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Verschnupft

Gibt es den Weihnachtsmann?
von

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Wer hat den größten .. ?

Schnupfen?

Es blieb außer Zweifel, sie hatte den größten Schnupfen, den die ganze fromme Christenwelt bisher gesehen hatte ... und außerdem schlechte Laune.

So schlechte Laune, dass keine drei Geister weder der Vergangenheit, der Gegenwart noch der Zukunft sie hätten besänftigen können.

Wenn einer dieser berühmten Weihnachtsgeister an ihre Tür klopfen würde, würde sie ...

Und es klopfte.

Evelyn tat so als wäre sie nicht daheim, indem sie rief: "Ich bin nicht daheim!"

Äußerst unkluge Entscheidung.

"Mach schon auf. Ich will ein bisschen Glühwein und eins von deinen Plätzchen." Die Stimme klang weder flehend noch bittend. Ergeben schlug Evelyn die Decke zurück und schlurfte eng in ihren Bademantel gewickelt zur Tür.

Rhoda rauschte an ihr vorbei. "Ich friere mir meine Finger und Zehen ab da draußen. Du hast Glück, dass du im Haus bleiben darfst", verkündete sie, während sie die Einkäufe in der Küche abstellte und Evelyn dachte sich sarkastisch, jup, Kranksein ist echt ein Segen.

"Hier ich hab dir ein paar Flaschen Wein mitgebracht ... Knäckebrot, Zwieback, Kartoffeln, Broccoli – Ach, und diesen herrlichen Schnaps! - Äpfel, ein bisschen gefrorenen Fisch, zwei Salatköpfe und Grieß." Stolz packte sie alles aus und bewunderte die Ansammlung auf Evelyns Arbeitsfläche kurz, ehe sie sich daran machte, alles fortzustellen.

"Yippie", kommentierte Evelyn lustlos. Ihr Hals fühlte sich an wie Schmirgelpapier, aber gegen ein Glas Wein hatte sie dann doch nichts einzuwenden.

Rhoda trug einen langen schwarzen Wintermantel aus Filz. Evelyn wusste, er war von innen gefüttert. Er betonte Rhodas Taille. Dazu trug sie blauviolette Handschuhe, einen passenden Schal und eine passende wenngleich lustige Mütze. Aber jetzt entledigte sie sich ihrer Lasten und plumpste wie ein gefällter Tannenbaum auf Evelyns Couch.

"Bah. Hier liegen Taschentücher", kommentierte sie angewidert und zog eins unter ihrem rundlichen, wohlgeformten Gesäß hervor.

"Erstaunlich", erwiderte Evelyn und schniefte vernehmlich.

"Kranke sind schon eklig", lachte Rhoda. Sie meinte es nicht ernst. Schließlich war sie Krankenschwester. Es hätte sie vermutlich nicht einmal angeekelt Evelyns Urin zu handhaben. Glücklicherweise blieb dies der Patienten erspart. Sie war nämlich keine Krankenschwester und stattdessen handhabte Rhoda auch lieber den Wein. Schnell wurden ein paar Gläser geleert.

Irgendwann verlangte Rhoda wie angekündigt nach den Plätzchen.

Evelyn leistete sich ein hämisches Grinsen, schlurfte in die Küche und schlurfte wenig später mit einem mit durchsichtiger Folie überzogenem Teller zurück. Darauf prangten ...

"Peniskekse?", fragte Rhoda entgeistert. "Evelyn, du kommst noch in die Hölle. Dass du so ein heiliges Fest des Herrn einfach mit diesem vulgären ... " Sie rang nach Worten. "... teuflischem ... " Immer noch nicht wollte der Herr, dessen heiliges Fest sie doch schließlich verteidigte, ihr eine Eingebung geben. "... gottlosem ..." Und dann rutschte es heraus: " ... Gebäck!"

"Jup", stimmte Evelyn zu. "Diese Bastarde von gottlosem Gebäck. Diese Plätzchen wissen einfach nicht, was sich gehört." Sie biss demonstrativ genüßlich eine Eichel ab. "Mehl und Zucker hab ich dem Teufel für meine unsterbliche Seele abgeschwatzt."

Rhoda verdrehte die Augen, nahm sich jedoch im selben Moment der Eier ihres Plätzchens an.

Es gab pinke, rote, grellgrüne Penise. Es gab blaue und es gab sogar welche die zweifarbig waren. Der Dritte dessen Zuckergus Rhoda genüsslich ablutschte, war rot mit blauen Schlieren. Als Rhoda danach fragte, erklärte Evelyn, dieses Plätzchen sei das Abbild eines besonders hässlichen Exemplars: Feuerrot, aber mit blauen Äderchen überzogen. Plötzlich betrachtete Rhoda ihre Nahrung viel eingehender. Viele Penise waren auch krumm.

"Was hast du eigentlich so getrieben?", fragte Rhoda nach längerer Zeit. Evelyn nahm noch einen tiefen Zug aus ihrem Becher ehe sie lallte: "Hatt' 'ne Affäre midem Weihnachtsmann."
 

Die Kinder sprangen an den Händen ihrer Eltern durch den Schnee, betrachteten mit leuchtenden Augen die Schaufenster. Ihre lächelnden Gesichter lösten einen Würgereiz aus.

Kinder hatten so einen Spaß. Obwohl alle anderen sich ihre Gesäße abfroren, waren sie in Hochstimmung.

Evelyn bog ab und öffnete die Tür. Hinter ihr strömten die Mütter herein. Plötzlich waren überall Kinder, die ihre Jacken, Mützen, Handschuhe, Schals und was es nicht noch alles gab auszogen.

"Kommt heute der Weihnachtsmann?", fragte ein Mädchen und Evelyn antwortete. "Er hat mir zwar noch nicht zurück gesimst, aber der Osterhase sagt mir, dass der Weihnachtsmann heute morgen schon losgegangen ist."

"Super!", freute sich das Kind. Aber eine Mutter betrachtete das Szenario missbilligend. "Sie sollten wirklich anständiger mit den Kindern reden."

Evelyn runzelte die Stirn. "Kein Ding. Nächstes mal, sage ich ihr, den Weihnachtsmann gibt's nicht." Mit den Worten wandte sich Evelyn ab und ließ die Frau mit ihrer teuren Pelzmütze und dem iltisbesetzten Kragen zurück.
 

Tatsächlich kam der Weihnachtsmann. Es war erster Advent. Da kam er und kündigte an, dass sie sich jetzt besonders brav zu benehmen hatten.

Groß war er und das Kissen polsterte seinen Bauch hervorragend aus. Seine Augen konnte man kaum erkennen. Zwar waren sie das Einzige, was nicht von schimmernden, weißen Locken überwuchert war, aber man konnte sie trotzdem nicht genau ausmachen. Er sprach nicht. Er sagte nur "Ho ho ho" mit einer verstellten Stimme, aber dafür gestikulierte er viel. Er brachte die Kinder zum Lachen und sie himmelten ihn an. Evelyn ließ die Prozedur über sich ergehen. Viele der Kinder zerrten an ihren Jeans und bekundeten, dass sie sich auch etwas wünschen müsse, sonst würde sie auch nichts bekommen.

"Ich schreib ihm lieber einen Brief, weißt du?"

Die großen Kinderaugen erleuchteten mit Erkenntnis. "Achso!"

Das schien für sie Sinn zu ergeben.

Am Ende nahm der Weihnachtsmann mit schleppenden Bewegungen einen Sack von seiner Schulter und verteilte überall Süßigkeiten. Verblüfft und misstrauisch blickte Evelyn auf als er mit seinen mächtigen Stiefeln auch zu ihr gestampft kam. Ihr drückte er auch eine Handvoll Süßigkeiten in die Arme.

"Damit du schön brav bist", sagte er. Sie zog eine Augenbraue hoch. Ich und brav? Seh ich aus, als ließe ich mir Vorschriften von einem Mann mit einem Kissen über seinem Penis machen?

Aber das sagte sie nicht. Stattdessen zwinkerte sie dem Kind, das sie zum Wünschen aufgefordert hatte zu und verkündete. "Ich werde dem Weihnachtsmann vorsichtshalber doch jetzt schon sagen, was ich mir wünsche."

Wohlwollend sah der durch seinen Bart unkenntlich gemachte Mann auf sie herab als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mit einem verschmitzten Lächeln in der Stimme wisperte:

"Ich hätte gern ... einen neuen Dildo, einen Vibrator, einen Lustfinger, Handschellen, eine Gerte und ... hmmm, ... neongrüne Kondome."
 

Evelyn dachte eine Woche später schon nicht mehr an den Vorfall. Aber als sie eines Morgens zur Arbeit kam, lag ein Packet auf dem Boden. Die übereifrigen Mütter glotzten sich die Augen aus und einige machten sogar Anstalten es aufzuheben, aber Evelyn fuhr scharf dazwischen als sie ihren Namen darauf erkannte.

"Vielen Dank", bemerkte Evelyn und krallte sich ihr Eigentum. "Aber ich glaube, das ist meins."

"Was ist drin?", fragte eins ihrer Kinder, das die Hand der Mutter verstieß um einem Blick auf den Absender zu richten. Es gab aber keinen. Es hatte noch nicht einmal einen Poststempel.

"Bin ich Supermann? ... Nein? Siehst du, wie soll ich das wissen ohne X-Ray-Vision."

Zu Hause auf ihrer Couch bei einem Glas Cognac lüftete sie endlich das Geheimnis. Zu ihrer Verwunderung sah sie eine vertraute Spitze zwischen dem Styropor aufragen. Sie zog daran und entblößte immer mehr von einem durchsichtigem, hellblauem Dildo. Danach förderte sie einen silbrig glänzenden Vibrator ans Tageslicht und eine Packung Kondome mit Apfelgeschmack und tatsächlich waren sie von einem frischen, jungen Frühlingsgrün. Ein mit abstrakten Gummistacheln besetzter Lustfinger setzte Evelyn sich sofort auf den Zeigefinger und danach packte sie Gerte und Handschellen aus. Die Handschellen waren von guter Qualität, ohne dämlichen Plüsch.

Evelyn erwartete eigentlich nichts mehr, war dies doch ihre ganze Wunschliste gewesen, doch ihr Herumgewühle hatte eine Papierkante in ihr Augenmerk gerückt. Sie befasste es mit spitzen Fingern und zog daran. Es war ein Briefumschlag mit einer befestigten Rose daran.

"Ihh ... Und bis hierher gefiel es mir so gut", bemerkte sie trocken und öffnete ohne großen Elan den Umschlag.
 

Holde Kindergartenlehrerin,
 

ich hoffe, Sie hatten nicht vor mich zu schocken. Ich fand Sie so reizend, ich dachte mir, Sie haben Ihre Weihnachtsgeschenke schon etwas früher verdiehnt. Jetzt müssen Sie sich etwas anderes ausdenken, dass Sie sich vom Weihnachtsmann wünschen können.
 

Mit freundlichen Grüßen,

Ich
 

"Achja?", fragte Evelyn den Brief. "Das wollen wir doch sehen." Lächerlich fand sie den Brief, ging aber am Abend einsam bis auf von ihren neuen Gaben begleitet zu Bett.
 

"Moment ... Der Weihnachtsmann hat dir einen Liebesbrief geschrieben?", erkundigte Rhoda sich. Die Hälfte des Weins ging neben das Glas.

"Nein", stöhnte Evelyn und hielt der Freundin ihr Glas hin. "Nur einen Brief. Kein Liebesbrief. Da stand gar nichts mit Liebe."

Rhoda runzelte die Stirn, rülpste kurz und hakte nach.

"Weshalb fandest du ihn dann lächerlich?"

"Na, weil er lächerlich war. Auch ohne Liebe. Gib mir noch einen Penis", verlangte sie.
 

Es dauerte nicht lange und der Brief entwickelte ein Eigenleben. Heimlich schlich er im Haus herum, hinterließ überall seinen unverkennbaren Duft und schob sich somit immer wieder in Evelyns Gedankengut. In Wahrheit lag er in einer Schublade im Wohnzimmer. Mitten unter anderen bedeutungslosen Briefen, keiner davon eine Rechnung. Aber er gab keine Ruhe. Er war von allen am hartnäckigsten. Er führte die Briefe regelrecht in einer Revolte gegen sie an. Sie erhoben sich mit lauten Stimmen, Geschrei, Beleidigungen und anmaßenden Forderungen. Es ging so weiter bis sich Evelyn eines Samstagnachmittags auf ihre Couch setzte und sich die Mühe machte, sie alle nocheinmal zu lesen, sich unweigerlich an ihre Verfasser und sich an schöne oder weniger schöne Momente mit ihnen zu erinnern.

Der unruhestiftender Neuankömmling war als letztes an der Reihe.

"So .. du Satansbraten", begrüßte sie ihn und nahm das wohlbekannte Stück Papier aus dem Umschlag, las es. Nachdem sie das mysteriöse "Ich" erblickt hatte, steckte sie den Brief entschlossen wieder in seinen Umschlag und darauffolgend noch entschlossener zurück in die Schublade.

"Ich bin fertig mit dir ... "
 

"Also ... Ein Rentner bucht einen FKK-Urlaub "all-inclusive". Alle Gäste und auch die Hotelangestellten laufen völlig nackt durch die Gegend. Er geht als erstes an den Pool und sieht all die schönen Mädchen. Sofort kriegt er'n Steifen. Da spricht ihn sofort eine Dame an. "Sie haben gerufen?" Er ist ganz verdutzt und weiß gar nicht, was er sagen soll. "Nun", sagt sie, "Ihre Erektion bedeutet bei uns, dass Sie Sex haben wollen. Wollen wir auf´s Zimmer gehen?" Das geht ja gut los denkt der sich natürlich und bei dem Rentner geht's ab. Als nächstes ist die Sauna dran. Die ist total leer und er lässt so richtig laut einen fahren. Sofort geht die Tür auf und ein riesiger Afrikaner kommt herein: "Sie haben gerufen?" Der Alte ist wieder ganz verdattert. "Furzen ist bei uns das Zeichen, dass Sie's mal so richtig von hinten besorgt bekommen wollen!" Der Afrikaner sagt´s und vernascht den Alten sofort. Am nächsten Morgen steht der Alte angezogen und mit gepacktem Koffer in der Hotelhalle. "Ich möchte abreisen. Wissen Sie, ich bin in einem Alter, wo ich einmal in der Woche einen Ständer bekomme, aber zehnmal am Tag furzen muss!"" Er hatte sich richtig Mühe gegeben, den Witz zu erzählen und war sichtlich stolz darauf. "Lustig, was? Jetzt bist du dran.-" Er deutete auf ihre Person. Evelyn lächelte süffisant.

"Warum werden Männer dick, wenn sie eine Frau haben?"

"Öhm ... " Ihr Gegenüber sah sie überrumpelt und ein wenig peinlich berührt an.

"Ich weiß nicht ... ", antwortete er vorsichtig.

"Nun, der Junggeselle kommt abends nach Hause, geht an den Kühlschrank und es ist nie etwas Anständiges drin. Dann geht er ins Bett."

"Ja ... und?"

"Der Ehemann kommt abends nach Hause, geht ins Bett und dort ist nie etwas Anständiges drin. Dann geht er an den Kühlschrank." Evelyn lächelte nicht und der Kerl ihr gegenüber lachte nervös. "Der's auch nicht schlecht."

"Ich weiß." Sie kippte ihren Vodka.

"Du trinkst ganz schön viel für ein Mädchen", bemerkte er und betrachtete seinen eigenen Cocktail.

"Nenn mich nicht Mädchen. Ich bin vermutlich älter als du denkst." Sie bestellte sich nochmal etwas Hartes.

"Achso ... " Er sah sie beunruhigt an, aber dann bedachte Evelyn ihn mit einem ihrer entwaffnendsten Lächeln. Es erstrahlte zwischen ihren dunkel geschminkten Lippen und erhellte ihr ganzes braungebranntes Gesicht. Ihre Augen wirkten anziehend und einladend, ihre Wangen zeigten herrliche Grübchen. Er war ihr verfallen. Er war der Frosch, sie die Venusfliegenfalle.
 

"Hey ... Was hast du vor?", lachte er trunken und verfolgte mit feurigem Blick wie sie seine Handgelenke an ihre Bettbeine fesselte.

"Hast du keinen Pfosten?", fragte er. Sie schüttelte den Kopf. Die hat echt die Ruhe weg, dachte er bei sich.

Plötzlich lächelte sie freudlos und ihr Spielgefärte runzelte die Stirn. Sie war echt schön, etwas kühl vielleicht, aber es war wie ein Wink der Himmelspforten, wenn sie ihm dieses Lächeln schenkte. Ihre Haut schimmerte bronzefarben und ihr Bauch war flach. Die Hüften hatten diesen eigenwilligen Schwung, der einen Mann dazu einludt ihre Hüftknochen zu packen und sie ein bisschen wild über's Bett zu rollen und doch nicht den Eindruck machten als wollten sie Kinder beherbergen. Ihre Brüste prangten wie zwei wundervolle, kunstvolle, üppige Hügel in einer sonst flachen Landschaft. Ihre Schultern waren nicht ganz rund und in bestimmten Positionen erschien eine Mulde über dem Schlüsselbein, die besorgniserregend tief schien, aber das kecke Dreieck ihrer unfrisierten Schamhaare machte alles wett. Es entsprach zwar nicht der Mode, doch sie hatte ihm vorhin gewährt, seine langen Finger darin zu versenken und es war ganz anders, herrlich berauschend, als bei den glattrasierten, pickeligen Venushügeln anderer Frauen. Nach diesem herrlichen kleinen Rausch, starrte er wieder verträumt hoch in ihr Gesicht. Ihre Haut war dunkel, der noch dunklere Lippenstift verschmiert. Sie sah aus wie ein wildes Tier, dass ihre Schnauze aus dem Bauch ihres erlegten Kadavers zog. Wild ergoss sich ihre Haarmähne wallend über ihre Schulter, einige kürzere Strähnen rahmten ihr Gesicht, zierten ihre makellosen Wangen.

"Du bist echt süß ... ", gestand er ihr atemlos, doch zu seiner Verwunderung schüttelte sie den Kopf. "Ich bin nicht süß", erklärte sie ihm und ein Mundwinkel verzog sich nach oben und es funkelte böswillig in ihren dunklen, mysteriösen Augen. Dann umschlang das frische Grün den dunkelgrünen Frosch, schnappte nach ihm und trotzdem schlängelten sich geschickt fremde Worte in die Absichten der Venusfliegenfalle während diese ihrem Rausch erlag. Immer wieder knurrte sie: "Wünsch dir was, los, wünsch dir noch was!"
 

Bald störte der Brief sie auch in ihrem Alltag. Er schlich sich an, schmierte ihr Honig ums Maul und was davon übrig blieb, träufelte er ihr ins Ohr. Nach dem Ausnutzen dieser beiden Redewendungen, wurde er auch nicht bescheiden, sondern eher noch dreister. Wenn jemand "Küche" sagte, verstand sie "Wünsche". Vielleicht lag es daran, dass sie immer abgelenkt war und nur das Ende eines Wortes mitbekam. Jedenfalls ärgerte es den Teufel aus ihr heraus und bald raufte sie sich die Haare. Eines Nachmittags schmiss sie das wertlose Buch, da es ihr ja doch keine Ablenkung verschaffte, wütend an die gegenpüberliegende Wand und überstürzte sich Stift und Papier zu holen.

"Ich wünsche mir ... hmmm ... ein Pony", schrieb sie und grinste böse. Sollte er sich doch an den Bettelstab bringen, wenn er dieses Spielchen weiterspielen wollte. Sie heftete es eines Nachmittags an die Kindergartentür bevor sie nach Hause ging.

Als der Zettel am nächsten Morgen noch himmer dort hing, starrte Evelyn ihn dümmlich an. Eine Sekunde lang konnte sie nicht begreifen, was sie sah.

Dann jedoch brach sie in schallendes Gelächter aus. Es klang etwas irre und die ersten Mütter, die ankamen hielten besorgt ein paar Schritte Abstand. Evelyn schalt sich einen merkwürdigen, verrückten Toren und ließ die Mütter mit den Kindern hineinschwappen.
 

Schon wieder hatte sie den Fehler gemacht, den Vorfall zu vergessen. Sie war davon ausgegangen, der Zettel sei irgendwann auf den Flügeln des Windes hinfortgetragen worden. Jedoch war das Packet ganz bestimmt nicht durch die Gegend geweht worden. Diesmal hielt Evelyn es nicht aus. Sie riss die Packung ärgerlich auf, ganz wild, sodas die ankommenden Mütter ihr schon wieder Blicke zuwarfen. Es war ein Plüschpferdchen. Nein, dachte sie, wahrscheinlich ist es ein Plüschpony. Cremefarbenes, fransiges Fell mit einer dunkelen Mähne und noch dunklerenn Hufen. Es hatte gestickte dunkle Augen. Als Evelyn sie so betrachtet, erschienen sie ihr tellergroß.

Weitere Geschenke waren ein kleines Kunstwerk, dass einen abstrakten Eifelturm darstellen sollte, eine Postkarte mit der Freiheitsstatur und einen Plüschdrachen. Die Postkarte wanderte in die Schublade, um dem Brief Gesellschaft zu leisten. Evelyn konnte spüren, wie es dort drinnen brodelte und sie eine neue Intrige gegen sie sponnen, damit sie ja nur nicht aufhörte, dieses blödsinnige Spiel weiterzuspielen. Der abstrakte Eifelturm nistete sich auf der Fensterbank in der Küche ein, wo er bei Rhodas letztem Besuch Opfer ihres Lobs geworden war. Die Plüschtiere prangten während der Woche auf ihrem Bett, hämisch grinsend natürlich ob der Errungenschaft.

"Aber am Wochenende verschwindet ihr. Da brauch ich das Bett. Am besten ihr verkriecht euch. Das ist nichts für Plüschtieraugen" und sie sah ihrem Pony in die dunklen Zwirnknäuel, die seine Augen waren.

Ihr nächster Wunsch lautete "George Washington".

Und sie bekam eine Eindollarnote. Auf der war natürlich George Washingtons Kopf abgebildet. Ihre Lippen verzogen sich. Leise und kehlig knurrte sie. Dann schrieb sie ihm ihren nächsten Wunsch.

"Ein Königreich". Überbiete das!, dachte sie. Das triumphale Lächeln wich nicht von ihren Lippen und ihr Schritt war federleicht. Sie würde dieses Spiel gewinnen.

Jedenfalls dachte sie das so lange bis sie einen Weihnachtsmann im Einkaufszentrum sah, der gerade Schluss machte. Er war groß und massig, weißgelockte Kunsthaare quollen unter der Mütze hervor und erstreckten sich in einen langen Bart. Und dann klemmte er sich ein Playmobil-Spielset an sich. "Königreich der Ritter" war es getauft "Mit echten Rüstungen, die man an und ausziehen kann!" versprach es und "Mit echter Burgbrücke und Stadt!". In Evelyn brodelte es. Das war nicht gesund. Sie hatte einen furchtbar berüchtgten Jähzorn. Wenn er sich Bahn brach, konnte sie sich manchmal nicht einmal daran erinnern, was sie gesagt oder getan hatte. Der Mann in Rot wandte sich zum Ausgang, die Zeit wurde knapper und sie musste sich entscheiden, was sie tun wollte. So plötzlich fasste sie ihren Entschluss, dass sie es kaum merkte. Ihr Rückenmark schien Befehle zu geben, bevor sie ihre Entscheidung verarbeitet hatte. Sie begann zu laufen, dann rannte sie, dann fegte sie den überheblichen Weihnachtsmann glatt von den Füßen. Er war groß und massig, doch gar nicht auf einen Stoß von der Seite vorbereitet. So konnte die zierliche Evelyn ihn zu Fall bringen. Überall schraken die Leute auf, drehten sich zu ihnen und fragten, ob alles in Ordnung sei. Seine Stimme war dunkel, volltönend. Sie war erstaunlich beruhigend. So hatte sie sie nicht in Erinnerung. Als die Passanten endlich ihrem Namen Ehre machten und weitergingen, hatte Evelyn sich in eine sitzende Haltung gebracht. Seine Augen waren immenoch merkwürdig unspektakulär, obwohl sie das einzige waren, das man von seinem Gesicht sehen konnte. Sie konnte noch nicht einmal erkennen, ob er sie anlächelte oder nicht. Pah, dachte sie, nicht dass es mich kümmert.

Er murmelte ein "Bitteschön", überreichte ihr sein Präsent und ging einfach davon. Sie konnte sein Spiegelbild auf den glatten Fliesen sehen. Seine Stiefel erschienen ihr noch genauso massig. Unter diesen Stiefeln könnte er ihre magersüchtige Klappergestalt einfach zertreten. Der Gedanke hatte etwas Anziehendes.
 

"Ich wünsche mir ein Treffen mit dir. Ich wünsche mir ein Treffen mit dem Weihnachtsmann", schrieb sie.
 

"Warte 'mal ... " Rhoda war gerade von der Toilette zurückgekommen, wischte sich über den Mund. "Du hast ihn einfach so mitten im Einkaufszentrum über den Haufen gerannt?"

Evelyns Kopf sackte von vorn nach hinten in ihrem Bemühen ein Nicken zu präsentieren. "Mein Kopf ist schwer ... " Glücklicherweise war sie schon zu betrunken, um ihre Halsschmerzen wahrzunehmen und diese Tatsache belächelte Evelyn zufrieden. Rhoda zuckte die Schultern. "Noch mehr Wein? Jetzt macht's ja eh nichts mehr ... " Sie schüttete Evelyn nach und diese nieste herzhaft.
 

Es war an einem besonders kaltem Tage. Der Winter war schon weit vorangeschritten und es war dunkel als Evelyn abschloss und sich auf den Heimweg machen wollte. Da stand er plötzlich. Eine völlig deplatzierte, abstruse, lächerliche Figur stand da vor ihr auf der Straße. Ohne das Kissen vorne im roten Mantel fiel dieser lose an der hageren Gestalt hinab, aber es war dennoch der Weihnachtsmann. Da war der Bart, der nur Blick auf diese unergründlichen Augen preisgab. Evelyn fürchtete sich nicht. Sie fürchtete sich vor kaum etwas. Sie tat, was andere Frauen nicht wagten. Sie nahm fremde Männer heim, ging nachts verwinkelte Straßen entlang, trieb sich in Kneipen mit zwielichtigem Ruf herum. Manchmal prügelte sie sich, aber nicht oft, denn niemand wollte sich mit ihr prügeln. Sie war zu dünn. Sie sprachen kein Wort, während Evelyn den Weihnachtsmann zu ihrer Wohnung führte.

Wie so oft zuvor fiel einem Mann in dem Augenblick auf, dass sie eine zierliche, hübsche Frau war. Vielleicht war es, weil er selbst hoffnungslos lächerlich kostümiert war, aber ihm fiel auf, dass sie im Prinzip auch ein Kostüm trug.

Der Weihnachtsmann musste seinen Kopf einziehen, um durch die Tür zu kommen.

Dann standen sie da und blickten sich in die Augen. Evelyn konnte noch immer nicht die Farbe seiner Augen ausmachen. Sie streckte sich nach seinem Bart, aber er schüttelte den Kopf.

Okay, kannst du haben, dachte sie verschmäht, zog ihn ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Die Jalousien wurden herunterghelassen und zugeklappt. Es war finster im Zimmer, aber Evelyns Augen gewöhnten sich schnell daran und ganz wage glaubte sie den Schemen ihres Bettes ausmachen zu können. Es prangte dort mit zerzaustem Bettlacken. Dort liebten sie sich zum allerersten Mal.

Sie zog ihm endlich den verhassten Bart ab, aber sie tat es mit einer für sie völlig untypischen, sanften, geduldigen Bewegung. Sie holte keine Seile hervor, noch nicht einmal die Handschellen, die er ihr doch geschenkt hatte.

Sie sprang mit ihm nicht um wie mit anderen Liebhabern. Es war nicht, weil er soviel größer und breitschultriger war als andere Männer, denn Evelyn war furchtlos, doch es war eine Art Energie die von ihm ausging. Sie forderte sie geradezu heraus sanft und liebevoll zu sein. Zwar starrte sie ihn manchmal böse und mit gerunzelter Stirn an, aber sie bellte nur und biss nicht. Aber sie lächelte auch nicht. Nie. Nicht als er mit seinen Fingern der längsseite ihres Körpers folgte, nicht als er sein Ohr an ihre Brust legte, nicht als er mit seiner Zunge ihre vereisten Lippen spaltete.
 

So ging es jeden Tag, immer wieder das gleiche Spiel. Manchmal fand Evelyn zu ihrer rauhen Art zurück und riss ihn an der Schulter näher, wenn er nicht schnell genug in sie eindrang, aber ihre Liebesakte waren beschaulich.
 

"Du hast den Weihnachtsmann verführt?", fragte Rhoda mit weit aufgerissenen Augen. "Wie konntest du?"

"Rhoda ... ", stöhnte Evelyn und zog die Nase wiedermal hoch. Die Couch war mittlerweile mit Taschentüchern nur so übersäht und Evelyns Nase war noch roter als die von Rhoda, die ihrerseits zu betrunken war, um sich vor den rotzbeschmierten Tüchern zu ekeln. Sie hatten den Rotwein beiseite gestellt und lieber mit dem Schnaps weitergemacht. "Er trägt doch nur ein Kostüm."

"Ja ... " Rhoda schauderte "Aber es ist dasslbe Kostüm, das er anhat, wenn Kinder auf seinen Knie sitzen und ihm erzählen, sie hätten gern einen Teddybär zu Weihnachten ..."

"Du meinst ohl eher Nintendo DS ... ", erwiderte Evelyn sarkastisch. Rhoda beachtete sie kaum. "War das nicht irgendwie .. naja ... eklig?" Sie sah der Freundin ins Gesicht und seufzte. "in Anbetracht, was du normalerweise so im Bettt treibst wohl eher nicht", sah sie ein.
 

Eines abends lag sie neben ihm im Bett, ihr schlanker Rücken war ihm zugewandt und wenn er den Kopf drehte, konnte er ihre Wirbelsäule erkennen.

"Du bist generell nicht besonders hungrig, was?"

Er sprach nicht oft mit ihr, aber seine Stimme nahm sie derart ein, dass sie ihm immer antwortete. "Doch, nur nicht in dem Sinne wie du es dir vostellst."

In der Dunkelheit gestattete er sich ein Lächeln. "Vielleicht sollte ich 'mal für dich kochen", schlug er vor, aber Evelyn zeigte ihm im wahrsten Sinne der Worte die kalte Schulter. "Nein, lieber nicht."

So sehr sie seine Stimme mochte, so würde sie keine sentimentalen Gespräche im Bett dafür führen.

Jedenfalls hatte sie sich das vorgenommen. Unglücklicherweise funktionierte es so nicht. Er lag immer neben ihr und, wenn sie fertig waren, drehte Evelyn sich um und er war so geduldig. Er ließ ihr Schweigen klaglos über sich ergehen, wo hingegen sein Schweigen sie ärgerte. Sie beschloss den Angriff nach vorn. "Du solltest selber mehr essen. Dann bräuchtest du das Kissen nicht." Sie wedelte mit ihrer knochigen Hand in die generelle Richtung, in der sie sein Kostüm vermutetet.

Er tat als wäre es ein Kompliment gewesen und bedankte sich. Das machte sie allerdings nur noch wütender. Sie wollte zu einer bissigen Antwort ansetzten als er ihr erläuterte: "Du lächelst nicht. Warum nicht?"

"Quatsch. Die Frage ist, wo du hinschaust, wenn ich lächle."

Er konnte sehen wie ihre Rückenmuskeln sich anspannten.

"Ich mein doch nicht dieses scheußliche dünne Verziehen der Lippen. Ich meine ... ein Lächeln eben."

Evelyn stieß einen verächtlichen Laut aus. "Wenn du das sehen solltest ... Naja ... bete."

"Wieso?"

"Das Lächeln von mir, das du meinst, ... es ist bestimmten Zwecken vorbehalten."

"Aha", machte er und sie hörte die Bettdecke rascheln. Ein schneller Schulterblick verriet ihr, dass er wahrscheinlich die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte. Sie liebten sich noch immer im Dunkeln. Sie wusste aber mittlerweile, dass er dunkle Haare hatte, manchmal Stoppeln auf den Wangen und keinen Blinddarm mehr, weil sie die Narbe ertastet hatte und er es ihr auf ihre Frage hin gestanden hatte.

"Wie wär's, wenn du es mir trotzdem einmal zeigst? Hm? Dein Lächeln, meine ich."

Evelyn konnte es nicht. "Nein, sagte sie, ich kann so nur lächeln, wenn ich nicht lächeln will."

Es war ihr Verführerlächeln. Es war ... unbeschreiblich böse. Es war manipulierend dieses Lächeln. Es war wie der Anblick der Medusa, ein schönes Geschöpf bis auf die Tatsache, dass ihr Friseur was für Reptilien übrig hatte.

"Ich glaube, du verwechselst da 'was ... "
 

Rhoda sah ihre Freundin zweifelnd an. "Häh?", machte sie verständnislos. Ihre Stimme klang wie ein Esel. Evelyn verdrehte die Augen. "Warum erzähl' ich dir das überhaupt?"

"Keine Ahnung", antwortete Rhoda wahrheitsgemäß.

"Weißt du ... Ich seh dich auch nicht so oft lächeln, aber ... hmm ... "

Evelyn lächelte ihrer Freundin entgegen. Ihr Blick wurde langsam trübe. "Schon gut. Was würdest du nur ohne mich machen?"

Rhoda überlegte. "Wenn ich dich nicht mehr hätte, dir nicht mehr zuhören könnte, deine Beschwerden, dein Sarkasmus, Zynismus ... dann ... dann würde ich anfangen bei so einer Hotline für Suizidgefährdete zu arbeiten."

Sie blickte Evelyn offen an.

"Hmm .. Ja, das müsstest du wohl." Der Gedanke erheiterte sie trotzdem irgendwie und sie lachten darüber.
 

"Bald ist Weihnachten", eröffnete er ihr, nachdem er sich in sie ergossen hatte, denn dann konnte er ihr dabei in die Augen sehen. Er konnte sie zwar genauso schlecht ausmachen wie sie seine, aber das störte ihn nicht. Es war ein ganz anderes Gefühl als wenn er mit ihrem Rücken sprach. Wie aufs Stichwort, schob sie ihn von sich und er blickte genau diesem wieder entgegen. Na, bist du öfter hier?, flirtete er sarkastisch. Natürlich blieb der Rücken stumm und das Wesen, das zu ihm gehörte, erst recht.

"Heißt das, du kommst nicht mehr?"

Er schüttelte den Kopf, besann sich, dass sie es ja nicht sehen konnte und sagte: "Nein, es bedeutet nur, dass ich wieder meinen regulären Job aufnehme. Du würdest dich langweilen ... Computerzeug."

Das stimmte. Computer langweilten sie fast zu Tode.

"Und das bedeutet ... ?"

"Ich höre auf, der Weihnachtsmann zu sein ... "

"Hmm ... Und wie soll ich dich dann in Gedanken nennen?"

Sie vernahm das Lächeln, das in seiner Stimme mitschwang. "Nenn mich am besten Steve."

"Hallo, Steve."

"Hallo, Evelyn." Er hatte ihren Namen von Anfang an gekannt wegen der Kindergartenkinder, aber bisher noch nicht einmal benutzt. Wenn er ihren Namen mit seiner balsamartigen Stimme aussprach, bekam er einen ganz anderen Klang.

"Hmm ... Steve. Stevie gefällt mir besser."

"Meinetwegen kannst du mich bis an den Rest deiner Tage auch Weihnachtsmann nennen, wenn dir das gefallen würde ... "

Er hauchte den Schatten eines Kusses auf ihr Schulterblatt. Es zuckte und er schämte sich ein wenig, denn er wusste, dass sie Zärtlichkeitsbekundungen nach dem Sex nicht mochte.

"Warum machst du das hier?", wollte er stattdessen von ihr wissen. Evelyn antwortete mit der einzigen Erwiderung, die sie konnte. "Weil ich ein bisschen verrückt bin ... " Sie tippte sich an die Stirn. "Hier oben, weißt du. Und du?"

"Hmm ... Wahrscheinlich macht Weihnachten uns alle ein bisschen verrückt ... "

Das verstand Evelyn nicht und es war ihr auch egal.

"Stevie?"

"Ja?", fragte er aufmerksam. "Kommst du mich an Weihnachten besuchen? Komm als Weihnachtsmann, aber du musst dich nicht verkleiden." Er war sich nicht sicher, was sie damit meinte, ahnte es aber.

"Ich werde mein Bestes versuchen ... " Da drehte sie sich zum ersten Mal um und er ließ ihre Geste nicht ungelobt, denn seine Lippen fanden ihren Mund mühelos in der Finsternis.
 

Wieder einmal blickte Rhoda ihrer Trinkgefährtin zweifelnd entgegen. "Sag 'mal ... Bist du eigentlich wieder auf irgendwelchen Drogen?" Sie betrachtete die Flasche, die sie in der Hand hielt. "Außer Alkohol, meine ich", räumte sie ein, aber Evelyn schüttelte den Kopf. "Nope."

"So langsam, glaube ich, du hast das alles nur halluziniert." Evelyn runzelte die Stirn. "Bestimmt nicht", verteidigte sie sich. Rhoda wandte ein "Aber hör dir doch 'mal zu. Wie unrealistisch klingt das alles! Niemand fängt was mit einem Mann im Weihnachtskostüm an. Außerdem ... das alles klingt so realitätsfremd."

Ich bin realitätsfremd, lag Evelyn auf der Zunge, aber Rhoda fuhr ihr unwirsch über den Mund. "Du bist meine beste Freundin und ich liebe dich, aber du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das wissen wir beide."

"Stimmt", musste Evelyn zugeben und stibitzte ungestraft die Flasche aus Rhodas bleichen Fingern.

"Weißt du, was noch dafür spricht, dass du dir das heute alles in einem Fiebertraum ausgedacht hast?"

"Nein."

"Heute ist Weihnachten und, falls es dir nicht aufgefallen ist, hier ist kein Weihnachtsmann weit und breit zu sehen ... "

Evelyn schaute sich um, als müsse sie das mit eigenen Augen verifizieren.

"Stimmt genau." Sie schien beinah verblüfft. Rhoda hingegen lächelte siegessicher.

Das war bis es klingelte. Es war kurz vor Mitternacht.

"Haben wir eben betrunken Pizza bestellt?" Evelyn schien nachzudenken, hob aber nur unschuldig die Schultern. "Wär gut möglich." Sie machte ein lautes "Haatschi!", während Rhoda das Wohnzimmer verließ, in den Flur trat und durch den Türspion spähte.

"Du, Evelyn ... Ich glaube, wir müssen ein ernstes Wörtchen reden. Wie konnte es sein, dass du mir nicht eher von dieser Beziehung erzählt hast?", fuhr sie wütend auf, als sie feststellte, dass Evelyn nicht phantasierte. Sie öffnete die Tür.

"Hallo, ich bin Steven." Er brachte eine Flasche Weißwein, einen Blumenstrauß, Pralinen und ein in buntem Geschenkpapier ordentlich eingepacktes Geschenk. "Ja, ja!", erwiderte Rhoda ungeduldig und winkte ihn herrisch durch. "Ich weiß – der Weihnachtsmann", murrte sie übellaunig. Sie führte den verdatterten Steven ins Wohnzimmer und schenkte ihm von dem Schnaps ein.

"Hier ... ach, und in der Küche sind noch Penise." Beleidigt setzte sie sich. Steven schien ein wenig verloren, aber als er in Evelyns Antlitz blickte, schämte er sich der Goldkette, die er als letztes Weihnachtsgeschenk für sie auserkoren hatte. Jedenfalls für dieses Jahr. Denn das Geschenk, das sie ihm machte, wahrscheinlich auch noch unbedacht, war soviel gewaltiger. Es war ein Lächeln. Ein kleines, warmes, von Herzen kommendes Lächeln, aber es ließ ihre Augen leuchten und brachte die süßen Grübchen zum Vorschein, ohne, dass der Frosch in die Falle ging.

"Herrje", stöhnte Rhoda dramatisch ob des Paares. "Die Foltermeisterin hat sich verliebt." Evelyn kommentierte mit einem verschnupften Niesen, welches Steven unglaublich süß fand.

Rhoda wusste, sie würde sich mit dem Weihnachtsmann abfinden und anfreunden müssen.

Sie hätte es viel schlimmer antreffen können. Sie traute ihrer Freundin durchauß Sodomie zu und so gesehen, hätte es auch der Osterhase sein können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Lucy_chan
2014-05-17T21:34:17+00:00 17.05.2014 23:34
Ich gebe Turpentine recht

Von: abgemeldet
2012-01-27T21:21:03+00:00 27.01.2012 22:21
Um ehrlich zu sein, ich finde es direkt schwierig, zu dieser Geschichte einen Kommentar abzugeben - und zwar aus dem einfachen Grund, dass ich nichts zu bemängeln wüsste und auch keinerlei Idee hätte, was man verbessern könnte.
Die einzigen Rechtschreibfehler, die mir aufgefallen sind, wurden bereits erwähnt.
Und zu deinem Schreibstill kann ich nur soviel sagen, dass ich davon sehr begeistert bin und die Tage mehr Geschichten von dir lesen werde. Und sollten die auch nur halb so gelungen wie diese hier sein, dann werden sie mir gut gefallen! ;)
Denn dein Schreibstill gefällt mir - unterhaltsam, flüssig, richtig angenehm zulesen.
Was mir besonders positiv auffiel, war der sehr gut herausgearbeitete Charakter Evelyns - besonders ihr Zynismus. Denn meiner Erfahrung nach sind 90% der in Geschichten auftauchenden Zyniker lediglich dumpf beleidigend und sonst nichts. Das ist bei dir völlig anders. Allgemein ist ihr Charakter in sich auch überraschend gut stimmig. Großes Lob dafür.
Auch hat mir der inhaltliche Aufbau der Kurzgeschichte sehr zugesagt, diese Rahmenhandlung, in die die Affaire mit dem Weihnachtsmann eingebettet ist.
Das einzige, was ich ein kleines bisschen schade fand, war der Schluss.
Ich persönlich mag an Kurzgeschichten immer Pointen, die zwar mit dem Lächeln Evelyns und dem Auftauchen des Weihnachtsmannes in Zivil schon irgendwo vorhanden ist, für meinen Geschmack aber nicht *pompös* genug ist. Aber gut, sowas passt ja sowieso nicht zu jeder Kurzgeschichte und ist ausserdem Geschmacksfrage, wieso ich es dir nichtmal wirklich ankreiden kann.

Anachronismus ✖✐✖
Von: abgemeldet
2011-09-14T15:57:08+00:00 14.09.2011 17:57
Hallo erst mal =)
Es war sehr unterhaltsam deinen One-Shot zu lesen. Ein sehr interessantes Thema hattest du da auch. =)
Du hast die gesamte Story wirklich gut beschrieben und immer wieder duch einige witzige Einschübe, wie die Revolte der Briefe. =D

Auch ich habe noch ein paar Dinge, zu denen von abgemeldet, gefunden:

- 'Hier ich hab dir ein paar Flaschen Wein mitgebracht ... Knäckebrot, Zwieback, Kartoffeln, Broccoli' = Hinter dem 'hier' gehört noch ein Komma oder ein Ausrufungszeichen. Von wegen, dass es ein Ausruf ist.

- 'Es gab blaue und es gab sogar welche die zweifarbig waren' = Ein Komma hinter 'welche'

- 'Es ging so weiter bis sich Evelyn eines Samstagnachmittags auf ihre Couch setzte' = Hinter dem weiter ein komma

- 'Der unruhestiftender Neuankömmling war als letztes an der Reihe' = das 'r' von 'unruhestiftender' ist falsch. Hier schreibt man nur 'unruhestiftende'

- 'In Evelyn brodelte es. Das war nicht gesund. Sie hatte einen furchtbar berüchtgten Jähzorn.' = Bei 'berüchtigten' fehlt das 'i' bei dir.

- 'Okay, kannst du haben, dachte sie verschmäht, zog ihn ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Die Jalousien wurden herunterghelassen' = Bei 'heruntergelassen' steht bei dir ein 'h' zwischen 'g' und 'e' obwohl es da nicht hingehört

- 'So ging es jeden Tag, immer wieder das gleiche Spiel. Manchmal fand Evelyn zu ihrer rauhen' = das 'h' bei 'rauhen' gehört da nicht hin. Es wird ohne 'h' geschrieben.

Was mir jetzt nur noch zu sagen bleibt, ist dass es wirklich spaß gemacht hatte, deine FF zu lesen. =)

Ju ✖✐✖
Von: abgemeldet
2011-01-04T22:48:51+00:00 04.01.2011 23:48
Hallo,

Allein beim Schnuppertext der Story habe ich mich schon totgelacht, das wollte ich mal gleich zuvorderst anmerken *g*
Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, der gut zu lesen ist, die richtige Mischung aus komplex und locker findet und auch längentechnisch weder zu weit ausschweift, noch zu schnell vorwärts geht, ein Lob, das ich gar nicht so oft ausspreche *g*
Am besten gefallen in der ganzen Geschichte hat mir die Briefrevolte. Ich liebe die Art und Weise, wie du den kurzen Absatz geschrieben hast, er ist grandios witzig ohne albern zu sein (was mir generell sehr positiv an der ganzen Story aufgefallen ist) und stellt trotzdem noch den Gemütszustand der Protagonistin dar. Herrlich!

Ansonsten gehe ich einfach mal grob über Stellen, die mir aufgefallen sind:

- Etwas gestolpert bin ich über die Leerzeichen vor den "...", auch wenn das nun natürlich kein Beinbruch ist. Soweit ich weiß 'gehört' das aber offiziell ohne. *lach*
- "Glücklicherweise blieb dies der Patienten erspart. Sie war nämlich keine Krankenschwester und stattdessen handhabte Rhoda auch lieber den Wein. Schnell wurden ein paar Gläser geleert.
Irgendwann verlangte Rhoda wie angekündigt nach den Plätzchen." PatientIN müsste es sein, oder? Der Satz danach ist etwas verwirrend, mir ist zwar klar, was gemeint ist, aber daß Evelyn keine Krankenschwester ist und Rhoda darum den Wein handhabt, das steht nicht wirklich in einem logischen Zusammenhang, den der Satz aber so wie er da steht impliziert
-"nahm sich jedoch im selben Moment der Eier ihres Plätzchens an." (abseits der Tatsache, daß ich wegen dieser Kekse blöde am Grinsen bin!) - Ich stolpere immer arg darüber, wenn mitten in einer 'seriösen' Geschichte mehr oder weniger unseriöse Begrifflichkeiten für Geschlechtsteile aller Art genutzt werden. Warum nicht Hoden? Das ist viel leichter Ernst zu nehmen als Eier. Das geht natürlich im Dialog, aber im sonstigen Text finde ich persönlich das ungeschickt.
- "Ihre lächelnden Gesichter lösten einen Würgereiz aus." Bei wem?
"ging aber am Abend einsam bis auf von ihren neuen Gaben begleitet zu Bett." Einsam bis auf ihre neuen Gaben oder Einsam, nur begleitet von (...) oder ähnliche Varianten müssten da denke ich hin, das Mischdings ist grammatisch nicht ganz richtig

Was die Charaktere betrifft, habe ich tatsächlich nichts zu kritisieren. Sie sind herrlich erfrischend, weil einfach anders und arg eigen, ohne dabei unsymphatisch zu werden, was ja gern passiert, wenn manche Leute Charaktere haben wollen die anders sind. Stattdessen sind deine Charaktere hier einfach lebensecht und machen es dem Leser leicht, sich einzufühlen.

Schlussendlich bleibt mir zu sagen, daß mir die Geschichte, obwohl ich wirklich nicht so viel erwartet habe, und obwohl es thematisch jetzt auch nicht zu 100% meins ist, wirklich, wirklich gut gefallen hat. Ich werde auf jeden Fall weiter bei dir lesen. :)

Corrisande ✖✐✖


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