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Kinder des Wassers - Specials

von

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Nachts (Szene)

Der Mann schloss leise die Haustüre. Es war tiefe Nacht, aber er war nicht der Einzige gewesen, der sich heimlich draußen herum getrieben hatte. Lautlos seufzend schritt er in die dunkle Küche und nahm das Tuch von seinem kleinen Korb, das dessen Inhalt verdeckt gehalten hatte. Den bescheidenen Inhalt. Ein bisschen verkrüppeltes, halb faules Gemüse und ein widerlich schmeckender kleiner Vogel, der zwar nicht schädlich, aber an sich nicht zum Verzehr geeignet war. Und zwei Eier.

Schnaubend rieb er sich den linken Oberarm, an dem unter seinem Hemd ein großer blauer Fleck prangte. Für diese beiden Eier hatte er wirklich kämpfen müssen, dabei hätte er sich eigentlich denken können, dass die einzigen Leute, die es im Ort noch schafften, ihre Wüstenhühner zu versorgen und so selbst noch genügend Nahrung hatten, ihren Stall nicht unbewacht lassen würden. Jetzt hatte er sich von einem kleinen Bastard, der kaum älter war als seine Zwillinge, einen Stein überziehen lassen müssen... na, die würden sehen, wenn es hart auf hart kam, würde er zu dessen Eltern gehen und sie zwingen, ihm entweder die Hühner oder ihr Kind zu schenken, beides zum Verzehr. Nicht, weil er das so toll fand, sondern einfach, um seinen Stolz gegebenenfalls wieder herstellen zu können. Dabei hatte ihm Menschenfleisch noch nie geschmeckt. Aber seine Mutter hatte es gemocht, sie hatte immer mit seinem Vater geschimpft, dass es eindeutig zu wenig Todesstrafen gab. Der hatte ihr darauf immer ein Huhn geschlachtet, weil er fand, dass es keinen Unterschied zwischen Mensch und Vogel gab, seine Frau hatte das sehr geärgert. In welcher Zeit des Überflusses sie einst gelebt hatten...

Er deckte den Korb wieder zu und stellte ihn auf die Küchenzeile, damit seine Frau irgendetwas daraus machen konnte, wenn der Tag wieder anbrach. Was war er nur für ein Dorfoberhaupt, dass sein eigenes Volk ausrauben musste, damit zumindest ein Teil seiner Familie überleben konnte? Chatgaia Setari lachte sich sicher jedes Mal, wenn sie einen Gedanken an ihn verschwendete, halb tot. Dabei hätte sie doch eigentlich Respekt vor ihm haben sollen... aber sie war nun einmal besser als er. Sie und ihr Mann Harata... wie er diesen Kerl verabscheute!

Fast wäre er wütend geworden – das war er zwar ohnehin meistens, aber in letzter Zeit war es einer gewaltiges Resignation gewichen und brach nur noch dann aus seiner unendlichen Müdigkeit hervor, wenn er seine Familie zurechtweisen musste. Familie... er hatte nie eine gewollt. Für seine Mutter hatte er sich eine angeschafft. Das hatte er ihr heimgezahlt, aber seine Freiheit hatte es ihm nicht zurückgebracht.

Er fuhr aus seinen Gedanken, als er ein Geräusch aus dem Flur vernahm. Verdammt, gab es etwa immer noch Leute, die dachten, er hätte Geld in seiner Matratze? Diese ganzen Einbrüche nervten!
 

Mit der Hand am Griff seines Kurzschwertes, das an seinem Gürtel steckte, trat er aus der Tür und ging ein paar Schritte, bis er irgendwo am Ende des Ganges eine Gestalt am Boden erkannte, die geschockt zu ihm aufsah. Im schwachen Mondlicht waren ihre blutroten Augen unverkennbar... Alhata Timaro entspannte sich wieder, ließ von der Waffe ab.

„Mayora...“, zischte er dann, „Was erlaubst du dir, mitten in der Nacht auf dem Boden herum zu kriechen?“

Sein jüngster Sohn würde der Erste sein, den er von seinem sinkenden Schiff stoßen musste, zum Wohle aller. Bald würde es soweit sein. Der Morgen, an dem er seine unschuldigen Äuglein nicht mehr öffnen würde, war nah. Der Mann trat näher und musterte den kleinen Jungen. Er hatte ihn lange nicht gesehen... irgendwann hatte er ihm gesagt, er durfte seine Kammer nicht mehr verlassen und wenn ihn jemand besucht hatte, dann war es sicher nicht der Vater gewesen.

„Ich... ich habe auf Toilette gemusst...“, antwortete er mit seiner hohen, kindlichen Stimme, „Mir wird immer so schwindelig, wenn ich versuche, zu gehen, darum krieche ich hier herum... gerade bin ich hingefallen...aua...“

Er versuchte es ja immer wieder, aber seine Beine hatten etwas gegen ihn, sie wollten ihm nicht gehorchen, immer wieder gaben seine Knie nach! Gelegentlich ging es noch, meistens, nachdem Mama oder Rahlina ihm etwas zu Essen gebracht hatten, aber in dieser Nacht war es wirklich furchtbar... wie peinlich.

Alhata kam schnaubend auf ihn zu und wollte ihm für seine Jämmerlichkeit an den grünhaarigen Kopf treten, hielt im letzten Moment dann doch noch einmal inne, als er ihn nun genau vor sich sah. Seinen ursprünglich einmal zierlichen Körper, den man schon lange nicht mehr so nennen konnte... er hatte seine kindliche Figur verloren, während er dem Hungertod immer näher kam. Dabei war der Mann mittlerweile wirklich unschöne Anblicke gewöhnt... seine Frau und er blieben schon von einander fern, nicht nur, weil sie nicht in Stimmung waren, sondern weil sie sich ohne Schlafklamotten gegenseitig nicht ansehen wollten. Seinem eigenen Spiegelbild konnte er sich leider kaum entziehen, er musste damit leben, dass sein Körper ihn anwiderte. Doch neben seinem jüngsten Sohn kam er sich plötzlich richtig fett vor.

Dass seine Beine den kleinen Jungen nicht mehr anständig trugen, wunderte ihn nicht, als er die dürren Dinger sah, die kaum breiter waren als ein Spazierstock, seine Arme ignorierte er gekonnt.

Aber das Gesicht eines kleinen Geistes ließ ihn nicht los.

Mayora fragte sich, was er nun tun sollte. Wieder zu Bett gehen? Oder krabbeln... Aber er konnte seinen Vater auch nicht einfach so da stehen lassen. Fragen durfte er sich nicht erlauben... so blieb er einfach, wie er war und wartete auf eine Reaktion.

Sein Gegenüber räusperte sich und bückte sich dann, um ihm unter die erbärmlichen Ärmchen zu fassen und ihn zunächst wieder auf seine zitternden Knie zu ziehen und ihn dann schließlich ganz hoch zu heben. Trotz seiner eigenen schwindenden Kraft hätte er ihn sicher einhändig halten können...

Das ausgemergelte Kind blinzelte verwirrt und konnte seinen Mund nicht länger halten.

„Papa...?“

Er schnaubte nur und zog den Jungen dann zu sich, um ihn in die Küche zu tragen.
 

Innerlich schrie er sich an, beschimpfte sich für seine Dummheit und seine Inkonsequenz, vor allem aber seinen schwachen Charakter. Wenn er ein guter Vater gewesen wäre, dann hätte er dem Kind schon längst einen Stein auf den Kopf geschlagen gehabt, wenn es nachts schlafend in seinem Bett lag, damit es nicht leiden hätte müssen!

Harata hätte das in seiner Situation sicher getan, wenn er damit das Leid des Kleinen vermindern hätte können...

Er schnaubte und setzte den reichlich verwirrten Mayora auf dem Küchentisch ab.

„Bist du hungrig?“, hörte er sich selbst fragen und hatte mit einem Mal das Bedürfnis, sich sein Schwert selbst in die Brust zu rammen. Der kleine Junge konnte gar nicht antworten, rang bloß nach Luft.

Wundervoll. Und selbst wenn sein Tun seinen grausamen Plan nicht zerstört hätte, was wollte er ihm geben? Das Mittagessen von morgen?! Das war unverantwortlich, das ging nicht! Sein Geist handelte wohl gegen seine Vernunft...

Wütend suchte er in den Schränken herum, bis er ein vergammeltes Stück Kaliri-Brot fand. Das würde er entbehren müssen... sein geliebter kleiner Imera würde es ohnehin nicht wollen, morgen bekäme er ein Ei. Mayora hatte keine Ansprüche und vergaß sogar den großen Respekt, den er normalerweise vor seinem Vater hatte, als er es ihm gierig aus der Hand riss und hinunter schlang. Daraufhin strahlte er. Alhatas vernichtenden Blick ignorierte er.

„Vielen, vielen Dank, mein lieber Vati! Ich bin so überglücklich! Ich liebe dich so!“

Wie erwartet wurde darauf nichts erwidert. Der Mann fragte sich bloß immer und immer wieder, wie er es sich hatte erlauben können, Mitleid mit diesem unnützen Kind zu haben.

Dann seufzte er innerlich. Dieses Stück Brot würde ihm auf Dauer auch nicht helfen, es war egal. Es änderte im Prinzip nichts, ein winziger Fehler, der in abertausenden Großen unterging.

Er ergriff den kleinen Jungen einfach wortlos und trug es zurück in seine schäbige kleine Kammer, wo er ihn in seinem britschenähnlichen Bett ablegte.
 

Mayora strahlte seinen Papa an, als der noch einen Augenblick bei ihm stehen blieb. Er wackelte fröhlich und aufgeregt mit seinen kleinen, dürren Füßchen.

„Duhu?“, fragte er übermütig, „Meinst du, wenn ich groß bin, kann ich auch einmal ein so guter Mann sein wie du?“

Einen Moment lang zuckte Morikas Dorfoberhaupt unmerklich zusammen, dann wandte es sich ab und schritt zurück zur Tür.

„Du wirst niemals groß werden, Mayora. Dafür sorge ich.“

Denn es ist besser für dich.
 


 

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Ich glaube, diese Szene ist zum Verständnis einiger Gegebenheiten aus Mayoras Vergangenheit gar nicht so unwichtig. Alhata war nicht einfach nur scheiße... im Prinzip war er nur ein furchtbarer Idiot. Leute, die nur böse sind, mag ich auch nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Linchan
2010-04-26T16:43:38+00:00 26.04.2010 18:43
Alhata <3 ich mag Alhata! Er sagt Antiherz, meint aber Herz! óò

Und er klaut Eier und wurde von einem Kind verhauen xDD haha xD aaww...
manno, irgendwie kann ich hier gerade nicht mehr kopieren aus dem Text... o_O' Firefox verarscht mich o_O

ah, jetzt gehts wieder oô

> na, die würden sehen, wenn es hart auf hart kam, würde er zu dessen Eltern gehen und sie zwingen, ihm entweder die Hühner oder ihr Kind zu schenken, beides zum Verzehr.
xDDDDDDDD oh, die sind evil in Morika. Aber es sind eben echt schlechte Zustände óo

> Der hatte ihr darauf immer ein Huhn geschlachtet, weil er fand, dass es keinen Unterschied zwischen Mensch und Vogel gab, seine Frau hatte das sehr geärgert. In welcher Zeit des Überflusses sie einst gelebt hatten...
XDDDDDDDDD boah ja, Omola! Die evil sau, die Kannibalin alta! xDDD

> Dabei hätte sie doch eigentlich Respekt vor ihm haben sollen... aber sie war nun einmal besser als er. Sie und ihr Mann Harata... wie er diesen Kerl verabscheute!
oh ja, hust xDD wieso er wohl Harata gehasst hat... úu *hüstel* *schmust Alhata* <3?

> „Mayora...“, zischte er dann, „Was erlaubst du dir, mitten in der Nacht auf dem Boden herum zu kriechen?“
Aaaawwww? óò Mayora, der arme Kleine... aber diese Frage ey xD kriechen, Gott der arme Knirps .___.

> Wenn er ein guter Vater gewesen wäre, dann hätte er dem Kind schon längst einen Stein auf den Kopf geschlagen gehabt, wenn es nachts schlafend in seinem Bett lag, damit es nicht leiden hätte müssen!
;_______;! Also ich finde, man sieht hier ziemlich gut, dass er das alles, wenn auch auf eine fragwürdige Weise nur für seine Familie tut und... dass er eigentlich voll der liebeKerl ist óò

Das ist so süß wie er mit Mayora da heimlich herzt .___. ich meine, aawww! Das ist SO niedlich .__.

> „Duhu?“, fragte er übermütig, „Meinst du, wenn ich groß bin, kann ich auch einmal ein so guter Mann sein wie du?“
._____. Gott. Ist das drama, irgendwie unheimlich, obwohls nur so ne simple Frage ist... der Schluss ist richtig... gruselig .__. Mama mag sowas <3 findet toll und beeindrucken und... unheimlich q____q Vor allem der letzte Satz den Alhata sagt, alta .___.

Ich fand diese Szene sehr, sehr toll. Ich mag sie gern, sie hat sowas... dramatisches, trotzdem herziges an sich óò Mama liebt Baby óò
Von:  Harfe
2010-04-26T15:17:19+00:00 26.04.2010 17:17
Mir ist gerade aufgefallen, dass ich da ein Kapitel übersprungen hab... joah, ich hol´s dann halt irgendwann nach. ^^

Ich muss sagen, besonders überzeugt bin ich von Alhatas Gutmütigkeit immer noch nicht, aber es hat ihn mir doch näher gebracht. :)

Mayora ist aber herzig, wie er sich freut, dass sein Papi mal nett zu ihm ist. >////< Und so naiv. > <'

lg Fe ^^
PS.: ERSTE!! oO


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