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Jumays Kinder

Part 5: Kinder des Wassers - Verloren im Sand
von

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Armut und Reichtum

„Ich höre das Dorfoberhaupt kichern?“

Wie bestellt lugte Imera um die Ecke, schien aber nichts von dem Gespräch gehört zu haben.

Choraly starrte ihn perplex an.

„Du bist Mayoras Bruder, du Missgeburt!“, wurde er dann von ihr begrüßt und Chatgaia grinste breit.

„Das ist wahr, na und? Hat sich noch keiner selbst gemacht...“, war seine trockene Antwort.

Missgeburt!, dachte er dabei innerlich schnaubend, er war doch nicht mit diesem Blödmann gleichzusetzen, auch wenn er sein Zwilling war. Also echt...

„Ich habe ihr gerade etwas über eure Mutter und euren Vater erzählt.“, erklärte ihm die grünhaarige Frau da und erhob sich, „Damit sie Mayorachen ein bisschen besser verstehen kann und seine Liebe auch zu schätzen weiß.“

Sie klopfte sich etwas Staub von ihrem Kleid und der junge Mann hob beide Brauen, als das Stadtmädchen den Kopf verlegen weg drehte. Hatte sie ihm das jetzt unbedingt sagen müssen? Das war ihr peinlich und wenn es jemanden gab, den das echt nichts anging, dann war es ja wohl ihr Ex-Freund...

„Na sieh mal einer an, endgültig über Shakki hinweg...“, kommentierte der da, „Aber ich kann es ja verstehen, du bist wirklich ein bezauberndes Mädchen.“

Chatgaia hustete und er seufzte.

„Nicht, für den Platz an meiner Seite geeignet, aber ganz bezaubernd, ich kann es dem Idioten nicht verübeln. Sei nett zu ihm.“

'Sei nett zu ihm'? Das war ihr dann doch wieder einen Blick wert. Der Magierin kam unterdessen eine Idee.

„Würdest du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie ihren Neffen und der nickte.

Wie intelligent es doch war, schon zuzustimmen, bevor man die Bitte kannte, aber das war nun einmal Imera. Blindes Vertrauen...

„Ich will gerne nach deinem Bruder sehen, nicht dass er wieder fiebrig ist. Erzähle du an meiner Stelle weiter.“

Er nickte verwundert.

„Meinetwegen...- aber, alles?“

„Alles!“

Sie schauten sich einen längeren Moment lang tief in die Augen, dann wandte sich die Frau ab und trat in ihr Haus ein, die Türe hinter sich schließend.
 

„Nun ja.“, kam dann etwas verpeilt von dem Jungen, als er sich auf den Boden setzte, an den Platz, an dem zuvor auch Chatgaia gesessen hatte, „Ich kann dir natürlich nur noch von dem erzählen, woran ich mich auch ansatzweise erinnere. Und das wäre...“

Er dachte kurz nach, dann zuckte er zusammen und fasste nach seinem Kopf.

„Okay..“, kam dann gedehnt und er senkte den Blick.

Choraly hob skeptisch beide Brauen. Ob der so anständig erzählen konnte wie seine Tante? Jetzt wollte sie schließend wissen, wie die Geschichte, die ja Realität war, ausging.

Zu ihrer Überraschung kam aber zunächst etwas anderes.

„Versprich mir, dass du das, was ich dir gleich sage, niemals jemandem weiter erzählen wirst, ja? Niemals in deinem Leben, erst recht nicht Chatgaia, das wäre nämlich sehr sehr schlimm für Mayora und mich!“

Sie zuckte unter seinem ersten Blick zunächst einmal zusammen, dann nickte sie. Ja, zur Not konnte sie auch den Mund halten, wenn der denn endlich mal zur Sache kam...

Er tat ihr den Gefallen.

„Ich erinnere mich nur noch verschwommen, damals war ich etwas älter als zwei Jahre...“
 

„Und du pass schön auf die Jungs auf, damit das klar ist, ja, Rahlina?“

Tagami schaute ihre mittlerweile sechsjährige Tochter streng an und das Mädchen nickte lächelnd.

„Ich bin doch schon groß, Mami!“, machte es, „Ich kann schon für die Kinder sorgen!“

Gerührt von der Niedlichkeit der Kleinen lächelte die Frau und tätschelte ihr den Kopf. Nachdem ihre Mutter Karadia vor einem halben Jahr diese Welt verlassen hatte, war auch ihr Vater Fehro Magovi vor wenigen Tagen gefolgt. Nun mussten sich die beiden Töchter um ein paar Dinge bezüglich der Erbschaften kümmern und dazu musste die Jüngere natürlich in Thilia sein. Und da Alhata besseres zu tun hatte, als sich um seine Kinder zu kümmern, waren die natürlich dabei. War aber auch nicht tragisch, die konnten ja schön im Garten spielen, wenn sie zusammen waren lenkte das auch ein wenig von dem Verlust der Großeltern ab.

Besonders jetzt, wo auch Mayora endlich das Laufen gelernt hatte und mit den anderen tollen konnte. Dabei landete er zwar alle drei Minuten einmal auf dem Hintern, aber er hatte Spaß.

Er hatte seinem Bruder so lange sehnsüchtig hinterher sehen müssen...

„Aber ihr bleibt artig hier im Garten, ja?“, verlangte da auch Chatgaia und schaute dabei besonders ihren eigenen vierjährigen Sohn an. Taranii war nämlich dafür bekannt, gerne einmal auszubüchsen und dann mutterseelenallein durch den Ort zu geistern.

Er grinste schelmisch, sagte aber nichts.

Vor wenigen Tagen hatte er etwas tolles entdeckt, im Garten bleiben konnte sich Mama abschminken. Die hatte jetzt eh erst einmal genug zu tun...
 

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„Wegen dir wird mir Mami nicht mehr vertrauen!“

Rahlina schimpfte hemmungslos, während sie hinter ihrem jüngeren Cousin aus dem Dorf tappte, gefolgt von ihren eigenen kleinen Brüdern. Der Ältere der Beiden war im Übrigen damit beschäftigt, seinem kleineren Zwillingsbruder irgendwelche Lügengeschichten aufzutischen. Die Beiden waren noch sehr klein, lügen war das Einzige, was Imera konnte und Mayora konnte nichts anderes, als sich anlügen zu lassen. Und das den lieben langen Tag, es konnte nerven... normale zweijährige Jungen redeten doch nicht den ganzen Tag durch?

„Aber das ist sooo doll toll, das ist viiiel besser als mein blöder Sandkasten!“, antwortete Taranii da lachend. Ja, er mochte seinen Sandkasten nicht, irgendwie verklumpte der Sand darin immer seltsam, außerdem war er immer voller Unkraut. Aber sein Problem hatte sich gelöst, als er vor einigen Tagen eine Stelle etwas außerhalb des Dorfes entdeckt hatte, an der der Sand so schön wie in der Wüste selbst war. In der Wüste konnte man ja leider nicht spielen... galt es nur noch, irgendwann einmal heraus zu finden, weshalb. Vielleicht wusste Rahlina das ja, die war schließlich schon groß...?

„Warum darf man nicht in der Wüste spielen?“, erkundigte er sich einfach.

Das Mädchen wollte gerade zur Antwort ansetzen, da kam ihr Imera zuvor.

„Wegen dem kanzen Sand!“, er hatte die Angewohnheit, statt 'g' 'k' zu sagen, „Da ist kaaaanz viel mehr Sand als im Sandkasten, jaaaha! Und wenn da soo viel Sand ist, dann ist der auch überall, jaaaha! Und dann ist er in deiner Unterhose und in deinen Ohren, jaaaa!“

Der blauhaarige Junge hob bei der fragwürdigen Aussage beide Brauen und Mayora klatschte begeistert von der nicht vorhandenen Intelligenz seines Bruders in die Hände, worauf der sich toll vorkam. Rahlina war das kindische Gehabe der Jungen egal, sie tappte einfach genervt weiter.
 

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„Chatgaia!“

Die Angesprochene und ihre Schwester sahen von einigen Dokumenten auf, als Harata entnervt die Küche betrat.

„Schatzi, ich weiß ja, dass du viel zu tun hast, aber das hab ich auch!“

„Was ist denn?“

Die Frau hob verwundert eine Braue und Tagami widmete sich wieder dem Papier.

„Ich war gerade bei Adali, du weißt schon, unser toller Kamelhändler, ich war bei ihm, um mir ein paar Kamele anzusehen, und der hat wirklich schöne Tiere, jedenfalls fragt er mich, was mit den Kindern los ist und ich ahne es schon...“

Er trampelte an den Frauen vorbei durch den Raum und zur Hintertür, um kurz nach draußen zu lugen.

„Ja. Weg sind sie.“

Der Mann seufzte und die Schwestern schenkten sich jeweils einen kurzen dummen Blick, ehe sie sich auch überzeugten. Harata seufzte.

„Liebste, ich hasse es, dich zurechtweisen zu müssen, aber du vernachlässigst gerne einmal deine Aufgaben als Mutter, das ist sicherlich nicht gut für deinen Ruf hier!“

Seine Gattin errötete, erwiderte jedoch nichts. Er hatte Recht. Aber...

„Ich sehe es nicht ein, sie suchen zu gehen.“, sie wandte sich wieder ab und schritt zu ihrem Platz zurück, „Sie kennen den Weg zurück und es ist noch nie etwas passiert, warum dieses Mal? Außerdem sind sie zu viert, das wird wohl schon klappen...“

Ihre Schwester nickte zustimmend.

„Rahlina ist ja auch dabei. Wir haben wirklich zu tun.“

Damit widmete sie sich auch wieder dem Schreibkram. Der Mann kratzte sich am Kopf. Na toll, aber er war besorgt um die Kleinen. Hoffentlich hatten die Beiden wirklich Recht, denn Zeit zum Suchen hatte er gewiss auch keine...

„Wie dem auch sei, ich geh mir jetzt ein Kamel besorgen...“
 

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„BOAH! Mayora kuck ma, jaaaha?!“, Imera und Mayora standen nebeneinander am Rand einer etwa acht Meter tiefen Klippe und starrten hinunter, „Das is ja soooo tief, jaaha! Wenn du da runter fällst, jaa, dann musst du kanz viel trinken weil du sonst verhungern tust während du fällst, jaaaha!“

Sein jüngerer Bruder mit den seltsamen grün-braunen Haaren starrte ihn geschockt aus großen Augen an. Das klang ja schrecklich!

Rahlina kratzte sich bloß irritiert am Kopf.

„Was wollen wir nochmal hier?“

Hier war alles einsam und verlassen, sicherlich kein Ort für Kinder. Ach, was würden sie Ärger bekommen...

Taranii deutete auf den Eimer mit Sandkastenspielzeug, den er mit sich herum schleppte.

„Spielen!“

Das war ein Stichwort für die Zwillinge, sie drehten sich zeitgleich um und kamen zu den Älteren getappst.

„Wir wollen auch spielen, jaaahaaa!“

Der Jüngste klatschte wieder zustimmend in die Hände. Imera hatte eine äußerst ausgeprägte Sprachbegabung, Mayora so gut wie überhaupt keine. Er sprach selten, aber man verstand ihn auch so. Chatgaia war der Meinung, er sei einfach nur ein Spätzünder und dass das in Ordnung ging und die hatte schließlich Ahnung.

Den Kindern ihrerseits war es so hoch wie breit, ob der Kleinste was sagte oder nicht, als sie sich auf dem in der Tat mit sehr feinem Sand bedecktem Boden niederließen und zu spielen begannen. Mit Ausnahme von Rahlina, die hatte ein neues Kleid.

„Ich will nicht im Sand spielen, das machen nur kleine Jungen!“, meckerte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, sich ein wenig umsehend, „Ich gehe auf die Wiese Blumen suchen, seid artig!“

Sie waren über eine recht verdorrte Grasfläche zu den Klippen gekommen, dorthin wollte das Mädchen zurück. War ja nicht weit weg. Die würden eh bald streiten.
 

Und die Kleine sollte Recht behalten...

„Warum kriegen wir nur das kleine Schaufel, hääää?“

Die Zwillinge schauten blöd auf die Spielzeug-Schaufel, die ihr älterer Cousin ihnen hingelegt hatte und dieser schnaubte und wedelte theatralisch mit seiner eigenen, größeren Schaufel in der Luft herum.

„Weil das alles meine Spielsachen sind, du Doofi! Ihr seid doch noch Babies!“

Denen sein gutes Spielzeug zu geben sah Taranii ja gar nicht ein. Er hatte alles geschleppt, ihm gehörte alles, fertig. Er durfte bestimmen.

Seine Cousins waren anderer Meinung.

„Wir sind keine Babies, jahaa!“

Imera stand fauchend auf, sein Bruder und sein Gegenüber taten es ihm gleich.

„Gib!“, verlangte auch Mayora nun und streckte die Hand nach dem Spielzeug aus, aber Taranii zog sie weg.

„Meine, heult doch!“

„Ich verhau dich kleich, jaahaa!“

Das war dann gewohnheitsmäßig schon ernster, die beiden prügelten sich nämlich wirklich zwischendurch ganz gern einmal. Dabei war Imera keineswegs immer unterlegen.

Anders als seine Geschwister und sein Cousin hatte der brünette Junge nämlich kein Himmelsblut geerbt und war damit ein normaler Mensch. Und mit seinen etwas mehr als zwei Jahren fast genau so groß wie der vierjährige Taranii.

„Verhau mich doch, ich verhau dich zurück!“, erwiderte dieser da grantig und drückte seine geliebte Schaufel an sich.

Ein Mann kämpfte um sein Werkzeug... Mayora wusste das scheinbar auch, als er sich ebenfalls einschaltete.

„Mayo auch hauen!“

Er stürzte sich auf den Blauhaarigen und der stolperte erschrocken ein paar Schritte zurück.

Sein Bruder freute sich.

„Jaaaha, das muss man kenau so machen... neiiin, doch nicht, kuck, soooo!“

Der Junge tat es seinem Zwilling gleich, war aber stärker und brachte Taranii noch viel weiter zum stolpern und schließlich zum hinfallen.

„Aua!“, machte der und richtete sich empört und tapfer wieder auf, seine kichernden Cousins böse anschauend, „Ich seid so blöd! Ich hau zurück!“

Das war voll fies, zwei gegen einen! Die Jüngeren warfen sich gackernd irgendwelche undeutbaren mysteriösen „Wir-kommunizieren-über-Gedankenübertragung“-Blicke zu und stürzten sich abermals auf ihn, dieses Mal zu zweit, ehe er sich hatte wehren können.

Er schwankte abermals ein paar Schritte rückwärts und quiekte, als er plötzlich merkte, dass er am Rand der Klippe angekommen war.

„Nicht mehr weiter!“

Die Zwillinge hielten artig inne.

„Kibst du jetzt das Schaufel, jaaahaa?“, erkundigte sich Imera und Mayora legte sein Köpfchen schief.

Taranii schaute blöd.

„Äh – nö.“

Falsche Antwort. Er hatte es sich denken können, aber ein Mann kämpfte nun einmal um sein Werkzeug und fertig, das hatte ihm sein Papa beigebracht!

Sie stupsten ihn gemeinsam und erschreckten sich trotzdem, als er schreiend stürzte und mit einem dumpfen Knall auf dem steinigen Boden aufkam.
 

Rahlina fand ihre kleinen Brüder dämlich über die Klippe schauend vor, als sie wenige Sekunden später zurückkehrte. Thilia war ein hässlicher Ort, hier gab es keine Blumen. Zumindest keine, die sie auch hätte pflücken wollen. Sie war eine Erbin Morikas, sie hatte auch Ansprüche.

„Wo ist Taranii?“, erkundigte sie sich irritiert und ließ ihren Blick über den Platz schweifen, die Junge fuhren geschockt zu ihr herum.

„Dahaa...“, antwortete ihr Imera und deutete nach unten. Unten?

Das kleine Mädchen eilte alarmiert zu den Zwillingen an den Abgrund und erstarrte. Das konnte doch nicht... es schrie markerschütternd.

Unten, er war wirklich da unten!

„Taraniichen, lebst du noch?!“

Er bewegte sich stöhnend und die Sechsjährige oben keuchte.

„Ich gehe Tante Chatgaia holen!“, sagte sie dann zu ihren Brüdern, „Bleibt schön brav hier!“

Nein, wegrennen wollten sie jetzt nicht.
 

Die Reaktionen der Erwachsenen waren erschreckend für das Kind, als es sie zum Unfallort brachte.

„Ich hab gesagt, schau nach den Kindern!“, schimpfte Harata im Rennen mit seiner Frau, „Aber du dumme Kuh musstest ja deinen Schreibkram machen!“

„Ach!“, meckerte Chatgaia zurück, „Und wer wollte lieber Kamele haben als nach den Kindern zu suchen?! Ich habe wenigstens etwas nützliches gemacht!“

„Ihr seid jetzt beide still!“, mischte sich auch Tagami ein, „Ihr verängstigt Rahlina!“

Das wollte niemand, so gehorchten die Beiden auch. Streiten taten sie ohnehin bloß aus Sorge, weil es sie nervös und reizbar machte.

„Da unten!“, riss die Stimme der Sechsjährigen sie da aus den Gedanken, als sie sich plötzlich an den Klippen wieder fanden. Zum zusätzlichen Schock aller war auch von den Zwillingen keine Spur mehr und Tagami drehte sich einmal verunsichert um ihre eigene Achse.

„Jungs?“

„Die sind auch da unten, Schwester.“, bekam sie von Thilias Dorfoberhaupt geantwortet, während es zusammen mit seinem Gatten die felsige Wand herunter kletterte, „Keine Sorge, die sind wohl auf.“

Die kleinen Jungen musste wohl einen anderen Weg gefunden haben, denn sie saßen bereits unbeschadet neben ihrem Blut hustenden Cousin.

„Hustest du echtes Blut oda Tomatenpastä, hääää?“, war Imera gerade dämlich am fragen, als die Eltern ankamen und ihn, so wie seinen Bruder, etwas unsanft zur Seite schubsten, worauf der Brünette empört zu seiner eigenen Mutter sah, die ebenfalls gerade mit Rahlina im Schlepptau ankam.

„Die blöde Kuh hat mich wekkeschupst, jaaaha!“

Dank seines Vaters hatte der Kleine eine starke Neigung dazu, seine Tante zu beleidigen, wurde dieses Mal jedoch ignoriert. Ansonsten erntete er von Tagami einen Klapps, man sprach schließlich nicht so respektlos mit Erwachsenen.
 

„Taraniichen, Mami ist hier!“

Chatgaia beugte sich besorgt über ihr röchelndes Kind um seinen zitternden Körper prüfend zu beäugen. Hier konnte sie ihn nicht untersuchen, sie hatte in der Eile auch nichts mitgenommen, um ihn zu versorgen. Sie hatte ja auch nicht geahnt, dass er ausgerechnet hier herunter gefallen war!

„Papi ist auch hier!“, machte Harata unterdessen und fasste nach der kalten Hand seines Sohnes. Er kannte sich in der Medizin nicht aus, er konnte nichts für ihn tun außer für ihn da zu sein.

„Kann ich was machen?“, wollte da auch Tagami wissen und ihre Schwester schnaubte nur.

„Bring deine Kinder weg!“

Die kleinen Plagen nervten jetzt nur, überhaupt, alle nervten, sie musste sich konzentrieren.

„Taranii, sag Mami, wo es am meisten weh tut!“, forderte sie so sanft wie möglich und streichelte über seine verschwitzte Stirn.

Der Junge stöhnte.

„...überall!“

Sie hatte geahnt, dass er das antworten würde, das brachte nichts.

„Wir bringen ihn nach Hause!“, beschloss sie so kurz angebunden und nahm ihn in den Arm. Sie hoffte bloß, dass seine Wirbelsäule nicht verletzt war, das würde die Sache ziemlich schwierig machen.

Mit andern Worten, dann wäre das Kind nicht mehr zu retten gewesen.

Aber er war Taranii Setari, er war der Sohn des Dorfoberhauptes, es war nicht möglich, dass er starb. Seit vier Jahren schon zogen seine Eltern ihn mit aller Liebe und Hingabe auf, außerdem fielen so oft Kinder von irgendwo herunter, da würde es den kleinen Magier ja nicht direkt umhauen. Bestimmt nicht, ausgeschlossen.
 

Der Kleine schrie markerschütternd, als seine Mutter sich mit ihm erheben wollte, so sank sie rasch wieder auf die Knie zurück und schaute ihr Kind erbleichend an.

„Was hat er denn?!“, wollte Harata verwirrt wissen und beugte sich über sein kleines keuchendes Gesicht.

Seine Frau schüttelte ratlos den Kopf.

„Ich weiß es nicht... Taranii, sag uns, was wir tun sollen!“

Sie fragte sich, warum sie das von ihm verlangte. Normalerweise hätte sie auf sein Schreien keine Rücksicht nehmen dürfen und ihn einfach nach Hause tragen sollen, aber sie tat es nicht. Ihr Mann auch nicht.

„Mach, dass es aufhört...!“, jammerte der Kleine da und schaute seine Eltern flackernd an, „Ich bin müde...“

„Ach was, ist doch noch mitten am Tag!“, versuchte sein Vater ihn verzweifelt aufzumuntern, doch er röchelte nur und hustete ein weiteres Mal Blut. Dabei versaute er das ohnehin rote Kleid seiner Mutter, was dieser angesichts der Situation jedoch ziemlich egal war, es ließ sie bloß erschaudern.

Sie wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht was und sie wollte etwas tun und hatte ebenso wenig Ahnung. Sie konnte nicht alles, sie war keine Göttin, aus welchen Gründen auch immer wurde ihr das in diesem Moment klar.

Ihr Sohn blinzelte sie schwach an, dann tat er etwas, womit die Eltern nicht gerechnet hätten.

Er lächelte.

„Ich hab euch lieb... Mama... Papa...“

Noch ehe sie etwas hätten erwidern können, schloss der kleine Junge zum letzten Mal in seinem Leben die Augen.
 

Imera würden den schrillen, eiskalten Schrei, den seine Tante wenige Sekunden darauf ausstieß, niemals in seinem Leben vergessen, eben so wenig wie sein Bruder, der eingefroren neben ihm stand. Beiläufig nahmen sie wahr, wie ihre eigene Mutter sich die Hände vor den Mund schlug und auf die Knie sank und Rahlinas Schluchzen, aber die Hauptaufmerksamkeit lag auf der so eben auseinander gerissenen Familie ein paar Meter entfernt.

Chatgaia schrie sich die Seele aus dem Leib und Harata sackte in sich zusammen, als auch er verstand, was gerade geschehen war.

Er hatte seinen einzigen Sohn für immer verloren, ohne Vorwarnung und von einer Sekunde auf die andere.
 

Choraly schaute ihren Nebenmann erbleicht an, er selbst hatte während dem Reden sein Haupt gesenkt gehalten.

„Ihr, du und Mayora, ihr habt euren Cousin auf dem Gewissen...?“

Er nickte, dann sah er sie an.

„Du darfst es niemals Chatgaia sagen, das ist sehr wichtig! Mein Bruder und ich haben sie sehr gern, wenn sie das wüsste, würden wir sie sicher verlieren!“

Das Mädchen nickte und musste zu seiner Überraschung lächeln.

„Du bist wirklich ein Idiot, Imera.“, sagte es dann, „Ihr wart keine drei Jahre alt, du kannst dich selbst noch kaum daran erinnern... denkst du wirklich, eure Tante könnte euch dafür verantwortlich machen? Sie ist doch nicht dumm...“

Er schaute blöd.

„Aber... es ist doch egal, wie alt wir waren, wir haben etwas Schlimmes getan! Und wir wurden mit dem schlechtesten Gewissen der Welt gestraft... es wird nicht besser, es wird schlimmer, mit jedem Tag, der vergeht, wird es schlimmer!“

Anfangs war ihnen noch nicht ganz klar gewesen, was sie gemacht hatten, aber je älter sie geworden waren und je mehr Verstand sie bekommen hatten, desto bewusster war ihnen auch ihre Tat geworden. Und es war schrecklich.

Der Junge raufte sich die Haare bei den Gedanken daran. Es bereitete ihm Schmerzen...

„Denk nicht mehr darüber nach, quäle dich nicht.“, lenkte Choraly wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich, „Du wolltest mir noch weiter erzählen?“

Er nickte.
 

Taraniis Tod war für die gesamte Bevölkerung der Oase ein schwerer Schock gewesen. Kinder starben oft, aber auf Kinder von Dorfoberhäupter achtete man normalerweise besonders.

Und so machte sich auch das regierende Paar Thilias in seiner Trauer schwere Vorwürfe, bis es irgendwann einsah, dass sein geliebter Sohn davon auch nicht wieder lebendig wurde. Sie hatten ihn verloren, er ruhte friedlich im Himmelreich. Vermutlich war es gut so, die Götter hatten sicher einen Grund gehabt, ihn zu sich zu nehmen. Das Leben war nun einmal hart, aber Trauer hielt es nicht an, auch Chatgaia und Harata mussten weiter machen.

Und das taten sie.
 

Inzwischen waren seit dem Tod des kleinen Jungen über drei Jahre vergangen.

Die Zwillinge sprachen nicht darüber. Das taten sie nie und sie würden es auch nie tun. Sie lebten einfach ihr eigenes Leben in Morika.

„Hör auf, du Depp, eeey!“

Imera schupste seinen Bruder etwas unsanft von sich, aber der ließ sich davon nicht beirren und strahlte bloß weiter doof.

„Du hast mir einen Keks geschenkt, ich liebe dich!“, machte er, breitete die Arme aus und umarmte den Älteren abermals gegen seinen Willen. Manchmal bekam dieser nämlich von seinem Vater Süßigkeiten und wenn er es nicht schaffte, alle zu essen, gab er den Rest seinem kleinen Zwilling. Vielleicht sollte er sich das auch abgewöhnen, bevor Mayora ihn eines Tagen noch einmal zu Tode lieb hatte.

„Aber dann musst du mich doch nicht küssen, du ekliges Dings, jaaha...“, maulte der Ältere angewidert, ergab sich jedoch der liebevollen Umarmung und seufzte.

Alhata schenkte bloß Imera Kekse. Rahlina bekam seit sie zur Schule ging und bewies, wie intelligent sie war, manchmal Bonbons zur Belohnung und der Jüngste ging leer aus, weil der ja nichts tolles machte und nur Geld kostete. Aber seine Geschwister gaben ihm ja gelegentlich etwas ab, außerdem forderte Mayora so wie so nicht.

Er war ein simples Kind, er war einfach da und war der Welt für jeden Tag, an dem er auf ihr leben durfte, dankbar. Und seinem Bruder dafür, dass es ihn gab.

„Ich küss dich aber gerne!“, erwiderte er so unschuldig und wollte es für den verkrüppelten Keks abermals tun, da wurden die Kinder von ihrem Vater, der in diesem Moment die Küche betrat, unterbrochen.

„Benehme dich doch einmal wie ein Mann, Mayora!“, kommentierte er die Szene, während er sich ein Glas Kaliri-Saft eingoss, „Du kannst nicht den ganzen Tag an deinem Bruder hängen. Wenn er dich nervt, Imera, schlag ihm in die Fresse!“

„Ja, Papi!“, antworteten die Kinder artig und der kleine Himmelsblüter entschloss klug, den Älteren besser los zu lassen. Er wollte seinen Vater schließlich nicht verärgern.
 

„Könnt ihr bitte mal abhauen?!“, machte der Mann da, als er fertig getrunken hatte und schenkte seinen Söhnen einen befremdlichen Blick, „Ich muss etwas wichtiges mit Mama abklären, die kommt gleich.“

Die Kinder nickten artig. Zu widersprechen wagten sie eh nie, noch nicht einmal Imera, der doch eigentlich so ein Großmaul war. Ihr Vater war eine absolute Respektperson.
 

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„Hat Vatilein nicht gesagt, wir sollen weg gehen?“

Mayora schaute seinen großen Bruder ahnungslos an und der verdrehte die Augen.

„Du bist voll doof, jaahaa, du blödes Kind!“

Auch wenn er immer brav tat, bedeutete das nicht, dass Imera immer auf seine Eltern hörte. Besonders von seiner Mutter hielt er nicht viel, aber auch seinem Vater tanzte er manchmal ein wenig auf der Nase herum. Und sein naiver Zwilling gleich mit, der tat nämlich immer das, was er auch machte. Seine komische Tante Chatgaia meinte manchmal, er sei sein Schatten, aber er verstand nicht so ganz, was sie damit sagen wollte...

„Aber warum verstecken wir uns hinter der Tür?“

Mayora war ebenso nicht mit großer Intelligenz gesegnet. Thilias Dorfoberhaupt hatte bei beiden bereits festgestellt, dass sie in manchen Bereichen ziemlich nachhinkten, den kleinen Jungen war das aber recht egal. Dafür hatten sie andere Vorzüge, genau. Jaahaa.

„Damit wir zuhören können, jahaa, und damit Papa und Mama uns nicht bemerken, du Nase!“

Imera grinste, weil er sich gerade genial fand. Auf sowas musste man erst einmal kommen, sich verstecken und dann zuhören... Mann, war er gut. Sein Bruder fand das auch und klatschte in die Hände.

„Und jetzt sei leise, jahaa?“
 

In dem Moment betraten ihre Eltern vom Hintereingang aus die Küche. Ihre Mutter war nicht von selbst erschienen, ihr Vater hatte sie suchen müssen.

„Dass du nicht von selbst kommen kannst, hohle Nuss.“, kommentierte er das verärgert und sie neigte leicht den Kopf.

„Ich hatte zu tun, verzeih. Worum geht es?“

Sie setzten sich an den hölzernen Tisch und der Mann seufzte und fuhr sich entnervt durchs Haar.

„Alles ist mein Vater Schuld!“, begann er, „Er hat unser schönes Dorf zerstört!“

Tagami legte den Kopf etwas schief.

„Ich verstehe nicht.“, gab sie dann zu und ihr Gegenüber schnaubte.

Die beiden Jungen hinter der Tür warfen sich einen viel sagenden Blick zu. Immer, wenn ihr Vati damit begann, dass sein Papa alles Schuld sei, wurde es ein schlechtes Gespräch, das hatten selbst die etwas dümmlichen Zwillinge schon gemerkt.

„Morika ist wirtschaftlich am Ende!“, fauchte ihr Vater da laut und ihre Mutter zuckte etwas zusammen, „Jahrelang versuche ich, es wieder hinzubekommen, ich habe so viel Geld in die Erhaltung gesteckt und...“

Er hielt inne und verstummte. Die Kinder hinter der Tür verstanden im Übrigen nicht sonderlich viel von diesem Gespräch, die fanden es bloß toll, etwas verbotenes zu hören.

„Und was?“, erkundigte sich Tagami da und ihr Gatte lehnte sich im Stuhl zurück und schloss die Augen.

„Ich habe immer alles für meine Heimat getan, ich habe alles für sie gegeben.“, antwortete er leise und schaute seine Frau nicht an, „Weib... die Kassen sind leer.“

Leere Kassen? Bedeutete das etwa, dass man kein Geld mehr zählen konnte? Mayora war das egal, aber Imera war beunruhigt, er zählte doch so gern Geld!

Ihre Mutter ihrerseits war das Zählen herzlich egal, sie schlug sich nur geschockt die Hände vor den Mund.

„Die Kassen sind leer?!“, keuchte sie, „Du meinst, komplett leer?! Die Dorfkasse ist unsere Kasse, Alhata! Wir verwalten sie und leben davon, wenn sie leer ist haben wir nichts mehr zu essen! Und... die Kinder! Wir wollten doch endlich mal die Kammer schön machen, damit Mayora und Imera sich nicht mehr einen Raum teilen müssen!“

„Weiß ich doch!“, unterbrach er sie grob und sie strich sich nervös ein paar Strähnen aus dem Gesicht.

„Alhata... was hast du gemacht?“

Er antwortete nichts und starrte die Tischplatte an.
 

Und dieser Tag war es, der alles verändern sollte. Nahm man es genau, war dieser Tag der Anfang vom Ende. Oder so ähnlich.

Denn die Veränderungen kamen langsam.
 

„Mami, das ist mir sehr peinlich.“

Rahlina kniete neben ihrer Mutter im Garten und grub ein paar verkrüppelte Rüben aus dem schlechten Boden. In Thilia konnte man wesentlich besser anpflanzen, hatte Tagami bemerkt, dort gab es wenn man ein paar Zentimeter tief grub fruchtbaren Mutterboden. In Morika hingeben stieß man unter der Sandschicht auf pures Geröll, hatte sie das Gefühl, als sie ihre vom vielen Graben und Hacken blutigen Hände betrachtete. Blutig waren sie vor lauter Arbeit noch nie gewesen.

Aber das würden sie wohl in nächste Zeit bleiben. Sie hatten die Haushaltshilfen entlassen müssen und kauften so wenig auf dem Markt wie möglich, das hieß viel Schuften im Garten. Außerdem hatte Alhata seinen mittlerweile 17-jährigen Halbbruder vor die Tür gesetzt, weil er den ebenfalls für einen Geldfresser gehalten hatte. Seine Frau konnte diesen Schritt nicht ganz nachvollziehen, Rohama hatte immer sehr im Haushalt mitgewirkt, obwohl er das nach dem Verschwinden seines Vaters gar nicht mehr gemusst hatte, der hätte ihr sicher auch diese eklige Arbeit draußen abgenommen. So war er jetzt zu einem Mädchen aus Thilia gegangen, toll.

Ihr Heimatdorf musste aber auch ganz schön am verkommen sein, sie hatte die Freundin ihres Schwagers einmal zu Gesicht bekommen und war schockiert gewesen. Sie schien nicht viel älter als Rahlina gewesen zu sein... aber wenn ihre Eltern es denn zuließen, ihr egal.

„Hörst du mir zu?!“

Ihre kleine Tochter zupfte ihr mit den schmutzigen Fingern am Ärmel und sie nickte langsam.

Das war ihr peinlich... ja, das konnte sie verstehen.

„Du wirst immer eine Prinzessin bleiben, auch wenn du im Dreck wühlst, Tochter.“, antwortete sie nur betrübt und senkte den Blick.
 

Die Zwillinge saßen ein paar Meter weiter auf dem Boden und spielten mit Murmeln.

„Prinzessin Rahlina, Prinz Imera und... Doofi-Bruder.“, murmelte der Ältere der Beiden dabei vor sich hin und gluckste ein wenig, Mayora legte dabei sein Köpfchen schief.

„Warum bin ich Doofi-Bruder?“, wollte er lieb wissen und der Andere schaute ihn blöd an.

„Weil du hässlich bist.“

Dass die Antwort nicht ganz logisch war, war Imera recht egal. Davon abgesehen sahen sich die beiden Brüder bis auf ein paar Kleinigkeiten auch sehr ähnlich, aber wen scherte es schon...

Der Grünhaarige dachte allerdings ziemlich genau so, oder eben gar nicht, wie sein Zwilling und nickte einsichtig.

„Das wird es sein!“
 

„Dumm und hässlich sind nicht das Selbe, Sohn.“, mischte sich da Alhata ein, der gerade mit einem halb vollen Korb ankam. Er war einkaufen gewesen von dem wenigen Geld, dass er noch hatte.

Aber selbst, wenn die Familie noch reich gewesen wäre, das Dorf befand sich in einer Krise, es gab ohnehin nur noch halb so viele Nahrungsmittel wie zuvor. Und Tagami fragte sich noch immer, was ihr Mann eigentlich getan hatte, dass sie so pleite waren. Vielleicht hätte er das Regieren doch seinem Vater überlassen sollen...

Er seinerseits musterte seinen eigenen jüngsten Sohn ausgiebig.

„Wobei Mayora zufällig dumm und hässlich zugleich ist, meine Güte, man merkt wo du herkommst.“

Tagami im Dreck schnaubte.

Sie war nicht dumm und hässlich, sie hasste die Seitenhiebe dieses Idioten. Konnte der nicht einfach tot umfallen? Sie würde Morika sicher wieder in Schuss bringen...

Die Frau seufzte.

Einst hatte sie ihn geliebt, zu der Zeit, als sie ihm Babies geboren hatte. Aber je älter Alhata wurde, desto mehr schien er zu verblöden irgendwie. Oder lag es doch an ihr, dass sie irgendetwas gravierendes falsch machte? Sie wusste nicht, was.

Verdammt, sie wühlte für ihn uns seine Plagen im Dreck!
 

„Was kann ich dagegen tun, Vati?“, hörte sie Mayora da traurig fragen und der Mann lachte leise und ging weiter Richtung Haus.

„Weiß ich nicht.“, antwortete er noch, „Lebe damit... oder sterbe halt.“

Dass man so etwas nicht zu seinen Kindern sagte, nahm in der Familie keiner mehr wirklich wahr. Besonders im Bezug auf Mayora, der ohnehin nicht sonderlich erwünscht zu sein schien, aber der war ja auch kein intelligentes Wesen, der Meinung war Rahlina zumindest.

Sie war ein liebes Mädchen, das ihre beiden Brüder sehr gern hatte und sich hingebungsvoll um sie kümmerte, aber gerade deswegen fielen ihr „solche Sachen“ vielleicht auch auf.

'Mayorachen ist nicht normal.', hatte sie so ihrer Mutter eines Tages erklärt, 'Wenn man ihn beleidigt, dann lächelt er oder er versteht es nicht und wenn man es ihm klar macht, gibt er einem Recht. Und wenn man ihn verhaut, dann weint er nie. Ich glaube, er ist zu doof zum Fühlen, oder?'

Zu doof zum Fühlen, Tagami fragte sich, ob das ging. Dass Mayora anders als seine Geschwister war, war ihr allerdings auch schon aufgefallen.

War wohl seine Art, ließ sich nicht ändern. War ihr auch egal.
 

In den nächsten Monaten musste ihr so einiges egal werden. Ihre Kleidung und ihr Ansehen zum Beispiel.

Mittlerweile wurde das Paar in Morika gehasst, es war ein offenes Geheimnis, dass Alhata alles kaputt gemacht hatte. Und sie als seine Frau war natürlich automatisch mit Schuld, auch wenn alles hinter ihrem Rücken geschehen war und sie gar nicht verstand, was ihr Gatte da überhaupt gemacht hatte. Aber sie verfluchte ihn dafür. Und das zeigte sie ihm im Laufe der Zeit immer deutlicher.

Dafür verfluchte er wiederum auch sie und nahm damit kein Blatt vor den Mund, wie er eines Morgens beim Frühstück, das aus trockenen Kaliri-Brotscheiben und Wasser bestand, bewies.
 

„Hör gut zu, Sohn.“, sein Sohn war Imera und der sah kauend auf, als sein Vater sich zu ihm herüber beugte.

Er hatte etwas miese Laune, weil er Wasser und Brot essen musste und das eklig schmeckte, wie er fand.

„Du findest das widerlich.“, bemerkte der Vater da auch an seinem Blick, dann seufzte er, „Kann ich verstehen, ich auch. Also, pass auf, Tipp fürs Leben...“

„Ist das auch ein Tipp für mein Leben?“, mischte sich Mayora ein und funkelte seinen Vater aus großen, neugierigen roten Augen an. Der schnaubte nur.

„Halt den Rand. Also Imera...“

Er griff nach einer frischen Scheibe Brot und wedelte damit theatralisch in der Luft herum. Seine Frau warf ihm bloß einen missmutigen Blick zu, in einer solchen Situation mit Essen zu spielen...

„Wenn du erwachsen bist, ja? Wenn du erwachsen bist, dann suchst du dir ne Frau, machst ihr ein möglichst männliches Kind und lässt sie dann einfach links liegen. Und wenn du nicht mehr Dorfoberhaupt sein kannst, wird es dein Sohn, das ist viel bequemer als zu heiraten!“

Der Junge nickte einsichtig und sein kleine Bruder verstand. Er würde ja nicht Dorfoberhaupt werden, er musste das also gar nicht wissen. Aber interessant war es trotzdem. Falls sein lieber Bruder diesen Rat vergessen würde, würde er ihn daran erinnern, genau.

Er schüttelte erschreckt über seine Gedanken den Kopf.

Also wirklich, wie konnte er nur annehmen, dass Imera etwas vergaß?! Er war schlau, so etwas wichtiges merkte er sich sicher. Also echt, für so etwas Törichtes gehörte er bestraft...

„Und wenn du schlau bist, Rahlina...“, lenkte seine Mutter da die Aufmerksamkeit auf sich, als sie ihre hübsche Tochter ansprach, „Falls dein Vater dich jemals fragen sollte, ob du aus politischen Gründen irgendeinen Macker, den du nicht kennst, heiraten willst, antworte mit nein und sterbe zur Not lieber als Jungfrau, das ist immer noch besser, als das hier.“

Schweigen.

Die Kinder senkten auf Kommando ihre Häupter. Irgendetwas stimmte nicht...
 

--
 

Dass etwas nicht stimmte erfuhr man im Laufe der nächsten Monate auch in Thilia, und so stand irgendwann das sehr viel beschäftigte Dorfoberhaupt des Nachbarortes persönlich vor der Tür.

Imera staunte nicht schlecht, als er seine Tante nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder sah.

Seine Mutter war manchmal mit Rahlina zu ihr gegangen, als sie noch reich gewesen waren, aber er war mit Mayora lieber immer zuhause geblieben. Sein Bruder mochte „Tataya“ zwar sehr gern, aber der hatte nichts zu melden. Dem älteren Bruder war seine Tante gruselig, er wollte nichts von ihr wissen. Und ausgerechnet er öffnete ihr die Tür.
 

Chatgaia ihrerseits war ganz erfreut, von ihrem Neffen eingelassen zu werden. Zum Einen, weil sie ihn lang nicht mehr gesehen und zum Anderen, weil sie keine Lust auf Alhata hatte. Egal, was hier los war, er war ohnehin Schuld...

„Freut mich sehr, dich zu sehen, Imera.“, grüßte sie den Jungen so lächelnd und küsste ihn auf die Stirn, worauf er angewidert das Gesicht verzog.

Wie konnten dieses eklige Weib es wagen...?

„Was willst du, Tante, hää?“

Den Kuss wegzuwischen versuchend, gab er sich keinerlei Mühe, seine Abneigung zu verheimlichen. Sein Vater hatte ihm gesagt, sie sei eine Hexe und von Hexen wollte er Abstand...

Die Frau hatte so etwas in der Art bereits geahnt.

Imera würde einmal Morika regieren, sein Vater erzog ihn zu seinem Ebenbild und Alhata konnte sie nun einmal nicht leiden.

Nun gut, sie konnte ihm also nicht böse sein, der etwas dümmliche Junge war einfach das, was man aus ihm machte.

„Ich wollte euch besuchen, darf ich das nicht?“, antwortete sie so auch ruhig und der Kleine schnaubte.

„Bloß, wenn du einen Grund hast, jaahaa!“

Er versuchte möglichst ernst zu wirken und verschränkte die Arme vor der Brust. Zu seinem Ärgernis brachte das seine Tante bloß zum Schmunzeln.

„Bist du immer noch nicht von diesem 'jaahaa' los gekommen? Meine Güte...“

Das genügte, wie erwartet, um den Jungen aus dem Konzept zu bringen.

Er errötete und schnappte eine Weile nach Luft, letztendlich fiel ihm keine andere Antwort ein als „Jahaa.“, was sein Gegenüber wenig beeindruckte und es einfach grinsend an ihm vorbei das Haus betrat. Frechheit!
 

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„Ob alles in Ordnung ist?!“, Tagami zerbrach auf die simple Frage ihrer Schwester hin eine Vase.

Sie war eh wertlos gewesen, ein hässliches Überbleibsel von Omola, das konnte sie ruhig kaputt machen.

Chatgaia hob überrascht eine Braue. Sie hatte die Jüngere wohl zu lang sich selbst überlassen...

„Es ist nicht alles in Ordnung!“, begann diese da, „Ich könnte unsere Eltern verfluchen, wenn es nicht verboten wäre, dieser Mann ist das Letzte!“

Ihre Schwester verkniff es sich, sie darauf hinzuweisen, dass sie sie ausreichend gewarnt hatte und lauschte weiter.

„Ich habe ihn einst geliebt, aber er ist einfach nur ein Trottel!“

Die junge Frau setzte sich verzweifelt ihrem Gast gegenüber und fuhr sich durch ihr Gesicht. Sie sah schlimm aus...

„Seit über 1000 Jahren gibt es das ehrenwerte Dorf Morika, mein Idiot von Ehemann hat es geschafft, es innerhalb weniger Jahre in den Ruin zu treiben! Wir haben kein Geld mehr! Unser Garten hat kaum Ertrag, es ist nahezu unmöglich in der schlechten Erde im Ort etwas anzubauen! Wir haben nichts mehr und der Hälfte unserer Bürger geht es genau so! Der Rest hat das Geld und die Macht, auf Alhata hört doch keiner mehr, den armen Schlucker!“

Die Ältere seufzte besorgt.

Ja, auch das hatte sie geahnt. Aber eine Zeit lang nicht daran geglaubt, es nahm sie schon ziemlich mit...

Hoffentlich bekam dieser Idiot sein Kaff wieder in den Griff. Wenn in Morika die Lage angespannt war, übertrug sich das gern auch auf den Nachbarort und das konnte dessen Oberhaupt sicher nicht gebrauchen. Wobei man vor ihr als Frau mehr Respekt hatte als vor Alhata als Mann, wie jämmerlich.

Das ihrer Schwester auf die Nase zu binden brachte es jedoch auch nicht unbedingt, der ging es schlecht genug.

„Du hast adliges Blut, Tagami.“, begann sie so stattdessen, „Du musst nicht für deinen unfähigen Mann in dreckiger Erde wühlen. Dafür bist du viel zu wertvoll.“
 

Imera hinter der Tür wunderte sich. Wertvoll? Wie konnte seine Mutter von Wert sein, sie war doch nur ein Weib! Und dann noch nicht einmal ein menschliches, sie war zerbrechlich und das war nie gut... er würde sich hüten, sich auf Frauen wie Tagami oder ihre Schwester einzulassen, am Ende würden die ihm noch ein Kind wie Mayora gebären. Hatte ihm sein Vater gesagt, der wusste das.
 

„Zu wertvoll sagst du!“, machte die jüngere Frau da und riss somit wieder die volle Aufmerksamkeit auf sich, „Natürlich bin ich dafür zu wertvoll und ich selbst würde lieber verhungern, als Alhata diesen Gefallen zu tun, aber ich habe drei Kinder, für die ich sorgen muss!“

Da war etwas Wahres dran. Chatgaia senkte den Blick minimal.

Sie hatte vergessen, wie es war, für ein Kind da sein zu müssen...

Aber ihr kam eine Idee.

„Ich komme morgen wieder und bringe dir etwas zu Essen, ja? Wir haben genügend!“

Thilia ging es gut, sie würde ihrer kleinen Schwester gern aushelfen. Durfte nur niemand erfahren, es war nicht gern gesehen, Dinge vom einen Dorf in das Andere zu bringen. Lag an den verschieden Systemen, das brachte normalerweise bloß Durcheinander...
 

„Was machst du da, Imerachen?“

Der Junge hinter der Tür zuckte erschrocken zusammen, als sein kleiner Bruder plötzlich bei ihm stand und ihn doof anlächelte. Auf seine nicht gerade leise Frage hin wurden auch die Frauen in der Küche aufmerksam und Mayora blinzelte überrascht.

„Oh... Tataya!“

Aus welchen mysteriösen Gründen auch immer nannte der kleine Junge seine Tante seit jeher so und diese musste beim Anblick der Kinder lächeln.

„Na, habt ihr gelauscht?“

Klar, dummes Weib. Der ältere Zwilling verschränkte entnervt die Arme vor der Brust, während der Jüngere zu ihrem Gast eilte und ihn erfreut umarmte. Von so viel Dummheit umgeben zu sein tat weh. Das würde er Papa sagen...

„Was machst du hier, Tataya?“, erkundigte sich Mayora derweil, als sich sein Bruder abwandte und weg ging. Die Frau hob ihn sich auf den Schoß und Tagami wandte seufzend den Blick ab.

„Ich hab mich ein wenig um deine Mami gesorgt, Süßer.“, war die Antwort und der Kleine legte verständnislos sein Köpfchen schief.

Warum gesorgt?

Die Jüngere warf ihrer Schwester einen unmissverständlichen und von ihrem Sohn unbemerkten Blick zu. Nein, sie würde nicht zu viel sagen...

„Würdest du dich nicht um Imera und Rahlina sorgen, wenn du sie eine Weile nicht sehen würdest?“, stellte sie einfach eine Gegenfrage und der Junge machte große Augen.

„Natürlich, ich hab sie ganz viel lieb!“
 

Zeitgleich berichtete Tagamis älterer Sohn seinem Vater, was er mitgehört hatte.

Ausnahmsweise stand er selbst im Garten und kämpfte mit dem Boden... und als er hörte, was Imera ihm sagte, tat er dem Dreck weh. Zumindest, wenn Dreck hätte Schmerzen fühlen können, hätte es ihm weh getan.

„Deiner Mutter reichen Morikas Gaben nicht?!“, fragte er den Jungen empört, während er den Garten tot hackte, „Die spinnt wohl! Geh zu ihr und sag ihr, ich hätte mir was überlegt, von dem die Familie profitiert, vermeide, dass sie Essen aus Thilia annimmt, das wäre eine Schande!“

Der Kleine schaute blöd.

„Und was, Vati, hää?“

Er durfte es wagen, das Handeln seines Vaters in Frage zu stellen, er war der erst geborene Sohn.

So hielt der Mann auch inne und fuhr sich seufzend über das verschwitzte Gesicht.

„Etwas, wofür ich deine Hilfe brauche, Imera. Dann kannst du mir gleich beweisen, was für ein Mann du bist. Da unterhalten wir uns später in Ruhe drüber. Aber jetzt mach!“

Das Kind gehorchte und rannte unverzüglich zurück ins Haus.

Er war ziemlich gespannt, was er denn nützliches tuhen konnte. Hoffentlich war es nicht zu anstrengend...
 

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Er hatte seine Mutter abhalten können. Sie war nicht begeistert gewesen, genau so wenig wie Tataya, wie er sie aus Spaß an der Freude auch manchmal nannte, aber sie hatte gehorcht. Vermutlich, weil es wirklich eine Schande für alle gewesen wäre, Nahrung anzunehmen. Aber Tagami hatte geschworen, es doch zu tun, wenn es sein musste. Sie war nicht weniger störrig als ihre Schwester, sie hatte sich bloß besser unter Kontrolle und das wusste ihr Mann auch.

Aber wie es auch war, Imera fragte sich abends vor dem Einschlafen, was sein Vater wohl von ihm wollte. Er hatte noch nicht mit ihm gesprochen...

„Woran denkst du, Imerachen?“

Er schielte zu seinem kleinen Bruder, mit dem er sich gezwungener Maßen ein Bett teilen musste. Eigentlich hätten die Beiden schon vor Ewigkeiten eigene Zimmer bekommen sollen, aber das schien im Moment unmöglich. Zumindest logisch gesehen, vielleicht ließ sich ja doch etwas machen, wenn man lange genug nervte. Es war nämlich ätzend, mit Mayora zusammen zu schlafen, entweder wollte er ständig kuscheln oder er klaute die Decke.

Diese Missgeburt.

„Geht dich gar nichts an, du Blödmann, das ist nur für Menschen, jaahaa.“

Sein Vater hatte ihm beigebracht, dass Menschen wichtiger waren als Himmelsblüter. Sie waren stärker, schlauer und robuster, allein deshalb war er schon viel mehr Wert als sein zurückgebliebener Bruder.

Manchmal fragte Imera sich, ob der Jüngere sich nicht unheimlich doof vorkommen musste, wenn sie mal im Ort auf Gleichaltrige trafen. Er selbst war ja schon recht zierlich, aber Mayora war so zurückgeblieben, der sah aus, als sei er erst drei Jahre alt! Seine Mutter hatte ihm mal etwas erklären wollen, warum das so war, aber irgendwie interessierte ihn der Grund nicht wirklich. Er fand es nämlich eigentlich sogar ganz gut so, so war er immer der Stärkere.

Was den Kleinen trotzdem nicht vom Schmusen abhalten konnte. Außerdem durften sie sowieso nicht oft ins Dorf...

„Lass mich los, du dummes Stück, eeey!“

Der Brünette verdrehte die Augen. Diese ignorante Klette...

„Ist es schön, wenn man ein Mensch ist?“

Imera verzog entnervt das Gesicht. Solche dämlichen Fragen waren schwer zu beantworten. Und sowas fragte der ihn abends...

„Das ist viel schöner, als wenn man so eine Missgeburt ist wie du, natürlich, jaahaa. Ich bin ja deshalb auch viel toller als du, jaaha.“

Er hoffte, dass das genügte, aber sein Zwilling tat ihm den Gefallen nicht.

„Und warum bist du toller?“, er legte sein Köpfchen schutzsuchend auf die Brust seines Bruders, „Ich will doch auch toll sein, damit du mich auch magst.“

Darauf fiel ihm nichts ein. Was hatte sein Vater gesagt? Der hatte vergessen zu erwähnen, warum...

aber dazu musste man doch nichts sagen, es war doch ohnehin klar. Nur ein Idiot wie Mayora fragte danach, weil er es nicht verstand.

„Ich bin halt toller, weil das so ist. Du kannst gar nicht so toll werden wie ich, jaahaa.“

Der Kleinere seufzte kaum hörbar.

„Du hast Recht.“, machte er dann, „Du bist der Beste...“

Kurz darauf schliefen sie ein.
 

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In der selben Nacht wurde Imera von seinem Vater geweckt. Lautlos schüttelte er ihn leicht an der Schulter und half ihm beim Aufstehen, denn sein jüngerer Bruder hing noch immer halb auf ihm und der durfte nicht geweckt werden, unter keinen Umständen. Das hier war geheim und der braunhaarige Junge kam sich ziemlich toll vor, dass er in sowas hinein gezogen wurde. Er war ja so wie so der Tollste.

Sie setzten sich in der dunklen Küche an den Tisch und der Junge gähnte zunächst einmal ausgiebig, ehe er sein Gegenüber zu Wort kommen ließ. Er war schließlich noch klein und mitten in der Nacht aus dem Bett geholt werden tat ihm nicht sonderlich gut. Aber Alhata kannte sich ohnehin nicht so mit Kindern aus...

„So, hör gut zu, ich werde dir einiges erklären müssen.“, begann dieser da ernst, „Du weißt ja, wir haben nicht mehr genügend zu essen, nicht?“

Der Kleine nickte.

„Denkst du, unseren Nachbarn geht es auch so?“

Es war besser, erst einmal neutral anzufangen, was das Kind jedoch verwunderte.

Den Nachbarn? Über seine Nachbarn dachte Imera selten nach, er wusste bloß, dass es ein dürrer Mann und eine fette Frau waren. Unsympathisch und immer mit einem nicht ganz netten Kommentar über Himmelsblüter auf den Lippen.

„Ich weiß nicht, Papi...“, gestand er, „Warum nicht, hä?“

Das Dorfoberhaupt fuhr sich durch die kurzen braunen Haare und seufzte. Also etwas nachhelfen...

„Denk mal nach, wie viele Personen wohnen neben uns und wie groß ist unsere Familie?“

Der Junge strahlte. Das war eine leichte Zählaufgabe!

„Unsere Nachbarn sind zu zweit und wir zu fünft, jaaha!“

Er war wirklich toll, dachte er sich, als er glücklich anfing, die Beine unter dem Tisch baumeln zu lassen. Sein Vater nickte nur.

„Richtig. Es geht weiter, nehmen wir an, wir und sie bekommen jeweils ein Kaliri-Brot, was meinst du, wer hat länger daran?“

Wollte sein Papa ihn veräppeln? Das war doch Kinderkram, so klein war er dann auch nicht mehr!

„Unsere Nachbarn natürlich, die sind ja nur zwei, jahaa!“

Alhata nickte abermals und bedachte seinen Sohn mit einem seltsamen Blick, den dieser jedoch kaum wahrnahm; sein Gesicht war bloß schwach vom Mondlicht erhellt. Wie machte man in diesem Fall einem kleinen Jungen seine wichtige wie auch schreckliche Aufgabe klar...?

Na wenigstens zog er mit...

„Dir ist also klar, dass unser Hunger nicht an der Menge des Essens liegt, sondern bloß an der Anzahl der Esser?“

Das Kind nickte.

Davon sprachen sie ja die ganze Zeit, er war doch nicht doof...

Alhata seinerseits begann etwas unruhig an seinem Ärmel herum zu zupfen. Er musste auf den Punkt kommen.

Himmel, wie jämmerlich war er denn, dass ihm nichts besseres einfiel als das?

„Morika geht es schlecht, mein Sohn, es ist arm geworden. Das Essen wird nicht mehr, die Familie muss stattdessen kleiner werden und dafür zu sorgen ist deine Aufgabe, Imera.“, er beugte sich etwas nach vorne und über den Tisch zu dem nun verwunderten Kind, „Ich kann nicht dafür sorgen, weil man mich bestrafen würde.“
 

Imera war verwirrt. Jetzt kam er sich heimlich doch doof vor. Oder täuschte er sich nicht und sein Vater redete wirklich sinnloses Zeug...? Wie sollte er denn die Familie kleiner machen?!

„Mir ist klar, dass dich das verwirrt, Imera, ich will es dir erklären...“

Der Mann fuhr sich abermals durchs Haar. Schwierig.

„Dass deine Mutter und ich dazu gehören, ist klar, wir sind Mann und Frau. Du auch, du wirst das nächste Dorfoberhaupt und bist deshalb extrem wichtig. Rahlina ist nicht wichtig, aber vielleicht bekommen wir Geld, wenn wir sie mit irgendeinem Schwachkopf verloben. Bei Mayora ist das nicht so leicht, auf ihn können wir verzichten.“

Der Junge nickte, obwohl er bloß die Hälfte wirklich verstanden hatte. Er war doch noch klein...

Aber es ging um seinen Zwilling, das wusste er.

„Als deine Mutter zum zweiten Mal schwanger wurde, erwarteten wir nur dich, wir haben deinen Bruder nie gewollt. Sei ehrlich, er nimmt nur Platz weg! Im Bett zum Beispiel, du bist ja wirklich zu bemitleiden...“

Das war wahr, dieser Platz-Dieb! ... aber er verstand trotzdem nicht, was sein Vater jetzt genau von ihm wollte.

„Und was mach ich jetzt, hää?“, erkundigte er sich so und Alhata schenkte ihm einen seltsamen Blick.

„Irgendetwas.“

Auf die komische Antwort hin veränderte sich auch das Antlitz des Mannes ein wenig und der Junge legte den Kopf schief.

„Was?“

„Tu irgendetwas, stupse ihn in den See, schmeiße ihn irgendwo herunter oder schlag so lange mit dem Stock auf ihn ein, bis er sich nicht mehr regt, Hauptsache ist, wir werden ihn so schnell wie nur irgendwie möglich los! Es ist einfach nur ein Unfall dann, ja? Wie bei Taranii damals!“

Taranii war ein böser Name. Das Kind riss die Augen benommen auf. Mit Mayora sollte das Selbe passieren wie mit seinem Cousin?!

„Nein Vater, das kann ich nicht!“

„Du musst!“

Das Dorfoberhaupt baute sich bedrohlich vor dem Brünetten auf.

„Willst du, dass wir alle verhungern müssen, weil dieses nutzlose Balk uns alles weg isst? Möchtest du schlimme Rückenschmerzen haben, wenn du so alt bist wie ich, weil du ständig unbequem im Bett gelegen hast?! Sieh es ein, es ist die einzige Möglichkeit!“

Der Kleine erzitterte. Aber das mit Taranii war so schrecklich und tat ihm im Herzen so weh, wenn er das nochmal tun würde, würde es ja doppelt so weh tun!

„Es bleibt unter uns, niemand wird es erfahren, bloß mich machst du sehr stolz damit, Imera, bitte...“
 

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In den nächsten Tagen konnte es der Junge nicht vermeiden, sich seltsam zu benehmen.

Er musste seinen Vater doch stolz machen, aber wie sollte er Mayora denn bitte los werden? Wie Taranii, hatte er gesagt... ihn von den Klippen stupsen?

Sie fürchteten sich beide vor diesem Ort, da wollte er nicht hin. Und hauen tat er seinen Bruder ohnehin total oft, davon war er noch nie gestorben.

Und... und, wie stellte sein Vater sich das vor? Er wollte das nicht, außerdem ging er doch bald zur Schule und hatte ohnehin keine Zeit mehr dafür, jaaha!

Sein kleiner Zwilling würde, wie es für Kinder mit Himmelsblut üblich war, erst mit 8 eingeschult werden, so wurden sie zum ersten Mal in ihrem Leben getrennt.

Imera war das ganz recht, weil ihn der Kleine ohnehin nervte, aber die Vorstellung, dass er plötzlich ganz weg war, auch noch wegen ihm, war befremdlich. So verdrängte er die Bitte seines Vaters zunächst einmal und lebte einfach weiter.
 

Tagami wurde natürlich unruhig. Alhata hatte versprochen, dass sich etwas ändern würde, durch Imeras nichts-tuhen trat das natürlich nicht ein.

Am Morgen der Einschulung des ältesten Sohnes eskalierte es dann.

„Es ist doch furchtbar!“, schrie die Frau ihren Gatten an, als der mehr oder minder zurecht gemacht in der Küche erschien, „Ich kann unserem Sohn kein Pausenbrot machen!“

„Dann isst er halt kein Pausenbrot, er ist dick genug.“, antwortete der Mann bloß unbekümmert und goss sich ein Glas Wasser ein. Allein für diesen Satz hätte die Magierin ihn schon ohrfeigen können, Imera bestand, wie der Rest der Familie auch, nur noch aus Haut und Knochen!

Nein, langsam reichte es.

„Wir werden sterben, Alhata, wir regieren dieses Dorf und Zerfallen mit ihm!“, schrie sie, „Ich habe keine Kraft mehr! Warum darf ich nichts von Chatgaia annehmen? Bist du neidisch, weil sie Thilia regieren kann und du hoffnungslos überforderte bist?!“

Er schlug ihr ohne Vorwarnung ins Gesicht.

„Wage es nicht, mich in Frage zu stellen, Weib! Du tust, was ich dir sage, du hörst auf mich! Ich weiß, was wann zu tun ist und damit hat sich das!“

Er wusste es nicht und es versetzte ihm einen unangenehmen Stich, dass sie ihn genau durchschaut hatte.

Sie fasste nach ihrer Wange.

„Du bist so abscheulich, weißt du das?“, fragte sie leise und er grinste sie eisig an.

„Und du bist eine kleine Missgeburt und ein Flittchen, außerdem...“, er unterbrach sich und drehte den Kopf noch immer grinsend in Richtung Tür, „Guten Morgen, Imera.“
 

Der Junge stand da etwas bedeppert und hatte seinen Eltern beim Streiten zugesehen. Er hatte ohnehin ein Talent dafür, immer im falschen Moment am falschen Ort zu sein...

Tagami strich sich errötend eine Strähne aus dem Gesicht.

„Guten Morgen, Kleiner...“, begrüßte sie ihn darauf ebenfalls verhalten und lächelte aufgesetzt, „Ich werde dir leider nichts zu Essen mitgeben können, sei nicht böse, ja?“

Er nickte.

Er hatte ja gehört, was das Paar da 'besprochen' hatte, er wusste Bescheid.

Sie stritten sich, weil sie nichts zu essen hatten. Mutter und Vater waren deswegen böse aufeinander. Er war wichtig und hatte kein Pausenbrot. Das war wirklich schlimm...
 

Das war der Moment, in dem sich der kleine Junge dazu entschloss, der Bitte seines Vaters doch irgendwie nachzukommen.

Mayora war unwichtig und aß ihm alles weg, die Sau. Er war doof und hässlich und konnte nichts, er war völlig überflüssig, niemand brauchte jemanden wie ihn als Bruder. Und Imera erst recht nicht, er war toll für zwei Personen. Oder drei. Oder noch mehr, egal.
 

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Schule war im Übrigen doof, wie er feststellen musste. Mathematik war zu einfach und Sprache zu schwer, wobei alle anderen Kinder seltsamer Weise fanden, dass es genau umgekehrt war. Nein, nicht nur das, sie lachten ihn sogar aus, weil er der einzige war, der seinen Namen noch nicht schreiben konnte und das machte ihn sehr wütend. Am liebsten hätte er alle verhauen, aber er war ärgerlicher Weise der Kleinste und Schwächste und konnte sich das nicht erlauben. Übrigens war das auch Mayoras Schuld, sein Vater hatte ihm erklärt, dass er ihm in Mamas Bauch den Platz zum Wachsen weg genommen hatte, Frechheit...

Und so kam ihm, als er etwa eine Woche nach seiner Einschulung nach Hause ging, mit einer riesigen Wut im Bauch die Idee seines Lebens, wie er fand.

Vater wollte, dass er seinen Bruder aus Versehen kaputt machte. Und er war sehr böse und musste sich dringend abreagieren... vielleicht klappte das ja.

Der kleine Grünhaarige kam ihm so wie so jeden Mittag nach der Schule entgegen gerannt, um ihn zu begrüßen und zu knuddeln, was dem Älteren nebenbei bemerkt ziemlich peinlich war, aber da war der Jüngere stur.

Bloß heute war es nicht so.

'Vielleicht hat er wieder Fieber.', überlegte sich der große Bruder grimmig, als er die letzten Meter bis zu seinem Haus ging. Das war durchaus plausibel, Mayora war sehr oft krank. Er war noch schwächlicher als der Brünette, vielleicht starb er ja mit etwas Glück von selbst oder so...
 

Nein, er war gesund. Er war gesund und unterhielt sich mit der fetten Nachbarin, dabei hatte er glatt vergessen, seinem Zwilling entgegen zu rennen. Die Dame schien ihn zu belehren.

„... und wegen deiner giftigen Bakterien, halten du und deine Schwester sich von unserem Grundstück so weit wie möglich fern, ja? Sag das deiner Mutter auch! Und was hab ich dir noch gesagt?“

Der kleine Junge lächelte.

„Wir sehen so hässlich aus, deshalb sollten wir lieber im Haus bleiben, richtig?“

Sie nickte, da bemerkte sie Imera, der stirnrunzelnd ein paar Meter entfernt stand. Also so hässlich waren sie jetzt auch wieder nicht...

„Da ist ja der andere Schisser.“, grüßte sie ihn liebevoll und Mayora, der ihn nun auch sah, strahlte.

„Mein lieber großer Bruder!“

Er konnte sich beherrschen und hob sich das Kuscheln für später auf, als sich der Ältere verwirrt neben ihn stellte und zu der fetten Nachbarin aufsah.

„Stimmt etwas nicht, hää?“, fragte er höflich und die Frau lachte.

„Oh nein, alles in Ordnung! Du weißt nicht zufällig, was dein Vater so mit unseren Steuern anstellt?“

Die Zwillinge warfen sich verwirrte Blicke zu. Steuern? Sie waren noch klein, was wussten sie von Steuern...?

„Ich weiß es nicht, nein.“, gab der Braunhaarige so zu und das Gesicht der Dame verfinsterte sich bedrohlich.

„Niemand weiß hier etwas!“, schimpfte sie, „Wir haben kein Geld und das wenige, das wir haben, geben wir euch, was macht ihr damit?!“

Die Kinder hatten keine Antwort.
 

--
 

„Was machen wir hier, großer Bruder?“

Nachdem sie dürftig zu Mittag gegessen hatten und ihre Mutter ebenfalls keine Antwort auf die Frage der Nachbarin gewusst hatte, waren die Kinder nach draußen zum Spielen gegangen. Zumindest hatten sie das Tagami erzählt, Imera hatte etwas anderes vor, auch wenn er sich irgendwo etwas komisch fühlte, als er mit einem kleinen Holzstöckchen in der Hand herum wedelte.

Sie befanden sich etwas außerhalb des Ortes auf einer Wiese in Richtung Thilia. Eigentlich durften sie nicht hier hin, aber keiner hatte es mitbekommen...

„Ich will dich bestrafen, jahaa.“, begann er da und der Kleinere blinzelte geschockt.

„Bestrafen?“, machte er, „Hab ich dich verärgert? Oh bitte verzeih, Imerachen!“

Er warf sich unterwürfig auf die Knie und der Ältere musste grinsen, ohne ganz zu verstehen, warum. Er kam sich so stark vor, in der Schule war er immer so schwach, das war jetzt richtig angenehm.

Er schlug mit dem Stock nach seinem Bruder und traf ihn an der Schulter, worauf er zusammen zuckte und den Kopf so weit wie möglich senkte.

„Was habe ich getan, großer Bruder?“, fragte er mit bebender Stimme und der Angesprochene freute sich diebisch über seine Reaktion. Sein Vater konnte wirklich stolz auf ihn sein!

„Du nimmst mir Platz und Essen weg, du Missgeburt, jaahaa!“

Er schlug abermals nach ihm und traf ihn am Hals. Ob er davon wohl schon kaputt ging, fragte sich Imera naiv und machte einfach weiter, weil es irgendwie spaßig war.

Er dachte an die dummen Kinder in der Schule und die blöde Nachbarin und seine unsympathische Tante und wurde immer wütender und ungehaltener, bis er irgendwann müde wurde und sich nach einem letzten heftigen Schlag keuchend, aber zufrieden ins Gras fallen ließ.

Mayora hatte während der ganzen Tortur weder aufgesehen, noch ein Laut von sich gegeben. Er hatte es einfach hingenommen, auch wenn er nicht verstand, was in seinen großen Bruder gefahren war. Aber Imerachen war schlau, er wusste, was Recht und Unrecht war.

Er schielte zu ihm, wie er jetzt erschöpft und zufrieden vor ihm auf dem Boden lag und glücklich in den Himmel starrte.

„Hast du mich noch lieb...?“

Der Älter lachte gut gelaunt.

„Öh... keine Ahnung, aber mir geht’s jetzt besser, jahaa!“

Scheinbar hatte es seinen Zwilling nicht tot gemacht, wie schade. Oder auch nicht, so konnte er ihm länger weh tun, wenn er es bei anderen nicht tun konnte. Verdammt, warum musste er auch so klein und schwach sein...?

Er schnaubte, als er merkte, wie Mayora vorsichtig auf ihn zu krabbelte und sich dann neben ihn legte, um ebenfalls in den Himmel zu sehen. Er hatte rote Striemen an Hals und Nacken.

„Das ist schön...“, entgegnete er auf die vorherige Aussage seines Bruders und lächelte leicht.

Er war nie böse, irgendwie hatte sich Imera das auch schon im Voraus gedacht. Manchmal hatte er ihn auch so gehauen, ohne ihn kaputt machen zu wollen, da hatte er sich auch nie beschwert.

Irgendwie lustig, einen so doofen Zwilling zu haben...
 

Am Abend führte der kleine Braunhaarige wieder ein Gespräch mit seinem Vater.

„Ich habe schon befürchtet, du wärst kein richtiger Mann...“, machte er, während er seinem Kind in der dunklen Küche etwas Kaliri-Saft eingoss. Zur Belohnung, weil es artig gewesen war...

„Aber ich habe mich getäuscht, du bist wahrhaft würdig, mein Nachfolger zu werden. Was du machst, würde nicht jeder für seine Familie tun, aber du weißt, was richtig ist!“

Nein, das wusste er nicht. Es tat bloß gut, seine Wut heraus lassen zu können. Aber wenn Papa sich daran erfreute, umso besser.

Er nahm den Becher gut gelaunt entgegen und trank ihn in einem Schluck aus.

„Aber Papi?“, er blinzelte den Mann verwirrt an, „Ich hab ganz doll zugehauen, aber er ist nicht tot gegangen, jaaha.“

Alhata lachte leise und setzte sich zu seinem Sohn, um ihm den Kopf zu tätscheln. Er tat in seiner Naivität tatsächlich, was er von ihm verlangte, da konnte er ja froh sein, einen so dummen Jungen gezeugt zu haben.

„Das ist ganz normal, von dem heute stirbt niemand.“, erklärte er ihm, „Versuch es weiter, du bekommst das sicher hin.“

Wenn die Kinder in seiner Klasse weiter so gemein zu ihm waren, bestimmt.

Er seufzte deprimiert.

„Niemand in der Schule mag mich, jahaa...“, gestand er leise und sein Gegenüber hob eine Braue, als der kleine Junge zu schluchzen begann.

Da konnte es noch so lustig sein, seinen gefühlskalten Bruder halbtot zu prügeln, es schmerzte ihn selbst tief in der Seele, nicht gemocht zu werden.

Und bloß, weil er es immer noch nicht schaffte, seinen Namen zu schreiben. Oder weil er besser rechnen konnte als alle anderen, wie auch immer.

Der Vater grinste wissend.

„Das war bei mir zu Beginn auch so.“, gestand er, „Aber da hat mein Papa mir einen guten Rat gegeben, merk ihn dir, er ist nicht schwer...“

Es war das Einzige, das nutzte, so hatte er die Erfahrung machen müssen. Imera schaute ihn aus großen Augen an und nickte.

„Gib an. Du kannst angeben, du bist der Sohn des Dorfoberhauptes! Du siehst gut aus und wenn dich jemand auslacht, weil du in Sprache nicht gut bist, demonstriere ihm deine Rechenkünste. Und zur Not, drohe damit, dass ich seine Eltern häuten lasse, das zieht immer...“

Das machte Sinn.

Der kleine Junge strahlte. Wenn er allen Kindern Angst machte, wollte sie sicher seine Freunde sein!
 

--
 

Nicht ganz, Freunde wurden sie nicht, aber sie gaben sich aus Furcht vor seinem Vater mit ihm ab. Ungern zwar, aber sie taten es. Eigentlich war er nur nervig und dumm.

„Hast du nicht auch noch einen Bruder oder so?“, wollte ein Junge irgendwann von ihm wissen, als sie im Schatten eines verdorrten Kaliri-Baumes hockten.

Mayora und Rahlina durften das Haus nicht zu oft verlassen. Die Dorfbewohner gaben zum Teil nämlich Tagami die Schuld an ihrem Elend, sie war Himmelsblüterin, sie hatte sie sicher verhext, so glaubten sie. Magier waren gruselig.

Und die beiden Kinder waren es so auch. Und was taten die Leute, wenn sie etwas fürchteten?

... nein, es war nicht gut, die Geschwister nach draußen zu lassen.

So kannten Imeras Klassenkameraden seine Schwester bloß flüchtig aus der Schule und seinen Bruder größtenteils überhaupt nicht.

„Ihr habt nichts verpasst, wenn ihr Mayora nicht kennt, jaahaa.“

Der Brünette grinste. Irgendwie konnte er ihn so oft hauen, wie er wollte, der ging nicht tot. Sein Vater war auch schon ganz genervt, er verstand gar nicht, was er falsch machte...

„Ich will ihn aber mal kennen lernen!“, erwiderte ein Mädchen da trotzig und piekte ihn, worauf er sie böse anschielte.

Dann lächelte er aber doch.

Was sollte es schon, wenn er in letzter Zeit schon so gemein zu seinem Zwilling war, konnte er ihm doch wenigstens einmal den unausgesprochenen Wunsch, andere Kinder zu treffen, erfüllen, Das wurde sicher spaßig. Die Anderen hatten ja nach ihm gefragt, niemand sollte schimpfen, genau.

War nicht seine Idee gewesen.
 

Am nächsten Tag nahm er ihn mit und bereute es schon nachdem sie ihre Straße verlassen hatten.

„Wenn ich das Haus verlassen habe, bin ich nie diesen Weg gegangen.“, machte der Grünhaarige aufgeregt und schaute sich neugierig um. Nein, sie hatten meist bloß in der Straße oder in der etwas verlassenen Gegend zwischen Thilia und Morika gespielt, das konnte er wohl wirklich nicht kennen. Der Kleine strahlte.

„Ich freue mich sehr auf deine Freunde, großer Bruder, es erleichtert mich, dass sie dich jetzt doch mögen!“

Wobei er ihm jetzt nicht mehr so weh tun konnte, weil er nicht mehr so wütend war. Irgendwie... tat er ihm überhaupt nicht richtig weh, manchmal versuchte er es, aber nur um seinem Vater einen Gefallen zu tun, er wollte seinem Zwilling irgendwie gar nicht richtig schaden.

Auch wenn er ihm den Platz wegnahm und alles weg aß und doof und nutzlos war... er hatte kein Problem damit.

Er war noch klein, er hatte auch anderes im Kopf um sich um die wirtschaftliche Krise seiner Heimat zu kümmern und er kapierte gar nicht richtig, was denn so schlecht an Mayora war.
 

„Das ist doch gut!“

Choraly klatschte in die Hände und lächelte. Er schien ja doch so etwas wie ein Hirn zu besitzen.

Der Junge schielte sie nur düster von der Seite an.

„Warte erst einmal ab, ich bin ja noch nicht fertig.“

Aber überraschend, wie lang das Stadtmädchen den Mund halten und zuhören konnte, das hatte er ihr nicht zugetraut.

Sie blinzelte verwundert.

„Ach? Ich meine, du hast erkannt, dass es keinen Grund gibt, gemein zu deinem Bruder zu sein und hast dich deinem vollkommen gestörten Vater widersetzt, was denn?“

Im selben Moment noch kam ihr, dass das irgendwo nicht stimmen konnte, sonst würde Mayora ihm ja heute noch hinterher rennen, was er ganz bestimmt nicht tat.

Imera fauchte.

„Mein Vater war nicht gestört, er war ein guter Vater, klar?!“

Verblendet nannten sie ihn auch heute noch und deshalb mied man ihn und lachte ihn aus, hier, in diesem schrecklichen Ort Thilia. Aber die hatten ja keine Ahnung, niemals hatte er einen schlechten Papa gehabt, es gab keinen Grund, wütend auf ihn zu sein oder ihn gar zu hassen!

„Du hast ja eine echt Macke...“, bemerkte die Brünette da wie erwartet auch und ehe er etwas erwidern hätte können öffnete sich die Haustüre und Chatgaia erschien wieder bei ihnen.

Inzwischen war die Sonne untergegangen und es war etwas kühl geworden.

„Er sperrt sich ein.“, berichtete sie ungefragt und die beiden Jüngeren sahen zu ihr auf, „Ihr könnt auch gern herein kommen, ich mache euch Tee, wenn ihr kein Problem damit habt, wenn ich auch mittrinke.“

„Oh doch, ein riesiges, wir halten es in deiner Gegenwart nicht aus.“

Sie erhoben sich und Imera grinste ironisch.

„Erzählst du mir dann noch weiter?“
 


 


 

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Das bisher längste Kappi und ich hasse es O____o Es ist völlig dumm und unlogisch úû Linni hatte davon eine bessere Version gemacht, aber ich durfte sie nicht hochladen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yuufa
2009-08-05T15:08:46+00:00 05.08.2009 17:08
mayora ist süß ^///^ Und Imera eigentlich auch, obwohl ich ihm manchmal so den Hintern versohlt hätte... ûu" und dieser verdammte Drecksvater ey, denn würde ich sogerne töten... schmerzhaft töten, so richtig grauenvoll... ûu"

Der arme Taranii ey... q___q" Hach, es war doch irgendwie klar, dass der Arme stirbt, aber doch nicht wegen seinen Cousins! óò~ *sigh* Chatgaia und Harata haben mir auch total leid getan...~ >_<~

Und es wäre mal interessant zu erfahren, was der Arsch (=Alhata) mit dem Geld gemacht hat... und die arme Tagami ey... aber Chatgaia hat sie gewarnt... ^^'
Von:  SezunaChan
2009-08-05T13:21:36+00:00 05.08.2009 15:21
Ich weis gar nciht, was du hast. Ich find das Kapitel echt gut
Imera ist ja so ein depp und der Vater hat ne schraube locker, obwohl er eigentlich nur gutes wollte.
Na ja. Was soll man bei einem so verwöhnten jungen sagen.
ich frag mich was mit imeras opa und oma passiert ist.
na ja.
imera haut mayora wirklich O.o
so ein idiot. ich hätte auch nie gedacht, dass sie schuld sind, das chatgaias kind tot ist.
viel gelernt über die vergangenheit^^
Von:  Linchan
2009-08-02T13:11:36+00:00 02.08.2009 15:11
omg, einself+eisnelf, das längste kapi ever *___* *Fahne schwenk* yaaay ^o^

hihi, ich maaaag diese ganzen Random-Anspielungen, haha XDD ich weiß, ich bin besessen, aber... whee! >/////<

Das Kapi sind wir ja schon zur genüge durchgegangen, aber dann ist es jetzt vllt gut wenn ich es nochmal durchlese und dir nochmal klar stellen kann dass die Version völlig in Ordnung ist^^

Aaaww, Taraniichen ._____. die Kleinen sind alle soooh süß, und ich liebe Imeras 'k', jaaha (XDD)... und Mayora ist voll süß, obwohl er kaum was sagt am Anfang XDD
Mir ist die Schwester der Freundin meiner Schwester eingefallen, die konnte mit zwei schon sehr gut reden, habe ich gehört, also so viel erwachsener als zwei können die zwei sich echt nicht benehmen o_o Mayora sagt ja kaum was und Imera hat nen Sprachfehler, ist also doch völlig in Ordnung, denke ich o.o

Und LOL, Harata und seine Kamele XDD die sind echt deppig nicht nach den Kindern zu sehen úù sie sind extrem deppig XDD aber hey, wenn sie es gewohnt sind dass Taranii dauernd wegläuft und ihm nie was passiert ist, sie wissen ja nicht dass die da am Rand einer Schlucht spielen o_o ich versuch immer mich in die Leute hineinzuversetzen und betrachte von da aus, ob die Handlung logisch erscheint, und es funktioniert auch hier gerade an sich ganz gut^^ das war ja der einzige Punkt den ich echt verwirrend fand beim ersten Lesen, aber ich hätte vermutlich wenn das mein Sohn wäre nicht erst zugelassen dass er dauernd wegläuft, daher wär ichs auch nicht gewohnt dass er weg ist, also...^^ bei denen ist das anders und dann passt es doch o.o

Es ist ziemlich schön wie die Kleinen anfangen zu streiten, denn genau so SIND Kinder einfach, sie fangen wegen so einem Scheiß wie einer Schaufel an sich zu hauen XD und Taraniichen ist etwas doof sie ihnen nicht zu geben im Moment der Entscheidung úù aber er ist erst vier, der denkt ja nicht so weit, er will seine schaufel behalten und basta XD

._____. *muss gerade eine deprimierte Schweigeminute für Taraniichen halten* ;______; das ist so traurig... ich wein gleich ey .____.

Dein Traum mit den Krokodilen hat alles gerettet, lol XD

So, Timeskip, wohooo^^ Imera und mayora sind SOOO süß XD ich meine, lol XDD Mayorachen ist so aaaww .____. deppig sind sie beiden, aber... aawww! ^/////^
Mich würde mal interessieren, was Alhata, der Depp, mit dem Geld gemacht hat XDD verzockt, hahaha XDD versoffen... oder so... XDD jedenfalls ist es weg, uhh .__. schwere zeiten úù

Ich fand die Szene irgendwie süß wo Rahlina mit Mami im Dreck wühlt XDD ich meine... aaww .____.
„Du wirst immer eine Prinzessin bleiben, auch wenn du im Dreck wühlst, Tochter.“, antwortete sie nur betrübt und senkte den Blick.
aawww q___q

„Wobei Mayora zufällig dumm und hässlich zugleich ist, meine Güte, man merkt wo du herkommst.“
Genau, Alhata, ds ist nämlich DEIN Sohn, hahahaha XDDDD *ihn hau*

Ich mag diese Szene wo sie am Tisch sitzen und Alhata und Tagami sich indirekt gegenseitig fertig machen, wo Alhata Imera Tipps fürs Leben gibt XDD ich meine, das ist einfach unterschwellig super, super böse, da schaudert man einfach total, weil... das ist so abartig was dieser kerl so sagt und denkt und tut x___x Alhata ist ein so richtiges, mieses Arschloch, dieses Kapi kommts noch mehr raus als letztes u.u

„Freut mich sehr, dich zu sehen, Imera.“, grüßte sie den Jungen so lächelnd und küsste ihn auf die Stirn, worauf er angewidert das Gesicht verzog.
Wie konnten dieses eklige Weib es wagen...?
„Was willst du, Tante, hää?“
LOOOL XDD wie süß, Klein-Imera findet Chatgaia eklig... XDDD *hüstel*

er würde sich hüten, sich auf Frauen wie Tagami oder ihre Schwester einzulassen, am Ende würden die ihm noch ein Kind wie Mayora gebären. Hatte ihm sein Vater gesagt, der wusste das.
LOOOOOL XDD *headdesk und blöd lach* omg... Imera kann hellsehen!! >o</) *wedel* XDDDDD

so, omg, und Alhatas super-Plan, wie das Essen mehr wird úù... *schauder* er ist echt grausam und arschig, muss ich dazu nochmal sagen .____. Imera tut mir leid, er ist zwar dämlich und verblendet, aber er ist verdammt nochmal ein Opfer .____.'

Und Imera verhaut ihn úù also Mayora úù *Mayora knuddel* das Kapi ist echt böse .____. und Drama .____. aaww!

Hach ja, und jetzt nimmt er Mayorachen mit zu seinen 'Freunden', herr je óò das geht doch sicher schief .___. *als ob ich nicht wüsste wies weitergeht XD*
So, und jetzt nachdem ich es nochmal gelesen habe, das Kapi IST NICHT scheiße oder unlogisch o__O' *glubsch* und das was ich da gemacht hab war nie im leben besser, nur deppiger o.o ich finde für alles was die machen eine erklärung und dann ist es logisch <33 siehste ^___^


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