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Tausend und 1 Nacht

von

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Kapitel 22

Kleiner Hinweis, da das Buch in diesem Kapitel die Hauptrolle spielt und seine Geschichte erzählt, ist alles was Lian als die gedanken von Raphael liest, mit einem Absatz und einem * vor dem ersten und hinter dem letzen Satz gekennzeichnet.
 

Kapitel 22
 

Doch plötzlich schien Daeíon die Absicht des Vampires durchschaut zu haben, denn er stoppte seine Angriffe und versuchte stattdessen sich aus seinen Schatten zu drehen und so zu dem Jungen zu gelangen.

Reichlich spät, wie Lian bemerkte. Scheinbar war er nur wild und unberechenbar solang er einfach dem Instinkt des Tötens nach ging, sobald er dachte wurden seine Bewegungen präziser und seine Koordination damit schlechter, schließlich ließ der Schmerz nicht nach. Doch natürlich änderte das nichts an der Tatsache, das dieses Wesen nach wie vor um ein Vielfaches schneller war als er.

Blitzartig hechtete Lian zur Seite als er gerade im letzen Augenblick einen Schatten auf sich zuschießen sah. Unglücklicherweise war er nicht schnell genug um auch dem nächsten Angriff wirkungsvoll auszuweichen. Er hatte einfach Glück gehabt, doch letztendlich war er nur ein einfacher Mensch der, mal wieder, nicht auf das hörte was man ihm riet, und damit war er bei weitem nicht so schnell wie ein Vampir, während er noch fiel sprang Daeíon schon wieder auf ihn zu. Unweigerlich kam ihm der Verglich mit einer Schnecke in den Sinn. Noch in derselben Sekunde wunderte er sich über die Absurdität dieses Gedanken…er war gerade dabei sein Leben, zu verlieren und ihm fiel nur ein Vergleich mit einer Schnecke ein?
 

Doch soweit sollte es nicht kommen. Plötzlich spürte er etwas Weiches über seinen Hals und die Arme streifen und Daeíon stolperte rückwärts. Fast in derselben Sekunde zog ihn etwas auf die Beine und einen Moment später wurde er unsanft einmal um den Rücken des Vampires befördert nur um auf der anderen Seite wieder angehalten zu werden.

Inzwischen hatte er registriert das Raphael bei ihm war und ihn gleich zweimal vor den Angriffen des anderes geschützt hatte und das dritte mal auch nicht mehr auf sich warten ließ. Lian wurde auf den Boden gedrückt und anschließend wieder auf die Beine gerissen.

„Verschwinde!“ raunte ihn der Vampir zu bevor er ihn ein par Meter von sich stieß, nicht stark genug um ihn zum fallen zu bringen, aber stark genug das er schon laufen musste bevor der Befehl sein Gehirn erreicht hatte.
 

Erst als er die kalte Mauer in seinem Rücken spürte hielt er an. Er atmete schwer und sah sich um.

Raphael war noch immer da wo er vor ein paar Sekunden ebenfalls war und Daeíon schien endlich ruhig zu werden, zumindest kniete er auf den Boden und sah den andren an.

„Dieses mal...muss ich mich geschlagen geben…“ hörte er ihn japsen. Raphael wandte sich ohne ein weiteres Wort um und ging…Plötzlich sah Lian wie sich Daeíon aufrichtete und etwas aus seinem Mantel hervor zog. Hastig sah er sich um. Unweit von ihm lag eine gebrochene Scheibe Glas. Es war inzwischen kalt, die Dunkelheit hatte den Himmel beinahe vollständig erobert, aber der Mond schien Lian in diesem Moment so hell wie das Sonnenlicht. Körperlich war er Daeíon unterlegen, er ahnte dass der nichts Gutes im Schilde führte. Schnell griff der Junge das Glas, rannte die Strecke zurück die er eben gekommen war und hielt die Scheibe so, dass das Licht voll reflektiert werden konnte, direkt ins Gesicht des Vampyr, der sprang auf, schrie seine Wut heraus und taumelte zurück während er seine Augen bedeckte. Raphael der Lian gesehen und ihn eigentlich ignorieren wollte, registrierte in diesem Moment was der Junge vor hatte, und als er sich umdrehte musste er zugeben dass das ziemlich gerissen war. Er nutzte die Chance, seine Bewegungen wurden schneller und bis auf einen Ruck der den Jungen durchfuhr während die Scheibe in weiter Ferne zerbrach, spürte Lian als nächstes nur die Wand der unterirdischen Behausung im Rücken.

Dann wurde es schwarz und er spürte gar nichts mehr.
 

Als er die Augen öffnete lag er nicht mehr auf den Boden und hatte allgemein Mühe zu überlegen was eigentlich passiert war. Dann fiel es ihm wieder ein und sein Puls raste. Wahrscheinlich hatte er sich sowieso bereits in eine unverbesserliche Lage gebracht. Jetzt würde Daeíon nicht nur Raphael suchen sondern ihn gleich mit dazu, und mit seiner Neugier hatte er sich fast schon in den sicheren Tod manövriert, und eigentlich würde er auch gar nicht mehr leben wenn Raphael ihn nicht geholfen hätte.

Moment Raphael hatte ihm wirklich geholfen? Er hatte das nicht nur geträumt? Verwirrt versuchte er seine Gedanken weiter zu ordnen. Doch warum war er eigentlich umgekippt? War die Bewegung des Vampires zu schnell, oder hatte es ihn schlimmer erwischt als er zunächst bemerkt hatte? Er horchte in sich, bis auf ein paar dumpfen Schmerzen, die wahrscheinlich von blauen Flecken herrührten fühlte er sich eigentlich sehr gut, wenn man die Kopfschmerzen außer Acht ließ.

Lian seufzte. Spätestens beim nächsten Treffen mit Raphael würde er ihm entweder einiges erklären müssen, oder er würde einfach gar nicht mehr beachtet. Der Junge prädestinierte Lösung Nummer zwei. Es stimmte ihn traurig, doch diesmal hatte er wirklich selber Schuld und diesmal würde es auch keine gute Ausrede dafür geben. Allerdings musste er sich wieder einmal korrigieren. Erst jetzt registrierte er einen Schatten in der hinteren Ecke. Raphael war nicht gegangen?

Sofort schnellte der Junge in die Höhe, bereute dies aber gleich wieder und sank zurück, während er bemüht darum war, das Karussell in seinen Kopf zum stehen zu bringen.

„Entweder bist du lebensmüde oder dümmer als du aussiehst.“ Erklang es von der Ecke. Lian öffnete die Augen.

„Schon gut…ihr habt ja Recht…“

„Bleib liegen…du hast mehr als nur ein bisschen Glück gehabt…“ knurrte der Vampir und stieß sich von der Wand ab zur Tür.

„Warte…“ entfuhr es dem Jungen.

„Was?“

„Wie geht es der Verletzung?“ fragte Lian.

„Eine von vielen.“

Vorsichtig richtete sich der Junge auf und stand schließlich ganz auf.

Während er auf den Vampir zu lief.

„Aber keine normale…ich hab gesehen was die bei Daeíon angerichtet hat…Lass mich sie wenigstens behandeln damit es schneller geht.“ Murmelte er.

„Hast du eigentlich keine anderen Sorgen?“

„Wieso? Es ist schließlich meine eigene Schuld das du verletzt wurdest.“

Scheinbar hatte sich Lian den Kopf doch heftiger gestoßen, erst jetzt merkte er dass er den Vampir duzte, um sich nicht ganz zu blamieren beließ er es vorerst dabei.

Dann war er bei Raphael angekommen.

„Was war das für ein Bolzen?“

„Einer mit Silber und Weihwasser…das übliche eben.“

„Dann ist es tatsächlich so?“

„Was?“

„Das Vampyr damit schwerer verletzt werden können als du.“

„Scheint so.“

Lian nickte, nahm sich ein bisschen Wasser und Stoff, das er irgendwie hier her gebracht hatte und reichte es Raphael.

„Ich denke, wenn man die Wundränder abwischt, sollte es besser gehen.“ Erwiderte er.

Widerwillig nahm der Vampir den Stoff. Tatsächlich wurde es besser.

„Na bitte…“ murmelte Lian und ging zurück. Er konnte Raphael nicht wirklich ins Gesicht sehen.

„Du bist ein seltsamer Mensch.“ Erwiderte der Vampir.

„Warum?“

„Schnecken?“

Der Vampir sah ihn an. Lian wurde noch roter.

„Es ist unangenehm wenn ihr meine Gedanken lest.“ Erwiderte er.

„Wir waren schon beim du…“ damit verschwand er und ließ Lian stehen.
 

Irritiert sah er die Tür an. Wie lang war Raphael eigentlich hier gewesen und wieso war er überhaupt hier? Eigentlich hatte er schon damit gerechnet den Vampir nicht mehr zu sehen und wenn dann hatte er damit gerechnet das er ihn entweder ignorieren oder gleich einkerkern würde. Nun war er hier gewesen, scheinbar seit er zusammen gebrochen war, wie lang das auch immer war. Wieso also saß er dann hier, starrte die Tür an und sprang vor Freude nicht an die Decke?

Und wenn er schon dabei war, was war eigentlich wirklich passiert, da oben und was war danach?

Was hatte Daeíon gesagt, Blut sollte dicker sein als Wasser? Was hatte er wohl damit gemeint?

Ihm fiel es nach wie vor sehr schwer irgendeine Verbindung zu den beiden zu finden. Er wollte keine finden, doch es machte ihn neugierig. So unterschiedlich wie sie waren? Welche Mächte hatten da wohl ihre Hände im Spiel? Ob er darüber je etwas erfahren würde? Vielleicht Stand in dem Heft, das Raphael ihm überlassen hatte etwas. Doch ob das so war, würde er noch herausfinden. Er sah sich um. Die Rollen und Schriften lagen in der andren Ecke des Zimmers.
 

Lian seufzte, im Moment wäre es ihm lieber, wenn er sich nicht mehr so genau an das erinnern würde, was letztendlich seinen sicheren Tod bedeutet hätte, wenn…Ja wenn Raphael ihn einfach ignoriert hätte.

Ein seltsames warmes Gefühl machte sich in ihm breit. Sollte er sich doch nicht geirrt haben?

Er schüttelte den Kopf. Wer weiß was wirklich dahinter steckte, am Ende war es nur wieder eine Laune des Vampires und spätestens morgen bekäme er die Rechnung.
 

Vorsichtig stand Lian auf und ging zu seinen Rollen. Irgendwo zwischen ihnen hatte er das Heft geklemmt. Nach mehreren Versuchen hatte er es gefunden und die dazugehörigen Notizen gleich mit. Er ging zurück und überflog seine Zettel noch einmal.

Die Kopfschmerzen waren glücklicherweise noch in einem Maß das man ertragen konnte, er hoffte das das auch noch ein bisschen so bleiben würde und er damit die Möglichkeit hatte eine oder auch 2 Seiten zu lesen.
 

Lian atmete noch mal durch, dann schlug er das Heft auf und begann zu lesen. Er tat es wie beim ersten Mal. Er überflog die Seiten kurz um zu sehen ob er davon etwas verstand. Wie erwartet waren es nur ein paar wenige Wörter, selten ganze Sätze und noch seltener begriff er den Sinn der wenigen Dinge die er schon lesen konnte. Es half also nichts, er würde damit anfangen wieder Abschriften in seiner eigenen Sprache zu fertigen. Was hatte er erwartet? Gut er hatte ein wenig mehr gelesen, doch meistens nur die Rollen, und die waren ja bekanntlich selten so alt wie das Heft. Er seufzte leicht, schüttelte dann aber den Kopf und begann. Nach 3 Seiten musste er aufhören. Die Kopfschmerzen ließen nicht wie erwartet nach sie waren stärker geworden. Er klappte das Heft zu und nahm sie seine eigenen Zettel um zu sehen was er bisher gefunden hatte.

Der Text erzählte von der Zeit, nachdem Raphael erkennen musste, mit welchen Geschöpfen er unterwegs war. Sie wurden mit jedem Tag schlimmer, am Ende schrieb der Vampir nur noch über den Eindruck den der Kopf der Bande auf ihn machte. Nebenher erwähnte er dass er nun seit 1 Jahr mit ihnen zog. Tatsächlich erzählte der Texte eher dass was Raphael dachte, er sprach von sich selbst und nicht in einer dritten Person wie es ganz am Anfang war. Seine Beschreibung klang treffend.
 

*Je länger ich ihn ansehe umso mehr frage ich mich was ich hier soll, und weiß dabei überhaupt nicht mehr wer das eigentlich ist. Vielleicht sollte ich verschwinden. Einen anderen Weg finden, doch welcher ist denn der richtige? Ohnehin reden nur alle auf mich ein und wollen mich zum Zweifeln bringen, dabei sollte ich doch eher auf meinen eigenen Verstand hören. Es ist kein gutes Gefühl sich im Spiegel zu sehen und sein Gesicht nicht mehr zu erkennen. Ich frage mich wohin DIESER Weg noch führen soll, ein Weg auf dem ich jeden einzelnen Schritt hinterfragen muss und dabei feststelle, das ich nichts anderes tue als mich selbst zu belügen. Und morgen schon werden wir auf einen Ort treffen, der nur Verlust für mich hinterließ. Ich habe geglaubt, etwas zu finden was ich verloren dachte. Zerádes war dort, doch gefunden habe ich ihn damals nicht. Kennst du das wenn man versucht immer anderen die Schuld zu geben? Nun dann weißt du wie es sich anfühlt, wenn man selbst die Schuld ist. Doch aller Zweifel nützt nun nicht mehr viel. Um mein Schicksal zu wenden, werde ich an mir selbst arbeiten müssen und mich nur darauf verlassen, eine Antwort zu finden. Nicht irgendwo sondern in mir selbst. Ihren Zweifeln kann ich nur standhalten wenn ich meinen eignen Glauben nicht verliere. Im Moment denke ich das ich unbedingt gehen sollte, bevor ich noch zu etwas werde was ich nicht möchte, vielleicht ist das Glück auf meiner Seite und die Chance bietet sich schon morgen. *
 

Was er damit wohl meinte? Lian sah irritiert auf den Zettel vor sich. Von was um alles in der Welt sprach Raphael? Es nützte nichts, sein Kopf machte sich bereits mit Nachdruck bemerkbar und er wankte unsicher ins Bett zurück. Er hoffte inständig, dass es ihm morgen besser gehen würde. Noch immer mit den Gedanken bei einem einzigen Satz schlief er schließlich ein.
 

Mitten in der Nacht kam Raphael zurück. Er hatte sich vergewissert, das die ungebetenen Gäste nicht mehr in der Nähe waren, zumindest vorerst nicht. Nun war er erneut, und schon wieder zu seiner eigenen Verwunderung, zu Lian gegangen, wo er den Zettel vorfand. Was hatte er gesucht? Fragte er sich, doch schon nach den ersten Sätzen traf es ihn wie einen Blitz. Er hatte das Heft erneut herausgeholt und mit bitterem Nachgeschmack stieß der Vampir auf eine Passage, die er ebenso wenig vergessen hatte wie dessen Namen den sie trug. Plötzlich rauschten die Bilder von diesem Tag in ihm auf, er wusste bisher nicht mal dass er etwas über Zerádes geschrieben hatte, geschweige denn davon was er wusste. Und es war ihm nicht entgangen, das die Texte die Lian übersetzt hatte unerfreulich korrekt waren. Eigentlich hatte er eher damit gerechnet, dass er den Sinn nicht verstehen würde, allerdings schien er auch diesmal seinen Zweifeln Glauben schenken zu müssen. Anders als sonst wurde er darüber nicht einmal wütend, im Gegenteil er fühlte so etwas Ähnliches wie Zufriedenheit, die ebenso rabiat wieder in die Verbannung zurück geschickt wurde, mit mäßigem Erfolg. Raphael nahm das kleine Heft, das neben den Notizen lag und schlug es auf. Ohne wirkliche Verwunderung stellte er fest, das ihm ein großer Teil dessen entfallen war, was er einst selbst geschrieben hatte, nun wurde es allmählich schwierig. Früher oder später würde der Junge auch auf Dinge treffen, die er entweder gleich verstand oder nach denen er fragen würde wenn er nicht weiterkam. Und die meisten davon waren mit dunklen und schmerzhaften Erinnerungen behaftet die sich nach und nach wieder hergestellt hatten. Allen voran der Zusammenhang zwischen Daeíon und Raphael, ein düsteres Kapitel das besser unbelesen blieb. Leise seufzend schrieb er noch ein paar Sätze unter die Notizen des Jungen. Ob er sie verstand oder nicht, interessierte ihn eher wenig, doch bevor er eine Frage beantwortete die er gar nicht erst hören wollte, oder ihm gleich eine Erklärung lieferte die ihn vor eben einer solchen Fragen behüten würde, kam letztendlich aufs gleiche raus. Er wollte nicht darüber nachdenken und noch weniger darüber sprechen. Dann war er wieder verschwunden.
 

Lian erwachte. Er wusste nicht wie spät es war, doch seinem Hungergefühl nach zu urteilen, konnte es gut um die Mittagszeit sein. Als er aufstand, stellte er fest, dass neben seinen Kopfschmerzen, die glücklicherweise verschwunden waren, auch andere Schmerzen ein wenig nachgelassen hatten. Lian nahm sich etwas zu essen und zog sich um. Dann ging er zum Tisch zurück. Verwundert blickte er auf die Notiz die er gestern angefertigt hatte. Sie war, zu seiner Überraschung, ein bisschen länger geworden.

Raphael war also noch einmal hier gewesen.

Ein wenig verunsichert beugte sich der Junge über das Blatt und begann zu lesen.
 

*Zerádes war sehr wohl dort, allerdings nicht mehr als der den ich kannte. Er wirkte fremd und erinnerte sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen. Der Grund dafür lag auf der Hand, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht schlüssig für mich. Erst viel später habe ich verstanden was passiert war und warum. Denk nicht weiter darüber nach. Zerádes ist tot genauso wie die anderen die im Verlauf des Berichtes noch auftauchen werden.*
 

Damit endete die Notiz und in Lian keimte eine leise Ahnung empor. Zerádes war also tot, wenigstens der den Raphael damals suchte. Oder? Doch welchen Grund hatte es, das er sich selbst als Schuld bezeichnete? Die Theorie die der Junge hatte ließ im Grunde nur 2 Schlüsse zu. Entweder war Zerádes einer von vielen Opfern, die einer seltenen Krankheit zum Opfer fielen, oder Zerádes war nicht mehr er selbst. Wobei letzteres eher Sinn auf die Bemerkung machte die der Vampir hinterließ. Dementsprechend konnte es also tatsächlich eine Chance geben, die Vergangenheit des Vampires näher zu durchleuchten. Diese Chance hatte den Namen Zerádes, und wahrscheinlich gab es ihn immer noch, wenn er nicht einem Jäger zum Opfer gefallen war, oder er hatte gar einen ganz anderen Namen heute, sofern seine zweite Theorie wahr sein würde. Doch wollte er das wirklich heraus finden? Sicher hatte Raphael einen guten Grund ihn darauf aufmerksam zu machen nichts darüber sagen zu wollen, oder ihm mehr oder weniger deutlich gemacht, dass er nicht darüber sprechen werde wenn er ihn fragen würde. Andererseits kam er sich schon eigenartig genug vor. Er saß hier und versuchte ein Buch zu lesen, dessen Autor nur eine Tür weiter war, aber der unglücklicherweise davon nichts mehr wissen wollte.

Kopfschüttelnd nahm sich der Junge ein weiteres Papier und schlug das Heft aufs Neue auf. Vielleicht würden auch die weiteren Seiten noch ein paar Hintergründe offenbaren. Zum Beispiel wer Zerádes war.
 

Es dauerte nicht sehr lang bis er wieder auf eine Passage stieß die ihn schaudern ließ. Natürlich war Raphael nicht gegangen als sich ihm die Chance bot, denn an diesem Tag war er nicht allein unterwegs. Ein Mann namens Gordon hatte ihn begleitet, da ihm der Junge irgendwie bekannt vor kam. Woher, das sollte er bald erfahren. Gordon führte ihn durch zwielichten Gassen und noch schlimmer riechenden Strassen, bevor er an einer Hütte anhielt und ihn hinein zitierte. Raphael ging wieder heraus. Der Geruch der ihn entgegen wehte, erinnerte ihn daran wo sie sich befanden. Mitten auf einen Schlachtfeld, dessen Wunden sich noch weit über die damals, wahrscheinlich reichen Felder, zogen. Und unweit dieser Narben ertönte das Donnern derer die dafür verantwortlich waren.
 

*Also ist der Krieg nun auch schon bis hierher gedrungen und fordert seinen Tribut. Lange können wir hier nicht bleiben, zu groß ist die Gefahr in Dinge verwickelt zu werden, die noch mehr Trauer und Leid mit sich führen. Gordon hatte mich ins Lazarett gezerrt, oder zumindest soll es eins gewesen sein. Der Vorort zum Hades wäre wohl die treffendere Bezeichnung für das was sich mir dort bot. Neben den verwundetet lagen die toten und auf ihnen nur noch mehr Opfer die der Krieg forderte und mitten unter ihnen ein mir bekanntes Gesicht, allerdings vor Schmutz und Blut mehr zu erahnen als zu erkennen, scheinbar lag er schon länger dort, denn das gebrochene Licht in seinen Augen war schon beinahe stumpf.

Und noch immer tadelnd, selbst im Angesicht des Todes. Doch mir schien er verurteile den Krieg und die Jagd nicht etwa die Menschen…oder ihre Überreste, die mit ihm auf dem Schlachtfeld gingen.

Ein sicheres Zeichen dafür, dass er länger als nur ein paar Minuten im Reich der Dunkelheit war. Ob man es erkennt? Ich habe so viele sterben sehen, dass der Unterschied selbst einem Laien auffallen würde.

Noch ein Grund mehr zu gehen solang es die Zeit erlaubt. Oder sollte ich eher sagen, solang die Zeit noch mit und nicht gegen mich läuft? Dafür dürfte es schon fast zu spät sein. Ich habe sie gesehen, ich habe sie alle gesehen und sie lächelten kalt. Ob ich zuviel gesehen habe? Scheinbar, denn ihre Zweifel werden lauter und meine Entschlossenheit schwankt. Ich möchte nicht werden wie sie, dann lieber soll mein Leben enden bevor ich ihnen folge. Ein Leben im Reich der Finsternis. Sicher würde es kalt und dunkel wirken, doch noch immer sicherer als das was sie mir bieten können. Niemals werde ich mich ihnen anschließen, niemals werde ich mich ihnen beugen, lieber sterbe ich durch meine Hand als, als ewige Leiche durch die Welt zu wandeln und ihr noch mehr Leid zu bringen und noch mehr Tode zu bescheren, es ist ohnehin völlig ohne Belang. Ich bin als einziger noch übrig, alle anderen sind schon gestorben. Natürlich kann ich sie suchen, doch am Ende werde ich nur ein Grab mit einem Namen finden und niemals sicher sein, ob es den Träger des Namens, welchen es ziert, auch tatsächlich trägt. Ich werde gehen, noch heute, am Tag werden sie mich nicht suchen, bis in die Nacht werde ich schon weit genug kommen um ein wenig Vorsprung zu haben. Wahrscheinlich werden sie mich finden, doch gewinnen werden sie nicht.*
 

Lian las seine Mitschrift. Es war ein seltsames Gefühl, es war traurig und es war unfassbar. Wie alt war Raphael damals? Wie gern hätte er es gewusst. Es erschreckte ihn mir welcher Nüchternheit er seinen möglichen Tod ab wägte und es erschreckte ihn ebenso, wie baldig dieser eingetreten sein musste. Wusste er es damals schon? Wusste er dass er dieses Spiel nicht gewinnen konnte oder war er es auch damals einfach nur noch Leid sein Leben zu leben ohne die geringste Aussicht auf Besserung? Auf der einen Seite der Krieg, auf der anderen die Ketzer die ihn wahrscheinlich noch immer suchten und zu guter letzt der Tod der ihn ständig begleitete. Allein die Vorstellung ließ Lian schwindeln. Es war grausam. Er musste sich vorgekommen sein wie lebendig begraben, mit dem Wissen, jeder weitere Tag kann der letzte sein.
 

Zögerlich schlug er auch die letzen Seiten auf. Es war nicht schwer zu erahnen das sie in einer Bewegung geschrieben sein mussten, und wirklich wundern konnte er sich darüber auch nicht. Lian erinnerte sich daran, das er ganz am Anfang die Letze Seite aufschlug und einen Fleck darauf bemerkte der natürlich auch jetzt noch nicht verschwunden war. Dann begann er zu lesen. Diesmal kam er ganz ohne Notizen aus, dennoch fertigte er sie an. Die Seiten hatten ganz offensichtlich ihr übriges getan.
 

*Diese Seiten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die letzen sein die ich füllen werde. Auch wenn ich nicht ganz sicher bin, doch ich denke zwei Tagen haben völlig genügt um sie zu wecken, die Jäger der lebenden. Zumindest hörte ich die Dorfleute von einer Gruppe Gaukler sprechen die nun auf den Weg hier her sind. Es wundert mich nicht. Ich hatte Gelegenheit genug sie zu beobachten. Ihre Bewegungen sind schnell, ihre Sinne mit hoher Wahrscheinlichkeit um einiges Schärfer und noch dazu weiß ich zuviel. Es ist nur logisch das sie mich suchen und auf ihre Seite ziehen oder mich töten werden. Nun denn so beginnt es also, das letze Spiel meines Lebens. Wenn man es genau betrachtet sollte ich mich nicht einmal beklagen, wenn ich bedenke dass ich tatsächlich noch am Leben bin. Zerádes, Adáliz, Joël, Pélage, sie alle hatten noch nicht einmal die Chance mehr als 18 Lenze zu erleben. Es kommst schon beinahe dem blanken Hohn gleich, dass ich noch immer hier stehe. Doch was bringt es mir? Man sollte keine Gedanken an Dinge verschwenden die man nicht erreichen kann, so wie ich. Meine Gnadenfrist läuft ab und wenn ich ehrlich bin, ist es besser so. Im Gegensatz zu ihnen, kann ich zumindest behaupten ich hab ein Leben jenseits der 20 Lenze geführt…nun ja wenn man es mit 26 Lenzen so nennen möchte. Da sind sie schon, der Vorhang wird also fallen. Gut dann ist es so…*
 

Der Text brach ab. Lian stutzte das sah irgendwie nicht richtig aus. Selbst die Ruhe die die Worte vermutlich heraufbeschwören sollte, waren eine einzige Lüge. Raphael zog den Tod also tatsächlich vor, dabei schien er ihn doch mehr zu fürchten als er es bis zu seinen letzen Sätzen für möglich hielt.

Er konnte es verstehen, so war es ja auch richtig. Niemand sollte freiwillig sein Leben beenden, doch in dieser Situation? Lian war nicht sicher ob er sich anders entschieden hätte, nein er war sich fast sicher dass er genauso gehandelt hätte, allerdings hätte er sich wahrscheinlich nicht darauf vorbereitet.

Die letzen Seiten klebten Zusammen, der Junge nahm an, das sie vom Blut durchdrängt waren, das logischerweise aus einer Schusswunde hervortrat. Vorsichtig versuchte er die Seiten zu lösen. Eigentlich erwartete er nicht, dass viel mehr geschrieben wurde. Allerdings musste er sich korrigieren, tatsächlich schien die Jagd weiter gegangen zu sein. Doch schon nach wenigen Wörtern fiel ihm auf, dass es die letzen eines Menschen sein würden.
 

* So findet die Jagd also ihr Ende, es kann nicht mehr sehr lang dauern bis ich nichts mehr spüre. Das Tor zur Hölle, wie erwartet, ein einziges dunkles Loch mit noch eisigeren Klauen die mich versuchen zu greifen. Sollen sie, den Triumph gönne ich ihnen nicht. Ich spüre wie meine Kräfte schwinden und langsam die Kälte meine Glieder erfasst. Ich hoffe sie kommen zu spät, ich möchte nicht als nächstes die Augen aufschlagen und feststellen, das ich in einer Welt wandele die ich so niemals wollte…*
 

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Thx für´s lesen.

*Tee und Kekse da lass*

LG Kio ^^
 

PS: Die 4 genannten Personen sind in der Charabeschreibung zu begutachten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  midoriyuki
2008-11-15T15:02:35+00:00 15.11.2008 16:02
Woha heftig o_O
Das ist absolut unschön, dass Raphael so leiden musste/muss...Denn mal ernsthaft...Jemand der sich bereits umgebracht hat kann doch nur völlig wahnsinnig werden, wenn er dann doch noch weiterleben muss...Und ich glaube auch, dass die beiden keine Ruhe haben werden...Da gibts bestimmt noch derbe Krach o_o

Von:  ReinaDoreen
2008-11-15T13:52:38+00:00 15.11.2008 14:52
Raphaels Wunsch zu sterben ist aber nicht in Erfüllung gegangen. Er "lebt" noch.
Ich glaube aber auch nicht das die beiden jetzt Ruhe haben werden.
Reni


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