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Phantomkräfte

Es geht ein Geist um in... Tokyo
von

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Overtüre

Sie schien ja ganz nett zu sein. Nett auf eine seltsame, nervige Art und Weise, wie es nur Lehrer können. Ihr Gesicht sagte schon alles. Ich möchte, dass wir Freunde werden. Kaito und sein Freund und Leidensgenosse Hiroto wechselten einen genervten Blick. Neu. Sie musste neu sein. Neu an der Schule, denn sie hatten sie noch nie vorher gesehen. Und vielleicht überhaupt neu im Geschäft, eine dieser Lehrerinnen, die kaum selbst die Schule abgeschlossen hatten. Na toll. Sie konnten die Langeweile schon förmlich riechen. „Also...“, begann sie nach einer Weile. „Tomoe-san hat mir gesagt, ihr habt zuletzt über den Klimawandel gesprochen. Und darüber, was jeder dagegen tun kann. Vielleicht sollten wir damit einfach weiter machen, und ihr könnt ihr nächste Woche erzählen, was ihr gelernt habt.“ Wenigstens würde sie keine Zeit damit vergeuden, eine angeblich unterhaltsame Stunde auf die Beine zu stellen. „Wie ich sehe, habt ihr über Energiesparen zu Hause gesprochen, über öffentliche Verkehrsmittel und-“ Sie warf einen unsicheren Blick auf das Klassenbuch, in dem die Themen der letzten Stunden festgehalten waren. „ Die Dos und Don´ts beim Einkaufen. Laut dieser Liste sind als nächstes biologisch hergestellte Produkte an der Reihe, vor allem, was Kleidung betrifft. Kann mir einer von euch sagen, was biologisch bedeutet?“ Vielleicht war sie doch nicht ganz so schlimm. Kaito hob die Hand, während er sich an das erinnerte, was Anzu ihm letzte Woche erzählt hatte, nachdem er sie über die Stoffproben im Wohnzimmer ausgefragt hatte. „Ja... Kaito?“, forderte ihn die neue Lehrerin auf, nachdem sie den Namen auf seinem Schild entziffert hatte. „In diesem Fall heisst es, dass zum Beispiel die Pflanze, aus der ein Produkt hergestellt wurde, weder mit chemischen Düngemitteln noch mit Pestiziden behandelt wurde.“ Ein leichtes Lächeln zog ihre Mundwinkel nach oben. Kaito kannte dieses Lächeln, es war das selbe, mit dem ihn jeder Lehrer bedachte, wenn er merkte, dass Kaitos Wortschatz sich von dem eines normalen Neunjährigen unterschied. „Ein paar andere Dinge gehören auch noch dazu, aber alles in allem stimmt das.“ Die neue Lehrerin drehte sich um und schrieb Düngemittel und Pestizid an die Tafel. „Kann mir irgendjemand sagen, was das heisst?“ Ein paar von Kaitos Mitschülern hoben die Hände. „Yukiko?“ Das scheue, blauhaarige Mädchen in der letzten Reihe sah sich die Worte noch einmal an, als ob sie einen Punkt im Klassenzimmer suchte, an dem sie sich festhalten konnte, und sagte dann rasch, damit sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder jemand anderem zuwenden konnte: „Düngemittel gibt man den Pflanzen, damit sie schneller wachsen. Und Pestizide töten die Insekten, die einer Pflanze schaden könnten.“ Die junge Frau hinter dem Lehrerpult nickte ermutigend. „Wenn du das jetzt noch etwas lauter sagst, damit es alle hören können, ist es perfekt.“ Widerwilllig folgte Yukiko ihrer Aufforderung. Während die Lehrerin erklärte, was biologische Landwirtschaft mit ihrem momentanen Thema zu tun hatte, döste Kaito leise weg. Das hatte er alles schon von Anzu gehört, wozu sich noch mal damit belasten? „Kann mir jetzt jemand den Namen einer bekannten Firma nennen, die Kleider produziert? Masako?“ Einer nach dem anderen erschienen die Namen, die seinen Mitschülern einfielen, an der Tafel: Levis. S.Olivier. Nike. Er hob wieder die Hand. „Kaiba Corporation.“ Ein leichtes, freundliches Stirnrunzeln war die Antwort. „Aber Kaito. Kaiba Corp. produziert doch keine Kleidung, die Firma verkauft Spielzeug und betreibt Vergnügungsparks.“ Jetzt musste er ein Lächeln unterdrücken. Er liebte es, Dinge zu wissen, die Andere nicht wussten, nicht wissen konnten. „Noch nicht. Aber bald werden sie das tun.“ Er konnte das leise Gelächter hören, das sich im Klassenzimmer breit machte, weil die neue Lehrerin so offensichtlich nicht wusste, was Sache war. Sie ignorierte es, oder hatte es vielleicht von Anfang an nicht gehört. „Kaito, wirklich, da verwechselst du was. Mein Mann arbeitet für Kaiba Corp., also wenn es solche Pläne gäbe, dann wüsste ich davon.“ Anzu hatte ihm gesagt, er sollte das lassen. Aber es war einfach zu verlockend. „Ach, tut er das? Meinem Onkel gehört Kaiba Corp. Und er hat es mir erzählt.“ Wieder konnte er ein Lachen hören, aber diesmal war es die junge Frau vor ihm, von der es ausging. „Tut mir leid, Kaito. Ich wollte dich nicht auslachen. Aber wirklich, das kann nicht sein. Vielleicht leitet dein Onkel eine der Abteilungen... aber ihm gehört die Firma doch nicht. Kaiba Corporation gehört Seto Kaiba.“ Der schwarzhaarige Junge verdrehte die Augen. Für wie beschränkt hielt sie ihn eigentlich? Das wusste doch nun wirklich jeder in Domino. „Ich weiss. Seto Kaiba ist ja mein Onkel.“ Sie wurde nicht wütend, aber langsam sah sie etwas genervt aus. Vielleicht lag das an ihm, vielleicht auch an seinen Klassenkameraden, die immer noch lachten. „Kaito, nun hör doch auf, mich anzulügen. Du weisst, dass das nicht sein kann. Seto Kaiba hat nur einen einzigen Bruder, und wir wüssten doch, wenn Mokuba Kaiba Kinder hätte.“ Er wüsste es. Sie nicht unbedingt, aber das verkniff er sich, zu sagen. „Lass sie.“, wisperte Hiroto. „Sie ist neu, sie kann es noch nicht wissen.“ „Ich weiss.“, seufzte Kaito. „Aber wenn ich jetzt nichts sage, wird sie meinen, ich sei ein Lügner. Und das soll sie nicht.“ Laut sagte er: „Sie haben ja recht, er ist nicht mein Onkel. Ich nenne ihn nur so, weil es die Sache vereinfacht. Eigentlich war meine Mutter die Cousine seiner Frau.“ Die Lehrerin begann, etwas verwirrt auszusehen. Offensichtlich hatte sie nicht erwartet, dass ein Drittklässler eine so komplexe Lüge erzählen würde. Nur, dass es keine Lüge war, aber woher sollte sie das wissen? „Gut, von mir aus.“ Sie gab sich Mühe, amüsiert zu klingen. „Aber jetzt lass uns wieder zu unserem Thema zurückkehren.“ Kaito spang auf. „Wirklich, es stimmt! Ich kann ihn anrufen, wenn Sie mir nicht glauben!“ Auf einmal ging es hier nicht mehr nur darum, eine Lehrerin ein bisschen aufzuziehen, weil er mehr wusste als sie. Es ging um all die Leute, die meinten, Kaito Kusakabe-Kaiba sei ein Lügner. Aber natürlich war er der Einzige, dem das auffiel. Die Lehrerin dachte immer noch, er würde sich einen Spass erlauben. Also lachte sie jetzt nur und entgegnete: „Von mir aus. Ruf Seto Kaiba an, wenn du möchtest.“ Kaito griff nach seinem Handy – dem neuen, teuren Modell, das Seto ihm zum Geburtstag geschenkt hatte – und drückte einen einzigen Knopf.
 

„Kaito? Was ist passiert?“ Für Notfälle, hatte er ihm eingeschärft, also hatte Seto jetzt einen gewissen Grund, besorgt zu sein. Aber er hasste es, wie sehr das in seiner Stimme offenbar wurde, dass jeder sofort hätte erkennen können, wie viel ihm dieser Junge bedeutete. Dabei war er, streng genommen, noch nicht einmal mit ihm verwandt. „Seto, meine Lehrerin glaubt mir nicht, dass wir in einem Haushalt wohnen. Und sie meint, Kaiba Corp hätte keine Pläne, Kleider zu vermarkten. Kannst du ihr das erklären?“ Die Spannung wich aus seinen Schultern, aber Seto gab sich Mühe, streng zu klingen, trotz des Lächelns, das sich jetzt auf seinem Gesicht breit machte. „Ich habe dir gesagt, du sollst mich anrufen, wenn es einen Notfall gibt. Nennst du das etwa einen? Du hast Glück, dass ich nicht gerade in einem Meeting war!“ Als Kaito jetzt antwortete, konnte er die grossen Augen, die er ihm gezeigt hätte, hätten sie sich gegenüber gestanden, färmlich sehen. Verdammt, Mokuba hatte diesem Kind eindeutig ein paar Tricks beigebracht. „Ich weis. Aber... kannst du? Bitte?“ Seto legte den Vertrag zur Seite, den er eben aufgesetzt hatte, und lehnte sich zurück. „Ich werde es ihr sagen. Aber das war das letzte Mal, dass du so eine Aktion startest, verstanden? Jetzt gib sie mir bitte.“ Es raschelte und eine weibliche Stimme meldete sich. „Hallo?“ Auf einmal fühlte er sich genervt. Er hatte Lehrer nie gemocht, am allerwenigsten diejenigen, die sich anhörten, als seien sie mehr Cheerleader als Pädagoge. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er inzwischen verliebt in, und verheiratet mit, Yugi Mutos ehemaligem persönlichem Cheerleader Nummer eins war. „Hier spricht Seto Kaiba. Wie ich höre, hatten Sie eine kleine Auseinandersetzung mit Kaito. Ich mag es nicht, wenn er seinen Namen als Aushängeschild hernimmt, aber es stimmt, er ist das Patenkind meiner Frau und mein Adoptivsohn. Was die Frage zu unserer Produktpalette angeht, über die Sie anscheinend gesprochen haben, sehen Sie sich am besten heute Abend die Lokalnachrichten an. Guten Tag.“ Er legte den Hörer auf und liess seinen Blick gedankenverloren aus dem Fenster wandern. Wieder einmal fragte er sich, wie es wohl wäre, eigene Kinder zu haben. Nicht, dass er Kaito nicht liebte, im Gegenteil, der Junge war ihm so lieb wie ein eigener Sohn, aber Kinder, die nicht nur seine Erziehung, sondern auch seine Gene hatten... das wäre doch noch einmal etwas ganz Anderes. Er und Anzu waren überein gekommen, damit noch zu warten, weil sie immer gehofft hatten, Anzus Karriere würde wieder aufleben. Aber inzwischen waren fünf Jahre ins Land gegangen, seit sie das Tanzen ihm und Kaito zuliebe aufgegeben hatte, und noch hatte sich keine Chance aufgetan, wieder auf die Bühne zurück zu kehren. Vielleicht würde nie eine kommen. Anzu sprach nicht mehr von Kindern inzwischen. Sie schien vollkommen glücklich zu sein mit ihrem Leben, auch mit ihrem Job, obwohl sie „nur“ Kindern das Tanzen beibrachte, anstatt selbst im Mittelpunkt zu stehen. Vielleicht sollte er auch so glücklich sein, wie sie jetzt lebten. Vielleicht wollte Anzu gar keine Kinder mehr.

Seto seufzte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
 

„Anzu? Hast du eine Minute Zeit?“ Überrascht wandte sich die junge Frau von ihren Schülerinnen ab und sah ihre Vorgesetzte an. Dann nickte sie. „Natürlich. Ich verlasse mich darauf, dass ihr euch zu benehmen wisst, während ich weg bin, meine Damen.“ Die beiden Frauen traten auf den Flur hinaus und schlossen die Tür hinter sich. „Was ist passiert?“ Sakura, die Besitzerin der Tanzschule, sah ungewöhnlich ernst aus, fast etwas traurig. Einen Moment lang fühlte sich Anzu an den Moment vor fünf Jahren erinnern, als ihr jemand die Nachricht vom Tod ihrer Cousine und deren Mann überbracht hatte. Nein, wenn es eine solche Neuigkeit wäre, wäre Sakura wohl kaum so gefasst. Anzu wusste, dass ihr solche Dinge sehr schnell nahe gingen. „Ich hoffe du weisst, dass ich deine Arbeit sehr schätze, Anzu“, begann die ältere Frau etwas verlegen. Die Brünette sah überrascht aus, nickte aber. Sakura schien erleichtert. „Gut. Dann weisst du, dass ich dich gerne hier behalten würde. Du machst deine Arbeit mit den Kindern gut, mehr als das, du machst sie sehr gut. Aber du kannst mehr als das. Und weil ich dir dabei gerne helfen würde, habe ich mich bei ein paar Freunden und Bekannten umgehört.“ Anzu wusste noch immer nicht, worauf Sakura herauswollte, aber zum Glück schien diese auch keine Antwort zu erwarten. „Einer von ihnen hat sich bereit erklärt, dir eine Stelle zu geben. Als Tänzerin, wie du es eigentlich gelernt hast.“ Die Jüngere schwieg. Hatte sie das wirklich richtig gehört? „Bist du sicher?“, erkundigte sie sich als ihr klar wurde, dass Sakura nicht scherzte. „Du meinst, als aktive Tänzerin? Auf der Bühne?“ Sakura bestätigte mit einem Kopfnicken. „Um genau zu sein, würde der Job auch Singen erfordern, aber wenn ich mich recht erinnere, hast du das doch auch gelernt, oder? Mein Freund hat sich auf Musicals spezialisiert. Für den Anfang wärst du ein Mitglied im Chor und Ballett, aber wenn du deine Sache gut machst, und daran zweifle ich nicht, ist er bereit, dir nach und nach grössere Rollen zu geben.“ Ein Lächeln breitete sich auf Anzus Gesicht aus, während sie sprach. „Das ist ja wunderbar! Danke, Sakura, dass du das für mich getan hast. Du bist eine echte Freundin.“ Einen Moment lang zögerte sie, dann machte sie einen Schritt vorwärts und umarmte die Andere kurz, aber dankbar. „Um welches Theater geht es?“ Sakura seufzte. „Das ist das Problem. Das Theater ist nicht in Domino. Es ist das Tokyo City Theater.“
 

Er konnte Anzus Silhouette durch das Fenster sehen. Nach dem leichten Flimmern zu urteilen, der das ansonsten dunkle Wohnzimmer erhellte, schaute sie fern. „... Wird in fünf Designs erhältlich sein, die auf beliebten DuelMonsters-Themen aufbauen – Dunkler Magier, Schwarzes Magiermädchen, Kuriboh, Babydrache und selbstverständlich Kaiba Corps Hausmarke, der Weisse Drache mit eiskaltem Blick.–“ Als Seto die Tür öffnete, schaltete sie den Fernseher aus und kam zu ihm in die Eingangshalle, wo sie ihn mit einem Kuss begrüsste. „Hey. Wie war dein Tag?“ Er stellte seinen Koffer ab und legte die Arme um seine Frau. „Normal, bis auf die kleine Episode mit Kaito, aber ich bin mir sicher, das hat er dir schon erzählt. Was ist mit dir?“ Anzu hob den Kopf, der bis jetzt an Setos Brust gelehnt hatte, und sah ihn an. „Darüber wollte ich mit dir sprechen. Sakura hat mir einen neuen Job angeboten.“ Vorsichtig gab Seto sie frei und plazierte einen weiteren Kuss auf ihrer Stirn. „Warte auf mich. Ich will nur eben Kaito Gute Nacht sagen, dann können wir reden.“
 

Normalerweise fand Seto die Tür zu Kaitos Zimmer angelehnt und sein Adoptivsohn wartete schon auf ihn, wenn er kam, um ihm Gute Nacht zu sagen. Heute war die Tür geschlossen, und auf sein Klopfen erhielt er keine Antwort. Verwirrt drückte er die Klinke herunter und steckte den Kopf ins Zimmer. Kaito sass auf seinem Bett und sah ihn traurig an. Offensichtlich hatte er geweint. „Warum willst du nicht, dass ich irgendjemandm erzähle, dass ich dich kenne? Liegt es daran, dass ich nicht wirklich ein Kaiba bin?“, fragte er anstelle einer Begrüssung. Seto blinzelte überrascht, dann betrat er den Raum und schloss die Türe hinter sich. „Wie kommst du denn auf so etwas? Ich dachte, du wüsstest, warum ich das nicht mag.“ Kaito antwortete nicht, also setzte Seto sich zu ihm und sah ihn an. „Ich will, dass du lernst, deinen Namen nicht als Ausrede herzunehmen, nur weil er berühmt ist. Und ich möchte, dass du dir verdienst, was du willst, und es dir nicht erschleichst, indem du den Leuten sagst, wer du bist. Das ist alles.“ Sein Sohn sah ihn skeptisch an. „Dann macht es dir also nichts aus, dass ich nur deswegen Kaiba heisse, weil Anzu mich adoptiert und dich dann geheiratet hat?“ Wie könnte er, ausgerechnet er dagegen etwas haben? „Nein, es macht mir nichts aus, im Gegenteil. Es dürfte mir auch gar nichts ausmachen“, fügte er hinzu, mehr an sich selbst als an Kaito gerichtet. Der Junge hob den Kopf und sah ihn an. „Was meinst du damit, es dürfte dir nichts ausmachen?“ Eine Weile lang sagte Seto nichts. Dann fragte er: „Weisst du das etwa nicht? Hat Mokuba dir nie unsere Geschichte erzählt? Oder Anzu?“ Der Blick, den er traf, verriet nichts als Verwirrung. „Nein, haben sie nicht. Was für eine Geschichte?“ Der Ältere liess seinen Kopf zurück gegen die Wand sinken und schloss müde die Augen. Er mochte es nicht, diese Geschichte zu erzählen, um genau zu sein, bisher war er dem immer ausgewichen. Nie hatte er sie irgendjemandem erzählt, jedenfalls nicht die ganze. Aber Kaito hatte ein Recht, sie zu kennen. Und wahrscheinlich würde es nicht so bald wieder eine Chance geben, die Sache so schnell und einfach über die Bühne zu bringen. „Du weisst, dass meine Eltern tot sind, oder?“, fragte er. Kaito nickte. „Mokuba hat es mir erzählt. Aber er hat nie gesagt... warum? Ich meine, wie sind sie gestorben?“ Seto legte einen Arm um den Jungen und drückte ihn leicht an sich. „Meine Mutter ist gestorben, als Mokuba auf die Welt kam. Damals war ich fünf Jahre alt, und noch einmal fünf Jahre später hatte mein Vater einen Autounfall. Sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht, aber es war zu spät. Er starb auch.“ Er schwieg, versuchte die Worte in seinem Kopf zu ordnen, bevor er sie aussprach. „Natürlich hatten wir Verwandte. Aber entweder konnten sie sich nicht um uns kümmern, oder sie wollten es nicht. Jedenfalls wurden Mokuba und ich in ein Waisenhaus gegeben. Weisst du, was das ist?“ Wieder bewegte Kaito zustimmend den Kopf. „Das ist ein Haus, in dem all die Kinder wohnen müssen, die keiner will.“ Ein bitteres Lächeln erschien auf Setos Gesicht, aber er ging nicht auf diese Definition ein. Stattdessen fuhr er fort. „Damals hiessen wir noch Hida. Das war der Name unserer Eltern. Einige Jahre später bekam das Waisenhaus Besuch von einem damals sehr berühmten Mann – Gozaburo Kaiba. Wahrscheinlich hast du schon einmal von ihm gehört, ihm hat Kaiba Corporation gehört, bevor ich die Firma übernommen habe. Jedenfalls war Gozaburo nicht nur gekommen, um ein bisschen gute Publicity zu sammeln, er war auch auf der Suche nach einem Erben für seine Firma, denn sein eigener Sohn war gestorben. Er bot an, mich zu adoptieren, weil er meinte, ich hätte das Potential, sein Nachfolger zu werden, aber ich wollte nicht ohne Mokuba gehen. Also habe ich ihm eine Wette angeboten: Wenn ich ihn im Schach schlagen könnte, würde er uns beide adoptieren. Natürlich hat Gozaburo das nicht ernst genommen. Er war Weltmeister im Schach, damals, wie sollte ein Zwölfjähriger ihn besiegen können, und wenn er noch so viel Glück hatte? Er hatte recht, mit Glück habe ich ihn nicht besiegt. Aber er hat den Fehler gemacht, mich zu unterschätzen, und wurde unvorsichtig. So sind Mokuba und ich in diese Familie gekommen... nicht durch Geburt, durch Adoption, genau wie du.“ Kaito sah Seto fasziniert an. Einige Minuten schwiegen sie, dann meinte er: „Also bist du genau wie ich.“ Seto strich ihm lächelnd über das schwarze Haar. „Stimmt. Nur, dass ich niemanden wie Anzu hatte, der sich um mich gekümmert hätte. Du hast grosses Glück.“ Der Junge lächelte und schlüpfte unter seine Bettdecke. „Ich weiss. Anzu ist toll.“ Etwas an seinen Worten liess Seto daran denken, wie viel sie beide der jungen Frau zu verdanken hatten. „Du hast recht. Das ist sie. Gute Nacht, Kaito.“
 

Seto brauchte länger, als sie erwartet hatte, und als er sich endlich neben ihr niederliess, sah er erschöpft aus. „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Anzu, während sie ihr Buch weglegte und den Kopf an Setos Schulter lehnte. Er nickte, und für einen Augenblick hatte seine Frau das Gefühl, er wolle etwas sagen, aber er entschied sich anders und begnügte sich damit, seine Finger durch ihr Haar gleiten zu lassen und die Augen zu schliessen. „Du hast gesagt, Sakura hätte dir einen neuen Job angeboten?“, fragte er nach einiger Zeit. „Hast du angenommen?“ Anzu setzte sich auf und seufzte. „Darüber wollte ich mit dir reden.“ Sie wiederholte, was Sakura ihr gesagt hatte. „Ich würde wirklich gerne annehmen. Du weisst ja, dass ich schon seit Jahren auf diese Chance warte, aber... Das Theater, das ihrem Freund gehört, ist in Tokyo. Ich müsste dort hinziehen.“ Seto überdachte das. Sie hatte recht, selbst wenn sie seinen Privatjet benutzte, konnte sie unmöglich jeden Tag hin und zurück fliegen, und in der Zwischenzeit auch noch arbeiten. „Du solltest es versuchen“, sagte er schliesslich. „Es wird nicht einfach sein, aber ich bin mir sicher, wir finden eine Lösung.“ Das hatte nicht ganz so ermutigend geklungen, wie er gehofft hatte, aber es war alles, was er im Moment aufbringen konnte. Die Aussicht, seine Frau nur noch am Wochenende zu sehen, war nicht gerade eine, auf die er sich freute.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Chio-chiisai
2008-09-13T04:53:46+00:00 13.09.2008 06:53
heya!!

Das kapitel ist super! Ich liebe die szene mit Kaito, seiner Lehrerin und Seto! :D die ist einfach zum kugeln jiji!

ich bin finde es echt super tolle, dass es jetzt eine fortsetzung gibt!

ich bin echt gespanntw ie es weiter geht!

alles liebe aus Neu Seeland
dat chio
Von: abgemeldet
2008-09-08T18:25:12+00:00 08.09.2008 20:25
hallo!!

wieder mal ein klasse kapitel. :-)
ich bin echt froh, dass es jetzt eine fortsetzung gibt.

die szene mit kaito und seiner neuen lehrerin hat mir besonders gut gefallen. so wie kaito sich ausdrückt ist er wirklich wie eine jüngere ausgabe von seto.

und seto ... das ist einfach nur herrlich ihn in dieser vaterrolle zu sehen ... er macht das wirklich gut.

für anzu freu ich mich. das jobangebot hört sich für den anfang wirklich nicht schlecht an. ich bin aber gespannt wie sich ihre beziehung zu seto entwickeln wird wenn sie erst einmal in tokio ist.

naja, ich freu mich jedenfalls schon richtig aufs nächste kapitel. :-)
schreib bitte ganz schnell weiter.

glg Heli


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