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Kaizoku no Baroque

I. Träume
von

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Kokoroshima – Unter deiner Haut

Die gesamte Crew hatte sich hin gelegt, um zumindest ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Sie alle hofften inständig, dass es bald vorbei sein würde. Sie alle waren ausgelaugt, sie alle waren es leid. Angst mischte sich unter ihre letzten Gedanken, ehe sie die Augen schlossen. Jeder einzelne hoffte nicht dasselbe durchmachen zu müssen, wie Iroko in Crocodiles Körper. Was überhaupt mit ihm geschehen war, hatte sich niemand getraut zu fragen. Niemand fühlte sich sonderlich wohl in seinem Leihkörper. In dieser Nacht träumte jeder von ihnen, meist Albträume und unruhige Gedanken, die sie immer wieder aufschrecken ließen. Es waren nicht ihre eigenen, es waren fremde Träume, fremde Gedanken, fremde Gefühle und Erinnerungen, die sie überkamen. Und manche von ihnen gruben so tief, wie sie niemals hatten vordringen wollen.
 

Paula bewegte sich nur langsam im Schlaf. Schneller ging es einfach nicht. Sie wurde überrollt von ihren eigenen Sorgen, Angst um Iroko und Wehmut um ihren Boss, Furcht vor der Zukunft, vor dem Nebel, der sich dort befand und vor Mikis Inneren, das ihr so fremd und kalt vorkam. Und dann waren dort noch Mikis eigene Sorgen, ihren sehr ähnlich, aber doch wie eine zweite Haut, die an den falschen Stellen zwickte. Sie brauchte eine Ewigkeit, bis sie endlich tief und fest schlief und dann kamen die Träume.

Sie sah Miki als kleinen Jungen, mit seinem Vater und dessen Baseballschläger. Wäre sie sie selbst gewesen, hätte sie den Unterschied wohl nie bemerkt, aber Miki wusste, das das ein besonderer Schläger war. Sein eigener, denjenigen den er nun selbst führte. Einer seiner wichtigsten Schätze. Sie wusste sofort, sein Vater war in der Sportwelt kein Unbekannter. Ein großer, berühmter Baseballer und als der Name in ihren Sinn kam, erkannte sie ihn sogar. Lewis. Es stimmte, sie kannte sich in diesem Sport nicht sonderlich aus und interessieren tat es sie eigentlich auch nicht, aber den Namen hatte sie in der Zeitung ein oder zwei Mal gelesen. Wenn sie sich recht erinnerte, dann kannte sie sogar Miki aus der Presse. Ehe sie diesen Gedanken jedoch weiter spinnen konnte, lief das Bild vor ihr weiter ab, in Zeitlupe, so schien es. Aber es war nicht unangenehm. Der kleine Miki, der den großen, schweren Baseballschläger seines Vaters in der Hand hielt und damit übte. Sie konnte das Glück in ihm spüren, so viel Stolz mit seinem Vater trainieren zu dürfen. Er wirkte gar nicht langsam, nicht im geringsten so wie heute. Ganz im Gegenteil, er war bereits als Kind unberechenbar schnell gewesen. Schon damals groß und sehr rund, aber trotzdem furchtbar schnell. Er wirkte wie ein ganz normaler Junge, er bewegte sich sogar ganz normal.

Eine Stimme drang an ihr Ohr, tief und sehr stolz. Sein Vater. Aus irgendeinem Grund wusste sie, er hatte nur ihn gehabt. Keine Mutter, keiner Geschwister, keine sonstigen Verwandten in nächster Nähe. Und trotzdem wusste sie, dass er glücklich gewesen war. Es war so ein schönes Bild. Doch es schlug schnell um und wurde düster. In seiner Erinnerung gab es noch andere Menschen. Neider, andere Sportler. Miki war von Geburt an ein durch und durch sanfter, tierlieber Mensch gewesen und er hatte selbst einen kleinen, etwas klobigen, aber genauso lieben Hund gehabt. Sie wusste, er war sein ein und alles gewesen. Vor ihre Augen traten nun zwei große Jungen, älter als Miki in seiner Erinnerung. Sie schienen sehr aggressiv zu sein, sie hörte sie böse Lachen, seinem geliebten Hund viel zu grobe Tritte verpassend. Das Jaulen und Wimmern des Tiers war unerträglich. Unbändige Wut überrollte sie und schloss sie ein in einen harten Kokon. Sie sah, wie Miki angerannt kam und sich dazwischen warf, um seinen Hund zu schützen. Die Jungen lachten ihn nur aus, als er versuchte seinen kleinen Freund zu retten. Sie beschimpften ihn und seinen Vater, traten so fest zu, dass der Hund am Kopf getroffen wurde und ein paar Meter weiter auf dem Boden landete. Er regte sich nicht mehr.

Ein grässlicher Schrei ertönte und brannte sich schmerzend in ihr Rückenmark. Es war sein Schrei, Miki schrie. Paula konnte den Schmerz spüren, als wäre es ihr eigener. Es war als hätte er seinen besten Freund verloren, selbst wenn es nur ein Tier war. Er hatte ihn geliebt, von ganzem Herzen. Für ihn war es nie nur ein Tier gewesen, sondern ein echter Freund. Sie hörte ihn weinen und sie musste selbst die Tränen unterdrücken. Das nächste, das sie mitbekam, war, dass er auf die beiden Kerle zurannte. Er wollte sich rächen, er wollte es ihnen heimzahlen, er brauchte das, er wusste sonst nicht mit seiner Wut und mit seiner Trauer umzugehen. Doch sie waren stärker, zu stark und droschen ihn fast bis zur Bewusstlosigkeit. Einer der beiden nahm seinen Schläger in die Hand und schlug so hart zu, dass sie den Schmerz an ihrem Kopf stechen spüren konnte. Danach wurde alles dunkel. Das nächste, was sie erkannte war, dass sie sich in einem Krankenhaus befand. Miki lag in einem der Betten und öffnete die Augen sehr langsam. Er hörte den Arzt mit seinem Vater sprechen.

»Sein Reaktionsvermögen ist eingeschränkt. Das Bewegungssystem wurde stark erschüttert. Wir können Ihnen leider nicht sagen, ob seine Reaktionszeit überhaupt noch im Toleranzbereich liegt.«
 

Weder Paula in jenem Moment, noch Miki in seiner Erinnerung verstanden, was das bedeuten sollte. Alles, was sie wahr nahmen war der Schmerz an seinem Schädel und in seinem Herzen. Sein kleiner Freund, sein allerbester Freund... war einfach nicht mehr da. Erneut drückte die Tränenlast sie nieder und betäubte sie. Dann sah sie Miki wieder, ein paar Jahre später auf einem Sportplatz. Er versuchte seinen Schläger zu schwingen, aber es klappte nicht richtig. Sein Papa war ebenfalls dort und sah ihm zu. Und als sein Vater ihn etwas fragte, antwortete er so langsam, wie sie es von ihm gewohnt war. Sie spürte die Enttäuschung seines Vaters und Mikis Schmerz bei dessen Anblick. Dann wieder ein neues Bild. Miki, fast so wie sie ihn kannte, saß an einem Krankenbett. Sie wusste sofort: sein Vater lag im Sterben. Diese Szene brachte bald noch schlimmere Empfindungen in ihr auf. Keine Wut dieses Mal, oder Trauer, sondern nur alles vernichtende, unendliche Leere, die sie in die Tiefe zog. Er hielt ihm seinen Schläger hin und seine letzten, kraftlosen Worte waren: „mach was draus, mein Sohn.“ Ein letztes Mal sah sie ihn weinen. Er war so langsam, er hatte seinem Vater nicht einmal mehr sagen können, wie sehr er ihn liebte. Sein Leben war erloschen, ehe er überhaupt angefangen hatte.

Noch mehr, noch schnellere Bilder prasselten auf Paula ein. Miki, wie er trainierte, wie er immer schneller wurde. Wie er zum Außenseiter wurde, weil niemand etwas mit ihm zu tun haben wollte, weil er behindert war, weil er den Leuten Angst machte. Einige machten sich über ihn lustig, andere mieden ihn ganz. In dem Sport seines Vaters wurde er immer und immer besser und irgendwann war sein Entschluss gefallen. Sie konnte seinen eisernen Willen in ihrem eigenen Herzen spüren, stärker als je ein Gedanke sie zu irgendeiner Zeit beherrscht hatte. Es war Hoffnung, die aufkeimte, ein Wunsch, Sehnsucht nach Freiheit, nach einem Platz für einen Menschen wie ihn. Baroque works, seine letzte Chance. Sein Boss, zu dem er aufschaute und den er schätzte, für sein Ziel, für sein Utopia.
 

Jazz, der sich direkt neben Paula gelegt hatte, er wusste nicht ob es nicht zutreffender war zu sagen Uma hätte sich neben Miki gelegt, schlief in dieser Nacht ebenfalls schlecht. Auch er hatte große Probleme gehabt einzuschlafen, als würde ihn irgendetwas schreckliches dort erwarten. Ihm war bereits aufgefallen, dass Miss MerryChristmas scheinbar Angst davor hatte in Schweigen zu verfallen, mit sich selbst allein zu sein. Doch als er endlich einschlief, wusste er warum.

Er konnte sie sehen und sie war ganz ruhig, vollkommen ungewohnt. Außerdem sah sie viel jünger aus, sehr viel größer, fast hübsch. Schon damals trug sie ihre Brille, aber feinere Gläser und sie hatte wirklich schöne Augen. Ein reines, aquamarinfarbenes Blau mit weichen grünen Brüchen darin. Sie saß auf einem Bett, hielt ein Buch in der Hand und las daraus vor. Eine Weihnachtsgeschichte. In dem Bett lagen zwei kleine Mädchen, Zwillinge. Umas Lächeln war vollkommen ruhig und gelassen und zwischen ihrer angenehmen Stimme hörte er immer wieder das Kichern der jungen Mädchen. Er vermochte es kaum zu glauben, dass das wirklich die nervige, kleine Frau war, die er kannte. Von ihr ging eine solche Ruhe und Gelassenheit aus, dass es ihn stark an die Kleine, an Iroko, erinnerte. Die drei wirkten friedlich. Offenbar war es der Weihnachtsabend und als die Geschichte fertig war, hörte er eines der Kinder aufgeregt schnattern.

»Mama, Mama! Können wir nicht schon ein Geschenk aufmachen? Biiiitteeeee, ja? Können wir? Eh? Bitte Mama!«

Lächelnd strich sie ihr über den Kopf »Schatz, du kennst doch die Regeln.«

Die Kleine bettelte weiter, doch ihre Mutter ließ sich nicht erweichen. »Nein, Schatz. du musst Geduld haben. Das ist eine Tugend, weißt du. Wenn du brav bist kommt der Weihnachtsmann und bringt dir was ganz Besonderes.« Mit diesen Worten gab sie jedem Mädchen einen feuchten Kuss auf die Stirn und verließ das Kinderzimmer.

Das Szenario wandelte sich. Erneut konnte er sie vor sich erkennen, ein bisschen älter, aber immer noch relativ attraktiv. Er konnte sie weinen sehen, spürte ihre Schmerzen in der Brust, die Trauer und die alles lähmenden Selbstzweifel. Sie schluchzte, schniefte, strich sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht, aber es brachte nichts. Ihre Augen konnten die Gefühle so stark wiedergeben, dass es ihm kalt den Rücken herunterlief. So etwas hatte er noch nie gesehen. Eine Freundin saß neben ihr an ihrem eigenen Bett und tröstete sie. Jazz war beinahe selbst zum Weinen zumute, obwohl er sich dagegen wehrte. Seine Seele empfand nur Mitleid, aber der Körper, in dem er steckte, zwang ihm Trauer auf. Er hörte sich selbst schluchzen.

»Es ist meine Schuld!« erklang Umas zitternde Stimme.

Ihre Freundin legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Red keinen Unsin. Es war nicht dein Fehler.«

»Doch!« keifte sie sie an. »Ich habe den Mädchen beigebracht wie wichtig es ist geduldig zu sein. Sie haben es sich zu Herzen genommen. Immer wenn sie brav waren habe ich sie belohnt. Sie waren krank, Tomoko-san! Sie waren so schrecklich krank! Der Arzt hat mir im Nachhinein erzählt, dass sie lange bevor sie es mir gesagt haben unter starken Schmerzen gelitten haben mussten. Krebs ist... ist teuflisch!« Schluchzen. »Erst als... erst als ihnen die Haare ausfielen, habe ich etwas gemerkt. Sie haben mir nichts gesagt. Sie meinten, sie wollten lieber abwarten. Mich nicht beunruhigen, wollten warten bis...« Sie schrie nun fast in ihrem Schmerz. »...bis die Schmerzen aufhörten!«

»Inugashi-san...«

»Ich ging mit ihnen zum Arzt... er verschob den Termin und ich... ich habe es hingenommen. Ich habe mir Sorgen gemacht aber.... ich war geduldig....« Nun brach sie im Schoß ihrer Freundin zusammen. »Ich dachte, das wird schon! Ich dachte, das muss werden... Es waren meine Schätze! Meine kleinen Schätze... ich... ich habe...«

Er spürte nun, wie ihm die Tränen hinab liefen und sich kalt und hartnäckig an seine Wangen klebten.

»Ich habe sie auf dem Gewissen! Ich hätte ihnen beibringen müssen, dass Geduld nicht immer richtig ist! Ich hätte selbst nicht eine Sekunde zögern dürfen, niemals!«
 

Das Bild wurde schwarz, aber er hörte ihr herzzerreißendes Weinen und Schreien noch in einem ewig nachklingenden Echo widerhallen. Es peinigte ihn, als würde ihm jemand ein Schwert in das Fleisch rammen. Es war nicht sein Schmerz und diese Frau war ihm vollkommen egal, aber... in diesem Moment konnte er nichts anderes tun, als mit ihr zu leiden. Als er selbst zu leiden und als Teil ihres Körpers. Er hätte nicht gedacht, dass sie durch so etwas schlimmes hatte durchgehen müssen...

Noch mehr Szenen hasteten an ihm vorbei. Uma, mit eingefallenem Gesicht, mit dickeren Gläsern, wie sie vor zwei Gräber steht und erneut schluchzt. Wie sie die Zoanfrucht isst und sich tagelang in der Erde eingräbt, um sich vor der Welt zu verstecken. Er fühlte ihre Verzweiflung, den Wunsch bei ihren Kindern zu sein, das Verlangen alles rückgängig machen zu können. Es wurde so schlimm, dass er für einen Moment befürchtete sie würde ihn in den Wahnsinn treiben. Er wurde mit so völlig fremden Gefühlen konfrontiert, dass er sich nichts sehnlicher wünschte als endlich aufzuwachen, diesem schrecklichen Albtraum zu entrinnen. Doch sein Kopf wurde weiter geflutet. Miss MerryChristmas, nein Uma, wie sie vor Robin steht und sich als Mitglied für die Firma meldet. Sie war nun vollkommen die Frau, die er kennengelernt hatte. Ihre Geduld völlig abgelegt, immer bereit zu handeln, immer sofort bei der Sache. Ein dunkler Gedanke überkam ihn und spülte ihn hinab in die Dunkelheit. War es das? War dies der Grund, warum sie so war, wie sie war? Spürte sie den Verlust ihrer Kinder, sobald sie still stand?
 

Ein unruhiger Schlaf plagte Bon so sehr, dass er sich in Jazz Körper immer wieder hin und her wälzte. Er träumte etwas seltsames, etwas ungewohntes. Er träumte von Paula. In seiner Erinnerung war sie jünger als jetzt, das konnte er sehen. Ihm war nicht ganz klar, warum er das dachte, er wusste es einfach. Ihr Haar war kürzer und ihre Haut irgendwie glatter und noch schöner. Oh Gott, dachte er für einen Moment, wenn sie das irgendwann hören würde, würde sie ihn sicherlich zur Hölle schicken. Aber sie war es, sie war jünger. Noch immer so hübsch, ja Paula war wirklich eine Schönheit. Sie arbeitete in einem Café, das überraschte ihn nicht, aber er sah Jazz an einem Tresen mit ihr trinken. Sie sah ihn an, auf die Weise wie sie Männer, die sie mochte, immer ansah. Verführerisch, ihr Schlafzimmerblick.

»Was macht denn der große Jazz Boner hier in meinem kleinen Laden?«

Er war ruppig wie immer und ließ sich von ihr nicht beeindrucken. »Gib mir was ordentliches zu trinken und sei ruhig.«

»Und was will mein Hübscher haben?«

»Bourbon.«

»Komm sofort, mein Großer!«

Undankbar nahm er das Glas entgegen und kippte es sich herunter. Der Laden war schon recht leer und es war sehr spät. Paula gehörte dieses Café, sie führte es mit ihrer Großmutter, das wusste Bon irgendwoher. Er sah wie sie sich zu ihm beugte und ihm ein Lächeln schenkte. »Brauchst dun Zimmer?«

Sein Blick war erbarmungslos. So kannte er Jazz gar nicht, er war noch immer ruhig aber irgendwie wirkte er in dieser Erinnerung so grobschlächtig und wild. Vor allem in Bezug auf Paula war das mehr als nur ungewohnt. »Lass stecken, Mädchen.«

»Uhhh, dabei will ich doch nur nett sein.«

»Dann sei zu jemand anderen nett.«

»Is aber niemand anderes hier.«

»Zieh Leine und lass mich trinken.«

»Ach komm schon. Keine Lust?« Sie schenkte ihm einen Handkuss und beugte sich weiter vor, ließ ihn in ihren Ausschnitt sehen. »Ich steh auf wilde Männer wie dich.«

Er winkte ab. »Noch einen und halt deine Klappe, sonst werd ich ungemütlich.«

»Kommt sofort~!«

Dann verzerrte sich die Erinnerung plötzlich, die Szene war die gleiche, aber das Bild trotzdem anders. Paulas Haare waren etwas länger, ein paar Zentimeter vielleicht, und sie trug ein anderes T-shirt. Jazz saß erneut auf diesem Stuhl und irgendwie hatte er das Gefühl, er hätte schon sehr sehr oft dort gesessen. Viel zu oft. Die blauhaarige Frau beugte sich zu ihm runter und lächelte. »Also, Boner... oder soll ich dich Jazz nennen?«

Er sah sie nicht an, sondern kippte das Zeug runter. Irgendwie spürte Bon, dass bereits etwas anders war. Etwas in seinem Inneren hatte sich verändert, nur ein wenig, nur ein bisschen. »...«

Der Laden war genauso leer wie bei der ersten Szene, niemand sonst war anwesend. Paula musterte ihn und er spürte wie tief ihr Blick ging. Sowohl Jazz als auch er fühlten sich dabei unwohl. »...Wie lange willst du noch warten?«

»Womit?« Sein Mimik war ausdruckslos, aber Bon wusste, dass es in seinem Inneren nicht so ruhig war, wie er sich gab.

Lachend fuhr sie sich durch das Haar. »Bis du endlich mit mir ins Bett steigst. Du bist seit nem dreiviertel Jahr fast jeden Monat hier, immer um diese Uhrzeit. Du kannst mir nicht sagen, dass das an unserem guten Alkohol liegt.«

»Klappe halten. Natürlich liegt das an eurem Bourbon.« erwiderte er mit bösem Blick.

»Oh.« Ein Schmunzeln benetzte ihre Lippen, sie legte ihr Gesicht auf ihre Hand. »Ist das so?«

»Ja.« Er wich ihrem Blick aus.

»Bist du zu schüchtern oder woran liegt das?«

Nun erschraken sowohl Paula als auch Bon, als Jazz sich aufrichtete, nach ihrem Top griff und sie über den halben Tresen zu sich zog, die Augen giftig auf ihre gelegt. »Sag das noch mal und ich bring dich um.«

Er wusste sie fühlte sich eingeschüchtert, aber sie hatte im Leben gelernt, dass Selbstbewusstsein alles war, genau wie eine gewisse Priese Vorsicht. Sie lächelte, wenn auch nur schwach. »Du bist wirklich ein rauer Bursche, was?«

Ruppig ließ er sie los und wandte sich zum Gehen um »Lass mich in Frieden, du Tussi.«

Aber sie wollte nicht, sie griff nach ihm und hängte sich an ihn, zog ihn wieder zurück und sich zu ihm hinauf, küsste ihn mit allem was sie hatte. Für einen Moment hielt er inne, dann drückte er sie an sich und erwiderte den Kuss, sehr hart und viel zu stürmisch. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und einen Augenblick lang konnte er ein angenehmes Ziehen in seiner Brust erkennen, doch sobald er es erfassen wollte, war es bereits entschwunden. Er konnte Paulas weiche Haut unter sich spüren, ihre sanften Lippen, ihr angenehmer Atem, ihre etwas zerzausten Haare. Sie klammerte sich an ihn und keuchte dann in den Kuss hinein.

»Ah... meine Großmutter schläft... wir können nicht rauf.«

Er drückte sie auf den Tresen. »Na und?«

Lachend zog sie ihn zu sich herunter. »Auf dem Boden, ok?«

Keine Antwort erklang, er tat es einfach.
 

Zu Bons Enttäuschung war die Szene an dieser Stelle zu Ende, doch das angenehme Kribbeln von tausend Küssen auf seiner Haut blieben zurück, genau wie das seltsam fremde Gefühl gestreichelt zu werden. Eine Empfindung, die ihm unverständlicherweise Angst machte, obwohl er sich nichts anderes wünschte als ewig so zu bleiben. Er spürte Jazz' unbändige, innerliche Unruhe, Unzufriedenheit und Sturheit. Als würde er etwas mit aller Macht herunter schlucken, tief vergraben wollen. Doch er wusste bei bestem Willen nicht was. Die Empfindung blieb zurück, während sich die Dunkelheit vor ihm wieder löste.

Erneut sah er Paula vor sich stehend. Gekleidet in einem superkurzen Outfit, schwarz und ziemlich aufreizend. So wie sie immer gekleidet war, nur sehr viel kürzer. Langsam tanzte sie auf ihn zu, auf Jazz, setzte sich auf seinen Schoß und drückte ihn zurück, leckte sich über die Lippen und grinste verstohlen. »Na? Wie möchtest dus haben?«

Er hörte sich selbst sprechen, mit Jazz' Stimme, doch sie war noch immer noch irgendwie zu rau. »Dreh dich um und halt die Klappe.«

Lachend strichen ihre Fingerkuppen über seine Brust und es kribbelte ganz schrecklich unter seinen Muskeln bei dieser Berührung. »Du böser Junge... aber du kannst mich gerne von hinten nehmen, so mag ich es.« Noch näher und dann schmiegte sich an ihn, hauchte in sein Ohr. »Uhhh.... fester, Liebling.«

Ein Gedanke kam ihm in den Sinn, er erinnerte sich, sein Körper erinnerte sich. Paula war eine ziemliche Nymphomanin. Ständig prasselten neue Sexszenen auf ihn ein und oh... in was für Stellungen. Die meiste kannte er gar nicht, aber er schrieb sie sich gleich in seinem imaginären Merkzettel auf, um sie nie wieder zu vergessen. Gerade als es richtig spannend werden sollte, blieb das Bild jedoch wieder aus und mischte sich zu einer neuer Szene zusammen. Ein Bett, sie lagen zusammen, Arm in Arm und Paula wie ein Kätzchen an ihn gekuschelt. Die beiden sahen fast so aus wie heute, es war wohl nicht sonderlich viele Jahre her. Er hörte ein Schnurren, spürte ihr weiches, etwas struppelliges Haar an seinem Hals.

»Ach, heirate mich, mein Hengst!«

»Du spinnst wohl.«

»Waaas? Aber ich möchte so gern!« quengelte sie.

»Ich heirate dich nicht.«

Sie zog einen Schmollmund. »Menno... muss ich dich erst eifersüchtig machen, damit du erkennst wie sehr du mich liebst?«

»Ich heirate dich nicht.«

»Hast du n Sprung in der Platte, oder was?« kicherte sie glücklich und es klang wie Musik in seinen Ohren. »Könnte man ein super Lied draus machen.« Lachend begann sie zu rappen. »Ich heirate dich nicht, ich heirate dich nicht, ich heirate dich nicht.«

»Sei still, Paula...«

»Uhh erst wenn du dich mit mir verlobst!«

»Du nervst...«

»Komm schon.« Sie rollte sich auf ihn und küsste ihn. »Was muss ich machen, damit du mich heiratest?«

Einen Moment lang betrachtete er sie, dann schlossen sich seine Augen. »Ich geh jetzt schlafen.«

»Awwww, Jaaaaazz! Lenk nicht immer ab!«

»...«

»Jaaaazzzz!!!«
 

Die nächste Szene kam und nun sahen sie wirklich so aus, wie er sie kannte. Es musste wohl nicht allzu lange her sein, vielleicht ein paar Monate bevor sie ihre Reise begannen. Bon erkannte Jazz neben ihr im Bett liegen, es war Nacht und Paula schlief. Sein Körper erinnerte sich gut, er spürte noch alles von dieser Nacht, hielt noch jeden einzelnen Gedanken inne. Er sah wie er sich zu ihr umdrehte und ihr Gesicht streichelte, sie musterte als wär sie ein Gemälde, fühlte wie sehr sich sein Körper zu ihr hingezogen fühlte. Sie war so hübsch und Bon war irritiert, dass er sie so stark empfand. So hübsch, dass sie ihm wie die schönste Frau der Welt vorkam. Es waren Jazz' Gefühle und Gedanken in diesem Moment. Es war ganz eindeutig Liebe. Nicht so eine Art Liebe, wie Bon sie für jeden übrig hatte, sondern eine sehr tiefe Liebe, eine sehr alte Liebe. Er wusste, dass er alles für sie tun würde. Bon hatte es für unmöglich gehalten aber... das Buttermesser hegte wirklich solche Gefühle für jemanden. Er hatte gedacht er wäre ein grober Klotz ohne jegliche Emotion, aber das hier... Bon schluckte, als sich Jazz zu ihr herüber beugte und ihr einen Kuss auf die Stirn gab, seine Worte ließen sein Herz flattern. »...Ich liebe dich.«

Der Körper wusste, dass er ihr das nur sagte, wenn sie schlief und wenn er sicher war, dass sie ihn nicht hörte. Aber Bon kamen bereits die Tränen vor Freude. Noch mehr quoll in ihm auf, eine Hoffnung für die beiden, bei Baroque works. Eine Zukunft für die beiden, nur für sie. In der sie frei waren und alles tun konnten, was sie wollten. Erneut wechselte die Szene und er fand sich in einer Stadt wieder, beim Einkaufen stellte er genervt fest, eine Tatsache, die Bon nie für möglich gehalten hätte. Er und genervt sein vom Einkaufen, so weit kam es wohl noch.

Paula erledigte einige Einkäufe, oh oder besser Paula zischte in die Umkleiden und Jazz trug ihre Sachen. Dennoch, es schien ihm nicht sonderlich viel auszumachen, er stöhnte zwar hie und da, aber wirklich zu Tode nerven tat es ihn nicht. Er mochte es eher in was für Teile sie sich da wieder zwängte. Sie lachte beim Einkaufen immer so viel, noch mehr als sonst. Er lächelte, allerdings nur innerlich, nach außen hin war er so wie immer. Er fragte sich ob Paula das wusste, ob sie es erkannte. Schließlich wandte sich die Szene wieder um und Jazz stand voll bepackt neben einem Juwelierladen, er wartete auf sie, draußen. Sein Blick ging langsam in das Schaufenster. Überall Glitzerzeug. Etwas nach der Art, auf das sie so sehr stand. Bon bemerkte, wie Jazz zögerte, hörte seine Überlegungen. Wie er abwägte ob er ihr wirklich einen Verlobungsring kaufen sollte oder nicht. Einerseits wollte er es, andererseits wollte er nicht. Er wollte sie glücklich machen, andererseits sich aber keine Blöße geben. Wenn sie unbedingt heiraten wollte, dann bitte. Von ihm aus. Aber... man war das so schwer. Bon erfuhr nun am eigenen Leib wie zerrissen er innerlich war. Schließlich jedoch, hatte er so lange überlegt, dass Paula wieder aus dem Laden getanzt kam und es zu spät war.

Hinter seiner so ruhigen Fassade arbeite es. Er überlegte noch immer, scheinbar schon sehr sehr lange. Er schien diese Entscheidung schon monatelang mit sich herumzutragen, unausgesprochen. Und irgendwie schien er in diesem Gebiet ziemlich langsam zu sein, oder entschlussunfreudig, oder... was auch immer. Jedenfalls wollte Jazz sie heiraten, das reichte schon um in Bons Kopf die Posaunen und Trompeten, die Blumen und die kleinen Engelchen tanzen zu lassen. Was für ein Romantiker... das hätte er nie von dem Buttermesser erwartet, nein... von Jazz erwartet. Scheinbar hatte er sich mit den Jahren verändert, war ruhiger und gelassener geworden, obwohl er Bon auch jetzt noch ziemlich hart vorkam. Lag das an Paula? Oh ja, er drehte sich innerlich im Kreis. Die Liebe einer Frau. Hahahaha. Doch wider seiner Erwartung ging die Traumsequenz noch weiter. Er beobachtete sie in einem anderen Laden, wie sie mit einem Mann flirtete. Das hieß er machte ihr ein Kompliment und sie war... eben Paula. Sie schwang sich hin und her und machte ein Gesicht wie eine verliebte Vierzehnjährige. „Ahhhh... Sie Unhold, Sie!“

Er spürte, dass Jazz keine Eifersucht kannte, früher schon, aber scheinbar hatte er sich so sehr daran gewöhnt, dass ihm das nichts mehr ausmachte. Er schlug sich innerlich gegen die Stirn und seufzte. Paula... Dann verlor er sich in einem tiefen, traumlosen Schlaf und grinste dabei in sich hinein.
 

Uma wandte sich in ihrem Schlaf mehr aus Wut, als aus Trauer oder Schock. Die Erinnerungen, die seine Träume ihr zeigten, heizten ihren eigenen Tatendrang immer wieder an und sie empfand solchen Ärger, dass sie nichts tun konnte, dass sie das mit ansehen musste. Am liebsten wäre sie sofort in die Vergangenheit gesprungen und hätte ihn ordentlich ins Gewissen geredet. Sie hasste es still zu stehen, sie hasste es einfach nur zuzusehen. Sie war eine Frau der Tat und was ihr auf der Zunge lag, sprach sie auch meistens aus. Gal hingegen war das komplette Gegenteil und das ärgerte sie maßlos.

Sie sah ein paar Bilder aus seiner Jugend. Gal als Vierzehnjähriger, mit einem etwas gewöhnungsbedüftigen Kleidungsgeschmack und schlimmer Akne. Er war noch nie sonderlich hübsch gewesen, aber darauf hatte er eigentlich auch nie viel Wert gelegt. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass er bei seinem Vater gewohnt hatte, und einer anderen Frau, nicht seine eigentliche Mutter. Sie wusste, dass sein Vater sich nicht sonderlich für ihn interessiert hatte, dass er viel öfter etwas mit seiner neuen Frau unternahm als mit ihm. Er hatte ständig versucht die Aufmerksamkeit seines Vaters zu erreichen und war doch immer gescheitert. Seine Noten waren brilliant, er spielte Klavier und war der beste jugendliche Schachspieler seines Landes. Doch all das reichte nicht um seinen Vater auf ihn aufmerksam zu machen. Seine Freizeit verbrachte er mit Lesen, damit Skulpturen zu formen und zu modellieren. Aus lauter Verzweiflung schrieb er sich bei zahlreichen Sportarten ein, aber er war meist zu tollpatschig und unsportlich und wurde dafür gehänselt. Immer wieder hatte er versucht Freunde zu finden, doch niemand interessierte sich sonderlich für ihn. Und wenn sie es taten, dann nutzen sie ihn meistens aus um ihre Hausaufgaben bei ihm abzuschreiben oder gleich Fragestellungen von ihm lösen zu lassen.

Gal war eigentlich ein sanfter Mensch, genau wie seine Mutter, das spürte Uma ganz tief in ihm. Aber er hatte bereits damals kein Selbstbewusstsein gehabt, wusste nicht, wie er sich durchsetzen sollte, was man von ihm erwartete. Größtenteils erzog ihn ein Hausmädchen, so alt, dass es seine Großmutter hätte sein können. Sie triezte ihn so lange, bis seine Manieren vollkommen waren und er Interessen entwickelte, die er gar nicht hatte. Nur in seinem Zimmer durfte er das tun, was er wirklich mochte: Skulpturieren. Er fertigte wirklich alles an, Tiere, Menschen, Wesen aus seiner Phantasie, Natur, einfach alles. Es war seine absolute Leidenschaft und nichts anderes konnte ihn glücklicher machen, außer vielleicht ein Lächeln seines Papas, das er doch nie bekam. Er fraß das alles tief in sich hinein, die Hänselein in der Schule, die unerwiderte Liebe zu seinem Vater, die vielen Male, die er unwillentlich mitbekommen musste, was er und seine neue Frau abends so trieben. Seine ganze Einsamkeit, seine Unzufriedenheit, seine Angst vor der Zukunft, das alles vergrub er ganz tief in sich selbst. Man gab keine kritischen Kommentare, man war nicht unhöflich, man redete nur, wenn man gefragt wurde, das alles wurde beinahe wortwörtlich in ihn hinein geprügelt.

Sein gesamtes Leben zog sich das so weiter. Er nahm „einen anständigen“ Beruf als Notar an, anstatt seiner künstlerischen Leidenschaft zu folgen. Er versuchte es immer wieder mit Frauen, doch tief innen drin wusste er, dass er Männer mehr mochte. Mit aller Macht zwang er sich in ein normales Leben hinein, um niemanden einen Grund zum Anstoß zu geben. Es war die Hölle, doch er ertrug es. Unter keinen Umständen wollte er seinen Vater enttäuschen, obwohl sich dieser gar nicht mehr für ihn interessierte, nachdem er ausgezogen war. Doch Gal kämpfte weiter dafür, um die Anerkennung. Es brachte nichts, am Ende blieb er doch allein. Uma hielt das nicht aus. Sie spürte seine Leere, seine unendliche Einsamkeit, die Tränen, die er immer wieder zurück drückte, die Gefühle, die er nie heraus ließ. Es machte sie wahnsinnig. Sie wollte ihn durchschütteln, wollte dass er zur Vernunft kam. Er war doch kein schlechter Kerl, er war ein toller Künstler, also wieso ließ er sich das gefallen? Wieso spielte er dieses Spiel nur mit? Sie verstand es einfach nicht, sie verstand es wirklich nicht.
 

Dann fand einen Szenenwechsel statt. Sie wusste, er hatte seine Teufelsfrucht gegessen, die ihm plötzlich völlig andere Seiten an ihm zeigte. Sie wusste es irgendwo her. Zuerst hatte es ihm Angst gemacht, dann jedoch war er begeistert. Er fühlte sich besonders, als wäre er zu einem Superheld mutiert. Voller Stolz zeigte er seine neuen Fähigkeiten seinem Vater und dessen Gefährtin, doch er traf nur auf Unverständnis und Furcht. Er wollte nicht, dass sein Sohn so ein „Freak“ war, die Frau beschimpfte ihn gleich und lief verängstigt davon, als er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich wütend wurde. Er schrie, er schrie seinen Vater an und ließ alle seine Wut an ihm aus. Es war beängstigend wie er sich verhielt, vollkommen anders als sonst. Es war der Tag, an dem sein Vater ihn verstieß und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Gal verlor seinen Job, seine derzeitige Freundin und seine Wohnung. Er war so kurz davor alles aufzugeben und sein Leben hinzuschmeißen. Doch dann fand er irgendwoher Mut, Kraft. Zum ersten Mal überlegte er wirklich, was er mit seiner Teufelsfrucht machen konnte, was für eine Kraft er nun erlangt hatte. Es musste Schicksal sein, nichts anderes kam in Frage. Er war dazu ausgewählt, er war etwas besonders.

Voller Verbitterung und Hass ließ er alles hinter sich, jeden hinter sich, den er gekannt hatte. Er fuhr zur See und hielt sich mit Gelegenheitsarbeit über Wasser, er trainierte seine Fähigkeiten so hartnäckig, wie er sein ganzes Leben geführt hatte. Und dann tötete er seinen ersten Menschen. Uma sah das Bild genau vor sich. Ein junger Mann, mit dem er in einen Streit gekommen war. Er hatte ihn vollständig eingewachst und ihm beim Sterben zugesehen. Sie erkannte das verweinte Gesicht der Freundin des Sterbenden, die Angst und die Trauer in ihren Augen. Es machte ihn wütend, obgleich er innerlich wankte. Er wollte stark sein, er wollte mächtig sein, sich nichts mehr gefallen lassen, endlich derjenige sein, der am Ende lachte und allen anderen überlegen sein. Ja, das wollte er, aber er wollte eigentlich niemanden umbringen. Er wollte nicht zum Monster werden. Und dennoch, sein Tod brachte ihm ungekannte Befriedigung. Nach diesem Tag mussten sehr viele Menschen ihr Leben durch seine Hand lassen, er fand sogar einen Käufer für die Figuren, die er dadurch gewann. Doch irgendetwas war fehl am Platz, etwas war nicht richtig und nach einer Weile, fühlte er sich leerer als je zuvor. Sie spürte, dass er sich lange gegen diesen Gedanken wehrte, aber er erkannte sich selbst nicht mehr wider.

Eigentlich war er doch nur ein gewöhnlicher Mann mit sehr viel Phantasie und Leidenschaft. Er wollte sich nicht herum schubsen lassen, aber er wusste auch, dass Rache niemanden etwas brachte. Selbstzweifel mischten sich erneut unter sein falsch erworbenes Machtgefühl und höhlten ihn aus, bis er am Ende genau an dem gleichen Punkt stand, wie zu seiner Jugend. Er übertünchte es weiterhin, doch die Tatsache blieb bestehen, dass er sich selbst bemitleidete und sich wünschte er wäre nie geboren worden. Nur ein heller Punkt in der Ferne blieb Uma als letzter Gedanke. Eine Hoffnung, eine Firma, die ihm das versprach, was er sich wünschte. Eine neue Welt, ein Zuhause, einen Platz, einen Ort, an dem er vielleicht, unter Umständen, mit einer winzigen Chance so sein konnte, wie er wirklich war.
 

Es war sehr eigenartig, als Miki endlich in tiefen Schlaf fiel. Alles war so hell und bunt und ihm kam es so vor, als wäre die ganze Welt ein riesengroßer Süßigkeitenladen mit einer irren Auswahl. Er konnte sich selbst erkennen, nein einen jungen Bon, der fröhlich durch die Gegend sprang und seine Freude in eigensinnigen Liedern ausdrückte. Schon immer war er ein aufgeweckter Kerl gewesen, früh hatte er angefangen zu tanzen, seine absolute Leidenschaft, von unglaublich vielen, die er besaß. Es kam ihm so vor, als könne er sich von allem begeistern lassen. Er war schon damals ein äußerst tolerantes und weltoffenes Kind gewesen, dass es schien er wäre mit sich und der Welt vollkommen im Reinen. Er liebte die Musik, liebte den Rhythmus, die Bewegungen. Miki spürte die Freude in ihm aufkommen. So ein wundervolles Lebensgefühl. Er liebte alles um sich herum, liebte das Leben.

Genau wie Uma war er ein Waise. Er lebte in einem kleinen Heim und sorgte mit seiner ungewöhnlichen Art immer wieder für Aufruhr. Viele Kinder mieden ihn und nur manche gaben sich mit ihm ab, aber so oder so war er ein ungesehener Gast. Die Aufseher wussten nichts mit ihm anzufangen. Er war ein viel zu fröhliches Kind, ungewöhnlich für einen Waisen. Sie vermuteten irgendein Trauma dahinter und brachten ihn in eine Nervenklinik, obwohl manche ihn auch einfach nur loswerden wollten. Einen Jungen, der gern Ballett tanzte und selbst Puppen stickte war so oder so schwer an eine Pflegefamilie zu vergeben. Doch in der Klinik befand man ihn für schwer gestört und versuchte ihn mit teilweise schweren Medikamenten umzupolen, zu behandeln, einen normalen Jungen aus ihm zu machen. Bon allerdings gab einfach nicht auf, er hatte einen starken Willen und nichts und niemand konnte ihm das Gefühl der Lebensfreude nehmen, kein Beruhigungsmittel, keine Therapie und keine Gitterstäbe vor seinem Fenster. Er würde nicht aufhören zu leben und das Leben zu lieben. Seine Eltern waren zwar tot, aber er selbst lebte. Und er wollte alles aus diesem Geschenk machen, was er konnte. Er wollte jeden mit seiner Freude anstecken, ihre traurigen und legierten Gesichter erhellen.

Er liebte es, wenn die Leute um ihn herum lachten, selbst wenn sie über ihn lachten. Es machte ihm nichts aus, er lebte dafür andere glücklich zu machen. Das war seine Aufgabe im Leben. Er hasste traurige Gesichter, er hasste es, wenn Menschen litten. Er wollte ihnen allen etwas von seinem Mut abgeben, die Welt für jeden etwas schöner machen. Es störte ihn nicht, wie man ihn als Jugendlichen rief, als er sich zu schminken begann. Es interessierte ihn nicht was sie dazu sagten, dass er nicht nur auf Frauen stand. Aber er war auch nicht dumm. Miki erlebte mit, wie er hart trainierte, hartnäckig seinen Kampfstil mit dem Ballett, seinem Lieblingstanzstil, kombinierte und seinen Körper immer weiter stählte. Es brachte ihm noch mehr Gelächter ein, aber auch einen gewissen Respekt. Niemand wagte es ihn direkt anzugreifen, weil sie wussten wie gefährlich er werden konnte. Bon wusste selbst, dass er nicht ganz normal war, aber was sollte es schon. Wer bestimmte schon, was normal war? Er war glücklich so, wie er war. Und das war alles, was für ihn zählte.

Er war gerade einmal 28 Jahre alt, als er sich bei Baroque works meldete. Es war genau die Organisation, die er brauchte. Ein wundervolles Ziel. Utopia, eine Welt voller Freiheit, voller Leben, Liebe, Gelächter. Keine traurigen Gesichter mehr, sein Traum. Und er würde dafür kämpfen, so hart er konnte. Er würde für seine Träume kämpfen. Miki hatte ein Lächeln auf dem Gesicht als die Sonne aufging und ihre ersten Strahlen durch das Blätterdach direkt auf seine Nase schickte. Der Tag brach an, der wohl letzte in ihren fremden Körpern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-04-26T17:25:56+00:00 26.04.2010 19:25
was du wieder für ideen hattest respekt
aber du warst doch bestimmt froh als du das kapi fertig hattest?

lg brot22
Von:  Jefferson
2010-04-26T12:57:44+00:00 26.04.2010 14:57
Das Kapitel war für mich zwar nicht befriedigend genug aber... es war trotzdem toll. Man hat so schön hinter jede einzelne Fassade blicken können. Ihr habt euch erstaunliche Mühe gegeben, jedem eine Hintergrundgeschichte zu geben! Alles zu erklären, allem einen Sinn zu geben - alles fügt sich logisch zusammen und das finde ich wirklich sehr bewundernswert.
Genau genommen... fehlt damit ja, glaub ich, nur noch Crocodile und was ihm passiert ist. Aber das dauert wohl noch. Leider. Das Kapitel hat mir eindeutig zu wenig Croco beinhaltet, aber das kommt dann wohl wieder. XD
Ich bin gespannt, wies weitergeht.


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