Blutgeruch
Blutgeruch
Inuyasha hastete so schnell er konnte zu Kaedes Dorf. Er konnte es einfach nicht glauben und wünschte sich, dass ihm seine Nase nur einen schlechten Streich spielte. Diese Hoffnung verlor sich jedoch recht bald, denn Kagomes Blutgeruch hing frisch und unverkennbar in der Luft.
Inuyashas Gewand flatterte im Wind und Äste peitschten ihm ins Gesicht. Eine Nebensächlichkeit, die er kaum wahrnahm.
Er hatte nur noch Gedanken für Kagome und die anderen. Entsetzt beschleunigte der hanyou sein Tempo, sofern das noch möglich war, als ihm auch noch der Blutgeruch von Shippo, Miroku und wenig später von Sango und Kirara in die Nase stieg.
Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Haltet durch Leute, dachte Inuyasha und wünschte für sich dasselbe.
Er hoffte inständig, dass es um seine Freunde nicht so schlecht bestellt war, wie er dachte, aber eines wusste er: Derjenige, der Kagome und den anderen etwas angetan hatte, würde mehr als nur mit dem Leben bezahlen.
Als sich Inuyasha dem Waldrand näherte, zog er bereits im Laufen Tessaiga und brach mit einem wütenden Schrei aus dem Dickicht heraus. Überrascht bremste er sich ab und blickte sich um .
Es war niemand da.
Aber dafür wurde der Blutgeruch stärker. Inuyasha folgte ihm mit einem unheilvollen Gefühl im Magen. Dabei bemerkte er, dass es schon seit längerem ungewöhnlich still war, beinahe unnatürlich.
Noch etwas stimmte nicht: Es roch stark nach Blut, aber Inuyasha konnte keinen Dämon wittern. War das vielleicht eine Falle?
Etwas leiser, aber keineswegs langsamer, schlich der hanyou weiter und spähte aufmerksam umher- bereit sich sofort in einen Kampf zu stürzen. Doch als er sein Ziel erreichte vergaß er alle Vorsicht.
Das Massaker, welches sich vor ihm bot, ließ ihn erstarren.
Tessaiga entglitt seinem Griff und fiel dumpf zu Boden. Ungläubig starrte der hanyou auf die Lichtung.
Seine Freunde lagen alle auf dem blutdurchtränkten Gras. Ihre Gesichter waren aschfahl und Blut rann an ihren Kehlen herunter.
Sangos Hiraikotsu lag zerbrochen neben ihrer Leiche, Kiraras helles Fell war glänzte rot und Mirokus Hand fasste an der Gebetskette, wie um sie zu lösen. Er hatte es aber nicht mehr rechtzeitig geschafft das Kazaana zu aktivieren. Sein Arm war nass vom vielen Blut.
Und Kagome...Inuyasha keuchte entsetzt, als sein Blick auf sie fiel. Mit einem Satz sprang er zu ihr.
Sie lag eingebettet im Gras. Die Augen waren glasig und vor Schrecken geweitet. Ihre Hand hielt verkrampft den Bogen fest und um ihren Arm hatte sich Shippo schutzsuchend festgeklammert, deren lebloser Körper keine Regung mehr zeigte.
Behutsam hob Inuyaha Kagomes Kopf. Der Hanyou fühlte sich seltsam leer.
Seine Augen brannten und er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Er unterwarf sich völlig seiner Trauer und war fast froh, dass niemand ihn in diesem Zustand sah. Was sollte er jetzt bloß tun? Wie sollte es weitergehen?
Seine Freunde waren tot.
Er hatte versagt- er hatte sie nicht beschützt. Aber sie hätten sich doch verteidigen können! So schwach waren sie nicht.
Versuche nicht eine Ausrede zu finden, meldete sich da eine böse Stimme in Inuyashas Kopf, gegen einen starken Dämon haben selbst Sango und Miroku Schwierigkeiten und Kagome ist sowieso noch zu unerfahren. Es ist alles deine Schuld...
" Hör auf!" rief Inuyasha verzweifelt.
Deine Schuld...
" Nein!"
Nur deine Schuld...
Inuyasha schüttelte energisch den Kopf, wie um diese Stimme zu verscheuchen. Er wollte nicht hören was sie sagte.
Aber es ist wahr, dachte er niedergeschlagen, Ich habe meine Freunde nicht beschützt. Kagome...es tut mir so leid.
So bitter diese Wahrheit auch war, der hanyou empfand keine richtige Trauer. In ihm war nur ein dumpfes und taubes Gefühl, das er nicht so richtig einordnen konnte. Dazu gesellte sich eine brennende Wut. Wut auf sich selbst und auf sein Versagen.
Kagome hatte sich immer auf ihn verlassen und genau wo sie ihn am nötigsten gebraucht hätte, hatte er sie im Stich gelassen.
Jetzt lag sie schlaff in seinen Armen.
Inuyasha strich über ihre Augen, um sie zu schließen. Zärtlich drückte er das Mädchen an sich.
Tränen fielen auf Kagomes Gesicht und vermischten sich mit ihrem Blut. Lange verweilte er in diesem Zustand und weinte leise vor sich hin.
Er bemerkte nicht einmal, dass sich ihm jemand näherte. Erst die laute Stimme brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück:
" Inuyasha! Was um Himmels willen ist denn hier geschehen?" Es war Kaede und sie kam rasch auf Inuyaha zugehumpelt. Hastig wischte sich dieser die Tränen mit dem Ärmel ab und versuchte seinen üblichen grimmigen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Angesichts dieser dramatischen Situation scheiterte er dabei kläglich.
Kaede schritt schneller aus , als sie Inuyahas verzerrte Miene sah. Erschrocken prallte sie zurück, als sie das blutige Bild erblickte.
"W...was...wer hat..." Unfähig etwas zu sagen sank sie auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen. Zu Inuyahas Überraschung fasste sie sich recht schnell wieder. Sie atmete tief ein und blickte Inuyasha durchdringend an.
"Also. Was ist hier passiert?" Ihre Stimme war gezwungen ruhig.
Inuyasha hatte einen Kloß im Hals und konnte nicht antworten. Er schüttelte kaum merklich den Kopf.
Kaede verstand und ließ den Blick über die Toten schweifen. Sie schauderte.
"Und wo warst du? Hast du ihnen nicht geholfen?", fragte sie leise.
Inuyasha zuckte bei dieser Frage schuldbewusst zusammen. Ja, wo war er gewesen? Er hatte sich ablenken lassen- war in den ältesten Trick der Welt reingefallen. Narakus Geruch war ihm so plötzlich in die Nase gestiegen, dass er sich nicht mehr bremsen konnte und sofort losgelaufen war. Seine Freunde hatte er dabei zurückgelassen. Ob Naraku hinter all dem steckte? Das wurde zu ihm passen.
Wahrscheinlich hoffte er dadurch Inuyasha so weit abzuschwächen, dass er ihn mühelos töten konnte. Nun, innerlich war Inuyaha schon so gut wie tot.
Wie konnte er nur so dumm gewesen sein? Er hatte es Naraku ziemlich leicht gemacht.
Kaede bemerkte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und versuchte es wieder gutzumachen.
"Tut mir leid.", sagte sie beschwichtigend und erhob sich "Bitte Inuyasha. Es... ich wollte das nicht sagen. Es ist nicht deine Schuld, hörst du?...Inuyasha?" Sie runzelte die Stirn und getrachtete den hanyou.
Er wirkt so apathisch, dachte sie bekümmert, der Ärmste ist völlig zerbrochen. Ich habe ihn noch nie so gesehen.
Sie berührte ihn sanft am Arm.
" Komm Inuyasha. Wir begraben sie. Das ist alles was wir für sie tun können."
Als de Angesprochene nicht reagierte seufzte Kaede und ging auf Kagome zu.
" Weißt du", sagte sie, während sie Shippo auf den Arm nahm " Es nützt nichts sich zu grämen. Man bräuchte schon ein Wunder oder etwas sehr Machtvolles, um das hier ungeschehen zu machen."
Die Worte brauchten einige Sekunden, um Inuyasha zu erreichen, und als sie bei ihm eintrafen, er sie aufnahm, realisierte und verstand, blinzelte er überrascht und hob mit einem Ruck den Kopf.
" Was hast du gesagt?" brachte er heiser hervor. Kaede wandte sich ihm verwundert zu.
" Na ja...dass du dich nicht grämen sollst..."
" Nein! Das danach! Wiederhole was du zum Schluss gesagt hast!"
" Oh. Du meinst, dass es etwas sehr machtvolles braucht um..."
" Genau das ist es!" unterbrach er sie aufgeregt. Er sprang auf und blickte Kaede mit glänzenden Augen an. Diese verstand Inuyashas Stimmungswechsel falsch.
" Äh... vielleicht war das doch zuviel für dich. Du solltest dich etwas hinlegen."
" Hä? Wieso denn? Ich habe gerade eine Idee."
" Du hast eine Idee?"
Inuyasha überhörte den leichten Sarkasmus.
" Es gibt tatsächlich etwas das Tote wieder lebendig macht", sagte er " Nämlich Tenseiga!"
Kaedes Gesicht hellte sich auf doch dann zog sie die Stirn in Falten und sie schüttelte traurig den Kopf.
" Soweit ich weiß hat Sesshomaru dieses Schwert. Ich glaube kaum, dass er dir den Gefallen tun wird es für dich zu benutzen."
" Ich habe auch nicht die Absicht ihn lieb darum zu bitten. Ich werde es ihm stehlen."
" WAS? Willst du dich umbringen? Und überhaupt: Kannst du Tenseigas Kraft nutzen?"
" Pah! Glaubst du ich bin dazu nicht fähig?" Für Inuyasha war damit das Gespräch beendet. Entschlossen hob er Tessaiga auf und schob es in die Scheide zurück.
Kaede sah, wie zuversichtlich Inuyasha plötzlich wirkte. Die Hoffnung auf Tenseiga erweckte sein Tatendrang und neuer Lebenswillen durchflutete ihn.
Kaede wollte ihm diesen Moment nicht zerstören. Ihre Zweifel über Inuyashas Idee behielt sie lieber für sich.
" Ich gehe jetzt.", sagte Inuyasha " Kümmere dich um Kagome und die anderen. Ich werde mich beeilen."
Ohne eine Antwort abzuwarten stürmte er davon und war schon bald außer Sichtweite.
" Viel Glück!" rief ihm Kaede noch nach, aber das hörte er schon nicht mehr.