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Was wir sind

Seto & Joey | Puppyshipping
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel kommt am Wochenende.
Umso mehr würde ich mich über eure Kommentare hierzu freuen! : )

Hättet ihr auch Lust auf einen Livestream über Facebook oder Instagram zu dieser Geschichte? x)
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... bin ein Träumer


 

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Irre wenn …

Träumer träumen

im Traum träumender Träumer

geträumte Träume

geträumt zu haben.

© Anni Wieser

 

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Mein Name bedeutete nichts.

Zumindest nichts Gutes. Für die meisten hatte der Klang meines Namens früher den bitteren Geschmack von Drohungen gehabt und heute den faden Gestank von Nichtsnutzigkeit. Mein Name verursachte Stirnrunzeln und Augenverdreherei. Manchmal aber auch gar nichts. Für viele Menschen existierte ich einfach nicht.

Aber das würde sich bald ändern.

 

Meine Frage riss uns zurück in die Realität, in der Mokuba nicht mehr mit ihm sprechen wollte, in der er Stück für Stück seinen Bruder verlor, weil er in einem Strudel gefangen war. Weil er es nicht anders kannte.

Kaiba drehte sich von mir weg, stand da in der Küche und wandte sich zum Gehen.

»Was würdest du gerne tun?«, fragte ich leise.

Er verharrte, sah sich aber nicht zu mir um.

»Ich meine«, fuhr ich fort, wusste, er lauschte trotzdem jedem meiner Worte, »wenn Namen und Geld und der ganze Scheiß unwichtig wären, was –«

»Sie sind aber nicht unwichtig«, unterbrach er mich, rückte seine Krawatte zurecht und ich musterte seinen Rücken, fuhr mit meinem Blick seine Schultern entlang.

»Ist ja nicht so, als hättest du jetzt genug davon«, behauptete ich und zuckte die Achseln.

»Darum geht es nicht«, murrte er.

»Worum dann? Was hält dich davon ab, Mokuba zu schnappen und dann einfach mal, ich weiß nicht, abzuhauen von hier? Ein bisschen Zeit haben und runterkommen und so. Ich glaube schon, dass Mokuba das will.«

Mokuba war kein kleines Kind mehr, aber er war trotzdem noch Kaibas kleiner Bruder.

»Ich habe Verantwortung zu tragen. Und Erwartungen, die sich an mich richten. Ich kann nicht einfach abhauen, Wheeler.«

»Mokuba wollte –«

Wer gab mir das Recht, Kaiba zu verschweigen, was wirklich abging?

Letztlich würde das nur noch mehr Missverständnisse provozieren.

»Es geht nicht darum, Wheeler.«

 

»Hör zu«, begann ich.

Es hieß, dass man Versprechen nicht brechen durfte. Aber manche Versprechen waren wichtiger als andere. Manche Versprechen musste man nicht einmal laut aussprechen. War ich es Kaiba nicht schuldig, ihn einzuweihen?

Mokuba glaubte, dass sein Bruder ihm nicht zuhörte, aber ich war mir sicher, dass Kaiba für ihn alles tun würde. Dass er Mokubas Wohl über alles andere stellte.

»Es geht nicht immer darum, was Mokuba will«, sagte er.

Die Worte schnitten irgendwo im mein Inneres. Durch eine Oberfläche, an der dumme Sprüche abprallen. Das hier war etwas Anderes. Das war kein Kommentar, der ihm unter Stress einfach mal herausgerutscht war (und für den ich ihm danach meine Meinung gegeigt hatte). Kaiba meinte das hier ernst.

Er wandte sich zum Gehen.

»Warte mal, Kaiba. Ich muss dir –«

»Ich muss noch arbeiten.«

Damit ließ er mich in der Küche zurück. Die Tür schloss sich und ich wusste, selbst, wenn ich ihm nachrannte, er würde nicht zuhören.

Und in dem Augenblick verstand ich, dass Mokuba recht hatte.

 

Ich starrte aus der Autoscheibe, beobachtete, wie aus Villen Familienhäuser wurden und zählte die Bäume am Straßenrand, damit die Zahlen die Gedanken in meinem Kopf dämpften.

Ich hatte mich nicht von Kaiba verabschiedet. Denn ich würde ihm nicht nachrennen, wenn er so offensichtlich nicht hören wollte, was ich zu sagen hatte. So wie es aussah, mussten wir doch mit Mokubas Situation alleine klarkommen. Letztlich war es bisher auch ganz gut gegangen. Mit ein paar Ausnahmen. Bis auf die Sache, dass Mokuba jederzeit doch erwischt werden konnte.

Ich ballte meine Faust in der Hosentasche.

»Herr Kaiba will das Beste für seinen Bruder.«

Roland starrte auf die Straße, aber ich musterte ihn mit gehobenen Brauen. Er sprach mich nie an, wenn er mich nach Hause fuhr. Nie.

»Er will nichts Anderes für ihn, seitdem sie Kinder waren. Sie sollten sich nicht davon ablenken lassen, was sie glauben zu verstehen.«

Ich schnaubte.

Das war so einfach zu behaupten. So simpel das jemandem zu raten.

Aber dann machte es Klick in meinem Kopf.

»Moment, Sie kennen die beiden schon so lange?«

Roland schwieg, runzelte die Stirn, als wog er ab, ob er den Kodex mit einer Antwort brechen würde. Ich nahm an, dass es so etwas wie den Kodex gab. Denn das würde einfach so viel erklären.

Roland antwortete nicht, aber wann hatte mich das jemals abgehalten?

»Wie war er als Kind?«

Keine Antwort.

»Wissen Sie, was Kaiba werden wollte?«

Wahrscheinlich wollte er schon immer ein Schnösel werden.

Keine Antwort.

»Ich meine, als Kind hat doch jeder so einen Traum? Astronaut oder so etwas?«

Oder eben ein reicher Schnösel.

»Sie verstehen sicherlich, dass ich mit Ihnen nicht über derartig Vertrauliches spreche.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ließ mich wieder tiefer in den Autositz sinken.

Der Kodex war eben heilig.

Und eigentlich hatte er ja recht. Ich war nur sauer auf Kaiba, weil er sich wieder einmal wie ein Arsch verhielt.

»Was wollten Sie eigentlich werden?«, fragte ich.

Wollte man als Kind Bodyguard für einen reichen Schnösel werden?

»Jazzmusiker«, erwiderte er knapp, wahrscheinlich in der Hoffnung, ich würde endlich die Klappe halten. Aber dann waren meine Gedanken so laut.

Beinahe hätte ich gelacht, aber Roland starrte streng gerade aus auf die Straße.

»Und warum sind Sie keiner geworden?«

»Wer sagt, dass ich es nicht bin?«

Ich blinzelte.

»Ähm«, stammelte ich und musterte ihn.

»Ich spiele noch immer in einer Band.«

Ich starrte ihn an, wie er da am Lenkrad saß, Anzug und alles, aussah wie so ein Mafioso aus einem schlechten Action-Film und dann versuchte ich mir vorzustellen, wie er in einer verrauchten Bar abends auf der Bühne Saxophon spielte. Jazzmusiker spielten doch immer dieses Instrument, oder?

Aber Roland hatte Recht. Das eine schloss das andere nicht aus.

»Welches –«

»Wir sind da, Herr Wheeler.«

Ich schloss meinen Mund und stieg vor dem Haus meiner Mutter aus.

»Danke«, murmelte ich, stand noch mit der Hand auf der Wagentür da, »wo spielen Sie eigentlich? Vielleicht –«

»Manche Dinge sollten privat bleiben, Herr Wheeler. Nicht, weil sie peinlich oder geheim sind, sondern weil jeder Mensch das Privileg haben sollte, jemand zu sein, der er sonst nicht sein kann.«

Ich runzelte die Stirn.

»Ja«, sagte ich langsam, »ja, wahrscheinlich.«

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich begriff, was er meinte, aber er nickte mir zu und für einen Augenblick glaubte ich, dass er lächelte. Dann schloss er die Autotür mit einem Knopfdruck am Lenkrad und ich stolperte zurück.

 

»Jazz?«, fragte Tris jetzt schon zum vierten Mal und ich atmete schwer durch.

Yugi, er und ich saßen auf meinem Bett. Es war endlich Wochenende und das hieß, dass Mokuba erst einmal sicher war. Soweit ich das beurteilen konnte.

Unser unausgesprochener Plan für jetzt war erst einmal: Playstation die ganze Nacht, Chips und Cola und hoffen, dass sich durch ein Wunder der Rest irgendwie auflöste.

Was natürlich schwachsinnig war. Also überlegten wir doch und immer wieder kam einer von uns mit einer Idee, die noch unpraktischer und unrealistischer war als die davor.

Wir besprachen gerade, wie wir Roland zwischen den Unterrichtsstunden durch die Schule schmuggeln könnten, als es an der Zimmertür klopfte und ich verdrehte die Augen.

Schon wieder?

»Hey, Jungs! Wollt ihr noch etwas essen?«

Meine Mutter steckte ihren Kopf in den Raum und hielt eine Platte mit Sandwiches auf einem Tablett.

»Oh, vielen Dank!«, sagte Yugi und meine Mutter strahlte.

Es gab wenige Momente, in denen ich Yugi gerne das freundliche Lächeln aus dem Gesicht gewischt hätte. Das hier war so einer.

Tristan nahm sich gleich drei Sandwiches, bedankte sich höflich und grinste.

»Joseph?«

Ich verzog das Gesicht.

»Nein.«

Ich hörte Tristans tiefen Atemzug und sah, wie Yugi und er einen Blick tauschten.

»Okay«, murmelte sie und senkte den Blick, dann wandte sie sich wieder an meine Kumpel und strahlte. Ich hasste es.

»Dann will ich euch mal nicht weiter stören«, sagte sie viel zu fröhlich, schritt zur Tür und warf mir einen Blick zu.

»Gut«, murrte ich und drückte auf der Konsole herum. Dann machte die Tür klick.

Die Stille, die plötzlich den Raum erfüllte, drückte mir auf den Magen.

Ich spürte die Blicke, die ich versuchte zu ignorieren. Ich war ein verdammter Profi darin.

»Lasst es«, murrte ich.

Nur dieses Mal schaffte ich es nicht.

»Ich meine ja nur. Sie gibt sich doch echt Mühe.«

»Vielleicht hat sie das Gefühl, sie muss Jahre aufholen«, murrte ich.

»Vielleicht will sie dir auch einfach nur einen Gefallen tun?«, fragte Yugi und traf diesen Ton, der keine Frage mehr war.

»Hat sie keiner drum gebeten. Wir haben aber gerade auch echt andere Probleme«, murmelte ich und fuhr mir durchs Haar.

»Ich sag’s ja nur ungern, aber vielleicht sollten wir es doch Kaiba sagen«, gab Tristan zu bedenken und lehnte sich zurück ins Kissen, während er sich wieder die Chips krallte.

»Das hatten wir schon«, murrte ich, »wir drehen uns im Kreis.«

»Genau das ist’s ja.«

Tristan sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

»Wir kriegen keinen gescheiten Plan hin. Mokuba hat ernste Probleme und ich glaube langsam nicht mehr, dass wir ihm da wirklich helfen können. Er hat sogar diesen Christian in Schutz genommen. Warum hat er es dem Schulleiter nicht einfach gesagt?«

Tristan hatte nicht Unrecht. Wenn ich ehrlich war, huschte das schon eine ganze Weile in meinen Gedanken herum.

Vielleicht hatte Mokuba Angst vor etwas?

Aber er wirkte nicht besorgt, im Gegenteil. Er schien verdammt wütend. Aber vielleicht war das nur eine Maske?

Ging nicht jeder anders mit Ängsten um? Wer wusste schon, wie jemand auf direkte Drohungen reagierte, bis man tatsächlich direkt bedroht wurde?

Mein Blick wanderte von Tris zu Yugi.

Er saß da, die Konsole in der Hand, viel zu konzentriert auf das Spiel auf dem Bildschirm. Jeder hier im Raum wusste, dass er uns bei dem Spiel im Schlaf abzockte.

»Warum hast du uns damals nicht verraten?«, fragte ich.

Yugi zuckte zusammen. Als hätte ich ihn erwischt. Mir war nur nicht klar, wobei. Seine Augen groß und weit, als hätte ich Bambi aufgeschreckt. Sein Blick löste sich langsam vom Fernseher und streifte mein Gesicht.

»Ihr habt mich nicht übersehen«, murmelte er und sah an mir vorbei an die Wand.

Ich verstand kein Wort. Mein Blick huschte zu Tristan, der die Schultern zuckte und ebenso planlos aussah, wie ich mich fühlte. Yugi räusperte sich und grinste schief.

»Ihr wart die Einzigen, die mitbekommen haben, dass ich da bin. Ich wusste, dass ihr es eigentlich gar nicht auf mich abgesehen hattet. Ihr wart selbst mit euch unglücklich und hattet irgendwelche Probleme. Ich dachte, wenn ihr mich besser kennen würdet, dann könnten wir Freunde sein.«

Yugi war unsichtbar gewesen. Für die meisten war er damals ein seltsamer Junge, der meistens alleine in der Ecke gehockt hatte. Für uns war er ein einfaches Opfer gewesen.

Warum?

Ich seufzte und ließ meinen Kopf auf meine Hände sinken, meine Ellenbogen auf meine Knie gestützt.

Weil wir Idioten gewesen waren, die selbst mit ihren Problemen nicht klarkamen.

Yugi hatte Recht. Wir hatten unseren Frust an ihm ausgelassen.

Und jetzt?

Ließ Christian seinen Frust an Mokuba aus? Dachte Mokuba, Christian würde sein Schweigen, seinen Schutz verdienen? Wie das?

Ich griff mir ins Haar, als könnte das die Gedanken und Fragen in meinem Kopf irgendwie stoppen.

Fühlte sich Mokuba unsichtbar?

Mit einem Schnauben ließ ich mich nach hinten ins Bett fallen, zwischen Yugi und Tristan und starrte an die Decke.

Ich hoffte, uns würde an dem Wochenende noch etwas Geniales einfallen. Aber das tat es nicht. Also begann die nächste Woche mehr oder weniger, wie die letzte geendet hatte.

 

Ich konnte die Nachrichten ignorieren, die blöden Blicke und das Gewisper, sobald ich ihnen den Rücken zudrehte. Irgendwann würde das schon wieder aufhören.

Meine eigentlichen Sorgen schwebten um Mokuba herum.

Und damit auch um Kaiba.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Mokubas Probleme nicht ohne Kaiba zu lösen waren. Aber mir war klar, dass Mokuba davon nichts wissen wollte. Wahrscheinlich war genau das ein weiteres Problem, das alle anderen miteinander verknüpfte.

»Joey«, flüsterte Tris und rüttelte meinen Arm. Mein Blick schoss nach vorne, wo mich unser Lehrer genervt anschaute.

»Wie bitte?«, fragte ich.

Ich saß wie immer in der vorletzten Reihe, wo es so viel einfacher war in der Masse zu verschwinden. Nun ja, außer die Masse drehte sich zu einem um.

»Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit bitte von gewissen anderen Schülern zurück zur Tafel lenken könnten«, erwiderte er trocken und schaute pointiert zu Kaiba, der völlig desinteressiert an allen vorbei nach vorne sah, als bekäme er die ganzen Blicke nicht mit oder das Gekicher oder das Gewisper.

Ich redete mir ein, dass die Hitze, die meinen Kopf zu füllen schien, nichts damit zu tun hatte.

Kaiba war ein Arsch.

»Hey, Wheeler! Kannst dich auf nichts Anderes konzentrieren als deinen Lover, ne?«

Aber unsere Klassenkameraden konnten nicht weniger arschig sein.

Als wir zur Pause auf den Schulhof gingen hatten plötzlich alle eine Meinung. Nicht, dass es mich groß interessierte. Wir hatten da wirklich andere Sachen zu erledigen. Zum Beispiel Mokuba davor zu bewahren wieder in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten. Und ich bildete mir ein, wahrscheinlich, weil wir es jetzt so viele Tage und Wochen durchgehalten hatten, dass es alles gut ausgehen würde.

Jemand machte Knutschgeräusche hinter mir. Tris wollte sich schon umdrehen, aber ich zog ihn weiter.

»Lass die, ist doch egal.«

»Die trauen sich die Scheiße nur, wenn Kaiba grade nicht da ist«, murrte er und ich glaubte, es juckte an seinem Stolz, dass allein unsere Anwesenheit die Idioten nicht zum Schweigen brachte.

»Die Scheiße machen doch eh nur die mit einem kleinen Pimmel«, gab ich in einem Singsang von mir. Die Worte kamen immer lauter aus meinem Mund und ich machte eine kleine Pirouette, um einmal meinen Blick nach hinten zu schießen, wo schnell jemand seinen Kopf einzog.

Tristan brach neben mir immer wieder in Lachen aus und Yugi grinste schief. Aber wir drängten uns weiter durch die Gänge. Mehr Zeit verschwendeten wir nicht mit diesen Dummschwätzern, die echt keine Ahnung hatten.

Mokuba war jetzt viel wichtiger.

 

Ich glaube, viele Menschen nehmen ihre besten Freunde als selbstverständlich. Das ist es ja auch irgendwie, was es ausmacht. Es ist klar, dass man zusammensteht, es gehört sich, füreinander da zu sein. Aber erst, wenn Freundschaften zerbrechen, bemerkt man, wie wichtig sie eigentlich waren.

In einer Ecke des Schulhofs stand Mokuba. Ein Junge und ein Mädchen in seinem Alter redeten auf ihn ein. Er verzog nicht einmal das Gesicht, sondern zuckte nur mit den Schultern.

»Hey, alles klar bei euch?«

Mein Blick wanderte vom einen zum anderen.

Das Mädchen zwirbelte eine Strähne ihres roten Haares mit ihrem Finger und schien darauf zu warten, dass Mokuba etwas sagte. Sie musterte ihn einen Augenblick lang, als er beharrlich schwieg, wandte sie sich ab.

»Falls du deine Meinung änderst, weißt du, wo du uns finden kannst.«

Dann schritt sie davon.

Der Junge fuhr durch sein blondes Haar und schob seine Brille auf der Nase zurecht.

»Mokuba«, sagte er, »bist du dir sicher? Ich glaube echt nicht, dass –«

Mokuba schnaubte.

»Das ist mir völlig egal«, murrte er.

»Was ist hier denn los?«, fragte Tristan und runzelte die Stirn.

Tobi seufzte.

»Mokuba hat gemeint, dass –«

»Das geht die nichts an«, fiel er ihm ins Wort und Tobi zuckte die Achseln.

»Wie du meinst. Ich schaue mal nach Zoe.«

Mit einem letzten Blick zurück zu Mokuba – den der ignorierte – vergrub er seine Hände in den Hosentaschen und lief zu Zoe, die offensichtlich auf ihn wartete.

»Was ist denn passiert?«, fragte ich.

Mokuba schwieg und schaute an uns vorbei. Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich Christian, der inmitten einer Gruppe aus Jungs und Mädels stand. Die anderen schienen um seine Aufmerksamkeit zu buhlen. Dann schaute er auf und erwiderte meinen Blick. Seine Lippen hoben sich zu einem Grinsen und er nickte mir zu.

Ich ballte meine Fäuste in den Hosentaschen und wandte mich ab.

Mein Blick schweifte zu Kaiba, der am anderen Ende des Schulhofes saß. Dort, wo er sich immer in der Pause mit dem Laptop auf dem Schoß hinter seinen Datensätzen und Aktienkursen verschanze.

Einen gemeinen Moment lang fragte ich mich, ob er es mitbekommen würde, wenn Mokuba quasi vor seiner Nase verschlagen werden würde. Ob er erst dann kapieren würde, was hier abging.

Ob er sich dazwischenwerfen und selbst im Dreck landen würde. Ob er Roland die Sache anvertrauen oder selbst mit Christian abrechnen würde.

Die Schulglocke riss mich aus meinen Gedanken.

»Kommst du klar?«, fragte ich und hielt Mokuba an der Schulter fest. Er drehte sich nicht zu mir, blieb aber stehen und atmete tief durch.

»Natürlich.«

Vielleicht war es diese offensichtliche Lüge oder Mokubas Blick, der stur nach geradeaus sah. Vorbei an seinem Bruder, vorbei an Christian.

Vielleicht war es, wie Zoe und Tobi in wohlbedachter Entfernung vor uns ins Schulgebäude stapften.

Bisher waren die Drei ein Team gewesen. Selbstverständlich waren sie an Mokubas Seite, wenn wir es nicht sein konnten. Ohne Frage standen sie ihm bei.

Was war also passiert, dass Tobi Mokuba kaum mehr anschauen konnte und Zoe zornig vor ihm wegschritt?

Ich hatte das Gefühl, dabei zusehen zu können, wie dieses Gerüst zusammenbrach. Wie wir versuchten, etwas aufzuhalten, was sich immer mehr in unseren Alltag fraß. Als würde sich ihre Freundschaft Band um Band auflösen.

Die Gänge schienen zu eng für die vielen Schüler und so drängten wir uns in die Klassenzimmer.

»Bis dann«, sagte ich. »Pass auf dich auf.«

Mokuba grinste schief, hob die Hand und verschwand um die nächste Ecke. In diesem Augenblick glaubte ich daran, dass wir das alles schon irgendwie hinbekommen würden. Das Gefühl hielt bis in die nächste Stunde und verpuffte, als unser Lehrer an die Tafel schrieb: Nach der Schule – Studium, Ausbildung oder was?

Mit einem unterdrückten Stöhnen ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken.

 

Ich träumte davon, weit weg zu gehen. In ein Leben aufzubrechen, in dem mein Name nichts bedeutete und ich ihm selbst Bedeutung verleihen konnte. In dem niemand seine Stirn runzelte, wenn er meinen Namen hörte und niemand die Augen verdrehte, wenn ich vor ihm stand.

Ich wollte nichts geschenkt, nur die faire Chance, mich zu beweisen.

Nach Schulschluss diskutierten Tristan und Yugi Bewerbungsfristen, Ausbildungsmessen und Studienorte. Ich schwieg.

»Wo willst du dich bewerben?«, fragte Yugi, als wir nebeneinander nach Hause liefen.

Ich zuckte die Schultern.

»Oder willst du doch dein Abi machen?«

Ich verzog mein Gesicht und Yugi klopfte auf meine Schulter.

»Ich denke, du könntest es schaffen.«

»Ich will weg von hier«, murmelte ich. Ich wollte nicht schon wieder seine Rede hören. Vielleicht könnte ich es wirklich schaffen. Immerhin musste ich nicht mehr jobben, hätte mehr Zeit, um zu lernen. Meine Mutter würde mir sicherlich sogar einen Nachhilfelehrer beschaffen oder mehrere, um mich durchs Abi zu schleppen.

Aber ich hatte das Gefühl zu ersticken. Zu zerreißen. Als packte mich jeder an Armen und Beinen und zerpflückte mich.

»Was willst du denn werden?«, fragte Yugi.

»Reich«, witzelte ich.

Ich glaube, viele Menschen denken, wenn sie nur etwas mehr Geld hätten, wären sie glücklicher. Dass ihre Probleme dann verwehen würden wie die Atemluft an kalten Wintertagen.

»Nein, eigentlich nicht«, fuhr ich nachdenklich fort. »Ich will endlich unabhängig sein. Irgendwie reisen. Und genug verdienen, dass ich davon recht gut leben kann.«

Am liebsten würde ich zeichnen und malen. Wenn meine Zeichnungen und Bilder dann noch andere erreichen könnten – ich schüttelte den Kopf. Das waren nur Träume.

»Ich habe noch das Geld von der Werbung für Kaibas Turnier. Damit kann ich eine ganze Zeit klarkommen. Aber noch keinen Plan, was ich dann machen will.«

Vielleicht hatte ich auch zu viele Ideen, aber traute mich nicht, sie laut auszusprechen. Es waren wahnwitzige Gedanken. Pläne, die mich zum Schwitzen brachten und nachts kein Auge zumachen ließen.

»Du wirst schon das finden, was dich wirklich interessiert«, sagte Yugi und lächelte.

»Ja«, erwiderte ich gedehnt und verschränkte meine Arme hinterm Kopf.

Yugi verabschiedete sich und verschwand im Spieleladen seines Großvaters. Ich sah ihm einen Moment lang nach, starrte die Tür an, durch die ich so oft gegangen war, dann drehte ich mich um und trottete die Straße entlang.

An den Fassaden der Gebäude leuchtete Reklame, in den Schaufenstern priesen sie ihre Produkte an. An den Haustüren der Wohngebäude lagen Zeitungen. Seto Kaiba prangerte auf dem Titelbild. Ich daneben. Meine Zeichnungen darunter.

Ich riss meinen Blick los und lief weiter.

Die Hochhäuser der Innenstadt schienen am blauen Himmel zu kratzen. Von weitem sah ich die Kaiba Corporation in die Höhe ragen.

Mit Seto Kaiba hatte ich es geschafft irgendwo da oben anzukommen. Das Gefühl war berauschend.

Aber ich würde dort nicht bleiben. Ich gehörte da nicht hin. Es war nur ein Einblick in eine fremde Welt gewesen. Als wäre mein Traum für einen Augenblick Realität geworden..

Vielleicht könnte ich mich an Kaiba hängen und mich von Job zu Job hangeln, immer wieder die Typen da oben überzeugen.

Aber würde ich mich dabei nicht auch abhängig machen?

Konnte ich da überhaupt ich bleiben?

Oder würde ich nicht einer von den Lackaffen werden?

Langsam musste ich wieder zu den Tatsachen zurückkommen.

Mein Name bedeutete nichts.

Aber das würde nicht so bleiben. Ich würde mir selbst etwas aufbauen und beweisen, dass ich verdammt nochmal etwas konnte. Die Frage war nur, wie. Und was. Und überhaupt.

Vielleicht war ich doch nur ein verpeilter Träumer.

Mit einem Schnauben schloss ich die Haustür auf. Als ich in den Flur des Hauses meiner Mutter trat, kam mir schon mein kleiner Bruder entgegen, flog mir geradezu in die Arme und plapperte fröhlich vor sich her. Serenity folgte ihm.

»In deinem Zimmer wartet jemand auf dich?«, flüsterte sie und es klang wie eine Frage.

Ich runzelte die Stirn und zog mir die Schuhe aus.

»Öh.«

Hatte Yugi etwas vergessen – oder Tris? Aber die hätten mir sicherlich nur schnell eine Message geschrieben, damit ich es ihnen morgen in die Schule bringe.

Hatte ich etwas vergessen? Oder jemanden?

»Oh, Joey, da bist du ja«, rief meine Mutter von der Küche aus. »Du hast Besuch. Er wartet in deinem Zimmer. Ein ganz höflicher junger Mann. Wirklich total nett. Meinte, ihr seid schon länger gut miteinander bekannt. Warum hast du ihn uns bisher noch nicht vorgestellt? Er –«

Ich wartete nicht, bis sie mit ihrem Geplapper fertig war, sondern nahm mehrere Stufen gleichzeitig, stieß die Tür zu meinem Raum auf und erstarrte.

Er saß auf meinem Bett, als gehörte es ihm. Darauf ausgebreitet lagen die Fotos und Zeitungsartikel über Seto Kaiba, die ich sorgfältig unter meinem Bett in einem Schuhkarton aufbewahrt hatte.

»Hallo, Joey«, begrüßte mich Christian mit einem Grinsen, das mir die Magensäure in die Lungen jagte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich gebe es zu: Ich hatte keine Ahnung mehr, wie ich die Freunde von Mokuba genannt hatte. Im Canon hat er ja irgendwie gar keine?
Tobi stimmt, den Namen hatte ich wiedergefunden. Aber das Mädchen? Hatte sie einen Namen? Wenn jemand einen anderen Namen als Zoe für sie findet, bitte Nachricht an mich. x)
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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Onlyknow3
2018-09-11T18:55:23+00:00 11.09.2018 20:55
Joey stellt das Licht unter einen Schemel. Er macht sich kleiner als er ist.
Aber was will dieser Christian von ihm, und warum stöbert er in Joeys Zimmer herum?
Super Kapitel, weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Jaelaki
19.09.2018 21:28
Ich denke, oft sieht man selbst gar nicht, was man alles geleistet hat, sondern sieht nur die Dinge, die man noch schaffen muss. Zumindest geht es Joey momentan so. Seine Zukunft ist ja beruflich ziemlich ungewiss und dann kommt noch die Sache mit Seto und Mokuba dazu ...
Ich danke dir für deine Rückmeldung! : )
~Jaelaki
Von:  Sellery-Attack
2018-09-10T18:07:20+00:00 10.09.2018 20:07
Wieder ein so tolles kapitel. Allein das ende, so spannend. Ich freu mich schon aufs nächste kapitel. Mach weiter so :D
Antwort von:  Jaelaki
19.09.2018 21:29
Danke dir! : ) <3
~Jaelaki
2018-08-05T11:49:15+00:00 05.08.2018 13:49
Huhu, ich liebe diese fanfic, weißt du den schon wann ein neues Kapitel kommt? :)
Viele Grüße
Antwort von:  Jaelaki
10.09.2018 17:20
Hey, danke dir! ; )
Das neue Kapitel ist eben online gegangen. Das nächste kommt voraussichtlich am Wochenende.
Ich hoffe, dass ich es zukünftig wieder schaffe, jedes Wochenende ein neues Kapitel online zu stellen. : )
~LG Jaelaki


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