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Was lange währt

... wird damit noch lange nicht gut - Anzu x Seto
von

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Glück im Spiel, Pech in der Liebe

Verdammt. Verdammt, Verdammt. Verdammtverdammtverdammtverdammt.

Setos praktische Seite meldete sich, um ihn daran zu erinnern, dass es seine Situation um keinen Deut besser machte, wenn er sich nur damit beschäftigte, das selbe Wort in Gedanken millionenfach zu wiederholen.

Er ignorierte sie.

Die Fratze dieses Amerikaners schrie nach Krieg, also würde er ihn bekommen. Setos Faust landete einmal mehr an der gegenüberliegenden Wand, zu spät erinnerte er sich, dass sie noch schmerzte vom letzten Mal, als er das getan hatte. In der Toilette dieses schmierigen Partykellers. Der ihm unerklärlicher Weise bei seiner Ankunft noch erstaunlich sauber und nett hergerichtet vorgekommen war.

Aber das war jetzt sein geringstes Problem.

Er war daran gewohnt, zu bekommen, was er wollte.

Er wollte Anzu, und er würde sie bekommen, egal, wie viele Hollywoodstar-Verschnitte und pseudoperfekte Selfmademen sich ihm dabei in den Weg stellen würden.

Dabei wusste er noch nicht einmal so genau, warum er sie eigentlich so dringend wollte. Na gut, er wusste es. Aber er mochte Gründe, die sich schwarz auf weiss auf schweres Papier drucken und als Geschäftsplan abstempeln liessen, und solche konnte er hier nicht vorweisen.

Er wolle Anzu für sich haben, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie einem anderen als ihm oder einem ihrer Freunde aus Domino diese allzu offensichtlich selbstgebastelten Valentinskarten mit den in Seidenpapier gewickelten Eckchen schickte.

Er wollte sie, weil er nicht darauf verzichten konnte, wie sie ihm jedes Mal sagte, dass er ein Idiot war, wenn er sich selbst dessen gerade bewusst wurde, obwohl er es niemals zugeben würde.

Er wollte sie, weil sie noch immer die blöde alte Luxussporttasche besass, die ihr Mokuba irgendwann einmal gegeben hatte, als die Zimtsterne, die die beiden fabriziert hatten, nicht in Anzus Schulranzen passen wollten und die Kaiba Corp die Dinger gerade als Werbegeschenk hatte.

Er wollte sie, weil ihre Haare so unglaublich nach Aprikose dufteten, obwohl sie sie definitiv mit neutralem Shampoo wusch – immerhin hatte er vor ein paar Stunden noch gesehen, wie sie ihre Siebensachen nach der Pyjamaparty, in die das Ganze gestern ausgeartet war, wieder in besagte Tasche geworfen hatte.

Weil sie sich kein Bisschen dafür schämte, ein Sailormoon-Necessaire und einen herzförmigen Schlüsselanhänger mit der Aufschrift „Crazy for NY“ zu besitzen.

Weil sie es wieder mal jedem recht machen musste und deshalb für jeden einzelnen ihrer Gäste sein buffettauglichstes Lieblingsessen gezaubert hatte, obwohl das natürlich alles in allem viel zu viel geworden war.

Weil sie sich nicht darum scherte, dass alle Welt glaubte, er nähme nur Snacks im fünfstelligen Yenbereich zu sich und ihm trotzdem die Käsekracker gemacht hatte, die sie irgendwann einmal zum Schulfest gebacken hatte und fast vollständig an ihn losgeworden war.

Weil, weil, weil.

Tausend Gründe, warum er sie nicht diesem Justin überlassen würde. Das einzige Problem an seinem grandiosen Plan war, dass es keinen wirklichen Plan gab. Geben konnte. Er war vielleicht gut darin, seinen Geschäftspartnern das Ausmass ihrer Gier an den Augen abzulesen und danach seine Forderungen masszuschneidern, sodass er immer bekam, worauf er abzielte. Er konnte sogar seine Lehrer mit einem einzigen Blick schachmatt setzen, wenn sie sich über ihn beschwerten. Es machte ihm keine Probleme, jeden – nun, fast jeden – im Duel Monsters zu schlagen.

Aber dies hier war leider kein Spiel und das Herz einer Frau liess sich wohl nicht durch ein paar simple Spielzüge erobern. Vor allem nicht, wenn man zuvor schon alles getan hatte, um es wieder zu loszuwerden.
 

Okay. Einatmen – ausatmen. Ein. Aus. Es würde alles so laufen, wie es sollte. Sie hatte diese Performance so lange geübt, bis sie die Bewegungen auch morgens um fünf im Halbschlaf ausführen konnte. Justin hatte es sich nicht nehmen lassen, das buchstäblich zu überprüfen. Also was sollte schief gehen? Anzu ging zu ihrem Fach an der gegenüberliegenden Kabinenwand hinüber, um sich noch ein letztes Mal mit Deo zu versorgen und einen Schluck Wasser zu trinken. Lächelnd bemerkte sie einen kleinen Strauss feuerfarbiger Rosen auf ihrem zusammengefalteten Handtuch. Sie nahm ihn auf und roch an einer der Blüten, wobei ihr eine kleine, mit Computer beschriftete Karte entgegen fiel. „Viel Glück“ stand darauf, sonst nichts. Hinter ihr öffnete sich die Tür und Justin kam ins Zimmer. „Danke für die Blumen, die du mir da geschickt hast. Die sind echt schön.“ Begrüsste sie ihn, ein Lächeln auf dem Gesicht. Justin runzelte die Stirn. „Warum sollte ich dir Blumen schicken, wenn ich sie dir selbst bringen kann?“ Tatsächlich zog er einen viel zu grossen Bund knallroter Rosen hinter dem Rücken hervor. „Noch dazu solche mickrigen gescheckten.“ Missbilligend musterte er den Strauss, den sie bereits in Händen hielt. Einen Moment lang sah Anzu traurig aus. //Weil orangerote Rosen mir am liebsten sind. Weil ich es schon als kleines Mädchen romantisch fand, sie romantische Liebe und Leidenschaft so in sich vereinen.// Dann lächelte sie schnell wieder. Woher sollte Justin das wissen? Er hatte es nur gut gemeint. Vielleicht sogar etwas zu gut, wenn sie sich den Strauss so ansah, den er da gebracht hatte. Damit konnte man ja jemanden erschlagen. „Ach, dann sind die hier wahrscheinlich von meinen Freunden. Danke jedenfalls.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging mit nur noch ganz leicht zitternden Knien nach draussen, wo sie hinter der Kulisse auf ihren Auftritt wartete.
 

„Miss Mazaki?“ verwundert drehte sie sich um. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Postbote sie schon kannte. Aber wahrscheinlich liefen hier nicht gerade viele Mädchen herum, die auch nur annähernd japanisch aussahen. Schliesslich befanden sie sich irgendwo in einem verschlafenen Städchen mitten im Nirgendwo. „Ja?“ „Ein Brief für Sie.“ Der Mann lächelte sie freundlich an und reichte ihr das seltsam schwere, steife Kuvert. „Danke...“ murmelte sie etwas überrascht, als sie darauf das Firmenzeichen der Kaiba Corporation erkannte. Was in aller Welt konnten Seto oder Mokuba von ihr wollen, das sich nicht per e-Mail regeln liess? Sie zog die Tür der Ferienwohnung hinter sich zu, die Justin und sie statt der Jugendherbergszimmer der restlichen Truppe bewohnten, und riss den Umschlag auf. Heraus fielen ein Flugticket nach New York und eine auf Hochglanzpapier gedruckte Eintrittskarte zum neuesten Broadway-Musical. Was hatte das zu bedeuten? Woher wussten die beiden überhaupt... oh. Sie erinnerte sich, auf ihrer Party vor ein paar Wochen erwähnt zu haben, dass sie das Stück gerne sehen würde. Aber bitte, das war einfach so daher geredet gewesen! Über irgendwas musste man schliesslich reden, mitten in der Nacht, wenn man nicht einschlafen konnte. Ausserdem hatte sie gedacht, ausser ihr und Yugi sei keiner mehr wach gewesen. Sie sah auf das Datum. Morgen Abend schon??? Das gab ihr kaum genug Zeit, ihre Tasche zu packen, falls sie wirklich fliegen wollte. Was natürlich eine reine Dummheit wäre. Sie konnte nicht einfach für zwei Tage verschwinden, nicht mal für einen, wenn sie es sich recht überlegte. Gut, sie hatten jetzt ein paar Tage frei, aber Justin... es war immerhin nur EIN Ticket. Andererseits, sie hatte wirklich grosse Lust, sich das Musical anzusehen. Und wie gross waren ihre Chancen, dass sie in nächster Zeit dafür aufkommen konnte, mit ihrem Einkommen? Entschlossen zückte sie ihr Handy und wählte Justins Nummer. Sie sollte ihn wirklich mal in ihre Kurzwahlliste aufnehmen und jemand anderen rausschmeissen. Seto zum Beispiel. „Schatz? Ich habe überraschend eine Einladung nach New York bekommen... ich werde heute Abend fliegen.“ Sie schwieg kurz. „Nein, nur ein Flugticket. Keine Ahnung, von wem sie kam, aber es muss ja wohl jemand sein, den ich kenne. Vielleicht die Leute aus der Schule.“ Es war wahrscheinlich nicht besonders ratsam, zu erwähnen, dass die Sachen von der Kaiba Corporation gekommen waren. Schliesslich konnte man nicht eben sagen, dass sich Justin und Seto gut verstanden hatten. Obwohl sie sich nicht einmal richtig unterhalten hatten. „Ach, Justin. Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Und übermorgen früh bin ich wieder da.“ So stand es jedenfalls auf dem Rückflugschein.
 

Langsam wurde diese Sache bizarr. Ja, sie hatte sich gewundert, solche Post zu bekommen. Und wenn sie nicht den Absender irgendwie „gekannt“ hätte, wäre sie der „Einladung“ niemals gefolgt, sie war schliesslich nicht blöd. Aber dann auch noch am Flughafen von Bord zu gehen und gleich von einem Taxi erwartet zu werden, dessen Fahrer offenbar ihren Namen kannte und ihn auf einem Schild vor sich hertrug? Und von eben jenem Taxi in ein schlichtes, aber dennoch ziemlich edles Hotel gebracht zu werden, wo ebenfalls schon ein Raum auf ihren Namen reserviert war und sogar Kleidung auf dem Bett lag, die sie offensichtlich tragen sollte? Das war zu seltsam. Bisher war sie noch davon ausgegangen, dass es sich bei der Sache um einen Spass von Mokuba handelte, schliesslich mochte der es, seinen weniger betuchten Freunden ab und zu eine Überraschung zu bereiten. Aber warum sollte es den scheren, was sie anzog? Und das blaue Baumwollkleid, das da auf dem Bett lag, war eindeutig genau ihre Grösse und für sie dort platziert worden. Genau wie der passende cremefarbige Seidenschal und Ohrringe sowie eine Kette mit Emaillieanhängern in Form von Kornblumen, wie sie jetzt erst feststellte. Nein, nie im Leben war das Mokuba gewesen. Selbst wenn er ihr ihre Gardarobe vorschreiben wollte, solchen Blick fürs Detail hätte er niemals bewiesen. Aber wer sollte das sonst arrangiert haben? Seto? Dann musste er seine kleine Szene auf der Toilette schon sehr viel ernster gemeint haben, als sie gedacht hatte. Fast erleichtert stellte sie fest, dass sie ein Einzelzimmer bekommen hatte. Nicht, dass sie wirklich glaubte, dass es sich bei dieser Aktion um eine von Seto geplante Sache handelte. Aber man konnte ja nie wissen. Und immerhin hatte er den unangenehmen Ruf, sich zu nehmen, was er wollte. Trotzdem, diese ganze Sache machte keinen Sinn. Wenn er es auf eine Nacht mit ihr abgesehen hatte, dann sollte er doch wissen, dass sie nicht die Art von Mädchen war, die ihren Freund so einfach betrog. Und überhaupt, was sollte dieses plötzliche Interesse an ihrer Person? Diese ganzen Fragen machten sie richtig schwindlig, und genau das machte Anzu wütend. Na schön. Wer immer es war, der ihr das hier eingebrockt hatte, sie würde sein Spiel mitspielen, aber er sollte sich blos nicht auf einen ruhigen Abend freuen!
 

Ganz, wie er gedacht hatte. Für jede Andere wäre dieses Kleid zu schlicht gewesen, aber Anzu sah darin schlicht umwerfend aus. Sie hatte dankenswerter Weise darauf verzichtet, den Schal als alberne Stola herzunehmen, und ihn sich in Pilotenmanier um den Hals geschlungen, ein Ende hinten, eins vorn, als hätte sie kaum Zeit gehabt zum Anziehen. Darunter schaute gerade eben so das Kettchen heraus, das er ihr hatte schicken lassen und die passenden Ohrringe rahmten ein wohltuend schlicht geschminktes Gesicht ein. Er stieg aus dem Wagen und trat hinter sie, so nahe, dass ihr Schal ihm fast ins Gesicht flatterte. „Guten Abend, Anzu.“ Sie fuhr herum, als hätte ihr ein Geist ins Genick gepustet, fand aber bewundernswert schnell wieder zu ihrer „Ich hasse dich, aber du hast 10 Sekunden, dich zu erklären“-Miene zurück. „Seto.“ Stellte sie fest, als wäre ihm sein Name irgendwie noch nicht geläufig genug. „Alles Gute.“ Er musste sie im Stillen bewundern, dass sie daran gedacht hatte. Er selbst vergass Geburtstage immer, mit Ausnahme von Mokubas. „Danke.“ Demonstrativ warf sich Anzu den nach vorn gewehten Zipfel ihres Schals wieder über die Schulter. „Okay, Smalltalk Ende. Was soll das Theater?“ Seto musterte sie mit einem Blick, der für seine Verhältnisse schon fast als unschuldig gelten konnte. „Ich wollte meinen Geburtstag in netter Gesellschaft verbringen, das ist alles.“ Der Jüngeren entrang sich ein trockenes Lachen. „Ha, ha. Und deshalb fliegst du um die halbe Welt, ganz zu schweigen davon, dass du mich auch noch auf so mysteriöse Art und Weise her bestellst, anstatt wie sonst immer mit Mokuba und Roland nicht zu feiern?“ Statt einer Antwort bekam sie in altmodischer Manier den Arm angeboten. Erst als sie diesen widerwillig ergriffen hatte, liess sich Seto zu einem Kommentar herab. „Jeder Mensch braucht mal etwas Abwechslung, und hast du mir nicht immer gesagt, ich soll mehr unter die Leute gehen?“ Sie hätte es ja wissen müssen. Alles fiel irgendwann auf einen zurück. „Ich kann mich nicht erinnern, auch gesagt zu haben, dass ich zu diesen Leuten gehören will.“ Missgelaunt hielt sie dem Mann am Eingang ihre Karte unter die Nase und trat durch die Tür, bevor noch Seto oder der Pförtner dazu kamen, sie ihr aufzuhalten, obwohl beide Anstalten gemacht hatten genau das zu tun. Drinnen allerdings holte ihr unwillkommener Begleiter sie schnell wieder ein, nicht im Mindesten ausser Atem und so gelassen, als hätten sie sich die ganze Zeit höflich unterhalten. „Das hast du nicht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass du mich zu deinen letzten beiden Parties eingeladen hast und vor nicht allzu langer Zeit noch geradezu Hals über Kopf in mich verliebt warst, kann ich mit ruhigem Gewissen behaupten, dass du nichts dagegen hast.“ Das strapazierte die Wahrheit eindeutig einen Tick zu sehr, um einfach so hingenommen zu werden. „VOR NICHT ALLZU LANGER ZEIT???“ Anzu blieb abrupt stehen und vollführte aus dem Stand eine 180°-Drehung, die sie zum Stolpern gebracht hätte, hätte sie nicht von Berufs wegen reichlich Übung darin. Sie hielt ihre Stimme noch immer gesenkt, aber die Empörung war ihr deutlich anzuhören. „Seto, wenn ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen darf, das ist über zwei Jahre her! Ich bin seit einem halben Jahr mit einem anderen Mann zusammen und SEHR GLÜCKLICH damit.“ Wenn sie mit der Betonung, die sie auf die Worte „sehr glücklich“ gelegt hatte, eine Bekräftigung ihrer Aussage hatte erreichen wollen, war das voll und ganz misslungen. Seto jedenfalls glaubte ihr weniger denn je, was auch deutlich auf seinem Gesicht geschrieben stand. Schliesslich setzte er nur ein süffisantes Schmunzeln auf und erwiederte: „Wie auch immer. Hast du vor, mir hier den ganzen Abend lang eine Moralpredigt zu halten, oder bist du gekommen, um die Show zu sehen?“
 

Ja, sie HATTE die Vorstellung genossen. Es hatte überhaupt keinen Sinn, das zu leugnen. Trotzdem sah Anzu es als ihre Pflicht an, Seto weiterhin die kalte Schulter zu zeigen, nachdem er ihre Gesellschaft für sein natürliches Recht zu halten schien. Er hatte also gerade einmal Gelegenheit, ein kurzes Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen, während die Lichter wieder angingen, bevor sich ihre Miene auch schon wieder verhärtete. Alles, was sie jetzt noch verriet, war der Rest eines freudigen Funkelns, der ihr noch in den Augenwinkeln hing und sich nicht so leicht vertreiben liess. Wortlos erhob sie sich und ging zur Gardarobe, bevor ihr einfiel, dass sie überhaupt keine Jacke dabei gehabt hatte und es draussen ganz schön wingid sein würde. Seto hatte offenbar den selben Gedanken gehabt, denn kaum draussen angelangt, fühlte Anzu ihre Schultern von hinten mit einem schweren Mantel bedeckt, der eindeutig zwar nicht nach Geld stank, wie Joey es wohl ausgedrückt hätte, aber einen Hauch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen und elegantem Aftershave verströmte. Verwundert drehte sie sich um und vergass fast, ärgerlich auszusehen. „Danke.“ Es klang noch reichlich steif, aber Seto schien für den Augenblick damit zufrieden und geleitete sie wortlos zu seiner eigenen Limousine. „Taxifahren ist zu gefährlich um diese Uhrzeit.“ Schnitt er ihren Protest ab. „Ausserdem wohnen wir im selben Hotel.“ Welche Überraschung, wo du es doch gebucht hast, dachte Anzu sarkastisch und verschwand auf dem Rücksitz, ohne Seto eines Blickes zu würdigen. Der war davon trotz der einschlägigen Erfahrungen dieses Abends kurz erstaunt, folgte dann aber zügig. „Fahren Sie los.“ Wies er Roland knapp an, bevor der Wagen endgültig in Schweigen versank.
 

Das Erste, was sie wahrnahm, nachdem ihre Füsse wieder festen Boden berührten, war ein blendend heller Blitz, gefolgt von mehreren anderen, deren Auslöser offenbar nicht so schnell die geistige Verbindung zwischen der Kaiba-Limousine und einer weiblichen Insassin gezogen hatten. Seto schien davon ganz und gar nicht überrascht, so gelassen, wie er jetzt neben sie trat. Wütend drehte sie sich zu ihm um. „Wusstest du etwa davon?“ er schob sie einige Stufen weiter in Richtung Eingang, Anzu allerdings war inzwischen genervt genug, um nicht erst vor den Journalisten in Deckung zu gehen, sondern stur genau in der Mitte der Eingangstreppe stehen zu bleiben und auf eine Antwort zu warten. „Es war zu erwarten, oder?“ kam es gelassen von Seto, der sich eine Stufe weiter unten befand und somit ausnahmsweise auf ihrer Augenhöhe war. „Wenn es das war, warum konntest du dann verdammt noch mal nicht dafür sorgen, dass wir wenigstens in unterschiedlichen Hotels übernachten?“ Ein siegessicheres Aufblitzen in Setos Augen hätte sie warnen sollen, aber einen Augenblick darauf sah sie sich auch schon an ihn gepresst, den Druck zweier grosser, schlanker Hände auch durch den Mantel noch deutlich spührbar im Rücken und ein Paar fester, warmer Lippen auf ihren. Von irgendwo her spührte sie unregelmässige, schnelle Herzschläge, nicht sicher, ob sie von Seto ausgingen oder von ihr selbst, und irgendwo, im ehrlichsten Winkel ihrer selbst, nicht einmal daran interessiert. Das einzig Vernünftige jetzt wäre gewesen, ihn von sich zu stossen und der Presse die Genugtuung zu geben, live und in Farbe mitzubekommen, wie Seto Kaiba die wahrscheinlich erste Abfuhr seines Lebens erhielt. Aber Anzu blieb regungslos stehen, mit nichts im Sinn als der fast verzweifelten Frage: Warum fällt dir das erst jetzt ein? Warum nicht schon letztes Jahr, Seto? und der Hoffnung, dass es in dem verschlafenen Nest, wo Justin morgen sein Frühstück allein einnehmen würde, keinen Kiosk gab, oder dass ein weit grösserer Skandal sie von den Titelseiten verdrängen würde. Und noch bevor sie entscheiden konnte, warum sich dieser Kuss im Grunde so verdammt gut anfühlte, obwohl sie doch inzwischen an weit rücksichtsvollere Zärtlichkeiten von Justin gewöhnt war und Seto noch eine Minute zuvor am liebsten geohrfeigt hätte, löste sich sein Griff wieder und sie sah sich dem Nachtwind genauso schutzlos ausgeliefert wie den neugierigen Blicken sämtlicher Umstehender. Mit der selben fliessenden Bewegung, als hätte er nur eben einen Stift vom Boden aufgehoben, nahm Seto seine Arme von ihr und schwang sich den Mantel locker über seine linke Schulter. Mit der rechten reichte er ihr eine einzige, wunderschön entfaltete lila Blume, die sie wie betäubt entgegen nahm. „Weil ich es so wollte. Gute Nacht, Anzu.“ Sie antwortete nicht, sondern senkte den Blick auf die Blüte, die er ihr da gegeben hatte. Eine Schwertlilie, wie sie überrascht feststellte, aber diese Überraschung hielt nicht lange an, passte es nicht wunderbar ins Bild, dass Seto gerade diese Blume ins Auge stechen sollte? Wären sie einige Jahrhunderte früher geboren, dann hätte er sie sicherlich auch noch im Wappen getragen, nur um auch ja aller Welt zu zeigen, dass sein Name Königen gleichzusetzen war. Dass er bekam, was er wollte. Als sie den Blick wieder hob, war Seto bereits voraus gegangen. Rasch drückte Anzu die Blume an ihre Brust und eilte die Stufen hinauf in die Eingangshalle, wo sie endlich vor Blicken sicher war.
 

„Das kommt also dabei heraus, wenn du einen harmlosen Ausflug machst, ja? Wie lange geht das schon?“ Wie lange geht das schon? War er etwa der Meinung, sie hätte eine Affäre mit Seto? Welchen Sinn machte das denn bitteschön? „Justin, hör mir doch mal zu. Ich liebe dich, das weisst du doch. Das... hat nichts zu bedeuten.“ Sie konnte ihm nicht verübeln, dass ihn diese Entschuldigung nicht zufrieden stellte. „Nichts zu bedeuten?“ Ungläubig warf Justin die Zeitung auf den Tisch. „Was genau hat nichts zu bedeuten? Die Tatsache, dass du einfach mal über Nacht beschliesst, dich in New York mit Seto Kaiba zu treffen? An seinem Geburtstag? Die Tatsache, dass ihr zusammen im Musical wart wie ein frischverliebtes Paar? Oder vielleicht die, dass heute in allen Zeitungen ein Bild davon ist, wie ihr euch hingebungsvoll küsst? Auf der Treppe des Hotels in dem ihr beide übernachtet habt?“ Etwas hilflos blickte sie ihn an. Wie konnte sie sich dafür nur entschuldigen? Die Wahrheit jedenfalls würde er wahrscheinlich nicht glauben. Sie versuchte es trotzdem. „Hör zu, ich wusste nichts davon, dass Seto die Einladung geschickt hat. Ich dachte, es wäre sein Bruder gewesen, der hat manchmal solche absurden Ideen. Und ja, ich hatte eben Lust, dieses Musical zu sehen, also bin ich hingeflogen. Bis ich dann gemerkt habe, dass es Seto war, der mich „eingeladen“ hat, war es schon zu spät. Ausserdem konnte ich ja nicht wissen, dass er mich auf einmal küsst, wo er mich doch monatelang immer abgewimmelt hat. Bevor wir beide zusammen waren, meine ich.“ Ihr Freund schob sich ungehalten an ihr vorbei aus der Küche. „Wenn das alles ist, und unsere Beziehung dir nicht mal eine anständige Ausrede wert ist, dann weiss ich ja wenigstens, woran ich bin.“ Wütend riss er im Schlafzimmer die Schranktüren auf und warf seine Kleider wieder in die Reisetasche, mit der er gekommen war. Anzu starrte ihn erschrocken an. „Wohin willst du?“ „Wohin wohl?“ fauchte er. „Ich ziehe aus, Anzu, nachdem du anscheinend einen Besseren gefunden hast!“ Seltsamer Weise lösten diese Worte in ihr nicht die Verzweiflung aus, die man hätte erwarten können, wo sie doch das Ende ihrer ersten grossen Liebe markierten. Sie machten sie nur unglaublich trotzig. „Warum bitte sollte ich dich anlügen? Wenn ich es darauf anlegen würde, ein doppeltes Spiel mit euch zu treiben, würde ich es dann nicht anders herum machen? Mit Seto zusammen sein und mich heimlich mit dir treffen? Es hätte nämlich durchaus Vorteile, die Freundin eines Multimillionärs zu sein, weisst du!“ Ach du meine Güte. Was war ihr da nur wieder herausgerutscht? Sie war doch nicht an Seto interessiert – gewesen! Gewesen! –, weil er so reich war! Und sie wäre auch im Traum nicht darauf gekommen, Justin einen Vorwurf zu machen, weil er es nicht war. Aber jetzt liess sich das nicht mehr ändern. Er starrte sie nur unglaublich wütend, in seinem Stolz zutiefst verletzt an und schloss die Tasche. „Bis morgen beim Training. Und gnade dir Gott, wenn du mich dort auch noch enttäuschst.“
 

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Ein paar Anmerkungen zur Blumensprache: Ich bin da kein Experte, ich weiss auch nur, was ich jetzt im Internet gefunden habe. Ursprünglich wollte ich nur die orangefarbenen Rosen, genauer gesagt welche, in denen gelb und rot in einander übergehen, für brennende Leidenschaft. ^^

Im Laufe meiner Recherchen hat sich aber doch noch einiges Interessantes gefunden:
 

- gelbe Rosen stehen zwar für abnehmende Liebe und für Zweifel (was hier ja nicht so recht passt) aber auch für Eifersucht. Und schliesslich wissen wir alle irgendwie, wer sie geschickt hat, oder? ;-)

- klar, rote Rosen stehen für die romantischste aller Liebeserklärungen. ABER: In den USA sollen sie, in sehr grosser Zahl verschenkt, ausserdem „tiefe Scham“ ausdrücken... und wo kommt Justin her? Genau. Ich schwöre, ich habs erst im Nachhinein gefunden.

- Kornblumen bedeuten „Ich gebe die Hoffunng nicht auf“

- ... und Iris „Ich werde um dich kämpfen“.
 

So, ich weiss, wer über dieses Thema in FFs schreibt, lässt sich leicht dazu hinreissen, es zu übertreiben, und davor bin ich auch nicht gefeit. Aber ich halte es immerhin nicht für ganz unmöglich, dass Seto sowas gelernt hat, teilweise... er hat ja doch eine ziemlich seltsame Erziehung genossen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Shizuka_chan
2008-07-30T10:46:54+00:00 30.07.2008 12:46
Hey!

Schönes Kapitel. Die ganzen Gründe von Seto fand ich echt klasse. Was mich ein bisschen gestört hat, war das zwischen den ersten beiden Absätzen kein Übergang folgt. Zuerst steht Seto immernoch in der Toilette und erst im Nachhinein wird klar, dass es der nächste Tag ist. Und im nächsten Absatz ist Tea plötzlich mit Justin irgendwo in der Walachei. Wie kommt sie dahin? Warum ist sie da? Ist sie direkt nach der Party in den Flieger gestiegen?

Den Anfangspart, wo Seto seine Gründe aufzählt ist dir, wie schon gesagt klasse gelungen. Danach kommt von seiner Seite an Erklärungen für seine Beweggründe aber nicht mehr, sondern es wird nur Teas Sicht geschildert. Was auch nicht weiter schlimm ist, dadurch baust du ein bisschen Spannung ein. Trotzdem wäre es schön wenn du in den nächsten Kapiteln Setos Gedanken und Gefühlen ein bisschen mehr Platz einräumen würdest.

Lg
Shizuka-chan
Von:  Mona-Kaiba
2008-06-09T17:36:20+00:00 09.06.2008 19:36
So ein böser Seto... *grins*
Gar nicht blöd, es war ihm auf Garantie bewusst, dass Justin nach dieser Aktion das weite suchen würde. Wobei das nicht ganz ungefährlich war, was er da getan hatte. Was wäre gewesen, wenn sie ihm wirklich vor versammelter Presse einen Korb gegeben hätte?
Egal, sie hat es ja nicht getan und da wir Justin jetzt los sind, bin ich echt mal gespannt, wie es weiter geht.

(Hm... irgendwie wollte ich ja nicht alles auf einmal lesen ^^')
Von: abgemeldet
2008-03-25T09:11:07+00:00 25.03.2008 10:11
Geeeeeeeeeil ^^

Da hat sich ja Seto richtig was einfallen lassen! Ich finde die Gründe die du aufgezählt hast einfach klasse! Und das Seto sie geküsst hat...*jubelschrei*

Justin tut mir schon etwas leid, aber ich bin ebenfalls der Meinung, dass Seto und Tea einfach zusammen gehören und sie sich ja sowieso gegenseitig lieben ^^

Also hervorragendes Kap!! Bekomm ich eine ENS wenn es weitergeht? würde mich freuen!

GLG
Tea18
Von: abgemeldet
2008-03-10T14:49:53+00:00 10.03.2008 15:49
Hallo!

Wirklich, die ganzen Gründe die aufgezählt wurden waren echt klasse vor allem:
"Er wolle Anzu für sich haben, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie einem anderen als ihm oder einem ihrer Freunde aus Domino diese allzu offensichtlich selbstgebastelten Valentinskarten mit den in Seidenpapier gewickelten Eckchen schickte."

Ich weiß nicht warum aber der Grund gefällt mir am besten, wie bist du nur darauf gekommen? :) Aber das mit der Tasche, die sie von Mokuba bekommen hat, war auch nicht schlecht. XD

Die Sache mit dem Kuss war wirklich dreist, aber das passt halt zu unserem Seto :D

Und wegen der Blumensprache, also ich denk´ da genauso wie du, könnte wirklich sein das er sowas gelernt hat. Ehrlich gesagt kommt mir Seto sogar "allwissend" vor, also warum dann nicht die Blumensprache beherrschen? *g*

Naja auf jeden Fall, das Kaptitel war klasse, freu mich aufs nächste.

lg a-k
Von:  neona
2008-03-09T11:44:23+00:00 09.03.2008 12:44
Das kapitel ist richtig klasse ^^
Besnders toll waren die ganzen gründer waru,m Seto Anzu umbedingt haben wollte : )
Zu blöd für ihn das sie ihm nicht schon am anfang eingefallen sind Xd
Tja und jetzt merkt unser Seto was er an Anzu gehabt hätte späht aber immer hin ^^
Seto läst nichts dem zufall und versucht wiklich anzu für sich zu gewinnen das find ich richtig toll ^^
Der kuss fon den beiden war richtig gut und das wundert mich nicht das justin mit anzu so zu sagen schluss macht .
Irgendwie tut er mir ja leid .
Aber Seto ist besser * grinz *

Ich freue mich aufs nächste kapittel : )
grüße neona




Von: abgemeldet
2008-03-08T15:35:10+00:00 08.03.2008 16:35
hallo!!

ein wirklich tolles kapitel.
vielleicht eine etwas zu übertriebe einladung von seto, aber schließlich ist er ja verliebt.
tja, aber dieser riesenauftritt vor der presse hat mich dann doch etwas gewundert. bei tea konnte ich aber gut nachempfinden, warum sie nicht abgeblockt hat, sondern es einfach geschehen ließ, schließlich liebt sie seto ja noch immer, auch wenn sie sich das nicht wirklich eingestehen will.
diesr justin tut mir schon irgendwie leid, auch wenn ich nach wie vor dafür bin, dass seto und tea endlich zueinander finden.

ich bin mal gespannt was für zwischenfälle und gefühlsverwirrungen sich noch ergeben werden und freu mich jedenfalls schon richtig aufs nächste kapitel. :-)

glg Heli
Von:  LawChan
2008-03-08T14:51:09+00:00 08.03.2008 15:51
huhu^^
endlich ist es da XD
dein schönes kappi
*freu*
yeahhhh....endlich ist seto an ihr interessiert!!!
Justin weg...seto her ^^
XD ich weiß ich bin fies^^
aber sie soll mit ihm zusmm kommm^^
schönes kappi und die stelle,als seto ihr seinen mantel gab fan´d ich voll knuffig^^


schreib schnell weida
Satinchen^^
Von:  7Nine
2008-03-07T20:43:26+00:00 07.03.2008 21:43
Yeay xD~

> Fast erleichtert stellte sie fest, dass sie ein Einzelzimmer bekommen hatte.
Nur fast? xD
Dreckiges Kopfkino folgt xD~

Wirklich schönes Kapitel ^^
Auch wenn ich mcih frage, ob Steo wirklich so einen Skandal auslösen will Oo
Sicher er neigt zu ... ähm... nennen wir es "leicht überzogene" Auftritte, aber seine "Gefühle"(Kann man bei diesem "MEINS" von gefühlen reden? Ich tus einfach) in irgendeiner Form auszuwälzen, wäre auch für ihn doch ein krasses extrem.

Wie dem auch sei, ich find das Kap wirklich gelungen ^^

baba 7Nine



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