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Lost Boys resurrected

Every me and every you
von

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This is what I thought

Kapitel Vier

This is what I thought, I though you need me
 

Kein Lebenszeichen. Brian nahm das gefüllte Tablett hoch. Seine Hände zitterten leicht. Kein Lebenszeichen seit drei Tagen, kein Lebenszeichen seit fünf Tagen. Der mitleidige Blick seines Kollegen entging ihm. Vorsichtig schlängelte er sich um die Tische. Weder Aron noch Tovey haben sich gemeldet. Wie ging es Tovey? Wo war Aron abgeblieben? War er so wütend, dass er sich nie wieder melden wollte? Das war so fürchterlich schief gelaufen. Die Tür des kleinen Restaurants ging auf. Brian bemerkte es nicht. Seine Knie wurden weich. In seinem Ohr fiepte es unaufhörlich. Über die Welt legte sich ein grauer Schleier. Er hatte die letzten drei Tage nicht schlafen können. Immer wieder hatte er sich in Arons Klamotten vergraben und in den Schlaf geheult nur um dann aus Alpträumen wieder aufzuschrecken. Manchmal glaubte er Aron stünde neben seinem Bett, doch das bildete er sich nur ein. Er war furchtbar einsam, allein in der großen Wohnung. Er hörte sein Herz schlagen, seinen Atem gehen. Das Tablett entglitt seinen Händen. Ein lautes Krachen ertönte.

„Brian!“

Er fiel hart auf den Boden, doch den Aufprall spürte er nicht.
 

Als Brian die Augen wieder aufschlug blickten ihn scheinbar tausend Leute an. An vorderster Front Tovey und Alexej. Tovey sah sehr besorgt aus.

„Bist du okay?“ fragte er und half Brian beim Aufstehen. „Du bist einfach zusammengebrochen. Was ist denn los? Das Telefon bei uns zu Hause geht nicht und es war auch keiner da …“

Tovey brach ab und strich Brian über das blasse Gesicht.

„Du siehst furchtbar aus, was ist passiert?“
 

„Ich finde das schon unheimlich“, bemerkte Tovey, als Brian seine Geschichte beendet hatte. „Aron wäre nicht so gemein sich nicht zu melden.“

Alexej zuckte mit den Schultern. Tovey hatte wohl Recht, aber die Abgründe der menschlichen Seele waren tief. Das wusste er viel zu gut.

„Denke ich auch“, sagte Billy. Die Jungs hatten ihn angerufen, nachdem Brian in der Bar zusammengebrochen war. Brian selbst hing jetzt wie ein Schluck Wasser auf der Couch, eingewickelt in eine warme Decke, den leeren Blick auf den Boden gerichtet. Keine Antwort vom Hauptdarsteller.

Tovey biss sich auf die Unterlippe. Keiner wollte Brian aufschrecken. Wer wusste schon, wo er gerade war?

„Wenn wir es mal von der schlimmsten Seite betrachten“, durchriss plötzlich Alexejs Stimme die summende Stille. Aller Augen, sogar Brians richteten sich auf den jungen Russen. Ein Hauch von Aufregung durchzuckte Billy, als er sah, wie Alexej nach Toveys Hand griff. Was genau zwischen den beiden in Moskau vorgefallen war, wusste niemand wirklich. Aber Billy erkannte in Alexejs Augen wieder das alte gefährliche Feuer. Damals, nach der Trennung von Tovey, war dieses Feuer erloschen, doch Billy hatte es nicht vergessen. Schließlich hatte er die Freundschaft zu seinen schwulen Jungs nie abgebrochen.

„Dann könnte vielleicht Sonny seine Hände im Spiel haben“, beendete Alexej seine Überlegung. Aller Augen wanderten nun zurück zu Brian, der anfing zu zittern.

„Sonny“, sagte er leise. „Sonny und Blecket, weil Bleckets Zeit im Knast ist abgelaufen … Seit 2 oder 3 Tagen.“

„Gut“, sagte Alexej leise, doch die Köpfe fuhren herum, als hätte er gebrüllt. Gut? Nichts war gut! „Dann müssen wir Sonny finden und Aron retten.“

„Ja“, stimmte Tovey unsicher zu. „Wir rufen die Polizei und …“

Tovey verstummte, als er Alexejs Blick sah.

„Keine Polizei. Das können wir ganz allein“, der junge Russe stand auf und wanderte unter strenger Beobachtung in dem gemütlichen Raum auf und ab. Tovey betrachtete ihn fasziniert. Alexej trug eine schwarze Hose mit weißen Nadelstreifen, sie hing bedenklich tief, doch sein T-Shirt war lang genug um die schwarzen Boxershorts möglichst zu verdecken. Es war weiß und der Name irgendeiner Band prangte darauf. Tovey wunderte sich immer wieder, dass Alexej nicht fror. Ihm war kalt in seiner schwarzen Kapuzenjacke. Die Haut an Alexejs Armen zeigte keine Anzeichen von Frost.

„Die Sache ist eigentlich ganz einfach“, Alexej war an das große Fenster des Raumes getreten. Draußen war die Sonne im Begriff unterzugehen. Ihre letzten orangefarbenen Strahlen ließen Farbeffekte auf Alexejs schwarzem Haar tanzen.

„Ich werde gehen. Das wird ein Kinderspiel.“

Tovey verschränkte fest die Arme um seine zitternden Hände zu verbergen. Alexejs Benehmen machte ihm Angst. Was kam da an die Oberfläche? Welche Welten eröffneten sich neben dem liebevollen Freund und dem unzugänglichen Stricher? Alexej drehte sich zu seinen Freunden um. Er lächelte beruhigend. Mit federnden Schritten kam er auf Tovey zu, nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn kurz auf den Mund.

„Ich bin bald wieder da.“

Und schneller als jemand nein schreien konnte, war er aus dem Wohnzimmer verschwunden und man hörte die Haustür gehen.

„Er macht mir Angst“, sagte Billy etwas kleinlaut.

Als ungefähr zehn Minuten später die Tür der Wohnung wieder aufflog saßen alle gespannt wie Flitzebögen da und lauschten. Was um Himmels Willen hatte Alexej angestellt, dass alles so schnell ging? Hatte er Aron gefunden? War das wirklich Alexej? Tovey war der erste, der sich etwas verkrampft erhob und zur Wohnzimmertür huschte. Im Flur standen tatsächlich Alexej und ein etwas geschunden aussehender Aron.

„Wie hast du das gemacht?“ fragte Billy, der neben Tovey aufgetaucht war.

„War nicht schwer“, antwortete Alexej mit einem Seitenblick auf Billy. „Er ist mir praktisch entgegengelaufen.“
 

Gespannt saßen sie um den Küchentisch herum und starrten Aron an. Seine Arme waren mit blauen Flecken übersät. Einige davon waren bereits lila angelaufen.

„Ich habe gedacht, wenn Blecket nach Hause kommt, dann wird alles nut noch schlimmer. Ich dachte, dann bringen die beiden mich um, aber ... Er kam zur Tür rein, sah Sonny an und dann mich und ich saß schneller vor der Tür, als ich Hilfe schreien konnte.“

Schweigen. Brian schüttelte fassungslos den Kopf. Blecket, Ronald Blecket hatte Aron freiwillig laufen lassen?

„Was haben die mit dem im Knast gemacht?“ fragte er schließlich laut. Einerseits wollte dieses Verhalten so gar nicht zu Blecket passen, andererseits war Brian froh, dass es so gekommen war.

„Mir soll’s egal sein“, murmelte Aron und wischte sich mit beiden Händen über sein Gesicht. „Ich will einfach nur in mein Bett.“

Wie auf Kommando bedachten ihn alle Jungs mit einem mitleidigen Blick.

„Willst du denn gar nichts gegen Sonny unternehmen?“ fragte Tovey unerwartet, als Aron im Begriff war aufzustehen. Verwirrt starrte Aron Tovey an.

„Was denn unternehmen?“ fragte er. Seine Augen waren etwas zu glasig wie Tovey fand, aber das konnte gut mit den Strapazen der letzten Tage zusammenhängen.

„Du hast doch den heißen Draht zum langen Arm des Gesetzes. Willst du Sonny dafür nicht in den Knast bringen? Entführung und das in seiner Bewährungszeit? Nichts wäre leichter als das.“

Aron ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen und sah Tovey durchdringend an.

„Ich werde nichts tun. Wenn Sonny schon jetzt mit solchen Aktionen reagiert, was meinst du was passiert, wenn er aus dem Knast wiederkommen würde? Ich zumindest will das gar nicht wissen.“

„Aber“, hielt Tovey sofort dagegen. „Aber was wenn er noch so eine Aktion startet? Wenn er noch schärfere Geschütze auffährt? Er ist jetzt nicht mehr allein!“

„Falls du nicht zugehört hast: Blecket hat kein Interesse mehr an mir, okay? Sonst säße ich nicht hier. Glaub es mir einfach!“

Der Satz blieb endgültig im Raum stehen, während Aron verschwand. Betretenes Schweigen machte sich unter den jungen Männern breit. Billy räusperte sich.

„Ich glaube man kann es nicht wirklich richtig machen …“, sagte er etwas kleinlaut, doch niemand ging darauf ein. „Na ja, ich … werd denn mal wieder. Lisa wartet sicher schon auf mich.“
 

Beschwingt zückte Tovey den Briefkastenschlüssel aus seiner Hosentasche. Das Schloss des Kastens klemmte leicht, die Tür war etwas verbeult und man konnte immer noch die pinke Farbe schimmern sehen, mit der jemand Schwuchtel auf dem weißen Metal hinterlassen hatte. Tovey hatte wie ein blöder versucht sie abzuschrubben und war damit sogar relativ erfolgreich gewesen. Doch völlig weg würde er dieses schreiende Pink wohl nie bekommen. Ein weißer Umschlag, regelrecht dick, fiel ihm entgegen. Mit einem peinlich mädchenhaften: „Huch!“ fing Tovey den Umschlag auf. Er war schwer. Irritiert betrachtete er ihn. Der Brief war an ihn adressiert. Wer schickte ihm Kilo schwere Briefe? Neugierig riss Tovey den großen Briefumschlag auf und spähte hinein. Komisch. In dem Umschlag war noch ein Umschlag! Mühsam zog Tovey diesen heraus.

Alexej stand etwas ziellos in der Küche, als Tovey mit zwei Umschlägen im Arm durch die Tür kam. Er lehnte am Fenster und betrachtete seinen Freund fragend.

„Post?“ fragte er verwirrt. Hier kam nie sonderlich viel Post an. „Und dann auch noch so viel? Hast du eine Kontaktanzeige aufgegeben?“

Tovey sah ihn etwas beleidigt an.

„Nein, mein Süßer. Das hier“, damit drückte er Alexej den schweren Umschlag in die Hände, „ist alles für dich.“

„Für mich?“ Nun wirklich verwirrt starrte Alexej auf die Umschläge. „Der ist an dich adressiert.“

Tovey nickte und bedeutete Alexej auf dem anderen nachzusehen. Der junge Russe tat wie geheißen und machte große Augen.

„Bitte unverzüglich an Alexej Robanov weiterreichen. Streng vertraulich“, las er laut vor.

„Verrätst du mir was drinsteht?“

Alexej ging nicht darauf ein. Verwirrt stieß er sich vom Fensterbrett ab und ließ sich am Küchentisch nieder. Mit zitternden Händen öffnete er den Umschlag und zog eine Art Buch heraus. Tovey, der sich neben Alexej niedergelassen hatte staunte nicht schlecht. Da hätte er sich auf den Kopf stellen können, das Dokument war auf Russisch geschrieben. Besser hätte man es nicht vertraulich gestalten können. Tovey stupste Alexej an.

„Was steht da?!“

„Testament“, antwortete Alexej trocken und hielt das Heft fest. „Wer schreibt so ein fettes Testament?“

„Schlag es auf!“ drängte Tovey.

„Ich trau mich nicht“, sagte Alexej kleinlaut. „Was, wenn mein Vater gestorben ist? Oder Mama? Ich trau mich nicht!“

„Dann lass mich das machen. Ich kann es so wie so nicht lesen. Okay?“

Alexej ließ das Heft los und es klatschte auf den Tisch.

„Oder was ist, wenn sie noch etwas von Raphael ausgegraben haben? Oh mein Gott!“

Tovey strich seinem Liebsten beruhigend über den Rücken. Was sollte er dazu sagen? Das konnte gut sein und war sogar wahrscheinlicher, als wäre Alexejs Mutter gestorben. Aber genau wissen konnte man das nie.

„Ich mach es auf, okay?“ fragte er behutsam und Alexej nickte ängstlich. Tovey hatte ihn noch nie verängstigt gesehen und das bereitete ihm ein ziemlich ungutes Gefühl im Magen. Alexej war immer der starke und in der Rolle mochte Tovey ihn am liebsten. Doch das wollte er sich nicht anmerken lassen. Selbstsicher griff er nach dem dicken Heft und klappte es auf. Zum Vorschein kam eine lose Seite, die man behutsam vornan gelegt hatte.

„Lesen musst du es allein“, sagte Tovey und seufzte beim Anblick der russischen Handschrift.

Alexej nahm den Zettel in die Hand. Einen Moment herrschte Schweigen. Tovey konnte die Uhr im Flur ticken hören. Gespannt betrachtete er seinen Freund.

„Mein Gott“, wisperte Alexej endlich und betrachtete das Dokument jetzt wirklich entsetzt. Tovey konnte sich vor Ungeduld kaum noch auf seinem Stuhl halten.

„Ich les es dir mal vor, das heißt … ich übersetze es dir mal …“

Na endlich!
 

Mein lieber Alexej,
 

mit Bedauern muss ich dir mitteilen, dass dein Bruder Juri in der Nacht zum Sonntag verstorben ist. Wir hatten ihn, nach dem unangenehmen Zwischenfall mit deinem deutschen Freund im Waschraum, ins nächste Krankenhaus gebracht. Dort kam er dann wieder zu sich. Wir bekamen nicht viel aus ihm heraus. Er weigerte sich mit jemandem zu reden. Wir hatten sogar schon Probleme mit der Polizei, aber das dachte ich wäre geregelt. In der folgenden Nacht hat sich Juri dann mit einem Bettlaken in seinem Krankenzimmer erhängt.

Nach einigen Problemen mit der Polizei, einem Anwalt und sonstigem Gesindel bekam ich dieses Testament ausgehändigt. Man hat mir verboten es zu lesen, es ist ausdrücklich nur für dich bestimmt. Ich weiß nicht welche Grausamkeiten dieser kleine Bastart dort niedergeschrieben hat, aber denk daran mein Junge: Nichts davon ist dein Fehler.
 

In Liebe

Papa
 

Tovey schauderte. Juri hatte sich aufgehängt? Warum? Forschend betrachtete er Alexejs Gesicht. Er klebte noch immer mit den Augen an dem Zettel. Ob er etwas verschwiegen hatte? Etwas ausgelassen vielleicht? Tovey spürte wie er rot wurde. Eigentlich peinlich wie ungeniert neugierig er sich gerade aufführte. Alexej legte den Zettel auf den Tisch.

„Es ist nur Juri“, murmelte er etwas abwesend.

Tovey verzog leicht die Mundwinkel. Nur Juri, das klang böse, richtig böse. Aber wenn man es genauer betrachtete … wenn man bedachte, was Juri wahrscheinlich getan hatte. Was er getan haben musste. Tovey gab sich einen Ruck.

„Soll ich dich damit allein lassen?“ fragte er vorsichtig und strich seinem Freund über den Rücken. Alexej betrachtete nun wieder das dicke Heft.

„Ja … nein … also doch. Bitte.“



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