Zum Inhalt der Seite

New Family

Reita x Ruki [Cousin x Cousin]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Merry Christmas

Das Kapitel ist noch nicht fertig gebetat und wird dann ausgetauscht, wenn es fertig ist :3
 


 

Kapitel 19
 

Merry Christmas
 

Es gibt kaum ein beglückenderes Gefühl, als zu spüren, dass man für andere Menschen etwas sein kann.
 

„Ich steh vor deiner Tür“, meinte Shou leise.

„Vor meiner Haustür?“, fragte ich verwundert. Reita, welcher mittlerweile wieder normale neben mir saß, zog ebenfalls fragend eine Augenbraue nach oben.

„Ja“, kam es langsam zurück, „ich wusste nicht, ob du wirklich da bist, deswegen hab ich dich erst angerufen“.

Immer noch irritiert ging ich zur Tür und öffnete sie. Und tatsächlich stand dort Shou. Mit seinem Handy in der Hand und tränenverschmiert.
 

Ich wusste nicht wirklich, was ich in dem Moment sagen sollte. Meinen besten Freund so zu sehen, war ein völlig neuer Anblick für mich. Sonst war Shou immer guter Laune und alberte rum.

„Darf ich rein kommen?“, fragte er schon beinahe schüchtern. Nein, so hatte ich ihn eindeutig noch nicht erlebt.

„Ja klar“, stotterte ich schon fast und ging einen Schritt von der Tür weg, sodass er eintreten konnte. Stillschweigend zog er seine Schuhe und Jacke aus. Die Schuhe stellte er einfach neben meine, nur seine Jacke hielt er überfordert in der Hand, bis ich sie ihm einfach abnahm und an die Garderobe hing.

„Willst du was trinken?“, fragte ich ihn dabei.

„Ein Tee... oder so, wäre toll“, meinte er leise. Als ich wieder zu ihm sah, bemerkte ich, dass er seine Arme um den Körper geschlungen hatte.

Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwann war ich mit Shou im Wohnzimmer angekommen. Reita saß immer noch auf der gleichen Stelle.

„Ich...“, begann mein bester Freund eingeschüchtert, „Ich hab wohl gestört. Ich gehe wohl besser.“ Er war schon in Begriff wieder das Wohnzimmer zu verlassen, als Reita vor mir das Wort ergriff.

„Red keinen Scheiß“, meinte er und stand auf, „setz dich schon hin“. Erschrocken wie Shou war, setzte er sich augenblicklich auf die kleine Couch. Im Türrahmen küsste Reita mich kurz und flüsterte zu mir: „Ich mach den Tee schon. Kümmere du dich mal um deinen Freund da“. Anhand von seinem ehrlichen Lächeln erkannte ich augenblicklich, dass er keineswegs sauer auf Shou war. Eher im Gegenteil. Er schien wirklich Mitleid mit dem Häufchen Elend auf der dunklen Couch zu haben. Ehe ich mich bei ihm bedanken konnte, war er auch schon in der Küche verschwunden.

Schweigend setzte ich mich neben meinen besten Freund. Irgendwie war ich mit der Situation überfordert. Ich hatte schon Klassenkameraden wegen vergeigten Arbeiten getröstet, aber das hier schon um Einiges ernster zu sein.

„Was ist denn passiert?“, traute ich mich irgendwann flüsternd zu fragen, „wolltest du nicht das Wochenende über zu Ayame?“. Sobald ich den Namen ausgesprochen hatte, durchzuckte Shous Körper ein heftiges Zittern und er fing urplötzlich bitterlich an zu weinen. Etwas unschlüssig zog ich ihn in meine Arme. Als er sich dann an mich krallte, als wäre ich sein letzter Halt, stellte ich erleichtert fest, dass meine Idee ihn einfach zu umarmen, nicht so schlecht gewesen zu sein schien.

Es dauerte einen ganzen Moment, ehe er sich etwas beruhigte. Reita hatte in der Zwischenzeit schon zwei Tassen Tee ins Wohnzimmer gebracht und war dann schweigend in unser Zimmer gegangen. Nur wenn man ganz genau hinhörte, konnte man den leisen Klang des Basses hören.

„Ich verstehe das einfach nicht“, murmelte er irgendwann, „es war doch alles wie immer“. Vorsichtig löste ich mich von meinem besten Freund und schaute ihn fragend an, welcher seine Teetasse vom Tisch nahm. Der Tee war mittlerweile nur noch lauwarm, wie ich feststellen musste, aber Shou schien das nicht zu stören. Stattdessen pustete er sogar noch. Wahrscheinlich einfach aus Gewohnheit. Ich sagte die ganze Zeit über nichts, weil ich ihn nicht zum Reden drängen wollte. Schweigend nahm ich ebenfalls einen Schluck aus meiner Tasse. Man mochte es Reita nicht wirklich zutrauen, aber er konnte wirklich guten Tee machen. Wahrscheinlich, weil sein eigenes Essverhalten eigentlich nur aus Fertigprodukten bestand, die man nur mit heißen Wasser aufkochen musste.

„Wir waren am Samstag Abend noch im Kino“, begann Shou irgendwann, „es war wirklich schön. Wir haben uns Popkorn und Cola geteilt und so. Wie man das als Paar halt so macht.“ Mit einem Mal wurde seine Stimme wieder trauriger. Es war unschwer zu erkennen, dass sein Zustand etwas mit seiner Freundin zu tun haben musste.

„Danach sind wir noch über einen kleinen Weihnachtsmarkt bei ihr in der Nähe gegangen“, jetzt lächelte er sogar etwas verträumt, „Im Supermarkt hat sie dann noch ein paar frische Sachen gekauft, weil sie was Besonderes kochen wollte. Mir war irgendwie klar, dass es an diesem Abend passieren würde. Ich weiß nicht warum, es war einfach so ein Gefühl.“ Er machte wieder eine lange Pause. Als er gerade wieder zum Reden ansetzen wollte, stand Uruha plötzlich im Wohnzimmer. Für einen Moment stand er etwas überfordert da, ehe er ein schnelles: „bin schon wieder weg“ murmelte und anscheind wieder in seinem Zimmer verschwand.

„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich, „was ist dann passiert?“

„Wir haben zusammen was gekocht. Sie hat sogar extra Kerzen auf den Tisch gestellt, obwohl sie so was sonst nicht macht. Ich glaube sie wollte einfach für Stimmung sorgen. Und das hat auch ganz gut geklappt“, jetzt hatte er wieder kurz diesen verträumten Blick, bevor er schlagartig ins Traurige umschlug, es war genau so, wie ich es mir erhofft hatte. Einfach nur schön, weißt du? Und ich für sie war es wohl auch schön. Zumindest hat sie es mir später gesagt“.

Jetzt bebte sein Körper wieder und ich nahm ihm erneut vorsichtig in den Arm. Seine Tränen durchnässten meine rechte Schulter, aber das war mir egal. Es brach mir irgendwo das Herz Shou so zu sehen. Als ich Ayame kennen gelernt hatte, hatte sie einen so netten Anschein gemacht.

„Hat sie noch was gesagt?“, fragte ich irgendwann leise und spürte wie mein bester Freund leicht nickte.

„Sie meinte... dass es zwischen uns aus wäre“, sprach er das aus, was ich die ganze Zeit über befürchtet hatte, „dass sie mich nicht mehr lieben würde. Dass ihr das schon länger bewusst wäre und dass sie sich sogar schon wieder neu verliebt hätte“.

Mittlerweile hatte Shou aufgehört zu weinen und hing eher schlaff in meinen Armen.

„Und weißt du, warum sie mit mir schlafen wollte?“, fragte er verbittert die Frage, welche mir auf der Zunge lag.

„Nein, warum?“, antwortete ich heiser.

„Weil ihr Neuer schon mehrere Freundinnen gehabt hat und sie wollte nicht, dass er den Sex mit ihr scheiße findet“, meinte er und ich spürte, wie es wieder kalt auf meiner rechten Schulter wurde. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich wusste nur, dass mir mein bester Freund unglaublich leid tat.

„Ich fühle mich so ausgenutzt“, murmelte er, „ich hatte gedacht, sie will das um meines Willen, so wie ich es um ihres Willen wollte. Aber sie... sie wollte das nur mit mir, weil sie wusste, dass ich ihr nicht weh tun würde. Ich fühl mich so scheiße!“

Automatisch nahm ich ihn noch ein wenig mehr in den Arm und drückte ihn stärker an mich.

„Das tut mir so leid“, flüsterte ich leise. Wenn ich nur daran dachte, dass Reita mir so etwas antun würde... mein Herz würde aufhören zu schlagen, so sehr wäre ich am Boden.

„Warum hat sie mir das angetan?“, fragte mein bester Freund irgendwann verzweifelt, „ich habe sie doch so sehr geliebt. Ich war immer gut zu ihr. Warum?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hatte wirklich absolut keine Ahnung, warum jemand so etwas machen konnte.

Eine Weile sagte niemand etwas und Shou lag einfach nur so in meinen Armen, während ich ihm etwas abwesend gelegentlich durch die Haare strich. Irgendwann war es Shous Handy, was für die Unterbrechung sorgte. Für einen kleinen Moment hatte ich das Gefühl von einem Deja-vue. Schnell wischte er sich seine Tränen aus dem Gesicht, ehe er ans Telefon ging.

„Ja?“, meinte er leise. Man konnte deutlich hören, dass Shou geweint hatte. Das schien auch Shous Gesprächpartner zu bemerken.

„Ich bin bei Ruki... nicht wirklich... war ich auch“, es dauerte nur ein paar Sekunden bis mein bester Freund die erneuten Tränen nicht mehr zurück halten konnte und erstickt in den Hörer weinte.

„Nein, musst du nicht... wirklich nicht, ich fahr mit der Bahn... musst du wirklich nicht... ehrlich nicht... ich kann wirklich mit der Bahn fahren... aber das dauert doch viel länger... das ist nicht nötig...“. Über irgendetwas schien Shou zu diskutieren und ich sah ihn fragend an.

„Warte, ich frage ihn eben“, meinte er irgendwann kurz in den Hörer, ehe er sein Handy vom Ohr nahm.

„Hiroto will mich abholen kommen. Darf ich ihm deine Adresse sagen?“, fragte er mich schlussendlich.

„Ja natürlich“, antwortete ich ihm sofort. Kurz darauf gab er Hiroto meine Adresse durch und verabschiedete sich mit einem leisen: „Danke... bis gleich“.

Seufzend legte er sein Handy weg.

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich, „auch dass ich einfach hier aufgetaucht bin und ...“

„Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen“, unterbrach ich ihn direkt, „dafür bin ich doch da, als dein Freund. Du kannst immer und zu jeder Uhrzeit zu mir kommen! Wirklich immer!“.

„Danke“, schluchzte er schon wieder und wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht, „darf ich eben euer Bad benutzen? Ich sehe sicherlich schrecklich aus“.

„Dort vorne links“, antwortete ich ihm. Dankend stand er auf und verschwand schließlich im Badezimmer. Für einen Moment blieb ich noch auf dem Sofa sitzen und ließ alles einmal sacken, ehe ich aufstand und vorsichtig an der Schlafzimmertüre von Reita und mir klopfte und eintrat. Reita saß auf seinem Stuhl, wo sich sonst immer die Klamotten von ihm drauf stapelten, welche nun auf unserem Bett lagen. Wie schon vermutet, hatte er seinen Bass auf seinem Schoß und schlug die Saiten an. Und wie immer biss er sich dabei auf die Zunge. Ich glaubte, er merkte gar nicht, wie niedlich er in so einem Moment aussah.

„Alles okay?“, fragte er mich und sah auf.

„Seine Freundin hat ziemlich unschön Schluss gemacht“, seufzte ich.

„Oh“, meinte Reita betroffen, „wie geht es ihm denn?“

„Ziemlich schlecht“, antwortete ich ihm, „ich wollte mit ihm ein wenig zocken. Damit er auf andere Gedanken kommt. Kannst du mir die Konsole anschließen?“.

„Ja klar“, kam es sofort zurück und legte auch schon seinen Bass vorsichtig zur Seite. Im Türrahmen drückte er mir noch einen Kuss auf, bei welchem mir wieder automatisch die Augen zu fielen.

Im Wohnzimmer krabbelte er kurz hinter den Fernseher und stöpselte ein paar Kabel um.

Gerade als Shou wieder aus dem Bad kam, seine Augen waren immer noch rot angeschwollen, testete Reita den Ton und das Bild.

„Ich dachte, bis Hiroto dich abholen kommt, zocken wir eine Runde“, meinte ich zu ihm.

„Hört sich gut an“, kam es von ihm zurück, „aber du verlierst sowieso“.

Grinsend streckte ich ihm die Zunge heraus. Irgendwie war ich erleichtert, dass Shou zumindest seinen Humor nicht verloren hatte.

„So, müsste alles funktionieren“, sagte Reita laut und hielt mir den Kontroller hin, „wenn nicht, sagt bescheid“

„Danke“, meinte ich zu ihm und nahm den Kontroller an.

Eigentlich hätte er mir jetzt wieder einen Kuss gegeben, aber ich war mir irgendwo sicher, dass er aus Rücksicht auf Shou in dem Moment nicht tat. Dabei hätte ich ihn wirklich gerne geküsst.

Shou behielt mit seiner Vermutung Recht. Er schlug mich wirklich in jedem Spiel, welches wir zockten. Aber mir machte dass am wenigsten aus. Eher nahm ich erfreut zur Kenntnis, dass das wilde Gezocke meinen besten Freund wirklich auf andere Gedanken zu bringen schien. Irgendwann setzte sich Reita sogar zu uns, nachdem er sich ein Bier aus dem Kühlschrank geholt hatte und spielte mit Shou um die Wette.

„Das ist wie beim Bass spielen“, erklärte er mir, während er sich wieder auf die Zunge biss und wild irgendwelche Knöpfe drückte, „du musst dir nur die Kombis merken. Genau wie bei den Taps“.

Grinsend achtete ich nur auf seine Zunge, welche von der rechten Seite auf die Linke wechselte, als es plötzlich an der Tür klingelte. Shou feuerte sich und seinen Wagen gerade mit einem lauten „Komm schon, nun komm schon!!“ an. Kopfschüttelnd drückte ich den Summer für die Tür draußen und öffnete unsere Haustür. Hiroto sprintete die paar Stufen nach oben, statt den Aufzug zu benutzen. Als er oben angekommen war, wirkte er nur ein wenig nervös.

„Hey“, fing ich an und trat einen Schritt von der Türe weg, „komm rein“.

„Danke“, meinte er und zog sich schnell die Chucks aus, „wo ist er? Wie geht es ihm?“

„Er ist im Wohnzimmer und zockt mit Reita“, antwortete ich ihm, „es geht ihm schon etwas besser, aber wirklich gut nicht“. Hiroto biss sich kurz auf die Unterlippe und nickte ein wenig.

Als ich mit ihm das kleine Wohnzimmer betrat, trug Shou gerade grinsend seinen Namen unter ‚High Score’ ein.

„Ich bin besser als dein Freund“, meinte er stolz zu mir und legte den Kontroller beiseite, als er Hiroto sah. Dieser stand etwas unschlüssig im Raum und schien nicht wirklich zu wissen, wie er reagieren sollte. Erst als Shou fast vor ihm stand, zog er ihn zögerlich in eine Umarmung. Shou schien nicht wirklich damit gerechnet zu haben, denn es dauerte einen Moment, bis er die Umarmung erwiderte und sein Gesicht an Hirotos Oberkörper versteckte. Beim genauen Hinsehen, konnte man erkennen, dass sein Körper wieder leicht bebte. Nach einer Weile lösten sie sich beide wieder voneinander und Shou wischte sich die Tränen von den Augen.

„Bist du mit der Bahn... oder mit deinem Auto?“, fragte er und versuchte dabei erfolglos normal zu klingen.

„Mit dem Auto“, antwortet ihm Hiroto, welcher sich plötzlich wieder leicht auf die Lippen biss, „deswegen hat es auch etwas länger gedauert“.

„Okay“, meinte Shou nur leise und drehte sich wieder zu mir um. Er grinste wieder auf seine typische schiefe Art und umarmte mich kurz.

„Danke für Alles“, bedankte er sich unnötigerweise.

„Immer wieder gern“, sagte ich ihm lächelnd. Shou lächelte ebenfalls kurz zurück, ehe er in den Flur ging, um seine Schuhe anzuziehen.

Hiroto schien noch einen Moment mit sich zu kämpfen, ehe er sich zu einem „Danke“, durchringen konnte.

„Kein Problem“, meinte ich nur ehrlich, „dafür sind beste Freunde ja da“. Ich hatte die Worte gerade ausgesprochen, da entgleisten Hiroto sämtliche Gesichtszüge und ich bekam das schreckliche Gefühl, was völlig Falsches gesagt zu haben. Und erst als Shou nach ihm aus dem Flur heraus fragte, wo er denn bliebe, setzte er sich in Bewegung und verließ das Wohnzimmer. Fragend sah ich zu Reita, welcher mit den Schultern zuckte, ehe ich den beiden folgte.

Vor der Türe verabschiedete ich mich noch einmal von Shou mit einer weiteren Umarmung. Hiroto verabschiedete sich nur formal mit einem: „Auf Wiedersehen“. Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend, schloss ich die Tür und ging ins Wohnzimmer zurück. Reita stand am Fenster und schaute auf die Straße herunter.

„Irgendwie hast du nur Bonzen als Freunde“, meinte er.

„Wieso?“, wollte ich wissen und schaute nun selbst auf die Straße herunter. Dabei sah ich noch gerade eben, wie Shou und Hiroto in einen modernen Neuwagen einstiegen.

„Der eine wohnt zentral in Shinjuku und der Kleine hier fährt mal eben den neuen Golf“, meinte Reita und sah dem Wagen hinterher, „die haben doch nichts mit der Yakuza zu schaffen oder?“.

Verwundert schaute ich meinen Freund an.

„Kann ich mir nicht vorstellen“, antwortete ich ihm, „Saga war mal ziemlich erfolgreich als Host und hat sich deswegen wohl einen Namen gemacht, weswegen sein Friseurladen ganz gut läuft. Hiroto geht glaube ich noch zur Schule“.

„Den als Host kann ich mir echt gut vorstellen“, grummelte Reita und verschränkte sie Arme vor der Brust. Er hatte ihm den Kuss anscheinend immer noch nicht verziehen. Ich wollte ihm gerade sagen, dass er sich mal wieder umsonst einen Kopf machte, als Uruha vorsichtig ins Wohnzimmer kam.

„Ist er weg?“, fragte er.

„Ja“, antwortete ich ihm und steckte meine Hände in meine Hosentaschen, „gerade abgeholt worden“.

„Was war denn los, wenn ich fragen darf?“, wollte er neugierig wissen.

„Seine Freundin hat ziemlich mies Schluss gemacht“, meinte ich seufzend.

„Wie denn?“, fragte jetzt auch Reita nach. Ich zögerte einen Moment, weil ich nicht wusste, ob ich es erzählen sollte.

„Sie hatten gestern ihr erstes Mal zusammen“, erzählte ich leise, „und danach hat sie mit ihm Schluss gemacht, weil sie in einen anderen verliebt ist. Und mit ihm geschlafen hat sie auch nur, weil sie nicht als Jungfrau in die neue Beziehung gehen wollte“.

Uruha schaute mich mit großen Augen und offen stehenden Mund an und bevor er was sagen konnte, platzte Reita ihm ins Wort.

„Was ist das denn für eine Schlampe?“, schrie er schon beinahe, „Was geht denn mit der? Oder besser, was geht mit ihm? Wieso ist er mit so einer Fotze erst zusammen gekommen?“

„Sie war nicht immer so“, verteidigte ich sie, beziehungsweise Shou, „keine Ahnung warum sie plötzlich so komisch geworden ist.“

„Kein Wunder, dass er so am Boden zerstört ist“, murmelte Uruha.

„Ja, er hat sie sehr geliebt“, flüsterte ich schon fast und bekam eine Gänsehaut.
 

Selbst als Reita und ich schon länger im Bett lagen an dem Abend, bekam ich Shou einfach nicht aus meinem Kopf raus. Die ganze Zeit hatte ich den verzweifelten Blick von ihm vor Augen und seine zittrige und verheulte Stimme schallte weiterhin durch meinen Kopf. Unruhig kuschelte ich mich näher an meinen Freund ran.

„Alles okay?“, fragte mich Reita plötzlich, was mich leicht zusammenzucken ließ, weil ich eigentlich sicher war, dass er schon schlief.

„Ich kann irgendwie nicht schlafen“, meinte ich leise und seufzte.

„Wegen deinem Freund da?“, fragte er nach und nahm mich fester in den Arm.

„Ja...“, gestand ich, „er tut mir so leid, weißt du?“

„Kann ich verstehen“, atmete er in meinen Nacken, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ, „aber du weißt, dass ich so was nie machen würde... also so wie diese Schlampe da“.

„Ja ich weiß“, sagte ich leise und lächelte glücklich und genoss das leichte Kribbeln in meinem Körper.
 

Ich schrieb Shou am nächsten Morgen gleich eine E-Mail und fragte ihn, ob er zur Uni kommen würde. Nachdem er gestern so fertig mit den Nerven gewesen war, wunderte es mich sogar über eine positive Antwort. Trotzdem stand ich etwas nervös an unserem vereinbarten Treffpunkt. Und wie erwartet sah man meinem besten Freund auch an, dass er sich gestern und vielleicht die Nacht noch beinahe die Seele aus dem Leib geweint hatte. Seine Augen waren immer noch leicht gerötet und zusätzlich war er total ungeschminkt, was ihn noch blasser aussehen ließ.

„Hey“, meinte ich leise zu ihm und umarmte ihn kurz freundschaftlich.

„Hey“, antwortete er kurz und erwiderte die Umarmung flüchtig.

„Geht... es dir etwas besser?“, fragte ich vorsichtig, weil ich nicht wirklich wusste, ob er darüber reden wollte.

„Ein wenig“, sagte er ehrlich und machte eine längere Pause, „ich will mich noch einmal für gestern Abend entschuldigen, dass ich einfach bei dir so aufgetaucht bin“. Er verbeugte sich sogar leicht.

„Du musst dich nicht entschuldigen!“, widersprach ich ihm, „es war völlig in Ordnung, dass du gekommen bist und du weißt, dass du wirklich immer wieder zu mir kommen kannst, egal um welche Uhrzeit!“.

Shou biss sich leicht auf die Unterlippe, nickte stumm und murmelte ein leises: „Danke, bist ein echter Freund“.

Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach ihn zu fragen, ob Hiroto gestern noch irgendetwas gesagt hatte, da mir seine merkwürdige Reaktion wieder durch den Kopf schoss, aber ich traute mich nicht so wirklich.
 

„Ich habe einen Nebenjob“, war das erste was mir Shou zwei Wochen später erzählte, als wir uns in Shibuya im Starbucks trafen. Erstaunt sah ich in sein breit grinsendes Gesicht.

„Die Sache hat doch irgendeinen Harken oder?“, fragte ich ihn kritisch. Jetzt wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter.

„Ich arbeite ab morgen als Host“, erzählte er mir stolz, „Saga hat mir den Job vermittelt“.

Mit großen Augen starrte ich ihn an, während er sich seine Kaffee bestellte.

„Wie bist du denn auf die Idee gekommen?“, fragte ich leicht geschockt.

„War Sagas Idee“, antwortete er mir. Wieso habe ich auch gefragt?

Keine Fünf Minuten später erzählte er mir alles über den Job. Wie viel er verdienen würde, dass das echt viel Kohle für das bisschen reden war und dass er sich fragte, warum er nicht schon früher auf die Idee gekommen war, dort anzufangen. Ich beäugte ihn weiterhin kritisch. Irgendwie konnte ich ihn mir bei dem Job nicht wirklich vorstellen. Zu Saga passte es. Zu Tora auch noch irgendwie. Aber zu Shou?

„Bist du sicher, dass du das machen willst?“, fragte ich ihn vorsichtig nach seinen Erzählungen.

„Ja wieso nicht?“, stellte er die Gegenfrage, worauf ich mit den Schultern zuckte und einen neuen Schluck von meinem Frappochino nahm.

„Wenn ich merkte, dass es doch nicht meine Sache ist, kann ich ja immer noch aufhören“, meinte er und lehnte sich entspannt zurück.

So begeistert wie er von der Idee war, hätte ich mir den Mund fusselig reden können und es hätte trotzdem nichts dran geändert. Und vielleicht war der Job gerade genau das Richtige für ihn, um sein Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Denn egal wie normal er versuchte zu wirken, ich war mir trotzdem ziemlich sicher, dass er sich in seinem Inneren miserabel fühlte. Deswegen sagte ich auch nichts mehr gegen seine, beziehungsweise Sagas Idee, sondern lenkte das Thema irgendwie um.

„Was machst du Weihnachten?“, fragte ich ihn.

„Ich werde wohl zu meinen Eltern fahren“, meinte er mir, „und du?“

Seufzend erzählte ich ihm davon, dass Reitas Mutter uns alle eingeladen hatte.

„Ohhhh“, schätzte er die Situation direkt richtig ein, „deine Mutter weiß nicht, dass ihr zusammen seid oder?“

Ich schüttelte den Kopf und nahm einen großen Schluck von meinem Kaffee.

„Weiß sie überhaupt davon, dass du dich für Kerle interessierst?“, fragte er vorsichtig nach.

„Nein, weiß sie nicht“, gab ich zu, „aber ich glaube, dass wäre kein allzu großes Problem für sie, aber...“

„Das Problem ist Reita?“, nahm Shou mir das Ganze ab, „aber was ist denn dabei, dann ist er halt der Sohn von einer guten Freundin deiner Mutter. Ist doch nichts bei“.

„Sie ist... meine Tante“, rückte ich mit der Wahrheit raus.

Für einen Moment herrschte eine seltsame Stille.

„Dann... ist er dein Cousin?“, fragte er noch einmal nach, obwohl er die Antwort schon wusste.

Ich konnte wieder nur Nicken, fixierte meine Tasse und überlegte, ob ich gerade nicht einen riesen Fehler begangen hatte.

„Findest du das... schlimm?“, wollte ich irgendwann von ihm wissen.

„Ich? Ach was nein“, sagte er direkt, „bei der Liebe kommt es ja auf die Person an sich an und nicht auf das ganze Drumherum. Aber ich kann es verstehen, wenn deine Mutter davon besser nichts erfahren soll“.

„Danke“, meinte ich ehrlich zu ihm. Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen.

„Weißt du schon, was du ihm zu Weihnachten schenken willst?“, fragte er mich mit großen Augen und zerstreute damit den letzten Rest der angestauten Atmosphäre.

„Nein, leider nicht“, gab ich zu und trank meine Kaffe mit dem letzten Schluck aus.

„Ich hab da eine Idee“, sagte er spontan und ließ sogar den Rest von seinem Kaffee stehen, indem er einfach aufstand.

Irritiert lief ich ihm hinterher auf die Straße. Die Shibuya Crossing war wie immer stark belebt, sodass wir mit den Massen in die richtige Richtung gespült wurden.

Vor einer der vielen Fernsehwerbungen blieben wir stehen.

„Warte, müsste gleich kommen“, meinte er grinsend. Verwundert starrte ich die Bildschirmfläche an und dann sah ich es. Mit großen Buchstaben und der passenden Hintergrundsmusik wurden sie angeboten.

„LUNA SEA im Tokyo Dome“, murmelte ich und war echt beeindruckt.

„Von Saga weiß ich zufällig, dass ihr eine Menge von ihnen covert“, erklärte er mir, „er würde bestimmt gerne auf das Konzert gehen mit dir“

„Ja tun wir auch und die anderen haben auch versucht an Karten zu kommen. Aber die waren zu schnell weg“, sagte ich ihm besorgt.

„Ich weiß, dass es keine Karten mehr gibt“, antwortete er mir und ich ließ automatisch die Schultern weiter hängen, „aber ich höre mich mal um. Irgendwo tauchen sicherlich noch welche auf“.

Ich nickte darauf und schaute wieder auf den Bildschirm, wo mittlerweile eine andere Werbung lautstark lief.

Und tatsächlich, keine Woche später, rief mich Shou eines Mittags an und verkündete mir, dass ein Freund von einem Freund derzeit zwei Karten verkauft. Das einzige Problem war der Preis. Stolze 25.000 Yen wollte der Freund für die Karten haben und das war schon ein Freundschaftsangebot.

„Ich konnte ihn überreden, die Karten eine Stunde zurück zu halten“, meinte Shou, während ich versuchte mich aus dem Zimmer zu schleichen, damit Reita neben mir auf der Couch nichts mitbekam. Seinen fragenden Blick spürte ich in meinem Nacken.

„25.000 Yen sagtest du oder?“

„Ja genau, konnte den Preis schon um 5.000 Yen senken“.

„Ich nehme sie!“

„Bist du sicher? Ist eine Menge Kohle für zwei Papierstreifen“.

„Ich nehme sie. Mit dem Geld passt schon“.

„Okay dann rufe ich den eben an und mache den Rest klar“.

„Danke Shou, du bist der Beste“.

„Kein Ding, mache ich gerne“.

Für die beiden Karten musste ich den größten Teil von meinem Monatslohn abgeben, was in Anbetracht der Lage, dass ich mir mit dem Job nicht nur mein Handy, sondern auch noch meinen Anteil für die Haushaltskasse bezahlte, eine Menge Geld war. Jedoch konnte ich nicht anders, als fröhlich vor mich hin grinsend wieder neben Reita aufs Sofa zu setzen und ihm noch einen Kuss aufzudrücken.

„Ist etwas?“, fragte er mich sichtlich verwundert.

„Nein, nein“, meinte ich leise und kuschelte mich näher an ihn heran, „alles ist bestens“.
 

Nachdem ich die Karten gekauft hatte, gingen die Tage noch schneller rum. Und mit der Zeit wuchs auch irgendwo meine Panik vor dem Weihnachtsessen mit unseren Eltern. Denn wenn ich ehrlich war, wusste ich schon gar nicht mehr, wie ich mich verhalten musste, damit man nicht sah, in welchem Verhältnis wir zueinander standen. Dafür waren wir mittlerweile zu vertraut miteinander.

Die Karten hatte ich gut in meinem Schrank versteckt und auch Reitas Geschenk fiel mir die ganze Zeit über nicht in die Hände, was mich noch neugieriger machte.

Aoi und Uruha schenkten sich beide gegenseitig ein verlängertes Wochenende in irgendeinem Wellnesshotel. Schon seit Wochen hatten sie sämtliche Kataloge und Onlineangebote durchgearbeitet, bis sie das Richtige gefunden hatten.

Kai schenkte Miyavi ein weiteres Tattoo. Was dieser jedoch umgekehrt für ihn hatte, wusste keiner. Nur dass es was scheinbar Großes sein musste, denn sonst konnte er selten ein Geheimnis für sich behalten. Das machte Kai sichtlich nervös, was wir anderen jedoch nur schmunzelnd zur Kenntnis nahmen.

Die letzte Woche vor dem großen Weihnachtsfest, war besonders schlimm. Jeder von uns war irgendwie angespannt und hibbelig. Alle, außer Uruha und Aoi. Die sahen sich das ganze Theater aus sicherer Entfernung grinsend an.

„Mach dir nicht so einen Kopf“, meinte Aoi zu mir, als ich schon wieder abwesend auf dem Sofa saß und von den Nachrichten nicht wirklich was mitbekam, „er wird dich für die Karten noch mehr vergöttern – wenn das überhaupt noch möglich ist“.

„Sag doch so was nicht“, nuschelte ich in meinen Pullover, worauf er anfing zu lachen.

„Wie läuft es eigentlich so bei euch derzeit?“, wollte er dann, mit diesem gewissen Grinsen im Gesicht wissen, „von Reita erfährt man ja nichts“.

Jetzt schoss mir erst recht das Blut ins Gesicht.

„Oha, oha. Also habt ihr schon damit angefangen die Liste abzuarbeiten“, lachte er.

„Sind beim dritten Punkt jetzt“, murmelte ich und starrte intensiv den Fernseher an.

„Freu dich auf den Ditten“, sagte Aoi nur noch und klopfte mir auf die Schulter, „Reita hat Talent dafür“.

Jetzt schaute ich Aoi leicht geschockt an. Woher wusste er das?

Ihn zu fragen traute ich mich aber nicht wirklich.

„Uruha, Reita und Ich haben früher im gleichen Fußball Club in der Schule gespielt“, erklärte Aoi von selbst, „die beiden kennen sich quasi schon ihr ganzes Leben. Mach dir keinen Kopf. Es war nur die typische Jugendphase“.

„Okay, dann ist gut“, meinte ich und schaute kurz auf den Boden.

Für einen Moment herrschte eine merkwürdige Stille zwischen uns, ehe Aoi einfach weiter erzählte.

„Ich weiß, wie du dich fühlst“, sagte er mir, „mir ging es damals nicht anders. Da war ich auch sehr eifersüchtig auf Reita“.

„Wieso?“, rutschte es mir direkt raus.

„Weil er und Uru so vertraut miteinander waren, beziehungsweise sind. Sie kannten sich in- und auswendig und vertrauten sich blind. Und ich wusste, dass ich da nicht mithalten konnte. Vor allem, da Reita mich auch nicht wirklich mochte damals, zu Recht muss ich leider dazu sagen“.

Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass sie irgendwann mal nicht miteinander befreundet waren.

„Du musst wissen. dass es Uru nicht wirklich leicht mit mir hatte“, gestand Aoi traurig und wirkte mit einem Mal nervös, „ich bin damals nicht gerade fair mit ihm umgesprungen, als ich langsam bemerkt habe, wie ich zu ihm stehe. Wirklich verzeihen kann ich mir das immer noch nicht“.

„Aber ich“, kam es urplötzlich von Uruha, welcher im Türrahmen stand und nun langsam auf seinen Freund zuging. Aoi fixierte weiterhin den Boden und biss sich mittlerweile sogar verkrampft auf die Unterlippe.

„Hey“, flüsterte Uruha zärtlich und zwang seinen Freund dazu ihn anzugucken, „du brauchst dir keine Vorwürfe machen ja? Ich liebe dich und es ist perfekt. so wie es jetzt ist. Und das Jetzt ist tausend Mal wichtiger, als alles was früher war“.

„Es tut mir nur so schrecklich leid“, kam es leise von Aoi, dessen Stimme bedrohlich zitterte. Keine Sekunde später, nahm Uruha ihn in den Arm.

„Das weiß ich, das weiß ich“, sagte er darauf noch und küsste ihn sanft, „ich bin dir trotzdem nicht mehr böse und mehr als froh, dass es alle so gekommen ist wie es jetzt ist. Ich liebe dich“.

„Ich dich auch. So unglaublich sehr, dass es beinahe weh tut. Du bist das Beste was mir je passiert ist“, sagte Aoi zu Uruha und ich konnte ihn in dem Moment so gut nachempfinden was er meinte. Irgendwie waren wir uns ähnlicher, als ich je gedacht hätte.
 

Das Wetter war einfach perfekt. Das Erste, was ich am Morgen sah, als ich aus dem Fenster schaute, waren kleine Schneeflocken.

„Rei es schneit“, sagte ich ganz begeistert.

„Ist ja toll“, grummelte er jedoch nur müde, „komm zurück ins Bett“.

Grinsend krabbelte ich zurück unter die Decke, die er mir hochhielt.

„Fröhliche Weihnachten“, wünschte ich ihm und küsste ihn sanft. Augenblicklich hatte ich seine Hand in meinen Haaren, welche mich enger zu sich heran drückte und sein Gewicht auf meinem Körper. Glücklich schlang ich meine Arme und seinen Nacken und schloss die Augen, als er seine Stirn an meine legte und mir ebenfalls fröhliche Weihnachten wünschte.

Gegen jegliche Tradition saßen wir, wie eigentlich immer am Wochenende in unseren Shorts und Schlafshirts am Frühstückstisch. Der eigentliche Unterschied war nur, dass Kai sich mal wieder selbst mit dem Frühstück übertroffen hatte. Er hatte so viel vorbereitet, dass wir echt Mühe hatten alles auf dem kleinen Küchentisch unter zu bekommen.

„Wer soll das denn alles essen?“, fragte ich verblüfft.

„Ich hatte so viele Ideen und konnte mich einfach nicht entscheiden“, seufzte Kai und quetschte irgendwo noch eine Schale mit Tomaten dazwischen.

„Und dann hast du einfach alles gemacht?“, meinte Uruha und schnappte sich eine Scheibe Gurke.

„Ja irgendwie schon“, antwortete Kai aus der Küche, weil er den Orangensaft holte und jedem das Glas füllte.

„Aber es sieht wie immer klasse aus“, meinte Aoi und trank einen großzügigen Schluck.

„Alles von Kai schmeckt gut“, grinste Miyavi neben ihn, was Kai leicht rot anlaufen ließ.

„Können wir so was beim Frühstück lassen?“, grummelte Reita.

„Und so was aus deinem Mund“, lachte Uruha, „fröhliche Weihnachten Leute!“

„Fröhliche Weihnachten!“, kam es von uns fast zeitgleich zurück, augenblicklich zückte jeder sein Geschenk. Nachdem die Reihenfolge des Auspackens geklärt war, hörte man das Papiergeknistere von Reita und mir.

Nervös löste ich den Klebestreifen von dem Geschenkpapier. Es war klassisch Silber und ein wenig zerknittert, was darauf schließen ließ, dass Reita es selbst eingepackt hatte. Und was ich dann erblickte, stahl mir den Atem.

„Oh mein Gott“, murmelte ich und drehte die beiden Ringe hin und her. Es war unschwer zu erkennen, um was es sich für Ringe handelte, bei der starken Ähnlichkeit.

„Ich hoffe... dass Partnerringe nicht zu kitschig sind“, murmelte Reita nervös, „und dass er dir passt“.

„Nein es ist nicht zu kitschig. Ich... freue mich riesig. Es ist toll!“, erwiderte ich direkt, „welcher ist denn für mich?“.

„Dann ist gut“, sagte er und man sah deutlich, dass er erleichtert war, als er den Kleineren der beiden Ringe aus der schwarzen Box nahm und mir an den Ringfinger steckte. Danach steckte er sich selbst das Gegenstück an.

„Ich liebe dich“, murmelte er und drückte meine Hand.

„Ich dich auch“, erwiderte ich und küsste ihn, „jetzt komme ich mir mit meinem Geschenk dumm vor, weil es so unpersönlich ist“.

Augenblicklich öffnete er den Umschlag und holte die beiden Karten hervor, welche er einen Moment regelrecht anstarrte.

„Oh mein Gott, sind das wirklich...“, fragte er mich und schaute mich fragend an, „oh mein Gott“.

„Magst du es?“, wollte ich nervös wissen.

„Aber natürlich!“, sagte er sofort und strahlte wie ein kleines Kind, „wie bist du da dran gekommen? Die waren doch sofort ausverkauft“.

„Hat sich so ergeben“, grinste ich und dankte Shou innerlich.

„Danke“, flüsterte er und küsste mich.

Erst als sich Aoi zu Wort meldete, fiel mir ein, dass die andern ebenfalls noch anwesend waren.

„Ich habe dir doch gesagt, dass er sich freuen wird“, lachte er und begutachtete meinen Ring, „sieht echt klasse aus“.

Fasziniert begutachtete ich meinen Ring weiter und konnte es irgendwo gar nicht richtig glauben. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber damit auf keinen Fall.

„Ich liebe ihn“, flüsterte ich Reita zu, was ihn regelrecht zum Strahlen brachte.

„Und ich liebe dich“, kam es von ihm leise zurück, was mich nun zum Lächeln brachte.

Als nächstes waren Kai und Miyavi dran, weil Uruha und Aoi schon wussten, was sie sich schenkten. Gespannt schaute ich zu, wie Kai das bunte Geschenk auspackte. Auch dieses schien beim Einpacken stark gelitten zu haben. Vom Format her, könnte es gut eine CD sein, schoss es mir durch den Kopf und tatsächlich holte Kai ein paar Sekunden später eine CD hervor. Verwundert drehte er sie hin und her, bis anscheinend der Groschen bei ihm fiel.

„Ist das etwa dein erstes Album?“, wollte er wissen und sah seinen Freund mit großen Augen an, „ich dachte das kommt erst später raus“.

„Japs, ist es“, meinte er stolz, „zum Verkauf geht es erst in zwei Wochen raus, aber ich hab es geschafft sie vorher fertig zu bekommen, damit ich es dir heute schenken kann, weil ich dir das Album gewidmet habe“.

Jetzt staunten wir alle nicht schlecht. Und mit einem Mal wurde uns auch klar, warum Miyavi die letzte Zeit so wenig Zeit gehabt hatte.

„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll“, murmelte Kai und reichte die CD an uns weiter.

„Dass du mich liebst?“, kam es grinsend von seinem Freund, „und das ich der Beste bin?“

„Du bist der Beste und ich liebe dich“, sagte Kai und gab Miyavi einen Kuss, „jetzt bist du dran mit auspacken“.

In kürzester Zeit hatte Miyavi das Geschenkpapier aufgerissen und den Gutschein hervor gezogen.

„Ahhhhhh danke“, schrie er los und umarmte Kai wild, „dass du dich daran noch erinnert hast“.

„Bitte“, lachte Kai und erwiderte die Umarmung, „freut ich, dass es dir gefällt“.

„Total!“, beteuerte sein Freund direkt, „wann gehen wir da hin?“.

„Ich habe einen Termin für nächstes Wochenende gemacht“, sagte Kai, „aber den kannst du noch umlegen, wenn das bei dir zeitlich nicht passt“.

„Nein, ist perfekt“, strahlte Miyavi und umarmte Kai noch einmal.

Und in diesem Moment war ich mir noch wirklich sicher gewesen, dass dies das schönste Weihnachtsfest werden würde, dass ich je gehabt hatte.
 

„Ich habe Angst“, gestand Reita urplötzlich und blieb stehen, als wir auf dem Weg zu seiner Mutter waren. Wir mussten nur noch um zwei Ecken biegen und würden vor dem kleinen und außerhalb liegenden Haus stehen. Ich schaute mich einmal schnell um und als ich keinen erblickte, zog ich ihn für einen schnellen Kuss zu mir herunter.

„Zu sagen, ich wäre die Ruhe selbst, wäre schlichtweg gelogen“, murmelte ich und nahm seine Hand noch zusätzlich, „aber es wäre genauso gelogen, dass ich das alles hier nicht von Anfang gewusst hätte und dass ich es bereue. Denn das tue ich nicht! Ich liebe dich und daran kann selbst meine Mutter nichts mehr ändern“. Mittlerweile zitterte meine Stimme ein wenig. Und als ich mich traute, wieder vom Boden aufzuschauen, blickte mich mein Cousin verwundert, aber irgendwo auch glücklich an.

„Ich liebe dich auch und es tut so gut, dir das sagen zu können“, gestand er, drückte meine Hand und lehnte seine Stirn mit geschlossenen Augen an meine.

„Wir schaffen das“, flüsterte ich leise und atmete tief ein, ehe wir uns wieder losließen und wie scheinbar einfache Verwandte neben einander her liefen.

Reita hatte die Klingel gerade erst betätigt, obwohl er eigentlich einen Schlüssel besaß, da hatte seine Mutter auch schon die Haustüre aufgerissen und uns freudestrahlend mit einem „Frohe Weihnachten Euch zwei“ begrüßt.

„Fröhliche Weihnachten, Mum“, grinste Reita und schloss seine Mutter in eine herzliche Umarmung. Ich blieb etwas unschlüssig im Hintergrund stehen, weil ich nicht wirklich wusste ob ich den ersten Schritt machen sollte oder das lieber meiner Tante überlassen sollte.

„Jetzt guck doch nicht so verschreckt“, meinte sie dann aber zu mir und umarmte mich auch lächelnd, „es ist doch alles in Ordnung“. Innerlich fiel mir ein Stein vom Herzen, weil ich sie nach dem Vorfall bei uns nicht mehr gesehen hatte und nicht wusste, ob sie immer noch zu ihren damaligen Worten stand.

„Fröhliche Weihnachten“, sagte ich ehrlich und erwiderte die Umarmung.

In dem Haus war es angenehm warm und liebevoll geschmückt. Nicht so überfüllt wie die ganzen Schaufenster in den Einkaufsstraßen, wo man vor lauter Lichterketten nicht mehr die angebotenen Produkte wahrnahm. Bei uns in der WG hatte Kai einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt, den dann aber Uruha geschmückt hatte. Dementsprechend sah er auch beladen aus. Aber er vermittelte einem trotzdem das Gefühl von besinnlicher Weihnachtsstimmung. Auch wenn das Wechsellicht und die dazu gehörige Weihnachtsmusik der Lichterkette beim Fernsehschauen oder Zocken störte. Aber Uruha war so stolz auf sein Werk, sodass wir uns nicht wagten, das Kabel durchzuschneiden. Mittlerweile konnte ich die Weihnachtslieder sogar erfolgreich ignorieren. Nur beim Einschlafen spukten sie manchmal noch durch meinen Kopf. Dann versuchte ich mich aber auf Reitas Hand zu konzentrieren, welche meine im Schlaf leicht drückte.

Als ich das Wohnzimmer betrat stürmte auch schon meine Mutter auf mich zu und drückte mich so feste und stürmisch, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor.

„Überraschung!“, meint sie fröhlich und macht keine Anstalten mich los zulassen.

„Mum! Was machst du denn schon hier?“, fragte ich sie verwundert und drückte sie auch feste, „ich dachte du kommst erst heute Abend an“.

„Ich bin schon heute Morgen angekommen und wollte dich einfach überraschen“, antwortete sie mir und ich hörte, dass sie erfolglos versucht ihre Tränen zurück zu halten. Aber das macht in dem Moment nichts, weil ich selbst schon am Weinen war. Seit ich von zu Hause ausgezogen war, telefonierten wir zwar eigentlich regelmäßig, aber es war trotzdem noch was ganz anderes seine Mutter umarmen zu können, als ich lediglich am Telefon zu sagen, dass man sie liebte.

Als ich ihr über die Schulter schaute, sah ich Reita im Türrahmen stehen und auch er schien Tränen in den Augen zu haben. Aber er musste meist weinen, wenn es andere taten. Und als seine Lippen dann auch noch ein stilles ‚Ich liebe dich’ formten, durchflutete mich ein so großes Gefühl der Glückseligkeit, dass ich noch mehr weinen musste und mein Gesicht an der Schulter meiner Muter versteckte.

„Du bist viel zu dünn geworden“, meinte sie irgendwann und ihre Stimme hatte sich schon wieder etwas ihrer alten Festigkeit zurück bekommen, als sich mich kurz losließ und wieder drückte, „aber deine Haare sind schön geworden“. Es tat gut sie so strahlen zu sehen.

Reitas Mutter hatte eine richtige Weihnachtstorte gekauft. Sie sah sogar so ähnlich aus wie die, die wir zu Hause immer gehabt hatten. Extra ohne Erdbeeren, sondern mit Kiwi. Da ich keinen Kaffee mochte, trank ich Wasser, wofür sich meine Tante zig Mal unnötigerweise entschuldigte. Aber ich brauchte in dem Moment auch keinen Kaffee oder Kakao oder sonstiges, denn ich hatte die Menschen um mich herum, die ich liebte.

Natürlich wollte meine Mutter alles noch einmal wissen. Auch wenn ich ihr so gut wie alles schon am Telefon erzählt hatte, sie wollte es einfach alles noch einmal hören. Also erzählte ich es ihr einfach ein zweites, wenn nicht sogar drittes Mal. Dass die Uni Spaß machte, dass ich Tokyo über alles liebte, dass ich die besten Freunde hatte die man sich wünschen konnte und dass das Bandprojekt ebenfalls Spaß machte. Mit jeder neuen Erzählung nickte meine Mutter begeistert. „Ich bin ja so froh, dass es dir hier wirklich so gut geht“, meinte sie erleichtert und wand sich an Reita, „vielen Dank, dass du Taka aufgenommen hast und dich so gut um ihn kümmerst. Er ist ja noch so unselbstständig“.

„Mum!“, kam es empört von mir. Unweigerlich wurde ich rot. Wie konnte sie so was gerade vor Reita sagen? Und dann bemerkte ich es. Wir waren hier kein Paar, wir waren einfach nur Cousins. Nichts weiter.

Meine Mutter lachte natürlich, genau wie meine Tante und selbst Reita musste schmunzeln. Gemeinheit.

„Ohne Kai werden wir wohl alle verhungern“, meinte ich, um von mir abzulenken.

„Sagt nicht, ihr lasst Kai immer noch für euch kochen?“, fragte Reitas Mutter empört, „der Junge ist einfach zu gut für die Welt“.

„Er macht das doch freiwillig“, verteidigte sich Reita, „außerdem könnte das keiner besser als er“.

Spätestens nach dieser Erwähnung wollte meine Mutter alles über unsere WG-Partner wissen. Natürlich erzählten wir ihr nicht wirklich alles.

Zwischen dem Kuchen und dem Abendessen tauschten wir die Geschenke aus. Auch in dem Esszimmer meiner Tante stand ein kleiner Weihnachtsbaum. Im Gegensatz zu unserem schien hier aber der Baumschmuck aufeinander abgestimmt zu sein.

„Das ist von uns beiden für euch zusammen“, meinte ich und überreichte meiner Mutter den Briefumschlag. Auch wenn Uruhas und Aois Begeisterung für ihr gemeinsames Wochenende teilweise schon fast nervig gewesen war, so hatten sie uns unbewusst auf die perfekte Geschenkidee gebracht.

„Ein Wellnesstag?“, fragte meine Mutter schon fast ungläubig und reichte den Gutschein an ihre Schwester weiter.

„Ich weiß ja, dass du das gerne mal machen wolltest, aber nie die Gelegenheit hattest“, erklärte ich ihr und erwiderte die Umarmung, als sie wieder stürmisch ihre Arme um mich schlang. Reita war ein wenig überfordert, als sie ihn auch noch herzlich umarmte. Seine Mutter war schon eingeweiht, weil wir für den Gutschein einen genauen Termin angeben mussten. Und als ich sah, wie sehr sich meine Mutter freute, war ich wirklich froh dass uns Uruha und Aoi jedes Abendessen mit ihren neusten Erkenntnissen in den Ohren gelegen hatten.

Gegen jegliche Erwartung bekam ich von meiner Mutter keinen selbstgestrickten Pullover oder etwas Ähnliches, sondern eine ganze Schachtel voller regionaler Spezialitäten. Alles Dinge, die ich zu Hause immer gerne gegessen hatte und die es nur bei uns gab. Sie hatte sogar ihre Hausrezepte aufgeschrieben.

„Vielleicht kann ja eurer Mitbewohner mit den Rezepten mehr anfangen als ihr beide“, meinte sie lachend und wuschelte mir einmal durch meine mühsam gerichteten Haare.

Reita bekam von seiner Mutter einen Gutschein für einen großen Musikladen in Tokyo.

„Danke Mum“, grinste mein Cousin, „du bist wie immer die Beste“.

Und selbst zu diesem Zeitpunkt war ich mir immer noch ziemlich sicher gewesen, dass dies das schönste Weihnachtsfest seit langen werden würde, denn auch das eigentliche Weihnachtsessen verlief harmonisch. Es fiel mir zwar nicht leicht, meine Finger von meinem Freund zu lassen, da ich mittlerweile schon fast automatisch nach seiner Hand griff oder mich an ihn lehnte, wenn wir irgendwo saßen. Und ihm schien es nicht anders zu gehen, weil er irgendwie nicht wissen zu schien wohin mit seinen Händen, aber wir schafften es ‚normal’ zu wirken.

„Ich hoffe es hat euch geschmeckt“, lächelte meine Tante nach dem Essen und schob ein paar Teller zurecht.

„Und wie“, meinte ich und reichte ihr meinen geforderten Teller, „ich habe lange nicht mehr so gut und vor allem so viel gegessen“. Kais Essen war lecker, keine Frage, aber mit dem von Reitas Mutter konnte er noch nicht mithalten.

„Ich bin so voll“, stöhnte Reita und hielt sich den Bauch, während ich auch seinen Teller weiterreichte, „ich bekomme keinen Bissen mehr runter“.

„Dann muss ich den Nachtisch wohl alleine essen“, grinste seine Mutter worauf mein Cousin direkt wissen wollte, ob es der Nachtisch wäre. Als sie ihm dann auch noch seien Vermutung bestätigte, hatte er plötzlich doch noch Platz für eine Kleinigkeit.

Reita und ich wollten gerade beim Abräumen helfen, als unsere Mütter aber direkt eingriffen. „Bleibt ruhig sitzen, wir machen das schon“.

„Sie sind eindeutig wieder in ihrem Element“, murmelte ich meinem Freund zu, als unsere Mütter gerade die Küche verlassen hatten.

„Das ist der große Vorteil, wenn man nur ab und zu nach Hause kommt“, flüsterte er mir ins Ohr. Bei mir breitete sich direkt einen unheimliche Gänsehaut aus. Mein ganzer Körper stand unter Spannung. Langsam drehte ich meinen Kopf in seine Richtung. Er war mir so nah. So unglaublich nah, dass ich endlich wieder seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Und für einen Moment dachte ich einfach nicht nach, sonder lehnte mich stattdessen einfach die paar fehlenden Zentimeter nach vorne, bis ich meinem Cousin einen liebevollen Kuss aufdrücken konnte. Für einen kurzen Moment schauten wir uns noch in die Augen, ehe sie beinahe zeitgleich zufielen. In meinem Inneren setzte ein ganzer Schmetterlingsschwarm zum Anflug an und verursachte einen riesigen Tumult. Jede Faser meines Körpers schäumte gerade vor lauter Glück über, bis das Geräusch von bersteten Glas das gemütliche Wohnzimmer durchflutete. Erschrocken zuckte ich zusammen und unterbrach dadurch den Kuss. Für einen Moment war ich etwas verwirrt und schaute nur aus Reflex zur Tür, wo ich das Geräusch vermutet hatte. Und augenblicklich gefror mir das Blut in den Adern, als ich meine Mutter dort stehen sah. Vor ihr auf dem Boden lagen die Scherben von den teuren Nachtischschalen, die sie vor ein paar Sekunden noch in den Händen gehalten haben musste.

„Oh mein Gott“, murmelte sie geschockt. Mit einem Mal war ich auf den Beinen, auch Reita war aufgestanden.

„Geh weg von ihm!“, schrie sie plötzlich Reita an, welcher zusammenzuckte, und zog mich unerwartet zu sich heran.

„Was ist denn hier los?“, fragte meine Tante verwundert, mit der großen Schale Nachtisch in den Händen und blickte fragend in die Runde.

„Dein Sohn!“, schrie meine Mutter wieder und deutete wild auf Reita, „hat meinen Sohn belästigt!“ Den ersten Moment starrten wir sie alle mit großen Augen wieder an, ehe ich das Wort hektisch ergriff.

„Nein Mum so ist das nicht!“, versuchte ich ihr zu erklären, ging wieder zu Reita rüber und nahm seine Hand, „ich liebe ihn! Wir sind... ein Paar“.

„Lass ihn los! Lass ihn sofort los!“, schrie sie wieder, worauf ich mich erschrocken noch fester an Reitas Hand krallte. Jetzt meldete sich auch meine Tante erstmals zu Wort und versuchte ihre aufgebrachte Schwester zu beruhigen.

„Ich weiß wie du dich fühlst, mir ging es am Anfang auch nicht anders, aber...“

„Du wusstest das?“, fragte meine Mutter ihre Schwester noch aufgebrachter und riss sich wieder von ihr los, „Du wusstest das und hast nichts unternommen? Wie kannst du?“

Und mit einem Mal wandte sie sich wieder Reita zu, der erschrocken nach Luft schnappte, „und ich hab dir meinen kleinen Sohn anvertraut und mich auch noch bei dir bedankt, du Schwein!“

„Mum ich liebe ihn und er mich und...“, versuchte ich sie vergebens zu beruhigen.

„Nein tust du nicht!“, kam es wieder von ihr und mit einer einzigen Bewegung fegte sie die Gläser von Tisch, „vielleicht glaubst du ihn zu lieben, aber das ist nicht so! Du kannst ihn gar nicht lieben. Ihr seit Cousins. Cousin! Verwandt und auch noch beide... Nein das geht einfach nicht!“ Mittlerweile war sie fast den Tränen nah und es brach mir ehrlich gesagt mehr als nur einmal das Herz.

„Sie lieben sich wirklich“, meinte Reitas Mutter vorsichtig, „glaube ihnen. Sie lieben sich wirklich und dass ist doch das Wichtigste oder?“

„Das ist doch alles deine Schuld“, murmelte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen, „nur weil du deinen Sohn nicht unter Kontrolle hast, hat er meinen Kleinen verführt und du tolerierst das auch noch! Wie kannst du nur?“

Mittlerweile liefen mir auch die Tränen über das Gesicht. Das Weihnachtsfest hatte so schön angefangen und jetzt lag es im wahrsten Sinne des Wortes in Scherben.

„Frau Matsumoto“, meinte Reita plötzlich und man konnte deutlich hören wie sehr seine Stimme zitterte und dass er ernsthaft Angst zu haben schien, „es tut mir ehrlich Leid, dass sie das Ganze so erfahren mussten, aber ich schwöre bei allem was mir heilig ist, dass ich ihren Sohn aufrichtig liebe und nie, wirklich nie im Leben, was antun würde, was ihm schaden oder verletzen könnte“. Während er das sagt zitterte selbst seine Hand in meiner und mich brachte es noch mehr zum Weinen.

„Wie kannst du es wagen“, zischte meine Mutter und kam mit großen Schritten auf uns zu, „wie kannst du es wagen das Wort an mich zu richten. Gerade du!“ Wie aus Reflex stellte ich mich vor ihm und im nächsten Moment spürte ich schon das Zwirbeln von meiner linken Wange von dem Schlag.

„Oh mein Gott“, hauchte meine Mutter und nahm mich in den Arm, „wieso? Oh mein Gott Taka, es tut mir leid. Ich wollte nicht... ich... warum hast du...“

„Weil ich ihn liebe, Mum“, flüsterte ich mit Tränen erstickter Stimme, „so wie ich dich als Mutter über alles liebe, liebe ich ihn auch über alles und es ist mir nicht egal was du davon hältst, aber...“, ich atmete einmal zittrig ein und aus, „ich werde hier nicht weg gehen... weg von ihm... denn dafür liebe ich ihn viel zu sehr, als dass ich ihn verlassen könnte. Also bitte, bitte, tu mir das nicht an, dass ich mich zwischen einen von euch beiden entscheiden muss, denn ich kann hier nicht weg“. Für einen Moment herrschte eine merkwürdige Stille, in der man nur Reita im Hintergrund leise schluchzen hörte.

Behutsam legte meine Tante meiner Mutter eine Hand auf die Schulter.

„Glaub mir... ich weiß wie du dich fühlst, aber es ist wirklich echt was sie fühlen, denn auch Akira hätte sich gegen mich und für deinen Sohn entschieden“.

Einen Augenblick rührte sich meine Mutter nicht, ehe sie sich von Reitas Mutter trösten ließ.

Es war Heiligabend, draußen schneite es still vor sich hin, im Hintergrund lief weiterhin leise die Weihnachtsmusik während meine Mutter, von Scherben umgeben, heulend in den Armen ihrer Schwester hing. Der Nachtisch, der mittlerweile Zimmertemperatur erreicht hatte, war völlig vergessen. Ich weinte immer noch leise vor mich hin und krallte mich immer noch in Reitas Hand. So feste, dass ich ihm dabei mit meinen dicken Ringen weh tat, aber er ließ meine Hand trotzdem nicht los. Ganz im Gegenteil, er drückte sie sogar noch etwas mehr.

Wie lange wir einfach so im Wohnzimmer verweilten, weiß ich nicht. Aber als meine Mutter sich langsam beruhigte und nicht mehr weinte und mich und Reita plötzlich still anschaute, sackte mir das Herz erneut in die Hose. Auch mein Cousin versteifte sich neben mir. Seine Mutter half meiner wieder auf die Beine und setzte sie auf einen der Wohnzimmerstühle. Ihre Augen waren ganz rot und die Schminke total verlaufen. Es brach mir das Herz, weil ich mir die Schuld für ihren Zustand gab.

„Er...“, begann sie leise und ich hielt automatisch die Luft an, „bedeutet er dir wirklich so viel?“

Vorsichtig ließ ich Reitas Hand los, an der sich wirklich rote Druckstellen gebildet hatten, und ging zu meiner Mutter rüber. Meine Tante verließ währenddessen mit ihrem Sohn den Raum. Kurz darauf wiederholte sie ihre Frage noch einmal.

„Er bedeutet mir derzeit alles“, antwortete ich ihr ehrlich.

„Und dir geht es hier wirklich gut? Er tut dir gut? Er tut dir nicht... weh oder so?“, wollte sie danach wissen.

„Ja, tut er mir“, meinte ich ehrlich, „und er würde mir wirklich nie absichtlich was antun oder weh tun. Ganz im Gegenteil. Er... gibt mir die Zeit die ich brauche und ist sehr rücksichtsvoll“. Mir schoss ein wenig die Röte ins Gesicht und ich konnte es nicht wirklich glauben, dass ich das meiner Mutter erzählte.

„Und du bist glücklich?“, jetzt sah sie mich mit besorgten Augen an.

„Ich war nie glücklicher“, flüsterte ich und mir schossen die Tränen in die Augen.

„Ich will nur dein Bestes“, sagte sie mir, ebenfalls unter Tränen und nahm mich in den Arm.

„Weiß ich doch, weiß ich doch“, weinte ich an ihrer Schulter, „und du bist eine gute Mutter. Eine sehr gute sogar und ich liebe dich auch über alles und bin dir für alles dankbar, was du für mich getan hast... aber du brauchst jetzt nicht mehr auf mich aufpassen, denn Aki passt jetzt auf mich auf“.

Für einen Moment herrschte eine angenehme Stimme, ehe sie ich wieder losließ.

„Okay“, meinte sie leise, lächelte mich an und wischte mir ein paar Tränen aus dem Gesicht, „Fröhliche Weihnachten, Schatz“.

„Fröhliche Weihnachten, Mum“.
 

Die Vierzimmerwohnung wirkte leicht gespenstisch, als wir sie am späten Abend betraten. Es war stockdunkel und still, im Gegensatz zu den noch sehr belebten Straßen Tokyos. Den ganzen Rückweg über hatten wir kein Wort miteinander gesprochen, weil wir selbst noch die Ereignisse des Abends verarbeiten mussten. Aber genauso hatten wir einander nicht mehr los gelassen.

Mit einem lauten ‚Klick’ betätigte Reita den Lichtschalter und ich kniff kurz die Augen zusammen, als das grelle Licht den kleinen Flur durchflutete. Schweigend zogen wir unsere vom Schnee nassen Schuhe aus und entledigten uns unserer Jacken und Mützen. Die letzten Tage war es noch rasant abgekühlt, sodass mich nun eine wohlige Heizungswärme empfing. Es schüttelte mich sogar ein wenig. Kurz darauf schloss mich mein Cousin in eine stille Umarmung und sofort krallte ich mich in seine Sweatshirtjacke. Wenig später schossen mir auch wieder die ersten Tränen in die Augen.

„Es tut mir so leid“, flüsterte Reita leise und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.

„Muss es nicht“, sagte ich ihm und krallte mich noch stärker in sein Sweatshirt, „es ist nicht deine Schuld“.

„Trotzdem“, widersprach er mir.

„Shh“, meinte ich und löste mich vorsichtig von ihm, damit ich ihm in die Augen sehen konnte. Einen Moment schauten wir uns gegenseitig nur still in die Augen. Nur das leise Sirren der Lampe über uns war zu hören, ehe wir uns schüchtern küssten. Nach den ersten Berührungen, wurde der Kuss immer intensiver und leidenschaftlicher. Bis wir uns schwer atmend voneinander lösten und uns wieder tief in die Augen schauten. Es war eine unausgesprochene Frage, welche er an mich stellte. Und ebenso war meine Antwort unausgesprochen, als ich seine Hand nahm um einfach mit ihm ins Schlafzimmer ging.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (21)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  klene-Nachtelfe
2011-07-30T19:47:52+00:00 30.07.2011 21:47
Um Gottes Willen!!!
Wie dramatisch!!!
Aber zum Glück haben sich danach ja alle wieder lieb!!! xD
Klasse Kapitel!!!
Wirklich toll und so gebündelte Emotionen die du damit rüber gebracht hast!
KLASSE!!!
LG -^.^-
Von:  -ladylike-
2011-07-04T17:56:36+00:00 04.07.2011 19:56
wuääää! *heul, schnief*
*in taschentuch prust und es zur seite leg*
shou tut mir sooo leid.
WIE KONNTE SIE NUR!!!!!!!!
WIE?!
uruha hat völlig recht, wenn ich das mal so sagen darf.
aber, wie ich schon häufiger festgestellt habe, kannst du wirklich sehr schön einfühlsam schreiben <3
ruki ist echt der beste <3 (so wie die anderen im übrigen auch -.-)

und er ht ihm einen ring geschenkt <3 <3 <3
OMG!! *freu, im zimmer rumtanz und in die hände klatsch*
ich hatte eine wasserflasche neben mir, wie du wissen musst und habe, während ich gelesen habe, eine art "popcorn-effekt" festgestellt. ... nur das mein popcorn halt das wasser war *grins*
na ja, jedenfalls war ich den rest des tages so extrem gut drauf, dass meine mutter sich ziemlich gewundert hat :D

lg,
lady
Von:  Cilia
2011-06-16T15:34:22+00:00 16.06.2011 17:34
WOOOHOOO du Mörderin wie kannst du nur!!! xDDD
Das is ja der ausgefeilteste und schönste brutale Cliffhanger aller Zeiten! xD
Das is deratig unfair von dir, aber es passt perfekt.
Gefiel mir ja echt sehr gut, das Ganze.
Takas Mutter ist natürlich der Horror..mann, gut, dass sie sich wieder eingekriegt hat.
Zwei kleine Dinge sind mir aufgefallen, zum einen, dass Reita Rukis Mutter siezt obwohl es ja seine Tante ist, und zum anderen finde ich, dass Sätze wie "ich liebe dich" zu oft in der FF vorkommen. Manche mag das nicht stören, aber ich hab da was dagegen, wenn soviele nur leicht romantische (tw. alltägliche) Szenen mit "ich liebe dich so sehr" enden, das nimmt den Worten leider den Zauber...ist aber nur eine persönliche Vorliebe von mir und keine Fehler oder so^^
Ich freu mich schon sehr aufs Nächste!
LG
Von:  Ruki-sama
2011-05-30T14:35:23+00:00 30.05.2011 16:35
Du Mooooooonster Q________Q Wie kannst du nur JETZT das Kapi beenden?! Q___________________Q
...
aber gutes kapi xD -welch große Überraschung, dass es das is xD
Schreib schnell schnell weiter =3
...und wenn das mächste adult wird...dann kannst du mir das gerne schicken |D *das ja nich öffnen kann* xD
Uhu~ ich freu mich schon x3
lg ♥
Von:  Rei_
2011-05-29T20:41:06+00:00 29.05.2011 22:41
*___* ich mag die unausgesprochene frage...und die antwort :DDD
ich finds kapi toll...auch mit dem bissl drama drin und so...und ich liebe weihnachten... <3 freu mich aufs nächste...

Von:  e____xD
2011-05-29T14:30:45+00:00 29.05.2011 16:30
Bissle kitschig für meinen Geschmack, hat mir aber im großen und ganzen trotzdem gefallen :)

Ich freu mich aufs nächste Kapitel und hoffe es geht bald weiter :P
Liebe Grüße
Von:  totenlaerm
2011-05-29T13:46:35+00:00 29.05.2011 15:46
Ah, das ist toll geworden... Ich hab SOOO lange gewartet und jetzt ... ach....
Rukis Mutter ist ein Schatz. Er kann echt froh sein und Reita auch... eigendlich mag ich ja nicht so glückliche Geschichten, aber manchmal muss halt doch sein ♥
Super!!!!
Von:  MikaChan88
2011-05-29T11:32:38+00:00 29.05.2011 13:32
total super kapi ^-^

cu,
MikaChan
Von:  Len_Kagamine_
2011-05-28T14:28:48+00:00 28.05.2011 16:28
estmal das kape ist richtig geil geworden auch wen es sehr traurig teils ist
voralem Shou tut mir soooooooo leid *mit hin fühl* ich hoffe er kommt schnel daruber hin weg denn sie hat sein Herz nicht verdint diese sch***** XD
und lustig weinachten jetzt zu lessen obwolhl kein weinachten ist und es auch nich kalt ist XD
und irgend wie schon das es Ruki's man auch jetzt weis das die beiden zusammen sind und auch wen es erst sehr schmerzhaft war weil die mutter das nicht wollte aber ich bin froh das sie sich doch noch damit abgefunden hat und somit Ruki sich nicht entsheiden musste
und ich bin sehr gespant auf das negste kp weil es sehr sehr viel sagent ist *__* ob es so weit kommt wie ich mir erhofe XD bin mal gespant
ich freue mich schon risig wen es weiter geht und ich hoffe das wirt balt sein *__* ,mach weiter so voralem mit der ff weil ich libe sie einfach so wie sie ist
*fän fane schwenk*

Dat Nessy-tan
Von:  Kaogummi
2011-05-28T13:08:40+00:00 28.05.2011 15:08
Das Kapitel ist toll <3
(auch wenn wir seehr lange drauf warten mussten >D)
ich finds gut das Rukis Mutter es jetzt endlich weiß~
& ich bin gespannt was sie jetzt im nächst kapi machen ;D
auch find ichs süß wie sich Ruki um Shou gekümmert hat~ würd ja gern wissen was es mit Hirotos Reaktion auf sich hat...auch wenn ichs mir denken kann..
ich freu mich aufs nächste kapi! & hoffentlich müssen wir nicht all zu lange warten ;D


Zurück