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Searching for the Fullmoon

Seth - oder Probleme kommen selten allein
von

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Schmerz - Pain and Despair

Kapitel 4

Schmerz – Pain and Despair
 

Der Himmel war von zarten Pastelltönen überzogen. Blau, Violett, Blassgelb und Rosa gingen eine reizvolle Mischung miteinander ein. So schlecht das Wetter in den letzten Tagen auch gewesen war, ein Sonnenuntergang war immer zauberhafter als der vorangegangene ge-wesen. Und wieder war ein Tag herum. Ich war zufrieden, im Laufe des Tages war ich doch noch etwas von meiner Ware losgeworden und das Ein-Pfund-Stück des Mannes krönte das ganze noch.

Ein leises Lied auf den Lippen pfeifend, machte ich mich auf den Weg.

Am Ende hatte ich Joey doch erzählt, was mir in den letzten Tagen passiert war. Die Gestalt, die mir gefolgt war, ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.
 

Wir saßen bei McLeoid und aßen. Da heute Sonntag war, hatten wir Steak-and-Kidney-Pie (die wird aus Rinderhack und -nieren gemacht) bestellt, statt wie sonst üblich unsere Suppe.

Ich fragte mich immer wieder, was dieser Unbekannte von mir wollte. Wollte er mein Geld? Mehr als unwahrscheinlich, ich gehörte nun wirklich zu den letzten Menschen, bei denen sich das Ausrauben lohnte. Also musste er hinter mir her sein. Aber warum? Immer und immer wanderte mein Blick durch den Raum, ruhelos, immer auf der Suche nach einer Antwort, doch ohne Erfolg. Wer von den Leuten, die mit uns bei McLeoid saßen, hätte mir eine Antwort auf meine Fragen geben können? Niemand.

Oder es handelte sich um diesen Serienmörder, von dem in letzter Zeit ständig die Rede war. Dieser Mann, der sich selbst ‚Jack the Ripper’ nannte. Aber wenn ich es mir recht überlegte ... nein, auch unwahrscheinlich. Seine bisherigen Opfer waren alles Prostituierte gewesen, also passte ich gar nicht in dieses Schema. Schon beruhigend.

Außerdem konzentrierten sich die bisherigen Angriffe auf den Stadtteil Whitechapel, von dem ich mich so gut es ging fernhielt. Moment mal, Whitechapel ... Prostituierte ... Ellie! Das passte erschreckend gut zusammen. Wenn dieser Ripper auf diese Art von Frauen aus war, dann war auch sie in Gefahr. Sicher wusste sie von den Geschehnissen, aber war es nicht besser, ich warnte sie?

Und genau in diese Gedanken platzte Joey mit einer seiner Fragen rein.

„He, Erde an Alina, redest du überhaupt noch mit mir?“

Seine Hand legte sich auf meinen Unterarm und drückte ihn leicht. Die plötzliche Berührung ließ mich hochschrecken.

„Was hast du gesagt?“

„Ich hab dich jetzt dreimal angesprochen und keine Antwort von dir gekriegt. Hab ich was verbrochen? Bist du sauer auf mich?“

„Nein. Wie kommst du da drauf? Ich ... hab nur nachgedacht.“

„Verrätst du mir denn auch, was dich so sehr in Beschlag nimmt, dass du überhaupt nichts mehr von deiner Umwelt mitkriegst?“

„Es ist nichts weiter. Wie gesagt.“

Mein Blick glitt zur Seite und zählte die Karos auf der Tischdecke. Ich wollte ihn nicht ansehen. Man sagt, die Augen seien der Spiegel der Seele. Und an meinen sah er immer, wenn ich log. Auf jeden Fall behauptete er das jedes Mal.

Joey schob sich über den Tisch näher zu mir. Ich war mir dieser Nähe voll bewusst, auch wenn sich meine Augen auf diesen einen Punkt auf der Decke fixiert hatten. Er hob langsam die Hand und legte sie an meine Wange.

„Sieh mich mal an, Alina“, bat er leise. Als ich nicht reagierte, suchten seine Finger mein Kinn und drückten es leicht hoch. Nun konnte ich ihm nicht länger ausweichen. Zögernd hob ich den Blick und sah ihm in die Augen.

„Was beschäftigt dich so? Du bist doch sonst nicht dermaßen aufgewühlt. Willst du mir nicht sagen, was mit dir los ist?“

„Wirklich, Joey ...“

„Ich mache mir Sorgen um dich, Kleines.“

*Oh nein, nicht das schon wieder.* Joey hatte seinen unwiderstehlichen Hundeblick aufgesetzt, den er so gut draufhatte. Wenn er einen damit ansah, konnte man ihm nie etwas abschlagen. Ich versuchte, mich abzuwenden, doch seine Hand hielt mein Kinn nach wie vor fest umklammert, verstärkte den Druck sogar noch etwas. Ich saß in der Falle. Entkommen? Unmöglich.

„Also gut, du hast gewonnen.“ Er nahm seine Hand von meinem Kinn. „Es ist so, ich ... ich werde seit ein paar Tagen verfolgt ...“

Nachdem ich einmal angefangen hatte, redete ich minutenlang ohne Luft zu holen. Joey saß mir ruhig gegenüber und hörte mir geduldig zu. Er unterbrach mich nicht ein einziges Mal. Ungewöhnlich für ihn. Sonst bekam man ihn kaum zur Ruhe, aber heute ließ er mir richtig Zeit.

Es fühlte sich besser an, nachdem ich es ihm erzählt hatte. Nun musste ich dieses Wissen nicht mehr allein mit mir rumschleppen. Und wie erwartet – ich kannte ihn einfach zu gut – bot mir Joey auch prompt an, ab sofort meinen Leibwächter zu spielen und mich nach Hause zu begleiten. Nach der zweiten Begegnung mit der Gestalt – ich nahm zumindest an, dass es die gleiche Person war – war ich auch ganz froh darüber.
 

Dann war aber doch alles anders gekommen.

Joey wollte unbedingt noch einen älteren Herrn um seine Börse erleichtern. Dieser hatte es noch rechtzeitig bemerkt und war auf meinen armen Freund mit dem Spazierstock losgegangen, wobei er laut um Hilfe rief. Damit hatte er einige Polizisten alarmiert und Joey war geflohen und nicht zurückgekommen.

Ich machte mir natürlich Sorgen um ihn, aber noch länger konnte ich nicht bleiben, sonst wurde es zu dunkel. Und wenn er keine Zeit hatte, konnte ich getrost noch schnell in meinen Garten.
 

Die Finsternis brach heute mit überraschender Schnelligkeit über der Stadt herein. Wenn ich ausatmete, bildeten sich in der Luft kleine weiße Dunstwölkchen. Ich fröstelte leicht.

Hinter mir gab es einen kurzen Laut auf dem Pflaster. Ich achtete nicht weiter darauf, sondern ging nur etwas schneller. Erneut erklang das Geräusch, mehrmals hintereinander. Schritte. Das waren eindeutig Schritte. Er war also wieder da. Ich fuhr herum. Es war niemand zu sehen. Nur der Nebel strich wie eine Schar verirrter Geister durch die Gasse.

Ich setzte eine entschlossene Miene auf und ging weiter. Oh nein, so schnell würde er mich nicht klein kriegen. *Ich habe keine Angst. Glaubst du, du kannst mir Angst machen, nur weil du mir folgst?*

Und was wollte er schon tun? Ich befand mich mitten in einer bewohnten Gegend. Wenn ich angegriffen wurde, musste ich nur einmal laut schreien und schon würden überall Türen und Fenster aufgehen, die Bewohner würden neugierig die Köpfe herausstrecken, um nach der Ursache des Lärms zu forschen, und schon wäre mein Verfolger vertrieben.

Meine Schritte wurden wieder sicherer, der Hall lauter, wenn die Sohlen das Pflaster berührten. Ich straffte den Rücken und hob den Kopf. Nur nicht klein machen. Das würde ihm nur zeigen, dass ich mich fürchtete.

Ich blieb in der Mitte der Straße, nur nicht zu dicht an den Häusern entlang. Aus einem Wirtshaus in der Nähe drang lautes Lachen auf die Straße. Irgendwo heulte ein Hund. Der Mond stand fast voll am Himmel und beleuchtete mir den Weg, wo das Licht der Kerzen fehlte.

Einige Male blieb ich kurz stehen, um zu horchen. Stille. Sobald ich meinen Weg aber fortsetzte, hörte ich erneut das rhythmische ‚Klack-Klack’ von Schuhen, die nicht meine waren. Ich versuchte mich auf den Klang zu konzentrieren. Waren es die Schritte eines Mannes oder einer Frau? Aber nein, eine Frau hätte sich mir längst gezeigt und sich nicht versteckt. Dazu hätte kein Grund bestanden. Es musste ein Mann sein. Die Sache wurde mir immer unheimlicher.

Mehrmals glaubte ich, jemanden zu sehen und drehte mich um, doch da war niemand. Jedes Mal wurden meine Schritte schneller, bis ich schließlich zu laufen anfing.

Gut, sollte dieser Unbekannte doch denken, dass ich Angst hatte, denn ich hatte sie! Ich wollte nur noch nach Hause, egal wie. Nur so schnell wie möglich. Mein Atem ging schneller, bis er nur noch stoßweise kam. Ich war es nicht so gewohnt, zu laufen, doch stehen bleiben konnte ich jetzt nicht mehr. Und immer noch hörte ich die Schritte hinter mir, auch sie hatten sich beschleunigt. Wie weit war es denn noch bis nach Hause? Mir kam der Weg heute viel länger vor als sonst. War ich denn überhaupt noch richtig?
 

In meiner linken Seite spürte ich ein heftiges Stechen, doch ich durfte nicht stehen bleiben. Ich durfte einfach nicht. Aber ich musste es. Ich bekam kaum noch Luft. Meine Füße wurden langsamer und ich versuchte, tief durchzuatmen.

Dann drang ein Klackern an mein Ohr, das immer lauter und lauter wurde. Es waren Pferdehufe. Die Hufeisen der Tiere verursachten dieses merkwürdige Geräusch, das man schon von weitem hören konnte. Doch das konnte nicht nur eine Kutsche sein, es musste sich mindestens um zwei handeln.

Sekunden später tauchte eine elegante schwarze Kutsche auf, gezogen von zwei braunen Pferden. Ich sprang zur Seite, damit sie mich nicht überfuhr. Die meisten Kutscher waren raue Kerle, die kein Problem darin sahen, jemanden über den Haufen zu fahren, wenn er nicht rechtzeitig aus dem Weg ging.

Sie war kurz vor mir, als die zweite Kutsche angefahren kam, aus der anderen Richtung. Der Kutscher musste es sehr eilig haben, er trieb die Pferde mit der Peitsche und seinen Rufen an. Ich musste noch weiter zurück und stieß gegen eine Hausmauer. Die Peitschenschnur schwang durch die Luft, verfehlte mich knapp. Ich spürte den scharfen Luftzug, als sie an mir vorbeirauschte. Selbst wenn die Fahrt schnell gehen musste, wie konnte er nur so mit den armen Tieren umspringen?

Die Kutschen ratterten an mir vorbei. Die zweite, der ich ausgewichen war, fuhr nur Millimeter an meinem Gesicht vorbei.

*Das war knapp. Jetzt aber schnell weiter*, dachte ich.
 

In dem Augenblick fühlte ich, wie eine Hand nach mir griff und mich fest am Arm packte. Mit einem Ruck wurde ich in eine enge Seitengasse gezogen. Sie war zur Mitte hin abgesenkt, damit sich dort das Regenwasser sammeln und durch ein Gitter in die unterirdischen Kanäle abfließen konnte.

Der Korb mit den Blumen rutschte mir aus der Hand und fiel zu Boden. Ein Teil meiner Ware verteilte sich auf dem Straßenpflaster, wurde beim Aufprall noch einmal kurz hoch geschleudert. Einige Blütenblätter lösten sich und stoben wie Wassertropfen auseinander.

Meine freie Hand fuhr sofort an die Stelle, wo ich den Dolch versteckt hatte, doch meine Finger waren zu fahrig und zittrig und verhedderten sich im Stoff.

Ich wollte um Hilfe schreien, als sich eine Hand auf meinen Mund legte.

„Das würde ich an deiner Stelle schön bleiben lassen“, sagte mein Gegenüber. Sein Gesicht lag im Schatten, ich konnte ihn nicht erkennen. Diese Stimme ... sie ließ mich innerlich erzittern. Kühl und dennoch auf eine ganz eigene Art ... anziehend.

Er presste mich gegen die Mauer des Hauses, seine Hand lag schwer auf meiner Schulter. Endlich gelang es mir, meine Hand aus dem Stoff zu befreien und den Dolch zu greifen. Ich zog ihn langsam hervor, fest umklammert, bereit zuzustoßen.
 

Die Wolke, die sich vor den Mond geschoben hatte, zog weiter, getrieben vom Wind. Das silberne Licht des Mondes enthüllte das Gesicht meines Angreifers. Erst jetzt nahm ich ihn richtig wahr.

So eine Hautfarbe hatte ich noch nie gesehen. Sie schimmerte wie Bronze. Er war eindeutig kein Engländer. Sein Aussehen erinnerte mich eher an den Orient.

Seine Haare standen wild vom Kopf ab. Vorn waren die Strähnen blond, hinten von schwarzer Farbe, die weiter oben in dunkles Rot überging. Er war jung, achtzehn, vielleicht neunzehn. Sein Gesicht glich dem eines Engels, nur seine Augen ... Sie waren von einem wunderschönen rubinroten Ton, doch irgendwie kalt. Gleichzeitig aber strahlten sie ein seltsames Feuer aus, das mich irgendwie erregte. Er war in einen langen schwarzen Umhang gehüllt.

Seine rechte Wange wurde von einer hauchfeinen länglichen Narbe geziert. Er musste es sein. Er musste derjenige sein, der mich die letzten zwei Nächte verfolgt hatte. Und was immer er vorhatte, nun schien er es zu Ende bringen zu wollen.

Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden, auch als ich den Dolch hob. *Es ist mir egal, was du mit mir vorhast, ich lass das nicht mit mir machen. Ich werde mich dir nicht ergeben.*

Auf einmal glitt seine Hand von meinem Mund, packte mein Handgelenk mit hartem Griff und drückte es an die Wand. Ich stöhnte leise vor Schmerz, doch sein Griff wurde nur noch fester.

Der Dolch fiel mir aus der Hand. Meine Augen folgten ihm. Er drehte sich einmal um sich selbst und landete dann klappernd auf der Erde. Mein Dolch, meine einzige Verteidigung! Nun war ich ihm schutzlos ausgeliefert.
 

*Meine Güte, dieses Mädchen macht es einem nicht einfach*, dachte er und betrachtete ihr verstörtes Gesicht. Wie lange war er ihr gefolgt? Er wusste es nicht. Und obwohl er seine Anwesenheit so sorgfältig zu verbergen gesucht hatte, hatte sie es gespürt.

Aber hätte er etwas anderes erwarten sollen? Eigentlich nicht. Nicht von ihr.

Das Versteckspiel hatte ihm Spaß gemacht, auch wenn es auf die Dauer etwas mühsam war. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Bei dem Gedanken lächelte er.
 

Mir traten vor Schmerz Tränen in die Augen. Ich fühlte die Hand schon taub werden, er drückte mir die Blutzufuhr ab.

Ein Lächeln huschte über seine Lippen und da sah ich sie. Seine Eckzähne waren von ungewöhnlicher Länge und glänzten im Mondlicht wie Elfenbein. *Das kann doch gar nicht sein*, dachte ich. *Mama hat mir so oft von ihnen erzählt, aber ich habe sie immer für eine Art Fabelwesen gehalten, nicht für wirklich. Aber das ... stehe ich etwa einem echten Vampir gegenüber?*

Das Lächeln des Vampirs verbreiterte sich zu einem Grinsen. Ich konnte mir denken, was er mit mir vorhatte.

„Warum bist du weggelaufen, meine Schöne?“, fragte er. „Du hast es mir nicht leicht gemacht, dich zu finden.“

„Lass mich los, du Monster“, presste ich zwischen den Lippen hervor.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte mich nicht bewegen und dieser Vampir ... er ängstigte und faszinierte mich gleichermaßen.

„Du musst keine Angst haben“, sagte er. „Ich habe heute schon gegessen. Ich werde dich also nicht töten. Nicht heute Nacht. Du bist so ein hübsches Ding, am liebsten würde ich aus dir eine von uns machen.“

„Niemals!“

Ich versuchte mich zu befreien, doch er drängte mich nur noch dichter an die Mauer heran und verstellte mir mit einem Bein den Fluchtweg. Seine Hand ließ meine los und wanderte langsam meinen Arm hinauf. Selbst durch den Stoff fühlte ich seine Berührungen ganz deutlich.

Er blickte mir tief in die Augen und eine ungewohnte Ruhe überkam mich.

„Bist du dir so sicher, meine Süße?“, flötete er leise.

Ich nickte kaum merklich und starrte ihn ängstlich an.

*Wenn er schon gejagt hat, was will er dann von mir?*, schoss es mir durch den Kopf.

„Tja, das fragst du dich wohl“, sagte er und fügte auf meinen verwirrten Blick hinzu: „Wusstest du das nicht? Vampire können Gedanken lesen. Hör zu, ich werde dich wie gesagt nicht töten, aber so einfach gehen lassen kann ich dich auch nicht, nachdem es mich solche Mühe gekostet hat, dich zu fangen, du kleiner Vogel.“

Seine Hand glitt unter meinen Umhang und meinen Rücken hinauf. Er schob sich noch näher an mich heran. Ich fühlte, wie mein Gesicht rot anlief. Noch nie war ich einem Mann so nahe gekommen, auch Joey nicht. Mittlerweile brannten meine Wangen wie Feuer. Er nahm mein Kinn fest zwischen die Finger, sodass ich mich nicht von ihm abwenden konnte. Aus meinen Augen lösten sich ein paar Tränen, während er immer näher kam. Ich konnte seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren.

Seine Lippen senkten sich zu mir herab und ich schloss in Erwartung des Schmerzes die Augen, öffnete sie jedoch gleich wieder, als ich seine Lippen auf meinen fühlte. Ich sah ihm kurz in die Augen, diese wundervoll rubinroten Augen, ehe er sie schloss. Dieser Kuss war ... ich wusste gar nicht, wie ich ihn beschreiben sollte. In mir wirbelte alles durcheinander. Ich konnte nicht anders, mir entfuhr ein leises Stöhnen, was ihn zu amüsieren schien, denn er lächelte. Nun senkten sich auch meine Lider.

Ich verlor mehr und mehr die Kontrolle über meinen Körper. Mein Arm löste sich von der kalten Mauer und legte sich auf seine Schulter.

Kurz darauf ließ er von mir ab und blickte mich an. In seinen Augen loderte ein wildes Feuer, unheimlich und anziehend zugleich.

Ich legte meine Finger an die Lippen und spürte etwas Feuchtes darauf. Rotes Blut glitzerte auf meinen Fingerkuppen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er mich in die Lippe gebissen hatte. Sein Kuss hatte mich regelrecht benommen gemacht.

„Du schmeckst süß“, bemerkte er. „So süßes Blut wie deines habe ich noch nie gekostet.“

Seine kühle Hand strich über meine brennende Wange und grub sich in meine Haare. Ich wandte den Kopf zur Seite und entblößte so meinen Hals. Etwas tief in mir rebellierte gegen mein Verhalten, doch diese Stimme war so schwach und seine – ja, man konnte sie fast sanft nennen – seine Berührungen jagten mir kleine wohlige Blitzschläge durch den Körper. Der Vampir legte seine eine Hand um meine Taille und zog mich so eng an sich, dass nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte. Wieder bedachte er mich mit so einem merkwürdigen Blick, als wäre er unsicher, was er tun sollte.

Gleich darauf jedoch spürte ich ein kurzes Ziehen, als sich seine Zähne in meinen Hals senkten. Ich schloss die Augen und hörte, wie er saugte, das Blut aus mir herauszog. Er schmatzte leise dabei, schien jeden einzelnen Tropfen zu genießen.

Ich verzog das Gesicht. Einfach widerlich! Aber ... war es das wirklich? Je länger er sich an mir zu schaffen machte, umso mehr geriet ich in eine Art trunkenen Zustand. Ich hörte, wie sich wieder ein leises Stöhnen meinem Mund entrang. Allmählich wusste ich echt nicht mehr, was ich denken sollte. Einerseits fand ich das Verhalten dieses Mannes abstoßend, andererseits ...

Trotzdem ... nein, ich durfte es nicht zulassen, dass er mir so nahe war. Ich wollte ihn von mir stoßen, mich von ihm wegdrücken. Abstand zwischen uns bringen. Aber ich hatte nicht die Kraft, mich von ihm zu befreien. Meine Glieder fühlten sich so schwer an, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Hätte er mich nicht gestützt, wäre ich wahrscheinlich früher oder später hingefallen.

Ich konnte kaum noch klar denken, dichter Nebel verschleierte meinen Geist. Dafür spürte ich ihn umso deutlicher. Seine Hand ruhte auf meiner Hüfte. *Diese Dreistigkeit! Der scheint genau zu wissen, dass ich mich nicht wehren kann.*

Dann ließ der vernebelte Zustand etwas nach. Er zog sich von mir zurück.

Als ich wieder aufblickte, leckte er sich gerade die Lippen ab.

„Wir werden uns bald wieder sehen, Alina“, sagte er.

*Woher kennt er meinen Namen? Wie lange hat er mich denn schon verfolgt? Was weiß er noch alles über mich?*

Ich wollte etwas erwidern, doch ich konnte nicht. Mich überkam ein starkes Schwindelgefühl und mir wurde schwarz vor Augen.
 

Als ich wieder zu mir kam, war ich allein. Der Vampir war spurlos verschwunden. Das Einzige, was darauf hindeutete, dass ich nicht einfach ohnmächtig geworden war und geträumt hatte, waren die zwei kleinen Wunden an meinem Hals, aus denen immer noch ein paar Tropfen Blut sickerten.

Ich richtete mich mühsam auf und drückte ein Taschentuch gegen die Stelle, um die Blutung zu stoppen. Mich an einer Regenrinne hochziehend, stand ich langsam auf. Meine Beine waren noch etwas wacklig, aber ich zwang meinen Körper mit harschen Befehlen wieder unter meine Kontrolle.

Anschließend raffte ich so schnell es ging meine Sachen zusammen und schleppte mich nach Hause.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Atenia
2007-08-01T12:33:58+00:00 01.08.2007 14:33
Oho. So schnell zum Vampier. Tja.
Von: abgemeldet
2007-07-22T16:10:33+00:00 22.07.2007 18:10
Wow...du hast auf jeden fall ein neuen fan:)...ich finde es klasse!Gehe mal weiter lesen:)))
Von: abgemeldet
2007-01-11T12:47:01+00:00 11.01.2007 13:47
Fantastisch...wundervoll...hinreißend...fabelhaft...einzigartig...
fesselnd...spannend...perfekt.
Nicht mal annähernd können diese Worte beschreiben, was ich beim Lesen empfunden habe. Und die Tatsache, dass in deiner FF Vampire mitspielen rundet das ganze noch ab. Es gibt nämlich nichts faszinierenderes als das Thema 'Vampire' und ihre umfassenden Legenden. Es war so packend, wie du beschrieben hast, dass sie gebissen wird. Als wenn man einfach dabei gestanden hätte...Als wenn man es selber gespürt hätte. Mir ist ein richtiger schauer über den Rücken gejagt. Wahnsinn. Ehrlich. Du hast mich jetzt voll und ganz gefangen genommen...^^ So schnell wirst du mich jetzt auf jeden fall nicht mehr los... ;)
Ich freue mich wirklich sehr auf das nächste Kapitel. Und entschuldige noch mal, dass ich erst so spät geschrieben habe. Es würde mich sehr freuen, wenn du mir bescheid gibst, sobald das 5. Kapitel on ist. :)
Und noch mal ein super Lob an dich...Mach weiter so. =)

~Lady Vendetta~


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