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Ex Animo

- Fanfiction zu einem Doujinshi -
von

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You, just you!

Based on the Doujinshi „Elements“; Art by Nor-chan

© by Nor-chan, Takao Aoki-san / all rights reserved
 

You, just you!
 

Atemlos liege ich auf meinem Bett, die Augen halte ich geschlossen und ich konzentriere mich ganz und gar auf das Gefühl, dass durch meinen gesamten Körper strömt. Ich spüre etwas Warmes, Feuchtes auf meinem Bauch, während eine fremde Hand mich noch immer kurz hinter meinem Ohr krault und mich so unfähig zu jeglicher Bewegung macht.

Ich glaube, wenn ich schnurren könnte, dann würde ich es jetzt tun. Aber diese Fähigkeit habe ich wohl nicht von meinem Seelentier übernommen. Aber wann schnurrt ein Tiger schon mal?

„… ha … K-Kai…“

Am liebsten würde ich mir auf die Zunge beißen, aber dieses Unterfangen hat mein Teampartner schon bei den ersten Versuchen Zunichte gemacht, indem er mich immer wieder geküsst und mit seiner verfluchten Hand abgelenkt hat.

Jetzt habe ich endlich verstanden was Makusu damit meinte, dass man als Träger eines Seelentieres dessen Kräfte, aber auch dessen Schwächen übernimmt, man sozusagen eins wird mit seinem Tier. Einem Tiger gefällt es wohl, wenn er hinter den Ohren gekrault wird. Und diesen Umstand hat Kai sich zu Nutzen gemacht.

Dieser verfluchte Russe!

Als ob er meine Gedanken gehört hat, taucht Kai wieder in meinem Blickfeld auf, sein Gesicht ist ernst, doch ich bemerke, dass seine Augen viel weicher wirken als sonst immer. Anscheinend hat auch Kai sich in seinem Tun verloren. Ich würde ja beinahe behaupten, dass er verträumt aussieht. Allerdings habe ich Kai nie schlafen, geschweige denn träumen gesehen, also bleibt das nur eine Vermutung.

„Geh nicht weg.“, flüstert er mir zu und ich sehe ihn überrascht an. In meinem Kopf dreht sich noch alles und ich glaube mich verhört zu haben. Doch Kai streicht mir sanft über mein Gesicht, beugt sich tief zu mir herunter und stielt mir erneut einen Kuss. Mein zweiter an diesem Abend, aber sehr viel sanfter als der Erste.

„Geh nicht weg.“, sagt er noch einmal, sieht mich an und mich durchzuckt es förmlich als ich bemerke wie sich sein Blick verändert. Jetzt wirkt er beinahe traurig… verzweifelt? Ich erinnere mich an unsere gemeinsame Mission von vor ein paar Wochen. Diese Worte in meinem Kopf, als wir miteinander getanzt haben, waren dann wohl doch keine Einbildung gewesen.

„Warum…?“

Meine Stimme ist ein Krächzen, doch ich kann nichts daran ändern, denn dieser Moment ist einfach… beängstigend und berauschend. Ich habe einen Kloß im Hals und kann ihn nicht runterschlucken. Kai will der Einzige für mich sein? Und mich beschützen? Warum soll ich nicht weggehen? Warum ist er so?

Das sind die Fragen, die mir im Augenblick durch den Kopf schießen und ich warte auf eine Antwort, während ich merke, dass ich kurz davor bin zu heulen.

„Weil ich dich brauche.“

Seine Stimme ist so entsetzlich sanft, so liebevoll. Eine erste Träne kullert mir über mein Gesicht und ich sehe mit wässrigem Blick zu meinem Partner auf, der mich nun liebevoll anlächelt, die Träne auffängt und mich dann wieder küsst. So sanft.

Ich schließe meine Augen, lege einen Arm um Kais breite Schultern, verkrampfe meine Finger in den Stoff seines Hemdes und imitiere die Bewegungen seiner Lippen an meinen. Warum ich das mache weiß ich nicht genau. Momentan scheine ich nur aus Gefühlen zu bestehen, die dich alle paar Sekunden abzuwechseln scheinen.

Zu Beginn war ich wütend. Wütend auf Yuriy, auf Kai, auf mich selbst, ich hatte das Leben hier nur satt, denn dauernd wurde ich wie ein dummer Junge behandelt, ignoriert, zurechtgewiesen oder verspottet. Obwohl ich hier aufgenommen worden war, war dies kein Ort an dem ich gerne war.

Dann hatte ich Angst. Angst vor dem was Kai tun würde, so sauer wie der war. Das wandelte sich in eine Angst was kommen würde, als Kai mich küsste, als er mich streichelte. Doch schließlich konnte ich das Gefühl nur noch genießen, ich entspannte mich immer mehr, auch wenn mein Kopf verzweifelt versuchte mich wieder klar werden zu lassen. Aber von jemandem so liebevoll berührt zu werden… auch als Kais Berührungen noch grob waren habe ich gespürt wie viel Gefühl er aber doch hineinlegt. Das hat mich endgültig aufgeben lassen.

Ab einem gewissen Punkt wollte ich das was er mit mir machte.

Es war ein Gefühl von Geborgenheit, von Mitgefühl, von Verständnis, von Sorge, von… Schon seit langem wurde ich nicht mehr so liebevoll behandelt und dann auch noch ausgerechnet von einem Menschen, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte.

Kais Hände wandern während unseres Kusses wieder an meinen Seiten entlang, streicheln jeden Millimeter Haut, dann über meinen Bauch hinweg und ziehen ihre Kreise. Das ist vielleicht auch ein Grund warum ich mich so fallen lassen kann. Obwohl Kai zu Beginn sauer war und auch jetzt die Kontrolle über das Geschehen hat, so tut er doch nichts was ich nicht erlauben würde. Er überrumpelt mich auf eine angenehme Art und Weise, er kennt seine und vor allem meine Grenzen.

Bei ihm habe ich trotz allem ein Gefühl von Sicherheit.

„K-Kai…“, flüstere ich leise und öffne meine Augen um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er sieht mich schweigend an, seine Hände ruhen auf meinen Hüften, sein ganzer Körper scheint mich zu umschließen und mir ist dabei so warm, dass ich es kaum aushalte. „Ich… bitte ich…“, stammle ich, unfähig meinen Satz, meine Bitte vorzutragen. Doch seltsamerweise scheint Kai mich auch ohne jedes Wort zu verstehen.

Er küsst meine Stirn, meine Wange, noch einmal meine Lippen, dann greift er nach der Decke, die zusammengeknüllt am Fußende des Bettes liegt und zieht sie zu uns nach oben, deckt uns zu.

„Keine Angst.“

Nein, die habe ich nicht. Tatsächlich habe ich kein bisschen Angst.

Ich lehne mich zu ihm herüber, streiche ihm nun meinerseits über die Wange, über den Hals, dann zum Nacken, durch seine Haare, die sich grob und rau anfühlen. Kai lässt mich gewähren, beobachtet mich unentwegt, während ich mit meinen Händen damit beginne seinen Körper zu erkunden. Ich setze mich auf, streife mit meinen Händen den Kragen seines Hemdes und nach einem kurzen Zögern beginne ich damit, es aufzuknöpfen. Langsam und mit zittrigen Fingern.

Noch nie habe ich so was vorher gemacht, doch Kai gibt mir alle Zeit die ich brauche und ich bin ihm unendlich dankbar dafür.

Vorsichtig streife ich das Hemd zur Seite und besehe mir seinen durchtrainierten Oberkörper. Seine Brust ist breit, man sieht auch fast so was wie ein Six-pack, seine Haut ist leicht gebräunt, offenbar hält er sich also die meiste Zeit des Tages draußen auf. Ein echter Naturbursche vielleicht. Als ich mit meiner Hand von seinem Hals hinunter zum Brustkorb streife, bemerke ich fast überall Unebenheiten. Mit einem Finger zeichne ich eine lange, weiße Linie auf seiner linken Brust nach, die sich fast runter bis zum Ende seiner Rippen zieht.

„So viele Narben.“, flüstere ich, sehe in Kais Gesicht, das unbewegt scheint, vielleicht ein bisschen nachdenklich. Er ergreift meine Hand, zieht sie über sein Herz und ich spüre seinen unsteten Rhythmus. Unwillkürlich erröte ich.

„Das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur das.“, antwortet er mir, seine Stimme ist rau und klingt belegt. Er setzt sich auf, umfasst mein Gesicht, küsst mich erneut und ich kann nicht anders, als diese Berührung zu erwidern. Meine Hand ruht noch immer über seinem Herzen.

Nach einigen Augenblicken löst er sich von mir und schenkt mir ein unwiderstehliches Lächeln. Ein Lächeln das ich noch nie bei ihm gesehen habe. Sanft streift er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Du warst wütend.“, stellt er dann ruhig fest und ich blinzle verwirrt.

„Ja.“, gebe ich zurück und weiß nicht recht was ich mit seiner Aussage anfangen soll. Will er etwa mit mir über die heutigen Geschehnisse reden?

„Auch auf mich?“

Verlegen schaue ich zur Seite, doch die warme Hand von Kai zwingt mich wieder ihm ins Gesicht zu sehen. Fragend sieht er mich an, zieht eine Augenbraue nach oben und ich schlucke unwillkürlich. Mit einem Mal fühle ich mich wieder unbehaglich.

„Ja.“

„Warum?“

„Kai!“, protestiere ich halblaut, versuche mich aus seinem Griff zu entwinden, doch der Russe lässt mich nicht los, zieht mich eher noch näher zu sich heran, bis wir schließlich nur noch wenig Luft zwischen uns haben.

„Sag’s mir.“, fordert er nun und ich nicke einfach. Ich will es nicht aussprechen, nicht darüber reden, denn dann würde ich mir eine Blöße geben und damit konnte ich schon immer schlecht umgehen. Auf der Straße ist es nicht gerade förderlich, wenn man seine Gedanken auf der Zunge trägt.

„Warum?“

„Als ob du das nicht wüsstest!“, schnaufe ich, schlage seine Hände fort und stehe auf. Ich fröstle, doch nach meinem Shirt greife ich nicht. Damit würde ich Kai wieder zu nahe kommen. „Du hast doch nichts dazu gesagt, als dieser elende Yuriy über mich hergezogen hat. Und du warst wütend auf mich, obwohl ich in dieser Sache eindeutig im Recht war. Verdammt, Kai! Du hättest gefälligst auf meiner Seite stehen müssen!“

Ich bin wütend, so wütend. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich von den Mitgliedern dieser merkwürdigen Gemeinschaft nur herumgestoßen werde. Wie ein Spielball. Ich fühle mich so unfähig. Hilflos.

Ich zucke zusammen, als sich plötzlich zwei Arme um mich schlingen und ich in eine enge Umarmung gezogen werde. Ich spüre Kais Atem an meinem Ohr und ich erschauere unwillkürlich. Seine Hände liegen auf meinem Bauch, regungslos. Mein Körper verkrampft sich und ich bin gewillt meinen Partner von mir zu stoßen, doch dieser legt sein Kinn auf meine Schulter und flüstert mir seine Antwort ins Ohr.

„Bei deinem ersten Treffen mit Yuriy habe ich dich verteidigt.“, sagt er und ich erinnere mich an die Szenerie. Kai, wie er mich zurückzieht und etwas zu Yuriy sagt. Dabei klingt seine Stimme eisig, aber es ist Russisch und ich verstehe kein Wort. Woher sollte ich das also wissen? Sagt er überhaupt die Wahrheit?

„Ich habe Yuriy davon abgehalten weiter auf dich einzuschlagen.“, fährt Kai fort und ich schließe ergeben meine Augen. Seine Stimme klingt zu süß, zu einschmeichelnd und doch kann ich mich nicht dagegen wehren. Ich beginne zu zittern, Kais Griff wird ein wenig fester und ich spüre seine warmen Lippen an meinem Hals.

„Ich beschütze dich. Ich bin auf deiner Seite, Ray, egal was passiert. Hörst du?“

Ich nicke ergeben, lasse mich von Kai in seinen Armen herumdrehen und sehe wie erschrocken er wirkt. Erst jetzt bemerke ich, dass ich angefangen habe zu weinen. Er zieht mich an seine Brust und ich lasse mich gegen ihn fallen, schlinge meine Arme um ihn und weine. Ich weiß nicht genau warum ich weine, aber es ist befreiend und etwas, was ich in diesem Moment einfach machen muss. Und Kai ist da.

Er ist einfach nur da, er sagt nichts, er tut nichts, außer mich in seinen Armen zu halten und dafür bin ich ihm in diesem Moment unendlich dankbar.
 

„Hinter dir, Yuriy!“, ruft Makusu und der rothaarige dreht sich herum, blockt meinen Angriff. Ich schnaube und werfe Makusu einen vernichtenden Blick zu, wobei mich der Blondschopf mit einem siegessicheren Grinsen bedenkt, ehe er sich wieder auf seine Position stellt.

Heute hatte ich mein erstes Partnertraining. Nachdem mir Kai über Wochen beigebracht hatte wie ich meine mystischen Kräfte mit Hilfe von Bannsprüchen kontrollieren konnte, war es nun Zeit sie auch an anderen auszuprobieren. Kai selbst hatte ich während unserer Trainingsstunden nie auch nur ein Haar krümmen können.

Aber bei Yuriy sah das Ganze schon wieder anders aus. Bei dem kleinen Dreckssack würde ich mir doch glatt doppelt so viel Mühe geben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Kai das wusste und auch ausnutzte. Aber es war mir egal, so lange ich dem Russen eine runterhauen konnte.

Na ja, zumindest so lange mir Makusu nicht in die Quere kam. Idiot!

Ich tigere um Yuriy herum, der mich keine Sekunde aus den Augen lässt, bemerke dabei aus dem Augenwinkel heraus, wie Kai einen Ausfall gegen Makusu startet, der sich mit einem Schildzauber zu schützen versucht. Es gibt einen lauten Knall, eine Druckwelle, die die beiden voneinander trennt, doch Makusu hatte einige Blessuren davon getragen. Kai ist also durch seinen Schild durchgedrungen.

„Alles klar, Kusu-chan?“, fragt Yuriy in seinem akztentlastigen Japanisch, Makusu nickt nur und wischt sich den Schweiß von Stirn und Kinn. Dann geht es für ihn und Kai auch schon weiter. Die beiden laufen aufeinander zu, Makusu hebt seine rechte Faust, brüllt irgendetwas, während Kai mit einem Mal stehen bleibt, sich unter dem Schlag wegduckt, dann ausholt und Makusu einen Tritt in den Magen versetzt. Makusu landet hart auf dem Boden, hustet.

Das Training ist anders als sonst. Sehr viel härter.

„Steh nicht nur in der Gegen rum!“, bellt Kai, wirft mir einen wütenden Blick zu, den ich mit meinem eigenen erwidere. Der soll sich gar nichts auf seine Stärke einbilden. Ich kann das auch.

Ich setze mich in Bewegung, Yuriy folgt mir, ich schlage einige Haken um seinen Blitzkugeln auszuweichen, dann wirble ich um meine eigene Achse und erzeuge somit einen kleinen Tornado, der jedoch noch immer recht unkontrolliert sein Unwesen treibt. Es ist zwar schon besser als zu Beginn, aber noch machen mir meine eigenen Kräfte zu schaffen.

„Scheiße!“, fluche ich leise, schließe kurz und fest die Augen um das Schwindelgefühl loszuwerden, das mich immer wieder ergreift, wenn ich meine Kräfte einsetze.

Kai beobachtet mich, wird dann jedoch von Yuriy abgelenkt, der meine Schwäche ignoriert und lieber seinem Teampartner zu Hilfe kommt, der von Kai ordentlich malträtiert wird. Makusu tut mir irgendwie leid. Kai zeige wirklich kein Erbarmen, während ich selbst noch ordentlich gehemmt bin. Kämpfen ist einfach eine Sache, an die man sich nur schwer gewöhnte, wie ich finde.

Kai wird an die Wand gedrängt, von beiden Seiten schlagen kleine Explosionen neben ihm ein. Yuriy gerät also gerade in Fahrt. Auch Makusu macht sich zu einem finalen Schlag bereit, denn er erzeugt eine riesige Flutwelle, die ungebremst auf Kai zurauscht. Es dröhnt mir in den Ohren, ich sehe die weißen Schaumkronen, fühle die gewaltige Energie, die hinter diesem Angriff steckt. Meine Beine bewegen sich ohne mein Zutun auf Kai zu, ich renne, spüre einen unnatürlich kalten Zug in meinen Lungen, während mein Herz rast.

Ich öffne den Mund um Kai etwas zuzurufen, ich weiß selbst nicht was, doch alles was meine Kehle verlässt ist ein tief dröhnendes Grollen. Mein Magen verkrampft sich und ich stoße erneut einen animalischen Laut aus.

Mit einem Mal wird mir im wahrsten Sinne des Wortes grün vor den Augen, ein Licht strahlt und blendet mich, ich kneife meine Augenlider zusammen und spüre eine unglaubliche Hitze in mir aufsteigen. Das Wasser rauscht in meinen Ohren, es bricht sich an mir, ich spüre die Kühle, rieche den Wasserdampf in der Luft, dann prasseln die ersten Tropfen auf mich herunter.

Langsam öffne ich meine Augen wieder, doch die Welt erscheint mir seltsam verzerrt. Ich hört das schwere, abgehackte Atmen hinter mir und schnuppere in der Luft. Es ist Kai. Er drückt sich an die Wand, sein Knie blutet und ich rieche eine frische Wunde in seinem Gesicht. Ich knurre leise auf.

Ein Keuchen dringt an meine Ohren, die ich in die entsprechende Richtung drehe. Nervös schlage ich mit meinem Schwanz hin und her, streife dabei Kai und knurre erneut. Ich wittere in der Luft ein anderes Biest, es zittert vor Furcht, aber auch vor Wut. Aber es ist in mein Territorium eingedrungen, es weiß, dass ich es angreifen werde. Ich brülle laut auf, versuche meinen Gegner einzuschüchtern, der tatsächlich zurückweicht. Dann jedoch legt er die Ohren an, duckt sich und knurrt leise.

Mit meiner vorderen Pranke schlage ich nach ihm, er weicht erneut zurück, dann jedoch fasst er sich ein Herz und stürzt auf mich zu. Ich höre einen Schrei, der sein Heulen begleitet, dann schlage ich ihn mit meiner Pranke nieder, grabe meine Fänge in das nachgiebige Fleisch seiner Kehle und versuche ihn auf den Rücken zu werfen, doch er wehrt sich.

Ich höre ihn jaulen, seine kleine Pranke streift mein Gesicht, mich durchzuckt der Schmerz, als seine Kralle mein Fell aufreißt, ich beiße stärker zu und höre sein Röcheln. Unterdrückt grolle ich, schleife ihn über den Boden und bin mit mir zufrieden. Er hat sich mir unterworfen und mein Territorium ist verteidigt.

Es knirscht hinter mir und ich wende den Kopf, sehe beinahe treuherzig in die Augen Kais, der vorsichtig auf mich zutritt und eine Hand nach mir ausstreckt. Ich knurre leise, was ihn inne halten lässt, dann wandert sein Blick über meinen Körper und ich schlage aufgeregt mit dem Schwanz hin und her. Ich gehe auf ihn zu, meine Beute noch immer zwischen meinen Fängen, das Biest wimmert leise, doch ich lasse es erst los, als ich vor Kai stehe. Es rollt sich herum, seinen Schwanz legt er eng um seinen Körper, die Ohren in einer Geste der Unterwerfung angedrückt, der Blick gesenkt, die Schnauze auf den Pfoten liegend.

Kai streckt seine Hand aus und ich warte gespannt. Doch anstatt sich mir zuzuwenden, berührt er das andere Bieste, streichelt ihm über den Kopf, sieht es dabei besorgt an. Ich brülle, springe auf den anderen zu, der noch versucht von mir weg zu kommen, dann grabe ich meine Fänge in seine Flanken, schüttele den Kopf herum, werfe das Biest hoch und will ihm nachsetzen, doch Kais gebieterische Stimme lässt mich innehalten.

„Ray.“, sagt er sanft und sieht mich mit einem Blick an, den ich sofort als Aufforderung verstehe zu ihm zu kommen. Mit einem letzten Blick auf mein Opfer wende ich mich um, streife um Kais Beine, ehe er sich niederkniet und mir seine Hand reicht. Ich erlaube ihm mich zu berühren und lege mich dann hin. Er flüstert leise auf mich ein, doch ich verstehe seine Worte nicht. Alle Kraft weicht aus meinen Gliedern, ich falle schwer zu Boden und ächze.

Wieder umgibt mich dieses grüne Licht, ich brülle ein letztes Mal, ehe ich mich diesem Gefühl der Schläfrigkeit hingebe und ergeben meine Augen schließe. Die Welt wird immer dunkler, dann ist sie ganz schwarz und ich drifte in die Bewusstlosigkeit ab.
 

Ich erwache mit einem dröhnenden Schädel und einem seltsamen Geschmack im Mund, der mich stark an Blut erinnert. Mühsam setze ich mich auf und blinzle mehrere Male, ehe sich meine Augen an die um mich herum herrschende Dunkelheit gewöhnt haben. Ich bin nicht in meinem Zimmer, es ist niemand anwesend, den ich hätte fragen können, doch als ich einen riesigen Schrank sehe, auf dessen Tür ein Poster hängt, das den muskulären Aufbau des Menschen zeigt, bin ich mir relativ sicher, dass man mich auf die Krankenstation gebracht hat.

Aber warum?

Angestrengt versuche ich mich zu erinnern, aber es gelingt mir nicht. Ich konnte mich nur noch an ein paar Einzelheiten aus dem Training erinnern, dass ich zusammen mit Kai, Makusu und Yuriy gehabt hatte, aber dann… dann war da nichts als Schwärze und dem Gefühl niedergedrückt zu werden. Als ob man mir die Luft abgeschnürt hatte.

Ich schüttle den Kopf und stöhne. Warum nur musste immer mir das passieren? Langsam stehe ich auf, trete zu der Tür herüber, die mir gegenüberliegt und öffne sie vorsichtig. Es ist das Badezimmer. Ich taste nach dem Lichtschalter, drücke ihn und trete dann vor den Spiegel. Doch bei meiner Betrachtung fällt mir nichts auf, außer das ich total zerzaust und müde aussehe. Kratzer hatte ich keine, auch sonst keine Male. Moment… ich gehe näher an den Spiegel heran, drehe mein Gesicht so, dass ich meine rechte Wange besser sehen kann und befühle dann den roten Kratzer, der sich schwach von meiner Haut abzeichnet.

Na ja, war nur ein Kratzer. Nichts worüber ich mir Gedanken mache. Einem Impuls folgend öffne ich dann weit den Mund und strecke meinem Spiegelbild die Zunge raus. Ich lehne mich nach vorne und starre angestrengt in den Spiegel. Tatsächlich sehe ich weiße Haare auf meiner Zunge, die ich versuche abzuwischen. Nachdem ich den Wasserhahn aufgedreht habe, trinke ich einige Schlucke, dann gurgele ich und versuche so die Haare aus meinem Mund zu kriegen. Mehr oder minder gelingt mir das auch.

Was hatte ich nur gemacht? Ein Kaninchen mit Fell gegessen?

Ich schüttle mich bei dem Gedanken, lösche das Licht und verlasse dann das Badezimmer mit einem mulmigen Gefühl. Es ist beängstigend, wenn man sich nicht mehr an die vorangegangenen Ereignisse erinnern konnte. Aufgeregt wandere ich vor meinem Bett auf und ab, als ich mit einem Mal ein schwaches Stöhnen höre.

Erschrocken wirble ich herum, folge dem Geräusch zu einem der anderen Betten und staune nicht schlecht, als ich Yuriy darin liegen sehe. Er hat seine Decke weggetreten und ich kann sehen, dass seine Seite verwundet ist. Blut ist durch den Verband gesickert, der einmal um ihn herum gewickelt worden war. Auf seiner Stirn steht der Schweiß und er wälzt sich unruhig im Schlaf hin und her.

Aus dem Badezimmer hole ich einen Becher Wasser, helfe Yuriy dann sich aufzusetzen und lasse ihn trinken. Entweder ist er ein hervorragender Schlafwandler, oder er ist halbwach und im Delirium, denn er trinkt tatsächlich den ganzen Becher aus, was ihn ein wenig ruhiger werden lässt.

Ein Gefühl des Triumphes bricht in mir aus, als ich den anderen so vor mir sehe, doch als ich die riesige Bisswunde an Yuriys Hals bemerke wird mir ganz bange. Das was ihn da gebissen hat, musste ja einen riesigen Kiefer gehabt haben. Wahnsinn!

Ich betrachte die Wunde nachdenklich und mit einem Mal wird mir siedensheiß und schlecht, als in mir der Gedanke heranwächst, dass Yuriy hätte sterben können. Das was ihn angefallen hatte, hätte ihn jederzeit mit Leichtigkeit die Kehle durchbeißen können. Ich würge, stolpere zum Badezimmer zurück und erbreche mich neben der Toilette. Keuchend und schwitzend hocke ich auf den kalten Fließen, Tränen rennen mir unkontrolliert über die Wangen und ich fühle mich so mies, wie noch nie in meinem Leben. Ich erinnere mich an den Streit mir Yuriy, an den Kampf den wir gehabt hatten, das Training… ich war so voller Hass gewesen. Auf ihn!

Was war also, wenn ich daran schuld war?

Wenn ich beim Training die Kontrolle über mich verloren und ihm etwas angetan hatte? Bei all der Abscheu die ich für ihn empfand war es mir das nicht wert. Egal weswegen, keines meiner Gefühle rechtfertigte einen solchen Angriff auf sein Leben. Was war nur mit mir passiert, dass ich so die Kontrolle über mich verloren hatte?

Ich sehe auf, als ich ein leises tapsen wie von nackten Füßen vernehme. Die Tür wird aufgestoßen und ein keuchender, schwitzender Yuriy steht vor mir, sieht auf mich herab, lässt sich dann vor mir auf die Knie sinken, umfasst den Klodeckel. Seine Hände zittern und seine Augen stieren angestrengt darauf. Dann reißt er den Deckel hoch, lehnt sich vor und erbricht sich mit einem würgenden Laut. Ich schluchze erneut auf, streiche dann mit zitternden Fingern einige seiner Haarsträhnen nach hinten, rücke näher an ihn heran und lege in einer hilflosen Geste meinen Kopf auf seinen Rücken. Dabei kann ich einfach nicht aufhören zu weinen.

„Es tut mir leid… es tut mir leid… so leid… Oh Gott…“, raune ich leise immer und immer wieder, höre Yuriy keuchen und spucken, das Röcheln, sehe das Blut aus seinem Verband sickern und fühle mich doch unfähig ihm zu helfen.

Ich weiß nicht wie lange ich so an ihn geklammert da saß und immer wieder meine Entschuldigungen flüsterte, doch irgendwann erschien Kai, gefolgt von Kyōju, Makusu und zwei Jungen, die ich noch nie gesehen hatte. Da es in dieser Zeit sehr viele Aufträge zu erfüllen galt sah ich die anderen Mitglieder der Organisation so gut wie nie, außer Yuriy und dem anderen Russen hatte ich vielleicht ein oder zwei Gesichter wahrgenommen, doch sie waren nie lange geblieben.

„Holt Verbandszeug, frische Kleidung und Wasser.“, wies Kyōju die zwei Jungen hinter sich an, die beiden nickten und verschwanden dann. „Bereite das Bett vor, Kusu-chan. Kai, fass mit an.“

Kyōju löst mich von Yuriy, lehnt mich an die Wand und greift dann unter Yuriys Arme, Kai schnappt sich dessen Beine und gemeinsam tragen sie den Russen aus dem Bad, in den dunklen Sanitätsraum hinein. Ich höre das Keuchen und Rascheln, leise Stimmen und wieder steigen mir Tränen in die Augen.

Dann erscheint der Leiter der Organisation wieder und sieht zu mir herunter. Ich erwarte beinahe eine Anklage von ihm, den Rauschmiss oder zumindest Vorwürfe, aber nicht, dass er sich zu mir herunterbeugt und mich anlächelt.

„Wie geht es dir, Ray?“, fragt er mich sanft, streicht mir über die tränennassen Wangen. Seine strahlenden braunen Augen betrachten mich eine Weile, während ich ihn anschweige und auf all das Böse wartete, von dem ich erwartete, dass es kommen würde. Doch Kyōju sagt kein Wort mehr, bis einer der beiden Jungen wieder im Türrahmen steht und ihm meldet, dass er die Aufgabe ausgeführt ha und das Yuriy neu verbunden wurde und nun am schlafen ist. Makusu säße bei ihm und kümmere sich um ihn. Kyōju nickt, winkt den Jungen dann zu sich heran.

„Kümmere dich um Ray, Takao.“

„Und Kai?“

„Sag ihm, dass er in meinem Büro auf mich warten soll. Ich dulde keine Widerrede.“

„Alles klar.“

Takao geht nach draußen, ein Wortwechsel mit Kai folgt, dann kommt er wieder zurück und sieht auf mich herab. Ich fühle mich schlecht und will mich am liebsten verkriechen, doch Takao tritt auf mich zu, greift mir unter einen Arm, zieht mich hoch und führt mich dann aus dem Bad und zu einem der Betten. Dort hievt er mich rauf, gibt mir etwas zu trinken und hilft mir in ein neues Shirt und neue Hosen.

„Du bist dann also Ray Kon, unser neuer Zugang.“, sagt er, lächelt mich dabei aufmunternd an und reicht mir einen Becher mit Wasser, den ich dankend annehme. Ich brauche einfach etwas an dem ich mich festhalten kann.

„Ich bin Takao Kinomiya, freut mich dich endlich kennen zu lernen. Bisher habe ich dich immer nur im vorbeigehen gesehen. Mein Bruder und ich waren auf einer Mission und deswegen nur selten zu Hause. Aber jetzt kennen wir uns ja.“, redet der Junge auf mich ein, der dunkles, wahrscheinlich schwarzes, Haar hat, dafür aber umso strahlendere blaue Augen, die mich freundlich anfunkeln.

„Weißt du was passiert ist?“, frage ich leise und nicke zu Yuriy rüber, der in einem Bett mir gegenüber liegt und wieder zu schlafen scheint. Makusu tupft ihm von Zeit zu Zeit mit einem feuchten Lappen den Schweiß von der Stirn. Kyōju hatte schon vor einer geraumen Zeit den Raum verlassen und saß nun wahrscheinlich mit Kai zusammen in seinem Büro und tauschte sich über den Zwischenfall aus.

Takao wird nachdenklich und schüttelt dann den Kopf.

„Ich hab nur ein paar Gerüchte aufgeschnappt. Du solltest auf das offizielle Statement von Kyōju warten. Keine Sorge, du erfährst es schon früh genug.“

Er klopft mir auf die Schulter und erzählt mir dann ganz belanglose Dinge über sich oder die anderen Mitglieder. Auch wenn es mir peinlich ist, so brachte er mich auch in dieser furchtbaren Situation zum lachen. Mit Takao verstehe ich mich sehr gut. Er redet einfach ohne Unterlass, ist dabei total aufgeschlossen und witzig und es scheint ihn scheinbar überhaupt nicht zu kümmern was passiert ist.

„Du hättest sein Gesicht sehen sollen…“, erzählt Takao gerade, unterbricht sich allerdings als Kyōju wieder den Raum betritt und auf uns zusteuert.

Seit meiner Zeit hier habe ich Kyōju nur ein paar Male gesehen. Er ist groß und schlank, seine braunen Haare sehen ein bisschen wild aus, doch sein Gesicht wirkt stets ruhig und gelassen. Bei ihm habe ich das Gefühl, dass er niemals wirklich wütend werden kann, stets freundlich und zuvorkommend ist.

„Sieh mich nicht so an, Ray.“, sagt er leise, setzt sich auf das Fußende meines Bettes und beugt sich zu mir vor, mustert mich kurz, ehe er sich wieder zurückzieht und sanft lächelt.

„Erinnerst du dich noch an das was geschehen ist?“

Ich schüttle den Kopf, ziehe dabei die Decke etwas höher und verstecke mich, was Takao besorgt und Kyōju amüsiert. Ich dagegen fühle mich unbehaglich.

„An was erinnerst du dich überhaupt noch?“

„An das Training. Aber nur sehr verschwommen.“, gebe ich dann Antwort und werfe Yuriy wieder einen besorgten und entschuldigenden Blick zu. Noch immer kann ich nicht fassen, dass ich das alles getan haben soll.

„Ja, Ray, das warst du.“

Ich zucke bei diesem Satz zusammen, werfe Kyōju einen gequälten Blick zu, verkrieche mich dabei noch etwas tiefer in meine Decke. Jetzt ist es also raus. Ich hatte Yuriy tatsächlich so übel zugerichtet. Empört bläht Takao die Backen auf und will gerade dazu ansetzen etwas zu sagen, als Kyōju ihm auch schon mit einer Handbewegung schweigen gebietet.

„Mach dir aber deswegen keine allzu großen Gedanken Ray, du konntest nichts dafür. Und Yuriy ist auch bald wieder auf den Beinen. Das es ihm jetzt so schlecht geht, hat etwas mit der Überreaktion zu tun, die er als auch du erlitten hast.“

„Ich versteh nicht…“

„Wie du ja mittlerweile weißt besitzt jeder von euch ein Seelentier, auf dessen Kräfte ihr zugreifen könnt durch die Zaubersprüche, die du von Kai gelernt hast. Es gibt natürlich noch mehr, aber du weißt was ich meine. Jetzt muss ich dir allerdings etwas sagen, was ich zuvor verschwiegen habe, weil ich dachte, dass es bei deinem Level noch unerheblich wäre.“

Kyōju räuspert sich verlegen, sieht mich dann ernst an und ergreift meine Hand, führt sie zu sich heran und hält sie fest. Durch diese Berührung wird mir warm und ich spüre plötzlich den Drang in mir zu schnurren. So etwas Ähnliches wie ich es auch bei Kai empfunden habe, als ich von ihm gekrault worden war.

Verwirrt sehe ich Kyōju an, der nun wieder lächelt.

„Das was du jetzt spürst, sind nicht mehr nur deine Gefühle.“

„Nicht… was? Ich kapier das nicht…“

„Pass auf. Das Seelentier, ist nicht nur eine Kraft in dir, sondern tatsächlich ein Wesen, manche bezeichnen es als einen Gott, das sich in deinem Körper eingenistet hat und sich diesen mit dir teilt. Wenn wir nur mal dein eigenes nehmen, dann wird es dir vielleicht klarer. Kai hat dir gesagt, welches Tier du hast?“

„Einen Tiger, ja, aber…“

Kyōju hebt die Hand und ich breche ab. Scheinbar konnte ich nur abwarten.

„Richtig, ein Tiger. Wie du bei meiner Berührung gespürt haben solltest, hat sich in dir etwas geregt. Das war dein Seelentier. Der Tiger heißt im Übrigen Byakko, wenn du das noch nicht wissen solltest. Byakko mag es scheinbar, wenn man ihn sanft berührt. Eine Streicheleinheit macht ihn glücklich und er ist zufrieden.

So ist das nun mit jedem Gefühl. Byakko hat genauso Emotionen wie du, er kann traurig und fröhlich sein, ebenso auch wütend. Wenn also etwas passiert, was Byakko berührt, dann spürst du das. Deswegen sind die Seelentiere so gefährlich. Sie sind eigenständige Wesen, die sich in einem menschlichen Körper aufhalten und dabei unberechenbar sind.

Aus diesem Grund trägst du auch das Band, das Makusu dir gegeben hat, es unterdrückt und schwächt die Kraft deines Seelentieres. Du bist noch nicht in der Lage Byakko zu kontrollieren, weswegen du normalerweise nur mit Kai trainieren darfst. Kai ist der Einzige, der sich Byakko entgegenstellen kann, wenn er ausbricht und…“

Als ich die Hand hebe stoppt der Leiter und sieht mich abwartend an. Ich muss diese Fülle an Informationen erst einmal verarbeiten. Wenn ich alles richtig verstanden hatte, dann war mein Tiger, Byakko, also ein eigenständig denkendes und fühlendes Wesen, dass Besitz von mir ergreifen und dann auch noch so stark war, dass allein Kai es im Zaum halten konnte.

Ich werfe einen schnellen Blick auf den nun stöhnenden Yuriy und beiße die Zähne fest zusammen. Wenn ich mir das so betrachte, dann ist es heute dazu gekommen. Während des Trainings ist also etwas geschehen, was Byakko dazu gebracht hatte die Kontrolle über mich zu übernehmen und Yuriy anzugreifen. Waren also meine heftigen Gefühle für Yuriy der Grund dafür, dass ich nur ihn und keinen anderen angegriffen hatte? Makusu war unversehrt, ebenso Kai… ich selbst hatte einen Kratzer, also hatte Yuriy sich wohl gewehrt.

Verfluchter Bockmist!

„Warum hat mich Kai dann nicht aufgehalten?“, frage ich leise und sehe wieder zu Kyōju, der nun die Schultern hebt und einen tiefen Seufzer ausstößt.

„Es ging sehr schnell, keiner hatte damit gerechnet. Und im ersten Moment schien Byakko keine Gefahr darzustellen, bis er schließlich Yuriy angegriffen hat. Da war es dann aber erst einmal zu spät für ein eingreifen. Später konnte Kai den Tiger aber beruhigen und somit schlimmeres verhindern.

Ich will ehrlich zu dir sein, Ray, wenn niemand dazwischen gegangen wäre, dann hätte Byakko Yuriy wahrscheinlich in Stücke gerissen. Es war beinahe schon grausam wie er auf den armen Jungen losgegangen ist.“

„Sie meinen doch mich, oder? Sagen Sie doch, dass ich Yuriy angegriffen und so verletzt habe! Das es meine Schuld war, das ich gefährlich und unberechenbar bin!“, keife ich nun aus voller Seele, schlage mit der Faust immer wieder auf das Bett und funkle Kyōju wütend an.

„Du bist aber nicht schuld, Ray. Dein Seelentier und du, das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Das darfst du nicht verwechseln.“, sagt der Mann leise und legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Du kannst nichts dafür. Wenn du es absichtlich getan hättest, dann würdest du dich daran erinnern. Ein Mensch kann mit seinem Seelentier verschmelzen und sich dessen Körper und Kräfte leihen und dann bewusst handeln. Da du aber keine Erinnerungen daran hast ist es eindeutig, dass es in diesem Fall anders herum war. Byakko hat sich deiner bemächtigt und vollkommen eigenständig gehandelt. Du hattest damit nichts zu tun.“
 

Noch lange saß ich auf meinem Bett, starrte an die Wand und hieb verbissen immer wieder auf meine Beine. Kyōju hatte mich nach dem Gespräch entlassen und auf mein Zimmer geschickt, wo ich den gesamten Resttag verbracht hatte, abgeschieden von allen anderen.

Takao hatte mich noch begleitet und gefragt, ob ich irgendetwas brauchen würde, doch ich hatte ihn schnell abgewimmelt und mich dann zurückgezogen. Diese ganze Sache zerrte an meinen Nerven und ich musste erst einmal darüber nachdenken.

Byakko… was hatte den Tiger zum Erscheinen gebracht?

Waren mein Ärger und meine Wut auf Yuriy der Grund gewesen?

Angestrengt bemühte ich mich in meinen Erinnerungen zu kramen. Das Training war normal verlaufen. Yuriy war ihm leicht ausgewichen. Kai und Makusu hatten gekämpft und dann… was war dann gewesen?

Beim besten Willen konnte ich mich daran einfach nicht mehr entsinnen. Aber ich war mir fast sicher, dass es daran lag. Irgendwo nach meinen Erinnerungen hatte es einen Moment gegeben der ausschlaggebend dafür war, das Byakko die Kontrolle übernommen hatte. Ich musste nur wissen was.

Ich erhebe mich, verlasse mein Zimmer und bahne mir meinen Weg durch die beinahe endlosen Korridore zu Makusus Zimmer. Vielleicht war der Blondschopf ja wieder zurück und ich konnte ihn fragen was geschehen war. Kai hatte ich den ganzen Tag lang nicht mehr gesehen.

Ich biege gerade um die Ecke, als ich besagten Russen in ein paar Metern Entfernung ausmachen kann. Er steht vor Makusus Tür und lehnt sich an die Wand zu seiner Linken, hält die Arme verschränkt und ich höre ihn hin und wieder undeutlich brummen. Langsam schleiche ich mich ein bisschen näher heran.

„Ich sollte noch ein paar Tests mit ihm machen… jetzt scheint er sich wieder beruhigt zu haben, aber das Energielevel war während des Trainings deutlich höher als es normal hätte sein dürfen.“

„Die Energie eines Seelentieres überschreitet die eines Menschen um ein zehnfaches.“, murmelt Kai nur und ich höre Makusu schnauben.

„Das weiß ich. Aber ich rede nicht von Byakko, ich rede von Ray. Meine Sensoren haben ihn das ganze Training über überwacht. Von Anfang an war Rays Level zweimal so hoch wie er bei meinen Ergebnissen hätte sein dürfen. Kai, da stimmt etwas ganz und gar nicht!“

Der Russe antwortet nicht und ich höre Makusu erneut schnauben. Erinnert mich ein wenig an ein Nilpferd, wenn er das tut. Doch ich mache mir darum keine weiteren Gedanken, sondern lausche angestrengt, ob die beiden noch etwas sagen würden.

„Kai, irgendetwas läuft hier schief und ich kann dir nicht sagen, was es ist. Das beunruhigt mich. Normalerweise ist Yuriy deinem Schützling weit überlegen, immerhin ist er einer unserer besten Mitglieder, aber heute war davon nichts zu sehen. Byakkos Erscheinen hat Wolborg aus Yuriy heraus gezwungen und der Kampf… es war ja nicht mal ein richtiger Kampf! Byakko hat Wolborg fertig gemacht! Ich habe noch nie in meiner langjährigen Partnerschaft mit Yuriy gesehen wie sich Wolborg so dermaßen unterwürfig gezeigt hat!“

Makusu ist offensichtlich außer sich. Er klingt wütend, aber auch frustriert und verzweifelt. Anscheinend kann er ebenso wenig mit dem Geschehenen anfangen wie ich. Aber wenn auch ein Superhirn wie Makusu das nicht versteht… was sollte ich dann erst tun?!

„Tierische Instinkte, Makusu.“, sagt Kai in diesem Augenblick. „Tiger und Wolf sind keine natürlichen Feinde. Byakko hat sich wahrscheinlich herausgefordert gefühlt. Dazu kommt noch der Streit, den es vorher zwischen Ray und Yuriy gegeben hat.“

„Ja, schon, aber was soll das damit zu tun haben wie stark…“

„Gefühle…“, unterbricht Kai den kleineren Jungen. „…wirken sich ganz entscheidend auf unser Stärkepotenzial aus. Je stärker die Emotion, desto unkontrollierbarer werden unsere Kräfte. Außerdem vergisst du, dass Byakko größer und kräftiger gebaut ist als Wolborg. Hinzu kommt noch das Überraschungsmoment und damit solltest du alle Faktoren haben.“, schließt Kai seine kleine, geflüsterte Rede. Er stößt sich von der Wand ab und schnell gehe ich hinter einem riesigen Blumenkübel in Deckung. Ich komme mir vor wie eine chinesische Version von James Bond.

„Das, Makusu, sind Dinge, die du nicht berechnen kannst.“

„A-Aber… Kai! Warte!“, ruft Makusu meinem Partner noch hinterher, aber der ignoriert das vollkommen und verschwindet um die nächste Ecke. Makusu geht in sein Zimmer zurück und ich atme erleichtert auf, trete aus meinem Versteck und klopfe dann bei Makusu an.

„Herein!“

Ich öffne die Tür und trete in das dunkle Zimmer. Wieder ist das einzige Licht die Beleuchtung der Monitore. Der Blondschopf sieht auf, aber ich kann nicht erkennen ob er lächelt oder wütend ist.

„Ah… Ray… wie geht es dir?“

„Besser.“

„Gut. Was kann ich für dich tun?“

„Ich… ich wollte nur fragen, was während des Trainings geschehen ist…“, frage ich zaghaft und trete einen Schritt zurück, als Makusu sich ruckartig aufrichtet. Er geht mit großen Schritten auf mich zu sodass ich noch weiter zurückweiche, bis ich schließlich an der Tür stehe, der Türgriff bohrt sich unnachgiebig in meinen Rücken. „Du willst also wissen was passiert ist?“, fragt mich Makusu, seine Stimme klingt gekränkt und lauernd. „Hast du dir Yuriy mal angesehen? Du hättest ihn fast in Stücke gerissen!“

Ich zucke unter seinen Worten zusammen und schließe ergeben meine Augen. Es war doch keine gute Idee hierher zu kommen. Offenbar hängt Makusu sehr an Yuriy und glaubt, dass ich der Schuldige bin. Was ich ja auch bin… verdammt!

„Ich will dich nicht in meiner Nähe haben, alles klar? Und lass dich auch bei Yuriy nicht blicken, bis ich weiß was bei dir im Kopf alles schief gelaufen ist! Und vergiss eins nicht, Ray Kon: Du bist schuld, nur du und niemand sonst, hörst du?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  deathengel2
2009-06-07T20:50:14+00:00 07.06.2009 22:50
die story is echt geil...
finds irgendwie toll dass Ray Yuriy so fertig gemacht hat lol
bin echt schon aufs nächste kapitel gespannt
lg Deathengel2
Von:  JounouchiKatsuya
2009-05-03T13:09:22+00:00 03.05.2009 15:09
Oh nein!
Dieser doofe Makusa
Ich würde den am liebsten erwürgen >.<

Oh Ray... Ich bin mal gespannt was im nächsten Kapitel passieren wird :(
Von: abgemeldet
2009-05-03T12:56:24+00:00 03.05.2009 14:56
Ich bin so durch zufall über dein FF gestolpert
Ich finde die Idee echt interressant und freue mich schon auf die nächsten Kapitels.

Mauren


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