Zum Inhalt der Seite

Was wir sind

Seto & Joey | Puppyshipping
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
~hier ist es.
Letzte Woche hatte ich es nicht mehr geschafft.
Diese und die letzte Woche waren einfach voller Präsentationen, Essays und und und.
Daher wird es auch noch ein bisschen dauern, bis ich eure Kommentare individuell beantworte. Aber ich danke euch für jeden einzelnen! : )

Ursprünglich war dieses und das nächste Kapitel eines, aber das wäre dann doch zu lang auf einen Schlag gewesen, daher die Teilung. Seht es mir nach. Dafür gibt es dann im nächsten Kapitel ganz viel Joey und Seto. ; )

Viel Spaß beim Lesen!

Jaelaki Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

… ist kein Kind mehr

 
 

__________________________________________

 

Es gibt kein Kind, das deshalb ein Kind bleibt, 

weil es ein Kind war. 

© Marion Gitzel (*1947)

 

__________________________________________

 

 

 

 

 

Seto Kaiba war schon lange kein Kind mehr. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt je eines gewesen war. Stattdessen ermöglichte er seinem Bruder alles, was er selbst nie hatte haben können. Für ihn sprang er sogar über seinen eigenen Schatten.

 

»Als Kind hab ich mir ab und zu vorgestellt, dass mein Vater stirbt und ich wieder zu meiner Schwester komme«, murmelte ich.

Meine Hand lag auf dem Türgriff des Zimmers, aber ich drückte ihn nicht runter. Ich wusste nicht, warum ich das Kaiba jetzt erzählte, aber es schien mir wichtig.

Yugi stand hinter uns mit Tristan. Jederzeit bereit, meinen Rücken oder meinen Arm zu tätscheln, aber der Gedanke daran ließ mich nur trocken aufstoßen.

»Nachvollziehbar«, erwiderte Kaiba.

Kein schockiertes Gesicht, keine Predigt über Moral.

»Er stirbt vielleicht«, fügte ich hinzu.

Keine Trauer, kein Schmerz, eine Tatsache.

Kaiba nickte.

»Ja, so sieht es aus.«

»Joey, sollen wir mit in –«

Ich schüttelte den Kopf, ohne Tristan anzuschauen. Ich wusste, er wollte mir helfen, aber ich musste da alleine rein. Ich musste einfach.

»Ich weiß ja, ihr seid gleich hier vorne dran«, murmelte ich und dann öffnete ich die Tür.

 

Er lag da wie das letzte Mal. Seine Augen geschlossen, um ihn herum die Geräte, die piepsten und irgendwelche Zahlen anzeigten.

Davon abgesehen, war der Verband das einzige, was ihn so krank aussehen ließ. So richtig bemitleidenswert krank. Ich bemitleidete ihn nicht.

Er war ein bekackter Vater.

Ich ballte meine Finger.

Wer gab mir die Pflicht, ihn mögen zu müssen?

Weil er mich zufällig gezeugt hatte?

Übertrug mir das die lebenslange Bürde, an ihm zu hängen, egal, wie beschissen er mich behandelt hatte?

Ich hoffte, dass er Schmerzen hatte.

Mit einem Schnauben riss ich meinen Kopf herum und starrte aus dem Fenster, um seinen Anblick nicht ertragen zu müssen.

Irgendwann setzte ich mich, weil meine Beine weh taten, dann schritt ich wieder im Zimmer auf und ab.

Ich hoffte, dass es ihm Leid tat.

Dann saß ich bei ihm, betrachtete die Decke.

Saß da und schwieg. Ich hätte auch nichts gesagt, wäre er wach gewesen.

Es gab nichts zu sagen.

Ich hoffte, irgendjemand würde ihm sagen, dass er ein bekackter Vater war.

»Ein richtig, richtig bekackter«, murmelte ich und immer lauter, bis ich es brüllte. Immer wieder.

»So ein verdammt bekackter!«

Die Nachtschwester stürmte herein und betrachtete mich mit Missbilligung.

»Wir sind auf der Intensivstation«, stauchte sie mich zusammen, Kaiba sprach mit ihr. Tristan und Yugi redeten auf mich ein. Ich schwieg und fuhr mit meinem Blick die Mumie, die in diesem Bett lag nach. Sie hatte kaum etwas mit meinem Vater gemeinsam – nur den Körper.

Die Nachtschwester zeterte, Kaiba antwortete mit knappen Worten und sie folgte ihm hinaus. Yugi und Tristan standen wenige Meter hinter mir.

»Ich komm gleich nach«, sagte ich und obwohl ich es nicht sah, wusste ich, dass sie wieder so einen Blick tauschten.

»Joey, wir –«

»Einen Moment«, unterbrach ich ihn und sie gaben mir meinen Willen. Als sie die Tür hinter sich schlossen, musterte ich die Gestalt in diesem Bett.

Wie oft hatte ich mir gewünscht, einen anderen Vater zu haben? Oder wenigstens keinen?

Meine Hand lag auf der Decke, ich kniff die Augen zusammen und stellte mir vor, wie es wäre.

»Ich will nicht, dass du stirbst«, wisperte ich.

Niemand antwortete und ich verließ das Zimmer.

 

Ich wollte nichts mehr als zu schlafen.

Mich in einer Decke vergraben und nichts denken.

Ich fürchtete mich vor den Augenblicken davor, aber das sagte ich nicht.

»Leute«, murrte ich, »morgen ist der letzte Schultag, lasst uns – gehen und fertig

Kaiba beobachtete mich schweigend, dann lieferte er mit den Worten »Roland wartet unten« eine gutes Argument, ihm jetzt zu folgen.

Er ließ uns alle vor dem Spielladen aussteigen. Ich murmelte ein »Danke« und er betrachtete mich einen Augenblick, als wollte er etwas sagen, aber er schwieg und ich drückte die Tür zu.

 

Herr Muto drückte meine Schulter statt mir eine gute Nacht zu wünschen.

Und Yugi und Tris legten sich mit mir auf die Matratze.

»Als Kind hab ich mich gefragt, wo Schmetterlinge schlafen«, sagte Yugi in die Stille.

»Bestimmt nicht so warm und viel zu eng«, murmelte Tris trocken und schob meinen Arm von seiner Brust. Es war mir egal. Mit einem Grinsen schloss ich die Augen.

Als ich aufstand, spürte ich die Hitze auf meiner Haut. Ich atmete Rauch und das Feuer schoss aus der Tür. Da waren Schreie. Ich rannte los, aber ich konnte nur noch erkennen, wie mein Vater auf dem Boden kümmerte und verbrannte.

»Joey«, rief jemand.

Ich keuchte. Mein Mund war trocken. Ich riss die Augen auf.

»Mein Vater. Er brennt. Er brennt!«

Tristan schaute mich an. Yugi saß daneben.

»Das war nur‘n Alptraum«, wiederholte einer von beiden immer und immer wieder, bis es irgendwann bei mir ankam. Ich nickte langsam und rutschte wieder unter die Decke.

Tris und Yugi lagen neben mir. Obwohl ich die Augen nicht mehr zumachte, schwieg ich. Lauschte nur ihren Atemzügen und starrte an die Zimmerdecke.

 

In den Gängen der Schule waren die Werke der Zehntklässler ausgestellt. An den Türen hingen Plakate von Lesungen und Projekt-Vorstellung von der Robotik- über die Englisch- zur Theater-AG. Draußen im Hof standen Bierbänke und Tische und Schüler wuselten herum, um ein Zelt aufzustellen. Ich gähnte.

Wir standen in der Pause im Gang und schlenderten an den Bildern vorbei, als ich an Tristans und Yugis stehen blieb.

»Was is’n das?«, fragte ich und zeigte auf etwas das aussah wie ein deformiertes DuelMonsters-Monster.

»Das ist Yugi als Arzt, Penner«, motzte Tristan und ich verdrückte mir das Lachen.

Vor uns kicherte Thea und Yugi grinste verlegen und ich verdrehte die Augen. Tristan zuckte die Schultern.

»Macht dir keine falschen Hoffnungen, Köter.«

Kaibas Stimme ließ mich herumfahren, dabei fiel mir auf, wie nah er stand und ich machte einen Schritt zurück.

»Es wird noch viel schlimmer. Das ist erst den Anfang«, murmelte er.

»Das hatte ich befürchtet«, erwiderte ich gedämpft und zog eine Grimasse, »Yugi und Thea –«

»Ich spreche vom Schulfest«, fuhr er dazwischen und ich stutzte.

»Minderbemittelte Gören mit einem Drang zu schreien und Aufmerksamkeit auf ihre Unfähigkeiten zu ziehen.«

Ich beobachtete wie Thea mit Yugi weiterzog, ohne dass er sich nach mir umdrehte.

»Nicht, dass es nicht deinem Biotop entspräche.«

Er bemerkte nicht, dass ich und Kaiba stehen geblieben waren. Missmutig verzog ich mein Gesicht. Tristan trottete ihnen hinterher.

»Mh«, murrte ich. Als Kaiba mich mit hochgezogenen Brauen bedachte, zog ich sie zusammen.

»Was?«

»Gleich findet die Zeugnisübergabe statt, beweg dich Richtung Klassensaal.«

»Ich kann’s kaum erwarten«, entgegnete ich ironisch.

 

Fünf Jahre hatte ich dafür gearbeitet.

Also eigentlich ja eines, aber da ich ohne die vorherigen Jahre nicht hier säße –

Jeden Tag Schufterei. Also fast jeden Tag.

Stress und Tests und Hausaufgaben. Die ich manchmal auch gemacht hatte. Ziemlich oft sogar, öfter als die meisten annehmen würden.

Für einen feuchten Händedruck und einen skeptischen Blick meines Klassenleiters.

»Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Wheeler«, behauptete er, »wenn Sie an Ihrem Durchhaltevermögen arbeiten, wäre es sicher besser ausgefallen. Ich hörte, Sie hätten ein Talent in Kunst. Vielleicht machen Sie was draus.«

Damit bekam ich das Papier als Letzter in die Hände gedrückt und lächelte meinem Lehrer angestrengt entgegen. Als er sich endlich verzogen hatte beugte sich Tris von links zu mir.

»2,9 und du?«

Um uns herum quasselten unsere Mitschüler, standen zwischen den Reihen, kicherten, saßen, lehnten an Tischen und Fensterbänken und freuten sich, endlich das Schuljahr hinter sich gebracht zu haben. Eine sorglose Zeit vor sich. Sommerferien.

»Ähm –«

Ich addierte und –

»3,1. Für einen Hund nicht schlecht«, sagte Kaiba hinter mir, als könnte er nicht zurückhalten, dass er es schon wusste.

»Hey!«, rief ich und drückte das Dokument an meine Brust und funkelte ihn an.

»Und du, Yugi?«, wollte Tris wissen.

»Ganz okay«, meinte er mit einem Rotschimmer.

»Ach, gib her!«

Tris zog es ihm aus den Fingern, überflog es und klopfte ihm gegen die Schulter.

»Sauber. Echt sauber. 1,3«, verkündete er.

Yugi grinste verlegen und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als fühlte er sich ganz unwohl im Zentrum unseres Lobpreises zu sein.

»Supercool, Kumpel! Echt! Und du, Geldsack?«

Ich drehte mich um. Kaiba stand da mit Aktenkoffer neben sich und Zeugnis in der Hand und beäugte gelangweilt sein Smartphone.

»Kaiba!«, knurrte ich. Statt des Ärgers, den ich in meine Stimme legte, kribbelte ein warmes Gefühl in meinem Magen. Ich beobachtete ihn und stellte fest, dass er seine Stirn runzelte.

»Zeig schon her«, murrte ich und zog ihm das Papier aus der Hand.

Überrascht bemerkte ich, dass er es ohne Widerstand zuließ. Vielleicht war er auch einfach zu abgelenkt mit seinem Smartphone.

Sehr gut.

Sehr gut.

Sehr gut.

Sehr gut.

Sehr gut.

Natürlich.

Oder?

Kaiba war reich, intelligent und gutaussehend. Ein arroganter Arsch manchmal und sein zwischenmenschliches Verhalten immer mal wieder unter aller Sau. Er führte ein international renommiertes Unternehmen, brachte seinen Bruder zum Lachen und schaffte nebenbei die Schule mit einer glatten Eins. Von außen sah es ganz einfach aus. Aber von innen –

Ich gab ihm das Zeugnis zurück.

»Für einen arroganten Eisschrank«, begann ich ernst, »nicht schlecht.«

Aber ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen.

Er starrte mich an und nahm das Papier mit einem Stirnrunzeln zurück.

 

Die Schule endete früh.

Angeblich, um das Schulfest zu unterstützen.

Ich war mir aber sicher, dass die Lehrer einfach keinen Bock mehr auf uns und Unterricht hatten – was natürlich auch im Gegenzug galt.

 

»Bist du dir sicher?«

Ich verdrehte die Augen, während ich mein Haar kämmte – natürlich völlig umsonst – und mir ein Shirt von Tris überzog, während wir in Yugis Zimmer standen.

Yugi wechselte mit Tristan einen Blick. Ich sah es im Spiegel.

»Ja, mein Alter wird schon nicht ausgerechnet heute abkratzen.«

Ich sprach es aus, als wäre es ein besonders lustiger Witz, aber die beiden verzogen keine Miene. Vielleicht starb er gerade. Vielleicht war alles eh schon verloren. Vielleicht war es egal.

Es brauchte dreizehn Versicherungen und neun Seufzer, um Tristan und Yugi zu überzeugen, dass ich auf das verdammte Schulfest gehen würde.

Und dann begann Tris zu maulen, er wäre das fünfte Rad am Wagen. Yugi hätte ein Date mit Thea und –

»Ich hab kein Date mit Kaiba!«, behauptete ich empört. Er lachte und zog mich in den Schwitzkasten, ich schaute finster und schnaufte.

 

Es war ein ganz normales Treffen. Für Mokuba. Weil er tanzen würde und er mich gefragt hatte und Kaiba da eben auch hinging. Es war ja nicht so, als würden wir Händchen haltend über den Schulhof schweben. Ich lehnte am Eingang zum Schulhof. Dort hinten hatten sie Stände aufgebaut mit Pizza und Cocktails und einer Lotterie (für den guten Zweck angeblich), Zuckerwatte, eine Hüpfburg, Grills und Getränke, eine kleine Bühne und eine Band.

Yugi stand bei Thea und Tristan stand unschlüssig neben den beiden. Er hätte einem beinahe leidtun können.

»Ich geh zum Tor, da treff ich –«

»Schon klar«, erwiderte Tris und grinste und wackelte mit den Augenbrauen.

Aber auch nur beinahe.

Ich trottete über den Schulhof.

Die Schüler lachten und sprachen, dazwischen Lehrer und Eltern. Unbekümmert und leger.

Ich wusste, warum ich diese Veranstaltungen so verabscheute.

Aber für Mokuba. Ich mochte, wenn er lächelte. Es erinnerte mich an –

Kaiba stieg aus einem Sportwagen, Mokuba sprang aus der anderen Tür und rannte in meine Richtung.

 

»Hey, Joey! Voll cool, du bist da!«, rief er und lächelte.

 »Natürlich bin ich da«, behauptete ich, obwohl es ganz so natürlich natürlich nicht war, und grinste ihn an. Er winkte jemandem hinter mir, ich schaute über meine Schulter und sah einen blonden Jungen mit Brille und ein rothaariges Mädchen mit Locken, die auf uns zukamen.

»Joey, das sind Tobi und Lina – das ist –«

»Du warst auch da auf der Sylvester-Party von der Schule, nicht?«, fiel ihm Tobi ins Wort.

Ich erinnerte mich vage an die beiden. Sylvester kam mir vor wie aus einer anderen Zeit.

Es war so viel passiert. So viel, dass es seltsam war, dass es für andere so aussah, als wäre ich derselbe.

»Ja, hi«, erwiderte ich und kratzte mich am Hinterkopf. Ich sah mich nach Kaiba um und bemerkte, wie er einige Meter weiter telefonierte, dabei auf und ab ging.

»Ab nächsten Jahr sind wir in eurem Gebäude! Dann sind wir in den Pausen bei euch! Richtig genial, nicht?«, erzählte Mokuba und strahlte, als wäre es eine ungemeine Ehre.

Ich nickte und die drei verloren sich in Diskussionen darüber was sie alles machten, sobald sie endlich erwachsen wären. Wo sie ja jetzt schon zu den Großen kamen. Ich grinste und hoffte gegen jeden Verstand, dass Mokuba immer Kind bleiben würde.

»Seto! Wir gehen vor zur Zuckerwatte! Okay?«, rief Mokuba. Kaiba hielt das Handy ein Stück vom Ohr weg und nickte ihm zu. Ich hatte den Eindruck, sein Blick wanderte danach einen Moment lang zu mir, aber dann runzelte er die Stirn und sprach wieder in den Hörer.

»Wir sehen uns später, okay? Verpass ja nicht unseren Auftritt!«, erinnerte Mokuba mich.

Ich lachte. Tobi schaute eher so drein, als wäre es ihm ganz recht, würde niemand zu ihrer Tanzeinlage kommen. Lina betrachtete verlegen ihre Schuhe.

»Klar, ich seh euch dann auf der Bühne!«

Ich glaubte, Tobi erblasste bei den Worten.

 

Noch zehn weitere Minuten stand ich mir die Füße in den Bauch, bis Kaiba das Smartphone wegsteckte und mit einer Miene bei mir zu stehen kam, dass ich abwog, ob das Gespräch nicht hätte länger dauern können. Ich notierte automatisch, dass er keinen Anzug trug. Stattdessen hatte er ein dunkelblaues, kurzärmliges Hemd an und eine schwarze Jeans. Aber es war nicht die Kleidung, die Kaibas Präsenz ausmachte.

Er hätte jederzeit in eines dieser Meetings gehen können.

»Was machen wir bis zu Mokubas Auftritt?«, wollte ich wissen, ohne Begrüßung, und stieß mich mit dem Fuß, den ich dort angelehnt hatte, vom Schultor ab. Kaiba bedachte mich mit Missbilligung.

»Was man auf Schulfesten eben tut, Wheeler. So tun, als wäre die Zeit in der Schule produktiv und keine Verschwendung. Als wären die Leute hier von irgendeiner Bedeutung und keine Versager, die man nach dem Abschluss nie wieder sehen möchte«, schnarrte er.

Ich grinste trotz seiner Worte.

»Okay, dann lass uns die Zeit produktiv verbringen. Seh das halt als Recherche. Für die Kampagne. Das is‘doch unsere Zielgruppe hier, ne?«

Das hier war kein Date. Es war Recherche.

Ich trottete vor zu den Essständen.

Er widersprach nicht, also nahm ich es als Zustimmung.

 

Wir saßen auf einer dieser Bierbänke und ich biss in meine Wurst im Brötchen. Kaiba beäugte seine Portion Pommes.

»Die beiden da hinten«, murmelte ich, »der Junge im roten T-Shirt und das Mädel mit der gestreiften Bluse. Siehst du die?«

Kaiba schaute sich kurz um, dann nickte er.

»Glaubst du, sie würde mit auf das Turnier gehen, wenn er geht?«

»Nicht unbedingt«, erwiderte Kaiba, »es kommt auf –«

»Sie würde«, erklärte ich und grinste, dann biss ich wieder in mein Brötchen.

»Für die Aussage hast du keine faktenbasierte Grundlage. Studien belegen, dass –«

»Sie steht auf ihn. Sie schaut ihn an, wie Thea Yugi anschaut.«

Bei dem Gedanken wackelte mein Grinsen. Ich verzog mein Gesicht.

»Oh, verdammt. Thea geht mit auf das Turnier«, erkannte ich und selbst ich hörte meinen Widerwillen. Ich fasste mir an die Stirn und seufzte.

Kaiba betrachtete mich, lehnte seine Finger aneinander und schaffte es, dass ich – mitten auf dem Schulhof, auf einer Bierbank im gegenüber sitzend – das Gefühl bekam, in seinem Büro zu hocken.

»Was hast du gegen sie?«

Ich seufzte.

»Verstehst du eh nicht.«

»Bist du eifersüchtig?«

Ich hielt mit dem Kauen inne und starrte ihn an.

»Was? So ein absoluter – nein!«

»Yugi ist eine deiner verlässlichen Bezugspersonen. Es wäre nicht außergewöhnlich, wenn du Furcht gegenüber einer potenziellen Gefährdung deiner Beziehung mit ihm verspürst.«

»Wir sind nur Freunde!«, stammelte ich.

»Mit Beziehung bezog ich mich nicht ausschließlich auf eine romantisch–partnerschaftliche Beziehung«, erklärte er nüchtern.

»Moment. Sagst du, ich hätte Angst, dass Thea mir Yugi wegnimmt? Das ist –«

Ich brach in Lachen aus.

»Nein, wirklich –«

Ich hielt meinen Bauch und holte tief Luft, schnaufte und brachte irgendwann heraus: »Sie ist einfach nur nervig.«

Dann biss ich wieder in meine Wurst.

»Wäre da was dran, würde ich außerdem kaum bei dir rumhängen und hätt nicht den Schwachsinn von Tris ertragen«, fuhr ich grinsend fort.

Er erdolchte mich mit diesem Blick, der einen zwang, sich zu erklären oder im Boden zu versinken. Oder beides.

»Er hat doch echt –«, ich schüttelte den Kopf und mein Grinsen schwand, ließ Unglauben zurück, »Theas und Yugis Treffen hier auf dem Schulfest mit unserem gleichgesetzt. So ein –«

Kaiba hob seine Augenbrauen.

»Was lässt ihn diesen Schluss ziehen?«, fragte er und ich dachte, er würde einen seiner trockenen Scherze machen.

»Ja, eben«, erwiderte ich und zuckte die Schultern.

»Ich mein, das sind total verschiedene – Dinge

»Inwiefern?«

Ich stutzte.

»Sie – haben sich getroffen.«

Bevor Kaiba seinen offensichtlichen Einwand aussprechen konnte, verdeutlichte ich: »Ich meine, sie haben sich getroffen. Und sie hängen dauernd beieinander rum. Das ist schon nicht mehr normal. Und sie – ich mein –«

»Haben sich geküsst?«

»Genau!«

Ich hatte eigentlich sagen wollen, dass sie eine unerträgliche Klugscheißerin mit dem Hang zur Weltverbesserin war, aber das mit dem Kuss war fast noch besser.

Sehr guter Punkt. Kaiba war also doch kein Soziopath. Nicht ausschließlich.

»Bestimmt. Unter anderem«, murmelte ich.

Dann dämmerte etwas in mir und mein Blick jagte von meinem Brötchen zu Kaiba, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen und verschränkten Armen beobachtete.

»Oh

Stille – bis auf das Gerede um uns herum und das Lachen und die Rufe.

Ameisen krabbelten in meinem Magen und Hitze schoss von meinem Bauch in meinen Kopf.

Ich erwiderte seinen Blick und glaubte, die Hitze würde mir den Atem rauben, bis ich irgendwann in Ohnmacht fiele. Er schaute mich mit diesem Blick an, der verriet, dass ich irgendeinen Fehler, irgendeinen undurchdachten Scheiß erzählt hatte.

Mein Blick rutschte nach unten und ich brabbelte: »Du – ähm – solltest Ketchup drauf machen.«

Ich deutete auf seine Pommes, die er noch nicht angerührt hatte.

»Dadurch wird die Qualität oder der Fettgehalt auch nicht besser«, erwiderte er nüchtern und tat so, als wäre der Hinweis kein Kommentar, der meine Verlegenheit überspielen sollte.

»Ich mag Ketchup.«

»Und warum sollte ich Ketchup auf mein Essen tun, weil du es magst?«, fragte er ironisch.

Ich hob meinen Blick – Provokation funkelte in seinen Augen – und ich erwiderte standhaft seinen, mein Mundwinkel zuckte und ich klaute mir eine Fritte von der Pappschachtel, zuckte die Schultern.

Das hier war kein Date. Das war etwas völlig anderes.

Obwohl er die Augenbrauen zusammenzog, stauchte er mich nicht zusammen, stattdessen erhob er sich, zog sein Handy aus der Tasche und telefonierte, während er sich zwischen der Garnitur hindurchschlängelte.

Ich schaute ihm nach.

Seit wann reagierte Kaiba wie ein beleidigtes Mädchen?

(Obwohl ich ziemlich sicher war, dass auch Thea nicht so reagieren würde.)

Natürlich hatte ich nicht vergessen, dass wir uns geküsst hatten. Aber wir hatten auch nie wirklich daraus Schlüsse gezogen.

Oder?

Ich sah ihm nach, biss in mein Brötchen und rang mit mir, ob ich ihm nachgehen sollte. Er verschwand aus meinem Blickfeld.

Gut, dass das kein Date war. Das hatte ich richtig verbockt. Irgendwie.

 

Zehn Minuten später ließ sich Kaiba mir gegenüber nieder.

»Alter, was war’n das? Seit wann –«

Er schob mir eine Portion Pommes über den Tisch entgegen.

»Ich nahm an, du hast noch Hunger«, sagte er.

»Ah, ich –«

Wusste nicht, was ich sagen sollte.

Ich starrte die Portion Pommes an. Er hatte Ketchup drauf.

Dann starrte ich ihn an.

Er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und schaute sich um.

Hätte ich es nicht besser gewusst, wäre der Eindruck entstanden, er würde mir ausweichen.

»Danke«, murmelte ich und griff nach den Pommes.

»Mit wem hast du telefoniert?«

Er antwortete nicht und ich zuckte die Schultern.

 

Wir schlenderten zwischen den Ständen entlang, die verschiedene Klassen aufgebaut hatten.

Da gab es einen Cocktail-Stand und einen mit einem Erdkunde-Quiz, bei dem wir einen Teddybären gewannen.

(»Was ist die Hauptstadt von Angola?«

»Luanda. Wir hatten vor ein paar Jahren ein Projekt, um die Menschenrechte dort zu –«

»Schon klar, Streber. Was machen wir jetzt mit dem Bären?«)

Und ich überzeugte Kaiba davon, dass Zuckerwatte immer rein passte.

(»Du hast zwei Portionen Pommes, ein Brötchen mit Wurst, Schokolade, ein Eis gegessen und einen dieser schülergerechten, antialkoholischen Cocktails getrunken.«

»Sag mal, notierst du dir das alles irgendwo? Und die sieht nur so groß aus. Guck, wenn man nämlich so macht – dann wird sie ganz klein und passt immer noch rein. Also. Willst du deine eigene?«)

Manchmal tuschelten irgendwelche Schülerinnen und Schüler oder warfen uns Blicke zu. Die meisten bekam natürlich Kaiba. Eltern warfen ihm Blicke zu, Lehrer warfen ihm Blicke zu, aber er ignorierte sie. Ich glaubte sogar, dass manchmal jemand ein Foto mit dem Handy machte, aber wenn ich hinsah, waren sie schon wieder weg.

Es war als würde man dauerüberwacht und ich fragte mich, wie Kaiba das aushielt. Es war, als würde jeder darauf warten, dass er etwas machte, dass man nicht machte. Oder nicht von ihm erwartete. Vielleicht starrte er mich deswegen so an, als ich aus meinen Schuhen schlüpfte und zwischen Fünft- und Sechstklässlern auf der Hüpfburg meine Runde drehte.

»Kaiba, hast du gerade ernsthaft ein Bild davon gemacht, wie ich hier –«

»Du wirst mir zukünftig ohne Widerrede gehorchen. Andernfalls wäre es im Bereich des Möglichen, dass dieses Bild im Verteiler der KC landet.«

Ich brach in Lachen aus.

»Weißt du, was der Unterschied zwischen uns ist, Kaiba?«

»Du bist eine außerordentliche Nervensäge mit dem Hirn eines Hundes, der – muss ich das wirklich ausführen?«

»Mir ist egal, ob so ein Bild im Verteiler landet. Ich glaub, du machst dir manchmal zu viel Gedanken um andere. Auch, wenn du’s nicht zugeben willst.«

»Und das ausgerechnet von dir, Hündchen?«

Ich reckte mein Kinn, saß auf einem der Schläuche der Hüpfburg, vor denen die Schuhe standen und zog mir meine an.

»Was meinst du?«

»Dir ist es womöglich gleichgültig, ob dich Leute für – verrückt halten. Aber du erträgst es nicht, wenn du nicht gemocht wirst.«

Das klaute alle Worte von meinen Lippen.

Ich runzelte die Stirn, während ich meine Schuhe band.

»So ein Blödsinn«, behauptete ich.

Er erwiderte nichts und wir schlenderten weiter. Ich betrachtete ihn manchmal von der Seite, wenn er gelangweilt auf sein Smartphone blickte oder genervt in den Himmel.

Welche Schlüsse hätte er an Tristans Stelle gezogen?

»Wheeler, es wird Zeit«, sagte er irgendwann mit einem Blick auf sein Smartphone und auf meinen verwirrten Blick setzte er nach: »Wir sollten uns zur Bühne bewegen.«

 

Vielleicht war der Grund für meine Abneigung, Schulfeste zu besuchen, dass es mir vor Augen führte, was ich alles nicht hatte. Vielleicht hatte Kaiba aber auch Recht. Vielleicht verschwendete man hier schon genug Zeit und die Leute, die man hier traf konnten einem gestohlen bleiben. Um die eigenen Freunde zu treffen musste man keine Schulfeste feiern.

Wir standen vor der Bühne und warteten auf Mokubas Performance, als ich mich verstohlen nach Leuten umschaute, die Fotos machen wollten. Jedes Mal glaubte ich, dass uns das Blitzen galt. Aber meistens waren es nur Eltern, die ihre Kinder ablichteten. Sah so eine normale Kindheit aus?

 

»Wie machst du das?«, fragte ich, er antwortete nicht, sondern warf mir nur so einen Blick zu.

»Ich meine: diese Blicke, die Fotos! Die Fotos! So was Ätzendes!«

»Man gewöhnt sich an die Inkompetenz der Menschen. Man ignoriert sie. Und geht dagegen vor, wenn es Grenzen überschreitet, die man sich setzt«, erwiderte er.

»Was für Grenzen?«, wollte ich wissen, aber in diesem Moment strömten Kinder auf die Bühne.

Mokuba strahlte, als er uns entdeckte und in meinem Gesicht formte sich von selbst ein Lächeln.

Sah so eine normale Kindheit aus?

Ich betrachtete Kaiba von der Seite.

Seine Mundwinkel hoben sich, seine Stirn völlig frei von Falten und seine Brauen weder zusammengezogen, noch spöttisch nach oben gewandert.

Seine Hände steckten locker in den Hosentaschen

Er wirkte so entspannt und jung, so zufrieden, dass ich mich fragte, ob es eine Grenze überschritt, ein Foto von ihm zu machen. Jetzt.

Ich glaubte zu erahnen, wie es wäre, wäre er nicht Seto Kaiba, sondern nur Seto.

»Hey, Leute!«

Tristans Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er stieß als erster zu uns, Yugi und Thea folgten ihm.

»Mokuba hat uns von seinem Tanz erzählt«, sagte Tris zu mir, ehe er mit seinen Armen wedelte und rief: »Mokuba, du rockst!«

Kaiba hob seine Augenbrauen, ohne seinen Blick von seinem Bruder zu nehmen.

Mein Herz rutschte in meine Schuhe. Ich würde Tris kopfüber in den Boden rammen, würde er nur einen Kommentar wegen Kaiba und mir ablassen.

Doch es kam nichts in der Richtung, statt ihn also kopfüber in den Boden zu rammen, fiel ich in Tristans Anfeuerungen mit ein, während eine schnelle Popnummer durch die Boxen dröhnte und die Klasse von Mokuba – manche mehr schlecht als recht – dazu ihre Choreographie zum Besten gab. Ich sah, wie Tobi zu Mokuba linste. Lina kannte zwar die Schritte, starrte aber auf den Boden und schien sich irgendwo anders hinzuwünschen. Mokuba hingegen strahlte. Seine Präsenz überschattete die anderen und zog meinen Blick auf sich. Er wirkte glücklich.

Sah so eine normale Kindheit aus?

»Er ist sehr gut!«, hörte ich Thea begeistert zu Yugi sagen.

»Er ist genial«, fügte ich hinzu.

Kaiba sagte nichts. Aber das brauchte er auch nicht. Es stand in seinen Augen.

 

Wir saßen auf einer der Bänke, die im Hof standen. Ich hockte auf der Rückenlehne der Bank und betrachtete Mokuba und seine Freunde. Sie quasselten, lachten und schleckten ihr Eis, während Tobi gerade schwor, er würde so etwas nie wieder machen und Mokuba ihn auf den Arm nahm – also nicht wortwörtlich. Lina grinste ein verlegenes Grinsen.

Wenn man Kaiba kannte und wie der sich anderen gegenüber verhielt, dann überraschte es einen, wie Mokuba mit anderen umging. Zumindest ging es mir so.

Yugi lächelte Thea an und ich lenkte meinen Blick zurück zu Tris, der mir seine Gewinne aus der Tombola präsentierte. Eine elektrische Zahnbürste und ein Stoffherz.

»Ich mein – was soll ich damit?«, seufzte Tristan und wedelte mit den Sachen.

Kaiba telefonierte, während er hin und her schritt.

»Dir die Zähne putzen?«, schlug ich schulterzuckend vor.

»Kumpel, tu wenigstens so als würdest du mir zuhören«, grummelte er.

»Hab ich doch?«

»Ich red von dem blöden Stoffherz«, erwiderte er, »aber ich glaub, du kannst es besser gebrauchen.«

Er drückte es mir in die Hand und wackelte mit den Augenbrauen, während er mit seinem Kopf Richtung Kaiba ruckte. Mein Blick verdüsterte sich.

»Mokuba.«

Kaibas Stimme riss mich aus meiner Missbilligung. Er steckte sein Smartphone zurück in seine Hosentasche und machte ein paar Schritte, womit er wieder bei uns stand.

»Roland wird dich nach Hause fahren. Ich muss nochmals in die Firma.«

Mokubas Mund klappte auf, als wollte er widersprechen. Unsere Blicke sprangen von Kaiba zu Mokuba und zurück – selbst Yugi und Thea schienen einen Moment nicht ineinander zu verfließen.

»Es tut mir leid, aber es ist wichtig«, fuhr Kaiba fort – distanziert und so als müsste er sich dafür nicht entschuldigen.

Mokuba schluckte, starrte auf den Boden und nickte. Es war offensichtlich, dass es nicht das erste Mal war, dass er so etwas herunterschluckte.

»Aber Tobi und Lina dürfen trotzdem übernachten?«, wollte er wissen und blinzelte Kaiba an, der mit blanker Miene da stand. Ich konnte das Nein aus seinem Mund schon hören.

»Ohne Aufsicht ist das –«

Meine Augen wanderten einmal über die Gruppe. Theas Blick verschlang schon wieder Yugis.

Tris lehnte an der Rückenlehne der Bank. Mokuba schaute betreten auf den Boden. Tobi  legte eine Hand auf seinen Rücken. Dann sah ich es, als hätte ich eine Sonnenbrille in einem düsteren Zimmer von den Augen gezogen.

»Hey, ich kann doch auf sie aufpassen!«

Kaibas Blick sprang zu mir.

Mokubas Lippen zogen sich zu einem Lächeln.

»Das ist die Idee!«, erwiderte er total begeistert.

»Und wer passt auf dich auf, Hündchen?«, fragte Kaiba absolut nicht begeistert.

»Bitte, Seto!«

Mokuba legte alles in seinen Blick, dem niemand widerstehen konnte.

Ich konnte das Nein aus Kaibas Mund verwehen hören und übrig blieb ein »Ihr werdet nicht die Nacht durchmachen!«, was die drei Kinder einander angrinsen ließ.

 

Yugi und Thea bestanden darauf, zu laufen, weil es eh nicht weit wäre. (Ich vermutete, sie wollten Hand in Hand durch die Straßen tanzen.) Tris sagte, er hätte noch etwas zu tun. (Auf meine Frage, was grinste er nur.) Und so saßen ich und Kaiba mit drei Kindern bei Roland hinten in der Limousine – mit einem Stoffherzen in den Händen.

»DuelMonsters, Dawn of the Dragon und danach Animes. Dann können wir dabei einschlafen«, tuschelte Mokuba mit Tobi und Lina.

Kaiba warf ihm einen strengen Blick zu, den Mokuba ignorierte – oder in seinem Eifer einfach nicht mitbekam.

»Nein, DotD zuerst. Wir sind nur zwei Level vom Endgegner entfernt!«, widersprach Tobi.

Ich grinste, lehnte mich zurück und erahnte, wie eine glückliche Kindheit aussah.

»Wir können auch ein Partner-Duell machen! Joey, du machst doch mit?«, fragte Mokuba hoffnungsvoll. Ich nickte.

»Klar doch«, meinte ich.

Kaiba schnaubte. Einen Moment dachte ich daran, ihm das Stoffherz an den Kopf zu werfen.

 

Als wir in der Einfahrt standen, stieg Kaiba mit aus und hielt mich an meiner Schulter zurück. Die drei bekamen gar nicht mit, dass wir nicht folgten, während sie vorausgingen und voller Vorfreude miteinander quasselten.

Ich sah ihnen nach. Mokuba hatte einen Arm um Lina, einen um Tobi gelegt. Im Hintergrund stand die Villa mit dem Garten davor. Es sah aus wie aus einem Werbeprospekt.

»Wheeler«, schnarrte Kaiba, »wenn du etwas verschmutzt oder einen von ihnen in deinem Chaos, das du Leben nennst, verlierst, wird dich nicht einmal Mokubas Blick retten können. Kapiert?«

Ich nickte ernst.

»Ich krieg das schon hin, Geldsack.«

»Es wäre möglich, dich immer noch ins –«

»Ich bleibe hier, Kaiba«, schnitt ich ihm das Wort ab, weil ich fürchtete, was er sagen wollte. Kaiba musterte mich, dann öffnete er die Tür eines Sportautos, das neben der Limo in der Einfahrt stand und wandte seine Blick von mir, schaute hinauf, wo die drei Kinder schlenderten.

»Mokuba«, rief er, sein Bruder schaute zu ihm zurück und als er sah, dass Kaiba schon ins Auto einstieg, jagte er über die Einfahrt zu ihm.

Er stand einen Augenblick vor ihm und sie schwiegen. Ich schaute in den Himmel, machte ein paar Schritte und tat so, als wäre ich nicht da, aber ich konnte nicht anders als jedem Wort zu lauschen.

»Warte nicht auf mich«, murmelte Kaiba und strich ihm über das chaotische Haar.

»Und pass auf dich auf.«

Mokuba schwieg, starrte gen Boden und nickte.

 

Seto Kaiba war schon lange kein Kind mehr. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt je eines gewesen war. Stattdessen ermöglichte er seinem Bruder alles, was er selbst nie hatte haben können. Er sprang sogar über seinen eigenen Schatten. Aber nicht immer. Manchmal ließ er seinen Bruder zurück.

 

Wir schauten dem Auto eine Weile nach, bis es in der Ausfahrt und um die nächste Ecke verschwand. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und wollte ihm sagen, dass es bestimmt eine richtig geniale DVD-und-Spiele-Nacht werden würde. Und dass wir Popcorn machen würden und uns eine Pizza bestellen und dass wir so lange auf blieben, wie wir wollten. Wir müssten es Kaiba ja nicht sagen. Es wäre unser DVD-und-Spiele-Nacht-Geheimnis.

Ich glaubte, so sah eine glückliche Kindheit aus. Kaiba hatte sicherlich viel geopfert, um Mokuba das zu ermöglichen. Anders als ihm oder mir fehlte es ihm an nichts.

Doch dann schaute Mokuba in den dämmernden Himmel. Seine Augen waren ganz ernst und statt des Strahlens lag Bitterkeit auf seinen Lippen. Es war, als hätte jemand seine Kindheit aus dem Gesicht gewaschen. Und die Ähnlichkeit zu seinem Bruder schlug mir auf den Magen.

 

»Als Kind hab ich mir manchmal gewünscht, dass die KC abbrennt und Seto deswegen nicht mehr dorthin geht«, murmelte er.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte eine Pause hier angekündigt.
Vielleicht schaffe ich doch das ein oder andere Kapitel im November.
Allerdings kann ich es nicht versprechen.
Ich hoffe, ihr bleibt gespannt und neugierig.

Bis dahin,
Jaelaki Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Blanche7
2015-12-27T11:36:18+00:00 27.12.2015 12:36
Puh, die stimmung ist ja richtig gekippt am Ende des Kapitels. Aber wie immer super geschrieben, man konnte richtig mitfühlen.

LG
Antwort von:  Jaelaki
23.01.2016 02:14
Danke dir! Das ist mir auch wichtig! Freut mich, wenn es auch so ankommt und man gut mitfühlen kann! : )

Grüße,
Jaelaki
Von:  Lunata79
2015-11-13T09:58:11+00:00 13.11.2015 10:58
Oh, wow.
Da sieht man mal wieder, dass es einen Grund hatte, warum Joey zuvor Kaiba seinen Kindheitswunsch erzählt hat.
Jetzt kennt Joey Mokuba´s.
Aber, dass Joey so absolut darauf erpicht, dass es kein Date ist ... Vielleicht wäre es Kaiba ohnehin egal gewesen. Obwohl er sich wie ein beleidigtes Mädchen verhalten hat. Falls dem wirklich so war. XD
Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:03
Ich denke, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Joey sah anfangs eben nur diese tolle Bruderbeziehung. Mokuba, der alles von Seto bekommt, umsorgt wird, Geld hat, ... aber das hat eben auch Schattenseiten. Und in diese ist er in dem Kapitel eingetaucht.
Zumindest war das meine Intention. ; -D

Joey weiß nicht, was es ist. Er ist sich unsicher. Zumindest habe ich mir das so vorgestellt. Er will auf keinen Fall, dass Kaiba ihn anweist – auch, wenn ihm das vielleicht nicht so bewusst ist. Daher versucht er, das Treffen als »normal« abzutun.
Tatsächlich verhielt sich Kaiba ja nicht als »beleidigtes Mädchen«, sondern brachte Joey noch eine Portion Pommes. Also ein unglaublich »nettes, humanes« Verhalten. Joey hatte das nur im ersten Moment missinterpretiert. ; )

LG
Jaelaki
Von:  DuchessOfBoredom
2015-11-12T09:38:09+00:00 12.11.2015 10:38
Also das war ein sehr interessantes Kapitel! Ich habe das Gefühl, obwohl Joey sich jetzt schon mehr mit seinem Vater auseinandergesetzt hat, ist das Thema doch noch nicht ganz durch...irgendein kleines Stückchen fehlt da noch...mal schauen, was da noch so kommt.

Die Zeugnisausgabe und das Schulfest haben mal wieder gezeigt, dass Kaiba manchmal wie ... naja, in einer Blase sitzt oder irgendwie in der Luft hängt...einfach sehr distanziert ist vom Rest und seine eigenen Dinge hat, mit denen er sich beschäftigen muss (die immer wiederkehrenden Anrufe...). Und mir fällt es ähnlich wie Joey schwer, sein Verhalten in dieser Situation so richtig einzuschätzen...ich bin gespannt, wo das noch hinführt.

Und das Tollste an diesem Kapitel war natürlich wieder der Einblick in Kaibas Umgang mit Mokuba, den du in meinen Augen wirklich wunderbar triffst in dieser Geschichte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Kleine auch mit wesentlich weniger Materiellem zufrieden wäre, wenn er dafür nur mehr von seinem Bruder hätte. Das hast du mit dem letzten Satz wunderbar unterstrichen.

Also ich freu mich schon sehr, wenn es weitergeht,
LG,
die killerniete
Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:06
Ohja. Das stimmt. Die »Vatersache« ist noch nicht durch. Immerhin hängt sein Leben (noch) am seidenen Faden ...

Die »Brudersache« finde ich auch sehr spannend zu schreiben. ; )
Danke dir!

Ich freue mich, dass du dich auf die nächsten Kapitel freust! Kapitel 40 ist heute online gegangen (trotz Novemberpause – jaja!) ; )

LG
Jaelaki
Von:  jyorie
2015-11-10T14:07:38+00:00 10.11.2015 15:07
(づ。◕‿‿◕。)づ Hi,

das ende des Kapitels war sehr überraschend. Joey ist ja momentan dabei auch bei Seto etwas hinter die Kulissen zu schauen, von dem wohl alle Welt denkt bei ihm ist alles perfekt. Ganz offensichtlich ist bei Joey nicht alles perfekt und man denkt das er auch erkennen sollte wenn das dann bei anderen etwas im argen ist. Aber das mit Mokuba hat einfach überrascht, man von ihm denkt da muss alles perfekt sein und dann die totale Wende, das ihm auch jemand fehlt der da ist für ihn. Obwohl Seto so viel tut, wiederholt er ähnliche Fehler, auch wenn es mit gutem Beweggrund ist, ist er für Mokuba auch nicht für ihn da – eine interessante Wende, und Joey mitten drin. Bin gespannt welche Lehre Joey diesmal daraus zieht, vielleicht muss man einfach versuchen das Beste aus einer Situation machen, die man nicht ändern kann? *seuftz*

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:09
Hallöchen! ; )
Ja, Joey blickt langsam hinter die Fassade. Nicht nur bei Seto. Auch bei Mokuba und die »Brudersache«.
Für Joey sah es anfangs eben aus wie »das perfekte Leben«: Mokuba wird umsorgt, hat keine finanziellen Sorgen, ... aber auch hier gibt es eben eine Schattenseite.
Und der wird sich Joey jetzt langsam bewusst.
Wie er damit umgehen wird, wird hier an der Stelle natürlich nicht verraten. ; )

Danke fürs Lesen und Kommentieren!

LG
Jaelaki
Von:  MaiRaike
2015-11-08T19:28:22+00:00 08.11.2015 20:28
Oh, ich beliebe gespannt und neugierig, das kannst du mir glauben. Ich hätte mir gewünscht, dass Joey Seto das Stoffherz an den Kopf wirft, oder wenigstens in die Hand drückt.
Und Mokubas Reaktion als Seto wegfuhr war wirklich tragisch. Die beiden Kaiba Brüder hatten es nicht leicht, auch wenn Kaiba sich wirklich alle Mühe gibt.
Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:14
Haha. Das wäre wirklich gut! ; )
Ich verspreche, im nächsten Kapitel kommt sogar etwas Besseres als ein Stoffherz. ; )

Ja, Mokubas Leben ist eben auch nicht perfekt. Für Joey ist das natürlich eine Art Schock. Mokuba symbolisierte für ihn das, was einer »glücklichen Kindheit« am nächsten kam.

LG
Jaelaki
Von:  Seelendieb
2015-11-08T12:48:09+00:00 08.11.2015 13:48
Ein wunderschönes Kapi für sich, aber mit einem so düsteren Unterton.

Sehr gut geschrieben. Und ich denke, jeder mal so in einer Situation war, wie Mokuba, wird sich gewünscht haben, dass irgendwas passiert, dass Mama, Papa oder hier Bruder zu Hause belieben und einfach mehr Zeit für einen haben...

Bei Mokubas letzten Worten musste ich weinen... Schönes Kapitel.
Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:16
Ja, wobei das eine ja nicht unbedingt das andere ausschließt. ; )

Danke! Ja, das ist sicher möglich.

Oh, danke dir! : )

LG
Jaelaki
Von:  Onlyknow3
2015-11-08T10:02:42+00:00 08.11.2015 11:02
Es war mehr oder weniger Voraus zu sehen das, das passiert, und es wird Seto sicher nicht leicht gefallen sein Mokuba und seine Freunde allein zu lassen. Außerdem wird er eher froh darüber sein das Joey geblieben ist, auch wenn er es nicht zugeben wird. Was Seto über die bemerkung von Joey denkt die dieser in Bezg zu Yugi und Tea gemacht hat würde mich da schon interessieren, ob es ihn verletzt hat das Joey sie nicht als Paar sieht, ob dieser überhaupt an so eine Möglichkeit mit ihm Seto denkt? Das werde ich wohl erst erfahren wenn ich wieder zurück bin aus der Reha. Von daher mach weiter so wie es dir möglich ist, ich freue mich auf das nächste Kapitel. Bis dahin tschüß und gutes gelingen.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Jaelaki
17.11.2015 00:20
Das stimmt wohl. Seto ist innerlich zerrissen. Auf der anderen Seite lässt er Mokuba regelmäßig »allein« – nämlich, wenn er in der KC hockt. Natürlich wird Mokuba beaufsichtigt ...

Ich denke, zu diesem Zeitpunkt denkt auch Kaiba nicht als Paar von sich und Joey. Weder offiziell noch inoffiziell.
Aber wir bleiben an dieser Stelle ja nicht stehen. Alles ist im Fluss. ; )

Ich hoffe, deine Reha verläuft gut und du kommst erholt und gesund zurück!

LG
Jaelaki


Zurück