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Schattenherz

von

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Raus aus dem Vogelkäfig II

Die Welt drehte und drehte und drehte sich. Wie ich vielleicht bereits erwähnt hatte, vertrug ich nicht besonders viel Alkohol. Erschwerend hinzu, kam die Tatsache, dass sich in meinem Magen keine Grundlage befand, was vielleicht der Grund dafür war, dass Vampire ziemlich einfach ab zufüllen sind.

Mir war speiübel... Ich presste mir meine Hand auf den Mund würgte zunächst trocken. Vittorio hatte sich indes neben mich gehockt und mir eine Hand auf den Rücken gelegt.

„Alles in Ordnung?“, stellte er mir die wohl rethorischste Frage, die einem in diesem Moment wohl einfallen konnte. Ich atmete ein paar Mal tief durch und schluckte den säuerlichen Geschmack herunter, der sich in meinem Mund breit gemacht hatte.

Ich schüttelte Vittorios Hand ab und kämpfte mich auf die Beine. Ich wollte, meiner Sucht nach Schutz und Liebe zum Trotz, nicht einmal, dass dieser Fremde mir hoch half. Ich wollte mich nicht mehr selbst abhängig von Anderen machen.

Ich fuhr mir fahrig durchs Haar und gab ein unverständliches Grummeln von mir, woraufhin mich meine neue Bekanntschaft fragend ansah.

„Ich...mache gerade eine Trennung durch“, gab ich ich zu und lächelte nicht unbedingt überzeugend. Vittorio bot mir einen Arm an und brachte mich wieder ins Innere der Bar. Die Hexe am Eingang musterte mich mitleidig. Ich hasse Hexen.

„Ich verderbe dir den Abend“, mutmaßte ich, als der junge Wolf mir einen Becher mich warmem Blut in die Hand drückte, den ich nur zu gern entgegennahm. Wir saßen in einer kleinen Sitzgruppe.

„Würde es dir helfen über deinen … Ex-Partner herzuziehen? Mir hilft das immer“, schlug er vor und bedachte mich mit einem aufmunternden Lächeln. Ich hatte nicht die Absicht mich mit ihm über meine gescheiterte Beziehung zu sprechen und über Sam, so wütend er mich auch damit gemacht hatte, einfach zu sterben, herzuziehen war das letzte, was ich im Sinn hatte.

Aber andererseits hatte ich auch jedes Recht wütend zu sein. „Er ist einfach gegangen“, kam es mir schließlich über die Lippen. „Mehr gibt es darüber nicht zu sagen.“

Vittorio seufzte und versuchte mir Anteilname vorzugaukeln. Ich war ihm dankbar für diese nicht ganz ernstgemeinte Geste und lächelte.

Ich trank von dem noch warmen, frischen Blut und schauderte wohlig dabei. „Was macht deine Freundin so?“, lenkte ich unser Gespräch fort von mir und Sam. „Wicca“, sagte Vittorio knapp und nickte zur Tanzfläche. „Ich vermute sie hat ziemlich viel Spaß hier.“

Ich lachte leise und fühlte ein neues Gefühl in mir hochkochen. Etwas, das in mir geschlummert zu haben schien und jetzt sein Recht forderte an die Oberfläche zu dringen. Ich fühlte mich frei auf eine Art, die mir bisher völlig fremd gewesen war. Ich begann zu verstehen, warum viele meiner Brüder und Schwestern dieses Leben, das mir immer ein Fluch gewesen war als Segen betrachteten.

Entgegen aller Vermutungen gibt es unter uns tiefgläubige Individuen. Das Weihwasser, das für uns einem Gift gleich ist, ist nicht tödlich weil es geweiht worden ist, sondern weil gewitzte Vampirjäger ihm Mariannenkraut beimischen, deren chemische Bestandteile uns den Tod bringen.

Sie nennen es Weihwasser, weil sie uns als unheilig und dreckig betrachten.

Ich fühlte mich so frei, weil so bitter es war, Sams Tod mir die Möglichkeit gab noch einmal von vorn zu beginnen. Denn so liebevoll er mich stets behandelt hatte, so hatte ich mich ihm immer weit unterlegen gefühlt. Sam war nicht mehr. Aber mich gab es noch und ich hatte die Chance weiter zu leben. Ich leerte den Becher und fühlte mich sofort ein wenig besser.

Vittorio, der nichts von meinem inneren Monolog mitbekommen hatte, hatte ein niedliches junges Ding an der Bar in Augenschein genommen. „Vittorio? Sei achtsam. Es sind Jäger in der Stadt und die Kleine da habe ich noch nie gesehen, hier“, warnte ich den Werwolf aber er winkte ab. Ich zog die Brauen hoch, blickte in meinen Becher und schwenkte den letzten Rest darin, bevor ich ihn herunter kippte.

Meine Augen folgten wachsam dem Werwolf, der nun aufstand und sich auf seine persönliche Jagd begab. Das Schummrige Licht, in der Bar, schmeichelte jedem Wesen der Nacht. Vielleicht bereute er bei Tageslicht, was er sich hier angelacht hatte.

Er hatte sein Ziel erreicht und flirtete eine Spur zu offensiv, für meinen Geschmack, mit ihr.

Mir drängte sich die Vermutung auf, dass er schon sehr bald bereuen würde, was oder wen er sich da angelacht hatte, wenn sie ihm das Messer, dass sie hinter ihrem Rücken aus dem Gürtel zog, ins Herz rammte. Ich sprang auf und tat zu meinem persönlichen Bedauern etwas, das ich noch nie getan hatte. Ich mischte mich in fremde Angelegenheiten ein.

Wenn man ein Vampir ist, hat man einige wirklich angenehme Fähigkeiten. Man kann sich zum Beispiel so lautlos bewegen, wie eine Katze. Das hatte ich getan und schnappte der jungen Dame das Messer weg. Noch während ich es ihr entzog, fühlte ich, dass das eine wirkliche dumme Idee gewesen war.

Sie wirbelte herum und griff augenblicklich nach der Waffe. Vittorio, auf der anderen Seite, der Frau, starrte mich fassungslos an. Ein Blick der eigentlich seiner potentiellen Mörderin hätte gelten sollen, wenn man mich fragte. Sie fauchte wütend und jetzt erst bemerkte ich, dass sie eine ziemlich gut gemachte Perücke trug. „Gütiger Himmel!“, stieß ich aus und starrte den kleinen Schlangenkopf an, der sich unter ihrem Haaransatz hervor kämpfte und neugierig schaute, was der Tumult um ihn herum zu bedeuten hatte.

Ich hatte das Messer fest umklammert und kniff die Augen zusammen. Die Bar war inzwischen so brechend voll, dass niemand unser kleines Menage a trois mitbekommen hatte. Ich fluchte und tat das Einzige, was mir einfiel. Ich schrie: „MEDUSA!“

Leider war meine Stimme noch nie sehr kräftig und kaum in der Lage die Musik zu übertönen. Ich traute mich nicht die Augen zu öffnen, bis ich spürte, dass mir nichts geschah und dann begann die Medusa vor mir an zu schreien und zu kreischen. Ohne es zu wollen öffnete ich die Augen und sah verblüfft, dass Vittorio ihr, die ihren verbunden hatte. Er hatte ihr von hinten sein Halstuch um die Augen gelegt und es auf einem mir unbegreiflichen Weg geschafft ihre Handgelenke festzuhalten.

Mein angeschlagener Kreislauf, atmete dankbar auf, als ich mich an der Theke abstützte. Endlich hatte die Security geschaltet. Und auch der Rest der Bar, bis auf ein Vampirpärchen, das noch immer auf einem der Sofas zu Gange war, war aufgefallen, was hier gerade vor sich ging.

Der Sicherheitsmann war ein großgewachsener, Troll, der vermutlich unter einer Brücke lebte und zum Frühstück drei Jungfrauen verschlang. Er grunzte und schnappte sich die wild gewordene Dämonin. Während er sie hinaus brachte bestellte ich beim Barkeeper einen doppelten Vodka ohne Blut. Vittorio schnaufte und sank neben mir auf einen Hocker.

„Du wolltest nicht auf mich hören“, sagte ich und nahm mein Getränk entgegen. Ich kippte es herunter und machte mir keine Gedanken, dass ich eigentlich schon genug hatte.

Vittorio schüttelte den Kopf und legte mir eine warme Hand auf die Schulter. „Danke, Mann!“

Ich musste lachen. „Ich hab mir fast in die Hose gepisst“, gab ich zu und legte das Messer auf den Tisch, das ich noch immer in der Hand hatte.

Eine Frau kam zu uns. Ich vermutete, dass sie die Freundin war, von der mir meine Bekanntschaft erzählt hatte. „Was war denn da los!?“, sagte sie atemlos und betrachtete Vittorio als wollte sie sicherstellen, dass ihm nicht ein Ohr abgefallen war, vor Aufregung.

Ich war inzwischen bei meinem nächsten Drink und konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel sich nach oben zogen. Die beiden würden es irgendwann noch selbst begreifen. Ich brauchte nichts dazu zu sagen.

„Dante, oh Sophie, das is Dante, Dante, das ist Sophie“, stellte er uns vor und ich gab ihr höflich die Hand. „Dante hat mich eben gerettet. Ich hab da diese Süße gesehen und... das war ne Dämonen, die ….“, er stammelte hastig alles runter und ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Ich bewegte meine Schulter ein wenig. Ich fühlte mich verspannt. Trotz dem Funken Mut, der in mir aufgekommen war, überwog die Sehnsucht, nach der Person, mit der ich die letzten Jahre verbracht hatte. Ich stand auf und bezahlte die letzten Drinks.

Während sich Vittorio noch in Ausschweifenden Erklärungen verlor, kritzelte ich ihm meine Nummer auf einen Zettel, um den ich den Barkeeper gebeten hatte. Ich gab ihm den Stift wieder und schob ihn Vittorio zu. Kurz überlegte ich das Messer der Medusa in der Bar zu lassen, steckte es aber doch unauffällig ein. Es war meine persönliche Trophäe, die ich mir an meinem ersten Tag außerhalb des Vogelkäfigs erstritten hatte.

Ich rief ein Taxi und fuhr nicht nach Hause, sondern in unser Nest.

Ich tat das, was jemand tun musste. Ich packte seine Sachen in Umzugskartons, die er im Keller aufbewahrt hatte und suchte wichtige Unterlagen zusammen. Ich setzte ein Kündigungsschreiben auf, dass ich morgen noch einmal neu verfassen würde, weil meinem benebelten Kopf das Denken sehr schwer fiel.

Ein paar Dinge,an denen ich sehr hing, packte ich in einen besonderen Karton, den ich mit zu mir nehmen würde. Die anderen Sachen, die mein Herz bereit war herzugeben würde die Heilsarmee bekommen.

Nachdem ich alles aufgeräumt hatte nahm ich auf einer der Kisten Platz und verbarg das Gesicht in meinen Händen.
 

Die Sonne tötet uns nicht wirklich. Aber wenn wir zu lange Sonnenlicht ausgesetzt sind, bekommen wir schreckliche Migräne und müssen uns übergeben. In meinem Fall war aber nicht die Sonne schuld. Ich hatte die Nacht im Bad verbracht und nun dämmerte es. Meine Gedanken waren schwer wie Blei. Aber ich fragte mich, was meine Aufgabe, in diesem einsamen Leben werden würde. Ich las mir das unverständliche Gekrakel durch, das halb auf kyrillisch verfasst worden war.

Ich lachte leise über mich selbst. Ich zerknüllte das Schreiben und setzte ein Neues auf.

Nachdem ich die letzte Blutkonserve aus dem Kühlschrank genommen und vernichtet hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich trug einen dicken Pullover von Sam und hatte mir die Kapuze ins Gesicht gezogen. Außerdem hatte ich mir eine seiner Sonnenbrillen aufgesetzt. Den Karton mit meinen Sachen, trug ich bis zum nächsten Briefkasten, wo ich das Kündigungsschreiben einwarf.

Zur Räumung der Wohnung beauftragte ich einen Anwalt. Ich legte alles in seine Hände und zog mich in meine Wohnung zurück. Sams Pullover hatte ich noch immer an. Er begleitete mich in mein Bett und umgab mich ein letztes Mal mit Samuels wunderbarem Duft.

Es war das einzige Kleidungsstück, das ich mitgenommen hatte um mir selbst die Chance zu geben, mit dem Schmerz und dem Verlust abzuschließen.

Zumindest irgendwann.



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