Das Grauen nimmt kein Ende
Kapitel 15
Hoffentlich sind wegen der langen Pause noch Leser übrig ...
aber zumindest ein neues Kapitel
Tim
Mein momentaner Zustand ließ sich eigentlich nur mit einem Wort beschreiben: Glitzerfunkel.
Ich lag völlig high neben einem verschwitzten, nur noch Boxershorts tragenden, von mir befriedigten Daniel. Nun dürfte ja wohl jeder verstehen, warum meine Augen gerade die Form von rosa Herzen angenommen hatten und ich debil vor mich hingrinste.
Ich hatte lange keinen so guten Orgasmus mehr gehabt. Was natürlich auch daran liegen konnte, dass es bereits eine ganze Weile her war, dass ich mal nicht selbst Hand anlegen musste. Und auf mein objektives Urteilsvermögen war eh kein Verlass, da ich verliebt war. Mir wäre wahrscheinlich schon einer abgegangen, wenn er ihn noch nicht einmal angefasst hätte. Aber das hatte er ja getan und zwar vollkommen freiwillig.
Trotzdem taten mir jetzt alle Knochen weh, was wohl am meisten daran lag, dass ich den Couchtisch zertrümmert hatte, weil mich Daniel einfach drauf geschmissen hatte und sich selbst gleich hinterher. Meine Güte, auf diese Art und Weise war ich auch noch nie zum Sex gekommen. Das glaubte einem ja keiner, wenn man das erzählte.
Aber ich konnte nicht abstreiten, dass es mir nicht gefallen hätte. Im Gegenteil, es hätte eher mein Weltbild zerstört, wenn mein Herzblatt auf Blümchensex abfahren würde. Ich kam nicht umhin, mir vorzustellen, wie dann erst richtiger Sex mit ihm wäre.
In meinem benebelten Zustand wollte ich gerade fragen, ob wir dass hier nicht mal wiederholen könnten, als ich von der Klingel unterbrochen wurde.
Nicht gut! Unsicher blickte ich zu meinem Liebsten, welcher mich seinerseits jedoch erdolchen wollte. Zumindest seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Ich konnte nicht verstehen, wie man kurze Zeit später schon wieder auf 180 sein konnte. Ich selbst fühlte mich immer noch wie in Watte gepackt, machte mich aber daran, brav zur Tür zu watscheln, da es offensichtlich zu meiner neuen Aufgabe geworden war, den Türsteher zu spielen.
Wer auch immer der Störenfried sein mochte, ich sah mich nicht gezwungen, mich vorher anzuziehen. Sollte derjenige bei meinem Anblick doch in Ohnmacht fallen, mir wurst. Das Einzige, was ich tat, war mir provisorisch mit Daniels zerrissenem Shirt die Spuren unserer Taten auf meinem Körper wegzuwischen.
Vorsichtig schlängelte ich mich durch die Trümmerhaufen des ehemaligen Wohnzimmers und mir kam der Verdacht, dass mein Vorhaben, meinen Mitbewohner davon abzuhalten, die Einrichtung zu zerlegen, gründlich schief gegangen war.
„Nick? Was zur Hölle…“
„Freut mich auch, dich zu sehen…Sag mal, stör ich?“ Während er redete, musterte er mich von oben bis unten und blieb beängstigender Weise an meinem Schritt kleben.
Ich wollte schon raus hauen: „Nein, wir sind gerade fertig gewesen.“, als ich mich eines Besseren besann und ein dämliches „Ähhhh, nein“ raus brachte.
„Tim, geht’s dir gut? Du bist ganz rot im Gesicht.“ Das lag vielleicht an dem Gedanken, dass Daniel noch halbnackt im Wohnzimmer liegen musste.
Wenn ich mir vorstellte, wie geschickt er sich schon beim Küssen angestellt hatte, wurde mir gleich ganz anders zumute. Aaaah! Das war definitiv keine gute Idee, solange ich mich noch regelrecht auf dem Präsentierteller befand.
Kurzerhand schnappte ich mir Nicks Patschehändchen und zerrte ihn vorbei an der zum Glück geschlossenen (!) Wohnzimmertür, hinein in mein Zimmer. Gerettet! Erleichtert atmete ich auf.
„So, jetzt wo wir offensichtlich aus der Gefahrenzone raus sind, kannst du mir ja erzählen, was passiert ist.“ Geschockt oder vielmehr ertappt starrte ich in Nicks braune Augen und stotterte: „Was?“ „Na ja, irgendjemanden scheinst du ja im Wohnzimmer versteckt zu halten.“
Verflucht, hieß er mit zweiten Vornamen etwa Sherlock oder warum konnte er so gut kombinieren?
Ich war noch nie sonderlich gut im Lügen gewiesen, also ließ ich es auch bleiben und starrte mein Gegenüber lieber weiterhin treudoof an.
Plötzlich fing er an zu lachen und tätschelte meinen Kopf. „Dich kann man so leicht verarschen, echt süß.“ Die Erleichterung darüber, dass er anscheinend gar nichts mitbekommen hatte, blieb mir auf halbem Wege im Halse stecken, als ich diese Bezeichnung vernahm.
„Ich bin was?“, krächzte ich heiser. „Na ein Schnuckelchen, der allen Weibern den Kopf verdreht“, antwortete er auch noch völlig ungerührt. Okay, das war grad zu viel für meine Nerven. Fassungslos ließ ich mich auf meinem Bett nieder und fragte nach einer Weile: „Da gibt es nicht zufällig etwas, was du mir sagen möchtest?“
„Meinst du die Tatsache, dass ich genau so schwul bin wie du, oder dass ich es dir bislang noch nicht erzählt habe?“
Ich musste aussehen, wie ein Fisch auf dem Trockenen, während ich Nick schon wieder angaffte. Gab es für den heutigen Tag vielleicht noch mehr groteske Sachen? Wenn ja, dann konnte schon mal wer mein Grab schaufeln, denn das würde mein kleines Herz sicher nicht überstehen. Nick und schwul, warum war mir das nie aufgefallen? Ich war es doch selbst, normalerweise merkte ich so etwas. Ich schob meine geistige Umnachtung auf den Umstand, dass ich nur noch Augen für Daniel hatte.
Und genau von diesem und unserer verkorksten Beziehung berichtete ich in den nächsten Stunden ausführlich dem armen Kerl neben mir.
Daniel
Keine Ahnung, wer an der Tür stand, aber ich war zumindest Tim für seine Diskretion dankbar, dass er dieses störende Individuum perfekt am Wohnzimmer vorbeigelotst hatte. Nicht auszudenken, wenn wir diese, doch wohl eindeutige Situation hätten erklären müssen. Da verzieh ich diesem Volldeppen auch, dass er mein T-Shirt nicht nur zerstört, sondern auch noch eingesaut hatte. Resignierend schloss ich die Augen und versuchte einfach tief durchzuatmen. Sollte ja bekanntlich helfen, aber scheinbar galt dies nicht für Teenager, die ein Problem mit ihrer sexuellen Orientierung hatten. Okay, Problem war übertrieben, eher eine zeitweise Verwirrung.
Nächster Schritt aufstehen und aufräumen. Ganz schlechte Idee, echt. Ich fühlte mich wie ein wirbelloses Geleetierchen und das war nicht sonderlich angenehm. Zum Glück brauchte ich die Überbleibsel der Wohnzimmereinrichtung nur aus dem Fenster werfen. War mir doch egal, ob ich damit eine blöde, alte Oma erschlug. Selbst Schuld, wenn die da lang ging. Zum Schluss siegte doch die Neugier, wer da jetzt bei Mongo zu Besuch war. Also nicht, dass mich der Umstand interessierte, halt nur ... ach verdammt. Wabbelnder Weise torkelte ich also aus dem Wohnzimmer zum besagten Raum und presste mein Ohr ganz fest dagegen. Ja, ja, lauschen endet niemals gut aber hey ...Nick? Was machte bitte die blöde Socke hier?
„Da gibt es nicht zufällig etwas, was du mir sagen möchtest?“, hörte ich Tim nuscheln. Uhh doch, da fiel mir so einiges ein. Wie wäre es mit sexueller Belästigungsbär? Das find ich mal passend.
„Meinst du die Tatsache, dass ich genau so schwul bin wie du, oder dass ich es dir bislang noch nicht erzählt habe?“ Oh ganz falsch Nick ... OMG ...
Nein, das hab ich nicht gehört! LALALALALA!!!! Aus meinem Kopf!!!! Mein bester Kumpel genauso schwul wie ich. Ähm ja, nicht ganz und ... scheiße der war schwul und sagt es mir die ganzen Jahre nicht. Da wischte man dem seine Kotze auf, kümmerte sich um dieses Weichei, wenn der nen Kater hatte und so wird einem das gedankt. Na viel Spaß euch beiden. Ich musste hier raus.
Frische Luft tut gut, viele Menschen auch und ... AHHH Auto. Verdammt, in meinem Zustand sollte man nicht über irgendwelche Straßen laufen. Schon bescheuert, das Haus zu verlassen und seinen Schlüssel nicht mal mitzunehmen. Wenigstens hatte ich es vorher geschafft, mir etwas überzuziehen. Wäre sonst doch leicht peinlich geworden.
Leider war zurückgehen schlecht möglich, da sich ja die Beiden ziemlich gut amüsierten, also fiel mir nichts beschränkteres ein, als zu Annika zu gehen und am besten gleich mit ihr in die Kiste zu steigen. Warum auch nicht, ich fand, das war ein guter Plan.
So stand ich also vor der Tür zu dem besagten Haus und wartete geduldig, bis sich die blöde Trine mal die Treppen hinunter zu mir bewegte. Weiber, echt, was brauchten die eigentlich immer so ewig für alles?
„Daniel?“ Man, erst lässt die mich Stunden warten und dann kommt so eine Begrüßung. Ob die es glaubte oder nicht, ich wusste, wie mein Name lautete.
„Jepp...“
„Du bist hier weil du es dir überlegt hast?“ Nee eigentlich nicht, aber es wäre nicht sehr nett von mir, ihr die Wahrheit zu sagen.
„Jepp.“
„Weil du gemerkt hast, dass du mich liebst.“ Oh man, ich hoffte, die wollte keine Antwort ... scheinbar doch.
„Ähh Jepp.“ Hah, lügen war schon was tolles. Leider war ich darin grottenschlecht, aber Annika war ja bekanntlich zu dumm für alles außer Sex. Und den würden wir gleich haben, immerhin fand ich mich nur Augenblicke später in ihrem rosa Himmelbett wieder, während sie sich auf mich stürzte und mich mit ihrer Zunge vergewaltigte.
Bah nee, ich will Tim zurück. Der konnte das wenigstens und ... oh Gott ich wollte wirklich wieder zurück. Sehr erschreckend diese Feststellung, aber wenn ich so bedenke, wie sich seine Hände angefühlt haben und jetzt diese komischen Dinger von dem Weib. Uhargs, ich musste das sofort beenden.
„Annika?!“
„Was denn?“, kam es gereizt. Woah, war das nicht die Aufgabe eines Kerls so zu reagieren? Das Mädel macht mir immer mehr Angst.
„Ich kann heute nicht.“ Hey, das war nicht mal gelogen, naja das ‘heute’ schon, aber das musste ich ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
Nach nochmals stundenlangem hin und her ließ mich dieses Sexmonster endlich in Ruhe. Okay, es war eher aus dem Grund, dass sie rubbeln konnte, wie sie wollte, da stellte sich nichts mehr auf. Toll, wahrscheinlich würde ich ab morgen als impotent gelten.
Neuer Tag, neues Glück überfahren zu werden, in einem schwarzen Loch zu verschwinden oder einfach von irgendwas erschlagen zu werden. Leider nicht für mich, denn laut meiner körperlichen Grundfunktionen war ich definitiv am Leben und vorübergehend schwul. Diese Erkenntnis traf mich gestern Nacht. Naja, schwul wäre übertrieben, weil ich mich ja nur zu einem bestimmten Kerl hingezogen fühlte und dies sicher nur eine pubertäre Phase war. Von daher hatte ich mich damit abgefunden und würde mich so lange irgendwo einschließen, bis es zu Ende war und mich Brüste wieder glücklich machten. Immerhin hatte ich kurz nach meiner Geburt daran rumgesaugt und tat dies hoffentlich auch noch bis kurz vor meinem Tod.
Die ersten vier Stunden verliefen auch echt gut, da ich mich perfekt im Schulkeller versteckt hatte. Nun war leider Sport angesagt und dieses Fach würde ich nicht einmal verpassen wollen, wenn die Welt unterging. Von daher traute ich mich aus der sicheren Dunkelheit heraus auf den Hof und lief direkt Annika in die Arme. Na ganz toll.
„Wir müssen reden Daniel“ Müssen wir wirklich? War ja nicht so, als ob da je etwas sinnvolles heraus gekommen wäre.
„Ähm ...“
„Wegen gestern Abend. Irgendetwas stimmt nicht mit dir oder wer ist die Schlampe? Tim???“, fiel mir dieses Weib einfach ins Wort und ich konnte mich einfach nicht beherrschen, sie mit offenen Mund anzustarren. Das war doch jetzt nicht ihr Ernst!
„Oh nein, dein Blick sagt alles. Ich fasse es nicht. Was ist nur aus dir geworden? Was findest du an diesem aufgeblasenen Gockel?“
„HAHAHAHA, geile Bezeichnung. Aber dieser Gockel hat mir wenigstens einen Ständer verschafft, im Gegensatz zu dir!“ Oh Gott, das hab ich jetzt nicht laut gesagt oder? Nach ihrem Blick zu urteilen schon. Heiliges Kanonenrohr. Ein Räuspern hinter mir nahm mir den letzten funken Hoffnung. Ich wagte es schon gar nicht, mich umzudrehen, aber die Neugier siegte wie immer und ich sah direkt in die geschockten Gesichter von Nick und Tim.
„Och nee!“ Mein sehr passender Kommentar zu diesem schrecklichenTag.
tbc?
Soll es noch weitergehen?
