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Ein Licht in dieser dunklen Welt

Wichtel-Fanfiction für Shizana
von

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I.


 

Ein Licht in dieser dunklen Welt

Ich höre Orleans bedroht, ich fliege

Herbei aus der entlegnen Normandie,

Den König denk ich kriegerisch gerüstet

An seines Heeres Spitze schon zu finden,

Und find ihn hier! Umringt von Gaukelspielern

Und Troubadours, spitzfindge Rätsel lösend

Und der Sorel galante Feste gebend,

Als waltete im Reich der tiefste Friede!

Schiller, Die Jungfrau von Orleans


 

I.

Ein ums andere Mal führten seine Hände die weiche Bürste durch das Fell des Rappen. Das große Tier stupste seinen Herren an und schnaubte zufrieden. Weder dieser Laut noch das bereits glänzende Fell drangen wirklich an das Bewusstsein des jungen Ritters. Er war zu tief in Gedanken versunken.

Noyn Claude glaubte nicht an Prophezeiungen oder göttliche Eingebungen, und schon gar nicht glaubt er daran, dass ein Bauernmädchen die Franzosen zum Sieg führen würde. Doch der Adelige wusste, dass jemand gegen die Engländer vorgehen musste, wenn Frieden in Frankreich herrschen sollte.

Der König geschwächt, von seiner eigenen Mutter verleugnet, das Volk entmutigt, zermürbt vom Feind der das Land schon so lange tyrannisierte. Wie die Heuschrecken vielen die feindlichen Truppen ein und ließen das Land verwüstet und leer gefressen zurück, nur um sich andernorts auf gleiche Art und Weise breit zu machen.

Wenn der einzige erfolgversprechende Versuch darin bestand ein Weibsbild mit ominösen Visionen als Symbolfigur zu nutzen um die Moral zu heben, dann würde er sich fügen und seine Rolle in diesem Theaterstück spielen.

Das Pferd stieß in erneut an. Diesmal heftiger, offensichtlich in Erwartung eines Apfels, so wie jeden Abend. Erst jetzt bemerkte Noyn, dass er eine andere Beschäftigung für seine Hände suchen konnte. Er säuberte die Bürste und klopfte den Striegel aus.

Nicht, dass er eine andere Wahl gehabt hätte als sich diesem Unternehmen anzuschließen. Als einziger Sohn eines unbedeutenden Adeligen, dessen bescheidene Ländereien dem Schlachtfeld viel zu nahe lagen, bestand seine einzige Chance auf ein normales Leben darin, die Engländer aufzuhalten. Allein, denn sein Vater konnte keinen anderen Mann entbehren - selbst der Page mit seinen elf Jahren war zurückgeblieben, obwohl er nicht viel mehr tun konnte als dem Feind eine Mistgabel entgegenzurecken – war er nach Vaucouleurs gekommen um sich dem Widerstand gegen die Engländer anzuschließen. Keine Woche nach seiner Ankunft war dieses Mädchen aufgetaucht und hatte es geschafft den Stadthauptmann um den Finger zu wickeln. Beinahe hätte er angefangen an Hexerei zu glauben. Eine andere Erklärung wie sie es geschafft haben sollte den sturen Hauptmann zu überzeugen gab es nicht. Der Mann der noch tags zuvor keinen einzigen Soldaten vor die Tore der Stadt schicken wollte, aus Angst, sie könne am helllichten Tag erstürmt werden, hatte sie mit Waffen, einer Rüstung und einer Eskorte von zehn Mann ausgestattet.

Der junge Ritter hatte kaum Gelegenheiten gehabt, sich ein Bild von Jeanne Darc zu machen bevor er sich ihr anschließen musste. Und auch jetzt, nach den drei Tagen die er als Teil ihres Trupps nach Chinon verbracht hatte, vermisste er ein Zeichen der Besonderheit an dem Mädchen. Gekleidet in eine Rüstung, wirkte sie zwischen den Männern so fehl am Platz, wie jede beliebige Bauerntochter, die man in dieses eiserne Kostüm gezwängt hätte.

Über den Rücken seines Hengstes hinweg beobachtete er sie auch nun, als sie sich wie alle anderen, um das Wohlergehen ihres Reittieres kümmerte. Er hatte schon befürchtet, sich im Trupp ein anstrengendes verzogenes Weibsstück zu befinden, doch sie packte da wo sie konnte genauso an wie die Männer, die ihr unterstellt waren. Im Sattel hielt sie sich wacker, auch nach einem anstrengenden Tagesritt, doch obgleich sie sich sonst geschickt zeigt viel sie über ihre eigenen Füße, sobald sie die schwere Rüstung trug die man ihr in Vaucouleurs angefertigt hatte. Das kurze Schwert, das sie seit der Abreise an ihrer Seite trug, wirkte wie ein Fremdkörper. Keinem der Männer war dies entgangen.

Es wurde viel geredet. Abends am Lagerfeuer, untertags wenn sie nicht in der Nähe war.

Noyn hielt sich zurück, wenn die anderen wild zu spekulieren begannen. Bevor er hier Bande knüpfte wollte er Gewissheit haben, womit er es zu tun hatte.

Nur Schwachsinnige hören Stimmen! Dies hatte ihn sein Vater gelehrt. Doch das Mädchen wirkte keineswegs schwachsinnig. War sie nur ein Bauernopfer? Eine Schachfigur, von anderer Hand geführt?

„Ich biete Euch einen Handel an“, wurden seine Gedanken unterbrochen. „Ihr stellt die Fragen, die Euch auf der Zunge liegen und Euren Geist beschäftigen, dafür tut Ihr mir einen Gefallen.“ Sie lächelte ihn entwaffnend an. „Und Ihr starrt mich nicht mehr so an.“

Der junge Ritter hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt, wie wenig unauffällig seine Bemühungen mehr über sie zu erfahren, waren. Noyns Augenbrauen wanderten unwillkürlich in die Höhe.

„Gewiss verlangt Ihr nicht von mir, dass ich mich auf solch einen Handel einlasse, bevor ich die genauen Bedingungen kenne? Also - an welche Art Gefallen denkt Ihr?“

„Zu allererst müsst Ihr mich nicht ansprechen als wäre ich eine Adelige wie Ihr. Mein Name ist Jeanne. Einfach nur Jeanne. Und der Gefallen ist nichts, was ein Problem für einen Ritter wie Euch darstellen sollte. Ihr sollt mich das Kämpfen lehren!“
 

*

Noyn Claude war verärgert. Doch er würde es nicht zeigen. Dieses Mädchen hatte die Befehlsgewalt und er war nur ein einfacher Ritter. Sich nun unwillig zu zeigen war die Probleme, die sich daraus ergaben, nicht wert. Eine offene Zurschaustellung seiner Gefühle wäre nur ein kurzer Triumph für sein angeschlagenes Selbstbewusstsein.

Nachdem sie am gestrigen Tag diesen Handel vorgeschlagen hatte, hatte er sich Klarheit erhofft. Doch sie hatte ihm nur ein abstruses Märchen von Dämonen, die sie mit Hilfe einer kleinen Nadel zu bannen im Stande sein sollte, aufgetischt. Noyn würde vorerst schweigen.

Er hatte einen besseren Plan.

Sie hatten die Nacht im Sattel verbracht und waren bis zum ersten Morgenlicht geritten. Das neue Jahr hatte erst vor kurzem begonnen. Die Tage waren kurz. Genauso die Rast, die der Trupp eingelegt hatte. Das düstere Winterlicht kündigte bereits an, dass es bald wieder verlöschen würde, als Jeannes Unterricht auf einer Lichtung, etwas abseits der Gruppe, begann.

„Bevor wir mit der Ausbildung beginnen, sagt mir noch eins. Warum richtet Ihr diese Bitte an mich? Jean d’Aulon siegte im letzten Jahr auf allen Turnieren und Étienne de Vignolles gilt als bester Schwertkämpfer diesseits der Charente. Sicherlich findet Ihr einen besseren Lehrmeister unter Euren Männern!“

Es war eine ehrliche Frage. Seine Fähigkeiten im Kampf waren gut, doch reichten sie lange nicht an die der erfahrenen Kämpfer. Außerdem hatte er noch nie jemanden im Umgang mit Waffen unterwiesen. Seine Lehrerfahrung bestand darin vor den Stalljungen zu prahlen.

Die Frage warum sie solch weltlichen Schutz benötigte, wo sie doch einem göttlichen Aufruf folgen sollte, behielt er für sich.

„Ich habe Euch ausgewählt weil Ihr mich nicht mit Mitleid betrachtet wie die anderen. Ihr seht mich fragend an und zweifelnd, aber nicht mitleidig oder gar wie ein Stück Fleisch. Und ich sagte Euch bereits, dass ihr mich nicht ansprechen müsst wie Euresgleichen.“

„Nun gut, Jeanne, um dich zu unterrichten muss ich wissen, was du kannst und welche Voraussetzungen du mitbringst.“

Er reichte ihr ein altes, stumpfes Schwert und behielt selbst nur die verrostete Scheide in der Hand. Die Art wie sie die Waffe hielt, verriet ihm viel.

„Hast du so eine Waffe in der Vergangenheit schon in der Hand gehabt?“

„Nur das Schwert, das ich seit unserer Abreise trage. Aber ich habe es noch nie benutzt.“

Sie wirkte unsicher mit dem schweren Gegenstand. Es war ein Einhänder, doch sie musste ihn mit beiden Händen halten. Zwar war sie kräftig, kräftig, wie es eine arbeitende Frau war, doch nicht kräftig wie ein Ritter, der Jahre darauf verwandte Kraft und Geschick im Umgang mit dieser Waffe zu schulen.

„Versuch‘ mich anzugreifen!“

„Ich greife keinen Unbewaffneten an.“

„Dann eben anders.“ Noch bevor er seinen Satz beendet hatte sprang er auf sie zu und hob die massive Hülle des Schwerts. Instinktiv riss sie das Schwert in die Höhe und brachte es vor ihr Gesicht. Eine berechenbare Reaktion.

Es kostete ihn nur eine Drehung des Handgelenks um ihre Deckung zu durchdringen. Er bremste das Metall bevor es größeren Schaden anrichten konnte. Anstatt sie mit voller Kraft zu schlagen klopfte die Scheide nun gegen ihre Schläfe und ihr rechtes Handgelenk. Ihr griff verlor an Stärke und sie musste das Schwert sinken lassen.

Noyn betrachtete sie prüfend.

„Mit solch einem Schwert wirst du dich nicht verteidigen können. Nicht in dieser kurzen Zeit. Auch das, dass sie dir gegeben haben wirst du nicht benutzen können, es ist fast so schwer wie dieses“, stellte er fest und fügte hinzu, als er sah, wie sich ihr Blick verdunkelte „es wird sich eine geeignetere Waffe finden lassen.“

Innerlich war er nicht so gefasst wie er nach außen hin vorgab. Sie konnten jeden Augenblick von Feinden überrascht werden. Doch es war wichtig, dass sie vertrauen zu ihm fasste. Er konnte sie nicht vollkommen demoralisieren.

„Dann beginnen wir mit dem Kampf ohne Waffen.“ Er warf das Stück Metall beiseite.

„Es gilt das gleiche wie vorhin. Greif‘ mich an!“

„Aber…“

Hatte er zuvor noch geglaubt die Waffe wäre das größte Problem, musste er jetzt feststellen, dass es ihr Zögern war. Vor seinem inneren Auge sah er die Mission bereits scheitern. Das durfte nicht geschehen! Sein Leben und das seiner Familie hing davon ab!

Er konnte sie verstehen. Er selbst verspürte ein enormes Unbehagen dabei sie anzugreifen. Doch er wusste, dass er sie aus der Reserve locken musste.

Mit den Gedanken sie durch einen leichten Schlag auf die Schulter abzulenken um ihr dann mit einem Tritt die Beine unter dem Körper wegzuziehen, näherte er sich ihr erneut.

Ein scharfer Schmerz, der plötzlich in seiner Lendengegend aufflammte, vereitelte sein Vorhaben. Keuchend sank er auf die Knie. Er wandte den Blick von der Stelle ab, die ihr Fuß gerade so gezielt getroffen hatte und starrte sie an. Für den Moment waren alle seine Pläne vergessen. Jeder Gedanke daran, für sie so wichtig zu werden, dass sie ihm ihre wahren Beweggründe verriet, trat in den Hintergrund. Es gab nur Schmerz. Und Erstaunen.

Jeanne wirkte nicht minder erschrocken als er selbst, fing sich aber schnell wieder.

„Kein… ehrenhafter… Mann… würde so… so etwas tun.“

„Ich bin kein Mann.“
 

*

Noyn durchsuchte sein Gepäck, nachdem er zur Gruppe zurückgehumpelt war, dankbar dafür, dass seine Mitstreiter mit anderem beschäftigt waren, als auf ihn zu achten.

Vielleicht gab es eine Lösung für Jeannes Waffenproblem.

Vorsichtig zog er den gesuchten Gegenstand aus der Tasche. Vergraben unter seiner Kleidung hatte er gefunden wonach er gesucht hatte. Das leichte Schwert, das er in den ersten Jahren seiner Ausbildung geführt hatte. Es war leichter und kürzer. Für einen Jungen geschmiedet. Doch es würde seinen Zweck auch in den Händen einer Frau erfüllen. Keinesfalls wollte er ihr noch einmal im Nahkampf ohne Waffen gegenüberstehen. Sie war schnell und gerissen.

Viele schöne Erinnerungen waren mit dem Schwert verbunden. Seine Sentimentalität hatte ihn dazu bewegt dieses eigentlich nutzlose Relikt der Vergangenheit mitzunehmen.

Noch am Morgen hätte er nie daran gedacht es einer anderen Person anzuvertrauen.

Doch neben den Schmerzen im Gemächt hatte der Tritt vor allem eins in ihm ausgelöst: Hoffnung.

Vielleicht war es doch nicht unmöglich dieses Bauernmädchen sicher zum König zu bringen. Vielleicht gab es doch eine Chance die Engländer zu vertreiben.

Schon etwas weniger auffällig humpelte er zu Jeanne hinüber und reichte ihr wortlos sein altes Schwert.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kruemelteemonster
2018-07-11T11:07:35+00:00 11.07.2018 13:07
Ich verstehe nicht, warum diese Fanfiction bisher niemand kommentiert hat in all den Jahren.
Es ist wirklich wunderschön geschrieben und die paar kleinen Fehler, die man finden kann, verzeiht man dir sofort. :)
Die Charaktere sind auch sehr glaubwürdig dargestellt. Nichts übertrieben oder unpassend an ihnen.
Und es ist bis hierher schon mal genau der Erzählstil, den ich so mag: alles ist in einem ruhigen Fluss, aber nicht uninteressant oder gar langweilig.
Danke dafür! :)


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