigstens ging es Rogue auch nicht viel besser als ihr. Er hatte zwar keinen solchen Vorbau wie sie, doch dadurch, dass er größer und breiter war, machte er es wieder wett. Einzig Yukino hatte keine Probleme und sie flitzte voraus.
 

Wenn jemand sie hier fand, wären sie tot, schoss es ihr durch den Kopf. Doch sie erinnerte sich an den Lärm, den sie bei ihrem Sturz vorhin verursacht hatte und ihr eigenes Geschrei, also war es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich hier viele von den Hobgoblins aufhielten. Kein Wunder, wer stöberte schon gerne durch seine eigene Müllhalde…?
 

Aber was, wenn sie hier stecken blieben? Würden sie dann elendig hier verhungern?! Und was würde mit Natsu passieren…? Lucy versuchte, sich auf ihre Schritte zu konzentrieren und weiterhin ruhig und gleichmäßig zu atmen. Sie verstärkte den Griff um das glatte Holz ihrer Waffe, die beruhigend schwer in ihrer Hand lag.
 

Als Yukino zurückkam und Rogue nach einem Moment erklärte: „Wir sind gleich da“, war es eine Erleichterung. Tatsächlich konnten sie nur ein paar Minuten später aus dem Einschnitt stolpern. Lucy atmete erleichtert auf und stützte sich auf die Felsen, die sich hier aus dem Boden erhoben.
 

Ein sanfter Hang führte das letzte Stück hinauf bis zu der Burg und es war gar nicht mehr weit und Lucy hätte am liebsten gejubelt, als sie sie sah. Jetzt erkannte sie auch, was so seltsam an dem Gebilde war. Es war nicht wirklich eine Festung. Es war wie ein Aufbau von riesigen, bräunlich roten Bauklötzen, die hohl waren und Eingänge hatten, die zu klein waren für Menschen.
 

Sie wirkten wie eine Mauer nach außen hin und schienen ein Geviert zu bilden. An zwei Stellen stapelten sie sich zu Türmen hoch, an anderen waren sie so niedrig, dass man sie mit etwas Anstrengung erklimmen konnte. Dennoch waren es die einzigen Gebäude aus Stein hier und es war wahrhaft einzigartig. Erleichtert atmete sie auf. „Endli-“
 

Rogues Hand legte sich grob auf ihren Mund und schnitt ihr das Wort ab. Den Kopf hatte er lauschend schief gelegt und Yukino saß mit gespitzten Ohren etwas entfernt. Ihr Schwanz zuckte unruhig hinter ihr durch die Luft. Angestrengt versuchte Lucy herauszufinden, was sie gehört hatten, doch außer dem fernen Lärm der Stadt und ein paar Geräuschen aus der Bauklotzfestung hörte sie nicht außer ihrem eigenen Atem.
 

Rogue ließ sie nach einem Moment wieder los und sie folgte seinem Wink und duckte sich mit ihm hinter einige der Felsen. Noch immer hörte sie nichts und sie fragte sich, ob sie nachhaken sollte – leise selbstverständlich.
 

„…dummes Vieh.“ Die Stimme war gefärbt von dem harten Akzent der Hobgoblins, auch wenn die Worte deutlich zu verstehen waren. „Wir haben gemacht, was deine Mistress uns aufgetragen hat.“
 

„Ihr wurdet dafür ja auch gut bezahlt.“, antwortete eine andere Stimme. Ihre Qualität war seltsam, gleichzeitig hoch und dunkel, mit einem rauen Tonfall und einer sauberen Aussprache.
 

„Aber es ist passiert, wie sie wollte.“, erklärte der erste wieder und einen Moment später ertönten endlich Schritte, die sich rasch näherten.
 

Lucy und Rogue wechselten einen Blick, dann spähten sie vorsichtig an den Felsen vorbei, hinter denen sie hockten. Das erste, was Lucy sah, war der Hobgolbin, der auf einem Trampelpfad dahinmarschierte. Er war genauso abstoßend wie jene, die sie auf dem Parkplatz überfallen hatten. Doch trotzdem erkannte sie den Unterschied auf den ersten Blick.
 

Er trug dunkle Felle und eine Kette von Rattenschädeln um den Hals. Auch in seinen Haaren steckten Knochen und in der Hand hielt er – ganz klischeehaft – einen Stock, auf dem ein menschlicher Schädel festgezurrt war. Federn und Perlen hingen an Lederbändern daran herab. Das musste einer von den Schamanen sein, die Rogue vorhin erwähnt hatte.
 

Seinen Gesprächspartner aber erkannte sie erst, als er erneut das Wort erhob. „Dafür hat sie ja auch selbst gesorgt!“
 

Zuerst hielt sie das kleine Wesen für eine sprechende Fledermaus, die neben dem Schamanen einher flog. Doch bald erkannte sie ihren Fehler, denn es hatte zusätzlich zu den Flügeln noch zwei Arme und schien vollkommen haarlos zu sein. Wie um diese Tatsache wettzumachen, trug es Kleidung aus Pelz – vielleicht den von Ratten? Von der Größe würde es jedenfalls passen – wie eine Fee aus den alten Geschichten.
 

Nur hatte es sonst nichts von jenen ätherischen, übernatürlichen Erscheinungen, die angeblich in Blumen lebten. Es flatterte neben dem Schamanen her und fuchtelte mit den Händen. „Sie hat euch alles gegeben, was ihr für den Sieg brauchtet! Und ihr konntet nicht einmal das tun!“ Es war niedlich auf eine garstige Art, wie ein verkrüppeltes Kätzchen, oder besser, wie die hässlichste Fledermaus der Welt. Dieser Vergleich war gar nicht so schlecht, denn zu dem Gesicht, das nahezu menschliche Züge besaß, hatte es riesige, spitze Ohren. „Habt ihr nicht zugehört? Die Mistress braucht das Mädchen. Das Mädchen! Was sollen wir mit dem Kerl anfangen?“
 

„Den dürfen wir behalten, hat sie gesagt!“, widersprach der Hobgoblin sofort empört.
 

„Ihr solltet uns auch das Mädchen bringen!“, ereiferte sich sein Gegenüber und wedelte mit winzigen Fäusten in der Luft herum.
 

„Ein Flederling.“, flüsterte Rogue und runzelte die Stirn. Yukinos Blick fixierte die kleine Kreatur und sie leckte sich mit einer kleinen, rosa Zunge über das Maul, als würde sie sich vorstellen, wie die kleine Kreatur wohl schmeckte.
 

„Sie reden über mich, oder?“, wagte Lucy zu fragen, aber die Information brachte sie seltsamerweise absolut nicht aus dem Takt. Vielleicht, weil alles so logisch war, sich zusammenfügte…
 

Rogue nickte.
 

„Wir haben es versucht.“, antwortete der Schamane und schlug mit einer Rückhand gegen die Fledermaus. Diese klatschte gegen den nächsten Stein und rutschte daran herunter wie ein Charakter in einem Cartoon.
 

Ebenso schnell erholte sie sich wieder und flatterte hinter dem Hobgoblin her. „Ihr könnt mit ihm machen, was ihr wollt. Aber weil ihr das Mädchen nicht gebracht habt, bekommt ihr die andere Belohnung nicht.“
 

Der Schamane starrte das kleine Ding aus zusammengekniffenen Augen an. Dann zuckte er mit den Schultern. „Das macht nichts. Er wird uns wohl bekommen.“
 

Der Flederling verzog angewidert das Gesicht. „Aber… Das Mädchen!“ Er ließ so niedergeschlagen die Arme hängen und bot ein solches Bild des Elends, dass Lucy ihn am liebsten getröstet hätte.
 

„Was genau ist das?“, wollte sie leise wissen und konnte die Belustigung bei dem Anblick nicht unterdrücken.
 

„Ein niederer Dämon.“
 

Halb überrascht, halb erschrocken starrte sie Rogue an. Diese lächerliche Gestalt, die sich jetzt darüber aufregte, der Mistress nicht die gewünschte Ware liefern zu können, war ein Dämon. „Die niederste Art von Dämon, um es genau zu sagen.“, verbesserte Rogue sich selbst. „Sie … sind sehr diensteifrig. Viele Magier und Hexer beschwören sie als Helfer in ihren Laboren.“
 

Inzwischen raufte der Flederling sich die Haare. „Was soll ich denn jetzt tun?“, jammerte er und warf sich in der Luft hin und her.
 

„Verschwinden.“, schlug der Schamane mit seiner groben Stimme vor. „Wir brauchen dich hier nicht mehr.“
 

„Aber… aber… die Mistress will ihre Ware haben!“
 

Der Hobgoblin lachte hämisch. „Nicht unser Problem. Wir haben ihr zumindest den Kerl vom Hals geschafft, den Rest kann sie ja wohl selbst erledigen.“
 

Der Winzling seufzte so schwer, dass er in der Luft taumelte. „Ach je…“ Dann richtete er sich plötzlich auf und deutete drohend mit dem Finger auf seinen Gesprächspartner. „Aber glaube ja nicht, dass die Mistress noch einmal Geschäfte mit euch macht!“
 

„Es war sowieso ein zu großes Risiko. An die Oberfläche gehen, pfffft!“
 

Der Flederling verzog knurrend das Gesicht, dann machte er abrupt kehrt und flatterte davon. Er war erstaunlich schnell, doch nicht schnell genug, um den Lärm zu überhören, der so plötzlich wie eine Explosion in der Bauklotzburg losbrach. Der Schamane wirbelte herum, doch auch Lucy und Rogue schreckten auf. Von dem Bau drangen Schreie zu ihnen herüber und etwas, das wie Kampfgeräusche drang….
 

Auch der Flederling hielt inne und drehte sich in die Richtung des Lärms um. Sein hämisches Grinsen war selbst aus der Entfernung nicht zu übersehen. Aber statt zurückzukommen, wandte er sich ab und flatterte davon – nun jedoch war sein Flug deutlich lebendiger und fröhlicher.
 

Lucy schüttelte den Kopf, während sie zusah, wie der Schamane hastig auf den nächsten Eingang in die Festung zurannte. „Natsu muss sich befreit haben.“, meinte Rogue trocken und plötzlich schlug ihr Herz bis zum Hals vor Aufregung.
 

Sie sprang auf. „Worauf warten wir noch, wir müssen ihm helfen!“ Ihren Stock fester packend rannte sie los. Sie wusste, einfach so loszustürmen ohne Plan, ohne Idee, was sie erwartete, ohne irgendetwas war absolut verrückt und übereilt und absolut nicht ihre Art. Aber sie konnte einfach nicht anders.
 

Natsu war da drin und er war allein gegen alle anderen und er brauchte ihre Hilfe! Allein das ließ sie keinen Moment zögern.
 

Doch mehr noch, endlich hatte sie eine Gelegenheit, selbst aktiv zu werden, konnte und würde aufhören, ein Spielball zu sein von Leuten mit Absichten, die sie nicht verstand, und Dingen, die ihr Angst machten. Erst würde sie diese Hobgoblins fertigmachen, die es gewagt hatten, sich mit ihnen anzulegen. Danach die ‚Mistress‘, wer auch immer sie war.
 

Sie hatten es alle darauf angelegt und jetzt würden sie den Preis dafür zahlen.
 

Der Schamane hörte sie kommen und wirbelte herum, aber sie hielt ihren Stock bereit und alles, was sie von ihm sehen konnte, war sein entsetztes Gesicht, als sie zuschlug. Ein abscheuliches Knirschen ertönte, doch sie hielt nicht inne, um die widerliche Kreatur fallen zu sehen.
 

Stattdessen stürmte sie einfach weiter, tauchte ein in den niedrigen Gang, der sie direkt durch die Gebäude führen musste. Lärm schlug ihr von vorne entgegen, Gebrüll und die Geräusche eines Kampfes. Das klang sehr danach, als würde Natsu gehörig austeilen! Sie konnte das rote Licht am anderen Ende sehen, doch sonst nur Schemen.
 

Einen Moment später rannte zwei weitere Hobgoblins über den Haufen, die ihr plötzlich im Weg standen. Sie stolperte heftig und fing sich gerade noch, in dem sie sich an der Wand abstürzte. Hinter ihr schimpften die überraschten Kreaturen in ihrer eigenen Sprache und rappelten sich wieder vom Boden hoch.
 

Lucy ließ ihnen nicht noch mehr Zeit, sondern fuhr herum und holte mit ihrem Stock aus, um wild auf sie einzuschlagen. Es war tatsächlich nicht anders, als einen Baseballschläger zu schwingen, stellte sie fest, nur dass der Aufprall völlig andere Geräusche erzeugte. Sie schickte die beiden Kreaturen zu Boden und fuhr herum. Nichts konnte sie aufhalten!
 

„… haltet endlich still, ihr Kotzbrocken!“, scholl es ihr entgegen, noch ehe sie den Ausgang erreicht hatte. Die Stimme war ihr so vertraut, dass sie unwillkürlich ein erleichtertes Lachen ausstieß, und so schmerzlich vermisst, dass ihr Herz plötzlich bis zu ihrem Hals schlug. „Verdammte Scheiße! Ihr kleinen Ratten wisst nicht, was gut für euch ist! Hey, du Sackgesicht!“
 

Nur wenige Augenblicke später stürmte sie in den Hof hinaus, der umgeben war von hohen Gebäuden. Eine einzige Lücke öffnete sich zu einem offenen Durchgang, durch den ein Weg in das Dorf hinunterführte. Im Moment herrschte totales Chaos, umgeworfene Kisten, deren Inhalt verstreut über dem Steinboden lag, verteilte Holzgestelle und sogar ein umgestürzter Karren.
 

Aus allen Richtungen strömten Hobgoblins herbei, die meisten von ihnen gewaffnet mit groben Klingen und Knüppeln, und sie trugen nur noch mehr zu dem Tohuwabohu bei. Trotzdem brauchte sie nur einen Moment um Natsu zu finden. Er stellte den Mittelpunkt des Tumults dar, was sie nicht verwunderte – nicht nur, dass er der Fremdkörper hier war, auch hatte er so eine Art an sich, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und Aufruhr zu verursachen.
 

Er hatte sich bewaffnet mit etwas, das aussah wie die Überreste eines Gitters und drosch damit auf die niedrigen Köpfe seiner Feinde ein. Sie umschwärmten ihn wie eine Gruppe besonders aufdringlicher und aggressiver Kinder, die zudem außergewöhnlich hässlich waren. Doch wenn er einen fällte, schienen zwei an dessen Stelle zu treten. Noch behielt er die Oberhand, doch wie lange würde er gegen diese Übermacht ankommen?
 

Schon jetzt trieben sie ihn zurück, Schritt für Schritt, auch wenn er nach wie vor mit Elan auf sie eindrosch, so dass Stücke seiner improvisierten Waffe in alle Richtungen davonflogen. Sein lautes Gefluche schallte über den Hof, doch es ging beinahe in dem Geschrei seiner Feinde unter, die sich ebenfalls nicht zurückhielten und ihre schrillen Stimmen schmerzten in den Ohren.
 

Ansonsten schien es ihm gut zu gehen und Lucy konnte für einen Moment nur starren, während wilde Erleichterung sie durchflutete. Er wirkte unverletzt, tatsächlich sogar sehr energetisch und das wilde Grinsen in seinem Gesicht zeigte, dass er noch lange nicht aufgegeben hatte.
 

Lucy riss sich aus der Starre. „Natsu!“
 

Ihr Ruf durchschnitt den Lärm und sein Kopf ruckte herum. Seine Augen weiteten sich überrascht und er öffnete den Mund zu einer Antwort, aber stattdessen bewegte er ihn nur stumm, so dass er ein wenig aussah wie ein Fisch.
 

Einen Moment später sprang ein Hobgoblin auf seinen Rücken und Natsu fuhr mit einem Aufschrei herum und schlug nach dem Gesicht des Angreifers. Der Schwung und die Attacke warfen die Kreatur von ihm, so dass sie in der Mitte ihrer Kameraden fiel und einige mit sich zu Boden riss.
 

Die Restlichen wandten sich jetzt auch dem neuen Feind zu und drangen auf Lucy ein. Diese schrak zurück, der plötzliche Ansturm dieser Menge an Gegnern war zu überraschend, zu plötzlich. Auf der anderen Seite fühlte sie sich übergedreht und aufgeregt, als sie ihren Kampfstock hob und dann zuschlug.
 

„Lucy!“, konnte sie Natsu hören und sie warf einen Blick zu ihm. Er kam langsam auf sie zu, als würde er durch Morast waten, ständig behindert von den Feinden, und seine Augen leuchteten. Das Grinsen auf seinem Gesicht war breiter geworden und sie konnte die offensichtliche Freude sehen, die ihr Anblick in ihm hervorrief.
 

Allein das…

Allein das genügte ihr, um all die Strapazen ein weiteres Mal auf sich zu nehmen, selbst der Anblick von nackten Trollen.
 

Doch jetzt hatten sie sich um diese widerlichen, kleinen Monster zu kümmern, die so taten, als hätten sie noch eine Chance. Wild entschlossen ließ sie ihren Kampfstock durch die Luft sausen. Nur selten ging er in die Leere, obwohl sie kaum darauf achtete, wohin sie schlug – unter anderem deswegen, weil es einfach so viele waren. Sie hielten ihre Klingen und Knüppel, doch sie schienen keine großen Handwerker zu sein, denn die meisten der langen Messer waren rostig und stumpf, und sie waren nicht übermäßig stark, was ihre Treffer weniger gefährlich machte.
 

Auch hatte Lucy keinerlei Skrupel, mit aller Kraft auszuteilen. Diese widerlichen, abscheulichen Monster hatten sie angegriffen und hatten ihr Natsu genommen und jetzt durften sie nicht annehmen, dass sie irgendwie Mitleid mit ihnen haben würde! Sie bekamen all ihren Zorn, ihre Angst und ihre aufgestauten Gefühle zu spüren, die sie in ihre Angriffe legen konnte.
 

Vor ihrem Stock hatten die Hobgoblins ebenfalls Respekt, so dass sie nicht so eifrig waren, auf sie einzudringen als auf Natsu. Lucy hatte den starken Verdacht, dass es an den magischen Eigenschaften ihrer Waffe lag, nicht an ihr selbst, aber sie nahm, was sie kriegen konnte.
 

„Was tust du hier?!“, verlangte Natsu zu wissen, als sie nur noch zwei, drei Meter voneinander getrennt waren.
 

„Ich versuche, dich zu befreien!“, antwortete sie und ließ ihren Schläger auf einen grünen Schädel niedersausen. Dessen Besitzer ging sofort zu Boden und rührte sich nicht mehr.
 

„Darüber bin ich dir sehr dankbar! Aber wie kommst du überhaupt hierher?“
 

„Oh, ich hatte Hilfe.“, versicherte sie ihm. Hilfe, die im Moment nicht sonderlich hilfreich war… Wo steckte Rogue überhaupt? War er ihr denn nicht gefolgt…? Sie könnten hier durchaus noch etwas Unterstützung gebrauchen!
 

Einen Moment später stand sie Rücken an Rücken mit Natsu, was ihnen ein wenig Luft verschaffte. Sie wollte lachen und weinen gleichzeitig durch das Wissen, dass er wieder neben ihr stand.
 

Die Hobgoblins wichen zurück, bildeten einen Kreis um sie und fuchtelten schrill kreischend mit ihren Waffen, doch sie wagten sich nicht näher. Ihre Reihen hatten sich sichtbar gelichtet und es kamen auch nicht noch mehr von ihnen angerannt. Ob das ganze Dorf hier versammelt war?
 

Überall im Hof lagen kleine Körper verteilt. Trotz ihrer vorherigen Gedanken hoffte Lucy, dass sie alle noch lebten – sie wollte ihnen eine Lektion erteilen, nicht sie alle umbringen! Auf der anderen Seite… Sie dachte an die Knochen, über die sie vorhin geklettert war, und den Schädel, auf den sie beinahe gestürzt war, und fragte sich, wie viele Leute ihre Lieben vermissten, nur wegen diesen Ungeheuern, und plötzlich war es ihr egal.
 

„Achtung!“ Natsu packte sie und riss sie zur Seite, während direkt neben ihnen etwas explodierte. Unwillkürlich schrie sie auf und kniff die Augen zusammen. Der Aufschlag war hart und eine Welle von Hitze rollte über sie hinweg, während ein Regen aus Kieseln und Erde auf sie niederging.
 

Verdutzt öffnete sie wieder die Augen und starrte direkt in Natsus Gesicht, der unter ihr lag. Er grinste sie an. „Hi.“ Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt und sie konnte seinen Atem auf der Haut spüren.
 

„H-hi.“, stotterte sie, wohlwissen, wie klischeehaft diese Situation war und dass sie sich wirklich bewegen sollte. Doch für einen Moment war sie so erleichtert, ihn spüren zu können, die absolute Versicherung, dass es ihm gut ging, dass er lebendig war und nicht einmal allzu stark verletzt, dass sie nichts anderes tun konnte, als ihn anzustarren. Am liebsten hätte sie sich einfach zu ihm hinuntergebeugt, die wenigen Zentimeter überbrückt, und ihn geküsst.
 

Stattdessen schlug neben ihnen erneut etwas im Boden ein, das sie nur als fliegenden Feuerball bezeichnen konnte. Seine Hitze nahm ihr den Atem und er warf Erde und kleine Steine auf, die auf sie niederregneten.
 

„Pass doch auf!“, herrschte sie in die Richtung, aus der das magische Geschoss gekommen war, und sie schüttelte ihre Faust. Eine Gruppe Hobgoblins stand auf einem der niedrigeren Dächer und sie trugen Felle, Rattenschädel und Stäbe wie der Schamane, den sie vorhin niedergeschlagen hatte. Zwischen zwei von ihnen bildete sich erneut ein flammender Ball, größer und heller als der vorherige, und die Hobgoblins um sie herum brachen in gehässiges Gelächter aus.
 

Den Bruchteil einer Sekunde später schnellte das magische Geschoss auf sie zu und sie schrie unwillkürlich auf. „Oh, scheiße!“, fluchte Natsu und schlang einen Arm um sie, um sie mit sich zu ziehen, als er sich herumrollte, sie mit seinem eigenen Körper zu schützen, während sie nicht einmal den Blick von dem Geschoss reißen konnte.
 

Dann war auf einmal Rogue da und sein schwarzes Schwert beschrieb einen weiten Bogen in der Luft. Es zerteilte den Feuerball in zwei Hälften, der sich daraufhin in Rauch auflöste und knisternd verschwand. Die Stille, die sich daraufhin über den Hof ausbreitete, war beinahe unheimlich.
 

„Huh?“, machte Natsu und blickte auf. „Ach so…“, machte er, als er Rogue entdeckte, und rappelte sich auf, Lucy mit sich ziehend.
 

„Da-danke…“, murmelte diese, doch sie bekam nur einen finsteren Blick von dem Schwarzhaarigen geschenkt. „Das nächste Mal rennst du gefälligst nicht einfach so los!“
 

Sie lächelte entschuldigend und hob die Schultern, aber sie fühlte kein Bedauern über ihre Handlungen. Müsste sie es noch einmal tun, würde sie es genau so wieder tun. Yukino strich um ihre Beine und maunzte leise, ehe sie neben Rogue trat. Eigentlich sollte es lächerlich scheinen, eine Katze, die sich an einem solchen Kampf beteiligen wollte. Stattdessen wirkte sie wie jemand, mit dem man rechnen musste.
 

Um sie herum begannen die Hobgoblins zu zischen und zu flüstern, ein grummelndes Summen, das die Luft erfüllte, und ihre Aufmerksamkeit wieder auf die herrschende Situation lenkte. Noch hatten sie keine Zeit zum Ausruhen und sie richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Schamanen.
 

Natsu allerdings schien das nicht zu merken. „Ist das der Soultaker?“, wollte er neugierig wissen und starrte das Schwert intensiv an.
 

Rogue stieß ein zustimmendes Brummen aus und richtete die schwarze Klinge auf die Schamanen.
 

Soultaker?“, wiederholte Lucy; der Name klang sehr bedrohlich – und sehr passend für diese finstere Klinge.
 

„Es ist ein Todesschwert und…“
 

„Du kannst ihr das später erzählen.“, unterbrach Rogue Natsu grob. „Lasst uns von hier verschwinden.“ Er richtete seinen kühlen Blick auf die Schamanen und bewegte leicht sein Schwert. „Wollt ihr es wirklich riskieren?“, rief er ihnen zu und Natsus Finger schlossen sich um Lucys Handgelenk.
 

„Komm.“, zischte er ihr zu und schob sie auf den breiten Durchgang zwischen den Häusern zu. Die Hobgoblins teilten sich vor ihnen und ließen sie durch. Rogue folgte ihnen rückwärtsgehend, die Klinge noch immer drohend erhoben. Diese Warnung schien zu wirken, denn keines der Ungeheuer machte eine Bewegung, um sie aufzuhalten.
 

„Warte!“, unterbrach Natsu ihren Rückzug plötzlich.
 

„Was?“, wollte Lucy verdutzt und erschrocken wissen. Hatten sie etwas vergessen? Übersehen? Würden die Feinde doch noch angreifen und sie überwältigen mit ihrer schieren Übermacht…!?
 

Doch er eilte nur zu einer Kiste, die neben der Tür stand und holte einige Dinge daraus hervor. Sein Handy, erkannte sie, und ein paar andere Dinge, die sie ihm offensichtlich abgenommen hatten. Dann kehrte er an ihre Seite zurück, ein zufriedenes Grinsen im Gesicht.
 

Rogue wirkte wenig beeindruckt von dem Umweg und schenkte Natsu einen missbilligenden Blick.
 

„Was? Ich hab keine Lust dazu, alle Nummern neu einzuspeichern!“, verteidigte der sich. „Außerdem sind da ein paar Bilder drauf, die ich noch brauche!“
 

„Los jetzt.“, antwortete der Schwarzhaarige ohne weiter darauf einzugehen und sie verließen die Festung endgültig und unter den feindseligen Blicken von Dutzenden kleiner, grüner Ungeheuer.
 

„Da geht’s lang!“ Natsu zeigte den Pfad hinunter zu einem Loch in der Höhlenwand, weg von dem Dorf. Er machte sich ohne zu zögern auf den Weg, doch nach einem Moment überholte Yukino ihn. Lucy schloss sich ihnen an, während Rogue das Schlusslicht bildete, das Schwert noch immer auf die Feinde gerichtet. Die Hobgoblins ließen sie ziehen, wütend und frustriert, aber offensichtlich wussten sie, was das Beste für sie war.
 

Nur wenige Augenblicke später tauchten die Menschen in den Tunnel ein und folgten dem oft bewanderten Pfad, der steil nach oben führte. Offensichtlich benutzten diese Ungeheuer ihn ziemlich oft, vielleicht um ihre Vorratskammern aufzufüllen. Lucy schauderte bei dem Gedanken und verbot sich jede weitere Abschweifung in diese Richtung.
 

Stattdessen richtete sie ihren Blick nach vorne und konzentrierte sich auf das Gehen und Natsu, der vor ihr marschierte, seine kräftigen, geschmeidigen Bewegungen und die Blicke, die er ihr über die Schulter zuwarf, als müsste er sich immer wieder vergewissern, dass sie tatsächlich hier war.
 

Sie konnte nicht anders, sie musste ihm jedes Mal ein Lächeln zuwerfen, müde, aber glücklich.
 

Jetzt, nachdem alle Aufregung vorbei war, fühlte sie sich erschöpft und zerschlagen, alles tat ihr weh und sie wollte nur noch in ihr Bett kriechen und eine ganze Woche lang schlafen. Nach einem ausgiebigen Bad selbstverständlich! Stattdessen musste sie erstmal aus dieser eigenen Welt unter der, die ihr so vertraut war, herausfinden und einen steilen Weg erklimmen, der ihr viel weiter erschien, als er tatsächlich war.
 

Als eine schwere, metallene Tür in Sicht kam, deren Anblick Natsu unwillkürlich schneller gehen ließ, waren ihre Schritte nur noch schleppend, sie konnte sie kaum mehr heben und ihr Magen fühlte sich an wie ein Loch.
 

Vor ihr schob Natsu unter einiger Anstrengung die Tür auf. Frisches Morgenlicht drang ihnen entgegen und Lucy atmete erleichtert auf. Endlich wieder Tageslicht!
 


 

7. In The Light Of Day
 

Lucys Augen brauchten einige Momente, ehe sie sich an das helle Morgenlicht gewöhnten, als sie auf die Straße taumelte, so dass sie sie geblendet zusammenkniff. Blind stolperte sie einige Stufen hinunter und dann ein paar Schritte zur Seite, so dass ihre Begleiter den Tunnel hinter ihr verlassen konnten.
 

Für einen Moment blieb sie so stehen und atmete tief die klare, kalte Luft ein, fühlte die schwache Herbstsonne auf der Haut und ließ die vertrauten Geräusche der Stadt auf sich wirken. Eine andere Welt, das war es.
 

Underland war so anders und fremdartig, dass es auf der einen Seite faszinierend war – und auf der anderen so furchteinflößend, dass sie daran erzitterte allein bei dem Gedanken, noch einmal dort hinuntergehen zu müssen, trotz ihrer Neugierde und ihrem Interesse. Erleichterung durchflutete sie, als sie hörte, wie sich die Tür mit einem lauten Klicken schloss. Dieser Weg jedenfalls war ihnen verschlossen.
 

Hier draußen war es so ganz anders, die Luft wirkte frischer, trotz dem Stadtmief, das Licht freundlicher, auch wenn es sie blendete, und der Lärm weniger nervenaufreibend, auch wenn nur ein paar Straßen weiter Sirenengeheul ertönte. Sie zuckte zusammen, als Natsus Handy bimmelte, weil er eine Reihe von Nachrichten bekam.
 

Ihren Schläger auf die Schulter legend öffnete sie endlich blinzelnd die Augen und drehte sich zu ihm um. Er stand, eine Hand in der Hosentasche, am Fuße einer Treppe, die zu einer einfachen Industrietür hinaufführte. Sie war in eine fensterlose Wand aus Klinkersteinen eingelassen und hatte nicht einmal eine Klinke. Ein paar Meter entfernt stand ein großer Müllcontainer neben einer zweiten Hintertür, die sich allerdings auch von außen öffnen ließ. Der Straßenbelag war offensichtlich schon öfter aufgerissen worden und uneben, so dass sich Wasser an mehreren Stellen sammelte.
 

„Siehst du, ich sagte doch, so ist es praktischer.“, triumphierte Natsu in Rogues Richtung, doch der zog nur skeptisch eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. Dieses Argument schien bei ihm nicht ganz zu ziehen.
 

Der Detektiv kramte derweil sein Handy aus der Hosentasche, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Er sah ziemlich mitgenommen aus, seine Kleidung zerrissen und verschmutzt, mit Dreck in den Haaren und ein paar Schrammen an Gesicht und Händen. Doch all das schien er überhaupt nicht zu bemerken und er wirkte guter Dinge, als sei er nicht gerade von einer Horde grüner Winzlinge gefangen gehalten worden, die ihn zum Frühstück verspeist hätten, wenn sie ihm nicht zur Hilfe geeilt wären.
 

Lucy wollte einfach nur zu ihm gehen, ihm um den Hals fallen und überprüfen, ob es ihm auch wirklich gut ging. Doch sie tat nichts dergleichen, das wäre nicht angebracht gewesen, außerdem tat ihr gerade jede Bewegung weh.
 

„Die sind von Cana.“, erklärte er, während er die App öffnete. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich von amüsiert zu verwirrt zu stirnrunzelnd. Dann blickte er Rogue finster an, den das nicht sonderlich zu beeindrucken schien. „Ich soll Sting ausrichten, dass sie nicht mehr sein Laufbursche spielen wird. Das nächste Mal soll er seinen faulen Arsch hochkriegen und selbst durch die Stadt hetzen. Warum tut dein Hexer so, als wäre meine Sekretärin seine? Und warum ist er eigentlich nicht mitgekommen?“
 

„Er hatte etwas Wichtiges zu tun.“, warf Lucy von der Seite ein. Sie war noch immer ein bisschen verschnupft, dass Sting nicht einmal von seinem bescheuerten Sofa aufgestanden war. Na gut, am Ende hatten sie ihn gar nicht gebraucht, aber es ging hier um das Prinzip!
 

„Frag ihn das selbst.“, antwortete Rogue kühl und beachtete Lucys Bemerkung nicht einmal.
 

„Als ob ich freiwillig in seine Nähe gehe.“, knurrte Natsu und steckte sich sein Handy wieder in die Tasche zurück. „Wo sind wir hier überhaupt?“ Er schaute sich um und auch Lucy ließ ihren Blick kurz über ihre Umgebung wandern.
 

Es war eine kleine, schmale Gasse, auf die nur Hintertüren und Feuertreppen führten. Etwas entfernt stand ein zweiter Müllcontainer und knapp dahinter bog die Gasse scharf ums Eck, vermutlich zur richtigen Straße hinüber. Hoffentlich war das nicht der hinterste Winkel des Industrieviertels, sonst würden sie ewig brauchen, bis sie eine Bushaltestelle erreichten!
 

„In der Nähe des Ogerbrunnens.“, erklärte Rogue, als wäre er jeden Tag hier. „Es gibt hier sogar einen Bus, der direkt zum Einkaufszentrum fährt.“
 

Der Ogerbrunnen hieß nicht wirklich so – er war das Ergebnis eines missglückten Versuchs, das alte Fabrikviertel etwas aufzumöbeln und schöner zu machen, als die Stadt es gentrifiziert hatte. Der Brunnen hatte ein Blickfang sein sollen, der Mittelpunkt des Bezirks und des Lebens der Anwohner. Es hatte sogar einen Designwettbewerb gegeben, aber warum man ausgerechnet den hässlichsten Entwurf umgesetzt hatte, wusste niemand. Jedenfalls sah das Ding auch von seiner besten Seite sehr missglückt aus, eben wie ein Oger.
 

„Was sollen wir beim Einkaufszentrum?“, fragte Natsu verdutzt und Lucy verzog schuldbewusst das Gesicht.
 

„Wir haben den Mustang dort stehen lassen.“, erklärte sie und tastete nach dem Schlüssel in ihrer Hosentasche, den sie zum Glück nicht während ihres kleinen Abenteuers unter Magnolia verloren hatte. Jetzt zog sie ihn heraus, um ihn Natsu zu reichen, der sie entsetzt anstarrte.
 

Er schnappte sich den Schlüssel und wirbelte zu Rogue herum, um ihm mit dem Zeigefinger hart gegen die Brust zu tippen. „Ich hoffe für dich, dass er absolut keinen Kratzer abbekommen hat!“
 

Ärgerlich schlug der Schwarzhaarige seine Hand weg. „Er wird es schon überlebt haben.“ Ehe Natsu antworten konnte, maunzte Yukino plötzlich alarmiert und hüpfte mit einem Satz von Rogues Schulter. Sie sauste in vollem Tempo die Gasse entlang und verschwand um die Ecke, ohne langsamer zu werden. Als sie die Kurve nahm, schlitterte sie sogar ein Stück.
 

„Was hat sie denn?“, fragte Lucy verwirrt und Rogue stieß einen Fluch aus und stürmte hinter der Katze her.
 

Lucy wechselte einen Blick mit Natsu, doch der konnte nur verdutzt die Schultern heben. Also folgten sie Rogue im Laufschritt und bogen beinahe gleichzeitig mit ihm um die Ecke. Lucy erkannte sofort, was Yukino so aufgeschreckt hatte, denn nur wenige Meter entfernt lehnte Sting an der Wand und stützte sich mit einer Hand ab.
 

Er sah aus, als wäre er den ganzen Weg vom Bahnhof hierher gerannt. Sein Atem ging schwer und Schweiß glänzte auf seinem Gesicht, so dass seine Haare an seiner Stirn klebten. Minerva stand neben ihm, einen Hunderucksack umgeschnallt, und blickte ihn besorgt an. Yukino war auf ihren Rücken gesprungen und maunzte aufgeregt.
 

Etwa fünfzig Meter weiter mündete die dunkle Gasse in eine größere Straße. Menschen spazierten an der Mündung vorbei, das Heck eines geparkten Wagens glänzte im Sonnenlicht und Autos rollten durch das Blickfeld. Doch dafür hatte Lucy keinen Sinn, ihr Blick irrte sofort wieder zu Sting zurück.
 

Er sah fürchterlich aus, seine Haut wirkte ungesund bleich und er zitterte am ganzen Körper. Einen Moment später gaben seine Beine nach, doch Rogue war da, ehe er auf dem Boden aufschlug. Er fing seinen Freund mit einer geübten Bewegung auf, um ihn im Brautstil hochzuheben, während Stings Kopf auf seine Schulter fiel. „Ich hab doch gesagt, dass du keine Dummheiten machen sollst?“, wollte der Schwarzhaarige wissen und in seiner Stimme schwang ein besorgter Unterton mit.
 

Natsu trat natürlich sofort in das offensichtliche Fettnäpfchen. „Was ist denn mit dir los, strengt das lange Sitzen dich so sehr an, dass du keinen kleinen Spaziergang mehr machen kannst?“
 

Lucy warf ihm einen gereizten Blick zu. Sie wusste zwar auch nicht, was los war, aber eines war sicher, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Doch unter Natsus Grinsen konnte Lucy die besorgte Verwirrung erkennen; vermutlich hatte er die Spitze nur aus reiner Gewohnheit abgefeuert.
 

Sting hob die Hand und zeigte ihm den Mittelfinger, doch sein Arm zitterte so stark, dass die Geste kaum zu erkennen war. Er hob nicht einmal den Kopf, um Natsu anzusehen.
 

Rogue seufzte. „Es ist ein Fluch. Yukino, würdest du…?“ Die Katze sprang sofort mit einem Satz auf Stings Bauch, wo sie sich hinlegte, den Blick starr auf sein Gesicht gerichtet.
 

Lucy verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust, plötzlich war ihr kalt. Sting stand unter einem Fluch…? Es war offensichtlich etwas völlig anderes als der Todesfluch und sie fragte sich, was für Auswirkungen er tatsächlich hatte und was es erforderte, ihn zu brechen.
 

„Ein Fluch?“, wollte Natsu neben ihr verdutzt wissen. „Was denn für ein Fluch?“ Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, dass er nicht einmal davon geahnt hatte.
 

„Geht dich einen Scheiß an.“, fauchte Sting, doch selbst das klang kraftlos und matt. Yukino maunzte ärgerlich und schlug ihm mit der Pfote gegen das Kinn, doch Lucy kam nicht umhin zu bemerken, wie sanft die Geste war.
 

„Na hör mal, wenn du in diesem Zustand hier aufkreuzt, dann stelle ich nun mal Fragen.“, verteidigte Natsu sich beleidigt. „Ich mache mir nur Sorgen.“
 

Yukino reckte den Kopf und presste ihn gegen Stings Wange und einen Moment später kehrte Farbe in sein Gesicht zurück. Das Zittern in seinen Händen ebbte ab und verschwand schließlich gänzlich und er atmete wieder freier und ruhiger. Die Katze dagegen wirkte plötzlich sehr schwach und als Rogue seinen Partner auf die Füße stellte, rutschte sie schlaff herab, so dass Sting sie auffangen musste.
 

Er presste für einen Moment sein Gesicht in ihr weiches Fell. „Du bist die Beste.“, murmelte er so leise, dass Lucy ihn kaum verstand. Das war vermutlich auch seine Absicht, aber Natsu hatte jetzt keine Geduld dafür. „Kriegen wir jetzt auch nochmal eine Erklärung?“
 

Sting zeigte ihm erneut den Mittelfinger und grinste herablassend. Dass Rogue ihn noch immer stützte, schien ihn dabei nicht zu stören. Der Schwarzhaarige sah missmutig zu dem Hund hinüber. „Warum hast du ihn gehen lassen?“
 

Minerva antwortete mit einem bösen Blick, als wollte sie sagen Versuch du mal, den Idioten aufzuhalten, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat! Dann wandte sie sich hoheitsvoll ab und trottete die Straße hinunter.
 

Als Natsu erneut den Mund öffnen wollte, schlug Lucy ihm leicht auf den Arm und erhob selbst das Wort: „Ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich wäre auch interessiert an einer Erklärung. Ich meine, ihr habt uns geholfen. Außerdem… Was genau bringt dich überhaupt hierher, wenn du … so beeinträchtigt bist?“
 

Sting starrte sie einen Moment schweigend an, dann wandte er sich ab. „Müssen wir das ausgerechnet hier besprechen? In der Nähe ist ein Café, ich habe Hunger.“ Damit setzte er sich in Bewegung und Rogue fiel neben ihm in Schritt. Er stützte den Hexer immer noch, aber die beiden hatten genug Übung darin, so dass es so aussah, als wären sie nur sehr vertraut miteinander.
 

„Gute Idee!“, stimmte Natsu sofort begeistert zu und sein Magen grummelte wie auf Kommando so laut, dass selbst Minerva den Kopf wandte.
 

Lucy schnaubte nur und bildete das Schlusslicht. Nicht nur, dass ihr Kopf noch immer von den Ereignissen der vergangenen Nacht schwirrte, diese Enthüllung brachte sie zum Nachdenken. Sie war gespannt auf die Erklärung, die sie für all das bekommen würden, egal, wie mager sie ausfallen würde. Wenn man bedachte, mit wem sie es hier zu tun hatten, würde sie vermutlich nicht sehr umfangreich sein, doch ein weiterer Blick hinter die enigmatische Fassade, die der arrogante Hexenmeister um sich herum aufgebaut hatte, war ihr willkommen.
 

Automatisch schaute sie auf und zu den beiden hinüber, während sie ihnen langsamer folgte. Rogues Arm lag beschützend und besitzergreifend zugleich um die Hüften des Hexers, der sich vertrauensvoll gegen ihn lehnte. Sting war kleiner als sein Freund, bemerkte Lucy, wenn auch nur um ein paar Zentimeter. Seine Schritte waren noch immer unsicher und schleppend und plötzlich wirkte er weniger überlebensgroß und bedrohlich als noch am Abend zuvor.
 

Die Erkenntnis, dass er, trotz all seinem Getue und dem selbstsicheren, herablassenden Auftreten, auch nur ein Mensch war, ein Mensch, dem offensichtlich übel mitgespielt wurde, ließ ihre Abneigung gegen ihn schwächer werden. Es war gestern noch so einfach gewesen, Sting zu verabscheuen, aber jetzt, da sie zusehen konnte, wie er mit jedem Meter schwächer wurde, machte das schwierig.
 

Natsu schien es offensichtlich ähnlich zu gehen, doch seine gerunzelte Stirn und sein finsteres Gesicht zeigten, dass er damit absolut nicht einverstanden war. Vielleicht konnte er es auch gar nicht zuordnen.
 

Als sie auf die Straße hinaustraten, brauchte Lucy nur zwei Momente, um das Café zu finden, das Sting gemeint hatte, ein winziges Lokal mit vier Tischen und acht Stühlen davor. Auf einmal wurde Lucy sich wieder bewusst, wie mitgenommen sie und Natsu aussahen und auch Rogues Mantel hatte bessere Tage gesehen. Ihre zerrissene Kleidung, der Dreck und die Schrammen in ihren Gesichtern, noch dazu die Bewaffnung, ließen sie unwillkürlich schneller gehen, während ihre Wangen heiß wurden. Sie richtete den Blick starr auf den Boden und weigerte sich, die Passanten anzusehen.
 

Es waren erstaunlich viele Leute unterwegs, dafür, dass es später Morgen an einem normalen Arbeitstag war. Oder vielleicht kam ihr das auch nur so vor, denn normalerweise war auch sie zu einer solchen Zeit nicht unterwegs, obwohl ihr Terminplan anders aussah als der der meisten anderen Leute. Auf jeden Fall wollte sie so schnell wie möglich aus diesem Getümmel heraus!
 

Eine leise Glocke bimmelte, als sie in das Café betraten, das innen genauso gemütlich aussah, wie es von außen gewirkt hatte, und tiefer war, als Lucy erwartet hatte. Die Möbel teilten sich in winzige, verschnörkelte Metalltische mit dazu passenden Stühlen und Polstersitzgruppen auf. Pflanzen und dezente Trennwände, die zumindest den Anschein von Privatsphäre geben sollten, rundeten das Bild ab, gemeinsam mit Gemälden an den Wänden.
 

Im hinteren Teil des Ladens, unter einem hellen, freundlichen Licht, befand sich die Theke, unter deren Glas sich köstliche Kuchen, feine Gebäckstücke und belegte Bagel aufreihten. Die Backsteinwände dahinter waren zum großen Teil mit einer Tafel verdeckt, die mit geschwungener Schrift die Angebote und Empfehlungen des Tages anpries. Eine Tür führte in die Küche, aus der gerade eine junge Frau trat, die ein großes Tablett voll mit frischen Muffins trug.
 

„Herzlich Willkommen im Little Pearl!“, begrüßte sie sie herzlich. „Bitte suchen Sie sich einen Tisch aus, ich bin gleich bei Ihnen!“
 

Rogue bugsierte Sting auf einen Platz in der Ecke zu, von dem aus sie einen guten Blick über das Restaurant und auf die Straße hatten. Draußen vor dem Fenster parkte Minerva sich direkt davor wie ein lebendiger Schutzwall und starrte jeden böse an, der ihr zu nahe kam. Doch darüber brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, denn die Leute wichen ihr ganz automatisch aus, als würde ein irgendein schlauer Urinstinkt ihnen sagen, dass mit der großen Hündin nicht zu spaßen war.
 

Lucy ließ sich Sting gegenüber auf den Stuhl fallen und griff nach einer der Speisekarten, die in der Mitte des Tisches in einem Ständer steckten. Inzwischen fühlte sich auch ihr Magen an wie ein Loch – kein Wunder, seit dem Abendessen im Snake And Rose hatte sie keinen Bissen mehr zu sich genommen, war aber kilometerweit gelaufen, vor Trollen weggerannt, durch eine kleine Schlucht geklettert und hatte einen Haufen grüner Ungeheuer verprügelt. Da durfte man sich schon mal ein großzügiges Frühstück können.
 

Außerdem half die Überlegung ihr, sich von den Schmerzen abzulenken, die ihr jetzt immer bewusster wurden. Bei ihrer Tour durch Underland, ihrem Sturz in den Knochenkessel und vor allem dem Kampf hatte sie einiges abgekriegt. Wie sollte sie den Tag nur überleben, ohne sich wimmernd auf dem Bett zusammenzurollen? Und wie zum Teufel sollte sie heute Abend eine gute Figur auf dem Laufsteg abgeben, wenn sie so zerschrammt war?!
 

Wenn sie nachher zuhause war, musste sie sich den Schaden mal genauer anschauen. Aber was, wenn sie nicht alles mit Schminke würde überdecken können…? Sie seufzte und konzentrierte sich wieder auf die Beschreibung des Künstlerfrühstücks. Eins nach dem anderen.
 

„Ihr zwei seht aus, als hätte man euch durch die Mangel gedreht.“, bemerkte Sting unverfroren, als würde er nicht in seiner Ecke der kleinen Bank hängen wie ein Sack Kartoffeln. Er hielt Yukino noch immer in den Armen und strich mit ruhigen Bewegungen durch ihr flauschiges Fell. Die Katze sah jetzt schon wieder besser aus und genoss die Fürsorge in vollen Zügen.
 

„Du hast gut reden.“, antwortete Lucy. „Pass nur auf, dass du nicht von der Bank rutschst.“
 

„Fass dir an deine eigene Nase.“, murrte Natsu und warf seine Speisekarte auf den Tisch zurück. „Was hast du eigentlich mit deiner armen Katze angestellt? Sie sieht aus, als wü-“
 

„Halt die Fresse.“, fauchte Sting feindselig, die Augenbrauen zusammengezogen. Er zog Yukino schützend näher an sich. „Sie hat sich dazu entschieden mir zu helfen, weil sie der beste Familiar der Welt ist, und dich geht das einen Scheißdreck an.“
 

„Sting.“, ermahnte Rogue ihn und streckte seine Hand nach dessen Bein aus. Der Hexer funkelte ihn einen Moment an, dann entspannte er sich wieder. Trotzdem warf er Natsu einen weiteren bösen Blick zu, um auch klar zu verdeutlichen, dass Yukino gefälligst mit Respekt zu behandeln war. Der hob nur abwehrend die Hände und reckte den Kopf um nach der Bedienung zu sehen, die mit eiligen Bewegungen die Muffins verstaute.
 

„Ein Familiar?“, entschlüpfte es Lucy neugierig und trotz allem kam sie nicht umhin, interessiert zu sein. Wenn das hier alles vorbei war, dann würde sie sich mit Levy hinsetzen und diverse Themen lang und breit besprechen! So wie sie ihre beste Freundin kannte, würde sie einiges über diverse Themen wissen.
 

Yukino maunzte leise und Sting nickte. „Was dachtest du, das sie ist?“ Er rollte die Augen und musterte sie kurz mit einem Stirnrunzeln. „Also gut, ich fühl mich heute großzügig. Selbst dir gegenüber.“ Er warf Natsu einen scheelen Blick zu und drapierte Yukino auf seinem Schoß, die sich dort zusammenrollte.
 

Dann hob er die Hände zu einer Geste, die Lucy bereits kannte, hatte er diesen Zauber auch letzte Nacht an ihr angewandt. Erneut rutschten ihr die Gebärden durch, obwohl sie aufpasste, doch das warme Gefühl und der Energieschub, der durch ihren Körper schoss, ließen sie mit einem Schlag besser fühlen. Sie konnte geradezu fühlen, wie diverse Schrammen sich schlossen und blaue Flecke verschwanden.
 

„Du hilfst mir damit echt aus einer dummen Lage raus.“, gestand sie und fragte sich, ob sie kurz auf dem Klo verschwinden sollte, um sich frisch zu machen. „Danke.“
 

Natsu starrte Sting misstrauisch an, der jedoch nur grinste. „Keine Sorge, ist völlig kostenlos. Diesmal.“
 

„Hah.“, murmelte Natsu, aber Lucy schlug ihm auf den Arm. „Sag einfach ‚Danke‘.“, befahl sie ihm, während Sting erneut seinen Zauber durchging. Es war seltsam, seine Wirkung von außen zu sehen, wie Natsu plötzlich wie von einer unsichtbaren Hand gehalten aufgerichtet wurde, wie sich Schmisse und Kratzer einfach schlossen und selbst die Hautfarbe frischer und gesünder wirkte.
 

„Ihr solltet euch aber bald ausruhen. Das verschafft euch nur etwas Zeit und ist kein Ersatz für Essen und Schlaf.“, bemerkte Sting und endlich kam die Kellnerin zu ihnen herüber.
 

Sie musterte die verdreckte Gesellschaft für einen Moment und die Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Trotzdem fragte sie lebhaft: „Was kann ich euch Gutes bringen? Unser heutiges Angebot i-“
 

„Das klassische Frühstück mit allen Extras, zwei boscoanische Bagel, drei Croissants und einen Kaffee, schwarz.“, unterbrach Sting sie ohne Umschweife und es war irgendwie erleichternd zu sehen, dass er nicht nur Lucy gegenüber so unhöflich war.
 

Die Kellnerin jedenfalls warf ihm einen pikierten Blick zu, doch Natsu platzte schon mit seiner eigenen Bestellung heraus, die nicht weniger umfangreich war. Nachdem sie auch Lucys und Rogues aufgenommen hatte, verschwand die junge Frau wieder in Richtung Tresen und kaum war sie außer Hörweite, da wandte Natsu sich schon an den Hexer. „Und? Was hat es jetzt … damit auf sich?“
 

Er machte eine Geste in Stings Richtung und Lucy hätte sich am liebsten gegen die Stirn geschlagen. So völlig ohne Taktgefühl vorzupreschen, das musste man erst einmal können. War wohl ein besonderes Talent
 

„Es ist ein Fluch.“, antwortete Sting kühl.
 

„Kannst du ihn nicht einfach brechen? Ich meine, sowas ist dein Job…?“
 

„Denkst du, das hätte ich nicht schon versucht?“, brauste der Blonde auf und erneut war es Rogue, der ihn beruhigte. Die beiden wechselten einen Blick; Rogue zog eine Augenbraue hoch und Sting wandte sich beleidigt ab, um aus dem Fenster zu starren. Seine rechte Hand wanderte dabei ganz automatisch zu dem linken Handgelenk, um es zu umfassen. Der nervöse Tick war Lucy schon öfter aufgefallen, aber jetzt brachte es etwas in ihrem Verstand dazu, aufzuhorchen.
 

Währenddessen wandte Rogue sich an Natsu. „Das hat vorher noch niemand geschafft.“, erklärte er sachlich. „Der Fluch nennt sich ganz einfach Schwächefluch. Wenn der Verwünschte aufsteht und körperlich etwas tut, nimmt seine Kraft rapide ab. Auf diese Weise ist er sehr eingeschränkt und…“
 

„… unfähig, sehr viel mehr zu tun als auf einem Sofa herumzusitzen.“, vollendete Lucy den Satz und sie nickte bedächtig. Sting zuckte bei ihren Worten zusammen und eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.
 

Lucy bemühte sich, ihn nicht weiter zu beachten, sondern sich erst auf die kalten, harten Fakten zu konzentrieren. Außerdem wollte er ganz sicher kein Mitleid. Vermutlich würde er sie verfluchen, wenn sie auch nur etwas in diese Richtung andeuten würde. Aber mit diesen neuen Informationen fielen einige Dinge an ihren Platz und nach und nach kristallisierte sich etwas Größeres, Ganzes heraus. Etwas, das am Rand ihres Verstandes kratzte, seit sie Sting begegnet war, etwas, das sie schon die ganze Zeit gestört hatte, wenn auch nur unbewusst – etwas, das gerade deutlicher wurde, sie musste nur Geduld haben.
 

„Wen hast du angepisst?“, wollte Natsu wissen und spielte mit dem Rand der Speisekarte. „Außer halt jeden, mit dem du sprichst?“
 

„Das geht dich einen Scheiß an.“, knurrte Sting und sein Blick huschte kurz zu Rogue. Dessen Gesicht war wie versteinert, aber er blickte noch finsterer drein als sonst. Dann erhob er sich plötzlich und marschierte nach draußen, seine Schritte laut auf dem Steinboden.
 

Der Hexer richtete sich wieder auf und legte die Hände auf den Tisch. Seine Finger waren fest ineinander verschränkt, als wollte er sie zwanghaft stillhalten. „Du weißt schon viel zu viel über all das.“
 

„Als ob ich so viel über dich wissen will. So interessant bist du auch wieder nicht.“ Natsu lehnte sich zurück, er grinste leicht, doch sein Blick wirkte nachdenklich, als er sein Gegenüber taxierte. „Wie lange läuft das schon?“
 

Sting verdrehte die Augen. „Ein paar Jahre. Hast du jetzt genug von diesem Thema oder willst du deine Nase noch weiter in fremde Angelegenheiten stecken?“ Es schien ihm unangenehm zu sein, so im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen. Oder nein, nicht er, der Fluch, der ihn zu einem Pflegefall gemacht hatte, schwach und verletzlich und so eingeschränkt, dass er gerade mal allein aufs Klo gehen konnte. Das kleine Gespräch zwischen Rogue und Sting am letzten Abend kam ihr in den Sinn, das zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn gemacht hatte. Jetzt konnte sie es in einem anderen Licht sehen und es hatte so viel mehr Bedeutung.
 

„Ist das der Grund, warum Cana für dich durch die Stadt gehetzt ist und Rogue ständig als dein Laufbursche herhalten muss?“, stichelte Natsu weiter. „Sie hat sich übrigens beschwert.“
 

Sting zuckte mit den Schultern. „Manchmal frage ich mich, wo du warst, als das Hirn verteilt wurde.“
 

„Offensichtlich am gleichen Ort wie du.“, schoss Natsu zurück und Lucy schüttelte den Kopf. Die beiden würden wohl nie mit dieser Feindseligkeit aufhören!
 

Rogue war es, der den aufkommenden Streit unterbrach, in dem er zurückkam, Minervas Rucksack in der Hand. Er ließ sich wieder neben dem Hexer nieder. „Alles klar?“, wollte er von Sting wissen, doch der nahm nur Yukino hoch und nickte. „Was sollte schon sein?“ Die Katze maunzte und rieb ihren Kopf an Stings Wange, dessen Mundwinkel zu einem leisen Lächeln nach oben zuckten.
 

Lucy fragte sich, wie sehr dieser Fluch die Vier einschränkte, Sting und Rogue und ihr Tiere, die keine Tiere waren. Vor allem Sting. Sie mussten ihr gesamtes Leben danach ausrichten, konnten nicht mehr tun, ohne ihn mit einzubeziehen. Es war sicher nicht einfach, den ganzen Tag irgendwo sitzend zu vollbringen und sei der Ort noch so schön. Nicht einfach aufstehen und weggehen zu können, nicht mehr rennen, sich nicht mehr in der Stadt mit Freunden treffen, nicht shoppen, der Job fiel auch weg und in den Urlaub fahren erst recht. Der Bahnhof musste Sting wie ein Gefängnis vorkommen. Oder nicht der Bahnhof, sein eigener Körper. Das musste schrecklich sein und…
 

Oh mein Gott, schoss es ihr durch den Kopf, als sich die unterbewusste Erkenntnis endlich einfand. Plötzlich machte alles einen Sinn, kleine Details nur, aber vielsagend; Gesten, Gebärden, Blicke… Alles fügte sich zusammen und in ihrem Kopf machte es endlich Klick!, als hätte sie nur noch dieses eine Puzzleteil gebraucht, um das größere Bild zu sehen.
 

Die Worte fielen ungebeten aus ihrem Mund. „Ist das der Grund, warum du versucht hast, dich umzubringen?“
 

Sting starrte sie an, als hätte sie ihn geschlagen, sein Gesicht plötzlich aschfahl. Endlich hatte sie ihn einmal getroffen, aber sie verspürte keinen Triumph darüber. Nicht, wenn es um dieses Thema ging, das so schmerzlich persönlich war.
 

Aber nicht nur Sting war überrascht über ihre Worte, Natsu starrte sie mit offenem Mund an und Rogues Hand hatte sich wie automatisch um den Griff seines Katana geschlungen, als müsste er sich daran festhalten. Oder als wollte er es ziehen.
 

Lucy schlug sich die Hand vor den Mund. Das hatte sie nicht laut sagen wollen! Stings Gesichtsausdruck sagte ihr, dass sie mit ihrer Aussage den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Aber wie konnte sie nicht? Sie kannte die Zeichen – Stings Blick, Rogues Gesten, Worte, die gefallen waren, Stings nervöser Tick mit seinen Armbändern…
 

Sie selbst kannte diese Gesten und Blicke bereits. Seit Layla an ihrem persönlichen Tiefpunkt angelangt war und sich im großen Badezimmer der Heartphilia-Villa die Pulsadern aufgeschnitten hatte, trug sie in der Regel Handschuhe oder, wenn es besonders heiß war, feine Stulpen aus Spitze, die die auffälligen und vor allem vielsagenden Narben verbargen. Stings Lederarmbänder mochten als magische Hilfsmittel doppeln, aber sie waren nichts weiter als Tarnung für seine eigenen Narben.
 

„Ich…“, begann Lucy. „Ich… Es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahetreten! Ich hätte das nicht sagen sollen! Du…“
 

„Du hast wirklich…“, unterbrach Natsu und er wirkte noch immer so überrascht von der Enthüllung. Lucy boxte ihm in die Seite, doch er starrte noch immer mit offenem Mund auf den Hexer. Sting antwortete gar nicht; er hielt Yukino zu eng an die Brust gedrückt und versuchte noch immer, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Sein Blick und seine gesamte Haltung waren abwehrend und gleichzeitig so verletzlich.
 

„Aber du…!“, begann Natsu erneut. Er schien es offensichtlich nicht begreifen zu können.
 

„Sei still.“ Rogues Stimme war eiskalt und Natsus Kopf ruckte herum, um jetzt ihn anzustarren. Lucy suchte, endlich die richtigen Worte zu finden, um ihren unbedachten Satz wieder aus dem Weg zu räumen oder zumindest abzulenken. Das war nur ihre Schuld, sie hätte niemals ein so persönliches und offensichtlich noch immer nicht verwundenes Ereignis ansprechen dürfen.
 

Natsus Stimme klang empört und gleichzeitig betroffen, als er sich verteidigte: „Hey, ihr werft mir hier solche Brocken vor und erwartet da-“
 

Er würde irgendetwas Unbedachtes sagen, Lucy wusste es, also griff sie einfach nach dem Ersten, was ihr in den Sinn kam: „Warum bist du eigentlich hergekommen, wenn das so unpraktisch für dich ist?“ Es war ihr egal, ob der Anfang ihres Satzes in Natsus Worten unterging, aber so verstand man ihn wenigstens ebenfalls nicht. „Ich meine, das ist doch ein ganzes Stück von deiner Wohnung entfernt.“
 

Sting starrte sie an, seine blauen Augen weit aufgerissen, einen gehetzten Ausdruck im Gesicht. Ihr tat es leid, in einer noch offenen Wunde herumgestochert zu haben, doch das ließ sich jetzt nicht zurücknehmen.
 

Die Kellnerin war es, die sie alle aus der Situation rettete. Sie trug ein großes Tablett mit vollen Tellern und Tassen, aus denen es dampfte, zu ihrem Tisch herüber. Sie lächelte freundlich und begann, das Mitgebrachte zu verteilen. „Tut mir leid, dass es so lang gedauert hat, aber in der Küche sind wir gerade etwas unterbesetzt. Ich hoffe, es ist zu Ihrer Zufriedenheit.“
 

Die vier Gäste blickten sie nur stumm an und ihr gutgelaunter Gesichtsausdruck wackelte, insbesondere, als ihr Blick auf das Katana fiel, das Rogue gegen seinen Stuhl gelehnt hatte, und dann auf Lucys mit Runen beschrifteter Kampfstock. Trotzdem versuchte sie es weiter: „Falls sie noch etwas benötigen, ich bin natürlich da. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!“
 

„Danke!“, antwortete Natsu automatisch, schon viel enthusiastischer als vorhin. Er brauchte nur einen Moment, um sich zu entscheiden, mit was er beginnen sollte, was bei dem vor ihm ausgebreiteten Angebot. Lucy verstand ja, dass er Hunger hatte, aber war das nicht doch ein wenig viel?
 

Sie wandte sich ab; Natsus Liebe für Essen war wohl etwas, mit dem sie leben musste. Stattdessen wandte sie sich ihrem eigenen Brötchen zu und schnitt es auf, um es mit dick Butter und Honig zu bestreichen. In der Regel achtete sie streng darauf, was sie aß, für ihren Job musste sie immerhin gut aussehen. Aber Ausnahmen machten diese Regel aushaltbar und letzte Nacht war anstrengend genug gewesen.
 

Rogue griff zuerst nach seinem Kaffee und rührte Zucker hinein, während Yukino vorwitzig ihr Näschen über den Tischrand schob. Ihre Ohren zuckten und ihre Augen huschte vom Schinken zum Lachs, als könnte sie sich nicht entscheiden, was sie zuerst wollte.
 

Sting dagegen starrte nur auf sein ebenfalls reichhaltiges Essen, bis Rogue ihn anstieß. „Iss.“
 

Der Blonde warf ihm einen finsteren Blick zu, dann griff er nach einem Bagel und schlang ihn mit drei Bissen hinunter. „Was?!“, raunzte er Lucy an, als er ihren Blick bemerkte. „Das hilft, dem Fluch entgegen zu wirken.“
 

„Du isst sogar schneller als Natsu.“, brachte sie heraus.
 

„Gar nicht wahr!“, protestierte der sofort und stopfte sich ein halbes Brötchen in den Mund. „Schieschu?“
 

„Du musst mir das nicht sofort beweisen!“
 

„Das ist nur, weil du deinen halben Bissen wieder über dem Tisch verteilst.“, stichelte Sting mit einem Grinsen und teilte den Lachs in zwei Hälften, damit sein Familiar auch etwas davon abbekam.
 

„Schu bisch ja nu neinisch!“, nuschelte Natsu um sein Brötchen herum und Lucy hob die Hand, um sich den Blick darauf zu versperren. „Könntest du bitte erst fertig essen?“
 

„Alte Hunde lernen keine neuen Tricks mehr.“, spottete Sting. „Manieren wird der niemals lernen.“ Damit biss er in sein Brötchen.
 

„Als ob du besser wärest!“, fauchte Natsu zurück, der zwischendurch glücklicherweise geschluckt hatte.
 

„Könnt ihr bitte mal aufhören, euch wie kleine Kinder zu benehmen?“, raunzte Rogue dazwischen. „Haben wir hier nicht etwas Wichtigeres zu besprechen?“ Er warf Sting einen auffordernden Blick zu, der mit einem Seufzen seine Mahlzeit weglegte und eine ungeduldige Bewegung in Richtung der Tasche machte.
 

Nachdem er geschluckt hatte, erklärte er Lucy: „Wer auch immer hinter all dem steckt, ist nicht hinter deinem Job her, Tittenwunder.“ Er kramte in seiner Tasche herum und zog einen Hefter daraus hervor.
 

„Wie meinen?“, wollte sie stirnrunzelnd wissen. „Dann ist es ein reiner Zufall, dass gerade wir herausgesucht wurden?“
 

Er warf ihr einen Blick zu, als würde er sie für verblödet halten. „Natürlich nicht.“ Nachdem er die Mitte des Tisches leergeräumt hatte, legte er die Akte aufgeschlagen an die Stelle. Die oberste Seite zeigte eine Karte von Magnolia, in die einige Markierungen eingetragen waren. Markierungen, die sie am letzten Abend schon gesehen, aber in ihrer Angst um Natsu ignoriert hatte, wie Lucy sehr schnell bemerkte.
 

Jetzt bei Tageslicht, mit Natsu sicher neben ihr, fielen ihr vertraute Details auf und die Lage der Kreuze wirkten seltsam auf sie, bis sie die Karte in ihre Richtung drehte und erkannte: das waren die Orte, an denen Nalshe, DeZille und Riko umgebracht worden waren. Zusätzlich jedoch prangte ein viertes Kreuz in einer auserlesenen Wohnanlage in der Nähe des Kardiaparks. Ihr Blick haftete für einen Moment darauf, dann sah sie zu Sting auf.
 

„Der Zauber erfordert Opfer in einem bestimmten Abstand.“, erklärte dieser, seine Stimme sachlich, während er in einer zweiten Akte blätterte. „Eine Unterbrechung hätte bedeutet, wieder von neuem anfangen zu müssen. Anscheinend wollte die Täterin das nicht und hat sich statt Lucy einfach ein anderes Opfer gesucht.“ Damit zog Sting einige mit einem normalen Drucker gefertigte Fotos heraus.
 

Sie zeigten ein professionell geschmackvoll eingerichtetes Apartment, doch auf dem Perser in der Mitte des Raumes lag eine Leiche. Blut war gegen die Wände und sogar die Decke gespritzt und der Teppich hatte sich damit vollgesogen. Die Frau war wunderschön und starrte mit gebrochenem Blick zum Fotographen, den Schädel eingeschlagen, offensichtlich mit der schweren Statuette, die daneben lag.
 

Lucy kannte sie. „Reisha!“
 

Sie schluckte bei der Erkenntnis. Auf der Gala war sie noch dabei gewesen, zu dem Zeitpunkt, als Lucy hätte sterben sollen. Aber am nächsten Tag bei der Besprechung hatte sie gefehlt… Weil sie bereits tot gewesen war, der Ersatz für das Opfer, das davongekommen war.
 

Der Ersatz für Lucy.
 

Ihre Finger verkrampften sich um das Papier und plötzlich war sie wütend. Wer auch immer das gewesen war, er würde dafür bezahlen! Sie würde dafür sorgen, dass er seine kranken Ziele nicht erreichte, wie auch immer die aussahen! Und wenn sie dafür sterben musste!
 

„Hast du dafür meine Sekretärin gebraucht?“, fragte Natsu und der Hexer nickte. „Sie hat mir erst die Akten von den anderen besorgt und ist dann in dem Apartment von dieser eingebrochen.“
 

„Du hast Cana an den Schauplatz eines Mordes geschickt?!“, verlangte Natsu zu wissen, seine Stimme wütend.
 

„Keine Sorge, niemand wird je herausfinden, dass sie da war. Sie ist mir dafür auch fast an die Kehle gesprungen.“ Sting schien nicht zu wissen, was das Problem war, aber Lucy konnte es Natsu nicht verübeln, dass er sauer war.
 

„Darum geht es nicht! Du kannst doch nicht einfach-!“
 

„Was hätte ich tun sollen, selber gehen?!“, fauchte Sting zurück und Natsu schnappte den Mund zu. Er antwortete nicht, aber seine Augen funkelten noch immer wütend.
 

Lucy atmete tief ein und fragte: „Um was geht es denn jetzt? Und wie bist du überhaupt darauf gekommen, ich dachte, du wärest an etwas Wichtigem dran.“
 

Sting rollte die Augen. „War ich auch. Seit ein paar Wochen sind einige seltsame Energien in Magnolia aktiv und weil ich nicht viel mehr zu tun habe als auf einem Sofa herumzusitzen, bin ich dem nachgegangen und gestern hab ich herausgefunden, worum es geht. Irgendwer beschwört einen Höheren Dämon.“
 

Rogue richtete sich abrupt auf und Natsu keuchte entsetzt.
 

Lucy blinzelte. Das klang nicht gut, aber ihr fehlte offensichtlich einiges an Wissen, um die Gefahr richtig einzuschätzen. „Und für die ganz Dummen…?“
 

„Ein Höherer Dämon ist so ziemlich das Schlimmste, was es gibt.“, erklärte Rogue. „Sie sind Kreaturen der Tiefe, Monster aus einer Dimension, die einen Menschen in den Wahnsinn treiben würde. All die Geschichten über den Teufel…? Ein Höherer Dämon, dem der vollständige Eintritt in unsere Welt gelungen ist. Sie hinterlassen Tod und Zerstörung, wenn du Glück hast, und unendliches Leid. Sie bringen die Grundfesten der Welt ins Schwanken. Was sie wollen, was ihr Interesse an uns ist, warum sie sind, wer sie sind, und tun, was sie tun, kann sich uns nicht erschließen – sie sind zu fremd, zu alt, zu unmenschlich. Auf jeden Fall würde das Erscheinen einer solchen Kreatur zu Chaos führen und absolutem Krieg.“
 

„Der Teufel…?“, wiederholte Lucy, als sei dies das einzige, was sie von Rogues kleiner Rede mitgenommen hatte. Doch seine Worte hatten ihr einen Schauer über den Rücken gejagt und sie wollte sich das Grauen gar nicht vorstellen, das folgen würde, falls der Höhere Dämon tatsächlich herbeigerufen wurde. Das durfte auf keinen Fall geschehen…
 

„Vermutlich ist es einer von denen, die hübsche, junge Frauen zum Opfer wollen.“, warf Sting ein und lenkte ihre Aufmerksamkeit damit ab. Noch konnten sie es verhindern, dass die Beschwörung vervollständigt wurde! „Je schöner, desto besser. Darum wurden Models benutzt, die gerade für eine Coverposition ausgewählt wurden. Außer die letzte, die ist halt gelegen gekommen.“
 

„Wie viele Opfer fehlen noch?“, erkundigte sich Natsu.
 

„Eines, nehme ich an, aber genau kann ich es nicht sagen. Ich weiß auch nicht, welcher Dämon es sein wird oder dergleichen. Das letzte Opfer wird mit einem bestimmten Ritual direkt an den Dämon übergeben, anders als die Tode der anderen. Aber heute ist Halloween. Allerheiligen. Oder Samhain, wie es früher genannt wurde. Auf jeden Fall ist es die Nacht, in der die Grenzen zwischen den Dimensionen am Dünnsten sind und darum die Nacht, in der eine solche Beschwörung am einfachsten durchzuführen ist.“ Nachdenklich stopfte Sting sich die Reste seines Brötchens in den Mund.
 

Wie konnte er – oder Natsu, wenn Lucy es sich recht überlegte, der gerade darüber zu grübeln schien, womit er am besten weitermachte – jetzt noch etwas essen? Ihr selbst war der Hunger spätestens bei den Tatortfotos vergangen.
 

„Aber warum sollte jemand so etwas überhaupt tun, wenn es nur Schlechtes bewirkt?“, wollte sie wissen und runzelte die Stirn. Was für einen Sinn würde eine solche Beschwörung machen, wenn nichts anderes als Schlechtes davon entspringen konnte?
 

„Manche Dämonologen spielen mit diesen Kräften, weil sie sie nicht verstehen.“, erklärte Rogue, der in seiner Tasse rührte. „Die Verlockung ist sehr groß; sie glauben, mit der Macht eines Höheren Dämons so gut wie alles vollbringen zu können. Vielleicht wollen sie die Welt auch einfach nur brennen sehen. Oder sie werden verleitet.“
 

„Verleitet?“
 

Rogue zuckte mit den Schultern. „Es gib viele Wege, jemanden in sein Verderben zu locken, und gerade bei Leuten, die sich mit Dämonen einlassen, ist dies leicht. Traue keinem Dämon und nichts, das mit ihnen zu tun hast.“
 

„Hey, hast du jemals einen Dämon beschworen?“, wollte Natsu aus heiterem Himmel wissen und warf einen Blick zu dem Hexer hinüber. „Viele Magiebegabte haben doch ein paar von ihnen als Helfer?“ Dass Sting so etwas in seiner Lage gut gebrauchen könnte, hin ungesagt zwischen ihnen.
 

„Nein. Ich habe von meinem Lehrer nur die Theorie gelernt, niemals eine echte Beschwörung durchgeführt.“ Sting zuckte mit den Schultern. „Master Jiemma verachtet Dämonologen. Rogue ist auch nicht so ein Freund davon.“
 

Der Exorzist schnaubte belustigt. Das ging wohl mit seiner Jobbeschreibung einher…
 

Sting teilte ein Croissant in zwei Hälften und rupfte es in kleine Stücke. „Um zurück zum Thema zu kommen – ich denke nicht, dass es diese Jenny ist, die dahintersteckt. Die Opfer müssen alle in einem bestimmten räumlichen Umkreis zueinander stattfinden und sie befindet sich im Moment in Dawn City. Es wäre zwar möglich, noch rechtzeitig herzukommen, aber das Risiko ist zu groß, dass es aus irgendeinem Grund doch nicht klappt.“
 

„Aber unsere Beweise…“, begann Lucy, doch Natsu unterbrach sie: „…wurden ihr untergeschoben. Das hab ich mir schon fast gedacht.“
 

„Ach ja?“
 

„Es kam mir ein bisschen sehr einfach vor.“
 

„Aber wer käme dann in Frage. Mirajane? Warum sollte sie so etwas tun?“
 

„Um ihre Schwester zu finden vielleicht? Rache für den Mord an ihren Eltern zu üben?“
 

„Aber wäre ein Höherer Dämon da nicht etwas zu viel des Guten? Ich meine, es gäbe doch bestimmt auch kleinere Kaliber, die sowas trotzdem hinkriegen würden?“
 

„Auch wieder wahr…“ Grübelnd wandte Natsu sich ab. „Auf der anderen Seite wissen wir nicht, was ihre Eltern umgebracht hat oder wohin ihre Schwester verschwunden ist.“
 

„Es wird jemand aus deinem Umkreis sein, wegen der Insiderinfos. Allerdings könnt ihr eure Suche jetzt auch auf den Rest der Belegschaft ausweiten, nicht nur auf die Models.“, warf Sting ein.
 

„Auf jeden Fall ist es eine magiebegabte Frau.“, bemerkte Rogue. „Erinnere dich an den Flederling.“ Auf Stings fragenden Blick erklärte er kurz von dem belauschten Gespräch im Hobgoblindorf.
 

Eine steile Falte erschien auf Natsus Stirn. „Das klingt, als hätte die Dämonologin noch nicht aufgegeben, dich als Opfer zu benutzen.“ In seiner Stimme klang ein zorniger Unterton mit.
 

„Ist ja nicht so, als ob Miss Tittenwunder hier eine schlechte Wahl dafür wäre.“, bemerkte Sting.
 

Lucy funkelte ihn an. „Würdest du bitte aufhören, mich so zu nennen?!“
 

Sting grinste sie nur an. „Was? Ich sag nur die Wahrheit. Dämonen stehen auf dicke Ti-“
 

„Sting.“, unterbrach Rogue ihn.
 

„Jaja.“, winkte der Angesprochene ab, doch er sagte nichts weiter. Stattdessen wandte er sich an Natsu: „Sorg dafür, dass ihr nichts geschieht, ansonsten haben wir hier ein viel größeres Problem als ihren Tod.“
 

„Na, danke…“ Lucy verzog das Gesicht, aber sie protestierte nicht weiter. Irgendwie hatte er ja recht.
 

„Lass sie nur aus den Augen, wenn du weißt, dass sie sicher ist.“, bekräftigte Rogue noch einmal.
 

„Aber das hilft uns auch nicht weiter bei der Suche nach der richtigen Täterin.“, wies Lucy auf.
 

„Vielleicht reicht es einfach, wenn du die Nacht überlebst?“, murmelte Sting. Dann gähnte er ausgiebig und zog gleichzeitig etwas aus der Tasche.
 

„Aber sie wird wieder auf jemand anderen ausweichen, wenn sie Lucy nicht zu fassen kriegt.“, wandte Natsu ein. „Und auf dieser Show heute Abend treiben sich genug Models herum, um ein Opfer zu erwischen, das den Anforderungen entspricht.“ Er raufte sich die Haare und Lucy realisierte verspätet, dass sie plötzlich ein Zeitlimit hatten. Aber was konnten sie tun?
 

„Hier.“ Sting warf ihr etwas über den Tisch hinweg zu, doch es landete auf halbem Wege zwischen ihnen in einem Stück Butter. Das Gesicht verziehend nahm sie es auf und erkannte einen bronzenen Anhänger an einem Lederband. Es war klein, rund und neben fremdartigen Symbolen war auch ein Pentagramm darauf abgebildet, das in eine Fibonaccispirale überging. Mit einer Serviette wischte sie die Reste der Butter weg und blickte fragend auf.
 

„Ein Amulett, das dich vor einem weiteren Todesfluch und solchen Späßen schützen sollte.“, erklärte Sting. „Wobei ich nicht davon ausgehe, dass es noch einmal dazu kommt.“
 

„Oh… äh… Danke.“, stotterte sie und hängte es sich um. Dann fiel ihr etwas ein. „Das Buch!“, platzte es aus ihr heraus. „Das Zauberbuch aus Jennys Garderobe.“ Natsu starrte sie einen Moment verständnislos an, dann zeichnete sich Erkennen auf seinem Gesicht ab.
 

„Es muss ja irgendwoher kommen und Zauberbücher werden sicher nicht in einem normalen Laden verkauft!“, triumphierte Lucy.
 

„Und die Dämonolgin wird sicher nicht ihr eigenes verwendet haben! Daher musste sicher rasch ein anderes her.“, spann Natsu den Faden aufgeregt weiter. „Daran kann ich ansetzen. Ich werde bei De Cybele vorbeischauen und herausfinden, ob es von ihm stammt. Es sei denn, ihr seid uns eine Hilfe.“
 

Damit blickte er den Hexer und den Exorzisten an, die von der Idee allerdings nicht sehr begeistert schienen. „Nein.“, antwortete Rogue knapp und Sting gähnte erneut. „Ich muss schlafen. Ihr übrigens auch. Dieser Zauber von vorhin wird irgendwann verschwinden und dann crasht ihr. Ihr solltet das vorbeugen und eine Mütze Schlaf nachholen.“
 

„Fein…“, murmelte Natsu. „Wenn ihr nichts zur Rettung der Menschheit beitragen wollt…“
 

„De Cybele?“, wiederholte Lucy. „Ist das nicht der Typ, mit dem Mirajane schon Kontakt hatte?“
 

Natsu nickte. „Er ist der wichtigste Händler für alles Magische in Magnolia. Im Grunde ist er der einzige. Wir werden schon aus ihm herauskriegen, wem er dieses Buch verkauft hat.“
 

„Ich muss zur Halloweenshow.“, erinnerte Lucy. „Ich kann das nicht einfach sausen lassen.“
 

Einen Moment schwieg Natsu, dann nickte er: „Okay, wir machen das so. Wir fahren jetzt heim und schlafen eine Runde. Danach lade ich dich bei der Twilight Hall ab. Die sollte gut genug bewacht sein und dort wimmelt es von Leuten und Security ist sicher auch anwesend. Du wirst dich stets in Begleitung von anderen Leuten aufhalten, auf diese Weise kann die Dämonologin dich nicht einfach so entführen. Denk einfach daran, dass jeder dahinterstecken könnte!“
 

Lucy nickte. „Ich werde ganz sicher nicht riskieren, Opfer für einen Dämon zu werden, ob Höherer oder nicht.“, erklärte sie. Sie blickte zu Sting hinüber, dessen Kopf inzwischen auf Rogues Schulter lag. Er schien kaum mehr die Augen offen halten zu können. „Wie lange müssen wir uns ausruhen?“
 

„Schlaft einfach ein paar Stunden, sechs oder mehr und esst noch etwas. Sollte reichen bis zu deiner Show, wir haben erst acht Uhr.“
 

„Okay…“, murmelte Lucy und runzelte die Stirn. Es kam sehr ungelegen, dass sie jetzt erstmal eine so lange Pause einlegen mussten. Auf der anderen Seite brauchte sie einen Platz, wo sie zur Ruhe kommen und die Ereignisse der Nacht verarbeiten konnte. Und wer wusste das schon, vielleicht kamen ihnen weitere Erkenntnisse bezüglich der Dämonologin, wenn die Informationen sich gesetzt hatten?
 

„Worauf warten wir dann noch?“, wollte Natsu wissen und stopfte sich den letzten Rest des letzten Brötchens in den Mund. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Er sprang auf und marschierte zum Tresen hinüber, um zu bezahlen.
 

Rogue zog ein Handy aus dem Hunderucksack und bestellte ein Taxi, wie sich bald herausstellte. Dann packte er die Unterlagen wieder ein, während Sting beinahe an Ort und Stelle einschlief.
 

„Wir müssen noch den Mustang abholen.“, sagte Lucy zu Natsu, als dieser zurückkam. „Aber anscheinend gibt es eine Buslinie, die direkt zum Einkaufszentrum führt.“
 

Der Detektiv warf einen finsteren Blick zu Sting. „Ich hoffe wirklich für euch, dass meinem Auto nichts passiert ist.“, grummelte er, doch der Hexer grinste nur. Zu mehr schien er nicht mehr in der Lage zu sein. Er sah zwar nicht so völlig erschöpft aus wie zu ihrer Begegnung in der Gasse, aber dafür schlichtweg todmüde. Yukino auf seinem Schoß schlief bereits.
 

Sie verließen das Café, als das Taxi draußen vorfuhr. Rogue half Sting beim Einsteigen und Minerva kletterte hinter ihm auf den Rücksitz, etwas, was dem Taxifahrer nicht ganz zu passen schien. Dann kam der Schwarzhaarige noch einmal zurück.
 

„So…“, begann Natsu. „Wir halten euch auf dem Laufenden.“
 

Doch Rogue zuckte nur mit den Schultern. „Tu, was du nicht lassen kannst. Du kennst unsere Preise. Nur noch eine Sache.“ Er blickte von dem Detektiv zu Lucy und wieder zurück.
 

„Ja?“, wollte sie wissen.
 

Rouges Gesicht war beherrscht und seine Stimme völlig ruhig, aber ernst. „Wenn ihr etwas über den Fluch erzählt… Wenn auch nur eine Kleinigkeit, was ihr tut, dazu führen wird, dass jemand von Stings Zustand erfährt und er dadurch irgendwie in Gefahr gerät… Dann werde ich euch töten.“
 

Lucy blinzelte und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte geglaubt, sie wären irgendwie alle auf einer Wellenlänge angekommen. Und jetzt das! Sein ruhiger, sachlicher Tonfall überzeugte sie nur noch mehr davon, dass er es völlig ernst meinte.
 

Aber Rogue war noch nicht fertig: „Ich werde eure Familien finden und sie ebenfalls töten. Ja, selbst deinen Vater, Natsu, es ist mir egal, was ich dafür tun muss. Und wenn ich lustig bin, treibe ich danach noch eure Freunde auf. Haben wir uns verstanden?“
 

Lucy konnte nur stumm den Mund öffnen, aber Natsu kam nicht aus dem Schritt. „Erfahren über was? Habt ihr uns was Interessantes gesagt?“ Er blickte sich um, als könnte die Welt ihm über dieses Geheimnis mitteilen, das er nicht weitererzählen sollte. „Ich weiß von nichts.“
 

„Ich verspreche es.“, erklärte Lucy, nachdem sie sich gefangen hatte. Sie konnte nicht einfach so ignorieren, was sie erfahren hatte, aber sie brach niemals ein Versprechen. Und es hätte nicht einmal dieser Drohung bedurft, dass sie es gab, das hätte sie auch so getan!
 

Rogue starrte sie nacheinander aus seinen seltsamen Augen an, dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab und glitt auf den Beifahrersitz. Ein paar Momente später reihte sich das Taxi in den Verkehr ein und war bald darauf zwischen den anderen Autos verschwunden. In Lucys Bauch blieb nur ein ungutes Gefühl zurück. Das war sicher nicht das letzte Mal, an dem sie die beiden gesehen hatte, auch wenn sie wünschte, dass es so wäre.
 


 

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Bei der Twilight Hall herrschte bereits große Geschäftigkeit, als Natsu den Mustang auf den Parkplatz lenkte. Arbeiter mit Kisten, Kabeltrommeln und anderem Zeug liefen geschäftig durch die offenstehenden Türen, eine Putzkolonne brachte noch einmal die Eingangshalle auf Vordermann und die Mitarbeiter des Caterservices in ihren schicken schwarzweißen Uniformen karrten ganze Berge von Essen in das Gebäude.
 

Lucy verstand nie, warum diese Arbeiten immer auf den letzten Drücker stattfinden mussten. Als würde man nicht jedes Mal darüber erneut schimpfen. Aber das gehörte wohl zum Business dazu wie Make-up, Zickenkrieg und Designer, die größere Divas waren als die Models.
 

Gemeinsam marschierten Lucy und Natsu stramm über den Hof zum Nebeneingang hinüber, den sie schon am letzten Tag genommen hatten. Sie war ganz dankbar darüber, dass er sich geweigert hatte, sie alleine zu lassen, bis sie im Gebäude unter Leuten war, die sie kannte. Im Moment wollte sie einfach kein Risiko eingehen, nicht bei allem, was auf dem Spiel stand. Und dabei war ihr Leben das letzte, um das sie sich Sorgen machte.
 

Trotzdem hatte sie den halben Tag ohne wilde Träume verschlafen, worüber sie ganz dankbar war. Jetzt fühlte sie sich ausgeruht und bereit dafür, gegen diese verrückte Dämonologin zu kämpfen, ganz egal, wer sich am Ende dahinter verbarg!
 

Natsu schien es ähnlich zu gehen, auch wenn er ungewöhnlich still war und vor sich hin grübelte. In und wieder hatte er sogar ein kleines Notizbuch gezückt, um etwas darin einzutragen. Als sie ihn danach gefragt hatte, hatte er abgeblockt, also hatte sie es fallen lassen. Vielleicht würde er ihr später anvertrauen, was sich dahinter verbarg.
 

Jetzt wirkte er, als würde er gleich zu sabbern anfangen, als er zusah, wie mit Folie abgedeckte Silbertabletts mit Hors d'Oeuvre an ihnen vorbeigerollt wurden. Dabei hatte Aed ihnen in der Heartphiliavilla ein hervorragendes Mahl aufgetragen, ehe sie losgefahren waren, und Natsu hatte sich nicht zurückgehalten.
 

Sie stieß ihn leicht in die Seite. „Das gibt es heute Abend. Als mein Begleiter wirst du dich nach Herzenslust daran bedienen können.“
 

Diese Aussicht schien ihn aufzuheitern; seine Mundwinkel zogen sich unbewusst nach oben und sein Schritt wurde federnder. Es war einfach niedlich, wie sehr er gutes Essen zu schätzen wusste. „Das wird ein Fest!“, erklärte er begeistert und sein Grinsen sprengte fast sein Gesicht. „In den letzten Tagen esse ich nur gut. Oder gar nicht.“ Er lachte, aber Lucy fand den Seitenhieb auf die Hobgoblins gar nicht so witzig.
 

„Wenn die Lage nur nicht so ernst wäre.“, grummelte sie und schüttelte den Kopf. Sie drückten sich an zwei bulligen Männern vorbei, die ein Bündel schwerer Streben trugen, und eilten den Gang hinunter, um den Aufenthaltsraum anzustreben, der den Models zur Verfügung gestellt worden war für die Zeit, in der sie nicht gebraucht wurden.
 

Er war direkt an den Saal hinter dem Laufsteg angeschlossen, in dem noch größere Geschäftigkeit herrschte als überall sonst. Kleider wurden herangeschafft und nach einem strengen Plan aufgestellt, Stylisten bauten ihre Stationen auf und Praktikanten wurden mit harschen Worten herumgehetzt. Lucy und Natsu wurden von niemandem beachtet, nur einmal böse angeblafft, als sie der falschen Person in den Weg gerieten.
 

Als Lucy erleichtert die Tür zum Pausenraum öffnete, fand sie die meisten ihrer Kolleginnen bereits versammelt. Doch anders als sonst vor den Shows herrschten kein aufgeregtes Summen von tuschelnden Mädchen, keine Streits, die im Eifer des Gefechts vom Zaun gebrochen und rasch wieder bereinigt wurden, und keine explosive Lampenfieberstimmung, die sich erst zum tatsächlichen Beginn des Spektakels in beherrschte Professionalität und danach in freundschaftliches Herumalbern auflöste. Stattdessen standen die Models in kleinen Grüppchen herum, sahen unbehaglich aus und flüsterten leise miteinander. Die aufgeheizte Atmosphäre und die Vorfreude auf die Show fehlten.
 

„Lucy!“ Elena entdeckte sie zuerst und die junge Frau klang erleichtert. „Da bist du ja endlich! Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“
 

Lucy blickte sich verwirrt in der Gruppe um. „Was ist denn passiert?“, wollte sie wissen und Mirajane schob sich aus den anderen heraus, um zu ihr zu eilen und sie zu umarmen, eine Geste, bei der Lucy warm ums Herz wurde.
 

„Hast du es nicht gehört?“, wollte Bernicka, eine stets beherrschte, aber freundliche dunkle Frau mit besonnener Stimme wissen. „Reisha wurde ermordet.“
 

„In ihrer Wohnung!“, fügte jemand von hinten schockiert hinzu.
 

Mirajane warf einen Blick zu Natsu. „Sieht aus, als hättest du auf unsere Lucy aufgepasst.“
 

„Das ist mein Job!“, antwortete er.
 

„Oh… oh, ich…“, druckste Lucy herum und dachte an den Morgen zurück. Sie wusste sogar mehr über Reishas Tod als die Polizei, aber natürlich konnte sie das nicht sagen.
 

„Es ist war ein Einbruch.“, erklärte eine junge Frau, deren Namen Lucy entfallen war.
 

„Nein, ihr Lover, der sie mit einem anderen Mann erwischt hat.“, widersprach jemand.
 

„Aber warum ist der Andere dann nicht ebenfalls tot?“, brummte Bernicka vernünftig.
 

„Ich habe gehört, es war ein Stalker!“, ereiferte sich Elena und dann flogen Vermutungen und immer wildere Geschichten durch die Luft. Lucy kam dazwischen gar nicht zu Wort, aber das war ihr auch ganz recht so.
 

„Oh, könnt ihr alle aufhören, so über die arme Reisha zu tratschen?“, unterbrach Mirajane die Diskussion aufgebracht. Ihre blauen Augen funkelten zornig. „Ihre Leiche ist noch nicht einmal richtig kalt und ihr kommt mit solchen Gerüchten! Das sind alles Vermutungen, die Polizei sagt überhaupt nichts dazu! Also beherrscht euch!“
 

Betretenes Schweigen senkte sich über die Gruppe und die jungen Frauen warfen sich verlegene Seitenblicke zu. Die kleine Rede hatte sie offensichtlich wieder zur Besinnung gerufen. Lucy wechselte einen Blick mit Natsu und verzog unbehaglich das Gesicht.
 

„Jemand soll Erza Bescheid geben, dass Lucy angekommen ist.“, fügte Mirajane dann ruhiger hinzu und Bernicka löste sich aus der Reihe der anderen. „Ich sehe, ob ich einen Praktikanten auftreiben kann.“ Damit verschwand sie aus der Tür und unter den anderen Models brach erneut Getuschel aus.
 

Mirajane wandte sich an Lucy und schlang freundschaftlich einen Arm um ihre Schulter. „Ich bin jedenfalls froh, dass es dir gut geht.“
 

Lucy lachte nervös. Die Tatsache, dass Mirajane momentan ihre Hauptverdächtige war, drängte sich immer weiter in den Vordergrund. Sie wollte es zwar noch immer nicht glauben und bat die Weißhaarige im Stillen für diese Verdächtigungen um Verzeihung, doch das würde sie nicht davon abhalten, aufmerksam zu sein. „Warum sollte es auch nicht? Ich war Zuhause und habe mich vorbereitet. Niemand kommt da so leicht herein.“
 

„Es wurde viel geredet, da habe ich mich wohl mitreißen lassen.“ Mirajane lächelte verlegen. „Aber ich mache mir lieber einmal zu viele Sorgen als umgekehrt und du bist meine Freundin.“
 

„Das ist lieb.“
 

„Lucy, ich sollte jetzt los.“, schaltete Natsu sich ein und sie nickte.
 

„Entschuldige mich.“, bat sie das andere Model, das sofort zurücktrat.
 

Natsu zog sie auf die Seite. „Du bleibst am besten hier bei den anderen und deine Show geht ja auch gleich los, oder? Ich hab schon einige Securityleute hier herumlaufen sehen und unter den Augen von dem Publikum solltest du sicher sein, vor allem, wenn du dieses Ding nicht ablegst.“ Er warf einen kurzen Moment auf das Amulett herunter. Lucy wusste, dass es nicht einfach werden würde, es während der Show bei sich zu behalten, aber irgendetwas würde ihr schon einfallen. Zur Not würde sie es in der Hand tragen.
 

„Ich werde mich beeilen.“, versprach Natsu ungewöhnlich ernst.
 

Sie blickte zu ihm auf, sich plötzlich überaus bewusst über die Tatsache, wie nah sie sich waren. Seine Augen waren erstaunlich dunkel aus dieser Nähe und sie vermeinte, einen Funken darin glimmen zu sehen, mehr als nur Sorge um eine Freundin. Sie konnte den Blick nicht von ihm lösen und fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden. Was hatte er nur an sich, das sie so durcheinanderbrachte?
 

„Ho-hoffentlich weiß dieser Kerl etwas.“, stotterte sie, plötzlich verlegen.
 

„Irgendetwas ganz sicher!“, antwortete Natsu zuversichtlich. „Und ich werde es auch irgendwie aus ihm herauskriegen! Darüber musst du dir absolut keine Sorgen machen.“
 

Sie lächelte unwillkürlich. „Gut, ich verlasse mich auf dich. Sieh nur zu, dass du rasch wieder hier bei mir bist. Sonst verpasst du das Essen.“ Sie schmunzelte, zupfte seinen Kragen zurecht und wischte imaginären Staub von seinen Schultern. Irgendwie war sie noch nicht bereit, ihn gehen zu lassen, aber ihr viel nichts ein, warum er seinen Aufbruch hinauszögern sollte. Zumal ihre Zeit begrenzt war. Je früher er geht, desto schneller ist er wieder da, versuchte sie sich einzureden.
 

Nach kurzem Zögern stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Viel Glück.“
 

Für einen Moment starrte er sie nur mit offenem Mund an und öffnete ein paar Mal den Mund, als versuchte er, Worte zu finden, die ihm komplett entfallen waren. Dann richtete er sich abrupt auf und ein breites, glückliches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Das wird schon! Mach dir keine Sorgen!“ Damit salutierte er und verschwand aus dem Zimmer.
 

Lucy seufzte auf, als die Tür sich hinter ihm schloss, und sackte leicht zusammen. Sie vermisste ihn bereits jetzt und das lag nicht nur daran, dass sie sich in Gefahr befand. Dann warf sie einen hastigen Blick in die Runde, doch niemand schien ihren Abschied von ihrem Beschützer beobachtet zu haben. Zumindest kam niemand herüber, um blöde Witze über Bodyguard-Romanzen zu machen und darüber war sie sehr dankbar. Einzig Mirajane sah sie fragend an und zog eine Augenbraue hoch, doch sie sagte nichts.
 

Lucy lächelte verlegen und ging zum Fenster hinüber. Sie wollte jetzt mit niemandem sprechen; in ihrem Magen hatte sich die Angst zu einem schmerzhaften Knoten zusammengeballt, und ihre Nervosität hatte nichts mit der bevorstehenden Show zu tun. Die würde vorbeiziehen wie jede andere auch und wenn doch etwas schiefging, würden die Klatschmagazine sich ein paar Tage den Mund darüber zerreißen, ehe es in Vergessenheit geriet.
 

Aber wenn die Dämonologin Erfolg hatte… Ihr schauderte und sie warf einen unbehaglichen Blick über ihre Schulter. War die Mörderin gerade jetzt in diesem Raum mit ihr? Überlegte sie gerade jetzt in diesem Moment, wie sie Lucy von allen anderen weglocken konnte, damit sie sie in Ruhe opfern konnte?
 

Lucy sah zu Mirajane hinüber, die gerade mit Elena sprach, das Gesicht ungewöhnlich ernst und sehr mütterlich. Anscheinend versuchte sie gerade, die jüngere zu beruhigen, ihr einzureden, dass alles gut wurde und Reishas Tod keine weiteren Auswirkungen haben würde. Glaube sie das wirklich? Oder war es nur ein Trick, um sie alle in Sicherheit zu wiegen, während sie schon den Rest des Rituals irgendwo vorbereitet hatte?
 

Lucy konnte es noch immer nicht ganz glauben und sie wandte sich schuldbewusst ab. Aber wenn es nicht Mirajane war, wer denn dann…? Jenny, die jetzt noch immer nicht hier war und wohl auch nicht auftauchen würde, was ihr gar nicht ähnlich sah, fiel natürlich weg, aber all die anderen…
 

Es konnte jede von ihnen sein, es konnten die Sekretärinnen sein oder die Stylistinnen oder selbst die Putzfrauen. Jede. Sie hatten absolut keinen Anhaltspunkt mehr. Noch nicht, beruhigte sie sich, Natsu sprach in diesem Moment sicher mit De Cybele und würde herausfinden, wer dahintersteckte. Sie musste daran glauben.
 

„Lucy, da sind Sie ja endlich!“ Erzas selbstbewusste Stimme riss sie aus den Gedanken und sie fuhr herum. Die Managerin trug einen eleganten Blazer mit Anzughosen und ein paar hübscher Mary Janes. Das Haar hatte sie geflochten und um den Kopf gewunden wie einen Kranz.
 

„J-ja, anwesend!“, meldete sie und es fehlte nicht mehr viel, da hätte sie vor der Rothaarigen, die so plötzlich hinter ihr aufgetaucht war, salutiert.
 

„Ich habe schon auf Sie gewartet.“, erklärte Erza und lächelte breit, während sie sich bei Lucy einhakte. „Kommen Sie, ich muss noch einige Dinge mit ihnen durchgehen und Hyberion würde sie vor der Show auch noch gerne einmal sehen.“
 

Lucy verzog das Gesicht. Selbst vor einem normalen Auftritt ließ sie sich nicht gerne ablenken, aber jetzt hatte sie absolut keinen Kopf für Smalltalk und leutselige Gespräche. „Können wir das nicht nachher machen?“, wollte sie von der Rothaarigen wissen, ließ sich aber trotzdem von ihr durch den Raum und in den Saal hinaus ziehen.
 

Erza nickte der Chefstylistin zu, die gerade auf die Tür zukam und jetzt kritisch eine Augenbraue hochzog. „Was soll denn das werden?“
 

„Ich muss noch ein paar Worte mit ihr wechseln, danach können Sie sie haben.“, antwortete die Rothaarige forsch.
 

„Aber lassen Sie sich nicht zu lange Zeit, wir müssen jetzt langsam mit den Vorbereitungen beginnen.“
 

„Es wird nicht lange dauern, aber Michello hat sich noch etwas einfallen lassen.“
 

„Ernsthaft?“, wollte Lucy wissen und seufzte auf. Heute blieb ihr auch nichts erspart!
 

Erza wandte sich nach rechts zu dem Flur, der zu den persönlichen Räumen der Models führte. „Es tut mir leid, aber Sie kennen ihn ja.“
 

„Leider.“, gab Lucy bedauernd zu, protestierte aber nicht weiter. Ihr Chef hatte kurz vor den Shows noch spezielle Einfälle, die er unbedingt umgesetzt sehen wollte. Meistens gab der Erfolg die Änderungen in letzter Sekunde ihm recht, aber das machte diese nicht weniger ärgerlich.
 

„Geht es Ihnen gut?“, wollte Erza wissen, während sie Lucys Zimmer ansteuerten. „Sie sehen etwas gestresst aus.“
 

„Ach, es ist nur die Aufregung der letzten Tage.“, winkte Lucy ab, obwohl sie davon wirklich genug gehabt hatte. „Und jetzt auch noch das mit Reisha…“
 

„Ja, ich habe davon gehört…“ Erzas Stimme verklang. „Vielleicht hat jemand Michellos Agentur verflucht.“, scherzte sie dann, etwas zu aufgedreht.
 

„Sie sind trotzdem ziemlich guter Dinge.“, wies Lucy auf, um das Thema von all der Tragik abzulenken.
 

„Ich sollte mich etwas zurückhalten, oder?“, gab die andere Frau zu und öffnete die Tür zur Garderobe, damit sie eintreten konnten. „Aber ich stehe gerade kurz davor, das Geburtstagsgeschenk meiner Mutter fertigzustellen und ich bin sicher, dass es ihr gefallen wird!“
 

Lucy starrte die Frau einen Moment erstaunt an. Es sollte sie nicht so überraschen, dass die Rothaarige eine Mutter hatte – hatte die nicht jeder? – aber sie hatte sich noch nie Gedanken über die familiären Umstände der anderen gemacht und aus irgendeinem Grund immer angenommen, sie wanderte allein durch das Leben. Vielleicht, weil sie immer so selbstsicher wirkte, immer wusste, was zu tun war, und stets die Zügel in der Hand hatte.
 

„Das wird es bestimmt.“, ermunterte Lucy sie, erfreut, der sonst so kühlen Managerin, die immer auf etwas Abstand achtete, näher zu kommen. Bis jetzt hatte das nur Mirajane geschafft. „Wann ist der Geburtstag denn?“
 

„Oh, in drei Tagen.“ Erza wippte auf ihren Fußballen auf und ab. „Meine Mutter ist eine sehr strenge Frau, der man so leicht nichts vormachen kann, aber diesmal wird sie sprachlos vor Staunen sein!“
 

„Darf ich fragen, was es ist?“
 

„Etwas Großartiges.“ Erza breitete die Arme aus und ihr Lächeln war etwas zu enthusiastisch. Das musste ihr einiges bedeuten. Vielleicht, weil die Mutter frühere Geschenke abgewiesen hatte…? „Sie wird es lieben!“
 

„Das wird sie bestimmt.“, echote Lucy ihre Worte von vorher, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. „Was wollte Michello denn?“
 

Erza schob ihre Hand in die Tasche ihres Blazers und ballte sie zu einer Faust. „Er hatte noch diese Idee bezüglich der-“
 

Der schrille Klingelton von Lucys Smartphone unterbrach sie und die Blondine zückte das kleine Gerät, um einen Blick auf das Display zu werfen. Normalerweise schaltete sie es aus, wenn sie auf einer Show war, aber heute war ein spezieller Fall. Tatsächlich war es der, auf dessen Anruf sie gewartete hatte, und sie sah zu der anderen Frau hinüber.
 

„Oh, das ist Natsu.“, sagte sie mit einem entschuldigenden Blick zu ihrem Gegenüber. „Ich muss das annehmen, wird auch nicht lange dauern.“
 

Erza winkte ab, ein Lächeln auf den Lippen. „Nur keine Eile.“ Damit wandte sie sich ab und Lucy drehte sich um, den Anruf annehmend.
 

„Hast du etwas herausgefunden?“, wollte sie wissen, auch wenn sie danach ertappt die Schultern hochzog. Ein kurzes Hallo wäre nicht zu viel gewesen, oder? Aber Natsu schien sich nicht daran zu stören, denn auch er platzte sofort triumphierend heraus: „Oh ja, das habe ich!“ Sie konnte das begeisterte Grinsen in seiner Stimme hören. „Ich bin auf dem Weg zurück, rühr dich nicht vom Fleck.“
 

„Keine Sorge.“, versicherte Lucy ihr und warf einen kurzen Blick zu Erza hinüber, die gerade an etwas Kleinem herumfummelte. Sie drehte sich wieder um. „Und?“
 

„De Cybele hat das Buch sofort erkannt und es stammt auch von ihm. Nach ein paar Minuten hab ich ihn davon überzeugen können, mir zu sagen, wem er es verkauft hat. Das geht übrigens auf deine Rechnung.“
 

Sie konnte sich sein spitzbübisches Grinsen gut vorstellen und nickte aufgeregt. Egal, wie viel Geld er gebraucht hatte, um den Händler zu bestechen, die Information war es offensichtlich wert. „Weiter.“
 

„Er konnte sich nicht mehr an viel erinnern, nur, dass es eine hübsche Frau gewesen ist, die er vorher noch nie gesehen hatte, aber ganz genau wusste, was sie wollte, vermutlich eine niederklassige Zauberin. Er hat irgendetwas geplappert davon, dass er so viel Kundschaft hat und ich nicht verlangen kann, dass er alle von ihnen genau beschreiben kann, blablabla. Also hat er mir nicht viel sagen können.“
 

„Aber…?“, fragte Lucy nach, denn Natsus Tonfall zeigte eindeutig, dass er doch etwas mehr erfahren hatte als nur das. Ihm alle Informationen aus der Nase ziehen zu müssen, machte sie gleichzeitig ärgerlicher und aufgeregter, aber er schien es offensichtlich zu genießen.
 

„Aber ein Detail wusste er trotzdem noch, denn sie hatte ungewöhnlich rotes Haar.“
 

Lucy brauchte einen Moment um seine Worte zu realisieren. Einen Moment, in dem alles plötzlich stehen blieb und selbst ihr Herz schien auszusetzen. Natsu sprach weiter, aber seine Stimme klang wie aus weiter Ferne. „Lucy, es ist Erza.“
 

Ihr wurde eiskalt und sie drehte sich um, doch auf einmal stand Erza hinter ihr, lautlos und bedrohlich, und es war zu spät. Lucy spürte einen leichten Stich im Hals und dann wurde ihr auf einmal schwindelig. Das Handy glitt aus ihren plötzlich kraftlosen Fingern und polterte auf den Boden. Sie taumelte leicht, als ihre Kräfte sie verließen.
 

Es war zu spät.
 

„Lucy?“, drang Natsus Stimme zu ihr durch, aufgewühlt und laut. „Lucy?“ Er klang aufgebracht und besorgt und ihr selbst wurde übel vor Angst. „Lucy!“
 

„A-aber…“, versuchte Lucy zu sagen, während sie ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen konnte und nach vorne sackte. Erza fing ihren schlaffen Körper auf und ihr Sichtfeld wurde immer kleiner, die Ränder schwarz und trübe.
 

Lucy hatte ihr vertraut! Sie hatte keinen zweiten Gedanken daran verschwendet, mit ihr mitzugehen, war ihr einfach gefolgt, so vertrauensselig und zutraulich wie ein kleines Kind! Ihr Blick konzentrierte sich auf das Gesicht der anderen Frau, das zu einem seltsam gestörten, vorfreudigen Lächeln verzogen war.
 

„Nimm es nicht persönlich, Lucy.“, hörte sie Erza sagen und jemand tätschelte ihren Rücken. „Das hat nichts mit dir direkt zu tun.“
 

„Wag es nicht, ihr etwas anzutun!“, brüllte Natsu irgendwo, laut und wütend, und der Klang ließ Widerstand in ihr aufflammen. Sie versuchte, sich zu wehren, schlug nach der Frau, doch ihre Bewegungen waren kraftlos und schwach. Vermutlich spürte Erza es kaum.
 

„Lucy, hörst du mich?! Ich komme! Warte auf mich!“ Natsu klang inzwischen verzweifelt.
 

Dann wurde alles schwarz.
 


 

8. From The Deep
 

Schmerzen in ihren Handgelenken war das erste, das Lucy wahrnahm, als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam. Seile zogen ihre Arme über ihren Kopf und ihr gesamtes Gewicht hing daran, so dass die Fesseln tief in ihre Haut schnitten.
 

Es war kalt und klamm und ein scharfer Wind pfiff um das Gebäude und raschelte in Blättern. Der Geruch von Moder, nassem Stein und Feuchtigkeit stieg ihr in die Nase und dann hörte sie eine dunkle weibliche Stimme, die leise vor sich hinmurmelte. Das Wispern klang hohl und unheimlich in einem großen, leeren Raum und jagte Lucy einen Schauer über den Rücken.
 

Nur mit Mühe öffnete sie die Augen. Sie musste ein paar Mal blinzeln, ehe sie etwas erkennen konnte, und blickte sich dann um. Grelles Scheinwerferlicht schnitt durch die Dunkelheit und erhellte eine verlassene Fabrikhalle, der man die Jahre der Nichtnutzung ansah. Das Dach war undicht und man konnte dahinter die Sterne entdecken, fern und klar. An manchen Stellen des unebenen Bodens hatten sich Pfützen gesammelt und dunkle Wasserflecken zogen sich über Wände und Boden. Einige unförmige Silhouetten im hinteren Teil der Halle deuteten zurückgelassene Kisten und Maschinen an, aber in Lucys Nähe war alles komplett leergeräumt worden und nur Metallstreben, die den Dachstuhl hielten, störten ihren Blick.
 

In der Mitte der Halle jedoch war eine hölzerne Konstruktion aufgebaut worden, die an einen Altar erinnerte, komplett mit silbernen Ständern, auf denen schwarze Kerzen steckten und einem magischen Symbolkreis aus roter Farbe um ihn herum. Zumindest hoffte Lucy, dass es Farbe war.
 

In der Nähe kauerte Erza auf dem Boden und das grelle Licht der Scheinwerfer ließ ihr Haar einen Moment wirken, als stünde es in Flammen. Sie wirkte äußerst fehl am Platze in ihrem schicken Blazer, den Anzughosen und ihren niedrigen Mary Janes und war über einen Gegenstand gebeugt, den Lucy von ihrer Warte aus nicht erkennen konnte.
 

Das Gemurmel stammte von ihr und die Worte waren nicht zu verstehen. Sie sprach zu leisen dafür, aber die Zuhörerin hatte den unguten Verdacht, dass sich das auch nicht ändern würde, wenn Erza sie laut in die Welt hinausbrüllen würde. Der Klang allein war seltsam, fremd und abstoßend.
 

Lucy schüttelte den Kopf und stöhnte leise, während sie versuchte, auf die Füße zu kommen, um ihre Handgelenke zu entlasten. Ein Blick nach oben zeigte, dass sie mit straffen Nylonseilen an eine der Metallstreben festgebunden war.
 

Endlich fand sie einen festen Stand und sie stemmte sich hoch. Sofort lockerten sich die Fesseln, die so tief in ihre Haut geschnitten hatten, dass diese aufgescheuert worden war, und Blut schoss in ihre Finger zurück. Sie jammerte unter den Schmerzen laut auf und Erzas Kopf schnellte herum.
 

„Du bist wach.“, stellte die Rothaarige fest und machte sich nicht mehr die Mühe mit irgendwelchen Höflichkeiten. „Wurde aber auch Zeit. Ich habe mich gefragt, ob du das große Ereignis verschlafen wirst.“
 

Lucy starrte sie an und leckte sich über die trockenen Lippen. „Warum tust du das?“, wollte sie dann wissen. Ihre Stimme kam als ein Krächzen heraus und sie räusperte sich. „Du weißt schon, dass das in einer Katastrophe enden wird, richtig?“ Sie selbst wusste zwar auch nicht viel über Höhere Dämonen, aber nach den spärlichen Erklärungen konnte sie sich den Rest denken.
 

In Erzas aufgerissenen Augen glomm ein unheiliger Funke und sie lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, ein wenig zu breit, zu weit, zu glücklich. „Es ist ein Geschenk für meine Mutter.“, sagte sie. „Es wird ihr gefallen.“
 

„Du willst deiner Mutter einen Dämon schenken?“, murmelte Lucy verwirrt. Was sollte jemand mit einer solchen Kreatur anfangen?
 

„Nicht nur irgendeinen Dämon!“, bestätigte die Zauberin. „Einen Höheren Dämon! Meine Mutter wird mich dafür lieben.“
 

Lucy starrte sie dumpf an. An dieser Aussage war irgendetwas falsch, aber sie konnte sich nicht richtig konzentrieren, nicht richtig nachdenken. „Es wird in einer Katastrophe enden.“, wiederholte sie schließlich. Über diesen Punkt zumindest war sie sich sicher.
 

„Nein, nein.“, versicherte Erza. „Ich weiß, was ich tue. Meine Mutter hat mir alles über Dämonologie beigebracht, was sie weiß, damit ich zumindest zu etwas Nutze bin. Ihr wird dieses Geschenk gefallen.“
 

„O-okay…“, murmelte Lucy und runzelte die Stirn. „Aber mir gefällt es nicht. Kannst du nicht etwas anderes suchen?“
 

Erza runzelte verwirrt die Stirn. „Aber es ist nicht für dich.“
 

„Aber ich bin ja wohl direkt daran beteiligt!“, fuhr Lucy auf und schüttelte ihre gefesselten Hände. „Da darf ich ja wohl protestieren! Und du weißt wirklich nicht, was du hier tust! Weißt du, wie gefährlich das ist? Du wirst und alle ins Verderben reißen. Bitte! Stopp diesen Wahnsinn!“
 

„Nein, nein, keine Sorge, Lucy. Ich habe alles unter Kontrolle.“, versicherte die Rothaarige ihr mit einem breiten Lächeln und ergriff den Gegenstand, über den sie sich vorhin gebeugt hatte. „Ich habe immerhin das hier!“
 

Triumphierend hielt sie ihn hoch und Lucy erkannte ein schwarzes Buch. Es war so groß und dick, dass die andere Frau es kaum mit zwei Händen halten konnte, und die blutrote Schrift darauf leicht erhöht.
 

Allein der Anblick rief in Lucy ein Gefühl von falsch falsch falsch hervor. Dieses … dieses seltsame Buch war völlig verkehrt und widernatürlich und so absolut abstoßend, dass Lucy unwillkürlich davor zurückwich. Trotzdem konnte sie den Blick nicht davon lösen, wie hypnotisiert starrte sie darauf und sie konnte noch nicht einmal blinzeln.
 

Es fühlte sich an, als würde sich der Anblick in ihre Augen fressen, als würden sich spitze Nadeln durch ihren Schädel bohren und Säure sich durch ihre Haut brennen. Die chaotische Energie, die davon ausging, kribbelte auf ihrer Haut und ließ sie abgestoßen erschaudern. Dieses Buch war so widerwärtig und abgrundtief böse, dass ihr körperlich schlecht wurde. Sie beugte sich zur Seite und übergab sich. Wie konnte Erza dieses abartige Ding nur anfassen?! Merkte sie denn nicht, wie abscheulich es war?
 

„Du bist zu empfindlich.“, schalt die Frau sie, obwohl Lucy sich sicher war, dass nichts dergleichen der Fall war. Es war nicht sie, es war dieses Buch.
 

„Wa-was ist das?“, wollte sie wissen, ihre Stimme nur ein heiseres Keuchen, und Erza schlang beide Arme um das widerliche Ding, um es fest an sich zu drücken. Das Lächeln in ihrem Gesicht konnte man inzwischen getrost als wahnsinnig bezeichnen. Lucy fragte sich, was aus der vernünftigen, jungen Frau geworden war, die sie aus der Agentur gekannt hatte. Es war, als sei nichts mehr von ihr übrig und diese Dissonanz verstörte sie.
 

„Es gehört mir.“, erklärte Erza und sie lächelte noch immer, aber ihr Gesicht wirkte eher wie eine Grimasse. Als hätte sie verlernt, was ein ehrlicher glücklicher Ausdruck war. „Es hat mir gezeigt, wie meine Mutter mich lieben kann.“
 

Lucy starrte sie entsetzt an und ihr fehlten alle Worte. Einige Dinge wurden ihr jetzt klar. Hinter Erzas Verhalten und ihren Taten steckte sehr viel mehr, als sie jetzt preisgab, auch wenn Lucy gerade erst zu ahnen begann, in welche Richtung es ging. Doch sie war sich ziemlich sicher, dass sie bis jetzt nur an der Oberfläche gekratzt hatte. Welche Untiefen und Grausamkeiten würden sich da wohl auftun? Wenn man noch Magie in diesen Mix fügte, konnte ja nichts Gutes dabei herauskommen.
 

Aber all das entschuldigte nicht Erzas Taten, die Morde und den Versuch, eine solch monströse Kreatur zu beschwören, die ein Höherer Dämon es war.
 

„Dei-deine Mutter liebt dich auch so.“, versuchte Lucy es erneut und leckte sich nervös über die Lippen. „Sie hat sicher nur Probleme, es dir zu zeigen.“
 

Erzas Gesicht wurde so kalt, dass die Blondine erschrocken zurückfuhr. „Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast, Lucy! Du kannst das nicht verstehen! Du mit deiner perfekten kleinen Familie und deinem reichen Vater und deiner tollen Mutter! Du hast keine Ahnung!“
 

Während sie sprach, wurde ihre Stimme immer lauter und wütender, bis sie die Worte ihrem Gegenüber ins Gesicht brüllte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzerrt. Ihre Brust hob und senkte sich unter ihrem schweren Atem und sie starrte Lucy einen Moment lang hasserfüllt an, während diese sich gegen die Metallstrebe presste, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihre Entführerin zu bringen. Sie traute es der Rothaarigen zu, sie auf der Stelle mit bloßen Händen anzufallen.
 

Dann glättete sich Erzas Gesicht plötzlich und sie richtete sich aus ihrer vorgebeugten Haltung auf. „Aber das hat nichts zu sagen. Jetzt nicht mehr. Ich werde meiner Mutter zeigen, dass ich ihrer Liebe wert bin!“ Entschlossen ballte sie die Hand zur Faust und wandte sich ab. „Und jetzt sei still, ich muss noch ein paar Dinge vorbereiten.“ Damit trat sie mit ihrem Buch in den Armen zu dem Symbolkreis hinüber. Sie stand darüber, ihr Gemurmel wiederaufnehmend, und in den dunklen Seiten suchend.
 

„Oh Gott.“, murmelte Lucy und richtete flehentlich den Blick gen Himmel, wo die Sterne funkelten, als wollten sie sie ermutigen. Dazu, nicht aufzugeben, ihre Hoffnung nicht zu verlieren, etwas zu tun. Sie holte tief Luft und versuchte, ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen.
 

„Natsu, ich hoffe, du bist schon auf dem Weg hierher.“, flüsterte sie, auch wenn sie wusste, dass sie sich nicht darauf verlassen konnte. Ihr fehlten offensichtlich zwei, drei Stunden, wenn sie sich nicht völlig irrte. In der Zwischenzeit konnte alles Mögliche passiert sein – vielleicht hatte Erza ihn getötet und er lag irgendwo kalt und leblos in einem Straßengraben.
 

Aber das Bild war zu schrecklich, um es sich auch nur vorzustellen. Sie hoffte, betete, dass das nur ihre überaktive Phantasie war und Natsu tatsächlich bereits auf dem Weg zu ihr war. Er musste es sein. Er ließ sich nicht so schnell überwältigen. Er war noch am Leben und versuchte in diesem Moment, einen Weg zu ihr zu finden. Er hatte es ihr versprochen in jenen letzten Worten, die sie vernommen hatte, ehe sie ohnmächtig geworden war.
 

Aber selbst wenn er direkt vor der Tür stand, sollte sie das nicht davon abhalten, zumindest den Versuch zu starten, sich selbst zu befreien. Sie warf einen Blick zu Erza hinüber, doch die schien vergessen zu haben, dass ihre Gefangene überhaupt da war.
 

Also schlüpfte Lucy erst einmal mit geübten Bewegungen aus ihren Pumps. Der Boden war eiskalt unter ihren bestrumpften Füßen, doch die hohen Pfennigabsätze würden sie nur behindern. Sie kickte die Schuhe leicht zur Seite, die Rothaarige nicht aus den Augen lassend. Doch die reagierte gar nicht auf die dumpfen Aufschläge, also richtete Lucy den Blick nach oben zu ihren gefesselten Händen.
 

Die stramm sitzenden Seile schnitten in ihre Haut ein und hatten bereits aufgeriebene Stellen hinterlassen, die teilweise sogar bluteten. Die Knoten waren so gut festgezurrt, dass es rein gar nichts brachte, als sie daran zerrte oder versuchte, ihre Finger aus den Schlingen zu ziehen. Egal, wie schmal sie ihre Hände machte, die Handballen glitten nicht aus den Seilen heraus. Das einzige, was sie erreichte, war, sich die Haut noch weiter aufzuscheuern.
 

Mit einem frustrierten Seufzen gab sie auf und warf einen weiteren Blick zu Erza hinüber. Die hatte das Buch inzwischen weggelegt und ging um den Altar herum, um die Kerzen zu entzünden. Dabei deutete sie einfach mit den Fingern auf den Docht und murmelte so leise etwas vor sich hin, dass Lucy sie nicht verstand. Es dauerte stets einen Moment, dann schoss eine kleine Stichflamme empor und einen Moment später brannten die Kerzen flackernd.
 

Lucy wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu und streckte sich, um mit den Fingern die Knoten zu erreichen. Vielleicht konnte sie sie von Hand lösen? Doch sie rutschte ihr immer wieder weg und wenn sie doch einmal einen zu packen bekam, dann in einem solch seltsamen Winkel, dass sie nicht daran arbeiten konnte. Da sie auch noch so fest saßen, dass man vermutlich eine Klinge brauchte, um Lucy wieder zu befreien, konnte sie rein gar nichts ausrichten.
 

Mit einem frustrierten Seufzen hielt sie inne und blickte sich um. Vielleicht fand sie etwas, das sie benutzen konnte, um sich zu befreien? Die Aussichten, Erza doch noch zur Vernunft zu bringen, indem sie auf sie einredete, standen so gering, dass sie vermutlich gar nicht da waren. Lucys Blick huschte erneut zu dem widerlichen Buch hinüber und sie fragte sich, wie viel von Erzas Taten damit zusammenhing, wie viel mit ihrer Mutter und wie viel mit anderen Gründen. Aber wenn sie nicht hier loskam, würde sie die Antwort drauf niemals erfahren, also sollte sie sich jetzt besser konzentrieren.
 

Neben einer Säule entdeckte Lucy eine Klappkiste, in der einige Dinge gestapelt waren – Schalen, getrocknete Pflanzen und anderes. Quer darüber lag ein langes Schwert in einer abgewetzten Scheide. Ein bläulicher Kristall, der direkt unter der Klinge in das Heft eingelassen war, leuchtete leicht. Aber selbst wenn Lucy es irgendwie erreichen könnte, wäre es zu schwer, als dass sie es benutzen konnte.
 

Ihr Blick wanderte weiter, über Steine am Boden, Dreck, ein paar Blechdosen und zerbrochener Glasflaschen in der Ecke, die vermutlich von einer lang vergangenen Party oder so etwas stammten, ein paar Industriefässer an der Wand… Aber all das war nicht nur völlig nutzlos für sie, sondern auch noch viel zu weit weg. Eines war offensichtlich, was auch immer Erza antrieb, dumm hatte es sie nicht gemacht.
 

Aber vielleicht musste Lucy sich gar nicht befreien. Vielleicht konnte sie einen Weg finden, Erza auszuschalten. Das würde natürlich schwer werden, aber wenn sie das Überraschungsmoment nutzte… Nur wie und mit was…?
 

In der Nähe entdeckte sie einen Stein, der groß genug war, um ihn als Waffe zu verwesen. Wenn sie ihn zu sich herüberholen konnte, wäre sie schon einen Schritt weiter. Sie streckte ein Bein danach aus, vielleicht konnte sie es so schaffen…?
 

Es war ein unsicherer Balanceakt, auf einem Bein stehen, das andere nach dem Stein ausgestreckt. Die Fesseln schnitten in ihr Fleisch und sie konnte spüren, wie sie die Haut herunterschabten und das Blut abschnitten. Trotzdem gab sie nicht auf.
 

Lucy hatte sich schon immer eher auf Sport und Training verlassen anstatt auf eiserne Diäten, um ihre schlanke Figur zu halten, also war sie stärker, als die meisten Leute ihr zugestanden. Sie würde genug Kraft aufbringen, um den Schlag ausführen zu können. Und wenn Natsu dann auch noch rechtzeitig auftauchte…
 

Das einzige, was sie noch tun musste war, sich in die richtige Position zu bringen. Nur konnte sie natürlich nicht mit den Händen zuschlagen, solange sie so gefesselt war, also mussten es entweder die Füße tun oder sie musste genau den Moment abpassen, an dem Erza sie freischnitt und dann zuschlagen…
 

Aber zuerst einmal musste dieser Stein heran. Da, sie konnte ihn mit den Zehen berühren! Jetzt musste sie ihn nur noch herholen, langsam, langsam… Vorsichtig umfasste sie mit den Zehen die steinerne Kante und rollte ihn bedächtig herum. Einmal verlor sie fast ihren Griff, konnte ihn dann aber im letzten Moment noch halten, ehe sie all ihre vorsichtige Arbeit wieder zu Nichte machte. Es war anstrengender, als es aussah, noch dazu unter der Anspannung, und bald tropfte ihr der Schweiß von der Stirn. Aber je näher sie den Stein holte, desto einfacher ging es und bald hatte sie es gescha-
 

„Was soll das werden, Lucy?“ Erzas Stimme war so nah, dass Lucy erschrocken zusammenzuckte und aufschrie. Ängstlich starrte sie die Rothaarige an, die nur einen Meter entfernt von ihr stand. Deren Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln, dann kickte sie den Stein davon, der mit hellem Klacken ein ganzes Stück entfernt aufkam und davonrollte. Lucy quiekte erschrocken auf und knallte gegen die Metallsäule, als sie das Gleichgewicht verlor.
 

„Das wird dir nichts helfen.“, erklärte Erza und runzelte die Stirn. „Was hast du damit überhaupt erreichen wollen?“ Jedoch hielt sie sich nicht mit einer Antwort auf, sondern griff nach dem Dolch, den sie am Gürtel trug. Es war ein schönes, reich verziertes Stück aus einem reinweißem Metall, das Lucy noch nie gesehen hatte und hier völlig fehl am Platz wirkte.
 

Beinahe ehrfürchtig zog Erza die etwa zwanzig Zentimeter lange Klinge aus der abgewetzten Scheide und enthüllte dabei die silbrigen Linien und Symbole, die in die Schneide eingraviert waren. Erschrocken sog Lucy die Luft ein und presste sich gegen die Strebe, an die sie gefesselt war. Ihr Instinkt befahl ihr, wegzulaufen, doch die Fesseln ließen das nicht zu.
 

Erza jedoch grinste nur abfällig, dann hob sie ihre Klinge und Lucy konnte ein Wimmern nicht mehr unterdrücken. Sie wollte nicht sterben, nicht jetzt, nicht hier und auf keinen Fall so, als ein Portal für ein Monster, das die Apokalypse einläuten würde! Natsu, hilf mir…!
 

Doch Erza durchschnitt nur die Seile, die sie an die Strebe fesselten, und packte sie so hart am Arm, dass sie blaue Flecken hinterlassen würde. Falls sie lange genug lebte. Die Handgelenke noch immer aneinandergebunden konnte sie ein weiteres Schluchzen nicht unterdrücken.
 

„Oh, hör auf mit dem Gejammer. Dem Tod sieht man standhaft und hoch erhobenen Hauptes entgegen!“, tönte Erza großartig. Sie schubste Lucy so kräftig in die Richtung des Altars, dass diese stolperte und beinahe das Gleichgewicht verlor. Doch sie konnte sich gerade noch fangen und in einem der raren Momente, in dem sie handelte ehe nachzudenken, rannte sie los.
 

Sie kam drei Schritte weit, dann wurde sie an den Haaren zurückgerissen und sie schrie vor Schmerzen auf. Unter dem Ruck taumelnd stolperte sie gegen Erza, die sie unbarmherzig zu Boden stieß, die Hand noch immer in ihre Haare verschlungen. „Und versuch keine Dummheiten! Sei mutig im Angesicht des Todes!“
 

Verbittert starrte Lucy zu ihrer Fängerin auf. „Ich will aber gar nicht sterben!“, fauchte sie trotzig.
 

„Du hast keine Wahl.“, antwortete die Rothaarige und zerrte sie wieder auf die Beine. Diesmal ließ sie sie nicht wieder los, sondern schob sie mit eisernem Griff vor sich her, so dass Lucy keine Wahl hatte, als nach vorne zu stolpern. Immer näher auf den Altar zu, auf dem in Schwarz ein weiterer Zauberkreis gemalt war, mit seltsamen Symbolen, die sich vor ihren Augen verwirrend zu bewegen schienen und ihr stechende Kopfschmerzen verursachten.
 

Sie wandte den Blick ab und sah flehend zu Erza auf. „Aber du hast eine!“, versuchte sie es erneut, die Stimme inständig beschwörend. „Bitte, du musst mich nicht töten. Du kannst mich einfach gehen lassen, umkehren, diesen Wahnsinn noch stoppen. Bitte. Hast du eigentlich mal angehalten und nachgedacht, was genau du hier tust? Du versuchst einen Höheren Dämon zu beschwören und weißt du, was das be-“
 

„Aber ich brauche das Geschenk!“, herrschte Erza sie an und stieß sie so heftig nach vorne, dass sie nun tatsächlich fiel. Sie knallte gegen den Altar und krachte mit dem Kinn dagegen, so dass ihre Zähne heftig zusammenkrachten. „Einen Dämon, mächtiger als alle anderen, einen, der sie alle in den Schatten stellt, den ich triumphierend präsentieren kann! Und meine Mutter wird mich endlich lieben…“
 

Ihre Stimme brach und für einen Moment konnte Lucy hinter den Wahnsinn sehen, ein kurzer Blick auf eine gebrochene Frau. Mit einem Mal bedauerte sie sie. Was auch immer das Buch mit ihr gemacht hatte, Erza war schon vorher auf dem Weg nach unten gewesen, hinabgestoßen durch die Frau, die sie ihre Mutter nannte. In die Abgründe, die sich da eröffneten, wollte Lucy gar nicht hineinsehen.
 

Aber das änderte nichts daran, ermahnte sie sich selbst, dass Erza vier unschuldige Frauen getötet hatte und drauf und dran war, die Zahl der Morde zu einer runden Fünf zu machen.
 

„Und du wirst mir dabei helfen.“, fing die Rothaarige sich plötzlich wieder. Sie zog Lucy am Kragen nach oben, als würde sie nicht mehr wiegen als eine Handtasche, und nicht das erste Mal staunte die Blondine über die Kraft der andere. Natürlich gereichte ihr das jetzt zum Nachteil…
 

Reflexartig stemmte sie sich gegen den harten Griff und schlug mit ihren gefesselten Händen zu, doch Erza schien es nicht einmal zu bemerken. Ihr Gesicht zierte erneut dieses Grinsen, das Lucy einen Schauer über den Rücken jagte, und der verklärte Ausdruck in ihren Augen machte der Blondine Angst.
 

Als Lucy widerspenstig gegen ihr Schienbein trat, nun bedauernd, ihre Schuhe ausgezogen zu haben, stieß Erza ein ärgerliches Geräusch aus und stieß ihre Gefangene so heftig gegen den Altar, dass diese schmerzerfüllt aufschrie. Mit einer raschen Bewegung drehte Erza sie herum und drückte sie nach unten, so dass ihr Gesicht direkt in den Zauberkreis gedrückt wurde. Die schwarzen Linien schienen auf ihrer Haut zu brennen und die Symbole direkt vor ihr stachen in ihren Augen und gruben sich wie Klauen in ihr Hirn.
 

Oh Gott… Lucy wimmerte, als ihr klar wurde, was das bedeutete. Sie konnte sich nicht einmal mehr wehren, plötzlich zu schwach um mehr zu tun, als mit den Gliedern zu zucken. Ihre Hände waren sowieso unter ihrem Körper eingeklemmt und ihre Füße ruckten nur unbeherrscht.
 

Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Erza ihren Dolch hob und dann war ihre Sicht auf einmal verschwommen, als Tränen in ihre Augen stiegen. Erzas Hand lag schwer und belastend zwischen ihren Schultern und ihr eigener keuchender, zu schneller Atem klang in ihren Ohren wie ein lautes Rauschen.
 

Erza grinste auf sie hinunter, siegessicher, und dann verstärkte sich ihr Griff um den weißen Dolch, einen Moment vom Zustoßen entfernt. „Nein, nicht!“, kreischte Lucy auf, als die Klinge auf sie zu schnellte.
 

Lautes Gebrüll verschluckte ihr angsterfülltes Wimmern, ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Hals und dann war Erza plötzlich weg. Etwas Schweres schlug hart auf dem Boden auf und die wilden Geräusche eines Handgemenges folgten, Flüche, Kleiderrascheln, ein dumpfer Schlag gegen Holz.
 

Das alles hatte nur eine Sekunde gedauert und Lucy starrte mit weit aufgerissenen Augen geradeaus und atmete schwer. Sie konnte es nicht glauben, dass sie noch am Leben war, und ihre Knie waren so weich, dass sie sie kaum halten konnten. Der Dolch steckte direkt neben ihrem Hals in dem Holz und sie konnte den Biss der Klinge fühlen.
 

Schwach kippte sie zur Seite und rutschte vom Altar. Feuchtigkeit rann ihren Hals hinab und der Schnitt schmerzte wie Feuer. Benommen tastete sie nach der Wunde, fühlte warme Nässe und der metallische Geruch des Blutes stieg durchdringend in ihre Nase. Doch die Schramme schien nicht sonderlich tief zu sein, nur oberflächlich, gerade genug, um ihre Haut einzuschneiden und eine blutende Wunde zu öffnen. Aber sie war noch am Leben.
 

Sie war noch am Leben!
 

Und sie hatte sich nicht einmal in die Hosen gemacht.
 

„Was tust du!?“, konnte sie Erza wie aus der Ferne kreischen hören. „Du machst alles kaputt!“
 

„Nein, du machst alles kaputt!“, antwortete Natsu und die Erleichterung, die Lucy durchflutete, trieb weitere Tränen in ihre Augen. „Du machst die ganze Welt kaputt!“
 

„Aber ich brauche ihn! Ich brauche ihn! Ich muss ihn meiner Mutter schenken!“ Erzas Stimme überschlug sich und Lucy fühlte, wie ihre Arme sich mit Gänsehaut überzogen, und in ihrem Hinterkopf baute sich ein unangenehmer Druck auf. Dann riss sie sich endlich aus ihrer Schockstarre und rappelte sich auf. Die Hände um den Dolch legend durchtrennte sie ihre Fesseln – eine einfache Bewegung, so messerscharf war die Klinge. Währenddessen wandte sie suchend den Kopf.
 

Nur wenig entfernt von ihr rangen Erza und Natsu auf dem Boden rollend miteinander. Sie waren eng miteinander verschlungen, ihre Bewegungen ungestüm und abgehackt und keiner schien die Oberhand zu gewinnen. Doch schon einen Moment später rollte Erza sich herum, tat irgendetwas und plötzlich hockte sie hinter Natsu und hielt ihn im Griff. Ihr Arm war um seinen Hals geschlungen, so fest, dass sie ihm die Luft abschnitt. Natsus Gesicht wurde bereits rot und er zerrte an ihrem Arm, während sie ihren Druck verstärkte.
 

Lucys Blick fiel auf die Brechstange, die nur ein kleines Stück entfernt, und sie hechtete darauf zu, ohne überhaupt aufzusehen. Das Eisen fühlte sich kalt unter ihren Fingern an und sie riss sie hoch, während sie sich aufrappelte. Die Stange drohend erhoben stürzte sie auf die Kämpfenden zu, darum betend, dass sie sich nicht verschätzte und Natsu traf, während sie schon zum Schlag ausholte.
 

Doch Erza sah sie kommen und stieß einen wilden Fluch aus. Sie stieß Natsu in ihre Richtung, während sie sich selbst herumrollte und auf die Beine kam, um Platz zwischen sich und die Angreiferin zu bekommen. Lucy hielt inne und richtete ihre Waffe bedrohlich in Erzas Richtung.
 

Natsu hustete keuchend und sog gierig Luft ein, während er sich mit Hilfe des Altars aufrappelte. „Danke, das war knapp.“, brachte er zwischen den Atemzügen heraus. Seine Stimme klang noch rau, aber er sah schon viel besser aus als vor ein paar Sekunden. Darum ließ sie auch zu, dass er ihr die lange Brechstange abnahm. Er konnte damit mehr anrichten als sie und sei es nur aus schierer Kraft.
 

Erza währenddessen wich zu der Kiste zurück, auf der … noch immer das Schwert lag. Sie lächelte spöttisch, als sie es erreichte und die Waffe hochnahm. Mit einer geübten Bewegung entfernte sie die Scheide und warf sie achtlos beiseite. „Ihr solltet einfach aufgeben.“, erklärte sie und wies mit dem Schwert auf sie. „Das macht es einfacher für uns alle. Ihr habt sowieso keine Chance gegen mich.“
 

„Willst du mich verarschen?“, fragte Natsu und hob als Antwort seine Brechstange. Dann grinste er. „Das hier ist genug, um dich zu Brei zu schlagen.“
 

Erza lachte, ein erheitertes Geräusch am Rande des Wahnsinns. „Mit dem Ding willst du gegen mich antreten, eine ehemalige Weltmeisterin im Fechten?“ Sie lachte erneut.
 

Lucy schlug die Hände vor das Gesicht und warf einen besorgten Blick zu Natsu hinüber. Doch der verzog nur unwillig den Mund, seine Züge entschlossen und finster, die Brauen zu einer unerbittlichen Linie zusammengezogen. Er schob Lucy hinter sich, bis sie an den Altar stieß. Eisige Kälte kroch ihr Rückgrat hinauf und ihr Kopf begann zu pochen.
 

„Komm ihr nicht zu nahe.“, warnte er sie leise. „Aber mach dir keine Sorgen, ich krieg diese Tussi schon klein.“
 

Lucys Hände verkrampften sich um die Altarkanten und sie spürte, wie ihr Herz vor Angst schneller schlug. „La-lass uns einfach von hier verschwinden.“, schlug sie vor, während sie die Augen nicht von Erza wenden konnte. Die pirschte sich langsam näher heran wie eine Raubkatze an ihre Beute, ihre Schwert zum Angriff erhoben.
 

„Ihr glaubt nicht wirklich, dass ich euch so einfach gehen lasse, oder?“, wollte sie wissen und Lucys Blick huschte automatisch über Erzas Schulter zum dem Fabriktor hinüber, das einen Spalt offen war. Es schien der einzige Weg hinaus zu sein. Aber die Feindin stand zwischen ihnen und dem Durchgang.
 

„Das könnte euch so passen!“, knurrte die Rothaarige. „Ich muss das Opfer zu Ende bringen. Es hat bereits begonnen! Der Schlund öffnet sich!“
 

Erschrocken horchte Natsu auf. „Was?!“, verlangte er zu wissen und warf einen Blick zu Lucy, wie um sich zu vergewissern, dass sie noch lebte.
 

Doch statt einer Antwort griff Erza an. Sie war so schnell, dass Lucy erschrocken aufschrie und sich zur Seite warf, als die Klinge blitzartig auf Natsu herabfuhr. Dieser riss reflexartig sein Brecheisen hoch, so dass ein lautes, metallisches Klirren durch die leere Halle scholl, dissonant zurückgeworfen.
 

Erza löste sich sofort wieder von ihrem Gegner und schlug erneut zu, ihre Bewegungen fließend und geübt. Natsu dagegen reagierte nur, er führte sein Brecheisen mit beiden Händen wie einen Stock und was ihm an Eleganz und Können fehlte, machte er mir reiner Kraft und Schnelligkeit wett.
 

Zumindest versuchte er es, doch leider war das nicht genug. Selbst für einen Amateur wie Lucy war es offensichtlich, dass Erza ihm weit überlegen war. Sie hatte nicht gescherzt, als sie sich als ehemalige Weltmeisterin bezeichnet hatte. Ihre Schläge kamen schnell und präzise und oft genug konnte Natsu ihr nur im letzten Moment ausweichen oder ihren Schlag blocken. Bald war er von Schnitten und Kratzern übersäht, aus denen Blut auf den Boden spritzte, und seine Kleidung hing in Fetzen.
 

Lucy starrte die beiden aus weit aufgerissenen Augen an, den Rücken gegen den Altar gepresst und die Schmerzen in ihrem Kopf wurden immer stärker und drückender. Ihr Nacken und ihr Rücken war völlig verkrampft und kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Das Herz schlug ihr gegen die Brust, ein viel zu rasender Rhythmus wie Trommeln, die etwas Großes ankündigten.
 

Sie konnte sich nicht rühren, obwohl sie wollte. Irgendetwas musste sie doch tun können um Natsu zu helfen! Ihre Gedanken überschlugen sich hysterisch, während sie zusah, wie ihr Freund immer weiter zurückgedrängt wurde. Ihre Hände öffneten und schlossen sich nutzlos und ihre Nägel kratzten über den Betonboden, während eine kleine Ecke ihres Verstandes erkannte, dass sie am Rande eines Panikanfalls stand.
 

Als er aufschrie, als Erzas Klinge ihn traf, tiefer und härter als vorher, zuckte sie heftig zusammen. Sie musste ihm helfen! Ganz egal, was, sie musste irgendetwas tun. Automatisch bewegte sie sich, rappelte sich mit Hilfe des Altars auf, obwohl ihre Glieder ihr kaum gehorchten und die Kopfschmerzen ihr Übelkeit verursachten.
 

Ihr rechte Hand glitt über die glatte Oberfläche des Tisches und stieß dann gegen den Dolch. Für einen Moment starrte sie die weiße Klinge verständnislos an. Dann riss sie sie mit einem Ruck aus dem blutverschmierten Holz, so sie inmitten des Zauberkreises herausragte. Sie wandte sich um zu Natsu und Erza, die sich jedoch voneinander gelöst hatten und sich umkreisten wie zwei Raubtiere.
 

Die Kleidung der Rothaarigen sah zerknittert aus und hatte an einigen Stellen Flecke und sogar Risse. Ihr langes Haar hatte sich aus der sauberen Frisur gelöst und hing jetzt als langer Zopf über ihren Rücken, während Haarsträhnen unordentlich um ihr Gesicht fielen oder an der schweißüberströmten Haut klebten. In ihrem Gesicht bildete sich ein Bluterguss, der sich quer über ihre Wange zog, ihre Lippe war aufgeplatzt und über ihrer rechten Braue hatte sie eine Platzwunde, aus der frisches Blut lief. Sie wankte leicht, offensichtlich von dem Schlag gegen ihren Kopf. Hoffentlich hatte sie wenigstens eine gehörige Gehirnerschütterung!
 

Natsu sah weit schlimmer aus als sie; aus zahlreichen Schnitten und Schrammen tropfte Blut und er hatte ein blaues Auge, das immer mehr zuschwoll. Doch die schlimmste Wunde war an seiner Seite, gegen die er die Hand gepresst hielt. Rote Flüssigkeit quollt zwischen seinen Fingern hervor und Lucys Herz stolperte bei dem Anblick. Als wollte es vor Angst schneller schlagen oder gänzlich aussetzen, aber etwas Anderes würde es davon abhalten. Sie konnte es inzwischen bis in die Zehen spüren und in die Fingerspitzen und ihr Kopf pochte im selben Rhythmus, wie eine Ankündigung, ein Vorbote der Katastrophe.
 

„War das schon alles?!“, spottete Natsu und er grinste höhnisch, ungeachtet der Tatsache, dass er wankte wie ein Schilfhalm im Wind. „Wenn du wirklich an mir vorbei willst, musst du schon etwas mehr aufbringen! Du kannst ja gar nichts, du irre Kuh!“
 

Statt einer Antwort schrie Erza wutentbrannt laut auf und hob ihr Schwert mit beiden Händen über den Kopf. Noch immer martialisch schreiend stürzte sie nach vorne, doch Natsu wich mit einer flinken Bewegung zur Seite aus und schlug zu. Die Brechstange traf sie mit einer solchen Wucht direkt unter der Brust, dass Lucy erschrocken zusammenzuckte und vermeinte, Knochen brechen zu hören.
 

Erza stieß nur ein geradezu leises Uff! aus und stürzte zu Boden, wo sie einen Moment wimmernd liegen blieb. Natsu drehte sich um und hob seine behelfsmäßige Waffe für einen weiteren Schlag. Das kreischende Geräusch, als die Stange den Betonboden traf, schmerzte in Lucys Ohren und Funken sprühten in alle Richtungen davon. Natsu stieß einen Fluch aus, während Erza sich ein zweites Mal zur Seite rollte und sich dann aufrappelte.
 

„Gut gespielt.“, gab sie zu und grinste. Sie sah geradezu barbarisch aus, mit Blut im Gesicht, diesem wilden Blick und ihrem breiten Grinsen, das sie völlig wahnsinnig wirken ließ.
 

„Scheiße, man.“, fluchte Natsu und seine Hand, mit der er die Eisenstange erhoben hielt, zitterte. Er würde das nicht mehr ewig durchhalten, das sah Lucy mit einem Mal. Ihre Hand schloss sich fester um den Dolch, entschlossen, und dann ließ das Pochen in Lucys Körper mit einem Mal nach. Ihr Herz schlug plötzlich viel langsamer, noch einmal…
 

Zweimal…
 

Und
 

ein
 

drittes
 

Mal
 

Dann setzte es ganz aus, drei, vier Sekunden, während der ankündigende Rhythmus verklang und sie nur noch sein Echo spüren konnte. Dann schlug ihr Herz plötzlich weiter, stetig und gleichmäßig, ein dumpfes Dröhnen, das ihr bis in die Zehen und die Fingerspitzen drang, und Lucy wusste.
 

Es ist hier.
 

Dann war es plötzlich dunkler um sie herum, als wäre das Licht der Scheinwerfer mit einem Schlag zu wenig, und kälter, so dass ihr Atem in einer Wolke aus ihrem Mund drang und sich Frost über den Boden zog, rasend schnell. Über Lucy ragte ein riesiger Schatten auf, der von keinem Licht geworfen wurde. Er war mit einem Mal einfach da, erschienen zwischen zwei langsamen Herzschlägen.
 

Es war eine wabernde, unförmige Masse, reine Dunkelheit, die eine vage Gestalt hatte, hoch aufragend, mit zu vielen und zu beweglichen Armen und einem Maul voller Reihen um Reihen von nadelspitzen Zähnen. Unheimliche rote Augen saßen tief in dem, was sie für das Gesicht hielt, dämonisch und glühend.
 

Lucy starrte es an, ihr Verstand war zu klein und die Gestalt zu böse, zu verdreht, zu fremd, als dass sie den Anblick vollständig begreifen konnte. Sie war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, stolperte über die einfachsten Tatsachen und drehte sich im Kreis. Es war, als würde ihr Fokus ständig abrutschten, wie ein unscharfes Bild, eine Ahnung von etwas, das sie gar nicht begreifen wollte, denn darüber würde sie verrückt werden.
 

Ihr Kopf pochte stärker, ihr Schädel fühlte sich plötzlich zu klein an, zu eng, während ihr Hirn versuchte, etwas aus diesem Anblick zu machen. Sie sank zu Boden, der Beton hart unter ihren Knien, und der Dolch glitt nutzlos aus ihren Händen. Ihr Blick war noch immer auf das Gesicht der Kreatur gerichtet, ihre Augen weit aufgerissen, schmerzend und tränend, weil sie verlernt hatte, zu blinzeln.
 

Wie aus der Ferne konnte sie Erza lachen hören, hocherfreut. „Es hat funktioniert! Es hat funktioniert!“
 

Natsu brüllte etwas, doch keine Worte drangen zu Lucy durch, bis sie merkte, dass es nur Schmerzensschreie waren, gequält und entsetzt. Er wand sich auf dem Boden, als würde ihm das helfen, vor den Schmerzen zu fliehen, die aus dem Inneren kamen.
 

Lucy konnte das nachvollziehen, der Druck würde ihren Kopf platzen lassen, wenn er noch weiter zunahm. Sie fühlte sich bereits schwach, kurz vor der Ohnmacht, und alles verschwamm vor ihren Augen. Sie presste die Hände über die Ohren, als würde das etwas helfen, als würde das den Schwindel nehmen, und schrie.
 

„Er ist da! Er ist aus der Tiefe heraufgestiegen!“, triumphierte Erza und richtete ihre Klinge auf den Dämon. „Jetzt bist du mein! Nur noch einen Moment!“
 

Lucy konnte fühlen, wie sie näherkam, das Schwert erhoben zu dem letzten Schlag, der alles enden würde, während Schatten sich nach ihr ausstreckten. Ihre Schreie stiegen an zu einem schrillen Kreischen, aber sie konnte sich nicht davon abhalten, die Schrecklichkeit vor ihren Augen so unbeschreiblich, so abartig, so unbegreiflich, dass es ihren Verstand überstieg.
 

Das Geräusch, das Erzas Schuhe verursachten, als sie hinter sie trat, war viel zu laut und zu deutlich in ihren Ohren. Doch sie konnte sich nicht einmal dazu bringen, sich dafür zu interessieren, ihr Blick noch auf den Dämon gerichtet und sie konnte fühlen, dass Blut wie Tränen über ihre Wangen rann.
 

Aber dann war ihr Verstand auf einmal wieder klar, als hätte jemand eine Blockade zwischen sie und den Dämon geschoben. Ihrem Instinkt folgend stieß sie sich mit den Händen vom Boden ab und rollte sich zur Seite, nur am Rande realisierend, dass auch die Kopfschmerzen nachließen und schließlich erloschen.
 

Sie konnte den Luftzug spüren, als die Klinge an ihr vorbeisauste, und der Aufschlag der Schwertspitze spie Funken in alle Richtungen. Erza stolperte mit einem überraschten Geräusch nach vorne, das laut in der plötzlichen Stille klang.
 

Einen Moment später krachte Minerva mit einer solchen Wucht gegen den Dämon, dass er zur Seite stolperte. Er war etwa doppelt so groß wie ein Mann, stellte Lucy fest, und seine Gestalt wirkte jetzt fester, greifbarer, aber auch weniger fremd. So, als würde sie ihn durch einen Filter sehen, schoss es ihr durch den Kopf.
 

Das Ding hatte noch immer zu viele Arme, die jedoch eher wirkten wie Tentakel, und zu rote Augen, die in dem unförmigen Kopf glühten, und zu viele Zähne. Es stieß seltsame, rasselnde Geräusche aus, die nicht aus dieser Welt stammten und von Lucys Hirn nicht verarbeitet werden konnten.
 

Darunter mischte sich Minervas wildes, wütendes Knurren, ein schreckenerregendes, aber nicht unwillkommenes Geräusch. Sie hatte sich in der Kreatur verbissen und selbst ihr großer Körper, mehr denn je einem Löwen ähnlich, wirkte gegen die Masse des Dämons unbedeutend und klein.
 

Trotzdem schien sie einen Effekt auf ihn zu haben und wenn auch nur, dass er verwirrt durch die Gegend taumelte. Einer seiner wild herumschlenkernden Tentakel fuhr dabei auf den Altar nieder, der ächzend einen Riss bekam und leicht zusammensackte. Die Kerzen flogen in alle Richtungen davon, als der Fangarm wie eine Peitsche herumsauste.
 

Lucy wich mit einem erschrockenen Quietschen zurück. Erza dagegen reagierte gar nicht, sie starrte noch immer verdutzt auf ihre Schwertspitze. Dann wanderte ihr Blick nach oben zu der Hündin; sie schien nicht ganz zu begreifen, was vor sich ging.
 

„Steh auf, Natsu!“ Rogues Stimme brachte auch Lucy dazu, sich endlich zu fangen. Sie warf einen Blick zu dem Detektiv hinüber, der sich jetzt aus seiner kauernden Gestalt erhob. In einer Hand hielt er seine Brechstange, in der anderen einen Stein. Sie kam nicht einmal dazu, sich zu fragen, was er damit vorhatte, denn er schleuderte den Brocken bereits auf den Dämon.
 

Lucy schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wollte er unbedingt dieses fürchterliche Ding auf sich aufmerksam machen?! Doch anstatt es zu treffen, flog der Stein einfach durch schattenhafte Masse hindurch und schlug harmlos auf dem Hallenboden auf, um noch ein Stück zu rollen.
 

Natsu verzog den Mund zu einem unsagbar dummen Ausdruck und dann war plötzlich Rogue neben ihm, erneut gekleidet in seinen langen Mantel, den Soultaker in der Hand. „Das nutzt nichts.“, belehrte er Natsu und zog sein Katana. „Das Ding ist noch nicht komplett hier und wir müssen verhindern, dass er es schafft. Kümmer dich um die Beschwörerin.“
 

„Aber Minerva kann…“ Natsu zeigte auf die Hündin und Rogue stieß ihn in Erzas Richtung. „Später! Beeil dich, wir haben nicht sehr lange Zeit.“ Damit marschierte er mit raschen Schritten an dem anderen vorbei auf den Dämon zu.
 

„Aber…“, begann Natsu erneut, dann schüttelte er den Kopf und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Anscheinend hatte er beschlossen, dass es keine Rolle spielte, ob er über alles Bescheid wusste oder nicht. Trotz aller Animositäten zwischen ihm und Sting hatte er nie daran gezweifelt, dass der Hexer und seiner Partner vertrauenswürdig waren.
 

Wenn Lucy recht über die Situation nachdachte, musste Natsu sich an die beiden gewandt haben, nachdem sie selbst von Erza entführt worden war. Warum sonst sollten der Exorzist und die Hündin jetzt hier sein? Wie sonst hatte Natsu sie überhaupt gefunden?
 

Jetzt griff er seine Waffe wieder fest mit beiden Händen und konzentrierte sich auf Erza, während Rogue sich den Dämon vorknöpfte, der Minerva inzwischen abgeschüttelt hatte. Sie nahmen die Kreatur in die Zange, näherten sich wie zwei Wölfe ihrer Beute – nur das die Beute ein Bär war und nicht ohne einen Kampf aufgeben würde.
 

„Lucy, geht es dir gut?“, riss Natsus Stimme sie aus den Gedanken und sie sah zu ihm auf. Er war gar nicht mehr so weit weg. „J-ja.“, stotterte sie und Natsu schaute einen Moment zu ihr hinüber.
 

„Du blutest.“, stellte er fest und sein Blick zuckte kurz zu ihren Händen, ehe er ihn wieder fest auf Erza richtete. „Du solltest diesen Dolch richtig herum halten.“
 

„Huh?“, machte sie verwirrt und schaute auf ihre Hände hinunter. Tatsächlich hielt sie wieder die weiße Klinge, auch wenn sie gar nicht bemerkt hatte, wie sie sie gegriffen hatte, und das an der Schneide. Jetzt zogen sich blutende Schnitte kreuz und quer über ihre Handflächen und Finger und mit einem Schlag wurden ihr die beißenden Schmerzen bewusst. Erschrocken ließ sie die kurze Waffe fallen.
 

„Das werdet ihr bezahlen.“, zischte Erza. „Warum habt ihr alle meine Pläne kaputt gemacht!? Was soll das?“ Zuerst wurde ihre Stimme lauter, dann brach sie und Lucy hatte das Gefühl, dass nur noch ein kleiner Schubs fehlte, damit sie in verzweifelte Tränen ausbrach. „Was soll ich meiner Mutter denn jetzt schenken?!“
 

Natsu öffnete verdutzt den Mund zu einer Antwort, doch kein Ton drang heraus. „Wie wäre es mit einem Buch oder einem Essen oder sowas…? Oder Blumen?“, schlug er dann verwirrt vor und Lucy stieß ein abgehacktes Lachen aus ob der Absurdität der Aussage.
 

„Aber es muss das perfekte Geschenk sein!“, klagte Erza und dann wurde ihr Gesichtsausdruck geradezu mörderisch. „Und ihr habt es kaputt gemacht!“ Ihr Schlag folgte so schnell, dass Natsu im letzten Augenblick seine Brechstange hochriss. Das Schwert traf mit einer solchen Wucht darauf auf, dass er zwei Schritte zurückstolperte, und er musste sich mit aller Macht gegen sie stemmen. Seine muskulösen Arme zitterten unter der Anstrengung, trotzdem zwang sie ihn, Zentimeter um Zentimeter aufzugeben. Das weite Grinsen in ihrem Gesicht sprach von Triumph und ihre Augen leuchteten siegessicher.
 

Lucy rappelte sich auf und rannte los. „Nein, ni-!“, begann Natsu erschrocken, als er sie bemerkte, doch Lucy warf sich bereits nach vorne. Die Arme um Erzas Hüften schlingend takelte sie die Frau zu Boden.
 

Diese stieß wütendes Gebrüll aus und schlug zu. Ihr Schwert war auf diese Entfernung zum Glück völlig nutzlos, doch ihre Fäuste waren auch so stark genug. Lucy schrie unter den schmerzhaften Hieben auf und verbiss sich in Erzas Arm, bis sie Blut schmeckte. Auch wenn sie versuchte, ihr gesamtes Körpergewicht einzusetzen, so war ihr doch klar, dass sie Erza nicht ewig am Boden halten konnte, nicht einmal sonderlich lange. Nicht einmal die gebrochenen Rippen schien die Rothaarige zu spüren, zu weit vorangeschritten war sie in ihrem Wahn.
 

Sie stieß Lucy brutal von sich und rappelte sich auf die Knie auf. Lucy hob erschrocken beide Arme, um sich zu schützen, doch Erzas Faust traf sie ein letztes Mal, direkt unter dem Kinn. Der Schlag schleuderte sie zurück, so dass sie hart auf dem Betonboden krachte, so dass ihr alle Luft aus den Lungen getrieben wurde.
 

Doch ehe die andere Frau nachsetzen konnte, war Natsu auf einmal wieder da und drosch mit seiner Eisengstange auf Erza ein. Die brachte in der letzten Sekunde ihr Schwert herum und lenkte den Stoß ab, trotz ihrer unvorteilhaften Position am Boden. Aber er ließ nicht eine Sekunde lang nach, hieb erneut zu, so dass Erza nichts anderes tun konnte, als sich zurückzuwerfen und verzweifelt zu versuchen, auf die Beine zu kommen.
 

Ihr Schwert war ihr eine Hilfe, doch Natsu hatte einfach eine bessere Position und als er die Stange mit einem heftigen, beidhändig geführten Schlag nach unten brachte, riss sie reflexartig ihren Arm hoch. Lucy konnte hören, wie ihr Knochen unter der Wucht des Aufschlags brach.
 

Erza schrie auf und wurde auf den Boden zurückgeschleudert. Das Schwert fiel ihr klirrend aus der Hand und für einen Moment lag sie einfach nur da, die roten Haare auf dem Boden ausgebreitet wie ein blutiges Tuch. Ihr Zopf musste sich während des Kampfes gelöst haben und sie atmete schwer, ihre Schultern zuckten…
 

Erschrocken stellte Lucy fest, dass sie weinte, lautlos und verzweifelt und vielleicht war es das, was Natsu zum Einhalten brachte, während ein Stück entfernt der Kampf gegen den Dämon noch immer wütete. Erza wimmerte und schluchzte und murmelte zusammenhangslose Sätze vor sich hin, die beinahe untergingen in Minervas wildem Knurren und Krachen und Bersten, die zu ihnen herüberdrangen.
 

Viel verstehen konnte Lucy nicht, nur dass sie von ihrer Mutter sprach, diese sie niemals lieben würde und davon, dass alles vergebens war. Mit einem Mal tat sie ihr leid. Was war das nur für eine Mutter, die ihr eigenes Kind denken ließ, einen Dämon zu beschwören war die einzige Möglichkeit, von ihr geliebt zu werden?! Was für ein Monster konnte man sein? Am liebsten wollte sie aufstehen und zu Erza hinübergehen, um sie in die Arme zu nehmen.
 

Stattdessen wich sie auf dem Hosenboden rutschend noch ein Stück weiter zurück, bis sie erneut die Klinge des Dolches unter ihrem Handballen fühlte. Im gleichen Moment holte Erza tief und zitternd Luft und richtete sich auf. „Ich…“, begann sie und blickte zu Natsu hoch.
 

Der stand schwer atmend über ihr, die Brechstange gen Boden gerichtet. „Es ist vorbei.“, erklärte er ihr.
 

Erza blinzelte gegen das Scheinwerferlicht, ihr Gesicht resigniert. Sie presst vorsichtig ihr gebrochenes Handgelenk gegen ihren Körper. „Ich wollte nur… ich wollte nur…“ Sie schniefte und zog die Nase hoch, den Blick in ihren Schoß gerichtet. Erneut holte sie tief Luft und blieb still sitzen, so dass Lucy es wagte, den Blick von ihr abzuwenden zu Rogue und Minerva hinüber.
 

Obwohl die beiden zusammenarbeiteten wie eine gut geölte Maschine, kampferprobt und ausgeruht, konnte man sehen, dass sie Probleme hatten, dem Monster Einhalt zu gebieten. Die Tentakel schlugen nach ihnen wie Peitschen, doch zielgerichteter und stärker und mit der Möglichkeit, mitten in der Bewegung die Richtung zu ändern. Die beiden duckten sich und wichen aus und sprangen blitzartig für eine Attacke nach vorne, um zuzuschlagen.
 

Der Boden war an einigen Stellen aufgerissen, der Altar inzwischen umgekippt und zerstört und Brandspuren zogen sich über den Beton. Eine der Metallstreben war völlig verbogen. Doch der Dämon bewegte sich schnell und auf eine Art verwirrend, die schwer zu fassen war. Zudem schienen die Angriffe ihn nicht so tief zu treffen, wie es sein sollte…
 

Lucy nahm den Dolch auf und fragte sich, ob sie helfen konnte. Oder ob Natsu helfen konnte. Oder… Wie würden sie das Monster überhaupt losbekommen? Sie hatten Erza besiegt, aber das beendete nicht auf magische Weise den Kampf gegen den Dämon. Ob der Soultaker ihn töten konnte…?
 

Lucy rappelte sich endlich auf die Beine und klopfte sich eher aus reiner Gewohnheit als sonst etwas den Dreck von der Hose. „Einen Dämon zu beschwören beendet deine Probleme nicht.“, bemerkte sie und blickte Erza an.
 

Die stieß ein Schnauben aus. „Du weißt gar nichts!“, zischte sie, ihre Worte ein Echo von vorhin. Ihr Blick huschte von Lucy zu Natsu und ihre Augen verengten sich. „So leicht werde ich mich nicht geschlagen geben! Bis zum letzten Atemzug…“ Ihre Stimme verklang und ihre unverletzte Hand schloss sich um den Schwertgriff.
 

Sie sprang mit einem Satz auf die Beine und Natsu schrie erschrocken auf, als das Schwert auf ihn zuschnellte. „Hey-!“ Er tänzelte zur Seite. „Du kannst in diesem Zustand doch nicht mit mir kämpfen!“
 

„Dann pass mal gut auf!“ Erneut drang sie mit einer Serie aus raschen Hieben und Stichen auf Natsu ein. Ihre Schläge, jetzt nur noch einhändig geführt, waren offensichtlich nicht mehr so kräftig, die Bewegungen langsamer und sie musste ihr Handgelenk schützen. Das machte den Kampf ausgeglichener, so dass er sich nicht mehr so leicht herumscheuchen ließ.
 

Lucy sollte ihm helfen. Sie sollte wieder Erzas Aufmerksamkeit auf sich reißen oder zumindest einen Moment ablenken. Sie sollte irgendetwas tun. Doch Erzas Blick huschte kurz zu ihr, ein gerissenes Lächeln auf den Lippen.
 

Und Lucy wusste mit einem Mal, dass sie genau das erwartete. Die Rothaarige hatte einen Plan, wie sie die Situation doch noch herumreißen konnte, wie sie ihre unliebsamen Gegner beide gleichzeitig ausschalten konnte. Sie wartete nur darauf, dass Lucy in den Kampf eingriff.
 

Also wirbelte sie herum und schleuderte den Dolch auf den Dämon. Sie wusste nicht, woran es lag – vielleicht war es Schicksal, vielleicht war es Zufall. vielleicht war es eine göttliche Fügung.
 

Vielleicht war es einfach nur Glück.
 

Es war auf keinen Fall Können, denn sie hatte noch niemals ein Messer geworfen. Doch was auch immer es war, ihr Wurf trug die Klinge über den zerstörten Altar hinweg und sie landete mit der Spitze voran in dem schattenhaften Körper des Dämons. Die unheilige Kreatur stieß ein heulendes Kreischen aus. Alle ihre Tentakel zuckten unkontrolliert und ihre Ränder waberten plötzlich.
 

Rogue und Minerva wichen hastig zurück und keinen Moment zu früh, denn der Dämon implodierte. Er fiel einfach in sich zusammen, wurde schmaler und kleiner, und nach einem winzigen Moment detonierte er. Eine Druckwelle trieb Staub und Dreck vor sich her und warf sie in Lucys Gesicht. Sie katapultierte Minerva einige Meter tiefer in die Halle hinein, wo sie geräuschvoll aufschlug und einige Meter rutschte, und schleuderte Rogue gegen eine der Metallstreben.
 

Dann war der Dämon weg, so schnell und spurlos, wie er gekommen war. Einzig der Dolch blieb zurück und fiel mit einem hellen Klirren auf den Boden.
 

„Nein…!“, jammerte Erza auf und Natsu nutzte ihre Unaufmerksamkeit und schlug zu. Der Rückhandschlag traf Erza vor die Brust und schleuderte sie nach hinten, so dass sie mit einem dumpfen Geräusch auf dem Beton aufkam. Diesmal blieb sie reglos liegen, den Kopf zur Seite gerollt, das Gesicht unter rotem Haar verborgen.
 

„Scheiße!“, entfuhr es Natsu und er sprang nach vorne. Mit einem Fuß trat er das Schwert beiseite, das zwei Meter über den Boden schlitterte, und fiel neben ihr in die Knie. Seine Finger zitterten, als er nach ihrem Puls tastete, und sein Gesicht wurde dabei immer blasser.
 

„I-ist sie…?“, begann Lucy und trat zögerlich näher.
 

„Ich wollte sie doch nicht tö-“ Er hielt mitten im Satz inne und die Erleichterung stand offen in seinem Gesicht. „Sie lebt noch.“
 

Auch Lucy atmete befreit auf, wenigstens das! Trotz allem wollte sie nicht Erzas Tod. Eine Leiche mehr würde all die Ereignisse auch nicht ungeschehen machen.
 

„Geht es dir gut?“, wollte Natsu wissen und trat auf sie zu. Er sah fürchterlich aus, seine Kleidung zerfetzt und rot getränkt, Blut im Gesicht, das Auge inzwischen komplett zugeschwollen und seine Seite blutete immer noch. Und das erste, was er tat, war sie zu fragen, ob es ihr gut ging.
 

Ihr traten Tränen in die Augen und sie stolperte ihm entgegen. „Ja. Ich bin… ja. Ja. Aber du…“
 

Er grinste halbherzig und winkte ab. „Ach, ich hab schon schlimmeres durchgemacht. Da war mal so ein Arschloch, der…“
 

Aber Lucy wollte nichts davon hören, nicht von irgendwelchen Typen und noch weniger davon, wie er übler zugerichtet wurde als das hier. Als sie ihn erreichte, griff sie nach seinem Gesicht, das rau und schmutzig unter ihren zerschnittenen Fingern war und presste ihm die Lippen auf den Mund.
 

Natsu stieß einen erstaunten Laut aus und erstarrte mitten in der Bewegung. Er schmeckte nach Staub und Blut und Sieg und seine Lippen waren erstaunlich weich unter ihren. Sie küsste ihn mit aller Macht, die sie aufbringen konnte, verzweifelt und hoffnungsvoll zugleich, beinahe trunken von dem Gedanken, dem Tod und dem Dämon von der Schippe gesprungen zu sein, und davon, Natsu zu küssen.
 

Als er die Lippen sachte bewegte, den Kuss erwiderte, war es um sie geschehen und es fuhr wie ein Blitz durch ihren Körper, ein warmes Gefühl, das ihr noch weitere Tränen in die Augen trieb. Dann schlagen sich seine Hände um ihre Hüften und er zog sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen.
 

Lucy konnte sich keinen besseren Kuss vorstellen.
 


 

~~*~~☠~~*~~
 


 

Warmes Morgenlicht drang durch die Fenster in das große Wohnzimmer und malte goldene Flecke auf den Boden. Es roch nach Kaffee und im Hintergrund spielte leise Musik, irgendein Instrumentalstück, das Lucy vage bekannt vorkam. Die Atmosphäre war so beruhigend und friedlich, dass sie sich automatisch entspannte.
 

Minerva, die sie an der Tür abgeholt hatte, tapste an ihnen vorbei und ließ sich vor der Balkontür auf den Teppich fallen, um alle Viere von sich zu strecken. Sting saß wieder auf seinem Sofa, ein geradezu vertrauter Anblick. Allerdings war die Unordnung um ihn herum verschwunden, einzig ein in reinweißes Leder geschlagenes Buch lag vor ihm auf dem Tisch, daneben eine Schüssel Kekse sowie ein schneeweißer Dolch.
 

Er verdrehte die Augen, als er sie kommen sah, wies aber mit dem Kopf auf die Sessel. „Setzt euch.“ Dann setzte er sich gerader auf und brüllte: „Hey, Rogue, wir haben Besuch!“
 

„Du siehst ziemlich scheiße aus.“, bemerkte Natsu, als er sich in den angebotenen Sitzplatz fallen ließ. Lucy warf ihm einen rügenden Blick zu, während sie es ihm gleichtat, doch anscheinend konnte er es nicht lassen.
 

Aber tatsächlich hatte er recht – Sting hatte tiefe Ringe unter den Augen, seine Haut wirkte grau und er sah müde aus, als wäre er letzte Nacht auf Achse gewesen, was natürlich nicht sein konnte. Yukino, die neben ihm auf der Couch lag und schlief, wirkte ähnlich mitgenommen, soweit das in ihrer zusammengerollten Stellung erkennbar war.
 

„Du solltest mal in den Spiegel sehen.“, spottete Sting zurück und musterte Natsu eingehend. Dessen Gesicht war mit Pflastern übersäht, das eine Auge noch blau und grün, und er bewegte sich mit der gebührenden Vorsicht von Jemandem, der einen ziemlich heftigen Schwerthieb in die Seite eingefangen hatte.
 

Dann wanderte Stings Blick zu seinem zweiten Gast. „Du siehst auch ziemlich mitgenommen aus, Tittenwunder.“
 

„Weiß du, dass du eine sehr seltsame Art hast, Zuneigung auszudrücken?“, grummelte Lucy, die es bevorzugte, nicht bei diesem Namen genannt zu werden. Sie blickte auf ihre eingewickelten Hände hinunter, sich noch gut an die Tortur erinnernd, die es gewesen war, all diese Schnitte zu desinfizieren.
 

Doch außer diesen, dem Kratzer am Hals, den aufgeschürften Handgelenken und ein paar blauen Flecken ging es ihr gut. Sie hatte heute erstaunlicherweise ausschlafen können; sogar Michello hatte eingesehen, dass sie ein paar freite Tage verdient hatte nach dieser nervenaufreibenden, verstörenden Nacht.
 

„Oh, ihr seid es bloß.“, ertönte Rogues Stimme hinter ihnen und er trat lautlos in ihr Blickfeld. Von ihnen allen – Minerva ausgenommen, der man überhaupt nicht ansah, dass sie noch vor zwei Tagen mit einem Dämon gekämpft hatte – sah er am wenigsten mitgenommen aus. Sicher, da war ein sichtbarer Schmiss auf seiner Wange und er hinkte ein bisschen, aber ansonsten wirkte er frisch und ausgeruht. Jetzt ließ er sich neben Sting auf das Sofa fallen, so dass ihre Knie sich aneinanderpressten.
 

„Was soll das denn bedeuten?“, motzte Natsu und natürlich war es Sting, der erklärte: „Dass wir uns besseres vorstellen können, als unsere Zeit mit dir zu verschwenden?“
 

„Ach, fick dich.“, raunzte Natsu, doch in seiner Stimme fehlte der rechte Ärger.
 

„Wir wollten euch nur berichten, wie es weiterging.“, erklärte Lucy, ehe die beiden sich in kindischem Gezanke ergingen. „Und noch ein paar Fragen klären.“
 

„Nachdem Rogue nach dem Kampf so schnell verschwunden ist…“, warf Natsu grummelnd ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Manchmal benahm er sich wirklich wie ein kleines Kind, was überraschend liebenswert auf sie wirkte. „Und wir mussten uns mit den Bullen rumschlagen!“
 

Rogue verdrehte die Augen. „Du weißt genau, dass wir uns vor den Behörden fernhalten. Außerdem wäre ich bei der einen oder anderen Sache in Erklärungsnot geraten.“
 

„Jaja.“, murmelte Natsu und Lucy warf rasch ein: „Und vielen Dank für deine Hilfe!“
 

„Die haben das nicht umsonst gemacht!“, fuhr der Detektiv auf und Sting grinste ihn an. „Du wärest dann vor Überraschung ohnmächtig geworden und das konnten wir nicht riskieren.“
 

„Trotzdem! Wir hätten das kaum ohne dich geschafft.“
 

Rogue winkte ab. „Was ist aus Scarlet geworden?“
 

„Sie ist ziemlich still…“, bemerkte Lucy und dachte an die Nacht und vor allem die Ereignisse nach dem Kampf zurück. Sie hatte noch das Geheul der Sirenen im Ohr, als die Polizei endlich eingetroffen war.
 

Die Beamten waren ausgeschwärmt, hatten Erza in Gewahrsam genommen, Krankenwägen gerufen, Spuren gesichert und erste Aussagen von den ‚Zeugen‘ aufgenommen. Sie hatten eine sehr überzeugende Geschichte zu hören bekommen, der nicht einmal Erza widersprochen hatte. Was wirklich geschehen war, würden sie nie erfahren.
 

„Sie hat gebrochene Rippen und ein gebrochenes Handgelenk“, erklärte Natsu leichthin „außerdem eine leichte Gehirnerschütterung. Also nichts Lebensbedrohliches, sie wird es überstehen. Im Moment ist sie im Krankenhaus, aber nachdem die Ärzte sie freigeben, bringen sie sie ins Gefängnis rüber.“
 

Er fuhr sich durch die Haare. „Ich hab gestern mit Macao gesprochen, anscheinend wurden ihre Fingerabdrücke am Tatort des Mordes von Reisha Whiteday gefunden, inklusive auf der Tatwaffe. Zumindest dafür wird man sie belangen können, wenn schon nicht für die Morde an den anderen drei. Dazu kommt noch Entführung und versuchter Mord an Lucy. Er meinte auch, dass es so aussieht, als wollte sie gestehen und ihre Strafe akzeptieren. Könnte aber trotzdem sein, dass sie reduzierte Zeit bekommt, die ganze Dämonen-Beschwörungs-Sache ließ sich mit dem Altar und allem nicht so einfach unter den Teppich kehren.“
 

Lucy seufzte. „Ich weiß, dass sie vier Leute umgebracht hat und mich auch töten wollte, aber sie tut mir leid.“ Jetzt bekam sie drei erstaunte Blicke ab und hob entschuldigend die Schultern. „Ihr hab sie nicht gehört, als sie über ihre Mutter sprach. Sie hat das nicht aus Bösartigkeit getan.“
 

„Na und?“, grummelte Natsu. „Der Punkt ist, dass sie es getan hat!“
 

„Ich sag ja nicht, dass sie ohne Strafe davonkommen soll.“, verteidigte Lucy sich.
 

Sting räusperte sich. „Was das angeht… Ich hab ein wenig herumtelefoniert und herausgefunden, wer sie ist. Erza Scarlet, früher bekannt unter dem Namen Erza Belserion, ist eine Baccalaurea der dritten Stufe.“
 

„Was?“, entfuhr es Lucy.
 

„Sie ist eine einfache Magierin, nicht einmal Magistra.“, erklärte Sting und seine abfällige Tonart zeigte, dass sie nicht einmal annähernd in seiner Liga spielte. „Und die dritte Stufe ist nicht sonderlich hoch. Ihre Mutter, Eileen Belserion, hat nur wenig mehr drauf, eine Baccalaurea der fünften Stufe. Allerdings ist sie eine erfolgreiche Dämonologin und hat inzwischen ein ganzes Heer von Dämonen unter sich, die ihrem Befehl folgen. Das riecht mir geradezu nach Machthunger. Ihre Tochter geriet da vermutlich zwischen die Fronten und um ihre Mutter zufriedenzustellen, hat sie sich auf dieses gefährliche Spiel mit dem Hohen Dämon eingelassen.“ Er runzelte die Stirn. „Apropos…“ Sein Blick richtete sich direkt auf Lucy. „Dieser Dämon…“
 

„Ja…?“, wollte sie wissen, als er nicht weitersprach, und Natsu raunzte: „Raus mit der Sprache.“
 

„Er… Glaubt nicht, dass er tot ist. Ihr habt ihn nur zurück in seine Welt gestoßen, die er nie ganz verlassen hat. Vielleicht ist er etwas angeschlagen, aber er ist ganz sicher nicht tot.“ Der Blick des Hexers wanderte zu dem Dolch auf dem Tisch. „Das Ding hat seine eigenen magischen Fähigkeiten und offen gestanden habe ich keine Ahnung, warum Scarlet ausgerechnet diese Waffe als Ritualdolch benutzt hat. Er ist durchdrungen von Weißer Magie, die im Grunde die Antithesis von Dämonologie ist.“
 

„Ich gehe davon aus, dass sie etwas in ihrem Unterbewusstsein sich völlig klar darüber war, dass das, was sie tat, falsch war.“, warf Rogue ein. „Oder der Dolch sollte ihre eigene Verteidigung sein, wenn etwas schiefginge.“
 

„Aha…“ Lucy verschränkte die Finger im Schoß. „Aber was hat das mit mir zu tun?“
 

Stings Blick war noch immer ernst. „Der Dämon hat dein Blut gekostet.“
 

„Mein Blut…?“ Lucy runzelte die Stirn und sie tastete automatisch nach dem Schnitt an ihrem Hals.
 

Sting nickte. „Als es auf den Altar getropft ist, hat es den Weg für den Dämon geebnet, sozusagen das Portal in die Tiefe geöffnet. Darum konnte er übertreten. Hätte er dich verschlungen, hätte er die Grenze gänzlich durchbrechen können, aber zum Glück war das nicht der Fall. Allerdings… Das Blut ist sehr wichtig in der Magie. Es wird nicht umsonst Lebenssaft genannt und unter anderem ist die Verbindung zum Innersten ein jeder Kreatur. Der Dämon hat dein Blut gekostet und damit deine Seele und er wird nicht lockerlassen, bis er dich verschlungen hat.“
 

„WAS?!“ Entsetzt starrte Lucy ihn an.
 

„Nun ja, im Moment ist er noch in der anderen Welt und der Übertritt ist nicht leicht. Du bietest ihm jetzt eine Möglichkeit dafür, eine Art Hintertür, auch ohne das vollständige Ritual. Er hat Mittel und Wege, unsere Welt zu beeinflussen und er will dich.“
 

„A-aber…“ Sie warf einen hilflosen Blick zu Natsu hinüber, der Sting wütend anstarrte. „Musst du ihr so Angst machen?!“
 

„Ich will nur, dass sie vorbereitet ist! Pass auf, Lucy.“ Wieder wandte Sting sich eindringlich an sie. „Ich hab einen Freund gebeten, dass er sich deine Situation ein wenig ansieht und dir hilft. Schutzzauber über dein Haus, ein Abwehramulett, das du stets tragen kannst, solche Dinge. Rufus ist ziemlich gut mit diesen Sachen, einer der besten, die du finden kannst.“
 

„Vermutlich kostet das extra.“, murmelte Lucy dumpf, aber Geld war das letzte, an das sie jetzt dachte. Allein bei dem Gedanken an den Höheren Dämon, in dessen Gesicht sie geblickt hatte, wurde ihr kalt und ihr Innerstes erstarrte.
 

„Ja, aber das alles ist auch nicht billig und erschöpft ganz schön. Er ist sein Geld auf jeden Fall wert.“
 

„A-also gut. Danke.“ Die Worte waren ehrlich gemeint, aber richtige Erleichterung kam nicht auf. Nicht, wenn sie an das Monster dachte und seine unverständliche Fremdheit und daran, dass es sie verschlingen wollte, wie Sting sich ausdrückte. Sie holte tief Luft und verdrängte den Gedanken. Wenn sie es nicht tat, würde sie darüber verrückt werden, da war sie sich sicher.
 

„Apropos Erschöpfung, was hast du eigentlich angestellt?“, warf Natsu ein, vermutlich um die Sprache auf ein anderes Thema zu lenken. „Du siehst so erschöpft aus, als wärest du einen Marathon gerannt.“
 

Sting starrte ihn finster an. „Ich hab nur meine gesamte Magie verbraucht, um deinen mickrigen Verstand vor dem Dämon zu bewahren. Nicht, dass es da wirklich viel zu schützen gibt.“ Er grinste. „Lucy, Rogue und Minerva auch. Ansonsten hättet ihr früher oder später alle den Verstand verloren. Eher früher, vor allem du.“
 

Natsu starrte ihn einen Moment stumm an. „Oh.“, brachte er schließlich hervor.
 

Lucy runzelte die Stirn. „Ach, darum.“, sagte sie dann und erinnerte sich an den Moment zurück, an dem der Anblick des Dämons sie auf einmal nicht mehr so fürchterlich beeinflusst hatte.
 

„Viel länger hätte ich das aber nicht durchhalten können.“, gab Sting zu.
 

Lucy fiel etwas anderes ein: „Und Erza? Er hat nicht so auf sie gewirkt wie auf uns.“
 

„Ich kann nur vermuten, dass die Beschwörung selbst sie bereits immun gemacht hat. Oder ihr Hirn war schon so verquirlt, dass der Dämon in dieser Hinsicht gar nichts mehr tun musste.“
 

Für eine Weile verfielen sie alle in Schweigen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Lucy dachte an Erza und ihr trauriges Schicksal, das sie zu so schrecklichen Taten getrieben hatte. Aber etwas störte sie trotzdem an all dem. Das konnte doch nicht alles sein. Erza hatte schon vor der eigentlichen Beschwörung seltsames, wirres Zeug von sich gegeben. Oder war das nicht der erste Versuch? Oder gab es eine längere Vorbereitungszeit, die Lucy gar nicht mitgekriegt hatte? Oder war es etwas ganz anderes…?
 

„Apropos“, riss Sting sie aus den Gedanken „wisst ihr, welches Buch sie für die Beschwörung verwendet hat? Diese Rituale findet man nicht in einem gewöhnlichen Zauberbuch.“
 

„Äh, also…“ Natsu rutschte unbehaglich auf seinem Sessel herum. „Ich hab versucht, das unauffällig von Macao herauszubekommen, aber anscheinend war da kein Buch, nur ein paar Seiten von handgeschriebenen Notizen.“
 

„Sie hat es mir aber gezeigt.“, warf Lucy ein. „Es war ziemlich groß und es war… nicht gut.“
 

„Was soll das denn bitte heißen?“
 

Lucy holte tief Luft und dachte an das grässliche Buch zurück. Sie fragte sich, wo es war und wie es aus der verlassenen Fabrik verschwunden war. Aber irgendwie wunderte es sie gar nicht.
 

Stockend versuchte sie, das Gefühl zu beschreiben, dass sie bei seinem Anblick überkommen war. Die drei Männer wechselten besorgte Blicke und allein die Tatsache, dass Natsu und Sting sich über etwas einig war, ließ sie stutzig werden. „Was ist es?“, wollte sie wissen.
 

Überraschenderweise kam die Antwort nicht von Sting oder Rogue, sondern von Natsu. „Es ist das Necronomicon. Das echte.“ Seine Stimme klang erstickt.
 

„Woher weißt du von dem Necronomicon?“, wollte Rogue wissen, seine Stimme eher neugierig als spöttisch.
 

Natsu zuckte unbehaglich mit den Schultern. „… ich habe eine Abschrift.“, murmelte er nach einem Moment und Sting klappte die Kinnlade herunter.
 

„Weißt du, wie gefährlich das Ding ist?“, fuhr Rogue auf.
 

„Ja!“, fauchte der Detektiv zurück. „Ich bin nicht dumm, okay? Das Ding war bei den Fallunterlagen von meinem Vater, seinem letzten Job. Ich hab keine Ahnung, was er damit angestellt hat, aber ich kann es nicht einfach wegwerfen, es könnte noch wichtig sein! Falls es dich beruhigt, es ist in einer Box versiegelt und ich hab es nie angefasst.“
 

„Das beruhigt mich tatsächlich. Nur weil es nur eine Abschrift ist, heißt es noch lange nicht, dass es ungefährlich ist.“
 

„Gefährlich? Das Buch…?“, fragte Lucy. „Was genau ist dieses Necronomicon?“ Erneut wechselten die Männer einen Blick.
 

„Ein Buch für Dämonenbeschwörung, eigentlich.“, erklärte Sting dann. „Dämonologie ist keine Magie, jeder Idiot auf der Straße kann das theoretisch mit der richtigen Anleitung tun. Aber das Necronomicon… Es ist das älteste und stärkste all dieser Bücher und es heißt, ein Dämon selbst hätte es geschrieben und dass es nicht aus unserer Welt stammt. Für Menschen ist es extrem gefährlich, da es die Gedanken verdreht, den Verstand verstört und den Leser auf den falschen Weg führt. Man tut Dinge, die man vorher nicht einmal in Betracht gezogen hätte.“
 

Natsu fügte schlicht hinzu: „Es macht wahnsinnig.“
 

„Es war auch über Jahrhunderte verschwunden.“, bemerke Rogue. „Es kommt und geht, wie es will. Kein Wunder, dass es nicht mehr da war, als die Polizei die Beweise sicherte.“
 

„Oh… Also ist das Buch der Grund, warum Erza das überhaupt alles gemacht hat?“
 

„Vermutlich hat es ihre bestehenden psychologischen Probleme noch verstärkt, ja.“
 

„Oh man.“ Lucy rieb sich frustriert durch das Gesicht. „Und wo ist es jetzt…?“
 

„Das ist eine gute Frage.“, murmelte Sting. „Ich werde die Nachricht über sein Auftauchen an den Hexenrat weiterleiten. Mehr können wir im Moment nicht tun.“
 

„Und Erza? Ist sie noch zu retten?“
 

„Jetzt, da sie nicht mehr im Umkreis von dem Ding ist, sollte seine Wirkung auf sie nachlassen.“, erklärte Rogue. „Vermutlich wäre es das Beste, sie einem Reinigungsritual zu unterziehen, aber das ist in ihrer Lage nicht möglich. Sie wird alleine zurechtkommen müssen. Je nachdem, wie stark sie mental ist, wird sie es schneller verwinden. In ein paar Jahren sollte der Einfluss des Buches ganz verschwunden sein.“
 

„Aber Erza ist dann noch immer im Gefängnis.“ Lucy nickte bedauernd. All diese Enthüllungen im Nachhinein brachten ihren Kopf zum Schwirren. Wenn sie mehr Zeit und Ruhe hatte, würde sie über all dies noch tiefer nachdenken, aber jetzt hatte sie erst einmal genug. Sie blickte auf. „Das wär’s von unserer Seite aus. Wollt ihr noch etwas wissen?“
 

„Nein, verpisst euch.“, antwortete Sting sofort und Lucy verdrehte die Augen. Diese Reaktion hätte sie sich denken können!
 

„Hier, nimm das mit.“ Der Hexer warf ihr den Dolch in den Schoß, den sie mit einem Aufschrei reflexartig von sich warf. Er schnaubte abfällig und sie funkelte ihn an. „Was soll ich denn damit anstellen?“
 

Er zuckte mit den Schultern. „Den Dämon erstechen, wenn er dich holen kommt?“
 

Sie starrte ihn wütend an. „Darüber macht man keine Witze!“, fauchte sie, aber sie bückte sich hastig, um die Klinge aufzuheben. Besser als gar nichts war sie allemal. Vielleicht fand sie jemanden, der ihr ein paar Moves damit zeigen konnte, das würde ihr ebenfalls nicht schaden. Der Dämon würde sich wundern, wenn er kam und ein leichtes Opfer erwartete, jawohl! Sie würde ihm schon ihre Zähne zeigen!
 

Sie schob die Klinge in ihren Gürtel und erhob sich. „Danke noch einmal für eure Hilfe. Auch wenn sie nicht ganz billig war.“, fügte sie hinzu. „Und wegen dem Gefallen…“
 

„Wir werden auf dich zurückkommen.“, antwortete Sting und blickte dann zu Natsu. „Auf dich auch.“
 

„Jaja.“, grummelte der und erhob sich ebenfalls. Lucy runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Sie konnte sich denken, wofür er den Gefallen bezahlen musste.
 

„Und lasst euch nicht mehr so bald hier blicken.“, grummelte Sting mit einer scheuchenden Handbewegung.
 

„Du mich auch.“, antwortete Natsu, folgte der Aufforderung allerdings.
 

Rogue brachte sie zur Tür, wo sie wieder in ihre Schuhe schlüpften. Doch als Lucy die Tür aufstieg und in den sonnigen Vorgarten trat, hielt Rogue ihren Begleiter auf. „Natsu, auf ein Wort.“
 

Der zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Was ist?“
 

Doch der Exorzist zog ihn zur Seite und sprach eindringlich auf ihn ein, zu leise, als dass Lucy auch nur ein Wort verstehen konnte. Sie runzelte die Stirn, als Natsu ihr einen Blick zuwarf. Doch dann nickte er, die Brauen zusammengezogen. Nach einigen weiteren Worten löste er sich endlich von Rogue und trat zu ihr in die Sonne hinaus.
 

„Was wollte er?“, fragte sie, während sie den Weg hinuntergingen.
 

„Ach, nicht so wichtig.“, winkte Natsu ab, doch sein Tonfall sagte ihr, dass er log.
 

Sie runzelte die Stirn, beschloss aber, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Für jetzt. Im Moment hatte sie wirklich schon genug auf dem Teller und sie vertraute Natsu. „Und was passiert jetzt?“, wollte sie wissen, als sie unter dem Torbogen hinaustraten.
 

Während der paar Tage, die sie miteinander verbracht hatten, hatte sie gar nicht daran gedacht, dass sie sich kaum kannten. Dass sie nicht einmal Freunde waren, trotz allem… Dass sie eigentlich seine Auftraggeberin war, eine Mandantin, für die er gearbeitet hatte. Und jetzt war sein Auftrag vorbei.
 

Sie dachte an den ungestümen Kuss zurück und fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden. Unangebracht traf es nicht ganz, aber zu diesem Zeitpunkt hatte es sich so richtig angefühlt. Auch jetzt konnte sie sich nicht dazu bringen, es zu bedauern. Aber zwei Tage war das jetzt her und sie hatte nicht darüber gesprochen, sondern so getan, als wäre es nie geschehen. Unbehaglich verschränkte sie die Arme vor der Brust.
 

„Jetzt gehe ich ins Büro zurück und kriege einen weniger aufregenden Fall auf den Tisch.“, antwortete Natsu und verzog unwillig das Gesicht. „Und du?“
 

Sie blickte einen Moment scheu zu ihm, doch er sah sie nicht an. Sein Profil war ansehnlich wie ein Gemälde, trotz der Kratzer und Pflaster, seitlich von der Sonne beschienen, die seine Augen noch dunkler und sein Haar noch lebhafter wirken ließ. Das unbewusste Lächeln in seinem Gesicht ließ ihr Herz schneller schlagen.
 

Rasch wandte sie sich ab und ließ ihren Blick über den Parkplatz gleiten. Größtenteils war er leer, außer dem Mustang standen nur noch drei weitere Autos herum. Auf der Motorhaube eines alten Volvos hockte eine riesige, orangerote Katze, die sie mit starrem Blick anschaute. Sie war außer ihnen das einzige Lebewesen auf dem Platz. Als sie bemerkte, dass Lucy sie ebenfalls ansah, sprang sie von ihrem Platz herunter und stolzierte auf die beiden Menschen zu.
 

„Also.“ Lucy räusperte sich. „Ich habe noch ein paar freie Tage und werde sie nutzen, um zu Dan ans Set zu fahren.“
 

„A-ach ja?“ Natsus Stimme klang verletzt und enttäuscht zugleich.
 

Lucy nickte. Sie wusste, was er jetzt dachte, und ein Gefühl der Erleichterung durchflutete sie. Natürlich würde sie all das nicht Natsus wegen machen, nicht nur zumindest. Beinahe einem Dämon geopfert zu werden öffnete einem wirklich die Augen für die Dinge, die man wollte und brauchte – und die, mit denen man seine Zeit verschwendete. Darum war sie am letzten Tag zu einem Entschluss gekommen.
 

„Ich werde mit ihm Schluss machen.“, erklärte sie darum und warf Natsu einen Seitenblick zu.
 

Er stand stocksteif wie eine Statue und seine Augen waren geweitet. Als könnte er nicht glauben, was er da eben hörte. Als wollte er sich keine Hoffnungen machen, dabei wären diese durchaus berechtigt. Hastig sprach sie weiter. Hoffentlich deutete sie hier nicht alles falsch!
 

„So etwas macht man nicht über das Telefon, ich möchte das mit ihm persönlich klären. Und dann…“ Sie holte tief Luft. „Dann wollte ich dich fragen, ob du mit mir auf ein Date gehst. Du hast mir außerdem noch Chicken Wings versprochen.“
 

„Wa… Du…!“, begann er und wandte sich ihr zu. „Du willst wirklich… Mit mir?! Aber… Du bist…!“
 

Sie konnte das Lächeln nicht unterdrücken und nahm seine Hand. Manchmal war er wirklich süß. „Du hast mich schon richtig gehört.“ Und er war nicht nur süß – er war aufrichtig und loyal, unbeugsam und stark. Er behandelte sie wie eine ebenbürtige Partnerin. Er mochte sie um ihrer selbst willen, er ermutigte sie, unterstützte sie und all das, ohne etwas als Gegenleistung zu verlangen. Er brachte sie zum Lachen. Dass er auch noch umwerfend aussah, war das Tüpfelchen auf dem I.
 

Seine Augen leuchteten, als er zu ihr hinuntersah. „Auf jeden Fall! Ich kann nur nicht glauben, dass du ausgerechnet mit mir ausgehen willst!“
 

„Warum denn nicht?“, fragte sie und lächelte ihm zu. Er starrte sie einen Moment an, sprachlos und plötzlich ernst, und dann beugte er sich vor, wie um sie zu küssen.
 

Spielerisch legte sie ihm einen Finger auf die Lippen und hielt ihn damit auf. „Noch bin ich mit einem anderen zusammen.“, erklärte sie ihm. Natürlich lag ein flirtender Unterton in ihrer Stimme, aber sie meinte die Aussage völlig ernst. Dieser Kuss im Eifer des Gefechts, das konnte passieren. Aber jetzt konnte sie nicht guten Gewissens Natsu küssen, während sie praktisch noch mit jemand anderem zusammen war. „Ich… Lass uns das auf später verschieben, okay?“
 

Er stieß ein enttäuschtes Seufzen aus und ließ die Schultern hängen. „Na gut…“ Dabei gab er so ein elendes Bild ab, dass sie Mitleid mit ihm bekam.
 

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und presste ihm einen federleichten Kuss auf den Mundwinkel. Als sie sich von ihm löste, blickte er sie an wie ein Wunder. „Ein kleiner Vorgeschmack.“ Sie drückte seine Hand und ließ ihn dann los, drauf und dran, endlich zum Mustang hinüberzugehen.
 

Doch ehe er antworten konnte, schnitt ein lautes Miauen ihm das Wort ab. Lucy blickte überrascht auf die Katze hinunter, die sich vor ihr auf den Boden gesetzt hatte. Erneut miaute sie laut und verlangend.
 

„Hey du.“, begrüßte sie das Tier mit einem Lächeln und ging in die Hocke, um ihm den Kopf zu tätscheln. „Habe ich dich hier nicht schon einmal gesehen?“ Doch dieser ängstigende Moment schien lange her zu sein.
 

Der Kater drückte den Kopf gegen ihre Hand und ließ sich die Berührungen gern gefallen.
 

„Wo kommst du eigentlich her, wohnst du irgendwo hier?“ Sie blickte sich um, doch aus irgendeinem Grund war sie sich sicher, dass diese Katze in keinem der Häuser hier lebte. Aber wie ein Streuner sah sie auch nicht gerade aus. Das orangerote, flauschige Fell wirkte gepflegt, obwohl sie kein Halsband trug.
 

Vorsichtig griff sie zu und nahm die Katze hoch. Ein kurzer Blick, auf den ein empörtes Miauen folgte, zeigte ihr, dass es gar keine Katze war, sondern ein Kater. Bei dieser Größe hätte sie auch schon früher darauf kommen können. „Na?“, gurrte sie das Tier an und streichelte es unter dem Kinn, so dass es genüsslich die Augen schloss und ein Schnurren ausstieß, das fast so laut war wie ein Automotor.
 

„Du solltest sie runtertun, ansonsten verdächtigt dich noch jemand, dass du sie stehlen willst.“, bemerkte Natsu neben ihr, während sie über den Parkplatz schlenderten.
 

„Das ist ein Er.“, antwortete sie automatisch. „Und wer sagt dir, dass er jemandem gehört?“
 

„Na, verhungert sieht er mir nicht gerade aus. Oder struppig.“
 

„Trotzdem.“, beharrte sie und lächelte, als der Kater seinen Kopf an ihrer Schulter rieb. „Ich glaube nicht, dass er jemandem gehört.“
 

„Woher willst du das denn wissen?“
 

Sie zuckte mit den Achseln. „Nur so eine Überlegung.“ Inzwischen hatten sie den Mustang erreicht, also setzte sie das Tier bedauernd auf den Boden. Am liebsten würde sie es mitnehmen, aber Natsu hatte natürlich recht. Sie konnte nicht wirklich wissen, dass er niemandem gehörte. Der Kater jedoch starrte beleidigt zu ihr hoch, als könnte er nicht glauben, dass sie ihn eben losgelassen hatte.
 

Währenddessen öffnete Natsu die Tür für sie und deutete mit einer übertriebenen Bewegung auf den Beifahrersitz. „Bitte, die Dame.“
 

Doch bevor sie sich bewegen konnte, flitzte der Kater an ihr vorbei, unter Natsus Händen hindurch und sprang auf die Rückbank. Dort drehte er sich zweimal um sich selbst und legte sich dann hin, um Natsu herausfordernd aus tiefgoldenen Augen anzustarren, als hätte er jedes Recht, dort zu sitzen.
 

„Was soll das denn?“, fauchte der Detektiv. „Keine Katzenhaare in meinem Auto! Und deine Besitzer werden uns des Diebstahls beschuldigen!“ Anklagend deutete Natsu auf das Tier und hechtete hinter ihm her.
 

Doch der Kater wich mit einer leichten Behändigkeit aus und flutschte dann durch Natsus zupackende Hände. Eine kleine Rangelei entstand, begleitet von Natsus Fluchen und dem wilden Fauchen des Katers, der sich partout nicht aus dem Auto entfernen lassen wollte. Lucy stand daneben und sah nur zu, halb belustigt, halb besorgt. Sie hatte absolut keine Ahnung, was sie tun sollte.
 

Schließlich war es Natsu, der sich geschlagen geben musste. „Also gut.“, gab er nach und kroch mit dem Hintern voran wieder aus dem Auto. „Aber jammer mir nachher nicht die Ohren voll, wenn er doch jemandem gehört und du eine Strafe zahlen musst oder sowas!“
 

„In Ordnung.“, antwortete Lucy belustigt. „Ich werde mich darum kümmern.“ Aber erneut hatte sie das Gefühl, dass niemand einen orangerot getigerten Kater vermissen würde. Und das war ihr ganz recht. Sie schenkte Natsu ihr schönstes Lächeln. „Fährst du uns heim?“
 

Er blickte sie an wie etwas Wunderbares. „Wo auch immer du hinwillst!“
 


 

0. Abyss (Reprise)
 

Der Blick des Abgrunds bohrt sich in deine Augen und du starrst zurück, zweifelst an deinem Verstand. Entweder du tust dies so lange, bis du ihn tatsächlich verlierst, oder du schaffst es, deinen Blick loszureißen, mit Mühe, mit einer großen Kraftanstrengung und wenn du Glück hast, mit Hilfe.
 

Ich hatte dieses Glück und ich werde für immer dankbar sein.
 

Eines Tages wird man mich erneut zwingen, in den Abgrund zu blicken. Ich hoffe, auch dann werde ich davonkommen, ohne dass er mich in den Wahnsinn treibt. Ich werde das Unbegreifliche direkt ansehen, das, was über meinen Verstand hinausgeht und ihn zu zerbrechen droht.
 

Diesmal bin ich vielleicht glimpflich davongekommen, habe gesehen, gelernt, zugehört. Aber es ist immer in Bewegung – das Unfassbare, Unbegreifliche, Finstere. Erza ist ihm erlegen und es hat sie vernichtet.
 

Ihr Ruf, ihr Verstand, ihre Existenz liegt in Scherben; sie hat alles darüber verloren. Einzig das schiere Leben hat sie zurückbehalten. Es ist noch immer verwoben, untrennbar verbunden mit dem Unglaublichen, das gierig ist und sie niemals ganz loslassen wird. Zu tief haben die Ereignisse sie geprägt.
 

Niemand ist gefeit vor dem Magischen, dem Finsteren, schon gar nicht die, die darin verwickelt sind. Rogue und Natsu, Sting und Erza, Levy und ich. Wir alle vollführen einen Balanceakt unter dem niemals nachlassenden Blick des Abgrundes, den wir selbst auf uns gelenkt haben.
 

Erza hat eine falsche Bewegung gemacht, ist einer falschen Versprechung gefolgt – und abgerutscht. Wie tief sie gefallen ist? Wer kann das schon sagen? Vielleicht nicht einmal sie selbst. Ohne Maßstab, ohne Richtung ist das schwer. Ob sie wieder hinausklettern kann? Auch das weiß niemand. Vielleicht nie, vielleicht ist es einfach zu weit, zu schwer für sie oder vielleicht wird etwas sie zurückreißen und unten halten.
 

Allerdings…
 

Allerdings habe das Gefühl, dass ich sie wiedersehen werde. Irgendwann werden wir uns erneut begegnen und ich weiß nicht, ob ich diesen Moment fürchten soll.
 

Aber einen Moment muss ich auf jeden Fall fürchten: der, wenn der Dämon mich einholt. Ich renne vor ihm davon, aber ich weiß tief in meinem Inneren, dass es letzten Endes nutzlos ist. Alles, was ich mir verschaffe, ist Zeit. Eines Tages wird er mich einholen, wie ein Bluthund auf der Fährte eines Rehs.
 

Aber vielleicht ist Zeit alles, was ich brauche – um mich vorzubereiten, mich zu wappnen und ein paar kleine Splitter Verständnis zusammenzukratzen, Einsicht, so etwas wie Erleuchtung vielleicht. Ich weiß nicht, ob ich es erreichen kann, ob das Magische, Rätselhafte sich mir tatsächlich erschließen und öffnen wird.
 

Aber Natsu ist an meiner Seite. Auf ihn kann ich mich absolut verlassen, er wird bei mir blieben und mich auf jedem Schritt dieses Weges begleiten. Auch Levy ist für mich da. Jetzt, da ich das Geheimnis kenne, ist sie so aufgeregt, dass nur Kauderwelsch aus ihrem Mund kommt.
 

Und ich? Ich habe gelernt, bittere Erfahrungen gemacht, verloren. Meine Unschuld war das erste, das starb. Manchmal wünschte ich, ich hätte sie zurück. Manchmal wünschte ich, ich wäre wieder unwissend, ahnungslos, sehnsüchtig. Manchmal wünschte ich, das Ungreifbare, Magische hätte mich niemals berührt. Manchmal wünschte ich, ich wüsste nicht, welche Schrecken dort draußen lauern auf den Unvorsichtigen, den Unwissenden, die er nicht versteht und niemals verstehen kann.
 

Unwissenheit und Unschuld sind Geschenke, die uns erst teuer sind, wenn sie eines Tages verschwinden.
 

Jetzt werde ich von einem Dämon verfolgt, von Gedanken an Blut und Tod, von schrecklichen, wirren Träumen, in denen unbarmherzige, glühende Augen mich anstarren. Jetzt schulden Natsu und ich einem gefährlichen Hexer einen Gefallen, der uns einen hohen Preis kosten wird, um ihn zurückzugeben und die magischen Fesseln loszuwerden, die uns an dieses Versprechen binden.
 

Aber ich muss mich an die helle Seite der Ereignisse halten. Hier ist sie so strahlend hell, wie die andere finster ist. Denn ohne all das hätte ich nie Natsu kennen gelernt. Levy hätte ihr Geheimnis niemals enthüllen können.
 

Meine Mutter sagt immer, dass man, so schwer es einem manchmal auch fällt, immer das Positive sehen soll. Daran will ich mich halten.
 

Sie muss es ja wissen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Plz don't kill me. >.< (Dafür, dass ich Erza zum Villain gemacht habe, meine ich. ^^")

Zuerst wollte ich ja direkt nach dem Finale aufhören und einen Cut machen. Das Kapitel ist auch so schon lang genug. Allerdings waren da noch so viele Fragen offen, darum habe ich noch die letzte Szene hinzugefügt. Ich hoffe, damit sind die meisten Punkte geklärt. :) Falls nicht, fragen, ich beiße nicht.

Ich hoffe, ich habe Erzas OoCness ausreichend erklärt. Die ist größtenteils auf das Necronomicon zurückzuführen, aber Eileen hat auch eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Ich bin der Meinung, dass Erza wegzugeben das Freundlichste und Beste war, was sie für ihre Tochter tun konnte. Aber hier hat sie es nicht getan und es ist in einer absoluten Katastrophe geendet. :( I'm sorry, Erza. I love you.
Das Necronomicon selbst ist längst in allgemeine Fantasy übergegangen, aber soweit ich weiß, erschien es zuerst bei Lovecraft. Darum fand ich es angemessen, den Höheren Dämon zu einer Art Cthulhu-Monster-Dings zu machen. :)

Es hat mir viel Spaß gemacht, die FF zu schreiben und ich bin ziemlich zufrieden mit der Story, auch wenn ich wirklich, wirklich nicht gedacht habe, dass sie 8o.ooo Worte lang wird. Allerdings denke ich auch, dass ich in Sachen Horror und Crime noch ein wenig hinterher hinke und einiges besser machen könnte. Das sind beides keine Genres, mit denen ich viel Erfahrung habe und ich hoffe, dass ich mich in Zukunft noch etwas verbessern kann. Über Tipps, Hinweise und Meinungen bin ich darum immer dankbar. :)

Außerdem ist Black Magic längt zu einem größeren 'Verse herangewachsen und ich noch weitere Storyideen dafür habe, inzwischen sind es insgesamt neun (The Gaze Of The Abyss mitgezählt). Drei davon kommen in Frage, mit denen ich an dieser Stelle weitermachen könnte, und da ich mich echt nicht entscheiden kann, frag ich euch, was ihr gerne lesen würdet:
1. Ich fange an mit Darkness falls, dem Auftakt der Stingue-Trilogie in diesem 'verse, in der ich natürlich auch auf den Fluch eingehen werde und dann alles, was folgt.
2. Ich mache an dieser Stelle weiter bzw. eine gewisse Zeit später und tatsächlich mit einer ähnlichen Hauptcharakterbesetzung (allerdings mit einem 2. PoV-Charakter aka Sting), wenn auch einem sehr anderen Setting und einem neuen Fall.
3. eine Gruvia-Fic, die parallel zu Fic 2 spielt. Entsprechend tauchen Lucy, Natsu & Co. nicht, auf, aber dafür ein paar völlig neue Charaktere, die sich ihren eigenen Herausforderungen stellen müssen.
Ich lass diese kleine Umfrage mal offen bis, sagen wir Ende Juni? (Ja, ich hab noch zwei oder drei Sachen dazwischen zu schreiben und würde gerne meine WIP wieder auf den Weg bringen. ^^") Ich hoffe, das ist nicht zu lang für euch. Aber ihr könnt in der Zwischenzeit vielleicht auch bei meinen anderen FFs vorbeischauen? Ich würde mich ehrlich freuen. ^^~
Anyway, wer Bescheid kriegen möchte, sobald die neue Story on kommt, sagt mir das einfach ebenfalls in den Kommentaren. ^^~

Desweiteren freue ich mich natürlich über Feedback und bis dann irgendwann ^^~
Gruß
Arian
PS. Für alle, die Natsu nicht verstanden haben, als er mit vollem Mund gesprochen hat:
"Siehst du?"
"Du bist ja nur neidisch."


[EDIT]
Die Fortsetzung findet ihr hier: Night Stallion Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yosephia
2017-07-31T21:56:13+00:00 31.07.2017 23:56
Also ich fand ja schon den Einstieg mehr als nur gelungen! Während der ersten paar Absätze, als das Bild von Nahlse beschrieben wurde, war gar nicht richtig klar, was eigentlich gerade los ist, es war sehr nebulös, aber irgendwie hat sich dabei auch gleich so eine gewisse Spannung aufgebaut, die dann in Betroffenheit umschlug, als klar war, dass das Bild über einem Andachtstisch hängt (oder wie auch immer man so was nennt^^’). Sehr gelungen!

Lucys Nervösität/Angst war danach ausgesprochen glaubwürdig. Keine blinde Panik, keine wilden Gedankenspiele, eher ein dumpfes Bauchgefühl – das konnte ich richtig gut nachvollziehen!

Michello hast du grandios getroffen. So ist er einfach, dieses Ekelpaket!
Erza wirkte in der Szene sehr teilnahmsvoll und um Welten sensibler als Michello, aber in gewisser Weise auch professionell distanziert.

Kein Wunder also, dass Lucy anderswo Rat gesucht hat! Zum Glück hat sie Levy, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht und ihr vorbehaltlos glaubt. Levy ist einfach eine super Freundin und obendrein hat sie auch einen guten Riecher für so etwas!

Der 1. Besuch bei Slayer Investigations war sehr anschaulich! Ich hatte das Vorzimmer ganz genau vor Augen – du bist einfach eine Meisterin im Umgebungsbeschreiben! *vor dir verbeug*

Cana hast du einfach perfekt getroffen! Es war original die Cana aus dem Manga, vorlaut, dreist, selbstbewusst hoch zehn, aber auf ihre Art doch aufmerksam und tüchtig. Eine prima Wahl für die Rolle! Besser hätte es gar nicht passen können!

Lucys Reaktion auf Natsu konnte ich seeeeeehr gut nachvollziehen, aber wahrscheinlich hat Levy selber gar nicht daran gedacht, was für ein heißer Feger Natsu ist. Sie denkt wahrscheinlich gar nicht an so etwas – bis zu einem gewissen Ausflug XD
Aber auf alle Fälle eine interessante erste NaLu-Begegnung X/////D

Natsu wirkt tatsächlich ein bisschen weniger vorlaut, als ich das erwartet hätte, aber man kann es auch auf das Alter schieben. Oder darauf, dass er bei Lucy offensichtlich von Anfang an gewisse Anzeichen wahrzunehmen scheint – da würde mich auch sehr interessieren, was für Anzeichen das sind und ob die mit Lucy persönlich oder nur mit dem Fall zusammen hängen, aber ich bin sicher, dass du darauf noch zurück kommen wirst!

Den Besuch beim Polizeirevier, bzw. bei Macao und Wakaba fand ich irgendwie witzig. Die Frotzeleien in Bezug auf Romeo, die jedoch im Ton wirklich liebeswürdig klangen, fand ich toll. Auch die Verbindung, dass Natsu von den Beiden angelernt worden ist, finde ich sehr schön!

Dann geht es weiter ins Hotel. Uh, ist Lucy etwa ein bisschen eifersüchtig, als Natsu bei Kylie seinen Charme spielen lässt? XD

Ich kann mir vorstellen, dass die Untersuchung des Tatorts echt kompliziert zu beschreiben war. Keine Ahnung, aber für mich ist Krimi echt vollkommen unberührtes Terrain, ich hätte damit höllische Schwierigkeiten gehabt, aber dir ist es verdammt gut gelungen! Insbesondere auch in Hinblick darauf, dass Natsu auf der Suche nach etwas ganz anderem ist als die Polizisten. Finde ich sehr spannend!

Den Galaabend hast du wirklich gut hingekriegt! Die Begegnungen mit den anderen Charakteren, die Andeutung in Bezug auf Hyberion, das fehlenden Puzzleteil in Bezug auf Nahlse, die Beschreibung der Umgebung und auch vorher schon der ganze Firlefanz auf dem Roten Teppich. Das ist einfach von vorn bis hinten stimmig!

Natsu stelle ich mir extrem heiß vor *schmacht*
Und sein Kompliment ist schlicht, aber total süß. Und Lucy ist jemand, der so etwas zu würdigen weiß! Es ist soooooo toll, wie sich da von Anfang an zwischen den Beiden etwas anbahnt! *gleich noch mehr schmacht*

Michello ist immer noch ein Kotzbrocken, aber schön, dass Natsu Lucy so direkt fragt, warum sie sich das gefallen lässt. Da kommt wohl in anderer Hinsicht sein Beschützerinstinkt hervor, finde ich auch toll!

Und dann die Sache mit dem Kronleuchter… wow, bei der Stelle überkam mich echt eine Gänsehaut!
Zum Glück war Natsu zur Stelle!
Lucys Schockzustand danach hast du wirklich seeeeeehr überzeugend rüber gebracht!

Und die nächsten Schocker kommen auch gleich. Das ist echt ein langer, Nerven aufreibender Abend für die arme Lucy! Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben, dem Bahnhof so richtig Leben einzuhauchen und eine mysteriöse, gruselige Atmosphäre zu schaffen – mit überragendem Erfolg!

Ich stelle mir den Bahnhof wahnsinnig interessant, aber durchaus auch sehr gemütlich vor! Da haben Sting und Rogue sich echt ein tolles Nest geschaffen!

Doggie!Minerva ist immer noch voll Minerva, einfach super! Kein Wunder, dass Lucy sich zuerst tierisch erschrocken und dann um ihr Leben gefürchtet hat. In Menschenform ist Minerva ja schon furchteinflößend, aber als Fu Hund erst recht XD

Sting und Rogue hast du mal wieder grandios gut getroffen! Sting vorlaut, Rogue maulfaul, aber die Beiden verstehen sich ohne viele Worte!
Und dann fliegen gleich die Fetzen! Uh, zwischen Sting und Natsu stimmt die Chemie so überhaupt gar nicht! Aber Sting, das ist wirklich nicht nett, Lucy so zu nennen >__<
Damit machst du dich wirklich nicht beliebt, auch wenn du Rogue hast, das ist wirklich nicht lieb >__<

Kein Wunder, dass bei Lucy da irgendwann der Geduldsfaden reißt! Aber dann hat sie zumindest die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Das hatte ich so richtig gut vor Augen XD

Yukino als Katze ist einfach süß >//////<

Das Telefonat mit Levy in der nächsten Szene ist sehr amüsant und auch sehr gut aufgebaut. Wie sie erst einmal über Natsu – und so halb auch über Dan reden – fand ich sehr lustig. Dass Lucy so offen zugibt, wie heiß sie Natsu findet, passt hier echt gut und ist ein interessanter Kontrast zu z.B. DB. Und Levys Ehrlichkeit in Bezug auf Dan finde ich sehr erfrischend. Das zeigt einmal mehr, was für eine gute Freundin sie ist. Viele würden wahrscheinlich nicht so offen zugeben, was sie von Dan halten, oder sich von Dans „Charme“ blenden lassen. Aber Levy ist halt ein ganz anderes Kaliber!

Und dann wendet sich das Gespräch langsam ernsteren Themen zu und Levy verplappert sich. Ganz schön fies von Lucy, sie danach so zu ärgern, aber ich hätte das wahrscheinlich auch gemacht. Und es ist wieder sehr bezeichnend, dass Lucy ihrer Freundin keinen Strick aus der Sache dreht. Nun, da sie vorerst in Sicherheit ist und wieder klar denken kann, kann sie sich selbst denken, dass das Gespräch vorher gar nicht hätte stattfinden können. Diese Auflösung hat mir sehr gefallen!

Und dann kommt Natsu! *domdomdoooom*
XDDDD
Ich fand es so super, wie Lucy beinahe zum sabbernden Fangirl wird. Und da sag’ mal einer, nur Männer wären so! XD

Das darauf folgende Gespräch zwischen Natsu und Lucy fand ich sehr interessant. Darin hast du so wunderbar so viele spannende Fakten und Andeutungen eingeflochten. Es ist immer wieder faszinierend, wie toll du so etwas hinkriegst! *~*
Natsus Sicht auf Sting passt auch seeeeeehr gut zur Spannung zwischen den Beiden während des GMGs im Manga. Das hast du unglaublich gut getroffen. Und man merkt auch, dass da von Natsus Seite aus keine dumpfe, irrationale Abneigung dahinter liegt – oder eher nur zum kleinen Teil, ein Teilgrund ist wohl wirklich, dass sich hier Stings und Natsus sehr ähnliche Charaktere aneinander reiben, aber es ist eben nicht der Hauptgrund -, sondern dass er sich auf seine Art doch irgendwie Gedanken um Sting macht. Und dass er Sting zumindest als Hexenmeister doch zu schätzen weiß. Eben weil er schon ein bisschen Bescheid weiß über die Ränge in der magischen Gemeinschaft.

Dann wendet sich das Gespräch sehr persönlichen Dingen zu. Den kleinen Einschub, als Natsu Lucy neckt, ob sie ihn nach einer Freundin fragen will, fand ich echt süß. Auf seine eigene Art ist er halt echt scharfsinnig X//D
Und dann die Gespräch über Natsus Vater. Auch wenn es – aus mir bekannten Gründen – sehr vage gehalten ist, finde ich es immer noch sooooo spannend und ich bin so neugierig, was du letztendlich daraus machen wirst. (Oh, btw: In dem ’verse wäre IgneelWeiß ja so dermaßen lustig, Sting und Natsu würden die Krise kriegen, wenn sie erfahren sollten, dass sie so etwas wie Stiefbrüder sind XDDDDDDDDDDD)

Die Geschichte von Natsu und Gray gefällt mir. Es passt wirklich gut zu ihnen Beiden, dass sie sich erst einmal aneinander gestoßen haben. Umso schöner ist es irgendwie, dass sie sich dann angefreundet haben und ihre Ressourcen zusammen geworfen haben. Es wäre fast interessant, dazu auch mal eine Kleinigkeit zu lesen! Vielleicht ergibt sich ja mal durch einen Zirkelprompt etwas? Fände ich toll :D

Den Abschluss des Kapitels mit einigen kleinen Fakten zur magischen Gemeinschaft fand ich auch sehr interessant und spannend. Du hast das ’verse so unglaublich toll angelegt, das ist einfach super stimmig und fantastisch und spannend und wird mit jedem Kapitel größer und toller und bunter, hat aber auch die ganze Zeit diesen düsteren Touch. Einfach super! *~*

Der Anfang des nächsten Kapitels ist einfach zum Brüllen komisch XDDDD
Was für ein Schreck für die arme Lucy, auf einmal in den Armen eines der heißesten Männer des Planeten aufzuwachen, den sie gestern noch beinahe angeschmachtet hat… *lol*
Es erinnert in gewisser Weise an den Running Gag aus dem Manga – und der ist für mich zumindest nie langweilig geworden XD

Den kleinen Einschub mit dem Chat mit Jude und Layla fand ich wirklich süß. Zum einen schon, dass Jude dieses Hobby hat. Das scheint zuerst einmal gar nicht zu ihm zu passen, aber im Manga wurde das ja auch angedeutet, dass er eine sehr weiche Seite hat, wenn es um Layla und Lucy geht. Good Guy!Jude is a good guy! :D
Und Laylas Neugierde in Bezug auf Natsu finde ich irgendwie drollig! Ich würde ja zu gerne mal etwas darüber lesen, wie Lucy ihren neuen Freund ihren Eltern offiziell vorstellt und wie die Beiden darauf reagieren XD

Bei dem Bild des schlafenden Stings auf der Couch mit Yukino auf dem Bauch bin ich ja echt arg ins Schwärmen geraten. Wie hält Rogue das bloß aus, das jeden Tag zu sehen? >//////////<

Das Telefonat mit Dan hat mir zumindest Spaß gemacht, auch wenn es die gute Lucy ganz schön aufgeregt hat XD“
Ich hätte das als Zuschauer genauso amüsant wie Sting gefunden und Natsu hat auch nicht Unrecht: Lucy hat Dan gezeigt, wo der Hammer hängt! Richtig so, Lucy!
Ihren Ausbruch fand ich absolut IC und in Anbetracht ihrer Situation auch absolut nicht überzogen. Hast du echt gut hingekriegt!
Dan hast du übrigens sehr gut hingekriegt. Von ihm gibt es ja auch nur ein paar Auftritte in den Fillerfolgen, aber das reicht ja auch schon, um einen Eindruck von ihm zu gewinnen. Er ist ein Schleimer, egoistisch und tendenziell chauvinistisch. Wie der sich aufführt! Als müsste Lucy immer und überall an seine Karriere denken! Und dass er sogar die Dreistigkeit besitzt, Lucy zu einem Besuch beim Therapeuten zu raten… Der hat Lucys Standpauke mehr als nur verdient! Ò.ó
Und dennoch war es lustig XD
Auch die Reaktionen der Anderen. Ich glaube, insgeheim fand Minerva das kurzweilig unterhaltsam und wenn sie Lucy besser kennen würde/mit ihr befreundet wäre – und sprechen könnte –, würde sie sich wahrscheinlich auch nicht gleich wieder so unbeteiligt geben.
Dass Rogue sich nicht dafür interessiert, passt zu ihm. Er mischt sich in so etwas nicht ein. Aber Sting hat seinen Spaß dran. Da kommt so ein bisschen das Verspielte bei ihm durch – hach, wie sehr ich diese Seite an ihm liebe! *schmacht*

Der kleine Stingue-Moment war ja mal wieder Futter für mein Fangirl-Herz. Ich hatte das so gut vor Augen und es war so… so…. hach! Unbeschreiblich! ^//////////////^

Und plopp! Schon werden Natsu und Lucy vor die Tür gesetzt! Eiskalt XD
Rogue ist der geborene Gastgeber XD“

Auftritt Gray und Romeo! Awwww! Einfach Awwwww! >/////////////<
Die Beschreibungen von Gray und Romeo hast du echt toll hingekriegt – und Lucy hat Recht: Romeo ist echt niedlich! Ich wäre ja echt neugierig, wie sich in diesem ’verse Lumeo weiter entwickelt! Und wie schnell Lucy etwas spitz kriegt, wenn Romendy ein Thema wird – hast du schon eine Idee dafür? :D

Den Schlagabtausch zwischen Natsu und Gray fand ich einfach super! Wie die Beiden wegen der Sache mit dem Anzug herumfrotzeln! Da hat man auch irgendwie an der Wortwahl gemerkt, dass etwas bei den Beiden etwas anderes ist als bei Natsu und Sting. Ich kann’s nicht so hundertpro festmachen, aber trotz der eigentlich groben Worte klang es doch irgendwie herzlich. Noch einmal: Ich wünsche mir eine Gratsu-Story in dem ’verse! *~*

Cana ist echt ein Genie!
Und du auch! Die Hinweise und Spuren, die du hier so langsam legst, klingen absolut glaubwürdig. Da kommt der Krimi-Charakter, den diese Story ja auch irgendwie in sich trägt, wirklich gut zum Ausdruck!

Der Anfang der nächsten Szene gefällt mir XD
War ja klar, dass Mira auch mal etwas bezüglich der Schwingungen zwischen Natsu und Lucy sagen musste! Und dass die anderen Mädels so neugierig deswegen sind, kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Die ganze Episode ist irgendwie drollig und lustig, aber ich wäre an Lucys Stelle wahrscheinlich auch genervt XD“
An der Stelle hast du Mira auch sehr schön heraus gearbeitet. Es passt zu Lucy, dass sie trotz der belastenden Indizien nicht so recht glauben kann, dass Mira hinter der ganzen Sache steckt, und Miras herzliches und offenes Verhalten macht das natürlich noch unglaubwürdiger.

Und dann geht Lucy ein Licht auf. Typisch, dass sie es vor Natsu merkt XD
Finde ich aber total süß, was für Kleinigkeiten ihr bereits an Natsu aufgefallen sind und wie genau sie auf ihn achtet. Sie ist ja allgemein sehr aufmerksam, aber ich wette, dass das bei Natsu noch mal etwas ganz Besonderes ist! ^///////^
Und Mira ist natürlich ein Biest, auch gleich noch Lucys „Besitzansprüche“ herauszufordernd. Mira packt den Drachen gerne am Schwanz und zieht dann auch gleich kräftig – aber der Erfolg gibt ihr Recht. Da braucht Lucy gar nichts mehr zuzugeben, das hat sie ja im Grunde schon XD

Die ganze Episode mit der Durchsuchung der Umkleidekabinen fand ich sehr interessant. Insbesondere die kleinen persönlichen Noten, die dabei eingestreut wurden. Zum Beispiel auch das mit Miras Familie. Ich bin ja immer noch sehr gespannt, was genau du dir dafür einfallen lassen wirst!
Das Zitat an Jennys Spiegel fand ich auch ausgesprochen passend. Eine interessante Art, Jenny zu charakterisieren, aber ausgesprochen passend! Du hast nicht zufällig eine Idee, mal etwas mit MiraJenny-Broship in dem ’verse zu machen? XD

Und dann scheint Jenny zur Hauptverdächtigen zu werden! Wow, das ist so spannend, wie du all diese Spuren legst! *~*


Die Szene im The Snake And Rose fand ich wieder sehr interessant. Natsus Erklärung mit dem Trigger hat irgendwie sehr gut zu ihm gepasst. Ziemlich simpel, so und nicht anders erklärt Natsu die Dinge halt. Finde ich sympathisch! XD

Lucys beinahe kindliche Begeisterung für das Buch fand ich echt süß und auch wieder so typisch Lucy. Das erinnert mich sehr an die Lucy, die bei dem Everlue-Job so begeistert war. Hach, damals war’s~ ID“

„Schön und intelligent!“ – Natsu ist mit seiner direkten Art echt drollig *kicher*

Ich liiiiiiebe Levy in der Szene. Wenn sie so frech stänkert, ist sie echt toll! Okay, sie ist natürlich immer toll, aber mir gefällt einfach dieser lockere freundschaftliche Ton zwischen ihr und Lucy, bei dem kleine Stänkereien so ohne weiteres möglich sind, ohne dass eine von ihnen sich auf den Schlips getreten fühlt. Das passt so wunderschön zu diesem Broship! *~*
Und Levy tut gut daran, Lucy immer schön weiter darauf zu stoßen, wie gut Natsu zu ihr passt. Wahrscheinlich wird Levy sich später wahnsinnig freuen, wenn Natsu und Lucy dann endlich zusammen sind! :D

Dass Lucy Natsu die Sache mit Layla anvertraut, ist auch wieder ein immenser Vertrauensbeweis. Irgendwie kann ich mir gerade nicht vorstellen, dass Dan es so schnell erfahren hat – wenn überhaupt. Sicherlich liegt das auch daran, dass Dan ihr da sowieso überhaupt nicht helfen könnte, aber wenn sie Natsu nicht vertrauen würde, hätte sie ja auch einfach weiter schweigen können.
Dass Natsu darauf nicht übermäßig sensibel reagiert, aber eben doch betroffen ist, passt zu ihm. Er weiß ja, wie das ist, sich um einen Elternteil zu sorgen, auch wenn das bei ihm völlig andere Gründe hat!

Bloß gut, dass danach das Essen kommt, das lockert die Stimmung wieder auf!
Ja, Natsu, war das eine Einladung auf ein Date? XD
Ich würde ihm zutrauen, dass ihm überhaupt nicht aufgefallen ist, wie das klingt, aber andererseits ist er Lucy ja offensichtlich nicht abgeneigt…

Insgesamt fand ich die ganze Szene wirklich sehr schön. Ein paar kleine Entwicklungen bei dem Fall und dazwischen lauter kleine Informationen über Lucy, ein bisschen Bonding… Das war einfach alles sehr stimmig, das Gespräch hat sich schön entwickelt, floss locker und angenehm dahin – toll zu lesen!
Und ein toller Kontrast zum Ende der Szene! Da wurde die friedliche Stimmung abrupt durchrissen und Lucys Panik und der Kampf waren wirklich sehr anschaulich beschrieben!
Ich liebe es ja, dass Lucy, selbst wenn sie in einem ’verse mal wirklich überhaupt gar nichts mit irgendwelchen Kampfsachen am Hut hat, doch immer super taff ist und ihre Kämpfernatur beweist. Sie ist und bleibt nun einmal eine Powerfrau!

Klar, dass Lucy danach erst einmal ziemlich kopflos ist. Sie hat in den letzten Tagen schon so viel durchgemacht, aber da war ja immer Natsu bei ihr, den sie um Hilfe fragen konnte. Und jetzt muss SIE Natsu retten. Da würde ich auch Panik kriegen.

Ich gestehe, dass ich der Katze beim ersten Lesen echt keine besondere Bedeutung beigemessen habe, aber jetzt, da ich weiß, was es damit auf sich hat, finde ich diese kleine Szene irgendwie echt toll. Ich bin ja schon so gespannt, wie sich das weiter entwickelt! (Mehr schreibe ich dazu hier lieber nicht, um die anderen Leser nicht zu spoilern, sollten sie durch meinen Kommentar scrollen^^’)

Wie Lucy danach Sting anfleht und der erst einmal so absolut kalt reagiert, geht mir richtig zu Herzen. Eigentlich ist Sting gar nicht so einer, war er nie, wird er auch nie sein, aber er kann sehr gut über so etwas hinweg täuschen – sogar sich selbst. Im Manga hat er ja insbesondere sich selbst getäuscht und immer das Arschloch raushängen lassen. Da brauchte es nur den richtigen Trigger, um diese Fassade bröckeln zu lassen. Und ich glaube, mit diesem Sting hier verhält es sich genauso. Oder wahrscheinlich ist er sich hier durchaus der Tatsache bewusst, wie er sich gibt, und tut es, um sich selbst zu schützen? Vielleicht hat er sich auch schon in diese Arschloch-Fassade hinein gelebt und trägt sie wie eine falsche Haut? Ach, ich finde das Thema irgendwie gerade sehr faszinierend^^’

Dass Lucy sich in dieser Situation bewusst wird, wie viel ihr Natsu bedeutet, passt wirklich sehr gut zur Story. Lucy ist nicht doof, sie hat ja schon vorher gemerkt, wie gut die Chemie zwischen ihr und Natsu stimmt, aber das jetzt ist eben doch noch mal etwas anderes und das treibt Lucy sogar so weit, sich Sting gewissermaßen auf Gedeih und Verderb auszuliefern, der sich hier wirklich nicht von seiner besten Seite zeigt!

Und obwohl er weiterhin das Arschloch gibt, scheint Sting das doch irgendwie zu merken. Wie gesagt, gefühlskalt ist er eben doch nicht!

Der „Du schuldest mir einen Gefallen“-Pakt ist natürlich ein Klassiker, passt hier aber so unglaublich gut und stellt hier für verschiedene Dinge wirklich interessante Weichen. Mir hat dieser Part wirklich außerordentlich gut gefallen! :D

Wie sie danach heraus finden, wo Natsu wahrscheinlich hingebracht worden ist, hast du auch wirklich sehr geschickt konstruiert. Dass ein Hexer so ein Bestiarium bei sich hat, ist absolut logisch, aber muss man auch erst einmal darauf kommen! Es ist echt toll, wie detailreich du solche Sachen immer wieder ausarbeitest!

Rogues Aufmachung stelle ich mir sehr heiß vor *schnurr* X/////D

Und Sting lässt schon wieder das Arschloch raushängen >.>
Wie gut, dass ich weiß, dass das sehr gut Gründe hat!

Rogue zeigt sich während des Ausflugs in die unterirdische Stadt ja auch nicht unbedingt von seiner besten Seite. Maulfaul, ungeduldig, ziemlich schroff… Nicht wirklich das, was Lucy in so einer Situation bräuchte, aber andererseits hätte es ihr ja auch nicht geholfen, wenn sie verhätschelt worden wäre – und Rogue ist ja sowieso nicht der Typ fürs Verhätscheln ID
Aber zum Glück gibt es ja auch noch Yukino. Typisch für sie, dass sie dann auch versucht, Lucy zu beruhigen! Selbst als Katze ist sie einfach süß und lieb und absolut friedfertig! ^///^

Die kleine Andeutung mit den Vampiren und wie sie an ihr Blut kommen, fand ich irgendwie echt witzig, auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war XD“

Die Beschreibung von Under Magnolia fand ich unglaublich faszinierend! Es hatte so etwas mysteriöses/nebulöses/melancholisches. Das mit den Pflanzen hat das besonders gut unterstrichen. Der winzig kleine Geschichtsexkurs mit der Nostalgie der Vampire betreffend des 19. Jahrhunderts, als sie noch so mächtig waren, hat nicht nur Lucy interessiert! Diese Darstellung von Vampiren finde ich irgendwie doch wieder faszinierend, obwohl ich ja per se nicht wirklich etwas mit den Viechern anfangen kann.

Beim Auftritt des Trolls musste ich irgendwie lachen. Ich weiß auch nicht, Trolle sind zwar schon irgendwie gefährlich, aber dadurch, dass sie so sagenhaft dumm und primitiv sind, sind sie doch immer Witzfiguren. Besonders die Sache mit dem „Zugunglück“ hat mich sehr amüsiert. Oh Mann, die arme Lucy macht aber auch was mit! XD“
Die Trollsprache hast du übrigens auch sehr toll hinbekommen! Ich habe ja immer meine Schwierigkeiten damit, wenn solche primitiven Sprecharten dran kommen, aber das hier klingt so super passend – Respekt!

Rogues Katana finde ich wirklich sehr faszinierend. Ich wäre ja wirklich neugierig darauf, mehr über die Exorzisten in diesem ’verse zu lesen. Das kommt sicher auch mal in einem der Stingue-Prequels, oder? *~*

Lucys Wutanfall war soooooooo Lucy, da musste ich schon wieder lachen XD
Vor allem, weil das bei Rogue so überhaupt gar nicht zieht. Im Manga sind die Leute ja immer eingeschüchtert, wenn Lucy erst einmal so richtig loslegt, aber Rogue zuckt nicht einmal mit der Wimper, das ist einfach zum Schießen XDDDD

Andererseits ist es auch typisch für Lucy, dass sie sich danach bei Rogue wegen ihres Ausbruchs entschuldigt. Sie ist nun mal einfach so. Dafür lieben wir sie ja so!

Das darauf folgende Gespräch über die Regenerationsfähigkeit der Trolle hat mich schon wieder kichern lassen. Rogue und Lucy sind wirklich sehr kuriose Gesprächspartner in diesem ’verse, aber ich glaube, wenn sie einander später besser kennen und auch schätzen lernen, kommen sie bei weitem besser aus, als ihre jeweiligen Partner miteinander auskommen. Die sind ja Beide doch irgendwie noch Kindsköpfe, während Rogue und Lucy die erwachseneren in den Beziehungen sind XD“

Das Dorf der Hobgoblins bildet einen tollen Kontrast zur Stadt der Vampire und passt super zu seinen Bewohnern. Deine Beschreibungen sind einfach jedes Mal der Hammer! *~*

Die Sache mit der Müllhalde war natürlich ein grausiges Detail, das perfekt in all das rein gepasst hat, auch wenn es für Lucy verständlicherweise der reinste Horror war. Ich finde, an der Stelle hat man aber doch mal gemerkt, dass Rogue eben nicht aus Eis ist. Immerhin hat er genug Empathie besessen, um sich vorzustellen, was für Probleme Lucy gerade hat, und er hat darauf Rücksicht genommen und sie vor sich hergeschoben, statt weiter voraus zu gehen. Ganz ehrlich, ich bin immer noch sehr gespannt darauf, wie sich da das Broship mal entwickeln wird! *~*

Das Gespräch mit dem Flederling und dem Schamanen war auch sehr authentisch. Den Flederling hast du wirklich gut getroffen, das passte perfekt zu der Beschreibung, die Rogue zwischendrin geliefert hat. Und auch die Sprechart des Hobgoblins hast du extrem gut getroffen. Das hat alles so wunderbar zu den jeweiligen Wesen gepasst, war super authentisch! Auch die kleinen Andeutungen auf die Verursacherin all des Ärgers waren sehr geschickt eingefädelt!

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, aber auch die Episode, wie Lucy und Natsu einander begegnen, fand ich sehr lustig. Die verdreschen die Hobgoblins und nebenbei ist das eigentlich schon fast ein Flirt. Das Bild, das ich dabei vor Augen hatte, war wirklich seeeeehr amüsant XD

Und dann bekommt Rogue noch mal einen coolen Auftritt – und ehrlich, der ist wirklich cooooooooool! *~*

Das Ende der Szene fand ich dann aber auch sehr gut so. Es hätte den eigentlichen Höhepunkt der Szene (Natsus Befreiung) wahrscheinlich verschluckt, wenn das Verlassen von Underland genauso langwierig und detailreich und eventuell auch wieder problembehaftet geworden wäre. So hat das alles schon sehr gut gepasst!

Ich liiiiiiiebe Yukino am Anfang der nächsten Szene! Wie sie sich um Sting kümmert und ihn dann so sanft ermahnt und… hach! Du fängst ihren Charakter selbst in Katzenform einfach perfekt ein! *~*
Auch diese Sanftheit, die Sting ihr gegenüber dann kurz offensichtlich werden lässt… In diesem ’verse ist das Broship der Beiden wirklich etwas ganz Besonderes – dabei ist es ja generell schon immer toll! >/////<

Als sie ins Café treten und Minerva sich davor positioniert, musste ich auch wieder schmunzeln. Minerva ist als Hund voll der Crumpy, aber gerade deshalb habe ich irgendwie umso mehr das Bedürfnis, sie zu kuscheln. Schon allein, weil sie als Fu Dog auch so super flauschig ist! *~*

Stings Bestellung ist der Hammer XD
Und die Kellnerin hat sich erstaunlich gut im Griff, ich würde ja erst einmal blöd gucken XD“

Das folgende Gespräch über den Fluch ist auch wirklich sehr passend. Rogue tut mir echt Leid, den muss das immer noch an die Nieren gehen, auch wenn er davon natürlich nichts nach außen dringen lässt. Und Natsu bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm, aber da steht ihm Sting letztendlich auch in nichts nach. Die Beiden sind einander halt sehr ähnlich, auch wenn sie es immer abstreiten würden. Ich finde es aber irgendwie interessant, dass der Ton der Beiden sich irgendwie verändert zu haben scheint. Als wäre Natsu etwas weniger schroff und Sting würde unbewusst darauf einsteigen? Wieder so schwer zu erklären. Auf alle Fälle fände ich es auch sehr interessant, noch mehr Stitsu-Entwicklung zu sehen! :D

Die Atmosphäre, als Lucy das mit Stings Selbstmordversuch rausrutscht, ist mehr als nur angespannt. Man spürt richtig Stings Panik und Lucys Schock, aber auch Natsu fühlt sich offensichtlich wie vor den Kopf gestoßen und bei Rogue… ich glaube, da kommt sehr viel zusammen. Wahrscheinlich gibt er sich teilweise sogar die Schuld dafür? Und wahrscheinlich sitzt ihm der Schock von damals immer noch mehr als nur quer im Magen. Würde mich nicht wundern, wenn ihn das manchmal tatsächlich noch bis in seine Träume verfolgt…
Zum Glück fängt Lucy sich wieder und wechselt das Thema, aber ich fände es, ehrlich gesagt, interessant, ob Sting und Lucy irgendwann noch mal zu zweit über diese Sache reden und ob Lucy ihm dann vielleicht auch anvertraut, wie sie das mit seinem Selbstmordversuch erraten hat – Ottonormalbürger kommt ja wohl eher nicht darauf, dass sich unter solch einem Lederarmband so etwas verstecken könnte.

(Ich merke gerade, dass ich mir hier alle Nase lang Broship-Momente von dir wünsche… Aber gegen Pairing-Momente hätte ich selbstverständlich auch nichts XD“)

Stings Erklärungen betreffen des Fluchs, der auf Lucy lastet und dann auch so allgemein betreffend der Dämonologie ist auch wieder sehr passend eingeflochten. Rogue meldet sich an den richtigen Stellen zu Wort, aber es ist typisch, dass er den Großteil der Erklärung doch lieber Sting überlässt. Schmunzeln musste ich ja, als Sting meinte „Rogue ist auch nicht so ein Freund davon.“ XD“

An der Stelle muss ich mal so allgemein sagen, wie toll du den Gesprächsfluss hier hingekriegt hast. Gerade nach dem Schock durch Lucys Feststellung war es ja eigentlich gar nicht so einfach, wieder in ein „normales“ Gespräch zu kommen, aber Lucy hat dafür ja zum Glück die Weichen gestellt und Sting und Rogue wollten ja offensichtlich auch nicht weiter darüber reden. Das hat sich alles sehr gut ineinander gefügt!
Und es ist echt witzig, dass Sting und Natsu trotz des ernsten Themas ihren Appetit nicht verlieren XD

Bei Rogues Drohung am Ende der Szene lief es mir eiskalt den Rücken runter, aber irgendwie passt es auch wieder zu ihm. Wenn es um Menschen geht, die ihm wichtig sind, ist er nun einmal sehr radikal. Und gerade in dem ’verse merkt man ihm immer wieder an, wie wenig Hemmungen er in der Hinsicht noch hat, obwohl er ja keineswegs ein blutrünstiger Killer ist.
Natsus Reaktion auf die Drohung war absolut Natsu. Hat einfach perfekt zu ihm gepasst. Klar, dass er das auf diese Weise abtut, aber hinter dem „Witz“ hat man auch gemerkt, wie ernst es ihm damit ist, dass er niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen über Stings Zustand verraten wird. Ganz ehrlich, ich warte geradezu sehnsüchtig darauf, dass Sting und Natsu irgendwann mal gezwungen sind, sich zusammen zu raufen! Wenn die Beiden ihre Streitigkeiten überwinden, sind die Beiden auf ihre eigene Art und Weise sicher ein tolles Team!

Die zweite Szene ist ja eher kurz, dazu gibt es auch gar nicht so viel zu sagen. Ich fand die Abschiedsszene zwischen Natsu und Lucy echt putzig. Der Wangenkuss wirkt so niedlich-unschuldig, aber man merkt schon, wie viele ernste Gefühle dahinter stecken. Aber Lucy hat Recht: Sie hat mehr Klasse, als etwas mit Natsu anzufangen, während sie eigentlich noch mit Dan zusammen ist!
Und wieder grübelt Lucy, ob Mira die Täterin ist oder nicht. Dass sie das nicht einfach so hinnehmen kann, passt wirklich gut. Lucy und Mira sind hier irgendwie eine niedliches Broship. Kommt dazu später auch noch mal was? (Noch ein Broship-Wunsch XD“)

Und dann Erzas Auftritt! Ich finde es wirklich faszinierend, wie gut du hier die Balance hinkriegst zwischen ihrem Bemühen, noch die ruhige, professionelle Fassade zu wahren, und ihrer beinahe wahnhaften Freude darüber, dass ihr bald die langersehnte Beschwörung gelingt. Sie wirkt hier echt psycho, aber auf eine völlig andere Art als ein typischer Villain. Da spürt man richtig, dass es da eine sehr komplizierte Vorgeschichte gibt. Echt super!
Natsu tut mir echt Leid, für den muss das der Horror sein, über Telefon nur erahnen zu können, was auf einmal mit Lucy passiert. Da merkt man auch mal von seiner Seite ganz deutlich, dass das mit Lucy für ihm weitaus mehr als nur sexuelle Anziehungskraft und Sympathie ist!

Und boah, das ist doch auch mal ein fieser Cliffhanger! Und da beschwerst du dich bei mir? XP

Erza ist so super creepy in der nächsten Szene. Vollkommen geistesgestört, aber man merkt da teilweise schon sehr deutlich, woher der Wind weht. Zum einen natürlich durch ihre Mutter, aber das Buch – genial schaurige Beschreibung der Wirkung übrigens! – dürfte ihren Wahnsinn erst recht verstärkt haben. Echt krass, wie aus einem so soliden und resoluten Menschen Erza so ein Wrack werden kann O_o

Lucys Angst in der Situation ist nur allzu verständlich. Kein Wunder, dass da die Pferde mit ihrer Fantasie durchgehen, als sie sich fragt, was mit Natsu ist, aber sie fängt sich ja wieder. Lucy halt, super taff! Klar, dass sie da nicht einfach so hängen bleibt und abwartet. Selbst wenn sie per se machtlos ist, ist sie eben eine Kämpfernatur, das mag ich immer so an ihr! :D

Leider bringt ihr das nicht viel, aber dennoch fand ich’s wirklich gut, dass du das so gedreht hast. Zumal das die ganze Sache noch viel spannender gemacht hat. Ich meine, weil ich dich kenne und weil ich gespoilert war, wusste ich ja, dass Lucy nicht sterben würde, aber es wurde dennoch ganz schön spannend, als Erza den Dolch gehoben hat! >_<
Zum Glück war Natsu rechtzeitig zur Stelle!
Und es war irgendwie ein echt typischer Natsu-Auftritt. So kennen und lieben wir das aus dem Manga X////D

Den darauffolgenden Kampf finde ich klasse! Absolut authentisch und die jeweiligen Stile und Stärken sehr passend für die Charaktere! Auch wenn Natsu dabei ganz schön abgekackt hat, war es einfach super spannend zu lesen! *~*
Klar, dass Natsu sich davon nicht mundtot kriegen lässt, dass er eigentlich gar keine Chance gegen Erza hat. So war er ja auch immer im Manga, wenn er einem übermächtigen Gegner gegenüber stand!

Der Auftritt des Dämons ist so unglaublich schaurig. Du schaffst es so unglaublich gut, in Szene zu setzen, wie er auf Lucy und Natsu wirkt. Bei diesen Beschreibungen habe ich mich vor lauter Spannung an die Tischkante geklammert! >_<

Minervas Auftritt ist einfach so ultracool! Endlich tritt sie mal so richtig in Aktion, nachdem sie bisher irgendwie immer nur den Wach- und Begleithund (aka Babysitter für Sting ID“) gemimt hat, aber jetzt kann sie mal zeigen, was sie wirklich auf dem Kasten hat!
Und die Erklärung, warum sie gegen den Dämon kämpfen muss, folgt ja auf dem Fuße – oder wird zumindest von Rogue angekündigt. Und Himmel noch eins, in meinem Kopf erklingt jedes Mal ein Fangirlgekreisch, wenn Rogue auftaucht! *schmacht* *schmacht* *schmacht*

Die Kampfaufteilung finde ich sehr passend so. Klar, dass Rogue im Kampf gegen den Dämonen der Experte ist, während Natsu Erza abkriegt. Damit hat er auch alle Hände voll zu tun!

>„Wie wäre es mit einem Buch oder einem Essen oder sowas…? Oder Blumen?“
*lol* Natsu, du bist einfach süß! Wir lieben dich! XDDDDDDD

Das ganze Ende des Kampfes fand ich rundum gelungen. Dass es mehr Glück als Verstand war, was Natsu und Lucy geholfen hat, Erza auszuschalten, dass auch Rogue und Minerva ihre Schwierigkeiten mit dem Dämon hatten, dass Lucy einfach nicht mehr darüber nachgedacht hat, was sie tut, als sie den Dolch geworfen hat… Das hat alles so perfekt gepasst!
Minerva und Rogue haben auch ganz schön etwas abbekommen, aber es verwundert mich nicht, dass Natsu und Lucy dann erst einmal an anderes denken XD
So ein Kuss-nach-dem-Sieg ist ja auch ein ziemliches Klischee, aber ich finde es – ganz besonders hier – dennoch verdammt gut *~*

Und damit bricht die letzte Szene an… *schnief*
Ich weiß ganz genau, wie viel Nerven dich diese Fic gekostet hat, aber ehrlich, es macht doch immer wieder wehmütig, wenn eine deiner Fics vorbei ist ToT

Ich mag den Kontrast zwischen den beiden Szenen sehr. Das Sonnige in der zweiten Szene verdeutlicht noch mal irgendwie diese Friedens-/Siegesstimmung.
Auch die Frotzeleien zwischen Natsu und Sting (und gelegentlich mal Rogue, sein „Oh, ihr seid es bloß.“ War so super XD) waren in der Szene irgendwie echt herzerwärmend. Auch wenn gerade Natsu und Sting wahrscheinlich immer wieder aneinander geraten würden, da ist echtes Broship-Potenzial drin! *~*

Die ganzen Erklärungen, wie das der Polizei erklärt wurde und was mit Erza passiert ist, fand ich auch sehr gut durchdacht. Und ich finde es schön, wie du hier auch noch mal Erzas Geschichte aufrollst und so auch erklärt, wie sie so werden konnte. Es ist eine ganz schön traurige Geschichte u.u

Die Ankündigung, dass der Dämon jetzt hinter Lucy her sein wird, ist natürlich ein wunderbarer Vorausblick auf weitere Storys. Ich bin sooooooooooooo gespannt, wie du das alles noch aufziehen wirst! >////////<

Allgemein fand ich den ganzen Gesprächsverlauf wieder echt toll. Flüssig, mit vielen Erklärungen, aber dennoch nicht vollgestopft. Es hat sich einfach alles wunderbar gefügt und die kleinen Zankereien zwischendrin haben das Ganze immer wieder gut aufgelockert. Hat sich super gelesen! Und es hat viele offene Fragen beantwortet.

NaLu-Romance am Ende! *////////////////*
Sooooooooooo süß! *~*
Du hast in dieser Fic auch absolut glaubwürdig die rasante Entwicklung zwischen den Beiden aufgedröselt. Immerhin umfasst die Story nicht einmal eine Woche und in der kurzen Zeit sind die Beiden schon Hals über Kopf ineinander verliebt, aber hey: Die Anziehungskraft war ja von Anfang an da und wenn man es gemeinsam gegen einen Dämon aufnimmt, kann das ja nur zusammenschweißen X////D

Und ein Katerchen für Lucy!!! >///////////////////<


Wie du während der letzten 5800 Worte gemerkt hast, hat mich die Fic restlos begeistert! Ich habe mitgefiebert, habe geschmachtet, habe gelacht und geschmunzelt und an einigen Stellen hat es mich echt traurig gemacht. Es war auf seine eigene Art eine wahnsinnig gefühlvolle Story. Man hat richtig gemerkt, wie viel Arbeit du da rein gesteckt hast! Da ist noch in so viel Richtungen Spielraum für weitere Storys und ich bin überglücklich, dass ich für dieses ’verse noch auf eben diese Storys hoffen darf! *~*

Auch en Prolog und den Epilog fand ich sehr, sehr gut, auch wenn sich dazu kaum etwas sagen lässt, weil sie Beide so kurz waren. Auf alle Fälle haben sie sich sehr gut in die Story eingefügt und sie gut eingeführt, bzw. abgerundet. Und sie klangen auch Beide wirklich gut nach Lucy und haben sehr an Lucys Erzählparts im Manga erinnert. Hat mir wirklich grandios gut gefallen! :D


So, und jetzt bin ich über die 6000-Wort-Marke und habe ENDLICH mein Versprechen einhalten können! >____<
Ich hoffe, du hattest bis hierhin Spaß am Kommentarlesen, und ich freue mich schon auf Night Stallion! *~*

Danke für die tolle Story!
Lg
Yosephia

PS: STINGUE!!! */////////////////////*
PSS: Das musste ich noch mal loswerden X//////////D


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