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Original Sin

rise above it all.
von

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Zwiespalt

"Und du weißt, was du da tust?" Die hoch gewachsene Brünette lehnte lässig im Türrahmen und beobachtete Lee dabei, wie er ein bisschen zu hektisch Ordnung in sein Kleiderchaos brachte, das er in den schmächtigen Schiebeschrank der kleinen Hütte presste. Der Komfort, der hier in Yakushima geboten wurde, erinnerte die Silberzunge sehr an das Existenzminimum eines einfachen Chinesen in der Bronx, einem Kellner oder Maurer - aber war sicherlich kein Vergleich zu dem Luxus, den er sich für gewöhnlich leistete und gewohnt war. Doch dem zum Trotz musste sich Chaolan eingestehen, dass es besser war das Geschehen um Kazuya und seinen Vater vor Ort zu verfolgen - zumal er dem älteren Bruder nun ebenfalls seine direkte Unterstützung angeboten hatte und von Tokio aus kaum zweigleisig fahren konnte. Er seufzte; nein, er wusste wahrlich nicht was er da tat und verfluchte sich innerlich für die Gefahr, der er sich so freiwillig ausetzte. Eigentlich war der Plan am Anfang simpel gewesen, idiotensicher: Kazuya für Heihachi aufspüren und am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang auf der Terrasse seines Anwesens bei einer Tasse Cappuccino die Nachricht in der Tageszeitung lesen, dass sich Vater und Sohn gegenseitig in ihrem tief sitzenden Hass umgebracht haben.

Doch etwas hinderte ihn daran; etwas, das er von sich selbst kaum kannte, weil er die letzten Jahre über seinen Verhältnissen und in naiver Blindheit neben seinem Ziehvater hergelebt hat - und das war schlichtweg die Vernunft. Lee war kein Narr, er hatte sich in seiner Kindheit auf den Straßen Shanghais herum geschlagen, musste für sein Essen den Reichen das Geld aus der Gesäßtasche stehlen und war vom Leben nicht weniger gezeichnet, wie Kazuya. Es war auch kein Mitleid, das er für seinen vermeidlichen Bruder empfand und ihn soweit trieb, sich in die Angelegenheiten der Mishima-Familie einzumischen; nein fürwahr bot der Schwarzhaarige im Augenblick lediglich das bessere Blatt in dem Kartenspiel, das er gegen Heihachi spielte und obschon er nicht davon ausging, dass er mit Kazuya ein As im Ärmel hatte, so war er sich sicher, zumindest der Korruption des Alten nichtsdestotrotz endlich entkommen zu können. Auf welche Seite er sich am Ende schlug, überließ er dem Zufall.
 

Lee fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, kehrte sich das Haar aus der Stirn und schenkte Anna schließlich ein zuversichtliches Lächeln, das sie mit einem skeptischen Lidaufschlag erwiderte. Anna Williams war seine Perle; ihre Loyalität war berauschend und benötigt. Ohne ihre Hilfe und der unvoreingenommenen Rückendeckung derselben wäre er längst nicht mehr im Rennen, war sie es gewesen die ihn nach der Eskalation auf der Insel aufgepeppelt und zur Besinnung gebracht hat; die ihn kannte und so mochte wie er war. In der Tat waren sich die beiden sogar ziemlich ähnlich: sie liebten den Luxus, den Reichtum und die Macht, gaben sich gleichzeitig jedoch gerne mit dem zufrieden was sie bekamen, sofern es ihrem Niveau entsprach. Die Auftragskillerin wollte den Chinesen außerdem davon abhalten, Heihachi als Boxsack zu dienen und stattdessen seinen eigenen Weg zu gehen, oder sich gleich Kazuya zu verschreiben der inzwischen Inhaber der Firma war, für die er sein halbes Leben lang geschuftet hat. Im Nachhinein hätte Lee auf sie hören sollen, verließ er sich anfangs auf Heihachis Einfluss und dessen Genie, der Chance wieder an das zu kommen was er einmal besessen hat, anstatt sich mühselig etwas Neues zu erarbeiten. Dabei hatte sie Recht. Anna hatte die ganze Zeit Recht und trotzdem zweifelte sie keinen Sekundenbruchteil seine Entscheidungen an; und das wiederum erfüllte Lee mit einem Hauch von Anerkennung und Stolz. Er mochte die Irin, zweifellos. Auch, wenn er nicht vergessen hat, dass er sie in der Vergangenheit eine Weile nur für seine Vorteile benutzte.

"Ich denke schon", entgegnete er endlich sanft, wobei das Lächeln auf seinen Lippen eine Spur breiter wurde und sein Gesicht erhellte, bis sich der Anflug von guter Laune auf Anna übertrug und die Irin seine Mimik auf die selbe Weise erwiderte. "Kazuya ist viel zu besorgt, dass seiner kleinen Freundin etwas passieren könnte. Er ist auf das Angebot eingestiegen - und eine andere Wahl blieb ihm überhaupt nicht. Wir wissen beide, dass er alleine keine Chance hat; weder darin die Zaibatsu zu leiten, noch Heihachi den Garaus zu machen. Nicht, wenn er dabei Rücksicht auf das Mädchen nehmen muss - und genau das tut er."  
 

"Findest du das nicht etwas ironisch?", Anna trat gemächlich näher, improvisierte einen übertriebenen Hüftschwung in ihrem engen, roten und anmutigen Kleid, dass sie ihrer Figur alle Ehre machte und sank gemächlich auf einen der ausgelegten Futons zurück, die Lee bereits einer kleinen Kissenorgie gleich auf dem Holzboden ausgebreitet hat. Die Tatsache, dass das Bett fehlte störte ihn besonders, wo er nicht ganz so traditionell und konservativ veranlagt war wie der Rest seiner Familie und Wert auf eine weiche Matratze legte. Allein der Gedanke an Rückenschmerzen zwang seine gute Laune ein wenig in die Knie, woraufhin er Anna  leise zu brummte und sich ihr in einer nicht weniger geschmeidigen Bewegung im Schneidersitz gegenüber in die Kissen fallen ließ. Die Brünette nahm seine Geste zum Anlass, mit ihren Gedanken fortzufahren. "Ich meine, Kazuya Mishima galt zum Start des Turniers als Gefahr und wurde von der Zaibatsu wie der Staatsfeind Nummer 1 eingestuft. Er ist kein zu unterschätzender Gegner im Kampf und wenn du mich fragst seinem Vater lange überlegen ... aber da ist noch mehr, etwas unerklärliches ... etwas an seiner Art, das nicht greifbar ist. Also wieso behandelt er diese graue Maus wie einen unbezahlbaren Diamanten, wo er alle anderen Menschen um sich herum für gewöhnlich meidet?"

Lee musterte Anna eine geraume Weile, in der er über ihre Frage sinnierte, nachdenklich die Hand nach einer Haarsträhne ausstreckte, die ihr in die Augen gefallen war und sie flüchtig um seinen Finger wickelte. Die Irritation der Killerin war berechtigt, hatte sich Chaolan selbst eine Weile mit der Beziehung beschäftigt, die Kazuya zu Jun Kazama hegte. "Ich konnte nicht viel in Erfahrung bringen", gestand er dann langsam. "Ich weiß nur, dass sie sich aus der Kindheit kennen müssen - Vater selbst hat mir erzählt, dass er sich an eine Kazama-Familie erinnert, die hier in Yakushima gelebt hat und Kazuya gerne Reißaus vor seinem Training nahm, um mit den beiden Kindern zu spielen." Die Brünette nesselte an ihrer Unterlippe, verengte die Augenwinkel zu schlitzen und nickte kaum merklich. "Also hat sie eine tiefere Bedeutung für ihn."

"Mit ziemlicher Sicherheit."
 

Für einen Moment sah es so aus, als würde Anna über eine sehr wichtige Sache grübeln, als hätte sie einen Gedanken gefasst, mit dem sie alleine nicht zurecht kam und den sie in Worte fassen wollte. Nachdem sich ihre Mundwinkel jedoch in ein herausforderndes Lächeln kräuselten zuckte Lees Augenbraue stoisch über seine Stirn, die Attacke ahnend, bevor sie passierte.

Das war das Amüsante an der Williams-Schwester: sie konnte alles mit ihrer Leidenschaft verbinden und oftmals wurde sie dabei ihr eigenes Opfer; nachdem sie ständig im Schatten Ninas leben musste, rang sie nach Anerkennung und Aufmerksamkeit wie ein kleines Mädchen; wie auch jetzt, wo sich die Irin katzengleich auf die Knie balancierte und sich zu dem Chinesen hinüber beugte, dessen Blick flüchtig über ihren Ausschnitt an dem langen Hals hinauf wanderte, bevor er an den vollen Lippen hängen blieb, die ihm so nah waren, dass er Annas Atem auf seiner Haut spüren konnte. "Und, habe ich auch eine tiefere Bedeutung für dich?" Ihre Stimme war rau, ein verführerisches Flüstern, das dem Silberhaarigen einen Schauer über den Rücken trieb; die Hand erhoben, fuhr er mit den Fingerkuppen über ihre Wange, das Kinn, das er näher an sich heran führte, dass Lee seiner getreuen Gehilfin einen zarten Kuss schenken konnte, der Antwort genug gewesen wäre. "Anna, ich würde sterben, ohne dich." Sie kicherte abrupt und zerstörte damit den Augenblick ihrer wiedergefundenen und knisternden Zweisamkeit - sichtlich erfreut über den Honig, den Chaolan ihr ums Maul schmierte; dabei hatte er mit seiner Aussage gar nicht mal so unrecht, war die Irin immerhin seine Lebensretterin. "Und deshalb muss ich dich noch einmal um eine letzte Sache bitten", beendete die Silberzunge die Pirsch aus großen, grauen Augen und einem Anflug erdrückender Ernsthaftigkeit, die Anna ein wenig vor ihm zurück drängte.

"Worum geht es?"
 

Lee seufzte, rappelte sich aus seiner knienden Position auf, verschränkte die Arme auf dem Rücken und trat an eines der kleinen Fenster, das ihm einen Blick in Richtung Dorfmitte gewährte. Er war nicht umsonst so schnell vor seinem Bruder geflüchtet, nachdem das Mobiltelefon in seiner Hose vibrierend darauf hinwies, dass Heihachi seinen Rachefeldzug fortführte. Er ließ ihm ausrichten, dass Nina auf dem Weg war und am kommenden Morgen in Osaka eintreffen sollte - das war eine wichtige Information, nicht nur für den Silberhaarigen, sondern auch die Brünette die er auf die blonde Assassine ansetzen wollte. "Das Übliche. Halte deine Schwester in Schach, bring sie um, wenn nötig. Sie darf Yakushima nicht erreichen - oder nicht rechtzeitig jedenfalls."  - "Soll sie Kazuya töten?", hakte Anna prompt nach, aber der Chinese zuckte bloß mit den Schultern. "Das, oder Schlimmeres. Wahrscheinlich ist in den letzten Stunden schon ein Teilnehmer des Turniers durch ihre Hand und den Auftrag Heihachis gestorben." Die Verwirrung der Irin war spürbar, aber sie nickte mit grimmiger Zustimmung. "Ich habe ohnehin eine Rechnung mit ihr offen."

Lee lachte hohl; ja - Annas offene Rechnungen mit ihrer Schwester kannte er zur Genüge, umkreisten sich die beiden seit einer Ewigkeit wie zwei reudige Straßenkatzen, ohne nennenswerte Erfolge; jedoch reichte es schon, wenn er etwas Zeit gewann, um Kazuya rechtzeitig warnen zu können.

"Exzellent."



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2012-09-27T19:46:35+00:00 27.09.2012 21:46
Super Kapi^^
Mach weiter so.^^
Von:  Amy-Sama
2012-09-27T08:54:56+00:00 27.09.2012 10:54
Lee ist ne verdammt geile Sau XD
Find ich sehr schön das du vor allem ihm aber auch Anna ein kapitel gewidtmet hast ^^
Gefällt mir richtig gut!

LG Amy
Von:  Ran_Angel
2012-09-27T07:43:02+00:00 27.09.2012 09:43
Wow, ich liebe deinen Schreibstil xD
Es ist so verdammt spannend!!!
Schreib fleißig weiter, ja? ^.~


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