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Rot-Weiß-Rot im Alphabet

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,

Diesmal ist es ein Drabbel, bei dem ich den Begriff in die frühe Babenbergerzeit angesiedelt habe, nämlich 994. Das physische Alter von Roderich beträgt ungefähr 4-5 Jahre, das von Bayern vielleicht 10-12. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
endlich habe ich diesen Os fertig bekommen, eigentlich war er einmal Teil von F-Fahne, aber dann habe ich ihn als eigenen OS geführt. Wenn man es so will ist es die Fortsetzung von F. Es handelt um die Fortsetzung des Konfliktes zwischen Richard Löwenherz und Leopold V, Herzog von Österreich und Steiermark (Ja, unsere liebe Steiermark war zu dieser Zeit noch immer ein eigenständiges Herzogtum, welches erst seit dem 8. Mai 1192 unter Herrschaft Leopold V fällt, jedoch nicht an den österreichischen Landen annektiert worden war).

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
nun gut diesmal ist es wieder ein regulärer Os geworden. Ultimatum ist einer meiner persönlichen Lieblinge, da ich schon lange daran gearbeitet habe und die erste Türkenbelagerung Wien zu einen meiner absoluten favorisierten Ausschnitte in der österreichischen Geschichte zählt. Ich hoffe die Mühe war es wert. Diesmal wird es auch ein leichtes RoderichxAntonio geben, wenn auch nicht sehr präsent. Ich selber muss sagen das Parring irgendwas an sich hat, zudem es historisch auch irgendwie einen Bezug hat. Leider gibt es zu dem Thema kaum was (, die einzigen FF die ich dazu kenne sind auf französisch). Nun ja genug geschwaffelt.
PS: Abschnitte die kursiv davor ist sind Flashbacks Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
… nun wie soll ich anfangen,…
Als erstes ich freue mich sehr endlich diesen kurzen OS posten zu können. Zum einen weil diese Grundidee, eine der ältesten ist welche ich gehabt habe (ja, er hat ein wenig Bezug auf den Nachnamen von Roderich… - -) und zum anderen weil sie sich ein wenig von den anderen abhebt. Habe ich bei den anderen immer präzise Ausschnitte der Geschichte gewählt so hat diese mehr den Bezug auf die Umstände, die zu dieser Zeit geherrscht haben. Doch dazu mehr im geschichtlichen Kontext. Da ich noch immer keinen Korrekturleser habe, würde ich euch bitten mir zu schreiben, wenn ihr Fehler findet, damit ich es dann nachträglich korrigieren kann. Über Kommis und Feedbacks freue ich mich immer sehr.
Nun den viel Spaß…
Lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
für meine letzten Verhältnisse ist dieses Kapi, ein wenig zu kurz geworden, ein längeres Drabbel eben, aber may. Ähnlich wie Meuchelmord ist es das Ergebnis von einem spontanen Einfall und der Erinnerung an die Tafel, dessen Text im Historischen Kontext steht. Was ich noch hier erwähnen möchte, ist die Tatsache das mit dem Annektieren Österreich ans Deutsche Reich der Name Österreich und alles mit dem es was zu tun hat verboten wurde. Leute, ob politisch aktiv oder nicht, welche an Österreich, als das was es ist festhielten, waren hochgradig verdächtigt und wurden verfolgt.
Für die welche meine FF-Lebendig begraben lesen, möchte ich hier auf den Punkt hinweisen (vielleicht ist es ja jemanden aufgefallen) das ich (ebenso wie hier) nie Umschreibungen für Roderich benützt habe, welche das Wort Österreicher (und all seine Variationen dafür) benutzt habe, solange ich zwischen 1938-1945 schreibe.
Nun viel Freude damit.
Lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute, melde mich zurück mit dem fünften Begriff. Für diejenigen welche auch meine Übersetzungen lesen, kann ich ankündigen das ich hoffentlich im Laufe nächster Woche, wiedermal was posten kann.
Nun gut…
Den Begriff Geisel habe ich unter folgenden Punkt, als Inspiration benutzt:

„In der Geschichte wurden Menschen zur Gewähr, dass ein Vertrag eingehalten wird, bei der anderen Partei als Geisel genommen und mussten dort leben. Oft handelte es sich um Söhne vornehmer Vertreter tributpflichtiger Staaten. Diese wurden im Gastland normalerweise ehrenvoll behandelt und erzogen.“ (Quelle: wikipedia.de)

Nun das römische Reich ist vor ein paar Jahrhunderten gefallen. Die verschiedensten Stämme haben sich auf (heutigen-) österreichischem Territorium niedergelassen und sich mit der keltisch-romanischen Bevölkerung vermischt. Die Alpenslawen beginnen am Ende des 6 Jahrhunderts mit der Errichtung eines Fürstentums (welches für die spätere Entwicklung Kärnten eine bedeutende Rolle spielen wird) auf kärntnerischen Boden (und ein wenig drüber hinaus). Dieses Fürstentum wird besonders ab den Ende des 7 Jahrhundert von den Awaren, ein Reitervolk aus dem Osten, bedroht. Um der Bedrohung Herr zu werden, wandte man sich an Bayern, was eine schleichende christliche Missionierung mit sich brachte und dazu führte das Karantanien ( der Name dieses Fürstentumes) immer mehr in Abhängigkeit von Bayern geriet. 772 schlug Tassilo III, Herzog von Bayern einen Aufstand in Karantanien blutig nieder und überführte das Fürstentum endgültig unter bayrischer Oberhoheit. Somit verlor Karantanien völlig seine Unabhängigkeit und wurde später vor der Erhebung zum Herzogtum Kärnten (976) als karantanien Mark in den Analen geführt.

Gut, nun zu den Protagonisten:
Katharina -> späteres Kärnten, jetzt jedoch Karantanien
Theodor-> Bayern, ich entliehe ihn mir von KahoriFutunaka aus ihrer FF „Österreich-Ungarn“
Norikum->ehemaliges keltisches Königreich und römische Provinz. Ich lasse sie hier noch erschienen obwohl das römische Reich schon untergegangen ist, nach der Idee das die alten Länder (Rom, Gaul, Britannia,…) noch ein wenig bei ihren Nachkommen geblieben sind, bis diese halbwegs auf eigenen Beinen stehen konnten.

Physisches Alter der Protogonsiten:
Katharina-> ungefähr 9 Jahre
Theodor->ungefähr 11 Jahre
Roderich-> ungefähr 3 Jahre
Norikum-> junge Frau Mitte zwanzig. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
Im Vorhinein, nachdem KahoriFutunaka mir immer fleißig Kommis schreibt und damals gemeint hat sie wüste um welche Hochzeit es handelt, widme ich den Os ihr (hoffe er gefällt, wenn nicht kann man auch nichts machen^^). Tut mir leid dass es wiedermal nichts Fröhliches geworden ist. Aber ich arbeite dran.
Ach ja Stichwort heiteres. E-Viech auf Animexx, war so freundlich auch einen OS für diese Sammlung zu schreiben. Ein weiteres H, welches ihr hier unter dieser Adresse findet: (kann ich erst später einfügen da mein Internet im Zusammenhang mit Animexx spinnt)Ist wirklich sehr lesenswert geworden.
Aber gut, endlich habe ich eine weitere ewig alte Baustelle zu ihrem Ende gebracht. Eigentlich sollte sie sich in eine völlig andere Richtung entwickeln, aber da fand ich nicht einmal den Ansatz eines Ende. Dann ist halt das daraus geworden, wie ihr es unten lesen könnt. Den Begriff kann man nun deuten wie man will. Es gibt sehr viele wichtige Hochzeiten in der ö. Geschichte (den angelblichen Ausspruch: „Du glückliches Ö heirate“ kommt nicht von ungefähr). Doch in diesem OS wird nur auf eine Hochzeit angespielt, die nichts mit den Habsburgern, welche wahre Meister waren im Verheiraten, zu tun hat. Schauen wir mal wie viele vom geschichtlichen Kontext eine Ahnung haben. Es würd mich wirklich interessieren, und damit meine ich eher meine Landsleute, die das eigentlich in der Schule hätten haben sollen (die anderen dürfen da weghören), ob jemand mit dem geschichtlichen Zeitpunkt anzufangen weiß. Geschichtlicher Hintergrund ist wie immer am Ende zu finden.
Weiteres ich weiß es ist nicht geschickt von mir, aber, anders geht es einstweilen nicht Dieser OS ist die Fortsetzung von T-Totenwache, welchen ich immer noch nicht schaffe fertig zu kriegen, schaue ihm die letzten Wochen dabei zu das er immer länger wird ohne ein Ende in Sicht zu haben…
Ach bevor ich es vergesse: Hedvika, ist ein weiterer Oc, welchen ich mir ausleihe und steht für das Königriech Böhmen (heute mehr oder weniger Tschechien). Es wird auch ein wenig Aus.x Böhmen geben (welcher sich ein wenig auf T-Totenwache stütz, aber siehe oben ist der noch nicht fertig.)…
Aber gut, ich hoffe es passt dennoch so weit. Würde mich um ein wenig Feedback freuen und wenn es Unklarheiten im geschichtlichen Kontext gibt, dann schreibt mir das bitte. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
salute,
huh möchte gleich im Voraus sagen das ich das schnell in der letzten Stunde zusammen geschrieben habe. Also bitte erwartet nichts Großartiges...- -
geschichtlicher Kontext folgt morgen. Nur so viel: der 26.10 war ab 1955 eigentlich er Gedenktag der Flagge und ist er in den 60 Jahren zum Feiertag avanciert. Deshalb denkt hier Roderich eher weniger das er Geburtstag feiert sondert mehr das erstens ab den 26.10.1955 die Neutralität beschlossen wurde und zweitens das die letzten alliierten Soldaten abgezogen wurden.
nun den für euch alle, ich hoffe ihr habt einen schönen Nationalfeiertag verbracht und man liest sich nächsten FR. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Salute,
es ist zwar nicht FR, aber nachdem ich eh ein paar Post in meinen Dateien als Reserve habe, dachte ich mir ich poste auch heute auch mal was. Ist halt wieder mal eine spontane Idee gewesen, auch wenn ich an der Grundidee lange geknabbert habe, nun denn…
Ach ja, für Leute welche vom früheren Salzhandel, welcher in den Alpen ab getätigt wurde, überhaupt keine Ahnung haben, würde ich empfehlen zuerst sich den historischen Kontext durchzulesen (in der Charakterbeschreibung)…
Wenn auch nicht wirklich relevant, so hier das physische Aussehen:
Roderich->16-17
Salvatria->15-16
Theodor->18-19
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So im Vorinein, die oben beschriebene Situation kann man eigentlich streng genommen an zwei Stellen der Geschichte platzieren, einmal im Hochmittelalter und einmal in der Neuzeit, mitten im Barock. Ich habe mich fürs Ende des 13 Jahrhunderts entschieden. Da sah die Situation folgendermaßen aus:

In Ö.:
Die Habsburger haben sich halbwegs in den Österreichischen Landen etabliert, wenn sie auch noch immer mit fehlenden Sympathie Schwierigkeiten hatten. Der amtierende Regent ist Albrecht I, Sohn des Rudolf I (siehe H-Hochzeit), an der vor allem (wenn wunderst) mit den Wienern Probleme hatte. Nachdem er auch über die steirischen Länder verfügte, war auch Gosau (von dem wird später die Rede sein) in seinem Besitzt.

In Salzburg:
Salzburg war seit ungefähr Mitte des 13 Jahrhundert, politisch unabhängig von Bayern und hatte sich geschickt eine fast unantastbare Vormachtstellung im Salzhandel an sich gerafft (das sogar teilweise ziemlich brutal) und verteidigte diese verbissen. Hauptsaline war Hallein mit dem Dürrnberg als Abbaugebiet.

In Bayern:
Der Streit im 12. Und 13 Jahrhundert um dem sehr profitablen Salzhandel aus den Alpen, mit Salzburg, ging zu Ungunsten der Bayernherzöge aus und bewirkte das diese an den Rand des Monopols getrieben wurden.

Ach bevor ich es vergesse: -(...)- = Gedanken Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So meine Lieben, es geht wiedermal weiter.
Diesmal ist es wieder etwas Ernsteres und auch mein erster Songfic in dieser Sammlung.
Außerdem wurde es sogar betagelesen und ich danke Blaubeermuffin von fanfction.net dafür
Das Lied ist von Silbermond, befindet sich auf ihrem Album -Himmel auf- und heißt Waffen.
Es werden auch die österreichischen Oc auftauchen, Personenliste findet ihr im zweiten Kapi.
Die Ereignisse von Schattendorf und der Justizpalastbrand 1927 werden heute oft als Auftakt der darauffolgenden Ereignisse angesehen (österreichischer Bürgerkrieg 1934 und die Einführung des Ständestaates). Wer nicht einmal eine Grundahnung über die Ereignisse von 1927 hat, oder überhaupt nicht weiß wie es in den zwanziger Jahren in Ö aussah, würde ich empfehlen den historischen Kontext zuerst durch zu lesen. Ihr findet ihn wie immer in bei den Charkteren.
Sollten noch Fragen auftauchen, einfach bei mir melden.

Lg, Sternenschwester

PS: Ach ja eine Sache noch. Ich habe begonnen die österreichischen Oc zu zeichnen. Die Bilder findet ihr auf meinem Account von Animexx (http://animexx.onlinewelten.com/fanart/zeichner/215162/) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So wieder ein weiterer OS für RWR. Was ich noch bei diesem Text anmerken will, ist das der erste Teil noch zu den wenigen Bruchstücken gehört hat, als ich mich wieder mit größten Zögern hinter die Tastatur gesetzt hatte und noch das ganze RWR als FF führen wollte, mit Rahmenhandlung und in chronologischer Reihenfolge. Anderes ausgedrückt, verglichen mit meinen anderen älteren Baustellen, ist diese Passage ein Medusalem^^. Nun denn ich bin dennoch froh das es einen Platz gefunden hat und möchte mich herzlichst bei meinen Lesern bedanken, welche offenbar noch immer hin und wieder in diese Sammlung hineinschauen (und natürlich auch ein großes Dankeschön an die welche es kommentieren und favorisieren).
Lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vielleicht wäre es hier günstig den Historischen Kontext (bei Charakteren) sich vor der Lektüre durchzulesen... wenn nicht ihr seit gewarnt worden.
lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Yuhhu, wenn jetzt nicht viele Rechtschreibfehler sind, so sollte es ein Doppeldrabbel sein^^. Wieder einmal eine spontane Verarbeitung eines eindrucken einer Doku.
Viel Spaß damit.
Salvatira->Salzburg Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
/!\Achtung: dieses Kapitel wurde nicht betagelesen. Solltet Ihr Fehler finden, dann bitte schreibt es mir. Vielen Dank.
lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie schon im Titel erwähnt ist dies kein OS von mir sondern von KahoriFutunaka, die mir mit dem Schreiben dieses OS eine große Freude gemacht hat. Großes Dankschön dafür^^!
Sie hat mir zudem auch die Erlaubnis gegeben, den Os in dieser Sammlung zu stellen und zu veröffentlichen . Sollte es Kommis geben werde ich sie ihr übermitteln.
Achtung es werden nun auch italienische Oc auftauchen^^.
lg, Sternenschwester Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Katharina -> Kärnten
Sofia -> die ehemalige österreich-ungarische Monarchie
Franziska -> Burgenland
Adelheid -> Vorarlberg
Hedwig ->Steiermark
!Nicht betagelesen! Komplett anzeigen

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M-Meuchelmord

„War ihm doch an Klugheit und stets vornehmer Haltung keiner gleich“
 

Zitat von Thietmar über Leopold I ( Babenberger)
 

08.07.994-Würzburg
 

Ein Aufschrei ging durch die Menge, als der Pfeil sein Ziel traf.

Das erste was Roderich spürte war, wie Blut seine Wange benetzte.

Die Ritter, welche gerade zum Lanzengang grüßen wollten, hielten inne.

Doch alles was die kleine Markgrafschaft sah war, wie der drahtige Körper seines Herren, mit einem Pfeil in der Brust in Zeitlupe nach hinten kippte und wie sich eine große Blutlache auf dem Boden der Tribüne ausbreitete.

Der Bischof, welcher ihnen zur Aussöhnung dieses Fest ausgerichtet hatte, bellte in Panik seinen Wachen Befehle zu. Der Neffe seines Herren war über den Sterbenden gebeugt und verlangte nach einem Heilkundigen. Die Menge vor ihnen wurde unruhig.

All diese Stimmen jedoch blendete das junge Ostarichi aus.

In seinen Ohren klang noch der leise Ausruf der Verwunderung nach, welcher die Lippen des Babenbergers verlassen hatte.

Er konnte einfach nicht den Blick von dem Mann wenden, welcher nun seit beinahe zwei Jahrzehnten seine Geschicke leitete. Mit zitternden Fingern strich er sich über die Wange und schaute ungläubig das Blut an, welches auf den Fingerspitzen klebte. Er bemerkte nicht einmal, dass Bayern ihn plötzlich auf den Arm nahm und ihn davon trug. Später in der Kemenate, welche ihnen als Unterkunft zugewiesen wurde, versuchte das ältere Herzogtum, die junge Markgrafschaft zu trösten, während dem Jüngeren, still Tränen über die blutverschmierten Wangen liefen. Doch es half nichts. Es war das erste Mal seit dem Verschwinden seiner Mutter Noricum, dass Roderich seinen Tränen vollen Lauf ließ.

F-Fahne

1191-Akkon-am Fuße der Mauern
 

„Wie kannst du es wagen?“

Roderich kochte vor Wut. England schaute auf ihn mit einem kühlen Blick herunter. Francis stand ein wenig abseits von den Streitenden und hielt sich mit sorgenvollem Blick aus der Sache raus. Auf der einen Seite konnte er die Tat des Engländers verstehen, auch wenn er dies niemals zugeben würde. Doch auf der anderen Seite führte der österreichische Herzog, nachdem der Sohn von Friedrich Barbarossa Anfang des Jahres verstorben war, das zusammengeschrumpfte Heer deutscher Kreuzritter an, und war somit der ranghöchste Fürst in dessen Reihen.

„Wie kannst du es wagen meine Fahne einfach so in den Schmutz werfen zu lassen?“

„Und wie kannst du es wagen dich mit mir und Francis auf die gleiche Stufe zu stellen?“

Englands Stimme blieb ruhig und kühl. Der Österreicher schnaubte abfällig, die Hand in dem er die besagte Fahne hielt zitterte vor Zorn.

„Als erstes verweigert dein König meinem Herzog seinen Anteil und dann beleidigst du mich auf diese Weise? Ich habe für die Eroberung genauso meinen Kopf hingehalten. Das Blut meiner Männer wurde genau so, wie das der deinen vor diesen Mauern vergossen.“

„Ach meinst du deine paar Kummergestalten? Die haben ja kaum eine tragende Rolle gespielt.“

Arthur machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nein, du wirst noch deinen, dir zuständigen, Anteil noch bekommen, auch wenn das nicht viel ist.“

Francis bemerkte eine Zornader auf der Stirn des österreichischen Herzogtums, welche rasant anwuchs. Es wunderte ihn, dass sich dieser schmächtige Junge so hineinsteigerte. Er kannte ihn eher kühl und bedacht in seinen Taten. Gut, es kam einer tödlichen Beleidigung gleich, das Herrschaftszeichen eines Adligen einfach so den Mauergraben hinunter werfen zu lassen. Doch in einer gewissen Weise hatte Arthur recht. Wer war Roderich als kleines Herzogtum schon, gegenüber ihm oder sogar Arthur, welche beide Königreiche vertraten?

„Was soll das heißen, du kannst dich meinen Forderungen nicht einfach so hinweg setzen!“

„Ach nein, dann sage mir was du bist, Austria?“

Ein Schweigen trat ein, welches von Francis unterbrochen wurde, der die Situation eskalieren sah.

„Arthur, es reicht.“

Doch dieser hatte sich warm geredet.

„Du hast wohl vergessen wo dein Platz ist? Du bist ein Herzogtum! Somit bist du uns als Königreiche untergeordnet und jetzt gehe mir mit deinem Wischlappen aus dem Weg.“

Als Arthur an ihm vorbei wollte, sah Roderich mit zusammengekniffenen Lippen zu ihm hoch.

„Sind das deine letzten Worte?“

„Ja“

Als wäre all der Zorn mit einem Schlag weggeflogen, trat der Österreicher, in seiner gewohnten Gelassenheit dem vorbeieilenden englischen Königreich aus dem Weg.

Francis nährte sich vorsichtig dem Braunhaarigen. Dieser sah dem Engländer mit einem kalten Blick nach. Die beiden waren schon von Anfang an aneinander geraten, doch Francis hatte dies auf die allgemeine angespannte Situation im Lager der Belagerer zurückgeführt. Doch selbst jetzt, nachdem sie Akkon erobert hatten, waren die Zwistigkeiten weitergegangen. Dass König Richard, welcher jetzt auch den Beinamen Löwenherz trug, den Willen und Forderungen der kleineren Herzöge und Fürsten gering schätzte, entspannte die Lage nicht sondern verschlimmerte sie nur noch mehr.

„Rodrigue?“ Der Junge fuhr herum als er die Hand des Franzosen auf seiner Schulter spürte. Etwas Unergründliches glitzerte in seinen Augen.

„Trag Arthur diesen Affront nicht zu sehr nach, je t’en pire (ich bitte dich).“

„Ach ja, wie würdest du den reagieren wenn er anstatt meiner Fahne, die deines Königs genommen und in den Schmutz gezogen hätte?“

Francis versuchte zu schmunzeln, dieser Junge war eindeutig zu selten auf der Bühne der Politik des Westens gewesen.

„Tu sais (Weißt du), Albion und ich haben uns schon mit schlimmerem beleidigt.“

Roderich hatte in der Zwischenzeit die Fahne ausgebreitet und begann den Staub auszubeuteln. Ein schwarzer, aufgerichteter Löwe auf silbernem Grund prangte darauf.

„Ist das überhaupt deine Fahne oder die deiner Herrscher?“

„Das ist das Wappen von meinem Herrn, Leopold V. Mein eigenes schaut ein wenig anders aus.“

Vorsichtig faltete er das Stück Stoff zusammen und sah dem Älteren in die Augen.

„Ich werde mich wieder zurück zu den meinen begeben. “

Francis nickte.

„Falls wir uns nicht wiedersehen, wünsche ich dir noch viel Glück auf dieser Reise und möge Gott dich und deine Männer schützen.“

„Möge auch auf deinem Wegen Dieu (Gott) seine Schützende Hand über dich halten.“

Somit trennten sich auch ihre Wege.

Frankreich sah dem Jüngeren noch nach als sich dieser Richtung Lager der Österreicher aufmachte.

Ein interessanter Junge, vielleicht wird aus ihm in ferner Zukunft noch was werden…
 

Im Laufe der nächsten Tage zog Herzog Leopold V mit seinem Gefolge ab.

Francis und Arthur sahen von der Mauer Akkons zu; wie der kleine Tross auf ein paar Schiffen aufgeteilt am Horizont verschwand. England trug ein schmutziges Grinsen zur Schau, doch auf Francis Gesicht zeichneten sich Sorgenfalten ab. Er mochte den Ausdruck auf Roderichs Gesicht nicht, als dieser die Tore der Stadt, Richtung Meer, verließ.

Das österreichische Herzogtum hatte still und in sich gekehrt auf dem Pferd gesessen, mit dem Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er bald Genugtuung erfahren würde. Als hätte er einen Plan, welcher nur noch ein wenig Schliff benötigte. Arthur war dieses Detail entgangen, als er die enttäuschten österreichischen Männer von dannen ziehen sah. Eine leichte Brise erhob sich und fuhr dem Blonden durchs Haar. Der Franzose wandte sich ab und sah im Augenwinkel, dass es ihm England gleich tat. Was auch immer ihnen in Europa die Zukunft bringen möge, was jetzt zählte war das hier und jetzt.

Doch ein kleines Stimmchen in seinem Kopf sagte ihm, dass es falsch wäre das kleine Herzogtum zu vergessen. Und wer weiß ob er nicht aus einer möglichen Intrige persönlichen Profit schlagen konnte…

L-Lösegeld

Ende 1192-Wien –Am Hof
 

Der Schnee lag in Form einer dicken Decke über Wien.

Roderich saß an seinem massiven Eichenholztisch, auf dem sich Verwaltungsbücher und die verschiedensten Pergamentrollen stapelten. Während er dem österreichischen Adligen zuhörte, welcher ihm seine Probleme mit ein paar randalierenden Räubern schilderte, tippte er sich geistesabwesend mit der Feder gegen die Lippen. Hedwig, seine jüngere Schwester stand hinter ihm und schenkte im Gegensatz zu Roderich dem Edelmann vor ihnen, ihre volle Aufmerksamkeit. Plötzlich vernahm der Braunhaarige Poltern und Geschrei vor seinem Zimmer. Der Mann vor ihm hörte auf zu reden und Roderich ließ die Feder sinken. Bevor einer im Zimmer reagieren konnte stieß jemand die schwere Holztür auf.

„Wie kannst du es wagen?“, schrie England in den Raum hinein.

Er stand mitten im Türrahmen, die Hände vor sich gefesselt und noch immer in das gleiche einfache Gewand gekleidet, wie sie ihn und seinen König aufgegriffen hatten.
 

Nachdem sich Roderich mit einem Blick vergewissert hatte, dass die Fesseln an den Handgelenken noch immer fest saßen und sich die Personifizierung des englischen Königreiches kein Schwert oder andere Waffe beschafft hatte, lehnte er sich wieder entspannt zurück in seinen Sessel.

„Wie kannst du es wagen, ohne Sinn für Höflichkeit, nicht zu warten, bis ich Zeit für dich habe?“, fragte er entspannt lächelnd.

Polternd kamen die Wachen angerannt und nahmen Arthur wieder grob in ihre Mitte.

„Verzeiht uns Herr, er ist uns entwischt als wir ihn aus seiner Zelle zu euch führen wollten“

Roderich winkte ab.

„Ihr könnt ihn reinführen und besorgt für unseren Gast einen Stuhl.“

Einer der Männer brachte den Engländer in den Raum, während der andere wieder den Gang entlang verschwand.

Der Adlige von vorhin, stand noch immer abwartend im Raum. Roderich drehte seinen Kopf zu seiner Schwester um.

„Styria, dürfte ich dich bitten, dass du dich der Angelegenheit dieses Mannes annimmst und alles Nötige in die Wege leitest?“

Hedwig nickte lächelnd, knickste kurz vor Arthur und winkte dem Edelmann ihr zu folgen. Als sie aus der Tür getreten war, drehte sich die Blondhaarige noch einmal kurz um.

„Ich werde dir noch eine Krug Wein raufschicken lassen, Bruder.“

Roderich seufzte und schloss kurz die Augen.

„Es ist schön, eine Schwester zu haben, welche immer mitdenkt und einem in seiner Arbeit unterstützt, findest du nicht?“

Er setze sich wieder auf.

„Ach ja ich vergaß, du bist ja mit deinen Brüdern im Dauerkonflikt.“

England stand neben der Wache und musste sich zusammenreißen, seinen Mund zu halten. Die andere Wache betrat wieder den Raum und stellte einen Stuhl vor den großen Tisch. Etwas grober als nötig gewesen wäre, bucksierten die Männer England auf den Stuhl.

„Bei Gottes Gnade, nimmt ihm doch bitte die Fesseln ab.“, verlangte Roderich, als er sah, wie England bei seiner Gegenwehr, beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

„Aber Herr,…“, begann einer der Männer, aber das Herzogtum brachte ihn mit einem Blick zum schweigen.

„Ich weiß ganz genau was ich tue. Hinterfrage nicht meine Befehle.“, raunte er bedrohlich und entließ beide mit einem Wink. „Ich werde mit diesem Jüngling schon alleine fertig. Und wenn ihr schon solch große Sorgen um mein Wohlergehen habt, dann haltet euch vor der Tür bereit.“

Als beide Wachen aus dem Raum gegangen waren, wandte sich Roderich seinem Gast zu.

„Ich hoffe doch, dass man dich und deinen Herrn mit dem Respekt behandelt, der euch beiden gebührt?“, fragte er ihn über seinen Tisch hinweg.

„Aber sicher doch. Wir schlafen auf feinstem Stroh, die Kammer ist immer gut ausgelüftet und an Frischluft können wir auch nicht klagen… Ach ja, das Essen hat noch nicht begonnen zu leben, obwohl meist schien es mir, es hat dafür nicht mehr viel gefehlt. Der Hausherr ist zuvorkommend und großzügig. Außerdem können wir uns vor Männern nicht retten, welche darauf bestehen uns Tag und Nacht Gesellschaft zu leisten. „ Englands Stimme tropfte vor Sarkasmus. „Das einzige was uns noch fehlt, wenn Durchlaucht so freundlich wäre, sind neue Gewänder.“

„Es freut mich, dass es dir auf Dürnstein so gut gefällt. Eine wundervolle Burg, nicht wahr? Nun, was die Kuenringer betrifft, mein verstrobener Herr Liutpold, Gott habe ihn selig, hatte ein wirklich gutes Gespür für Gefolgsmänner. Aber gut, ich habe dich nicht für ein Pläuschchen durch den Schneesturm aus Dürnstein hierher nach Wien holen lassen. Es schmerzt mich sehr, aber kommen wir zum Geschäftlichen.“

Roderich hatte, während er sprach, nicht aufgehört leise zu lächeln. Die Tür ging erneut auf, und eine junge Dienstmagd huschte herein, um einen Krug mit Wein und zwei Bechern auf den Tisch zu stellen. Der Österreicher schenkte sich großzügig ein, und belustigte sich an dem Gesichtsausdruck des Engländers, welcher den Wein mit größtem Interesse musterte. Doch sein Stolz schien mächtiger zu sein als der Durst. Roderich befand sich dennoch in einer großmütigen Stimmung, weshalb er, nach einigen Augenblicken, auch den zweiten Becher füllte. Dieser blieb jedoch auch ungerührt, bis das Herzogtum sich seinen Papieren, vor ihm wieder zuwandte. In einen Moment auf den nächsten war der Becher verschwunden, ohne, dass der Österreicher aus den Augenwinkel eine Bewegung beobachten hätte können. Er ging dennoch auf das Verschwinden des Weines nicht weiter ein.

„Nun…“

Österreich hatte sich wieder nach vorne gebeugt und durchwühlte das Papierchaos auf dem Tisch vor ihm.

„Wo war das nun… Steuerliste aus Tulln, nein,…, Einladung auf Stift Melk,… ach zum Teufel, wo steckt das Ding nur,… na endlich!“

Vorsichtig zog er ein Pergamentstück aus dem größten Stapel vor ihm und breitete es sorgsam vor sich auf.

„Ich war so frei und habe den Kaiser über die Festnahme deines Königs informiert. Unnötig zu sagen, dass er hocherfreut war.“

Roderich sah mit zufriedem Lächeln zu Arthur auf.

„Wir beide sind also für den Dreikönigstag nach Regensburg eingeladen worden.“

Arthur hatte offenbar Schwierigkeiten sich zusammen zu reißen, um ihm nicht an die Kehle zu springen.

„Ich nehme dein Schweigen als positive Antwort auf, bezüglich deines Erscheinens natürlich.“

Nun hatte er einen Punkt erreicht, den er lieber nicht provozieren hätte sollen. England sprang auf, warf dabei den Stuhl um, auf dem er gesessen hatte und versuchte den Braunhaarigen über den Tisch hinweg zu erwischen. Dieser hatte jedoch die Möglichkeit eines solchen Angriffs im Geiste durchgespielt und versuchte nun seinerseits auf die englische Attacke zu reagieren. Er wich den grabschenden Händen aus und zog seinen Dolch aus der Scheide, wobei er einige Schritte nach hinten machte, um noch mehr Distanz zwischen ihnen zu gewinnen.

Durch den Aufschlag des Stuhles alarmiert, preschten die beiden Wachen in den Raum und rangen das englische Königreich zu Boden. Arthur wandte sich unter ihrem Griff, trat, kratzte, biss und fluchte dabei aufs Heftigste in seiner Landessprache, doch sein Bemühen war vergeblich. Roderich trat wieder näher heran, als die Männer den Engländer auf die Beine stellten, wobei sie Bewegungsmöglichkeiten so gut es ging einschränkten.

Als der Blonde, wieder halbwegs ansprechbar war, steckte das österreichische Herzogtum seine Waffe weg und sah Arthur auf gleicher Augenhöhe in die grünen Seelenspiegel.

„Warum gerade du?“, presste dieser unter zusammengepressten Zähnen hervor.

„Ich sage nur ein Wort: Akkon.“, antwortete ihn Roderich gelassen, jedoch ohne das vorige arrogante Grinsen.

England brach in ein schallendes Gelächter aus.

„Keiner würde wegen einer Fahne, die Exkommunikation riskieren. Ich wusste immer, dass dein Herr ein Trottel ist, nur war mir nicht bewusst, wie dämlich er in Wahr…“ Weiter kam er nicht, da ihm der Braunhaarige seine Faust in den Bauch gerammt hatte. Die Wachen ließen es zu und lockerten soweit ihren Einfluss auf Arthurs Körper, dass dieser stöhnend zu Boden gehen konnte. Roderich baute sich vor dem Engländer auf, bückte sich und griff nach dem Kragen seines Gefangenen.

„Francis hatte Recht, als er sagte, dass du ein Naivling bist. Ein richtiger Hans-guck- in- die-Luft-Wunderdussel.“

Er machte eine künstlerische Pause, bevor er weitersprach.

„Glaubst du wirklich, dass es mir nur um die Ehre ginge, welche du damals beschmutzt hast? Weißt du überhaupt den Preis, welcher eure Freiheit kosten wird? Nein, das glaube ich nicht.“

Die grünen Augen weiteten sich vor Entsetzen, die Erkenntnis war bitter.

„Das… wagst … du nicht!“, keuchte der Engländer.

Roderich lächelte wieder arrogant.

„Was soll ich nicht wagen? Lösegeld verlangen? Ich bitte dich, mein lieber Arthur…“ Er ließ den Kragen seines Gegenübers los und wartete, bis die Wachen diesen wieder auf die Beine gestellt hatten.

„Wienerneustadts Mauern erbauen sich nicht von selber. Außerdem habe ich noch weitere Bauprojekte, welche über englische Förderungen nicht abgeneigt wären.“

„Das …das lässt euch der Papst nie durchgehen.“

Arthur hatte sich soweit wieder vom Schlag erholt.

„Das lasse ruhig meine Sorge sein. Konflikte mit dem Papst sind hier in den deutschen Landen keine Seltenheit. Doch bisher hat mein politisches Geschick immer den Wind in eine für mich günstige Richtung gedreht. Außerdem wurde, wie du mich ja schon wieder netterweise daran erinnert hast, mein Herr damals in Akkon tödlich beleidigt. Eine Tatsache übrigens, welche uns nur in unserem Plan bestärkt hat.“

Roderich zwickte Arthur in die Wange.

„Ist das nicht der Stoff aus dem man Sagen schreibt? Wer weiß? Vielleicht singen in ein paar hundert Jahren, die Barden über die Gefangennahme Richard Löwenherz in Erdberg und die Tilgung der Schmach, welche er über die österreichischen Hoheitszeichen gebracht hat. Denn, aus den Standpunkt der Ehre gesehen, stehe ich im Recht auf Vergeltung, Blondi.“

„Roderich, du…“

„Aber gut, ich glaube habe dir den Verlauf der nächsten Wochen genug erahnen lassen. Wenn alles in Regensburg nach Plan läuft, wirst du dann zu deinen Landsleuten, in dein verregnetes Loch zurückkehren und berichten was geschehen ist. Ich bin mir sicher, dass der Bruder deines Herren, seinen Bruder schon schmerzlich vermissen wird. Soweit ich weiß, habt ihr ja beide, das gleiche gute Verhältnis zu euren Brüdern. “

England begann wieder das Herzogtum mit jeglichen englischen Flüchen zu belegen, welche dieser gelassen hinnahm.

Er gab den Wachen einen Wink.

„Bringt ihn in das Loch zurück, wo ihr ihn gefunden habt. Außerdem verlange ich, dass man ihm neue Kleider zukommen lässt. So kann weder er, noch sein König vor den Kaiser treten. Und passt gefällig diesmal auf, dass er euch nicht entwischt!“
 

Nach einer Weile, als Arthurs Geschrei in den Gängen nicht mehr zu hören war, betrat Hedwig wieder den Arbeitsraum ihres Bruders. Dieser stand beim kleinen Fenster und hatte die Schweinehaut zurückgeschlagen, um einem Blick nach draußen zu haben. Schweigend beobachtete er das Schneeflockentreiben. Das junge blonde Mädchen stellte sich neben ihn.

„Und?“

„Wir werden morgen aufbrechen. Im Winter zu reisen ist keine angenehme Angelegenheit und ich möchte das Heilige-römische Reich nicht warten lassen.“

„Du wirst mich hier zurücklassen, oder?“, fragte sie nach mit zögerliche Mine.

„Ich möchte dir nicht die Anstrengungen der Reise antuen, nicht… warte mal lass mich aussprechen.“, warf er ein als er die geballte Faust seiner Schwester sah. „Nicht, dass ich dir nicht zutrauen würde, den Strapazen gewachsen zu sein.“

Die Körperhaltung des Mädchens entspannte sich, woraufhin ihr Bruder weitersprach. „Außerdem kann ich mit gutem Gewissen verreisen, wenn ich weiß, dass jemand, in den ich mein vollstes Vertrauen setzen kann, die Tätigkeiten hier überwacht.“

Ein starker Wind trieb die Flocken Richtung Osten.

„Und Arthur?“

„Wenn die Verhandlungen zu unseren Gunsten laufen, dann wird dieser nach England zurückkehren und Sir John über die Gefangennahme seines Bruders in Kenntnis setzen. Wie die Sache dann weitergeht, hängt ganz allein von ihm ab.“

Ein paar Augenblicke sagten beide kein Wort. Unten am Hof versuchte ein Stalljunge so schnell wie möglich das Gesindehaus zu erreichen. Hedwig griff nach der Schweinehaut und hackte sie wieder über das Fenster ein. Danach legte sie ihre Hand auf den Arm ihres Bruders.

„Wir hatten einen langen Tag heute, Bruder. Und morgen liegt noch eine anstrengende Reise vor dir. Komm, gehen wir schlafen.“

Roderich ließ sich nur allzu gerne von der Blondhaarigen mitziehen.

Er löschte noch das Licht und folgte Hedwig aus dem Raum.

Morgen würde er wieder unterwegs sein und auch wenn Arthur in seinem jetzigen Zustand nicht die beste Reisebegleitung war, so breitete sich ein Prickeln in seinem Bauch aus. Er hatte so viel zu verlieren, doch noch mehr zu gewinnen.

B-Blutgericht

Antonio trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Er wollte nicht hier sein. Auf der einen Seite hatten die Verurteilten ihr Los verdient, aber auf der anderen Seite wollte er nicht Zeuge werden wie Roderich von seinem (Antonios) Schützling erniedrigt wurde. Der Österreicher stand mit einem verkrampften Gesichtsausdruck vorm Fenster und sah sich gezwungener Weise das Schauspiel an. Mit jedem Schwertstreich des Henkers verkrampften sich die Hände des bleichen Braunhaarigen immer mehr um den Sims des Fensterbrettes. Antonio meinte sogar das Kratzen der Nägel auf dem kalten Stein zu hören. Ferdinand, sein Schützling, welcher ab nun über die Österreichischen Länder regieren wird, stand an einem der Nachbarfenster und blickte mit unbewegter Miene auf den Platz. Wieder verkündete der Ausrufer das Vergehen des nächsten Delinquenten und der Henker hob das Schwert über dessen Haupt. Der Streich saß gut und der Kopf rollte sauber abgetrennt auf den Boden. Die spanischen Mitglieder vom erlauchten Zirkel des Habsburgers feixten schadenfroh über das Schicksal der Verurteilten.

Vor zwei Tagen waren die adligen Mitglieder dieser Ständeaffaire, wenn man es so nennen konnte, hingerichtet worden. Mit Schaudern erinnerte sich Antonio an den Aufstand, den der Repräsentant der österreichischen Länder gemacht hatte. Beinahe wäre er dabei auf einen besonders kecken spanischen Adligen losgegangen, als dieser sich über die Lage der Wiener lustig machte. Der einzige Grund weshalb dessen Nase noch dort saß wo sie sollte, bestand darin, dass Antonio im letzten Augenblick dazwischen gegangen war um größeren Schaden zu verhindern. Diese zornige und unbeherrschte Seite kannte er von Roderich nicht. Als er ihn vor vielen Jahren bei der Doppelhochzeit zum ersten Mal richtig wahrgenommen hatte, hatte er einen kühlen und distanzierten jungen Mann kennengelernt, welcher eine unnatürlich große Begabung zur Musik besaß. Doch damals hatten weder er noch Roderich gedacht, dass ihre Zukunft durch diese Heirat von Phillip des Schönen von Habsburg mit Johanna der Wahnsinnigen so eng mit einander verschlungen sein würde.

Der letzte Kopf rollte auf den Boden des Platzes. Antonio konnte sehen, wie Roderich die Zähne aneinander mahlte. Hier ging es zwar auch um das Los dieser Männer, doch Roderich war politisch gesehen kein Dummkopf. Er wusste, dass diese unmissverständliche Botschaft ihm galt, um erst gar nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

Ferdinand strich sich noch einmal kurz über den Bart und wandte dann den Kopf dem Repräsentanten der österreichischen Länder zu. Als die Menge begann sich unten zu verstreuen und die Henkersknechte die Leichname den Totengräbern übergaben, löste der Österreicher die Hände vom Sims und wandte sich zum Gehen an. Der Habsburger räusperte sich kurz, worauf die Wachen Roderich grob zurück hielten. Zornig erwiderte dieser den Blick seines neuen Herrn. Antonio fühlte sich mehr und mehr unbehaglich. Er hatte immer mehr das Gefühl, zwischen die Fronten geraten zu sein.

Warum hatte er auch nur Ferdinand in dieses Land begleiten müssen?

Eine lange Schweigepause trat ein, bei der sich der Braunhaarige mit dem Herrscher ein stummes Blickduell lieferte. Schließlich gab das Erzherzogtum nach.

"Habe ich eure Erlaubnis mich zurückzuziehen, Herr?"

Ferdinand lächelte zufrieden, doch seine Augen blieben kalt. Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als würde er einen Hund für ein Kunststück loben, welches dieser eben begriffen hat.

"Du darfst dich jetzt in deine Gemächer zurück begeben."

Die Wachen zogen ihre Hände von den schmalen Schultern des Österreichers weg, doch bevor dieser die Tür erreichen konnte, begann der Fürst erneut zu sprechen.

"Noch etwas Österreich, du wirst Senor Antonio nach Spanien begleiteten."

Verwundert drehte sich die Nation um, und sah den Mann mit einem verständnislosen Blick an, ebenso wie Antonio.

"Ich verstehe nicht, Herr. Warum? Mein Platz ist doch hier!"

Ferdinand begann wieder den Bart um den Finger zu zwirbeln.

"Ich möchte, dass du die Gepflogenheiten des spanischen Hofes lernst."

Darauf lief es also hinaus. Der Habsburger wollte sich nicht an die Landeskultur seiner österreichischen Vorfahren anpassen, sondern seine vertraute, die spanische, in die österreichische Gesellschaft einführen. Antonio konnte den Blick des Erzherzogtums auf sich spüren. Roderich machte den Mund auf um etwas zu erwidern, doch er schloss ihn gleich wieder als er es sich anders überlegte. Dann nickte er nur kurz. "Ich habe verstanden, Herr."

"Gut, Ihr werdet morgen in der Früh aufbrechen."

Ferdinand gab seinem Gefolge einen Wink und schritt an dem österreichischen Erzherzogtum vorbei, durch die Tür hinaus. Als sie nun allein gelassen wurden, schritt Antonio zögerlich auf den Österreicher zu.

"Es tut mir leid, Amigo.", sprach er in einem holprigen Italienisch. "Du wirst sehen, er wird ein guter Herrscher sein..."

"Ach hör schon auf!", fuhr ihn Roderich an, wobei er ganz auf seine Manieren vergaß. "Uno, bin ich NICHT dein Freund. Duo, habe ich nie nach diesem 'Gescherten' (er fiel kurz in seinen deutschen Dialekt zurück) da verlangt..."

Er wollte noch zu einem dritten Punkt ansetzten, entschied jedoch es darauf beruhen zu lassen und versuchte sich innerlich zu beruhigen. Als er wieder zu Antonio aufsah, nahm er seine gewohnte distanzierte Haltung ein. "Bitte entschuldige mich, ich wollte nicht grob werden. Es ist nur so, dass es mir sehr nahe geht wenn Wien in Konflikten involviert ist. Ich bin in diesen Zeiten immer gereizt."

Antonio lächelte zögerlich. "Wien ist nicht immer die einfachste Stadt, nicht wahr? Aber du stehst ihr sehr nahe."

Roderich versuchte sein Lächeln zu erwidern. "Wenn du so willst, repräsentiert Wien meine aufständische Seite."

Er machte eine Handbewegung Richtung Tür und begleitete die spanische Nation hinaus. Der Spanier hatte das leichte Gefühl, dass sich die Situation zwischen ihnen entspannte. Zwar nicht viel, aber immerhin genug, um das Eis zwischen ihnen ein wenig einzubrechen.

U-Ultimatum

Wien - Anfang Oktober 1529 - Stephansdom
 

Missmutig biss Roderich in das harte Stück Brot. Er hielt nun seit Stunden hier oben am Südtrum vom Stephansdom Wacht und war durch die feucht-kühle Luft bis ins Mark durchgefroren. Beißend und kauend überlegte er sich, was nun Sadiq im Heer der Türken wohl machte. Bei der Besprechung einer erneuten Offensive teilhaben oder wie er beim Abendessen?

Auf jeden Fall hatte der Osmane einen abwechslungsreicheren Speiseplan als er. Die Türken wüteten nun schon seit Wochen in der Umgebung von Wien und hatten weit über seine Grenzen ihren Schrecken verbreitet. Mit einem Griff neben sich, setzte er sich den Krug gewässerten Wein an die Lippen, um das karge Mahl runterzuschlucken. Sorgenvoll ließ er seinen Blick über seine Stadt schweifen.

Unter ihm brachen die Landsknechte, welche ihm sein Herr geschickt hatte, bevor sich dieser mit seiner Familie nach Innsbruck geflüchtet hatte, die Straßen auf. Zwar hatte das türkische Heer seine mauerbrechenden Kanonen auf dem Weg nach Westen wegen der schlechten Wetterlage zurücklassen müssen, doch die Kugeln der kleinen Geschütze prallten vom Pflaster in der Stadt ab und richteten nicht weniger Schaden an. Wenn jedoch die Pflastersteine entfernt wurden, so versanken die Kugeln einfach nur im Schlamm.

Überhaupt versank alles in näherer Umgebung im Schlamm. Selbst diese verdammten Türken, dachte Roderich schadenfroh für sich. Ein solch kaltes und schlechtes Wetter hatten sie schon lange nicht mehr gehabt, und dabei stand der Winter erst vor der Tür. Doch wenn es für die Einheimischen ein grausliches Wetter war, wie musste dann die Witterung den Türken zusetzen, welche aus wärmeren und vor allem trockeneren Regionen kamen?

Sein Blick wanderte weiter. Vor den Mauern der Stadt hatten die Türken ihrerseits begonnen Schächte zu graben. Lange hatten der Österreicher und seine Landsleute gerätselt weshalb ihre Feinde diesen Aufwand betrieben. Erst durch einen Informanten und dessen nicht sehr zimperlichen Befragung hatten sie erfahren, dass die Türken vorhatten, die meterdicke Verteidigungsanlage der Stadt zu untergraben, um dann unter ihr eine Sprengladung hochgehen zu lassen. Seitdem hielten an mehreren Abschnitten der Mauer Männer mit Wasserkörben Wache, um diese "Maulwürfe" ausfindig zu machen.

Seufzend stellte das Erzherzogtum den Krug wieder ab, um sich den letzten Bissen Brot in den Mund zu schieben. Aus einer Laune heraus ließ er den Blick nach Süden gleiten und suchte den Himmel nach einer schwarzen Vogelsilhouette ab. Es war nun schon eine Woche her, dass sein treues Wappentier ihm Kunde von seinen Schwestern gebracht hatte.

Hedwig hatte ihm in ihrem letzten Brief versichert, dass sie hinter den schützenden Mauern der Riegersburg Zuflucht gefunden hatte.

Außerdem kannte er seine jüngere Schwester. Sie war mit ihm bisher tapfer durch jede Krise gegangen und würde sich sicher nicht von ein paar Osmanen ins Bockshorn blasen lassen. Mit einem süffisanten Lächeln erinnerte er sich an die Zeiten, wo sie in Rüstung und mit einem Schwert in der Hand an seiner Seite in Schlachten geritten war.

Es gab auch Zeiten wo sie es sogar war, welche die Führungsposition in ihrer Familie eingenommen hatte. Nein, um Hedwig brauchte er keine Sorge haben. Doch um seine ältere Schwester aus Kärnten machte er sich mehr Sorgen, denn von Katharina hatte er nun seit dem Beginn der Türkeneinfälle keine Nachricht mehr erhalten.

Er konnte nur hoffen, dass sie sich auf einer ihrer Burgen verschanzt hatte und wie er auf die Zähigkeit ihrer Landsleute vertraute.
 

Ein leichter Regenschauer ging über die Stadt nieder und überzog das Land mit einem grauen Schleier. Roderichs Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als er sich stärker in seinen Wetterfleck einwickelte. Sein kurzer Aufenthalt in Spanien während der letzten Jahre war nicht gerade eine freiwillige Entscheidung gewesen, doch musste er in diesem Moment zugeben, dass es seine Vorteile hatte, unter der warmen Sonne des Mittelmeeres zu leben.

Das sonnengebräunte Gesicht des spanischen Königreiches erschien vor seinem inneren Auge. Auch wenn er es nicht eingestehen wollte, so fehlte ihm das sonnige Lächeln des Spaniers. Gerade in einer solch prekären Lage wünschte er sich, dass er sich nicht kühl und distanziert vom Spanier verabschiedet hätte. Ihm nie die Chance zuteil werden ließ, ihn näher kennen zu lernen, außer ein einziges Mal.
 


 

"Was meinst du damit, du kannst es nicht?", Roderich musste sich beherrschen, die Stimme nicht zu erben. "Das ist keine Frage des Könnens, Antonio. Sondern des Müssens!"

Der Spanier wich seinem stechenden Blick aus und begann nervös die Finger ineinander zu verknoten.

"Glaub mir, ich würde dir liebend gerne mehr Truppen schicken, doch ich kann nicht so viele Männer von den Fronten abziehen."

"Hör mir zu, Antonio. Ich glaube du verkennst den Ernst meiner Lage. Ich würde dich nie um Hilfe bitten, wenn es darum ginge ein Geplänkel wie zwischen dir und Francis auszutragen..."

Die Hände des Österreichers hatten sich tief in den Stoff seiner Bluse gegraben. Eine leichte Zornesader hatte sich auf dessen Stirn im Laufe des Gespräches gebildet und begann mit jeder ausweichenden Antwort des Spaniers bedrohlich anzuschwellen.

"Das zwischen mir und Francis ist kein Geplänkel sondern ein richtiger Krieg", fiel ihm Antonio ins Wort.

"Und mir rennen jeden Augenblick die Türken die Türe ein!", fuhr ihn Roderich an, nun die Beherrschung völlig verlierend.
 


 

Er hatte sich nicht einmal ordentlich vom Spanier verabschiedet, und wenn er ehrlich zu sich selber war bereute er es. Plötzlich hörte er Getrampel auf der Treppe. Völlig außer Atem, kam ein Landmann zu ihm hinauf. Dieser musste wohl die ganzen Stufen der Wendeltreppe hinauf gesprintet sein. Neugierig, wie auch besorgt, hielt Roderich dem Mann seinen Krug hin, welcher ihn danken annahm, bevor er nach ein paar tiefen Schlucken zu sprechen begann.

"Herr, ich habe eine wichtige Mitteilung an euch."
 


 

Roderich vergrub sich tiefer in seine Decke. Seit der Nachricht vom Aufbruch der türkischen Armee wollte ihn der Schlaf nicht so wirklich heimsuchen. Verärgert warf er die Betttücher von sich und vergrub sein Gesicht in den Händen. Es war nicht die Angst, Sadiqs Horden könnten ihn einfach überrollen.

Nein, denn erstens war er durch seine Kindheit gegenüber solchen Übergriffen abgehärtet und zweitens musste der Türke erstmal an Ungarn vorbei. Doch die Tatsache, dass so manche Nation, welche ihm früher äußert nahe stand, ihn mithilfe der Türken von hinten erdolchen wollte, traf ihn tief. Er wusste von den Geldern, welche Bayern den Türken zusteckte, damit diese ihm und Antonio schlaflose Nächte einbrachten. Seitdem er sich vor Jahrhunderten von Theodor politisch losgesagt hatte und seinen ganz eigenen Weg beschritt, lagen sie sich die meiste Zeit nur mehr in den Haaren. Öfters fragte Roderich sich, wo die brüderliche Liebe, welche beide in seiner Kindheit geteilt hatten, geblieben war. Nun fügten sie sich im allgegenwärtigen Ränkespiel der Mächtigen physisch, wie auch psychisch Wunden zu.

Das knarzende Geräusch seiner Tür ließ ihn hochfahren, und der unerwartete Lichtschein eines schweren Kerzenleuchters irritierte ihn kurz. Er hörte das leise Tapsen von nackten Füßen auf dem Steinboden, welche in seine Richtung zu steuerten. Plötzlich sah er sich Antonio gegenüber, welcher in der einen Hand den Kerzenständer hielt und in der anderen seine Decke, die er hinter sich her geschliffen hatte.

"Tut mir leid, wegen vorhin.", nuschelte der Mediterraner und starrte betreten den Bettpfosten an. Roderich legte den Kopf leicht schief, eine Angewohnheit, welche er sich schon lange abgewöhnt hatte. Dadurch, dass Roderich dem Spanier eine Antwort schuldig blieb, breitete sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen aus. Unschlüssig suchte Antonio vorsichtig den Blick des Österreichers.

"Kann ich heute bei dir schlafen?", fragte er dann zaghaft und ein leichter Rotschimmer legte sich über seine gebräunten Wangen. Noch immer ohne ein Wort zu sagen rückte Roderich ein wenig nach hinten, um dem anderen Platz zu machen. Ein wenig ungeschickt kletterte Antonio zu ihm ins Bett und legte sich neben ihn, wobei er offenbar einen interessanten Punkt am Baldachin über ihnen gefunden hatte.

Roderich hatte sich wieder hingelegt und versuchte angestrengt den Körper neben sich auszublenden. Das leise Ein- und Ausatmen hinderte ihn jedoch daran. Vielleicht lag es aber auch einfach an der Enge, welche nun im Bett herrschte, dass ihn Morpheus nicht so schnell in die Arme nehmen wollte.

"Es tut mir leid...", flüsterte Antonio in die Stille hinein. Roderich lachte kurz freundlos in die Ruhe hinein.

"Das hast du schon erwähnt. Nur zu dumm, dass ich nicht weiß, was genau dir leid tut...", meinte er dann sarkastisch. Nur kurze Zeit später spürte er, wie sich ein Kopf auf seinem Polster in seine Richtung drehte. Auch wenn er durch die Dunkelheit, welche im Zimmer herrschte, gerade mal die Umrisse des Körpers neben ihm ausmachen konnte, meinte er dennoch den Blick der grünen Augen deutlich wahrzunehmen.

"Ich meine natürlich die Konflikte mit deinem Bruder..."

Woher wusste der Spanier darüber Beschied?

"Woher..."

Der Braunhaarige hörte die Bettwäsche rascheln und spürte durch die Einsenkungen der Matratze, dass sich der andere ein wenig aufgesetzt hatte.

"Du solltest deine Korrespondenz nicht einfach so herum liegen lassen, sodass sie von zu neugierigen Nasen gelesen werden könnte.", hörte er den Südländer raunen. Roderich ballte die Hände zu Fäusten und schimpfte sich gleichzeitig im Geiste einen Trottel, dass er zu sorglos mit seinen Briefwechseln umgegangen war.

Wie sehr er diesen Ort hasste. Er war nicht freiwillig hierhergekommen.

Doch im Gegensatz zu einer kriegerisch eingenommen Nation hatte er sich nicht aus Gründen der Unterwürfigkeit dem Haushalt Spaniens anschließen müssen.

Nein, sein eigener Herr hatte es von ihm verlangt. Dieser Herrscher, welcher ihm selber, wie auch vielen seiner Landsleute, ein Fremdling war. Ein fremder Herrscher, welcher nun versuchte dem Land seiner Vorfahren den spanischen Stempel aufzudrücken.

"Es tut mir auch leid, wegen Francis..." sprach Antonio weiter.

"Dass du mir ja wegen eurem Krieg keine Mannen schicken kannst, oder wegen der Tatsache, dass du gegen einen deiner dicksten Busenfreunde ziehst?"

Der Österreicher konnte eine leichte Verbitterung in seiner Stimme nicht unterdrücken. Er wusste nicht genau, was da in seinem Inneren so rumorte. Warum er so sensibel auf den Spanier reagierte. Er konnte nicht sagen wann, aber seit geraumer Zeit verlor er immer mehr und mehr von der kühlen Abneigung, welche er der Personifizierung des spanischen Königreiches seit dem Tod Kaisers Maximilians entgegengebracht hatte.

"Francis ist mein Bruder, Roderich. Auch wenn wir nicht die gleiche Mutter haben, so bleibt Rom unser beider Vater."

Der Spanier stockte kurz.

"Oder das, was bei uns Väter sind, da wir ja streng genommen nicht durchs Blut verbunden sind. Und ich liebe diesen Franzosen wie einen Bruder. Gerade du musst das doch verstehen..."

In der Stimme des Spaniers lag eine tiefe Traurigkeit.

Roderich versteifte sich und schwieg. Das Gesicht Theodors tauchte in seinem Geiste auf.

Nicht durchs Blut verbunden, und doch eine Familie. Er wusste nicht, wie er als Roderich in diese Welt gekommen war. Seine ersten Erinnerungen waren durch die unbeschwerten Tage in Norikums Villa geprägt.

Die letzten Tage vor den großen Völkerwanderungen...

Und obwohl die Anzeichen des drohenden Verfalls sich deutlich in der Zukunft abgezeichnet hatten, so war es für ihn eine unbeschwerte Zeit gewesen, welche er mit Katharina und der Frau, die er immer Mutter nannte, verbracht hatte.

Der Bayer war erst dann in sein Leben getreten, als dieser seine Schwester und ihr Reich endgültig mit Gewalt in das deutsche Herzogtum überführt hatte. Ab diesem Zeitpunkt war er am Hof des älteren Herzogtums aufgewachsen, und hatte sich dann Schritt für Schritt von diesem gelöst, als die Babenberger die Herrschaft über ihn übernahmen.

Theodor war kein Nachkomme Norikums, und dennoch war es Roderich immer einleuchtend gewesen, in ihm einen Bruder zu sehen. Sie ähnelten sich in Sprache, Kultur und Mentalität.
 

Plötzlich spürte er, wie Antonio sich abermals zu Recht legte und nur kurze Zeit später zog ihn ein Arm kräftig an den warmen Körper neben ihm. Überrumpelt durch den unerwarteten Körperkontakt unterließ es Roderich, sich dagegen zu wehren.

"Und es tut mir leid, dass wir noch immer durch eine Wand kalten Eises voneinander getrennt sind.", flüsterte eine warme Stimme in sein Ohr.

Langsam drehte sich Roderich mit dem Oberkörper zu Antonio um, den Arm des Spaniers zu seiner Hüfte schiebend. Sah ihm zum ersten Mal richtig in die grünen Augen und erkannte da, trotz der Dunkelheit, eine Ehrlichkeit, welche ihn unangenehm berührte. Er hatte Angst vor dem, was er in den Seelenspiegeln des anderen sah und auch vor dem was sich in ihm verändert hatte, seit dem er im Hause des Spaniers wohnte.
 


 

Der Mann zupfte sein Barett zu Recht, bevor er weitersprach.

"Ein Türke verlangt Sie zu sprechen!"

Roderich hob den Kopf und verschränkte die Finger ineinander.

"Was für ein Türke? Beschreib mir den Mann.", sagte er gelassen.
 


 

Der Regenschauer war schon abgeklungen als Roderich mitgeteilt wurde, dass ihn ein gewisser Sadiq von den Türken zu sprechen verlangte.

Nun wurden die Stadttore geöffnet und Roderich schlüpfte durch den dünnen Spalt hinaus. Das Umland von Wien sah verwüstet und brach aus. Ohne eine Regung zu zeigen, schritt Roderich auf den Reiter des Schimmels zu. Die anwesenden türkischen Krieger machten ihm respektvoll Platz, beobachteten ihn jedoch mit misstrauischen Blicken.

Sadiq stieg nicht ab, als der Braunhaarige nun direkt vor ihm stand. Er schickte jedoch seine Leibwache mit einer Handbewegung fort. Die Krieger nickten nur kurz und marschierten dann in geordneter Formation Richtung Lager. Als auch der letzte der Bewaffneten außer Hörweite war, wendete sich der maskierte Mann seinem Gegenüber zu.

Eine Weile sprachen beide kein Wort zueinander. Jeder musterte für sich den anderen, um im Stillen den anderen einschätzen zu können.

Keiner von ihnen war sich davor begegnet. Nach einer geschlagenen Weile öffnete der Türke den Mund. Die Stimme klang gar nicht so tief wie der Österreicher sie sich vorgestellt hatte.

"Sag deinen Leuten, dass ich ihnen drei Tage Zeit lasse. Drei Tage um sich zu ergeben."

Roderich ließ sich Zeit, um zu antworten. Er wusste, warum Sadiq ihnen ein Ultimatum überbrachte. Sollte Wien sich nicht ergeben, und der Sultan gezwungen sein die Stadt mit einem Ansturm zu erobern, dann musste er die Stadt seinen Kriegern und Soldaten für die Plünderung, nach islamischem Recht, freigeben.

"Ich werde es den Meinigen sagen. Aber ich würde mir an deiner Stelle keine großen Hoffnungen machen."

Der Osmane lächelte spöttisch.

"Und mit welcher Armee willst du mich hindern die Stadt einzunehmen, Austria?"

Roderich verzog für einen kurzen Moment das Gesicht. Er hasste es, wenn ihn andere in einer solchen prekären Lage von oben herab ansprachen. Doch als er sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, war er wieder Herr seiner Mimik.

"Es mag vielleicht ein Ungleichgewicht in der Anzahl der Soldaten auf beiden Seiten geben. Doch frage ich dich Sadiq, glaubst du wirklich, dass du eine Belagerung lange genug aufrechterhalten kannst, wenn der Winter unmittelbar vor der Tür steht?"

Der Maskierte lachte auf.

"Ich glaube du missverstehst mich. Selbst mit den paar Kummergestalten welche dein Herr noch im letzten Augenblick auftreiben konnte, glaubst du allen Ernstes dein kleines Städtchen dahinter kann es mit meiner Armee aufnehmen?"

"Wir mögen vielleicht wenige sein, Sadiq. Aber wir sind entschlossen unsere Haut teuer zu verkaufen."

Roderich verschränkte trotzig die Arme ineinander.

Ja, viele haben Wien in den letzten Wochen verlassen, da sie der Stadt nicht zutrauten gehalten zu werden. Doch auch wenn er nicht die erhoffte Unterstützung gefunden hatte, so waren nun mehr Landsknechte in der Stadt als Bürger und selbst diese Zurückgebliebenen waren entschlossen ihr Heim um jeden Preis zu verteidigen. Spanier, Böhmen und Österreicher, gemeinsam gegen die Osmanen.

"Nun, ich stelle euch das Angebot um dieses unnötige Blutvergießen zu verhindern. Kehre zurück und übermittle mein Ultimatum an deine Leute."

Sadiq ließ seine Stute wenden und ritt mit einem Grinsen zurück Richtung Lager, ohne sich noch einmal nach Roderich umzudrehen.
 


 

Nach kurzem Verhandeln ließ man Roderich aus den Stadttoren hinaus. Die prekäre Lage, in welcher sich die Stadt befand, spannte die Gemüter der Bewohner, ob nun Bürger, Landmann oder Flüchtling, auf äußerste und das Erzherzogtum musste einen Teil seiner Autorität in die Waagschale werfen, um ohne Eskorte außerhalb der schützenden Mauern zu kommen. Nach einem kurzem Fußmarsch im Nieselregen und unter den misstrauischen Blicken der Feinde in der Entfernung, erreichte Roderich einen zerstörten Weinberg, ein wenig abseits gelegen vom Kriegsgeschehen. Wie von ihm erwartet, stand dort die weiße Stute der Personifikation des osmanischen Reiches. Als dessen Reiter den Näherkommenden erblickte, lenkte er sein Tier in dessen Richtung entgegen. Als sie sich in der Mitte trafen, musterten sich beide Kontrahenten eingehend. Trotz der Maske und den zusätzlichen Kleidungsschichten konnte der Österreicher mit Genugtuung feststellen, dass sein Feind seit ihrer ersten und letzten Begegnung an Gewicht und Stattlichkeit verloren hatte.

"Warum waren deine Leute nicht weise genug mein großzügiges Angebot anzunehmen?", begann der Türke die Konversation, welche schon vor Minuten hätte beginnen müssen. "Warum waren sie dumm genug das Ultimatum, welches wir gestellt hatten, verstreichen zu lassen."

Roderich streckte sich, um die verdammte nasse Kälte aus seinen Gliedern zu bekommen.

"Sadiq, ich fürchte dir mitteilen zu müssen, dass du derjenige bist, dem das Ultimatum gestellt wurde."

Roderich versuchte ein entspanntes Lächeln aufzusetzen. Selbst unter der Maske konnte er den forschen Blick des Türken auf sich spüren. Nach einem Moment des Schweigens bückte sich der Braunhaarige und hob einen Ast auf.

Der Frost hatte auf dem noch feuchten Schlamm eine dünne Eiskristallschicht gebildet. Vorsichtig fuhr der Österreicher darüber, bedacht die Kristalle nicht zu zerstören. Dann reichte er sie seinem Begleiter.

"Militärisch gesehen läuft dir die Zeit davon, Sadiq. Der Winter wird dieses Jahr früher kommen als geplant. Ihr seid jetzt schon bis auf die Knochen durchnässt, eure Versorgung ist stockend bis gar nicht vorhanden, das Umland ist verwüstet... Sag mir, wie willst du in Zukunft die Belagerung aufrecht erhalten?"

Sadiq zügelte sein Pferd, um auf gleicher Höhe mit Roderich zu sein.

"Du wirst fallen.", antwortete er dem Österreicher, ohne ihn von der Seite anzuschauen. "Du wirst vor mir ebenso in die Knie gehen, wie all die anderen vor dir."

Roderich lachte schallend auf und warf dem Begleiter einen arroganten Blick zu.

"Fallen, wie die anderen... Mein lieber Sadiq, dein Problem liegt darin, dass ich nicht bin wie die anderen. Wien ist auch nicht wie die anderen. Was du jetzt versuchst, haben schon viele versucht und beide, Wien und Ich, stehen bis zum jetzigen Tage noch vor dir. Wenn sich Wien nicht von sich aus ergibt, kannst du deine Hoffnung auf einen Erfolg vergessen."

Das österreichische Erzherzogtum erhob mit jedem Satz immer ein wenig mehr seine Stimme. "Und bei der Jungfrau und allen Heiligen, Wien wird nicht in die Knie gehen."

Er wusste, dass er mit seinem Gerede die Wahrheit zu kaschieren versuchte. Dass die Lage in vielen Punkten gegen sie sprach. Dass so viel an der Messerklinge lag, und trotzdem hatte er keine Wahl.

Sie hatten nun schon so lange durchgehalten, länger als ihnen die meisten Zeitgenossen zugetraut hatten. So viele hatten ihren Sturz prophezeit und noch standen beide, er und sie. Wenn sie nur ein wenig länger als die Türken standhielten, konnten sie gewinnen.

"Ist das dein letztes Wort, Austria?"

Roderich stemmte die Hände in die Hüften und blitzte auffordernd aus den Augen.

"Bleib doch hier wenn du dich überzeugen möchtest, und renne weiterhin gegen meine Mauern an. Du wirst derjenige sein, welcher wie ein verprügelter Hund abziehen wird."

Sadiq wendete sein Pferd in Richtung Lager und sah noch ein letztes Mal das Erzherzogtum an.

"Hoffe Österreich, solange du noch kannst und schau nun, dass du dich zu den deinigen scherst, bevor ich mich meines Wunsches nicht mehr erwehren kann, dich für deine Arroganz in Ketten legen zu lassen."

Mit einem Druck auf den Bauch seines Pferdes, trieb er das Tier an.

Roderich indes verschwendete keine Zeit, die momentane Sicherheit hinter den Mauern von Wien wieder aufzusuchen, sich fragend wie lange dieser Zustand noch währen wird.

Er hatte noch so viel vor. Antonio tauchte abermals vor seinem geistigen Auge auf.

Sollte er das alles hier so gut wie möglich unbeschadet überstehen, so wollte er einen Neuanfang in ihrer Beziehung einschlagen. Die Ablehnung und das Misstrauen der letzten Jahre hinter sich lassen. Der Braunhaarige erreichte das massive Stadttor und schlüpfte hastig durch den dünnen Spalt, den man für ihn geöffnet hatte. Nein, um eine neue Chance beim Spanier zu bekommen, musste er sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.

Bisher war ihm Fortuna hold gewesen, doch wer konnte sagen wie lange Gott seine schützende Hand über seine Stadt halten würde. Und sollte Wien fallen, soweit war sich das Erzherzogtum Österreich sicher, so würde auch er fallen.

E-Edelstein

Stift Melk - irgendwann zwischen 994-1018 unter der Herrschaft Heinrich I
 

Die Mönche waren schon seit einer geraumen Zeit vom Gebet wieder zur Arbeit übergegangen, da betrat der Abt still und leise das Gotteshaus. Er hatte schon das ganze Kloster abgesucht, hatte auch einen Knecht in die Residenz des Markgrafen geschickt, doch der Junge blieb bis jetzt unauffindbar. Nicht, dass dieser Bengel in dieser Stunde seinen Unterricht verpasst hätte, aber er hätte sich schon längst beim Abt melden sollen. Mit wachsamen Augen suchte er die Bettstühle nach einem braunen Haarschopf ab.

Im Kirchenschiff war er nicht zu entdecken, so trat der ältere Mönch weiter in das Gotteshaus ein. Erst in der linken Kapellennische entdeckte er den Knaben. Er kniete dort vor der Statue der heiligen Maria und war völlig ins Gebet vertieft. Vorsichtig näherte sich der alte Geistliche dem Jungen. Doch kaum war er zwei Meter von ihm entfernt, öffneten sich abrupt die Augen und der Kleine warf ihm einen erschrockenen Blick zu. Der junge Körper spannte sich für einen Augenblick an und in diesem kurzen Moment sah es so aus, als würde der Braunhaarige plötzlich aufspringen, doch als er den alten Mann erkannte, entspannte sich seine Körperhaltung augenblicklich.

Der alte Mönch seufzte. Es war einfach noch zu viel von diesem scheuen und der Welt gegenüber misstrauischen Wesen in ihm, sodass er sogar im Gebet keinen inneren Frieden finden konnte. Doch was sollte er sich denn anderes erwarten, wenn er bedachte, dass dieses Kind die Personifikation von diesem Nirgendwo im Irgendwo war. Die Repräsentation eines kleinen Landstriches, welcher sich am Ende der christianisierten Welt befand, wo an ihren Grenzen die Magyaren gute Nacht sagten...

Der Abt beugte sich zu dem Kind hinunter.

"Und du betest auch immer brav für das Seelenheil deines Herren?"

Eifrig nickte der Kleine.

"Und auch für Bruder Theodor und Schwester Katharina.", sagte er noch zusätzlich, voller Stolz.

Der Knabe stand ein wenig ungelenk auf. Die Füße waren durch das lange Beten eingeschlafen und seine Knie schmerzten. Doch das war es nicht, was dem Älteren auffiel. Seiner Menschenkenntnis zu urteilen bedrückte den Jungen irgendetwas.

"Was hast du denn, mein Sohn?", fragte er mit väterlichem Ton.

Das Kind wich seinem forschenden Blick aus und konzentrierte sich auf eine Bodenplatte vor ihm.

"Vater, darf ich Sie was fragen?" Nervös zupfte der kleine Braunhaarige an seiner Tunika. Der ältere Mann nickte fragend.

"Werde ich auch einmal so groß und stark wie Bruder Theo?"

Der Abt stutzte, überrascht, dass dieser kleine Wurm sich solche Fragen über die Zukunft stellte. Er hatte nicht viel Ahnung über die Erziehung von Kindern und noch weniger über deren Ängste und Sorgen, außerdem war dieser Knirps vor ihm ja kein gewöhnliches Kind. Der ältere Mann dachte nach, wie er auf eine solche Frage antworteten könnte. Als er dann eine kurze Eingebung erhielt, fasste er den Jungen bei der Schulter und führte ihn aus der Kirche.

"Um dir eine Antwort zu geben muss ich dir was zeigen.", sagte er ihm noch sanft.

Sie durchquerten die Abtei und gingen in die Schreibstube. Als sie den Raum erreichten, wo die Bücher mit kostbaren Einschlägen versehen werden und weitere Kostbarkeiten hergestellt werden, schritt der Abt auf den Arbeitsplatz zu, auf dem einer der geschicktesten Handwerker die Rohlinge der verschiedensten Schmucksteine in ihre kostbare Form schliff. Er holte ein Kästchen raus und schloss es mit dem passenden Schlüssel auf. Im Inneren der Kiste befand sich eine bunte Mischung von Edelsteinen in jeglichem Stadium der Bearbeitung.

"Sieh her."

Der Abt hielt ihm ein paar ungeschliffene, bunte Steine unter die Nase.

"Schön, nicht wahr? Aber sie alle haben noch eine nicht passende Grobheit zur ihrer Natur. Ihr Glanz ist stumpf und ihr Feuer noch nicht erweckt."

Der Kleine sah ihn mit großen Augen an.

Dann nahm der Geistliche einen geschliffenen kleinen Rubin zwischen die Finger und legte ihn neben den noch nicht bearbeiteten Edelsteinen in die offene Handfläche. Im wenigen Licht, welches durch den dünnen Schlitz fiel, funkelte und leuchtete der Stein von innen heraus und überschattete mit seinem Feuer die anderen bunten Steine. Die kleinen violetten Augen blitzten vor Verzückung auf. Der Abt lächelte und fuhr fort.

"Du bist noch so ein kleiner roter Stein." Mit seinem Zeigefinger stupste er einen der unbearbeiteten Rubine an. "Du bist unbearbeitet und gerade erst entdeckt worden. Doch mit viel Fleiß und bedachtem Handeln kann man bei dir ein Feuer erwecken."

Die junge Markgrafschaft hob den Kopf und sah den Abt mit einem langen, nachdenklichen Blick aus den violetten Augen an. Dann wanderte seine Aufmerksamkeit wieder zu dem geschliffenen Rubin. Vorsichtig entnahm er den Edelstein aus der Handfläche des Geistlichen und drehte ihn im übrigen Tageslicht.

"Ja, es sind Vorsicht und Geschick nötig, damit man, ...mit Gottes Hilfe natürlich, auch aus dir einen prächtigen Edelstein schleifen kann.", ermutigte der Ältere den Jüngeren.

Der Abt ließ ihn einige Momente gewähren und betrachtete ihn in aller Ruhe. Als er das Kind zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sich der Junge wie einer der Rotzbengel der Siedler aufgeführt. Scheu und vorsichtig, wie ein wildes Tier. Doch je länger sein Aufenthalt in diesem Kloster dauerte, umso mehr kam ein wacher Geist zu Tage, der gierig neues Wissen in sich aufsog. Mit etwas Feinfühligkeit und viel Geduld war es dem älteren Mann gelungen, das Vertrauen des Buben zu gewinnen. Dennoch blieb das Verhalten des Kindes immer noch zurückgehalten und distanziert. Vielleicht, dachte der Abt zu sich, würde sich sein Charakter ändern, je weiter das Land sich unter dem fleißigen Engagement Markgraf Heinrichs und seiner Nachkommen entwickeln werde...

Draußen läuteten die Glocken zum Abendgebet. Vorsichtig nahm er den Edelstein aus den kleinen Händen des Kindes und legte alle Steine in das Kästchen zurück.

"Komm, mein Sohn. Die Zeit zum Gebet ist gekommen."

Willig folgte ihm das Kind aus der Schreibstube.

Z-Zug

Wien 01.04.1938 - Wien Westbahnhof
 

Roderich versuchte sich von Ludwig wegzuziehen.

"Verdammt, Ludwig, was ist hier los?", fragte er in einem Ton, aus dem man deutlich heraushören konnte, dass er die Antwort lieber nicht wissen wollte. Stur zog ihn der Deutsche am Arm Richtung Ausgang. Nochmals stemmte sich der Braunhaarige gegen den Blonden und schaffte es, dass sein schmales Handgelenk durch den festen Griff des anderen rutschte. Mit einem Satz hechtete er zu den Bahnsteigen, wo Uniformierte gerade eine kleine Menschenmenge zu einem Transportzug trieben. Die anderen Braunhemden sperrten die Ausgänge ab, um einen ungestörten und nicht allzu wahrgenommen Abtransport zu gewährleisten. Ludwig setzte dem Älteren gleich nach. Ein paar Uniformträger sahen zu ihnen herüber, doch nach einem eindeutigen Blick von Deutschland konzentrierten sie sich weiterhin auf ihre Aufgaben.

Mit einem Ruck blieb Roderich im Eingang der Halle stehen und starrte mit leicht geöffneten Mund völlig irritiert auf die letzten Menschen, welche in die Zuganhänger getrieben wurden. Er hatte viele von ihnen erkannt, waren sie es doch gewesen, welche sich in der letzten Zeit so verzweifelt um ihm bemüht haben. Verzweifelt haben sie vieles versucht, um ihm eine politisch unabhängige Zukunft zu gewährleisten. Viele waren unter ihnen gewesen, welche an ihn geglaubt haben. Sie waren in Momenten, wo er sich schon beinahe selbst aufgegeben hatte, da gewesen und hatten ihn wieder auf die Beine gezogen. Ludwig hatte ihn eingeholt und wollte ihn packen, da drehte sich Roderich langsam zu ihm um.

"Ludwig, wohin fahren diese Menschen?" Flehend schaute er in die blauen Augen, versuchte eine Antwort zu finden, welche nicht seinen Befürchtungen entsprach. Mit der Situation überfordert, drehte sich der Jüngere weg und wich dem angstvollen Blick des anderen aus. Verlegen rieb er sich am Ellbogen.

"Sie werden ins Reich transportiert...", nuschelte er dann.

"Aber warum so?" Verstört drehte sich Roderich abermals zum Bahnsteig. Ein Pfiff gellte durch die Halle und der Zug fuhr langsam ab. "Und aus welchen Grund?"

Plötzlich weiteten sich die Augen des Braunhaarigen und Ludwig konnte förmlich sehen wie die Erkenntnis sich ins Hirn des ehemaligen Erzherzogtums fraß. Verzweifelt packte der Musikliebhaber den Deutschen am Kragen. Es war kein fester, gewalttätiger Griff, eher mehr als würden die Knie des Braunhaarigen gleich nachgeben. Aus den Augenwinkeln konnte Deutschland die misstrauischen Blicke der Uniformierten wahrnehmen. Mit einer souveränen Geste machte er denen, welche sich auf den Weg zu ihnen befanden, klar, dass er weiterhin alles unter Kontrolle hatte. Unter Schluchzen ging die andere Personifikation vor ihm zu Boden.

"Es ist wegen mir, nicht wahr?" Die Stimme bebte gefährlich. Dicke Tränen fielen auf den schmutzigen Boden. Ludwig konnte sehen, wie sich die bleiche Haut um die schlanken Hände spannte, als Roderich die Fäuste ballte. "Ich bin dran Schuld, oder?"

Ein trockener Husten folgte, bevor sich eine gespannte Stille über beide legte. Gebannt beobachtete der Deutsche, wie sich der andere vor ihm den Ärmelrücken über die laufende Nase zog. Ein solches Verhalten hätte Roderich unter normalen Umständen nie an den Tag gelegt. Plötzlich schaute der Braunhaarige zu ihm auf. Wut und eine tiefe Zerrissenheit spiegelten sich in den violetten Augen.

"Ihr Bekenntnis zu mir ist der Grund, weshalb man sie in den Tod schickt?"

Es war nur ein Flüstern, doch Ludwig traf jedes einzelne Wort wie Nadeln. Noch einmal warf Roderich einen verstörten Blick dem in die Ferne verschwindenden Zug hinterher. Warum hatte er nicht aufgeschrien?

Warum hatte er die Leute aus dem Zug nicht wieder hinaus gezerrt?

Wie konnte niemand außerhalb des Bahnhofes bemerken, was sich hier abspielte?

Jegliche Farbe war aus dem eh schon so blassen Gesicht verschwunden. Beinahe konnte der Blonde hören, wie in Roderich etwas zu Bruch ging. Wie dieses Etwas in tausend Stücke zersprang. Leere füllte die tränendurchweichten Augen, bevor sie sich unter einem stummen Schrei schlossen und der ganze Körper lautlos in sich zusammen sackte. Ohne auf seine Umgebung zu achten, ging Ludwig in die Knie und hob den ausgemergelten Körper hoch.

Wie viel Gewicht mochte Roderich im letzten Jahr verloren haben?

Fasziniert beobachtete Ludwig, wie eine einzelne Träne die farblosen Wangen hinunterrollte. Dann drehte er sich um und verließ den Schauplatz, die neue Ostmark in den Armen.
 

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G-Geisel

772 - Karantanien - Nähe des Zentrums des Fürstenums.
 

"Nun?"
 

Bayern saß hoch zu Ross und schaute auf das knochige Mädchen herab, welches einen kleinen Jungen an der Hand hielt.

"Gib uns bitte noch ein wenig Zeit."

Ihre Stimme zitterte nicht ein einziges Mal und auch äußerlich blieb sie ruhig. Doch die Angst und die Verzweiflung über den kommenden Abschied schnürte ihr die Kehle zu.

Wie so oft in den letzten Tagen wünschte sie sich ihre Mutter an ihrer Seite. Doch seit Bayern den Aufstand blutig niedergeschlagen hatte, blieb Norikum verschwunden. Katharina hob den Kopf zum Himmel und schloss die Augen, als sie den Wind in ihrem Haar spürte.
 

~*~
 

Der Rauch kratzte noch immer unangenehm in der Kehle, doch sie zwang sich es zu ignorieren und weiter ihrer Mutter hinterher zu laufen. Roderich war nach einem Fall auf der Treppe, am Anfang ihrer Flucht, ohnmächtig geworden und lag schlaff auf Katharinas Rücken. Die brennende Stadt hinter ihnen erleuchtete ihren Weg zum Wald. Norikum sah sich ängstlich um, während sie in der Hand immer noch den schweren Hammer aus der Schmiede hielt.

Sie war zwar nie eine Kriegerin gewesen wie Gaul oder Britannia, aber ein Schmiedehammer konnte, wenn man wusste wie, eine bedrohliche Waffe sein.

Katharina war, als sie noch kleiner war, immer ganz fasziniert in der Nähe des Ambosses gestanden und hatte mit Erstaunen beobachtet, wie ihre Mutter aus einem unscheinbaren Stück Eisen handwerkliche Schönheiten herstellte. Da war es egal, ob sie nun eine Gladius (römisches Kurzschwert) oder eine einfache Sichel herstellte. Wenn es um Schmiedekunst ging, war ihre Mutter mit einer besonderen Gabe beschenkt worden, welche weder sie noch soweit sie es feststellen konnte Roderich geerbt hatte.
 

Neben den Schreien und dem Waffenlärm hinter ihnen hörte Katharina neben sich, wie eine Gruppe bewaffneter Reiter auf sie zu preschte. Wenn sie noch Glück hatten, würden sie den Wald erreichen, bevor sie die Männer eingeholt hatten. Das Adrenalin, welches von Beginn des Überfalles in ihren Adern rauschte, spornte das Mädchen noch zu einem letzten Sprint an.

Sie holte ihre Mutter ein und gemeinsam versuchten sie, ihre Verfolger abzuschütteln. Doch egal wie sehr sie sich bemühten, immer nach kurzer Zeit hatten die Männer ihre Fährte wieder gefunden und aufgenommen.
 

Vor einem mächtigen Felsen, welcher von großen Tannen und Fichten umringt war, hielt Norikum an und presste die Kinder und sich in den Schatten des Steines. Roderich war noch immer nicht aufgewacht und wenn Katharina es sich überlegte war es besser so. Angespannt lauschten die zwei in die Dunkelheit des Waldes. Rund um sich herum hörten sie, wie sich die Männer auf ihren Pferden bewegten. Selbst wenn die Verfolgungsjagd durch dieses Gelände für Ross und Reiter eine Herausforderung war, hatten die Männer ihren Abstand zu ihnen verringert. Katharina spürte, wie zwei raue Hände sie von sich wegschoben und sie sah ins Gesicht ihrer Mutter auf.

Selbst wenn ihr braunes Haar wirr stand, der Schweiß auf ihrer Haut sich mit dem Ruß und dem anderen Schmutz vermengt hatte und auch wenn die Hände auf ihren Schultern zitterten, gab ihr der Blick in die violetten Augen ihrer Mutter ein Gefühl von Sicherheit. In diesem Moment kam ihr das Gefühl, als würde die Zeit hier am Rande des Waldes plötzlich langsamer werden um dann völlig stehen zu bleiben.

"Hör mir zu Katharina, nimm den Kleinen... Du weißt doch noch, wo die Höhle war, die ich dir vor einiger Zeit gezeigt habe?"

Das Mädchen nickte kurz und erahnte ein wenig, was die Ältere von ihr wollte.

"Gutes Mädchen... also du nimmst den Kleinen und rennst so schnell wie möglich dorthin. Ihr bleibt dort bis ich wieder bei euch bin. Hast du das verstanden?"

"Aber die Männer?" Mühsam schluckte Karantanien ihre Angst herunter. "Was ist mit den Männern?"

Die Mundwinkel ihrer Mutter hoben sich leicht zu einem traurigen Lächeln.

"Ich werde versuchen, sie aufzuhalten."

Norikum ignorierte den erschrockenen und verzweifelten Blick ihres Mündels.

"Shhh, sag jetzt nichts Mädchen. Ich werde euch so schnell wie möglich wieder einholen. Vertraue mir, wir werden uns wiedersehen."

Sanft wischte sie eine Träne von der Wange der Braunhaarigen.

"Du weißt wie sehr ich dich und Roderich liebe, nun lauf schon Mädel."

Katharina fühlte noch, wie Lippen ihr einen Kuss auf die schmutzige Stirn hauchten und sie bestimmt aus der Nische geschoben wurde. Plötzlich setzte sich die Zeit wieder in Bewegung. Sie spürte einen Schubs im Rücken und begann wie ferngesteuert zu rennen.

Während sie auf das Unterholz zusteuerte, hörte sie, wie die Männer sich was zuschriehen und ihre Pferde in ihre Richtung lenkten. Das letzte was sie noch sah, als sie sich noch einmal umdrehte, war wie sich die hochgewachsene Gestalt den galoppierenden Pferden in den Weg stellte, den Hammer zum Schlag erhoben.
 

Sie wusste nicht, wie sie es schaffte, die Höhle zu erreichen. Ihr taten alle Körperteile weh, ihre Lunge brannte und sie spürte einen tiefen Schmerz in der Seele. Norikum hatte ihr prophezeit, dass dies kommen würde. Es war das noch zerbrechliche Band zwischen ihr und dem, was sie repräsentierte, welches ihr unter diesen Umständen die Schmerzen bereitete.

Doch was würde aus ihr werden?

Konnte Karantanien weiter bestehen, würde sie überleben? Was war mit ihrem Bruder?

Mit diesen quälenden Fragen sank sie mit dem kleinen Jungen auf das provisorische Lager, welches vor ein paar Monaten hergerichtet wurde, als die politische Situation sich zuzuspitzen drohte. Vorsichtig ließ sie Roderich von ihrem Rücken auf die Felle gleiten, legte sich neben ihn und schlief von den Überanstrengungen auf der Stelle ein.
 

~*~
 

"Gut, aber mach schnell. Ich habe nicht ewig Zeit."

Mit einer Anmut, die man ihrem ausgezehrten Körper nicht zugetraut hätte, kniete sie sich zu dem Jungen herab. Sie nahm seine kleinen Hände in die ihrigen und raunte ihm so leise, dass nur er es hören konnte. Ihre Stimme klang auf einmal viel erwachsener als sonst.

"Roderich... hör mir zu, nein weine nicht... hör mir nur zu. Du wirst jetzt mit Bayern gehen. Du wirst mit ihm in sein Land gehen. Sei immer brav und artig. Gehorche ihm so wie du mir gehorcht hast. Du wolltest doch immer einen großen Bruder... nun dann ist er ab heute dein neuer Bruder. Hast du mich verstanden?"

Der Kleine nickte schüchtern und sah zu dem jungen Herzogtum auf. Die Angst war in seinen violetten Augen deutlich zu sehen. Noch zu gut hatten sich die Bilder der letzten Tage ins Hirn eingebrannt. Das Feuer, welches die Häuser auffraß, der Rauch, welcher von den Dörfern aufstieg, die Schreie der Verzweifelten, die versuchten ihr Leben zu retten, und das viele Blut.

Warum schickte ihn dann seine Schwester mit diesem Land weg, welches für die Gräueltaten verantwortlich war?

Warum konnten sie nicht zusammen leben wie bisher?

"Große Schwester, wo ist Mama?"

Eine Frage, die der Kleine nun schon seit Tagen stellte. Dicke Tränen drohten ihm über die Wangen zu kullern.

-Nein, Roderich, bitte wein nicht, mach es nicht noch schlimmer-, dachte sich Karantanien, als sie mit einer Hand über die Wange ihres Bruders strich und sprach mit erstickter Stimme.

"Mutter kommt nicht mehr."

"Warum nicht?", flüsterte der Kleine.

"Sie musste zu ihren Schwestern zurückkehren. Du weißt schon, den wilden Frauen in den Bergen."

"Warum hat sie uns dann nicht mitgenommen?", fragte Roderich mit seiner hohen Stimme nach.

"Roddy, das habe ich dir nun schon tausendmal erklärt.", seufzte Katharina und setzte sich nun endgültig ins Gras, dabei zog sie ihren kleinen Bruder auf den Schoß. Bayern fand in der Zwischenzeit eine Wolke über ihnen überaus interessant und vergaß für eine Weile die zwei Gestalten unter ihm am Boden.

"Noricum ist eine salige Frau, und wenn eine salige Frau beschließt, unter den Menschen zu leben, gibt es gewisse Verbote, welche nicht übertreten werden dürfen."

Während sie sprach, strich sie sanft über das braune Haar des kleinen Geschöpfes und wiegte es leicht hin und her. Roderich vergrub sein Gesicht in die Haarmähne seiner Schwester, welche die gleiche Farbe hatte wie das seinige und lauschte gebannt.

"Du weißt doch, Mama hatte so langes, schönes braunes Haar. Und immer wenn wir schlafen gingen ließ sie es von der Bettkante hängen... Das musste sie tun, denn wenn jemand das Haar während eine salige Frau schläft ins Bett holt, muss diese am nächsten Morgen schweigend alle verlassen, die sie liebt, und zurück zu ihren Schwestern in die Berge gehen."

"Aber Mama hat doch immer darauf geschaut, dass ihr Haar immer aus dem Bett hängt ist.", warf Roderich ein.

"Ja, aber leider hat sie darauf vergessen, als sie mit uns in den Unterschlupf geflohen ist. Sie hatte vergessen, ihr Haar von dem Lager aus weg zu streichen und so musste sie uns am nächsten Tag verlassen."

Vorsichtig küsste sie ihren Bruder auf den Kopf.

Der Kleine machte ein nachdenkliches Gesicht.

"Wenn Mama eine wilde Frau war, musst du dann auch gehen, wenn jemand dein Haar zurück ins Bett hebt?"

Katharina musste trotz ihrer Trauer kurz auflachen, was wiederum Bayerns Aufmerksamkeit wieder zurückholte.

"Wer weiß das schon, kleiner Bruder?"

"Seid ihr nun endlich fertig? Ich sollte nun endlich zu den Meinigen zurück.", maulte Bayern vom Pferd aus. Katharina warf ihm einen tödlichen Blick zu, welchen dieser gelangweilt übersah. Sie stand vorsichtig auf, wobei sie ihrem Bruder auf die Beine half. Erneut bückte sie sich zu ihm runter.

"Vergiss niemals, was ich dir gesagt habe, und dreh dich bitte nicht um. Sag ab jetzt kein Wort mehr.", flüsterte sie ihm zu, bevor sie ihn hochhob, und ihn noch einmal an sich drückte. Noch bevor der Kleine wusste, wie ihm geschieht, hatte ihn Katharina vor Bayern aufs Pferd gehoben und war zurück getreten. Mit zornigen Augen funkelte sie den Bayern an und hob drohend die Hand. "Wehe ihm geschieht etwas. Ich komme dann persönlich vorbei, um dir die Eingeweide an einem Baum zu nageln. Hast du mich verstanden!"

Ihre Stimme ließ keinen Zweifel, dass sie ihre Drohung im Falle des Falles wahr machen würde. Das Herzogtum musste schlucken, bevor er nicht ganz so forsch wie er es beabsichtigt hatte antwortete:

"Halt du dich an unsere Bedingungen, Karantanien, und er wird ein gutes Leben bei mir haben. So läuft das nun mal mit politischen Geiseln."

Als Bayern das Pferd wendete, machte Roderich kurz den Mund auf, um noch etwas zu sagen, verstummte jedoch augenblicklich unter dem flehenden Blick seiner Schwester.
 

~*~
 

Katharina sah dem Reiter und seinem Schützling noch lange nach, bevor sie sich abwand und zu der Holzfestung ging, wo noch vor kurzem die Friedensverhandlungen mit Bayern abgehalten wurden.
 

Ab heute musste sie so schnell wie möglich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ihre Mutter blieb nach der gemeinsamen Flucht verschwunden, und Katharina hatte den Verdacht, dass ihre Mutter schon seit einer geraumen Zeit wusste, dass ihre Zeit gekommen war zu gehen. Doch obwohl der Verlust ihrer Mentorin sie schmerzte, so war sie froh über jeden Tag, welchen sie als kleine Familie zusammen verbracht haben. Alles, was nun zu tun war, war ihren Weiterbestand zu sichern. Sie würde sich Bayerns Forderung unterwerfen, auch wenn dieser Schritt ihre restliche Unabhängigkeit kostete. Roderich würde es im Gefolge des Herzogtum Bayern gut gehen, soweit zweifelte sie nicht am Wort von Theodor. Sie blieb noch einmal stehen und sah in den Himmel, die Arme auf den Hüften gestützt. Vielleicht würde er dann auch seine Bestimmung finden...

H-Hochzeit

08.06.1867 - Budapest
 

Nervös näselte Roderich am Kragen seiner Uniform herum. Der oberste Knopf weigerte sich partout ins steife Knopfloch zu schlüpfen und raubte dem Österreicher somit die letzten verbliebenen Nerven. Warum musste ihm das unbedingt heute passieren? Nicht, dass er noch zur Zeremonie zu spät kam.

"Man sollte auf seiner eigenen Hochzeit lieber nicht zu spät kommen.", schnarrte eine weibliche Stimme bei der Tür. Erschrocken wendete sich die männliche Nation um. Im Türrahmen stand Hedvika, die Personifikation des Königreichs Böhmen, und bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. Sie trug dem Anlass entsprechend ein passendes ockerfarbenes Kleid, welches sich nach der neuesten wiener Mode richtete. Roderich stutzte. Er hatte ihr zwar eine Einladung geschickt, doch hatte er erwartet, dass sie wie immer den indirekten Befehl zu erscheinen in den Wind schlagen würde. Mit anmutigen Schritten durchquerte sie den Raum.

"Es ist keine Hochzeit sondern..."

"Nur eine Krönung, ich weiß.", fiel ihm die Böhmin ins Wort. "Aber in den Kreisen, in denen du wie ich uns bewegen, kann ein solcher Anlass als Heirat angesehen werden."

Roderich ging nicht weiter drauf ein, sondern sah sie mit einem forschenden Blick an. Noch blieb er misstrauisch.

"Ich dachte, du hättest abgesagt zu kommen."

"Nun ich fürchte, dass mich gewisse gesellschaftliche Normen zwingen, bei diesem Spektakel dabei zu sein.", meinte sie gelangweilt, als sie sich eine Ziervase aus der Nähe ansah, welche auf einem kleinen zierlichen Tischchen neben der Tür stand. "Außerdem wollte ich mir nicht die Freunde nehmen, zuzusehen wie ausgerechnet du dich in die Fänge dieser Furie begibst. Dabei dachte ich immer, du hängst mehr an deinem Leben."

Sie richtete sich wieder auf und sah ihn herausfordernd an. Etwas lag in ihrem Blick und eben dieses "Etwas" riss in Roderich alte Wunden auf.

"Weißt du, wenn man mir damals vor 600 Jahren gesagt hätte, dass ausgerechnet du dich in die Arme von diesem Mannsweib schmeißt, hätte ich laut aufgelacht." Langsam näherte sie sich mit stolzem Gang."Aber heute sind mir die Lachtränen vergangen."

Sie blieb direkt vor ihm stehen.

"Noch dazu unter dem Zeichen der Habsburger."

Vorsichtig legte sie die Hände auf seine Brust. Sie wussten beide nicht, wann es das letzte Mal gewesen war, dass sie sich körperlich so nahe gestanden hatten.

"Sieh dich doch an, Roderich. Du bist zu dem speichelleckenden Lakaien dieser Inzuchtfamilie verkommen."

Mit ein wenig Scheu suchte sie seinen Blick.

"Außerdem, warum gerade sie alleine? Warum können wir nicht zu dritt einen Neuanfang für die Monarchie wagen?"

Der Österreicher wich ihren grauen Augen aus.

"Weil Elizaveta damit nicht einverstanden war.", flüsterte er beinahe entschuldigend. Die Mimik der Böhmin verzog sich zu einer Maske.

"Warum hörst du auf dieses Miststück mehr als auf mich? Das bist nicht du! Seit Jahrhunderten sind unsere dreier Schicksale aufs engste verschlungen, und jetzt willst du das meinige hinter dem dieser Hexe zurückstellen? Gibt es für dich auch noch jemand anderen als dieses Mannsweib?"

Die Verbitterung war gut heraus zu hören.

"Ich liebe sie, Hedvika!", fuhr sie Roderich an und schob sie von sich weg. "Und hör endlich auf, so über sie zu sprechen."

Beleidigt kreuzte sie die Arme vor die Brust.

"Ach, du liebst sie? Wäre ja mal ganz was neues?"

Roderich konnte sehen, wie ihre Augenwinkel feucht wurden. Er musste schlucken. Wie sehr hasste er es, wenn Frauen in seiner Anwesenheit kurz darauf waren zu weinen.

"Es gab eine Zeit, wo du mich mit dem gleichen sanften Blick bedacht hast wie sie.", wisperte die Blonde tränenerstickt.

Roderich machte eine abwehrende Handbewegung. Vergessene Erinnerungen blitzen vor seinem geistigen Auge auf.

"Wir waren zu dieser Zeit fast noch Kinder. Lass die Vergangenheit bitte ruhen. Was geschehen ist, ist geschehen."

In seiner Stimme steckte schon beinahe ein Flehen.

"Du meinst eher, was nicht geschehen ist.", flüsterte sie leise zu sich selbst.
 

~*~ -----~*~

Irgendwann im Jahre 1251 - Wien
 

Seufzend legte er die Feder ab und schlug das Buch zu.

"Gut, was verschafft mir die Ehre deines Besuches?", resigniert hob er die Hände. Sie überspielte ihre Enttäuschung, dass er nicht aufgestanden war, um sie zu begrüßen. Sie hätte sich gerade von ihm ein bisschen mehr Höflichkeit erwartet. Doch als sie den Raum betrat und dem Schreibtisch näher kam, erschrak sie. Roderich war schon immer ein etwas zarter Junge gewesen, mit seinem zierlichen Körperbau und seiner bleichen Haut. Doch nun sah er richtig dürr und ausgezehrt aus. Unter den violetten Augen zeichneten sich dunkle Augenringe ab und seine Knöchel an seinem schmalen Handgelenk traten noch deutlicher hervor als sie es ohnehin taten. Die letzten vier Jahre, geprägt von Chaos und einer politisch sehr unsicheren Zukunft, hatten dem österreichischen Herzogtum stark zugesetzt.

Ein leichtes Lächeln zierte das Gesicht des Jünglings.

"Ich möchte mich entschuldigen, wenn dich mein jetziger Zustand derart entsetzt. Komm ruhig näher."

Vorsichtig, den Blick noch immer nicht von der Erscheinung des Österreichers abgewendet, schritt sie auf ihn zu. Wie zerbrechlich er doch aussah.

"Ich muss mit dir reden, Austria!", versuchte sie mit gefestigter Stimme zu sagen, doch konnte sie sich einen leichten nervösen Unterton nicht verkneifen. Politisch gesehen spielte sie nicht gerade niedrig, wenn sie es schaffte, den Österreicher von ihren Plänen zu überzeugen. Doch auf der anderen Seite war es der Wusch seiner eigenen Adligen welchen sie vertrat, und somit hatte die Böhmin nicht viel zu verlieren, aber genug zu gewinnen.

"Ich habe schon vermutet, dass du mich aus politischen Gründen aufsuchst."

Auf Roderichs Gesicht war für einen kurzen Moment der Anflug von Trauer bemerkbar, und so kurz der Augenblick gedauert hat, so fühlte sich Hedvika beschämt, ihn in den letzten 4 Jahren nie besucht zu haben. Früher hatte es irgendwie seinen Reiz gehabt, mit dem Österreicher eine verbotene Liebesbeziehung zu führen. Als jedoch der Streitbare, eines ihrer größten Probleme, gewaltsam die Welt verlassen hatte, war ihre persönliche Beziehung zueinander verblasst, ohne dass sie wirklich einen Grund nennen konnte. Es war Roderich gegenüber vielleicht nicht fair gewesen, ihn genau in dem Moment zu verlassen, als er sie psychisch am meisten gebraucht hätte.

Um sich Zeit zu geben, sich zu sammeln, ging sie um den Stuhl, auf dem das Herzogtum saß, herum.

"Als mein Prinz letzte Woche an unseren gemeinsamen Grenzen unterwegs war, sind ihm manche deiner Leute entgegengekommen. Ich glaube es ist unnötig zu erwähnen, dass es Männer waren, auf dessen Wort man in deinen Landen hohen Wert legt."

Der Braunhaarige blieb unverändert sitzen und hatte die Augen geschlossen. Hedvika sprach weiter und ging hinter den Österreicher.

"Und er hat deinen Leuten ein sehr interessantes Angebot gemacht."

"Ich habe davon gehört.", antwortete Roderich gelassen, selbst wenn es in seinem Inneren zu kochen begann. Es ärgerte ihn, dass die Stände es nicht einmal für Wert befunden hatten, ihn, die Personifizierung ihres Landes, in ihre Pläne einzubeziehen. Hedvika indes war hinter ihn getreten, wobei sie beim Vorbeigehen eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte. Ihm fuhr ein wohliger Schauer über den Rücken. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, dass sie am Bach, wo eine ihrer gemeinsamen Grenzen verlief, beieinander gelegen hatten.

Plötzlich spürte er, wie sie ihre zweite Hand auf seine andere Schulter legte. Erhaben seufzte er, hielt die Augen geschlossen und lehnte sich leicht gegen sie. Wohlig warm spürte er an seinem Hinterkopf die Mitte ihres Körpers. Vorsichtig lehnte sie sich nach vorne, ohne den Körperkontakt zu vermindern. Ihre weichen Lippen streiften seine Haare, als sie ihren Kopf neben seinen runterbeugte.

"Die deutschen Fürsten werden niemals Margarete als Alleinherrscherin akzeptieren, oder?", flüsterte sie in sein Ohr. Anstatt zu Antworten murrte der Braunhaarige kurz. "Doch würden sie einen Mann, rechtmäßig angetraut an ihrer Seite, als Herr von Österreich annehmen? Sollte die gute Frau noch einmal heiraten, versteht sich."

Hedvika ließ es wie eine Frage klingen, aber beide wussten, dass es Tatsache war. Der Österreicher öffnete wieder die Augen, drehte den Kopf und sah in die Seelenspiegel der Böhmin. Wie oft hatte er sich in ihnen verloren und wie oft waren ihm eben diese Augen in den letzten 4 Jahren in seinen Träumen erschienen. Hedvika lächelte sanft, so wie früher, als sie für ein paar Stunden unbeschwert im Gras gelegen sind und sich mit anderen Dingen beschäftigt hatten als Politik...

"Ostarichi, ich möchte dir ein Angebot machen!"

Er konnte es sich ausmalen, was hinter seinem Rücken vorbereitet wurde, doch schaute er die Blonde erwartungsvoll an. Diese beugte sich weiter vor und strich ihm liebevoll über die Brust. Seine Gesichtszüge begannen weicher zu werden. Wenn sie ihm so nahe stand konnte er den Duft ihrer Haare riechen. Wieder fühlte er sich an die Zeit am Bach erinnert. Mit leiser, und dennoch fester Stimme führte die Böhmin weiter aus.

"Du hast eine Witwe mit einem bedeutsamen Erbe. Sie mag vielleicht nicht mehr die jüngste sein, aber das soll kein Hindernis sein." Ihr Gesicht hatte sich in den letzten Augenblicken dem seinigen genähert. "Ich habe einen jungen Prinzen, welcher politisch geschickt ist und energisch größere Aufgaben bewältigen kann. Er ist bei den deinigen beliebt und was noch wichtiger ist: er ist ledig."

"Eine Heirat zwischen der rechtmäßigen Herrin von Österreich und dem Prinz aus Böhmen..."

Mit einem ernsten Blick betrachtete er sie.

"Hedwig wird das nicht gefallen...", sagte er nach einem Moment langsam. "Sie hat sich mit Gertrud, der Nichte meines verstorbenen Herren, verbündet."

Hedvika richtete sich auf und schnaubte kurz.

"Das Weib, welches euch damals in Verona sitzen hat lassen?"

Langsam nickte Roderich. In seinem Hirn begannen die grauen Zellen zu arbeiten. Eine Liaison mit Böhmen. Die Gründung einer Monarchie an der Donau. Warum nicht. Ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Langsam stand er auf und drehte sich zur Böhmin um. Mit einer zögerlichen Geste griff er nach den zarten Händen der jungen Frau gegenüber von ihm. Hoffnungsvoll suchte er den Blick Hedvikas.

"Einverstanden. Versuchen wir beide es mit einer Monarchie an der Donau. Lassen wir zwischen dem Herzogtum Österreich und dem Königreich Böhmen Hochzeit halten."
 

~*~------~*~

Vorsichtig trat Roderich auf Hedvika zu und nahm ebenso behutsam die Hände der jungen Frau in die seinen. Wie damals, schoss es ihm bitter durch den Kopf. Wir waren einmal schon so weit.

"Böhmen...", begann er zögerlich und verbesserte sich gleich darauf. "Hedvika, wir beide standen schon einmal so weit und..."

Er brach ab, versuchte ihren Blick zu erhaschen, doch sie sah ihn weiterhin nicht an, sondern richtete ihre Augen auf einen Punkt zu ihren Füßen. Mit Vorsicht legte er sich die folgenden Worte zurecht.

"Und unser Traum hat nach nicht einmal vier Jahrzehnten in Blut geendet." Langsam hob sie den Kopf und fixierte die violetten Augen.

"Als wärst du damals ohne mich noch auf die Beine gekommen.", fauchte sie verletzt und wollte zu mehr ansetzen, da legte sich ein Finger auf ihre Lippen.

"Ich wollte dir keine Vorwürfe machen, dass unser beider Beziehung nicht so lange gehalten hat. Bei weitem nicht. Es war ein Abschnitt in meinem Leben, den ich gegen nichts in der Welt eintauschen hätte wollen. Aber wir müssen einsehen, dass es nicht so gelaufen ist wie wir es uns vorgestellt haben und es akzeptieren..."

"Ja, kuschen und nicken, das kannst du."

Roderich ging nicht auf die Beleidigung ein.

Du vergisst, dass ich dir damals länger die Treue gehalten habe, als ich hätte sollen, dachte er für sich. Doch sprach der Braunhaarige seine Gedanken, wohlwissend, dass dies einen weiteren Konflikt heraufbeschwören würde, nicht aus. Er wollte sie nicht noch weiter reizen, wollte ihr viel lieber was anderes sagen.

"Ich habe dich zu dieser Zeit geliebt und ich glaube zu wissen, dass du mir zu dieser Zeit die gleichen Gefühle entgegengebracht hast. Doch nun bitte ich dich, vielleicht unserer alten Zeit wegen, lass es mich noch einmal versuchen."

Unter ihrem zornigen und zugleich traurigen Blick zog sich was in ihm zusammen.

"Lass mich gehen, damit ich noch einmal versuchen kann, den Traum einer Donaumonarchie wiederzubeleben." Er drückte ihre Hände ein wenig stärker. "Ich bitte dich Hedvika, lass es mich noch einmal versuchen, auch wenn du nicht mehr der zentrale Teil dieses Traumes bist."

Vorsichtig, beinahe zögerlich, zog sie ihre Hände aus den Seinen. Plötzlich hörten beide aus dem Gang das Klappern von hastigen Schritten.

"Roderich.", schallte es von draußen. Wie von der Tarantel gebissen, stoben beide auseinander. Nur Augenblicke später steckte das Herzogtum Krain seine lockige, dunkle Haarmähne durch die Türe.

"Wo bleibst du, Roderich? Verdammt noch mal. Es geht gleich los, alle sind da."

Kurz machte sich Überraschung auf seinem Gesicht breit, als er sich Hedvikas Anwesenheit bewusst wurde.

"Böhmen, du auch hier? Ich dachte du wolltest nicht kommen." "

Hab offenbar doch noch Zeit gefunden.", sprach sie mit fester Stimme und richtete sich ein wenig auf. "Ich gehe schon vor und geselle mich zu den anderen."

Mit leicht wehenden Röcken, rauschte sie an Krain vorbei, welcher ihr verwundert nachsah.

"Sag, hab ich was verpasst?", fragte das slawische Herzogtum und sah zum Österreicher rüber. "Oder habe ich mich geirrt, als ich was glitzern sah in ihren Augen?"

Roderich stand noch immer mit einem offenen Knopfloch an der gleichen Stelle und hielt sich gedankenverloren die Faust vor den Mund.

"Nein, wir haben nur ein paar Worte über die Vergangenheit ausgetauscht. Mehr nicht.", antwortete der Österreicher ein wenig geistesabwesend.

"Gut, dann schwing endlich deinen Hintern hier her und knöpf dir endlich deine Jacke fertig."

Ungeduldig trat der Dunkelhaarige von einem Bein aufs andere. Ohne die vorigen Mühen schaffte es Roderich, den widerspenstigen Knopf durch sein Loch zu fädeln, strich noch einmal seine Uniform glatt und richtete seine Schritte auf die Tür.

Lass es diesmal erfolgreich sein, betete das österreichische Kaisertum stumm, bevor er sich mit eiligen Schritten und gefolgt von der Personifizierung des Herzogtums Krain zur Krönungszeremonie begab.

N-Neutralität

26.10.1955-Wien
 

Roderich stand am Fenster und sah auf den Platz. Die Leute, welche sich unten tummelten, waren sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, was der heutige Tag für seine Zukunft bedeuten sollte. Wie sehr hatten sie sich diesen Tag herbeigesehnt, er und seine Schwestern. Seit heute Morgen konnte er die Erleichterung seiner sechs Schwestern fühlen. Sie erfüllte ihn und mischte sich zu seinen eigenen Gefühlen. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Züge. Die aufbrausende Agnes, Tirol, die selbstbewusste Salvatria, Salzburg, die sanfte Adelheid, Vorarlberg, die fröhliche Hedwig, Steiermark, die junge Franziska, Burgenland, und natürlich die ältere Katharina, Kärnten. Er ließ seine Gedanken zu jeder seiner Schwestern wandern und verlor sich für eine Weile in der Vergangenheit. Mit jeder von ihnen verband ihn ein festes Band.

Die Türe ging auf und eine hochgewachsene Gestalt betrat das Zimmer. Aus dem Augenwinkel konnte er beobachten, wie Katharina sich ihm von hinten näherte. Kurz vor ihm blieb sie stehen. Sie hatte das Zimmer vollkommen schweigsam und still betreten, und doch spürte er ihre innere Aufregung. Eine Weile ließ er diese Stille unangetastet, doch er wollte die Worte, nach denen er sich so sehr sehnte, endlich hören. Nach denen sie sich alle sieben so sehr sehnten.

"Und?", fragte er mit einem beiläufigen Ton, ohne den Blick vom nächtlichen Wien zu nehmen. Er hätte erwartet, dass ihn seine ältere Schwester in den Arm nahm, und er hätte sie auch gewähren lassen, auch wenn er fand, dass er für sowas schon längst zu alt war. Doch heute war ein Tag, wo er sich in einer dieser Stimmungen fühlte, etwas für ihn untypisches zuzulassen. Doch die Braunhaarige blieb hinter ihm stehen und legte nur sanft ihre Hände auf seinen Rücken. Er spürte einen leichten Druck auf seinen Schulterblättern als sie ihren Kopf sanft anlehnte. Ihre leicht gelockten Haare kitzelten ihn im Nacken. Wieder verging eine Weile in Schweigen, bis sie das Wort ergriff.

"Arthur hat mir heute die letzte Kaserne übergeben."

Roderich spürte, wie er ungewohnt aufseufzte. Er war endlich frei. Sie alle hatten ihre Truppen endlich abgezogen. Alfred, Francis, Ivan, und nun auch Arthur. Sie waren nun alle gegangen. Nun waren nur noch er und seine Schwestern übrig. Er meinte sogar sich, nun da die Worte ausgesprochen waren, leichter zu fühlen.

"Ich gratuliere, Brüderchen. Du hast ab heute nicht nur deine vollkommene Unabhängigkeit wieder, sondern ab heute hast du die gleiche Neutralität erlangt, wie Vash..." Liebevoll strich sie ihm die Schultern nach.

Ja, dachte er still zu sich. Jetzt waren alle weg und er hatte ab dem heutigen Tag Neutralität geschworen. Vielleicht gar nicht schlecht als Anfang für eine neue Zukunft...

S-Salzkriege

Irgendwann Anfang der 90er Jahre des 13 Jahrhunderts - Salzburg
 

Salvatira lehnte sich leicht vor und beobachtete mit einem falschen Lächeln ihre zwei Verhandlungspartner. Anmutig legte sie ihren Kopf auf den Handrücken ihrer aufgestützten Arme und machte auf die restlichen Anwesenden noch mehr den Eindruck eines Raubtieres, welches sich seiner Überlegenheit bewusst war und noch ein bisschen mit ihrer Beute spielte, bevor es ernst machte, um sie alle zu verschlingen.

Roderich saß an ihrer rechten Seite und sah sie mit dem ihm so typischen undurchschaubaren Blick an. Ein wenig verärgerte sie seine Anwesenheit schon. Was aber vor allem daran lag, dass er offenbar davon überzeugt war, mit seiner jetzigen Position im Geschäft, es mit ihr oder Theodor aufnehmen zu können. Sie wollte es zwar nicht zugeben, konnte es nicht zugeben, aber eben dies beunruhigte sie leicht.

Ihr Blick glitt rüber zu ihrem anderen Bruder, welcher an ihrer linken Seite Platz genommen hatte. Mit misstrauischem Blick fixierte er sie, und versuchte aber gleichzeitig seinen jüngeren Bruder im Auge zu behalten. Auf sie machte der Bayer immer mehr den Eindruck eines zurückgetriebenen Tieres. Ihr Lächeln wurde breiter. Das Spiel, das hier seinen Anfang nahm, gefiel ihr immer mehr. Das Spielfeld war ausgewählt worden, die Spielfiguren hatten Aufstellung genommen und warteten auf ihre Befehle. Abermals ließ sie den Blick über ihre zwei Konkurrenten schweifen. Der eine war ein alter Spieler und kannte ebenso gut wie sie die Regeln. Doch er war schwach geworden und eben diese Schwäche würde sie ausnutzen, um ihn bald endgültig aus dem Spiel zu werfen. Der andere mochte vielleicht im Geschäft ein Neuling sein, doch befand er sich in einem ausgeruhten Stadium, mit genügend Ressourcen und einem entschlossenen Regenten, selbst wenn der Braunhaarige seine fehlende Sympathie für ihn nicht ordentlich gut verstecken konnte. Ihn in die Defensive zu drängen würde eine Herausforderung werden, auch wenn sie in keinster Weise daran zweifelte, dass sie es schaffen könnte, ihn in diesem Konflikt zu bezwingen. Sie hatte es schon ein paar Male in ihrer gemeinsamen Geschichte geschafft, seine Position unbedeutend zu machen und ihn an den Rand des Spieles zu manövrieren. Seine Initiativen von Anfang an zu unterbinden und ihn zu zwingen, seine Pläne bei kleinster Flamme vor sich hin köcheln zu lassen, ohne dass er ihr das Wasser reichen konnte. Sie hatte ihm gerade so viel Freiraum zugelassen, dass er nicht völlig am Abgrund stand, aber seine Entwicklung in dieser Materie trotz allem hemmte. Nein, sie war keine Kriegsherrin im klassischen Sinne, aber sie wusste sehr wohl, ihre Interessen erfolgreich zu verteidigen und wenn es sein musste gnadenlos ihren Willen durchzusetzen.

Mehrere Szenarios begannen sich im Geiste der Salzburgerin abzuspielen. Was würde eher geschehen? Würde sie sich mit ihrem österreichischen Bruder verbünden, um dem alten Löwen den Todesstoß zu geben? Oder trete sie einem Pakt mit Bayern ein, um sich der neuen und noch nicht einschätzbaren Konkurrenz so schnell wie möglich zu entledigen? Oder, dritte Möglichkeit, versuchten ihre Brüder nun gemeinsam, sie aus ihrer Führungsposition zu drängen und ihr Monopol zu zerschlagen?

Wir halten uns gegenseitig die Messer an die Kehlen und lächeln uns dabei so heuchlerisch an, dass es schon vor Falschheit zum Himmel schreit, dachte sie amüsiert zu sich. Sie war nie auf einem Schlachtfeld gewesen und dankte Gott dafür, diese Gräuel nicht hautnah miterleben zu müssen. Doch wenn es um Politik und ihren geliebten Rohstoff ging, konnte sie ebenso eiskalt wie grausam reagieren, dass es ihren Gegnern die Haare aufstellte. Nein, sie zu unterschätzen konnte gefährlich sein und eben dieser Gefahr waren sich die anderen zwei wohl bewusst.

Der Sessel krachzte als sich Theodor angespannt zurück ließ. Mit gekreuzten Armen sah er sie weiterhin an, doch diesmal konnte sie Bedauern und Trauer in seinem Blick erkennen. Seine Gedankengänge konnte sie nebulös erraten. Sie sah sich selber, wie sie als kleines Kind an seinem Tunikerzipfel hing und ängstlich vor der Außenwelt sich hinter ihm versteckte. Was Haariges schlich um ihre Beine. Kurzerhand beugte sie sich herunter und hob einen schwarzen Kater auf ihren Schoß, welcher sich sofort an ihre Brust schmiegte. Unter seinem Schnurren verlor ihr Lächeln an Falschheit und bekam langsam einen bitteren Beigeschmack. Für eine Weile verlor sich ihr Blick ins Nichts und sie fühlte eine unangenehme Leere in sich ausbreiten. Nein, sie war nicht mehr das süße kleine Geschöpf an dem sich Bayern damals erfreut hatte. Sie war nun eine erwachsene Dame, in der Lage jedem ihre Krallen zu zeigen, welcher dumm genug war, sie in ihrem Spielterrain herauszufordern.

Roderich räusperte sich hörbar und sie konnte förmlich spüren, wie er sich mehr und mehr hinter seiner mentalen Mauer verkroch. "Soll ich dir was zu trinken holen lassen, liebster Bruder?", säuselte sie betont freundlich. "Ich hätte einen vorzüglichen Wein im Keller. Beste Qualität aus Italien." Roderich winkte ab und richtete sich auf. "Wir sollten endlich zu einem Schluss kommen...", versuchte er die Verhandlungen wieder zu beleben. Sie lachte schweigend innerlich auf.

- Zu einem Ende kommen, liebster Bruder? Ich bitte dich, der Krieg um das weiße Gold fängt gerade erst an... -

V-Veto

Salute,

Gut ich weiß die meistens meiner Themen drehten sich bisher um die Babenbergerzeit oder 1938. Aber das wird sich in Zukunft ein wenig ändern, habe schon ein paar andere Os in Peto (wenn noch nicht fertig), welche sich mit anderen Epochen beschäftigen als die oben genannten. Was die Anschlusszeit angeht ist dieses einstweilen das letzte, welches ich in meinen Dateien habe (meine FF ausgenommen). Es ist halt wieder nichts Heiteres geworden, aber schon so lange fertig dass ich es endlich hochgeladen haben möchte und an meinen andern fertigen Sachen möchte ich noch ein wenig feilen. Aber gut ich will mich diesmal (für einmal nicht lange aufhalten)

Viel Spaß, und wahrscheinlich bis DI

Lg, Sternenschwester
 

V-Veto
 

Roderich starrte auf seine Hände. Seine, an sich schon bleiche, Haut spannte sich weiß und blutlos auf seine Knöchel. Neben ihm redete Ludwig immer noch.

„… und damit gebe ich bekannt, dass Roderich und sein Land sich dem meinigen anschließt und somit endlich zurück in den Schoß der Familie zurückkehrt, welche ja auch die seinige ist.“

Ja zurück in Reich hieß es. Roderich spürte wie ihm schlecht wurde. Nun lebte er schon fast achthundert Jahre unabhängig und sollte sich nun als Teil eines Reiches unterwerfen. Natürlich sah seine Situation die letzten Jahre nicht gerade rosig aus, aber hatte er nicht bewiesen dass er auch ganz gut auf eigenen Beinen stehen konnte. Dass er nicht der lebensunfähige Staat war, für den ihn viele gehalten hatten. Wofür hatte er die letzten Jahre gekämpft? Dafür das er nun Teil Ludwigs wurde und in seinen größenwahnsinnigen Plan einbegezogen wurde? Verbissen versuchte er seine Wut und seinen Zorn zu unterdrücken, aber er wurde seiner Gefühlslage nicht Herr.

Ludwig hatte sein Plädoyer beendet und setzte sich wieder nieder. Ein betretendes Schweigen breitete sich im Saal aus. Roderich verkrampfte sich und wartete…Nun ja, aber auf was wartete er?

Leise raschelte irgendwo Papier, ein Glas Wasser wurde unruhig hin und her verschoben, wobei es grässliche Geräusche über den Tisch zog, ein verlegendes Räuspern durchschnitt die Luft, aber sonst… Keiner der anderen stand auf, keiner beklagte sich das es sich hier um einen Vertragsbruch handelte, keiner fuhr Deutschland an, das er im Unrecht stand… Überhaupt keine Reaktion seitens der anderen Nationen… warum schwiegen sie alle?

Vorsichtig hob Roderich den Kopf und blickte in die Augen der anderen…

Russland schien mehr von den nichtvorhandenen Geschehnissen, draußen im Garten interessiert zu sein. England sortierte verdrossen seine Unterlagen. Norditalien zuckte erschreckt unter seinen vorwurfsvollen Blick zusammen, während sein südlicher Zwillingsbruder verbissen versuchte, ihm auf keinen Fall in die violetten Augen zu sehen. Er spürte, wie beide sich vor seinen Vorwürfen fürchteten, hatten sie ihm noch nicht vor allzu langer Zeit Sicherheit und Selbständigkeit versprochen. Sogar an jede ihrer Bedingungen hatte er sich auf das penibelste gehalten, doch nun war das eingetreten, was hätte verhindern werden müssen. Verbittert stellte er fest das er nur ein Faustpfand war, welches Mussolini nur allzu gerne für ein bisschen Hilfe in Afrika an Deutschland geopfert hatte. Sein Blick glitt weiter.

Antonios Platz war verweist und Roderich wollte sich nicht mit den schauerlichen Gerüchten auseinander setzten, welche ihn aus Spanien ereilt hatten. Doch gerade jetzt wünschte er sich den Spanier hier her. Mit Kummer dachte er an die Zeit zurück, wo sie sich beide gegenseitig für einander eingestanden hatten. Wenn nicht immer als Nation, so hatte Antonio als Person ihm immer moralisch unterstütz, zugehört und ihm eine starke Schulter zum Ausweinen angeboten. Ebenso wie er in diesen lange vergangenen Zeiten, immer für den dunkelhaarigen Spanier, da gewesen war. Aber diese Bindung lag nun auch schon seit ein paar Jahrhunderten brach…

Francis spielte immer noch bekümmert und müde mit seinem Wasserglas herum. Die stolze Haltung, welche er noch vor zwei Jahrzehnten gehabt hatte, als er auf den Verhandlungstisch die österreichische Monarchie aufgelöst hatte, war in den Wirren der letzten Krisen verloren gegangen.

Plötzlich zerriss der Schlag einer Hand auf die glatte Oberfläche des Konferenzzimmerstisches die Stille und krachend fiel ein Stuhl um. Aller Augen richteten sich auf Mexiko, welcher aufgesprungen war und sich zornig über den Tisch gebeugt hatte. Mit verengten Augen starrte er in die Runde anwesender Nationen. „Sag bin ich der einzige, der das hier eine Schweinerei findet?“ Verschämt wichen viele seinem auffordernden Blick aus. Roderich spürte wie Ludwig sich neben ihm versteifte. „Mexiko, ich bitte um mehr Disziplin!“, keifte er den Schwarzhaarigen quer über den Tisch an. „Außerdem habe ich schon erwähnt…“, doch weiter kam der Deutsche nicht. „Ich lege gegen die Annektierung Österreichs ans deutsche Reich Protest ein.“ Der Südamerikaner hatte sich aufgerichtet. Roderich konnte nicht umher die stolze Haltung zu bewundern, mit desen Mexiko nun vor der Versammlung stand. Er hätte von vielen erwartet, das sie Beschwerden einreichten, doch nicht vom temperamentvollen Rotäugigen. Verwirrt suchte er den Blick Mexikos und fand ihn auch. Eine Weile sahen sie sich an. Es waren nur ein paar Sekunden, doch kamen sie dem Braunhaarigen wie Stunden vor. Es lag eine eindeutige Forderung drin… Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, sprach die Personifizierung Mexiko weiter, jetzt jedoch in einem ruhigeren Tonfall. „Es wird Zeit, dass jemand gegen deine Aggressionspolitik aufbegehrt, Deutschland!“

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Gut historischer Kontext ist hier mal schnell erklärt. Obwohl nach dem zweiten Weltkrieg schriftlich festgehalten wurde, dass zwischen Österreich und Deutschland ein Anschlussverbot herrscht, kam es kaum Proteste auf internationaler Ebene als Hilter 1938 Österreich einfach annektierte. Manche Staaten haben eine schwammige, schriftliche Beschwerde an den Völckerbund eingereicht (Sowjetunion z.B.) aber so wirklich lautstark protestiert hat nur Mexiko.

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Betagelesen von Rettet den Wald

K-Künstlername

Wien - 1986 - Kegelgasse 36-38
 

"Dada..", brabbelte der kleine Wicht und grapschte mit seinen kleinen Stummelfingern nach dem Nichts.

Roderich rückte sich das Kind, welches er in seinen Armen trug, ein wenig zurecht und sah zweifelnd zu dem Objekt seiner Aufmerksamkeit. Er wusste nicht genau, was er von diesem architektonischen Versuchsprojekt so halten sollte.

Gut, der Mann hatte sich in der Vergangenheit schon öfter als alternativer Künstler erwiesen, doch hatte er nie gedacht, dass sein Wien soweit gehen würde, ihm ein solches Unternehmen zu ermöglichen.

Aber so war nun Mal seine Stadt.

Wenn es um Kunst ging, war und blieb sie sehr experimentierfreudig.

Ein Ergebnis dieser Liebe zur künstlerischen Verrücktheit saß schließlich nun auf seinem Schoß und zeigte sich völlig begeistert von der neusten Spinnerei, welche seine Stadt genehmigt hatte.

Er selber bezog gegenüber diesem Projekt eine eher neutrale Haltung, abwartend was die Zukunft brachte, während andere sich in den Tageszeitungen darüber die Mäuler zerrissen.

Roderich wäre sogar enttäuscht gewesen, wenn dem nicht so wäre.

Die Wiener mussten erst über die neusten künstlerischen Auswüchse in ihrer Stadt einmal gehörig sudern und es misstrauisch beäugeln. Dann später, beziehungsweise irgendwann in ferner Zukunft, zollten sie schlussendlich dem Werk und seinem Künstler den gehörigen Respekt.

Manchmal taten sie es jedoch nie und schmähten die ganze Angelegenheit bis in die Ewigkeit.

Literaten, Pinselschwinger, Philosophen, Musizierer, Texteschmierer...

Seine Hauptstadt hatte schon so viele von diesem Pack kommen und gehen sehen.

Viele haben sich im Laufe der Jahrhunderte große Namen gemacht, deren Wirken bis in die heutige Zeit reichte, doch noch mehr waren im Sumpf des Vergessens untergegangen.

Ohne die Kunst, welche sie gefördert wie auch verschmäht hatten, wäre Wien halt nicht Wien, und Roderich wäre nicht das, was er heute ist.

Es war eine innige Hass-Liebe, welche von vielen Künstlern geteilt wird oder geteilt worden war.

Als Österreich hatte er selber beobachten können, wie gotische Meister ihre Spuren zurückließen, hatte den Fall von Mozart miterlebt und den stürmischen Aufstieg des Bonner Wirbelwindes, dessen neunte Symphonie heute die Hymne von Europa war, hatte in den selben Kaffeehäusern verkehrt, wo so mancher Querdenker seine Gedanken literarisch zusammengefasst hatte, und die Meister gehört, welche dem politischen System mit Ironie und Sarkasmus zu Leibe gerückt waren, hatte einst teilgenommen an den Aufführungen und Verhaftungen des Stückschreibers Nestroy, und war einst Zeuge gewesen wie eine Gruppe von Künstlern den Wiener Jugendstil ins Leben rief...

So oft hatten er und seine Stadt den Finger auf den Puls der verschiedensten Künste gelegt und bis heute war ihnen dieser Zauber erhalten geblieben.

Begeistert ließ der Kleine seine pummligen Händchen aneinander klatschen.

"Dada...", versuchte er es nochmal und zog an dem Halstuch des Erwachsenen. Roderich runzelte die Stirn, als er durch diese unschuldig wirkende Geste aus seinen Gedanken gerissen worden war.

Der Österreicher hatte trotz seines hohen Alters nicht viele Erfahrungen mit Kleinkindern oder Säuglingen und bereute es nun, da er seit Kurzem diesen seltsamen Knirps am Hals hatte. Dieser besaß nicht einmal einen ordentlichen menschlichen Namen, noch war er stubenrein.

"Rodrod...dada."

Wieder versuchte diese Viertelportion ihn auf das Gebäude vor ihnen aufmerksam zu machen.

Zugegeben, er selber konnte die Verwandtschaft zwischen ihnen schlecht verleugnen, aber dennoch grenzte die Existenz dieser Wanze an der Lächerlichkeit.

Gut, Monaco war auch nicht mehr als ein Fürstentum auf 2 Kilometer französische Küste. Dennoch konnte man ihre Vergangenheit niemals mit der dieses Wurmes vergleichen.

Oder Bonifatius, der musste sich zwar nun auf kleinsten Raum im Zentrum Roms beschränken, stellt aber bis heute ein Zentrum der Macht dar.

Doch einfach eine Kugel aufzustellen und diese als Republik zu deklarieren, mochte unter gewissen Kreisen vielleicht als eine Protestreaktion durchgehen, war aber noch lange kein Grund, dass ein Repräsentant für diese Idee das Licht der Welt erblickte.

Das Kerlchen streckte sich und bemühte sich, die vorwitzige Haarsträhne zu angeln, welche Roderichs braunen Haarschopf dominierte. Österreich seufzte und hielt sich das Kind in Augenhöhe.

"Das ist Nein.", sagte er mit sanfter, aber bestimmter Stimme.

Der Kleine legte sein Köpfchen schief und sah ihn zuckersüß aus seinen violetten Augen an. Abermals seufzte er, doch diesmal schlich sich hinterrücks ein Lächeln auf seine Lippen.

"Wenn du mir weiterhin diesen Blick zuwirfst, sterbe ich einmal an einem Zuckerschock."

Daraufhin brabbelte der Kleine was Unverständliches vor sich hin, verdrehte sein Köpfchen nach hinten, soweit es nun mal ging, und richtete seine volle Aufmerksamkeit wieder auf das Haus vor ihnen.

"Trotzdem brauchst du langsam einen menschlichen Namen...", führte der Braunhaarige sein einseitiges Gespräch weiter und folgte abermals dem Blick des Kindes.

"Edwin?"

Fragend sah er das Kind an und wiederholte den Namen nochmals. Das junge Wesen vor ihm schenkte ihm zwar seine Anteilnahme wieder, betrachtete ihn dennoch kommentarlos.

"Also nicht der Name des Verantwortlichen deiner Existenz... auch gut. Hat mir als Vorname selber auch nie wirklich zugesagt."

Schweigend betrachtete die Republik Österreich das Haus vor ihnen und als er mit dem Blick die bunte Fassade, welche ihm so vertraute Elemente des Historismus beinhaltete, abfuhr, formte sich schon eine weitere Idee in seinen Geist.

"Du bist ja ein kleiner Rabauke was Kunst angeht..."

Auf dem runden Gesicht des Silberschopfs legte sich ein fragender Ausdruck.

"Wie wäre es dann mit Friedrich, so heißt nämlich der Mann, welcher dieses Haus entworfen hat. Auch andere durchsetzungsvermögende Männer haben diesen Namen getragen. Frie-drich."

Roderich versuchte Silbe für Silbe klar auszusprechen, dennoch verzogen sich die kleinen Lippen und auch der Blick des Kleinen verriet, dass er auch diesen Vorschlag nicht mit Begeisterung hinnahm.

Der Ältere unterdrückte mit Mühe und Not ein Aufseufzen.

"Gut, ich gebe zu, ich selber verbinde nicht gerade viel Erfreuliches mit diesem Namen. Aber was sagst du dann zu seiner Variante von Friedrich?" Dabei wedelte der Braunhaarige Richtung Haus. "Frie-dens-reich?"

Wieder wiederholte er ein paar Mal den Namen und diesmal begann das blasse Kindergesicht zu strahlen.

"So so, Friedensreich gefällt dir. Du bist wirklich ein wenig exzentrisch für dein Alter, Zwutschkerl."

Roderich konnte schwer verleugnen, dass dieses Lächeln ansteckend war, und auch auf seinen Lippen formte sich ein seliges Grinsen. Vielleicht waren er und der Knirps ja doch nicht so verschieden, schließlich waren sie beide Künstler im Geiste.

"Gut, aber wehe du beschwerst dich dann bei mir, wenn du größer bist."

Das Kind jedoch quickte ausgelassen.

"Frie...eich, Frie...eich."

"Na na, das werden wir noch ein wenig üben müssen..."

Noch immer lächelnd zupfte Roderich ein Stofftaschentuch aus seiner Manteltasche und wischte ein wenig Speichel um die weichen Mundwinkel des Kleinen weg.

"Aber dafür hält dein Name eine Hoffnung aufrecht, an welche sich viele der Meister, welche du so bewunderst, verzweifelt geklammert haben."

Sanft strich er eine vorlaute, silberne Haarsträhne hinter das winzige Ohr und stand dann wortlos, mit dem Baby im Arm, auf.

"Was hältst du davon, wenn wir uns dieses kunterbunte Haus von deinem Namensvetter einmal von der Nähe ansehen?"

Der frisch benannte Friedensreich frohlockte mit seinen typischen Kleinkinderlauten und zufrieden ging Roderich auf die eine Eingangstüre des Hundertwasserhauses zu. Künstler hatten manchmal verkehrte und absolut verrückte Ideen, doch mehr als einmal hatte Roderich am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie abhängig sie von diesen Menschen waren. Denn sie waren es, welche das Gespür für den Puls der Zeit besaßen und meist auch den Mut hatten diesen zu reflektieren.

Friedensreich, ein Name mit Verantwortung, aber auch gefüllt mit Hoffnung.

V-Vampir

V-Vampir
 

Wien - 1755
 

Selig drehte sich Roderich ein wenig und zog die schlafende Ungarin ein Stück näher zu sich. Auch wenn der Tag ausgefüllt war durch ermüdende Diplomatie und einen Politikzirkus sondergleichen, war er für diesen Augenblick höchst zufrieden.

Die letzten Jahre waren höchst anstrengend, wie auch entbehrungsreich gewesen, aber er war noch da und spielte weiterhin eine wichtige Rolle auf dem politischen Bankett.

Mit sich und der Welt im Einklang vergrub er eben das Gesicht in die brünette Haarmähne seiner Bettgefährtin, da ging geräuschvoll die Tür zu seinem Schlafzimmer auf. Ein wenig verärgert notierte er in seinen Gedanken, endlich den Zimmermann die Schäden an dieser Tür beheben zu lassen, damit sie endlich wieder ordentlich zuging. Noch ein paar Minuten, dann würde er aufstehen und sie schließen, dachte er sich ein wenig selbst anschwindelnd zu sich, jetzt wollte er noch ein wenig die Wärme seiner Ungarin genießen.

Doch plötzlich spürte er, wie die Decke angehoben wurde und eine... oder besser zwei weitere Personen zu ihnen ins Bett schlüpften. Roderich wollte eben gerade auffahren, da legte sich eine Hand über die Lippen.

"Psscht... Wir sind’s!"

Trotz der Dunkelheit im Raum erkannte der Österreicher die Person an der Stimme. Wer dann ihre nächtliche Begleitung war, konnte er sich nur zu gut ausmalen.

"Hedvika? Alane?"

Fassungslos starrte er die beiden Schemen an, welche nun vor ihm hockten. Einem Wunder gleich bekam Ungarn von dem allen nichts mit und schlummerte selig den Schlaf der Gerechten.

"Bei der Seligsprechung Leopolds, was macht ihr hier?"

"Himmel, Roderich, in unserem Zimmer ist ein Vampir."

Damit war das Wort gefallen, welches er in diesem Augenblick am wenigsten hören wollte.

Erst gestern Morgen hatte er sich den Bericht über die angeblichen Vorfälle in Mähren bezüglich Vampirismus von Van Swieten durchgelesen. Er musste dem Leibarzt seiner Herrscherin in allen Punkten zustimmen. Diese abstrusen Ideen konnten nur in einem etwas zu gereizten Aberglauben der einfachen Bevölkerung entsprungen sein.

"Verdammt Böhmen, wir sind uns doch einig geworden, dass es keine Wiedergänger gibt."

Resigniert ließ sich Roderich zurück in die Kissen fallen und legte den linken Arm über die Augen.

"Ich schwöre es dir, du blödes Österreich. Ich bin aufgewacht und sah wie sich eben eine dunkle Gestalt über das Bett meiner Schwester beugte. Ach Roderich..." Noch immer vor Angst zitternd krallte sich Hedvika an den Braunhaarigen und auch ihre Schwester rückte immer näher. Überrumpelt durch diese ungewohnte Nähe, richtete sich der Österreicher abrupt auf.

"Hedvika, du weißt eh, was passiert, wenn die Dame neben mir aufwacht und euch hier vorfindet."

"Ach, kannst du es bitte unterlassen, deine Probleme mit den unsrigen zu mischen? Außerdem was soll die Angst? Ich habe mit dir schon öfter das Bett geteilt und Lisi weiß das sehr wohl."Roderich nahm den Arm von den Augen und blitzte die Böhmin Unheil verkündend an.

"Und mehr als einmal hast du mich auch aus diesem hinaus geschmissen.", zischte er dann leise, währen die Angesprochene auf seine Anforderung eines Blickduells einging. Die dritte und vierte Bettgenossin waren für diesen Augenblick vergessen. Wobei die eine selig weiter ihren Träumen nachhing und die vierte sich von dem Schock noch nicht ganz erholt hatte. Ungläubig sah sie abwechselnd ihre Schwester und den Österreicher an.

"Ach ja, aber wenigstens kannst du nicht behaupten, in einem Misthaufen gelandet zu sein.", erwiderte die blonde Böhmin keck, wobei ihr Gesicht dem des Braunhaarigen schon so nah kam, wie seit langem nicht mehr.

Jedoch wurden beide in ihrer zweisamen Konversation, vom Räuspern der Mährin rausgerissen. Roderich setzte sich ein wenig auf, höchst bedacht, Elisabeth nicht aus ihren offenbar sehr tiefen Schlaf zu reißen.

"Na gut, dann sagt einmal, wie sah eurer Vampir denn überhaupt aus?"Durch seinen plötzlichen Themenwechsel überrascht, sah sich das Schwesternpärchen überrumpelt an.

"Nun ja...", begann dann Mähren, wobei sie nervös mit ihren Fingern spielte.

"Als er sich über mich gebeugt hatte, sah ich spitze Zähne aufblitzen und ein furchtbares Grinsen, das mir durch Mark und Bein ging. Da bin ich aufgefahren und als Hedvika mit dem Kerzenleuchter schlagen wollte, hat er sich in die Schatten zurückgezogen und war verschwunden..."

Den noch immer geschockten Unterton außer Acht lassend, begann ein furchtbarer Verdacht in Roderich aufzusteigen.

Wie oft hatte er diesen Kretin gewarnt?

Wie oft hatte er ihm gesagt, dass er im Frauenflügel rein gar nichts zu suchen hatte.

Hatte er ihm nicht erst gestern eingeschärft, den Repräsentanten von Böhmen und Mähren aufgrund der Vampirhysterie, welche sich von ihren Kindern auf beide übertragen hatte, fernzubleiben?

Ihm in allen Farben ausgemalt, was passieren wird, wenn er mit seinen Schauergeschichten die Frauen in ihren Ängsten bekräftigte?

Aber nein, dieses Gfrast hielt sich offenbar für einen gewitzten Komödianten.

Zornig schlug das österreichische Erzherzogtum die Decke zurück und stieg mit Schwung aus dem Bett, worauf die anderen beiden ein wenig nach hinten rutschten. Durch die plötzliche Unruhe, welche nun im großen Himmelbett entstanden war, wachte schlussendlich doch noch Elisabeth auf und schaute überrascht, wie auch verschlafen in die Runde.

"Was ist denn los?", nuschelte sie völlig benebelt und nahm im Moment die Tatsache, dass außer ihr sich zwei weitere Damen im Bett befanden, ungewöhnlich gelassen zur Kenntnis.

Währenddessen hatte sich Roderich sein Nachthemd übergezogen und war mit einer Mörderstimmung aus dem Zimmer gestampft. Die Ungarin wollte ihre nord-westlichen Nachbarinnen gerade fragen was denn los sei, da konnte sie sich ihre Frage sparen, denn draußen am Gang begann ein furchtbares Gezeter, welches Tote hätte wecken können.

"Vlad!! Komm raus du rumänisches Saugfrast!!!! Wenn ich dich noch einmal erwische wie du dich in den Gemächern der Damen herumdrückst, dann Gnade dir Gott!!!"

Sch-Schrei

Sch-Schrei (1927 – Justizpalastbrand)
 

Man zeigt nicht mit Waffen auf

andere Leute

man zeigt nicht mit Waffen auf

Niemand und Nichts
 

Oh die Brüder von gestern sind

die Gegner von heute

und jeder Schuss kommt irgendwann

irgendwann zurück
 


 

Damals hatte sich Franziska die Seele aus dem Leib geschrien. Roderich konnte sich bis heute lebhaft an die Szenerie erinnern. Sie alle waren um Hedwig versammelt gewesen und hatten zusehen müssen, wie dieses junge Geschöpf auf ihrem Schoß, so lange geweint und geschluchzt hat, bis es vor Erschöpfung an der Brust der Steierin eingeschlafen war. Nur hatten sie damals nicht vorausgeahnt wie weit das Unglück reichen wird. Sie hatten gemeint es läge sicher am jungen Alter dieser Nation, obwohl Franziska keine Nation ist und im Gegensatz zu seinen Geschwistern nie eine gewesen war. Das dieses kleine Mädchen um die Toten von Schattendorf in diesem Maß getrauert hatte, war von ihnen nur mit freudlosen Lächeln begleitet worden. Schon so viele waren wegen ähnlicher Zusammenstöße verletzt, geschädigt oder gar getötet worden. Zwar waren sie sich alle einig das jeder Tote einer zu viel war. Doch die Zeit ließ einem gegenüber solchen Vorkommnisse abstumpfen, sodass sie meinten das Kind verschwendete seine Tränen unnötig, da mit größter Wahrscheinlichkeit bald wieder Tote zu beklagen seien.
 

Völker der Welt

rüstet euch auf

kauft euch Pistolen

geht an die Front

sichert den Frieden

mit neuen Kanonen
 


 

Sie müsste sich erst an ihre Rolle gewöhnen, meinte Adelheid. Hedwig hatte sich am Anfang ähnlich verhalten, meinte Katharina. Sie ist dem Schicksal gegenüber noch zu weich, meinte Anges. Anges sollte die Klappe halten, meinte Salvatria. Sie alle sollen aufhören in einer solchen Situation vor dem Kind zu streiten, meinte Hedwig, während sie beruhigend den zierlichen Leib hin und her schaukelte. Roderich meinte nichts dazu und schwieg.
 

Füllt euer Pulverfass

bis zum Rand

So voll wie unser Magazin

So leer ist der Verstand
 

Hätten sie die Zeichen der Zeit besser gedeutet. Vielleicht war es Ironie des Schicksals das einzig und alleine Franziska den Ernst der Lage verstanden hatte. Dieses Kleinkind, welches niemals einen selbst bestimmten Weg gegangen war. Niemals eine Markgrafschaft, Herzogtum oder Grafschaft repräsentiert hatte. Ein Mädchen mit verstrubeltem, braun-grauem Haar und leuchten grünen Augen. In Zeiten des Übermutes, ein Wildfang, welcher Leben in den krisengeschüttelten Alltag von Roderichs Familie brachte. Denn die politische Situation schlitterte von einer Krise in die nächste. Kaum hatten sie die ersten Schwierigkeiten bezüglich ihres neuen Status als Republik überwunden, so begannen die Reibereien zwischen den Christlichsolzialen und den Sozialdemokraten. Reibereien, welche einen tödlichen Ernst bekamen, je mehr das Misstrauen, die Verachtung und der Hass das politische Klima vergifteten. Jede Seite rüstete ihre Leute aus und ab da hätte bei ihnen allen die Alarmglocken heftigst zu läuten beginnen sollen! Doch sie ignorierten diesen Wink des Schicksals, sie alle bis auf Franziska.
 

Völker der Welt

rüstet euch auf

Bis an die Zähne

Denn der mit dem längeren Lauf sitzt

am längeren Hebel
 


 

Fassungslos sah er dem rauchenden Gebäude zu, wie es immer mehr von den Flammen in Besitz genommen wurde. Er war schon heute Früh mit einem schalen Geschmack aufgestanden, doch hatte er niemals gedacht dass es solche Ausmaße annehmen würde. Um ihn herum herrschte Chaos. Leute schrien, keiften, grölten und so manch einer lachte. Doch er nahm nichts vom Trubel wahr, welcher um ihn herum herrschte. Wie weit hat es nur kommen können. Hatte Franziska recht gehabt, als sie all ihre Tränen wegen Schattendorf vergossen hatte? Nein, nicht mal sie hätte sich mit ihrem kindlichen Geist, den Urteilsspruch und die Protest der Leute ausmalen können. Dafür war sie viel zu klein. Dafür fehlten ihr die politische Weitsicht. Aus den Augenwinkeln bemerkte er wie Demonstranten die Feuerwehr daran hinderte ihre Arbeit zu tun. Wie hatten sie nur in dieses Tollhaus rein schlittern können? Warum zerriss sich sein Land in zwei Teile? Plötzlich ertönten Schüsse und durch die vermehrt erklingenden Angstschreie erwachte er aus seiner Lethargie.
 

Wir tanzen auf Messer und Schneide

stehen kurz vorm Rand

ist nur eine Frage der Zeit

dann geht einer zu weit
 


 

Der Himmel war verhangen vom Rauch und das Festmahl des Feuers hatte sich selbst aus dieser Distanz stechend in seine Geruchsnerven verbissen, dass er, selbst als er völlig verstört die gemeinsame Wiener Wohnung betrat meinte, er stünde noch immer vor dem qualmenden Gebäude.

Im schlichten Vorzimmer rannte ihm das kleine Burgenland entgegen und schmiss sich ihm in die Arme. Kummervoll drückte er den kleinen Leib gegen seine Brust und ließ es zu, dass kindliche Tränen seine Haare benetzten.

Hedwig kam aus der Küche, wobei sie sich die Hände in einem Geschirrtuch abwischte. Das Radio krächzte hinter ihr und aus ihrer Miene konnte der Braunhaarige entnehmen, das auch sie in Kenntnis der Ereignisse war. Behutsam nahm er Franziska auf den Arm und ging mit ihr ins Wohnzimmer, während das Kind leise gegen seine Brust schluchzte.

Im Wohnzimmer hatte sich die restliche Sippe versammelt, wobei er durch die gelegten Karten und der Art wie Salvatria die Karten mischte sah, dass die Gedanken seiner restlichen Schwestern nicht beim Tarockieren waren. Nach einem kurzen Blickaustausch mit den anderen Familienmitgliedern stellte sich Roderich an eines der Fenster, welche der Straße zugewandt waren.

„Was ist denn nun wirklich passiert Roderich?“

Adelheid rutschte unruhig auf ihren Sessel hin und her. In ihrer Stimme schwang ängstliche Unsicherheit mit.

„Sie haben Freispruch erhalten.“

Er konnte hinter seinen Rücken deutlich vernehmen, wie Hedwig auf seine trockene Antwort hörbar, zornig die Lippen schürzte. Bevor sie jedoch zu Wort kommen konnte, sprach das ehemalige Erzherzogtum einfach weiter.

„Der Justizpalast brennt, aber ich glaube das wusstet ihr schon.“

„Und weiter?“, keifte Agnes ungehalten in ihrer barschen Art.

„Sie haben in die Menge geschossen!“

Mühsam hielt er den emotionslosen Unterton bei, welcher die Familie eher von der Ältesten, Katharina gewohnt waren, aber nicht von ihm.

Krachend fiel hinter ihm ein Stuhl um und erschrocken wandte er sich mit dem erneut aufheulenden Kind im Arm um. Agnes war wütend aufgestanden, wobei sie zornig derart die Fäuste zusammenballte, dass diese aufgrund des plötzlich eintretenden Blutmangels ganz weiß wurden. Salvatria und Katharina waren ebenfalls aufgehüpft. Die eine um sich eiligst vor ihrer Tischnachbarin in Sicherheit zu bringen, die andere um eine der einzigen Sachen zu tun, welche die Tirolerin in ihrem Zorn einigermaßen besänftigte. Behutsam legte sie den Arm um die spitzen Schultern der Schwarzhaarigen und zog sie zu sich, wobei sie sanfte Worte murmelte. Bestürzung fand sich in allen Mienen wieder. Adelheid sammelte hölzern schnell alle Karten ein.

„Adelheid, Salva! Helft mir das Essen auf den Tisch zu bringen.“

Hedwig winkte mit dem Geschirrtuch die Anwesenden zu sich und löste somit die versammelte Runde für einen Augenblick auf. Ihre Stimme hatte zwar gefasst geklungen, aber beinhaltete dennoch einen sehr bitteren Beigeschmack.

Alleinig das verstummende Schluchzen Burgenlands und das melodische Murmeln Kärntens erfüllten den Raum, während Roderich in dieser Stille bekümmert die dunklen Rauchschwaden beobachtete, welche selbst von hier zu sehen waren. Immer wieder fragte er sich wohin das alles nur führen sollte, bis er merkte das Franziska in seinen Armen eingeschlafen war.
 

Oh man zeigt nicht mit Waffen auf

andere Leute

man zeigt nicht mit Waffen auf

auf Niemand und Nichts
 

oh die Brüder von gestern sind

die Gegner von heute

denn jeder Schuss kommt irgendwann

irgendwann zurück

Sp-Spott

Wieder mal was kurzes und diesmal der erste OS wo Roderich nicht vorkommt.
 

Sp-Spott
 

Zweite Hälfte des 15 Jahrhunderts - Innsbruck
 

Agnes spürte den eisigen Wind im Gesicht und sah nur allzu gut, wie die weißlichen Atemwölckchen ihres Pferdes vom Winde aufgelöst wurden. Die Tage waren eindeutig zu kalt für diese Jahreszeit. Hochmütig warf sie den Kopf hoch, als sie sah, wie der Mann in Begleitung seines Maultieres sich ihr immer mehr nährte. Selbst durch die dicke Kleidung, in welche sie aufgrund der Kälte gehüllt war, spürte sie das schwere Zopfgefelcht ihrer schwarzen Haare am Rücken leicht auspendeln, während die gebeugte Gestalt trotzig ihren Weg voranging. Wie ein geprügelter Hund schlich er fort von ihrer Residenz. Ihr kaltes Lächeln gewann an Intensität als sie die stampfenden Geräusche der Schuhe des Mönches im Schnee wahrnahm.

Sie gönnte ihm seine Niederlage und das aus vollen Herzen. Er war noch wenige Fuß von ihr entfernt, da richtete sie sich zu voller Größe auf. Vielleicht war es Schadenfreude, die ihre Seele in Hochstimmung versetzte, vielleicht auch einfach arrogante Erleichterung, dass bald alles wieder nach seinen gewohnten Gang laufen würde. Sie wusste es nicht genau zu beschreiben.
 

Der Glaubensbruder hielt auf ihrer Höhe an und suchte zornig ihren Blick. Ihr war wohl bewusst, dass er sie für diesen Augenblick erkennen würde, als das, was sie war. Nur für diesen Moment, denn, wenn er seinen Weg weiter gehen würde, wird diese Begegnung aus seinem Gedächtnis gestrichen sein. Sein ernster Ausdruck blieb, und das war eine Tatsache welche sie erstaunte und gleichzeitig beunruhigte. Selten hatte sie Männer oder Frauen kennengelernt, welche nach einem solchen Treffen mit ihr, so die Fassung bewahrt hatten. Drohend hob er die Hand, die Faust geballt. Erstaunen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

„Ich warne dich, Weib!", zischte der Mann unheilverkündend. „Mein letztes Wort ist noch nicht gesprochen. Gott wird dich in den Schlund der Hölle werfen lassen."

Sie lachte auf und warf wieder ihren Kopf zurück, sodass ihr dicker Zopf kurz durch die Luft peitschte.

„Lauf, kleines Mönchlein, bevor es sich die Ehemänner, deren Zorn du dir zugezogen hast, anders überlegen."

„Ja, spotte nur Weib. Dich und deinesgleichen werde ich auch noch zu eurem verdienten Los verurteilen."

Sie ignorierte den Hass, welcher ihr entgegen schlug. Es war nur natürlich, dass er eine solche Abneigung ihr gegenüber zeigte. Schließlich war sie die Vertreterin des Landes, indem er in den letzten Wochen ein Versagen auf vollster Linie hatte erleiden müssen.
 

Sie hob noch einmal die Hand und wandte ihr Pferd wieder Richtung Stadt. Kaum hatte sie ihn hinter sich gelassen, konnte sie, als sie ihren Kopf ein wenig nach hinten drehte, wobei sie im letzten Moment den Drang unterdrückte sich vollends umzudrehen, aus den Augenwinkeln wahrnehmen, wie der Geistliche in seiner Wut hinter ihr auf den Boden spuckte. Doch sie ignorierte diese schmähliche und beleidigende Geste. Mit hocherhobenem Kopf, als hätte sie erfolgreich ein Übel bezwungen, ritt Agnes wieder in Innsbruck ein. Selbst wenn sie nur ein Menschenleben zu leben hätte, und die Tatsache außer Acht ließ das dieser Mann den Rang eines Inquisitors bekleidete, welcher Hahn würde in ein paar Winter nach den Worten eines Heinrich Krammers krähen?
 

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Betagelesen von Blaubeermuffin(fanfiction.net) und Mimmi

V-Verwechslung

V-Verwechslung
 

1274 - Tirol
 

Karl schluckte erneut, als er wieder in die rostroten Augen seiner Gegenüber sah, doch er riss sich zusammen.

"Also, wie lautet deine Antwort?"

Das Mädchen, denn älter sah sie nicht aus, begann, weiterhin gelangweilt mit der Spitze ihres Dolches den Dreck unter den Fingernägeln zu pulen, während sie weiterhin lässig in ihrem massiven Stuhl saß und die Füße am Holztisch hochlagerte. Abermals fiel dem Repräsentanten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf, wie sehr man sie für einen Knaben halten konnte. Das schwarze Haar war fingerlang geschnitten und umrahmte so leicht das hagere Gesicht. Die spitze Nase und die stechenden Augen, welche einen eindeutigen Rotstich aufwiesen, der schon leicht ins Braun überging, verliehen ihrer Erscheinung etwas Herrisches und Verwegenes. Was durch die klobige Kleidung eines Knappen, welche an ihrem dürren Leib völlig schlackerte, nur unterstrichen wurde.

"Also, du willst, dass ich dir helfe, Richard von Österreich soweit wieder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, dass er von Böhmen und somit von Ottokar endlich Abstand nimmt?"

Der stechende Blick kehrte von den Fingernägeln zu ihm zurück. Obwohl sie mit ruhiger Stimme gesprochen hatte, lag dennoch etwas Drohendes in der Luft.

"Roderich von Österreich.", verbesserte er sie und wünschte sich, die Verhandlungen so bald wie möglich hinter sich zu bringen. Es machte ihn einfach nervös, wie sie nun begonnen hatte, mit der scharfen Stichwaffe in den Händen zu spielen, aber er wollte sich einfach keine Blöße geben, besonders nicht vor der Grafschaft, die ja formell genommen unter ihm stand. "Und ja, ich würde auf deine Hilfe zählen, denn vergiss nicht, an wen sich dein Haus durch eine Ehe gebunden hat. Zudem käme es mir günstig, wenn du die zwei südlichen Schwestern in Schach halten würdest."

Ein fragender Ausdruck schlich sich auf das schmale Gesicht.

"Hedwig von der Steiermark und Katharina von Kärnten."

Er sah, wie sie erkennend den letzten Namen lautlos murmelte, kaum hatte er ihn ausgesprochen und für eine Weile herrschte Stille, während sie nachdenklich ihr Spiel mit dem Dolch beobachtete.

Plötzlich zerriss das dumpfe Geräusch einer Schneide, die sich tief ins Holz bohrte, die angespannte Luft und Karl fuhr erschrocken auf. Perplex starrte er auf den noch vibrierenden Dolch in der massiven Holzplatte, während seine Gastgeberin geräuschvoll den Stuhl nach hinten schob.

"Einverstanden, ich bin dabei, um Hedvika und Richard in den Arsch zu treten."

"Roderich.", verbesserte der blonde Junge sie abermals, dankbar, einen Grund zu haben, um seinen vorigen Schrecken zu überspielen, doch seine Gesprächspartnerin achtete nicht auf ihn.

"Ich werde dir helfen, den Süden aufzuräumen, schließlich bin ich das meinem neuen Kaiser schuldig, aber das wird seinen Preis haben."

Das Blitzen in den rostroten Augen beruhigte Karl nicht im Geringsten. Ohne viel Kraftanstrengung zog sie die Waffe aus dem Holz und begann, sie wieder zwischen den Fingern zu balancieren.

"Das war mir schon klar, als ich mit diesem Anliegen zu dir gekommen bin, Tirol!", antwortete er ihr pikiert, ihre Bewegungen nicht aus den Augen lassend. "Aber darf ich dich daran erinnern, wer ich bin und wer du bist." Langsam kam sie auf ihn zu und er spielte mit dem Gedanken, selbst aufzustehen, um sich neben ihr nicht ganz so mickrig vorzukommen, doch er blieb sitzen, und versuchte eher das Thema abzuschließen. "Aber man sollte nicht die Haut des Bären verkaufen, bevor man ihn erlegt hat."

Wieder das Spiel mit dem Dolch. Wie ihn das nervös machte, vor allem jetzt, wo sie unmittelbar vor seinem Platz stand. Doch zum ersten Mal seit ihrer Begegnung heute nahm sie plötzlich eine weichere, femininere Haltung an. Die Ellbogen an den dünnen Leib geschmiegt, die Hände auf der Höhe der Brust und das Haupt leicht nach unten geneigt wie eine verlegene Jungfer wich sie seinem Blick aus.

"Nun ja, da habt Ihr Recht, und schließlich bin ich nur eine kleine Grafschaft, Herr..."

Er wollte sich eben -in Sicherheit gewiegt durch ihren unterwürfigen Ton- nach hinten lehnen, da schnellte sie nach vorne und erschrocken stellte er Sekunden später fest, dass sie den Dolch abermals in das Holz gerammt hatte, genau in den engen Spalt zwischen seinen Fingern. Das Vibrieren der Klinge erfüllte unheilverkündend den Raum.

"Aber dann hoffe ich für Euch, dass ihr Euren Bären bald erlegt!"

Fassungslos starrte er in das entschlossene Gesicht, während sie immer noch die Hand um den Griff des Dolches gelegt hatte. Wie konnte dieses Miststück nur wagen, so fordernd ihm gegenüber aufzutreten.

"Denn soll ich Euch bei dem Problem mit Richard helfen, so wehe Euch, wenn Ihr mir dann die Beute verweigert. Verwandtschaft hin oder her, mit Agnes Hütt, der Grafschaft Tirol-Görtz sollte man es sich in dieser Angelegenheit nicht verscherzen."

Noch immer leicht unter Schock stehend unterließ es Karl, Agnes wegen Roderichs Namen noch einmal zu korrigieren.

J-Jagd

J-Jagd
 

Nov. 976 - Kärnten
 

Der ganze Saal war ausgeschmückt worden. An den hohen steinernen Wänden hingen die verschiedensten Wappen der anwesenden Gesellschaft. Die hohen Heeren und Damen saßen alle an den langen, massiven Holztischen nach Rang und Namen verteilt, unterhielten sich, aßen und tranken oder sahen den Gauklern bei ihren Kunststücken zu. Roderich reckte sich, um seine eingeschlafenen Glieder wieder zu bewegen. Er saß am Tisch der herzoglichen Familie und deren engeren Freunden. Das herzogliche Paar und der römisch, deutsche Kaiser persönlich beherrschten die Tafel, während sich deren Gäste und Gefolge, rechts und links aufteilten. Gleich neben der frisch gebackenen Herzogin und ein paar Sitze ums Eck von ihm, saß seine ältere Schwester, Katharina. Ihr langes Haar, welches ein Spur dunkler war als seines, trug sie, wie ein unverheiratetes ehrbares Mädchen, offen, wobei sich die Dienerinnen es nicht haben nehmen lassen, kunstvoll bunte Bänder hinein zu flechten. Das neue, rote Kleid und der dazu passende, dezente Schmuck sahen so ungewohnt an ihr aus, sodass sich Roderich mehrmals erinnern musste, dass dieses Mädchen vor ihm seine Schwester war. Ausgelassen und mit Charme unterhielt sie sich gerade mit ihrem linken Sitznachbarn, welcher ihr öfters kleine Stücke von seinem Teller anbot und mehr auf ihre aufkommenden weiblichen Reize achtete als auf den Gesprächsinhalt. Roderich wurde ihm zwar vor dem Bankett vorgestellt, doch hatte er den Namen dieses Mannes schon längst vergessen. Er wunderte sich erneut über den Übermut und die gute Stimmung, welche seine Schwester an den Tag legte, denn normalerweise kannte er sie sehr verschlossen in Mimik und Gedanken, wobei sie meist kühl und distanziert handelte. Selbst ihm gegenüber hatte sie nie solch eine Lebensfreude gezeigt. Aber wenigstens war sie ihm immer offen gewesen und sehr fürsorglich im Umgang.

Zwei Plätze weiter, links von der jungen, östlichen Mark, saß sein älterer Bruder, die Personifizierung des Herzogtums Bayern, welcher ihm, und vor diesem Anlass, auch Katharina vorstand. Aus dem angesäuerten Gesichtsausdruck, schloss Roderich, dass dieser es noch immer nicht ganz verkraftet hatte, dass vom heutigen Tage Katherina, als Herzogtum Kärnten eigene Wege gehen wird. Es hatte ihn überhaupt gewundert, dass dieser zu diesem Fest eingeladen worden war. Doch noch mehr hatte es ihn überrascht, dass Theodor der Einladung gefolgt war. Auch wenn er am Anfang nicht ganz freiwillig in den Haushalt des bayrischen Herzogtums gezogen war, so wollte er nun zwischen der Liebe zu Theodor und der Zuneigung seiner älteren Schwester nicht wählen.

Ihm gegenüber saß ein älterer Mann, welcher die dreißig schon überschritten hatte. Dieser Mann war Roderich schon von Anfang an aufgefallen. Seine Haare waren längst ergraut und zahlreiche Falten zierten sein Gesicht. Dennoch hatte er etwas Jugendliches an sich und auch seine Körperhaltung verriet Schwäche bezüglich seines Alters. Nicht nur dass es sich, nach dem ablehnenden Verhalten des Bayernherzoges um einen seiner politischen Widersacher handeln musste, zusätzlich warf dieser Adlige öfters Blicke Richtung Roderich welche er nicht einzuordnen wusste.

Unauffällig zupfte er seinen rechten Nachbarn am Ärmel. „Herr, können sie mir sagen, wer dieser Mann, gegenüber ist?

Der Adlige sah kurz von seinem Teller auf und musterte für einen Moment den Mann.

„Mhm, wenn ich mich nicht irre ist dies Luitpold, ein bayrischer hoher Herr aus angesehen Hause.“, flüsterte er schließlich dem Kind zu. Ein wenig abwesend nickte Roderich. Irgendwas sagte ihm, dass er sich dieses gealterte Gesicht merken sollte.

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Wieder war es laut geworden und abermals zog Theodor den Jungen näher zu sich. Roderich beobachtete indes in seinen Armen die streitende Schar von Edelmännern mit misstrauischem Blick. Er hasste es, wenn sich Erwachsene so finster ansahen. Ein unangenehme Anspannung lag in der Luft und nach den Erfahrungen der letzten Jahre, war dies eine Sache, die der kleine Braunschopf überhaupt nicht leiden konnte. Denn meistens war dies das sicherere Zeichen, dass ihn bald wiedermal ein Konflikt als offizieller Spielball der Mächtigen deklarierte.

Mit bedächtigen Schritten trat der ältere Mann vor, welcher Roderich schon vorhin aufgefallen war. In der Hand hielt er einen gebrochenen Bogen, welchen er nun vorsichtig vor die Füße des Kaisers legte, dabei kniete er nieder und sprach mit fester Stimme, der man das Alter nicht anmerkte. Theodors Blick verfinsterte sich, während Roderich den Mann endlich einzuordnen wusste. Er hatte ihn oft im Gefolge des Kaisers gesehen und wusste, dass er zu dem nähchsten Berater des Kaisers gehörte. Unruhig trat er von einem Bein auf den anderen. Ebenfalls mochte er nicht den Ausdruck auf dem Gesicht seines Bruders. So missmutig sah Theodor immer nur drein, wenn etwas Gefahr lief, nicht ganz so zu verlaufen, wie er es sich vorgestellt hatte.

„Herr, vor Jahren ritten Sie mit mir auf große Jagd.“

Augenblicklich wurde es ruhiger im Saal, selbst wenn das leise Geflüster ein permanentes Hintergrundgeräusch blieb.

„Als wir einen prächtigen Eber fanden und Ihr euren Bogen zum Schuss erhobt, brach dieser in zwei. Ich preschte an eure Seite und gab euch den meinigen mit einem Pfeil. Mit einem vortrefflichen Schuss erlegtet ihr den Keiler. Vor eurer Abreise gabt ihr mir den zerbrochenen Bogen mit dem Versprechen, einen Wunsch zu erfüllen. Nun, am heutigen Tage knie ich vor euch und erbitte die Belehnung mit der Mark im Osten.“

Mit einem Lächeln erhob sich der Kaiser von seinem Stuhl.

„Ich kann mich deutlich an diese erfreuliche Jagderinnern. Und ein Kaiser sollte stets sein Wort halten.“ Er wandte sich Theodor und dem Jungen zu. „Erhebt ihr Einwände, Herzogtum Bayern?“ Der Tonfall in seiner Stimme machte nur deutlich, dass es sich hier um eine rhetorische Frage handelte. Natürlich, den streng gesehen hatte das bayrische Herzogtum ja keine andere Wahl als dieser Wahl zuzustimmen. In Roderich zog sich indes alles zusammen, er wollte sich nach seiner Schwester umsehen, doch Theodor hielt ihn so fest, dass er sich kaum rühren konnte und froh war, überhaupt noch Luft zu bekommen. Es erschien ihm beinahe so, als würde der andere Angst haben, dass jeden Augenblick jemand kam um ihn gewaltsam aus seinen Armen zu reißen.

„Wenn es der Kaiser so wünscht, dann soll es so in Gottes Namen geschehen.“, antwortete Theodor dann nach langer Schweigepause trocken. Der Kaiser wandte sich wieder zu dem vor ihm knienden Mann.

„Und nun steht auf, Markgraf Luitpold aus dem ehrbaren Geschlecht der Poponen.“ Der ältere Adlige richtete sich vorsichtig wieder auf. Der Kaiser schritt auf ihn zu und legte gönnerhaft die Hand auf seine Schulter. „Jahrelang habt ihr mir treu und gewissenhaft gedient. Viele eurer Ratschläge, welche ihr mit väterlicher Weisheit gesagt gegeben habt, haben mir jeher Gutes widerfahren lassen. Deshalb kann ich euch, mein Freund, mit guten Gewissen eine unserer äußerten Bastionen im Reich anvertrauen. Ich bin sicher, ihr werdet euch an unserer östlichen Grenze erfolgreich behaupten.“

Roderich beobachte die ganze Szenerie schweigend und mit ausdruckslosem Gesicht. Während Theodor, ihn beschützerisch an sich drückte, als könne er damit die Worte des Kaiser annullieren, hatte die junge Mark von irgendwo her das eindeutige Gefühl, dass diese Begegnung zwischen ihm und diesen alten Adligen, seine Zukunft maßgeblich beeinflussen wird. Die junge Markgrafschaft konnte nicht ahnen wie Recht er haben würde.

St-Sturz

St-Sturz
 

Klosterneuburg 1216
 

Roderich schreckte auf, als er den Tulmult unterhalb seines Arbeitszimmers hörte. Sofort war er am Fenster und schob die Schweinehaut beiseite. Ein Jammern und Klagen drang an seine Ohren, während er mit ungutem Gefühl einen Blick auf die zusammenlaufende Menge erhaschte. Böses ahnend hechtete er aus dem Zimmer und beeilte sich, den Hof zu erreichen. Unten angekommen traf er auf verschreckte Diener und eine weinende Herzogin. In ihren Armen hielt sie ihren ältesten Sohn, noch ein junger Knabe, welchem allem Anschein nach jegliches Leben aus dem Leib gefahren war. Schockiert über den Schmerz der byzantinischen Mutter und der Tragweite der Geschehnisse merkte Roderich im ersten Moment kaum, wie die restlichen Kinder des Herzogpaares sich um ihn drängten. Wie vergessen im Augenblick der Tragödie standen sie bei ihm. Der achtjährige Heinrich, welcher die Jüngste seiner Schwestern an der Hand hielt. Die zwölfjährige Magarete, die peinlich darauf achtete, dass keine ihrer anderen Schwestern vom gehetzten Gesinde umgerannt wurde. Die junge Constantia, der, wie Roderich nur zu deutlich sehen konnte, die Tränen in die kleinen Augen traten. Allen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Nur einer hielt sich von den anderen ein wenig im Abseits und beobachtete mit verschlossener Miene Roderich, ohne dass es ihm anfänglich bewusst wurde. Doch dann trafen sich ihre Blicke, und das österreichische Herzogtum überwand den kurzen Abstand zwischen ihnen.

„Was ist geschehen, Friedrich?“, fragte Roderich ohne Umschweife. Der fünfjährige Knabe wiegte den Kopf leicht zu Seite.

„Leopold ist vom Baum geflogen.“, erwiderte er dann kurz angebunden, bevor er wieder einen Blick zur Mutter warf, die vor Gram geschüttelt das tote Kind hin und her wog. Für eine Weile schwiegen sie beide, während auch die anderen Kinder, welche allmählich begriffen, dass ihr ältester Bruder nie wieder mit ihnen spielen würde, ebenfalls zu klagen und weinen anfingen. Nur Friedrich blieb stumm, bis er sich wieder der Personifikation des Landes seines Vaters zuwandte.

„Er wird nie wieder zurückkommen, oder?“

Roderich hob eine Braue über den nüchternen Tonfall des jungen Herzogsohnes. Behutsam kniete er vor dem Jungen, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein.

„Nein, junger Friedrich. Dein Bruder steht nun vor der Pforte Petri.“

Auch in Roderich stieg allmählich der Schmerz des Verlustes auf. Er hatte den Ältesten der Herzogssöhne gern gehabt und auch immer wieder gebetet, dass der Knabe ein würdiger Nachfolger seines Vaters werden möge. Doch offenbar würde es in der nächsten Generation keinen Leopold den Siebten geben.

Der jüngste männliche Spross beobachtete weiterhin aufmerksam seine Miene und Roderich fragte sich, was wohl hinter dem Blick des jungen Knaben lag. Ein Blick, den ein Fünfjähriger nicht haben sollte und Roderich wurde schlagartig bewusst, dass nun, wo Leopold tot war, Heinrich und Friedrich in der Erbfolge vorrückten. Ein Gedanke, der Roderich Unbehagen bereitete, ohne dass er genau wusste, wieso. Vielleicht lag es am hitzigen und streitlustigen Gemüt der beiden Burschen, vielleicht war es aber auch einfach eine ungute Vorahnung.

„Kommt.“

Ohne zu fragen griff das österreichische Herzogtum nach der Hand des jungen Friedrich und versuchte Blickkontakt zu Margarete herzustellen, die erfolgreich die weinende Kindermeute um sich versammelt hatte. Mit einem Nicken signalisierte er, dass sie ihm folgen sollten und führte die Nachkommen seines Herzoges vom Ort des Geschehens.

In seiner späteren Geschichte wurde Roderich oft mit Ereignissen konfrontiert, wo er sich die bekannte Frage „Was wäre wenn…“ stellte. Doch auch Jahrhunderte danach, als viele seiner Landkinder die Tragödie von 1216 in Klosterneuburg vergessen hatten und nur noch die Mönche des Stiftes Klosterneuburg sich an den Tod des jungen Herzogsohnes erinnerten, fragte sich Roderich oft in dunklen Stunden, ob das Schicksal einen ähnlichen Verlauf genommen hätte, wäre Leopold nicht den Baum hinuntergestürzt und hätte sich dabei das Genick gebrochen.

G-Glockengeläut

G-Glockengeläut

12.März.1938

Unsicher biss Roderich ganz leicht in die Haut seines gekrümmten Zeigefingers. Sein Blick verlor sich nachdenklich in der Leere seines Zimmers. Selbst wenn hier noch Stille herrschte und wenig von dem ahnen ließ, was sich auf den Hauptstraßen seines Landes abspielte, so zerriss ihn innerlich eine ungutes Gefühl. Plötzlich zerriss das schrille Läuten seines Telefons die trügerische Ruhe.

Aufgeschreckt aus seinen Gedanken hob er ab.

„Edelstein?“, fragte er mit zitternder Stimme.

„Sie haben die Grenzen überschritten, Roddy.“, erklang am anderen Ende zaghaft eine weibliche Stimme. Eine Stimme, die selbst jetzt wo sie müde und leer klang, Roderich unter tausenden wieder erkennen würde. Er kramte verzweifelt nach einer passenden Antwort, spürte er doch wie sich seine Eingeweide zusammenkrampften unter der Vorstellung was das für ihn bedeute. Nicht als Roderich Edelstein, sondern als das was er war und vor allem wofür er stand. Doch Salvatria nahm ihn die Bürge einer inhaltlosen Antwort ab.

„Bitte mach keinen Blödsinn und pass auf dich auf. Ok?“

„Natürlich.“, presste Roderich mühsam hervor und legte mechanisch auf. Die letzten Worte seines Kanzlers gingen ihm durch den Kopf.

*Gott schütze Österreich*

Dann erklang draußen enthusiastisches Glockengeläut, aber Roderich hatte das dumpfe Gefühl seine Totenglocke schlagen zu hören.

U-Urkunde

Urkunde –
 

November 996
 

Verwundert über das hyperaktive Verhalten seines Schützlings legte Theodor seine Stirn in Falten. Für Gewöhnlich hüpfte seine kleine, braunhaarige Mark nicht so überdreht vergnügt im Zimmer herum.

„Roderich?“, versuchte sich das ältere Herzogtum Gehör zu verschaffen. Doch da wurde der Junge seiner Anwesenheit aufmerksam und kam vergnüngt auf ihn zu, um ihm dann voller Stolz ein Stück Pergament entgegen zu halten, welches der Junge noch Sekunden davor selig an sich gedrückt hatte. Der Bayer erkannte die Kopie einer Schenkungsurkunde des Kaisers.

„Sieh dir das an.“, quasselte der Kleine eilig und fuhr mit seinen kleinen Fingern zu einem ganz bestimmten Wort. Ein hübsch geschriebener Name prangte ihm entgegen. „Mein Lieblingsname in einem offiziellen Dokument. Kannst du dir das vorstellen?“

Theodor nickte und war über diesen Umstand seltsamerweise nicht erfreut, während Roderich übermütig mit der Urkunde in der Luft herum wedelte.

„Und sein Name war Ostarrichi! Und sein Name war Ostarrichi!“

Der Bayer schüttelte nur den Kopf und sah weiterhin zu wie der Kleine seiner Freude Luft machte. Ein eigener Name…

Er hoffte ehrlich dass es nur bei dem blieb, denn schließlich war ein eigener Name meist der erste Schritt zum Verlangen nach Eigenständigkeit und er wollte Roderich noch nicht gehen lassen.

Gastbeitrag: I-Italien /!\ von KahoriFutunaka /!\

I – Italien
 

Königreich Italien, 1866
 

Wehmütig spähte Roderich in sein Weinglas, allein mit sich und seinen Gedanken. Noch immer konnte er nicht so recht fassen, dass er den Krieg verloren hatte.

Gut, er hatte ein wenig zu oft mit unerfreulichen Überraschungen kämpfen müssen.

Und doch… bis zuletzt hatte er gehofft, als Sieger aus diesem Konflikt hervorzugehen, seine italienischen Gebiete halten zu können.

Wenn nur Francis das Königreich Italien nicht unterstützt und Gilbert diese Bedingung nicht gestellt hätte… der Gedanke daran bereitete ihm Kopfschmerzen.

„Nimm es nicht so schwer, mein Freund!“, säuselte die Verkörperung Frankreichs ihm plötzlich ins Ohr, „Zumindest hast du noch halb Osteuropa hinter dir!“

Bei diesen Worten kam der Personifikation Österreichs die Galle hoch.

Ja, das hatte er. Aber wie lange noch? Nicht zuletzt auch in Elizavetas Gebieten brodelte es beinahe so heftig wie 1848 und Bismarck finanzierte sogar eine ihrer radikalsten Parteien. Eine gleichgestellte Ehe schien eine Lösung zu sein, würde aber auch sein angestammtes Machtmonopol beenden. Oh, eines Tages würde er es Gilbert und Bismarck heimzahlen, das schwor er bei Gott und Kaiser! Wieder wurden seine Gedanken von Francis unterbrochen.

„Es ist ein aufregendes Jahrhundert, findest du nicht?“

„Etwas zu aufregend!“, knurrte er mühsam beherrscht, ehe er demonstrativ an seinem Weinglas nippte. Er wollte nicht hier sein. Nicht auf der Siegesfeier, die ihm seine eigene schmachvolle Niederlage vor Augen führte. Ob es ihm wohl möglich war, zu gehen, ohne einen erneuten Krieg auszulösen? Denn den konnte er sich nicht leisten…

Ein empörter Aufschrei ließ die beiden Kontrahenten zusammenzucken und zumindest in Roderichs Fall alarmiert herumwirbeln. Was auch immer dieser Schrei bedeutete, es konnte nichts Gutes sein. Und tatsächlich: Zwei der italienischen Geschwister, Venedig und Mailand, schienen wieder einmal eine ihrer berühmt-berüchtigten Streitereien vom Zaun zu brechen.

„Giovanni, wie kannst du es nur wagen?!“, fauchte die Verkörperung Venedigs ihren Bruder an, der ihren offensichtlichen Zorn mit einem beinahe herausfordernden Blick quittierte.

„Aber, aber, Lucrezia!“, tadelte er sie süffisant, „Wer wird sich denn gleich so aufregen? Dir muss doch bewusst sein, dass dein Machtzenit bereits vor Jahrhunderten überschritten wurde. Wie lange ist es her, dass du im Alleingang Byzanz überfallen hast? 600 Jahre? Oder doch schon 700? Du bist schwach geworden.“

„Du aber auch!“, mischte sich plötzlich die Personifikation Parmas ein, woraufhin sich Giovanni mit missbilligender Miene seiner Lieblingsschwester zuwandte.

„Zita, meine kleine Rose, warum stößt du mir einen Dolch in den Rücken?“

Als Antwort streckte sie ihm nur frech die Zunge heraus, während sich auf Lucrezias Lippen ein beinahe grausames Lächeln ausbreitete.

„Ja, Giovanni, du warst bereits deutlich besser gekleidet. Dieses Ensemble war vielleicht im letzten Jahr in Mode, doch diese Saison…“

Bei diesen Worten errötete die Verkörperung Mailands vor Wut.

„Zumindest muss ich mein hässliches Gesicht nicht hinter einer Maske verstecken!“

„Die Maske verleiht mir etwas Geheimnisvolles!“, kreischte die Personifikation Venedigs, was Giovanni dazu veranlasste, beinahe abschätzig mit einer Hand zu wedeln.

„Wie du meinst, ‚Schwester‘. Oder sollte ich doch besser ‚Betrügerin‘ sagen? Du kannst ja noch nicht einmal richtig Italienisch.“

„Das nimmst du zurück!“

Schon war eine Rangelei im Gange, zu zurückhaltend, um als Prügelei zu gelten und zu offensiv, um spielerisch zu sein. Instinktiv sprangen die Umstehenden einen Schritt zur Seite, auch wenn sie nichts unternahmen, um die beiden Streithähne zu trennen. Eugenio, das personifizierte Savoyen und Silvia, welche einst als Sardinien die Italienischen Vertreter zusammengeführt hatte, waren noch immer in eine Analyse verschiedener Kampfstrategien verwickelt, neben ihnen stierten Guiseppe und Gaspare mit düsteren Mienen in die Gegend. Offenbar waren die Zwillinge, welche Neapel und Sizilien repräsentierten, immer noch verärgert dass man ihnen am Eingang ihre Waffen abgenommen hatte. San Marino, auch Angela genannt, sah mit offenem Mund zu den am Boden Kämpfenden hinüber und zupfte ihren Lieblingsbruder Camillo am Ärmel. Doch das ehemalige Patriarchat Aquileia führte wieder einmal eines seiner Selbstgespräche, bei denen er stets behauptete, von einem gewissen Jesus Antwort zu erhalten. Auch Marina behielt ihre Gedanken nicht für sich, allerdings ging es bei dem Selbstgespräch der Genuanerin darum, welches Schiff sie wohl möglichst schnell möglichst weit weg bringen konnte. Cosima hingegen wachte nicht einmal aus ihrem Nickerchen auf, sodass Zita nicht einmal auf die Hilfe von Toskana hoffen konnte und es ihr oblag, sich zögerlich Feliciano zu nähern, der wimmernd in einer Ecke hockte und geradezu hektisch seine weiße Fahne schwenkte. Einzig Lovino schien ernsthaft daran interessiert, Lucrezia und Giovanni zu trennen, wenn auch seine Methoden gewöhnungsbedürftig waren. Denn niemand sonst -außer vielleicht Guiseppe und Gaspare- wäre wohl auf die Idee gekommen, ihnen mit finsterer Miene Schusswaffen -die er weiß der Teufel wie hereingeschmuggelt hatte- an die Schläfen zu halten und von der Idee der ‚famiglia‘ zu sprechen, gegen die man sich besser nicht wandte.

Plötzlich war Roderich beinahe froh, dass dieser chaotische Haufen von nun an nicht mehr in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich fiel. Sollte Silvia doch zusehen, wie sie in ihrem neuen Königreich Ordnung schaffte, er jedenfalls würde sich wieder vermehrt Elizaveta zuwenden, die ihn schon so oft nach verlorenen Kriegen getröstet hatte. Was natürlich nicht hieß, dass er seine amourösen Abenteuer mit Hedvika vollständig aufgeben musste...

A-AKW

März 2011 - Wien
 

„Wie geht es ihm?“ Roderich wickelte sich ungeduldig die Telefonschnur um den Zeigefinger während er angestrengt die Antwort Ludwigs lauschte. „Hmh, Hmh. Na gut, halt mich bitte am Laufenden. Baba“

Ohne ein weiteres Wort legte Roderich das alte Netztelefon in die Gabel und drehte sich zu den anwesenden Mitgliedern seiner Familie um. Adelheid saß, wie üblich auf der einladenden Garnitur, mit einem aufgeschlagenen Buch am Schoß. Katharina hatte die Augen von ihrer Stickerei gehoben und blickte ihn nun erwartungsvoll an. Sofia, seine Tochter war noch vor dem Anruf gerade beschäftigt gewesen mit Franziska, den Tisch zu decken. Nun sahen ihn beide Mädchen unsicher an.

Erst nach einer Weile beschloss Roderich seine Familie nicht weiter auf die Folter zu spannen.

„Kiku, kann die Lage noch immer nicht genau einschätzen.“

Katharina hob die Augenbrauen, während Adelheid ihr Buch zuklappte und aufstand.

„Aber sie haben doch in den Nachrichten gesagt, sie hätten die Situation unter Kontrolle.“

Die junge Frau klang unsicher und suchte Bestätigung bei den anderen.

Roderich machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Das haben sie bei Irina 1988 auch gesagt und dann erinnere dich an die Hysterie von damals.“

„Aber…“

„Adelheid, hilf deinen Geschwistern beim Tischdecken. Hedwig wird bald mit dem Essen fertig sein.“, mischte sich kühl und emotionslos Katharina ein und schnitt der Vorarlbergerin somit das Wort ab.

Diese verstand, nickte und verschwand mit den beiden anderen aus dem Raum.

„Ich kann dir nicht sagen wie froh ich bin, dass Zwentendorf nie ans Netz ging.“

Katharina nickte nur bei den Worten ihres Bruders und stickte die letzte Reihe noch fertig, bevor sie zum Abendessen gingen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von Shizuka_Natena
Anmerkungen und geschichtlicher Kontext befindet sich in der Charakterübersicht.
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Betagelesen von fodazd
Anmerkung: a Gescherter oder auch Gscherte ist im wienerischen ein Zugereister (Fremder, Provinzler, Tölpel,…)
„->Schmähwort der Wiener gegenüber Leuten vom Land, diese Antworten mit dem Ausdruck Weana Bazi (= arroganter Wiener) „-Auszug aus Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs Komplett anzeigen
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Betgelesen von fodazd Komplett anzeigen
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Betagelesen von fodazd

Übrigens für die, die es nicht wissen:
Gfrast: böser, o. hinterhältiger Mensch, gemeines Schlitzohr, schlimmes Kind, ...
Saugfrast: übler Schuft Komplett anzeigen
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Bevor jemand fragt und wo ist da die Verwechslung... ich habe diesen OS geschrieben um ein wenig ein Gefühl vor Agnes zu bekommen und auch mal zu erklären warum sie Roderich, immer Richi nennt....

Betagelesen von [[fodzad]], KahoriFutunakaund Sira_Cunningham Komplett anzeigen
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Historischer Kontext:
Eigendlich wollte ich zu diesem Thema etwas längeres als einen Doppel-Drabbel schreiben, aber nachdem ich gesehen habe das die Ausstellung der Ostarichi-Urkunde mit dem 1.Nov datiert war, konnte ich es nicht unterlassen was kurzes zu dem Thema zu schrieben.
„996: In einer Schenkungsurkunde von Kaiser Otto III. an den Freisinger Bischof wird Österreich unter dem Namen Ostarrichi erstmals erwähnt.“
Aus wikipedia.de (31.10.13, 14h38)
Natürlich wissen wir nicht ob Österreich schon davor offiziell mit anderen Namen oder in andere Dokumente erwähnt worden ist, aber bis dahin wird 996 als das Jahr datiert, mit der ersten Erwähnung des Namen Ostarrichi, der dem heutigen Namen Österreich am nächsten kommt.
Im Jahr 1996 wurde auch deswegen 1000 Jahre Österreich gefeiert und auch 1956 wurde aufgrund dieser Urkunde 950 Jahre Österreich gefeiert, um das Bewusstsein von einem österreichischen Nationalbewusstsein nach 8 Jahre Österreichverbot auf die Beine zu helfen. Komplett anzeigen
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Kontext:
2011 -> Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan
1988 -> Nuklearkatastrophe von Tschernobyl in der Ukraine
1978 -> wurde aufgrund einer Volksabstimmung beschlossen das errichtete AKW in Zwentendorf (Niederösterreich) nicht in Betrieb zu nehmen. Seither wurde über keine weitere Errichtung eines Atomkraftwerk in Österreich debattiert. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Buena_Heldin
2013-06-19T17:40:12+00:00 19.06.2013 19:40
Also bezüglich der Fahne hab ich in der Volksschule gelernt, dass Richards (ursprünglich weißes) Gewand von oben bis unten blutüberströmt war, und als er die Schärpe ablegte, war halt rot-weiß-rot zu sehen. Aber ich glaube, dass es sich da eher um eine Sage handelt.
Antwort von:  Sternenschwester
19.06.2013 19:46
yo, gleiche Begebenheit nur ein wenig früher (bevor Kaiser Barbarossa im Fluss ertrank), diese Geschichte, hat im Gegensatz zu Rot-WEiß-Rot Geschichte, historische Belege, wenn auch nicht jede Quelle von einer Flagge berichte, sondern auch manche meinten, der Grund für die Streiterei sei ein niedergetrampeltes Zelt gewesen oder einfach die Verweigerung der Beute.^^
Die Legend mit der Flagge ist schwierig, da manche Historiker behaupten das R.-W.-R. ist schon viel älter, als mit der Sache des Gürtels. Übrigens, war es Leopold mit dem blutüberströmten Gewand und nicht Richard, mich dünkt du bringst da zwei Sachen durcheinander^^.
Auf jeden Danke für deine Rückmeldung.
lg, Sternenschwester
Antwort von:  Buena_Heldin
20.06.2013 19:52
Le Schwupps, tatsächlich, das war ja der Poldi und nicht der Richi. Schande über mich. Aber die Geschichte fand ich schon episch, auch das mit der Geiselnahme.


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