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Dieb und Diebstahl

Guten Tag, meine lieben Leser!
 

Vielen Dank für eure Kommentare zum letzten Kapitel!

Freut mich, wenns gefallen hat... und es tut mir Leid, wenn ich euch überrascht hab *schluck*

*NachträglichTaschentücherhinstell*

Für all die, denen ich welche schulde.
 

Dieses Kapitel wird nicht ganz so traurig. ^.^

Ein bisschen vielleicht am Anfang...

Nun denn. Lasst euch überraschen ;D
 

Was die erneute Darstellung des Mordfalls im Tagebuch betrifft, weil die Frage auftauchte... ich dachte, und denke immer noch, das musste sein. Sonst wäre der Fall im Eintrag unvollständig und für Sayuri keine große Hilfe.
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

Bis nächsten Dienstag!

Viele Grüße,

Eure Leira ;D
 

PS: Ich wünsche schon mal allen, die das hier lesen, frohe Ostern!!!

________________________________________________________
 

Kapitel 10: Dieb und Diebstahl
 

Vergangenheit
 

Meguré schaute auf, als die Tür zu seinem Büro aufging. Er hatte auf das kurze Klopfen nicht reagiert, bewusst; denn eigentlich wollte er das, was jetzt kommen würde, das, was dieses Klopfen ankündigte, vermeiden… allerdings hatte das den Klopfenden nicht daran gehindert, sich trotzdem Einlass zu verschaffen.
 

Langsam betrat Shinichi das Zimmer, stellte die Kiste mit seinen Habseligkeiten auf dem Boden ab. Hinter sich schloss er leise die Tür.

Man sah ihm an, wie sehr es ihn mitnahm.

Wie schwer es ihm fiel, das alles hinter sich zu lassen.

Gerade eben hatte er sein Büro ausgeräumt, Takagi hatte seinen Boss darüber informiert… doch Meguré selber hatte ihm nicht dabei geholfen. Er wollte ihn damit allein lassen… seine Fotos, seine Sachen… alles, was nicht dem Revier gehörte, sondern was er mit eingebracht hatte… einzupacken.

Es passte in eine Schachtel. Und wiederum auch nicht.

Was er an… privaten Sachen mitgebracht hat, fand darin locker Platz; was er an Geist, an Wissen, an Humor und Engagement hierher gebracht hatte… würde in keinem Raum der Welt Platz finden.

Meguré hatte das nicht sehen wollen… wie er seine Habseligkeiten zusammensuchte und seinen Schreibtisch ausräumte.

Es reichte ihm, zu sehen, wie einer seiner besten Männer, wenn nicht sogar der beste Mann, seine Kündigung unterschrieb.

Es reichte ihm zu wissen, warum er das tat.
 

„Hallo Shinichi.“

„Kommissar.“

Shinichi nickte ihm steif zu. Er war sehr bleich im Gesicht, warf einen Blick in die Kiste mit seinen persönlichen Sachen.

„Mein Büro ist… fertig.“, murmelte er dann, steckte seine Hände unsicher in die Hosentaschen.

Meguré seufzte, dann nickte er.

„Komm, setz dich. Wir müssen das nicht im Stehen… abwickeln.“

Er deutete auf einen Stuhl vor sich.

Shinichi schritt langsam näher, ließ seinen Blick kurz durchs Zimmer schweifen.

Vorsichtig setzte er sich, seufzte leise, berührte mit den Fingern kurz die Armlehnen, erinnerte sich an die letzte Situation zurück, als er in diesem Zimmer gewesen war.

Damals… es waren kaum ein paar Wochen, aber es schien ihm schon so lange her… damals hatte er hier den Anfang vom Ende seiner Karriere bei der Kriminalpolizei eingeläutet.
 

Meguré verschränkte seine Finger, während Shinichi seine Hände vor sich auf den Tisch legte, die Handflächen auf die kühle Kunststoffoberfläche presste.
 

„Damit wäre der Fall abgeschlossen.“, bemerkte Meguré; seine Stimme klang heiser, und etwas unwillig räusperte er sich.

„Ja.“

Shinichi starrte auf die Tischplatte.

„Das war ein turbulenter Fall, nicht wahr? Aber nun haben wir ihn ja. Wie geht’s Ran? Ich hoffe, ihr und dem Kind ist wirklich nichts passiert? Ich kann immer noch nicht glauben, was Saijo da getan hat, wie sehr wir uns getäuscht haben, nie etwas gesehen, bemerkt haben und…“

Meguré blickte ihn freundlich an, redete munter weiter, doch Shinichi merkte, dass das Lächeln auf seinen Lippen gezwungen war.

Er wollte Zeit schinden, das war alles.

Der alte Kommissar wollte der Wahrheit nicht ins Auge blicken.

Aber so lief das nicht. Und er wollte sich das auch nicht antun.

Er holte tief Luft, unterbrach seinen Vorgesetzten.

„Wo soll ich unterschreiben?“

Meguré zuckte zusammen.

„Shinichi…“

Der Angesprochene blickte auf.

„Herr… Kommissar… wie, dachten Sie, läuft das ab? Machen wir es doch nicht schlimmer als es ohnehin schon ist. Und so eine große Sache… ist es doch nun auch nicht. Lassen Sie mich doch einfach unterschreiben, und dann verschwinde ich… es lässt sich nicht verhindern, also warum sollten wir es länger hinausschieben als nötig?“
 

Bedächtig nahm Meguré seinen Hut ab, legte ihn vor sich auf den Tisch, fing an, ihn mit den Fingern platt zu drücken.

„Eigentlich hast du Recht.“

„Ich weiß.“
 

Der Kommissar riss seine Augen von seinem Hut los.

„Willst du nicht… noch einen…?“
 

Shinichi starrte ihn fassungslos an.

„Es geht nicht darum, was ich will…“, flüsterte er scharf.

„Also, wo soll ich unterschreiben…?!“

Meguré schien ihm nicht zuzuhören.

„Aber du siehst doch noch… gut aus… einen… einen Fall… könntest du doch noch...“

Der junge Mann schüttelte energisch den Kopf.

„Nein. Nein. Und Sie wissen das auch…“

Er lächelte ihn traurig an. Es war wirklich fast schon tragisch, was sich hier abspielte. Wie sehr Meguré versuchte, zu verdrängen, was passieren würde, erstaunte und entsetzte Shinichi gleichermaßen.

„Sie wissen, dass ich alles andere als gut aussehe. Vielleicht nicht gerade wie ein Wrack, noch nicht, aber es ist doch… ein Unterschied zu sehen. Es ist nett von Ihnen, dass Sie darüber hinwegsehen wollen, aber machen wir uns nichts vor, es geht nicht. Ich… ich kündige…“

Seine Stimme brach.

„Komm schon, Kudô, das willst du doch gar nicht…“

Meguré blinzelte, schaute ihn ernst an.

Ein harter, verzweifelter Ausdruck trat in Shinichis Augen. Er konnte das nicht länger mitmachen, das musste ein Ende finden. Es war auch ohne dieses Gespräch schon schlimm genug, das alles hinter sich zu lassen.

Er holte Luft.

„Es geht nicht um das was ich will. Das habe ich Ihnen gerade gesagt. Lassen Sie mich bitte jetzt endlich unterschreiben?!“

Shinichi klammerte sich an die Tischplatte, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

„Bitte! Lassen Sie es mich doch endlich hinter mich bringen…!“

Ein leicht flehender Ton schwang in seiner Stimme mit.

Der alte Kommissar schaute seinen jungen Freund betroffen an. Langsam dämmerte ihm sein Fehlverhalten. Er war hochgradig unprofessionell gewesen… er hatte gar nicht daran gedacht, wie schwer es wohl für ihn überhaupt war.

Shinichi wollte ja nicht kündigen. Er musste.

Schuldbewusst räusperte er sich.

„Es… es tut mir Leid, Shinichi. Ich hätte dich das nicht fragen sollen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist…“

Er setzte seinen Hut wieder auf, musste ihn dafür aber erst wieder ausbeulen; dann ging er zu einem Aktenschrank, suchte nach dem Kündigungsschreiben.
 

Shinichi beobachtete ihn dabei.

Er wusste genau, was den Kommissar zu seinem Vorschlag getrieben hatte.

Mitleid.

Und der Wunsch, alles zu verdrängen, nicht wahrhaben zu wollen.
 

Mitleid…
 

Kurz schloss er die Augen, wartete geduldig, bis Meguré wieder kam, ihm das Formular auf den Tisch legte, einen Kugelschreiber suchte und ihn auf dem Papier deponierte.

Er schaute ihn betrübt an, als der junge Mann nach dem Stift griff, bedächtig die Mine herausdrehte und mit dem Ausfüllen begann.
 

Er schaute ihm zu, wie er schrieb. Wie er die weißen Flächen mit ordentlichen Schriftzeichen füllte.

Wie er die Lücken ausfüllte… genauso wie er sonst auch immer - im übertragenem Sinne - ihre Lücken gefüllt hatte. Wo immer sie nicht weiter wussten, wo immer man nicht in der Lage war, ein Verbrechen weiter aufzuklären, einen Ermittlungsstrang zu verfolgen, hatte er das Puzzle komplettieren können.

Er war ein Meister seines Fachs.

Er war brillant… er war besser als Sherlock Holmes, denn er war real.
 

Und nun kündigte er, weil er in absehbarer Zeit sterben würde.
 

Er biss sich auf die Lippen, zog sich seinen Hut erneut vom Kopf, begann ihn gedankenverloren mit beiden Händen zu kneten.
 

Sterben.

Shinichi Kudô war vierundzwanzig Jahre alt und würde sterben… würde nicht älter werden.
 

Immer mehr Schriftzeichen füllten das Blatt. Meguré schaute der Spitze des Stiftes zu, bis sie bei dem Kästchen angelangt war, wo die Unterschrift hingehörte; hier verharrte sie.

Der Kommissar blickte auf, schaute in das Gesicht seines jungen Kollegen, wurde gewahr, wie er um Fassung rang.

Die Kugelschreiberspitze schwebte immer noch keinen Millimeter über dem Papier.

Langsam ließ Shinichi den Kopf sinken, stützte seine Stirn auf seine Hand, krallte seine Finger in sein Haar. Seine rechte Hand hielt den Stift, verkrampft; so verkrampft, dass sie zitterte.

Er biss sich auf die Lippen, schmeckte langsam Blut, stierte auf das Blatt, als wolle er seinen Blick durch die Tischplatte bohren.
 

Meguré schaute ihn traurig an.

Dann ergriff er mit seiner Hand die von Shinichi, drückte damit den Stift aufs Papier, ließ sie dann wieder los.

Er hörte, wie Shinichi Luft holte, dann sehr, sehr langsam den Schriftzug seines Namens auf das Papier malte.

Als er fertig war, hielt er kurz inne. Dann legte er den Stift neben das Blatt, schob seinem Vorgesetzten das Papier zu, lehnte sich langsam zurück, schaute an die Decke.
 

„Das ist dann wohl das Ende.“, murmelte er.

Jûzô Meguré nickte bedächtig.

„Ja, das ist es.“

Auch er rang mit sich, mittlerweile.
 

„Hör zu, Shinichi, ich weiß nicht, was ich sagen soll, es, es… es tut mir so unendlich Leid, ich…“
 

Shinichi stand langsam auf, schüttelte langsam den Kopf.

„Das muss es nicht. Leben… Leben Sie wohl, Kommissar. Es war… war schön hier. Ich hab gern mit Ihnen gearbeitet.“

Meguré erhob sich ebenfalls aus seinem Stuhl.

„Es war mir eine Ehre mit dir…“

Shinichi lächelte traurig.

„Na, na… nicht doch.“

Er grinste ein wenig.

„Sie werden doch nicht auf Ihre alten Tage melodramatisch?“
 

Ein leises Lachen stahl sich auf Megurés Lippen.

„Werd’ bloß nicht frech.“

Dann wurde er wieder ernst.

„Warte, ich bring dich…“

Shinichi schüttelte den Kopf.

„Nein, ich danke… aber nein. Sie müssen mich nicht nach draußen bringen. Ich finde… alleine raus.“

Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, machte einem Ausdruck von Traurigkeit Platz.

„Machen Sie’s gut, Herr Kommissar.“
 

Damit drehte er sich um, packte seinen Karton und wollte das Büro verlassen, als er inne hielt.

Gedankenverloren schaute er auf den Inhalt seines Kartons, dann griff er hinein, holte etwas heraus, trat auf Meguré zu, drückte es ihm in die Hand.

„Behalten Sie das, vielleicht bringt es Ihnen Glück. Ich brauch… es wohl nicht mehr.“

Seine Stimme klang etwas heiser, und er sah seinem ehemaligen Vorgesetzen nicht in die Augen.
 

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich dann wieder um, verließ das Büro endgültig, beinahe fluchtartig. Ihm war es, als würde er langsam ersticken, als würde die Luft zum Atmen in diesem Raum immer weniger.

Als die Tür zugefallen war, ließ sich Meguré schwer in seinen Stuhl fallen, konnte nicht verhindern, dass seine Augen zu brennen anfingen, als er auf das Vergrößerungsglas in seinen Händen starrte.
 


 

Sie wartete auf sein Auto.

Ran wusste, was er heute für einen Gang zu erledigen hatte; und sie wollte für ihn da sein, wenn er heimkam.

Als er dann endlich vorfuhr, öffnete sie die Tür, sah ihn aussteigen, vom Beifahrersitz seinen Karton holen, und wusste… wusste, dass er es wirklich getan hatte.
 

Shinichi hatte gekündigt.

Er war kein Detektiv mehr.
 

Seine Miene war steinern, als er den Weg herauf ging, und als er hereinkam, ging er an ihr vorbei, schaute sie nur kurz an, scheu; verschwand dann in seinem Büro. Sie wusste, es war vorbei jetzt… und es erleichterte und bedrückte sie gleichermaßen. Sie wusste, er hatte etwas aufgegeben, das ihm viel bedeutet hatte. Dass er jetzt nicht darüber reden wollte... war ihr klar gewesen.
 

Ein Abschnitt seines Lebens war hiermit vorbei.
 

Endgültig.
 

Damit musste er erst einmal klarkommen.
 


 


 

Ran stand im Türrahmen zur Bibliothek, betrachtete ihren lieben Göttergatten, der mit einem Buch in einem Sessel mehr hing als saß. Irgendwie stimmte der Anblick sie traurig. Leise seufzte sie, beobachtete ihn weiter unbemerkt; das hieß, wenn er sie bemerkt hatte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Tatsache war… das Bild, das ihr geliebter Ehemann da abgab, war irgendwie schon bemitleidenswert.

Er schien die personifizierte Langeweile zu sein. Nie hatte sie jemanden lustloser ein Buch lesen sehen.

Zwei Wochen war es her, seitdem er gekündigt hatte, sich aus dem Dienst zurückgezogen hatte. Seinen "Ausstand" hatte er nicht gefeiert, das war ihm... und auch allen anderen als zu makaber erschienen.

Sie wussten ja, um was es ging.

Und denen, die es nicht wussten, wollte er auch nichts vorheucheln. Ein so junger Kollege, der einfach so ging? Wer hätte das geglaubt?

Andererseits... sie würden auch ohne Feier rätseln, warum Shinichi weg war.

Aber er musste sich die Feier nicht antun.
 

Shinichi hatte sein Versprechen gehalten, keinen neuen Fall angenommen, sich nicht hinreißen lassen; er blieb bei ihr zuhause und benahm sich vorbildlich. Was auch immer vorbildlich in diesem Zusammenhang bedeutete; Ran wusste es selber auch nicht mehr ganz genau.
 

Sie hatten sich während der Zeit Gardinen und Möbel fürs Kinderzimmer angesehen, gekauft und es einzurichten begonnen; sie hatten sich über Babysachen schlau gemacht, über Kindererziehung, über dieses und jenes geredet, er zeigte sich als begeisterter werdendender Papi... aber sie sah ihm an, dass seine Tage wohl von Zeit zu Zeit nicht genug ausgefühlt schienen.
 

Shinichi langweilte sich.
 

Das Leben ohne Fall schien ihn ab und an doch anzuöden, auch wenn er es in ihrer Gegenwart nicht erwähnte. Er vermisste es, das war ihr klar.

Stattdessen tat er brav, was sie verlangte, weil er es ihr versprochen hatte; aber sie wusste nicht, ob das so gut war. Dann schob sie den Gedanken von sich; natürlich war ein ruhiges Leben gut für ihn.

Und doch schlich sich… langsam, aber doch deutlich… die Erinnerung an zwei oder drei weiße Umschläge in ihren Kopf.

Es raschelte, als er sich tiefer in den Sessel drückte. Sie schaute ihn an, versuchte zu ergründen, was tatsächlich das Beste für ihn war.

Die Umschläge gingen ihr nicht aus dem Kopf.
 

Weiße Umschläge, die außen mit der Zeichnung eines lachenden, zylindertragenden Kopfes versehen waren.
 

KIDs Markenzeichen.

Shinichi hatte die Briefe nicht gesehen; sie hatte sie ihm nicht gezeigt, sich nach dem ersten Brief, den der Zufall ihr zugespielt hatte, angewohnt, vor ihm die Post zu holen.
 

Er sollte gar nicht erst in Versuchung kommen.
 

Dann riss sie ein leises Räuspern aus ihren Gedanken. Sie fixierte ihn wieder mit ihren Augen, zog fragend die Augenbraue hoch. Seinem leicht erstaunten Blick konnte sie entnehmen, dass er sie wohl schon ein paar Mal angesprochen hatte, bevor sie reagiert hatte.

Sie schluckte, lächelte ihn an.

„Langweilig?“

Er nickte. Es war ein kaum wahrnehmbares Nicken. Dann stand er auf, langsam, ging zu ihr hin.
 

„Aber was will man machen? Ich sollte mich langsam dran gewöhnen…“

Shinichi legte den Kopf auf die Seite, streckte eine Hand aus, fuhr mit seinem Zeigefinger ihren Unterarm entlang.

„Ich muss mir ein neues Hobby suchen, meint Mama. Die is gut... neues Hobby…“

Er verdrehte skeptisch die Augen gen Himmel, entlockte ihr ein sanftes Schmunzeln; dann zog er die Augenbrauen zusammen.

„Apropos, Mama. Musst du heut nicht zur Untersuchung?“

Sanft streichelte er ihr über ihren Bauch, der immer runder wurde. Sie nickte.

„Ja. Willst du mitkommen? Dir dein Baby anschauen?“
 

Shinichi überlegte nur kurz.

„Na, da fragst du noch? Ganz davon abgesehen… hab ich ja sonst nichts zu tun…“

Er grinste sie an; sie seufzte, ignorierte ihr schlechtes Gewissen und kuschelte sich in seine Arme.
 


 


 

Sein weißer Umhang flatterte ihm Wind, als er sie beobachtete. In seiner Hand hielt er einen Brief.

Zu zweit verließen sie das Haus, stiegen ins Auto.

Seine Augen verengten sich, als er ihm nachschaute, das Auto mit seinen Blicken verfolgte, bis es um die Kurve verschwunden war.

Kudô sah nicht gut aus.

Irgendwie krank.
 

Er fragte sich, ob das der Grund war, dass er noch nicht auf seine Herausforderung geantwortet hatte.

Ob er krank gewesen war, oder immer noch kränkelte, und sich nicht fit genug fühlte.
 

KID zog die Augenbrauen zusammen, dachte nach. Das Gesicht seiner Freundin… nein, Frau… ging ihm nicht aus dem Kopf.

Sie hatte ihn besorgt angeschaut, ihren Liebsten, als sie aus der Haustür getreten waren.

Und sie hatte sich nervös umgeschaut, als suche oder befürchte sie etwas.
 

Sie sucht doch nicht etwa mich?
 

Ein Gedanke drängte sich ihm auf.

Hatte Ran seine Briefe abgefangen?

Er konnte sich kaum vorstellen, dass Kudô, selbst wenn er krank wäre, seine Herausforderung einfach ignorieren würde. Irgendwie hätte er doch reagiert…
 

„Hm.“, murmelte er leise, wartete, bis die alte Oma mit ihrem Gehwägelchen unter ihm auf dem Bürgersteig außer Sichtweite verschwunden war.

Dann stieß er sich vom Dach, auf dem er stand, ab, segelte mit seinem Gleiter leicht wie eine Feder auf die andere Straßenseite, landete auf den Balkon und verschaffte sich mittels eines Glasschneiders Zutritt, indem er zuerst ein Loch in die Scheibe schnitt, durch das seine Hand passte, und sich dann selber die Balkonfenstertür öffnete.
 

Sorry, Kudô. Aber ich muss doch wissen, was mein Lieblingsdetektiv neuerdings Besseres zu tun hat, als sich meinen Rätseln zu widmen. Wo ich mir doch so große Mühe gegeben hab!
 

Kurz schaute er sich um, ob jemand ihn gesehen hatte; als alles ruhig blieb, ging er hinein, durchmaß das Schlafzimmer, wie er erkannte, mit großen Schritten. Er wollte gerade gehen, als er innehielt.
 

Sollte Ran… sollte Ran tatsächlich seine Briefe abfangen, wo würde sie sie verstecken? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sie vernichtete; es war das eine, dem Gatten seine Korrespondenz vorzuenthalten, aber sie vernichten oder selber öffnen… nein, das würde Ran nicht tun.

Sie hatte sie bestimmt versteckt, und auf der Suche… durfte er das Schlafzimmer nicht außer Acht lassen. Gelassen marschierte er zu ihrer Seite des Bettes, die sich dadurch kennzeichnete, dass ein Foto von ihm auf dem Nachtkästchen stand, und zog die Schublade auf.
 

Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er dort ihre Unterwäschesammlung erblickte.
 

Nett…
 

Allerdings war außer einer Menge hübscher Unterwäsche sonst nichts in der Schublade zu finden.

Fast ein wenig enttäuscht zuckte er mit den Schultern und schob die Schublade wieder zu.

Fehlanzeige, also.

Nun. Sie war die Freundin eines Detektivs. Um ihn zu hintergehen, musste sie sich ein gutes Versteck einfallen lassen…
 

Er musste nachdenken; er wusste nicht, wie lange die beiden weg sein würden, und er hatte nicht Zeit, das ganze Haus auf den Kopf zu stellen, dazu war es bei weitem zu groß und viel zu voll gestopft mit jeder Menge Kram.
 

Wo fällt ein Brief nicht auf… wo würde er nicht suchen… wo würde er auch nicht durch Zufall drauf stoßen…?
 

Er musste Rans Versteck erraten. Gedankenverloren legte er einen Zeigefinger neben seine Nase.
 

Wo versteckt man am besten ein Blatt? Im Wald, genau… und am Besten wohl in einem Wald, den der Wanderer meidet, weil das Terrain fremd ist… und uninteressant.
 

Also versteckte man ein Blatt Papier am besten in einem Haufen Papier.

In seiner Post, seinen Akten, wären sie schlecht aufgehoben, dort könnte er drüber stolpern. Also lag Kudôs Büro schon mal nicht in seinem Suchradius.

Aber so einen Brief konnte man prima zwischen die Seiten eines Buchs klemmen.
 

KID setzte sich langsam in Bewegung, verließ das Schlafzimmer, ging die Treppe hinunter bis ins Erdgeschoss. Fröhlich pfeifend betrat er das Wohnzimmer, immer noch grübelnd, als ihm auffiel, dass im Wohnzimmer keine Bücher standen. Hie und da lag vereinzelt eins rum; aber es gab kein Bücherregal.

Wozu auch.

Sie hatten ja eine Bibliothek. Eine ganze Bibliothek. Ein ideales Versteck für Briefe! Einfach zwischen die Seiten eines Buches stecken, irgendwo in den oberen Regalen verschwinden lassen…

Zielstrebig begann er durch das Wohnzimmer zu gehen, als er innehielt.

Die Sache hatte einen Haken.

Er wusste, denn es war kein offenes Geheimnis, hatte Yusaku Kudô es doch oft genug in diversen Interviews erwähnt, dass in der Kudôbibliothek nur Krimis standen; eine Sorte Buch, die auch der derzeitige Hausherr oft in die Hand nahm. Dort ein paar Briefe zu verstecken wäre zu riskant.

Aber… Ran las bestimmt keine Krimis.

Also würde sie wohl… ihre Bücher in einem anderen Zimmer haben. Er zog interessiert eine Augenbraue in die Höhe, wandte sich auf den Hacken wieder herum, dass sein Umhang nur so flatterte und schritt wieder hinaus, zurück in die Eingangshalle, und von dort besuchte er dann jedes Zimmer; unten waren nur die Küche, Kudôs Büro, das Wohnzimmer, die große Bibliothek, eine Abstellkammer, eine Speisekammer und ein kleiner Salon.

Also ging er die Treppe wieder hinauf.

Als er das erste Zimmer betrat, stutzte er.

Gelbe Farbe schien ihm von den Wänden entgegen.

Auf einer Seite des Raumes stand ein Kinderbettchen, Babykleidung und Spielzeug lag darauf verteilt, zum Teil schon im Schrank einsortiert, der offen stand.
 

Das war ein Kinderzimmer.

Die Familie Kudô bereitete sich auf Zuwachs vor.

Ein fröhliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Shinichi Kudô, sein allerliebster Lieblingsdetektiv, wurde Papa, wer hätte das gedacht?! Kein Wunder, dass Ran ihn für sich haben wollte. Frauen in der Schwangerschaft neigten ja bekanntlich zu komischen Launen.

Er hätte vorhin besser aufpassen sollen, wie rund ihr Bauch schon war; aber sie hatte einen dicken Mantel angehabt, und das Auto stand gleich vor der Tür. Er hatte sie nicht lange gesehen.
 

Warum aber war er so blass gewesen? Er hatte zwar gelacht, aber sein Teint war alles andere als rosig oder gesund gewesen.
 

Kaito grübelte, als er sich selber zur Raison rief.

Er würde ihnen eine nette Glückwunschkarte schicken, wenn das Baby da war; und Kudô konnte so krank nicht sein, wenn er in der Gegend rumlief. Jetzt aber musste er die Briefe finden. Denn egal ob Papa oder nicht, ob kränkelnd oder nicht; er wollte seine kleine Vorstellung auf keinen Fall abblasen, und er brauchte Publikum, das ihn zu würdigen wissen würde.
 

Also verließ er das Zimmer wieder, ging zurück auf den Gang, am Schlafzimmer vorbei, stieß die nächste Tür auf.

Badezimmer.

Fehlanzeige.

Das nächste Zimmer war Shinichis altes Zimmer; ebenfalls Fehlanzeige.

Dann kam ein weiteres Schreibzimmer; und dann das, wonach Kaito gesucht hatte.
 

Rans private, kleine Bibliothek.
 

Er trat ein, drehte sich einmal um die eigene Achse. Sein Mantel flatterte leicht, als Kaito während der Drehbewegung seine Augen über die Regale an der Wand gleiten ließ.

Man musste Ran zu gestehen, sie hatte auch schon beachtlich gesammelt. Jedes Buch herauszuziehen würde zu lange dauern.

Also suchte er gezielt nach Bänden, die nicht genau in Reih und Glied standen… deren Seiten etwas ungeordnet schienen; und sein geübtes Auge wurde bald fündig. Einer der Romane stand ein wenig schräg im Regal, so als wäre er nicht mehr ganz in seine Lücke zurück geschoben worden.

Er zog ihn heraus, und in seinen Händen fiel das Buch nahezu von selbst auf. Er zog den Umschlag heraus, steckte ihn ein. Er würde ihn später an geeigneterer Stelle neu positionieren.

Dann ließ er seine Augen weiter über die Bücherrücken schweifen.
 

Er begann, bereits nervös zu werden, als er es fand; eine Spur in der dünnen Staubschicht im Regal zeigte ihm das Buch, das er suchte. Auch ihm entnahm er sein Geheimnis, dann drehte er sich um, begann wieder ins Erdgeschoss zu laufen, schaute sich hektisch um, eilte ins Büro seines Lieblingsdetektivs.

Darin angekommen, zog er die alten Umschläge sowie einen neuen Brief aus seiner Jacke, hielt sie sich vors Gesicht, grinste sie zufrieden an.
 

„Nun, wohin mit euch… damit er euch findet, aber sie nicht?“

Er drehte sich leise pfeifend um, wanderte im Zimmer umher, als sein Blick auf einem Notizbuch hängen blieb, auf dem ein Füller lag.
 

Wie war das noch mal mit dem Blättern und dem Wald? Wie du mir, so ich dir, Ran… hier suchst du bestimmt nicht.
 

Er kniff die Augen zusammen.

Eigentlich widerstrebte es ihm, in das Buch zu sehen; aber er würde ja nichts lesen. Nur die Stelle suchen, wo er zu schreiben aufgehört hatte, und dort zwischen die Seiten seine Briefe hinterlassen.

Er hob es auf, legte den Füller auf den Tisch, und fing an zu blättern.

Daten schwammen an seinen Augen vorbei; anscheinend führte Kudô eine Art Tagebuch? Das hätte er ihm gar nicht zugetraut.

Aber er besiegte seine aufkeimende Neugier, las nichts; das wäre nicht fair gewesen, und er wollte doch nicht irgendwelche unfeinen Dinger gegenüber seinem geschätztesten Gegner drehen. Er gab sich damit zufrieden, seine Briefe zwischen die Seiten zu legen, an denen er geendet hatte, schlug es wieder zu und legte es zurück, platzierte sorgfältig den Füllfederhalter wieder darauf.
 

Dann eilte er wieder hinauf, hinaus, auf den Balkon, keinen Moment zu früh. Das Auto fuhr gerade wieder vor. Er musste warten, bis sie im Haus waren, sonst würden sie ihn möglicherweise am Himmel sehen.
 

KID legte sich flach auf den Bauch, hielt den Atem an.
 

„Ist das nicht Wahnsinn?“

Ran hielt immer noch die kleine schwarz-weiße Ultraschallfotographie in ihren Händen, starrte voller Begeisterung auf das Bild.

„Ja, ist es.“

Er schenkte ihr einen liebevollen Blick, konzentrierte sich dann wieder auf die Suche nach den Hausschlüsseln in seiner Jacke.

„Wahnsinn…“, hauchte sie. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen strahlten.
 

Schließlich hatte Shinichi den Schlüssel gefunden, sperrte auf, legte seiner schwangeren Frau eine Hand in den Rücken, drückte sie sanft ins Haus, als ihn ein seltsames Gefühl beschlich.

Er fühlte sich beobachtet, spürte Blicke in seinem Nacken.

Shinichi kniff die Augen zusammen, schaute sich um; aber ihn sah er nicht, konnte er nicht sehen.

KID jedoch sah ihn, zwischen dem Spalt der Balkonbrüstung spähte er hindurch; und lächelte zufrieden.
 

Ahhhh… du bist wie früher.
 


 

Ran legte sich auf die Couch, wollte ein kleines Nickerchen machen.
 

Shinichi ging in sein Büro, das Ultraschallfoto in den Händen, mit der Absicht, seine Aufzeichnungen weiterzuführen.

Gedankenverloren nahm er das Buch, in dem er gerade schrieb, zur Hand, ließ es aufklappen, und riss erstaunt die Augen auf. Sein Herz schien fast stehen zu bleiben, hektisch sah er sich um, kontrollierte das Fenster in seinem Büro. Es war geschlossen. Kein Loch.
 

Wie konnte das dann sein?
 

Zwischen den Seiten seines Notizbuches lagen Briefe von KID.

Drei Stück. Unverkennbar.
 

Wie kamen die hier rein?

Und… hatte der, der sie hier reingelegt hatte… etwas… gelesen…?

Er merkte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich.
 

Nicht doch!
 

Er schluckte, dann ging er los, beschloss, Ran davon zu erzählen. Dass KID bei jemandem einbrach, um seine Post abzuliefern, war neu, und mehr als dreist.
 

Ob er etwas gelesen hatte… würde er noch herausfinden. Und wenn ja, dann gnade ihm Gott… denn er selbst würde sich nicht besonders gnädig erweisen.

Er presste die Lippen grimmig zusammen, verließ sein Büro und eilte ins Schlafzimmer.
 

Ran war gerade dabei einzudösen, als sie seine Bürotür zuknallen hörte, wahrnahm, wie sich eilige Schritte näherten.

Kurz darauf erschien Shinichi in der Tür, hielt ein paar weiße Umschläge in der Hand.

Rans Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Dann rannte sie ihm mit einer Geschwindigkeit, die er ihr nicht zugetraut hätte, entgegen, entriss ihm die Briefe, stürmte die Treppe nach oben. Ihr Herz raste.

Ihre Gedanken überschlugen sich.
 

Er war hier…!
 

Kaito KID war eingebrochen! In ihr Haus!
 

Anders konnte kein Umschlag in seine Hände gefallen sein. Um in ihr Bücherzimmer zu gehen und sie zufällig zu finden, waren sie noch nicht lange genug hier. Und was würde Shinichi da auch wollen.

Sie merkte gar nicht, wie er ihr hinterherhetzte, im Türrahmen stehen blieb, sie beobachtete, als sie Bücher suchend aus den Regalen zog.

Es war ihm sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Sie suchte ihre Verstecke ab.

Die Briefe waren offensichtlich nicht heute erst hier angekommen. Zumindest nicht alle.

Ihr fast panischer Blick verriet sie.

Ran klappte die Bücher auf, starrte fassungslos in die Seiten.

Leer. Sie waren leer. Er war hier gewesen, hatte die Umschläge geklaut, die sie versteckt hatte, und zusammen mit einem neuen bei Shinichi im Büro deponiert.
 

Dann drehte sie sich um, als sie hinter sich eine Bewegung hörte.

Shinichi stand in der Tür, starrte sie einigermaßen wütend an.

„Du fängst meine Post ab?!“, fuhr er sie an. Er war ungehalten, ohne es wirklich sein zu wollen… aber er hätte nicht gedacht, war von ihr nicht gewohnt, dass sie sich derart in seine Privatsphäre einmischte, und das machte ihn auf gewisse Weise schon wütend.

„Meine Post?!“, wiederholte er.
 

Ran schluckte, erwiderte nichts, umklammerte nur die Briefe umso fester, je näher er kam.

„Ran, wie kommst du dazu?! Warum fängst du meine Briefe ab?!?“
 

Sie schaute zu Boden, kniff die Augen zusammen. Sie zitterte ein wenig, hatte Angst vor seiner Reaktion, wenn sie jetzt gestand, was sie getan hatte.

Schließlich fing sie an zu sprechen, alles andere hatte keinen Sinn. Sie war mit einem Detektiv verheiratet, früher oder später würde er ihren Schwindel herausfinden.
 

„Das ist keine gewöhnliche Post. Das ist eine Herausforderung, du weißt, von wem die Briefe sind, du hast das Logo gesehen, und genauso weißt du auch, dass KID dir nicht nur einfache Briefchen schreibt. Und da du versprochen hast, keinen Fall mehr anzunehmen, dachte ich, ich räum sie beiseite, damit du gar nicht erst in Versuchung kommst.“

Shinichi schaute sie entgeistert an. Er konnte das gerade überhaupt nicht glauben.
 

„Wie fürsorglich von dir. Warum hast du sie dann nicht gleich verheizt?!“
 

Ran schaute wieder auf, sah in sein verärgertes Gesicht. Es war klar, dass der letzte Kommentar zynisch gemeint war.

Aber er hatte Recht; sie hätte sie verbrennen können. Die Idee war ihr auch gekommen; aber irgendetwas in ihr hatte sich dagegen gesträubt, Post an ihren Mann zu verbrennen. Sie hatte es als falsch empfunden.
 

Nervös trat Ran von einem Bein auf das andere.

„Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst.“, murmelte sie trotzig.

„Es ändert nichts am Resultat. Du nimmst keine Fälle mehr an, du hast es mir geschworen. Also brauchst du die hier auch gar nicht lesen.“

Sie hielt die Briefe in die Höhe.
 

Shinichi starrte sie an. Ran konnte ihm ansehen, wie sehr es ihn reizte, sie zu öffnen, einzutauchen in die Welt von KIDs Diebstählen und Rätseln, sich durchzuwühlen durch Codes und Chiffren und wieder einmal versuchen, einen Schritt schneller zu sein als der Meisterdieb.
 

„Gib sie mir! Du hast kein Recht…“
 

Er brannte darauf. Das Glühen in seinen Augen war untrüglich.

Ran schluckte. Sie waren also wieder soweit. Aber diesmal würde sie nicht klein beigeben.
 

„Du hast es versprochen.“
 

Sie fixierte ihn mit ihren blauen Augen.

„Ich hab weiß Gott genug mitgemacht beim letzten Fall, und du auch. Wir hatten abgemacht, dass das der Letzte wäre. Du hast es versprochen!“

Ihre Stimme war lauter geworden.
 

Er kniff die Lippen zusammen, vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen.

Lange, lange schwieg er.
 

„Aber mir ist langweilig.“, murmelte er schließlich leise, schaute fast beschämt zur Seite.

„Ran, mein Kopf braucht etwas zu tun…“
 

„Dann überleg dir einen Namen für unsere Tochter, seit heute weißt du ja, dass es ein Mädchen wird, wenn du deinem Kopf Arbeit geben willst. Aber du nimmst den Fall nicht an. Du hast es versprochen!“

Sie schaute ihn an; schlechtes Gewissen loderte in ihr, aber sie hielt es zurück. Sie wollte ihn nicht schon wieder an einen Fall verlieren. Zwar war KID bei weitem nicht so schlimm wie der Serienmörder, aber hatte ihr geliebter Gatte sich einmal in ein Rätsel vertieft, tendierte er dazu, wieder mal alles andere, inklusive Essen, Schlafen und seine schwangere Frau, zu vergessen, bis er die Lösung gefunden und KID optimalerweise dingfest gemacht hatte.

Das war wieder Stress… Stress, der ihn Zeit kosten könnte. Und davon hatte er ohnehin nur noch begrenzt, und die, die er noch hatte, gebührte ihr.

Er hatte es versprochen.
 

„Ran!“

„Nein!“

„Aber das ist doch kein Mordfall… es ist ein Rätsel… bitte… das bringt mich nicht um…“

„Nein, aber etwas anderes tut es.“, flüsterte sie leise, krampfte ihre Finger um die Briefe, schaute zur Seite; dann legte sie die Umschläge auf einen Tisch.

„Schön.“, murmelte sie verbissen.

Sie wusste, was sie jetzt tat, war unfair. Sie wusste, wenn sie ihn so anfasste, dann würde sie ihn brechen, aber nur so würde sie verhindern, dass er sich wieder einem Fall widmete.

Sie starrte ihn fest an, Entschlossenheit lag in ihren Augen.

„Schön, Shinichi. Hier sind sie. Nimm sie.“

Shinichi schluckte, schaute sie betrübt an. Er ahnte, was sie tun würde. Und es war nicht gerecht.
 

„Tu’s ruhig; mach schon, brich dein Versprechen.“, wisperte sie. Er zuckte zurück, obwohl er es hatte kommen sehen. Ihn damit zu konfrontieren war nicht fair.

Mit seinem Moralgefühl zu spielen war nicht fair.

Er schaute sie traurig an. Lange.

Dann drehte er sich um und ging.

Er wollte sein Versprechen nicht brechen; aber er verstand auch nicht, warum sie ihn vor die Wahl stellte.
 

Ran schaute ihm nach, in ihrem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit. Sie wusste, es war nicht anständig von ihr gewesen, das zu tun; aber sie hatte sich nicht anders zu helfen gewusst.

Er würde ihr das so schnell nicht vergessen, das wusste sie.
 

Unwillig räumte sie die Briefe auf einen Haufen, ließ sie liegen, wo sie waren. Sie wusste, Shinichi würde sie nicht öffnen.
 

Er würde sein Versprechen nicht brechen.
 


 

Shinichi ging einigermaßen frustriert ins Schlafzimmer, um sich einen Pullover zu holen, als er den leisen Luftzug merkte.
 

Er näherte sich langsam dem Fenster, zog die Gardine beiseite, bemerkte das Loch in der Scheibe und lächelte traurig.
 

Entschuldige KID… diesmal musst du wohl ohne mich spielen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von: abgemeldet
2009-04-15T10:55:14+00:00 15.04.2009 12:55
Hayy :)

Ich fang heute wenigstens Mal mit dem letzten Kapitel an... xD Auf das andere Kommi musst du wohl noch warten... ^^’

Megure...
Dass er Shinichi nicht verlieren will hast du schön formuliert :) Besonders der Teil mit dem Platz hat mir gefallen!
Shinichi ist eben... etwas ganz besonderes.

Und doch auch nimmt es nicht nur Megure sondern sogar noch ein Tickchen mehr Shinichi mit... Auch sein Verhalten hast du wirklich toll beschrieben, man zitterte praktisch mit, als er ebenfalls krampfhaft versuchte dem allen ein Ende zu bereiten. Seiner Natur einen gewaltigen Strich durch die Rechnung zu machen.
Einen Teil seines Charakters auszulöschen.
Wirklich, echt gut gelungen der Teil (:

Wegen dem Mitleid... natürlich nervt es Shinichi, so wie wir ihn kennen, doch schon, aber mal ehrlich, er kann es doch auch nachvollziehen, oder nicht? Viele aus unseren Reihen haben bestimmt auch Mitleid... und Respekt sicherlich auch :D

Die Langeweile... uhhh... schrecklich dieses Gefühl. ^^’
Ich glaube, müsste ich wählen würde ich mein stressiges Leben doch nicht unbedingt aufgeben wollen... so eine Langeweile zeigt einem ja dann wie öde das Leben eigentlich ist. Verführt einen gerade dazu etwas zu tun...
Da tut mir Shinichi wirklich Leid.
Aber... er kann sich ja noch mit seinem kleinen Töchterchen beschäftigen und geht anscheinend in seiner Rolle ganz auf. (: jetzt, wo er weiß, dass er seine Distanz vergessen kann.

Kid. Ran verschweigt die Briefe? Gaaaaanz schlecht. :O
Hätte ich ihr auch jetzt nicht noch zugetraut muss ich gestehen ^^’

Aber – man muss fast sagen ein Glück – dass Kid sich darüber auch so seine Gedanken gemacht hat... und es ist echt mal etwas Faszinierendes, sich so in seine Überlegungen vertiefen zu können. Pfiffig auf leicht amüsanter Art. Und vor allem spannend, da Familie Kudo doch bald wiederkommen könnte...
Sie ähneln doch eben ein bisschen denen von Shinichi... obwohl sie sich doch eigentlich von grundauf unterscheiden sollten ;)
Hach ja... und er entdeckt das Kinderzimmer... Und sogar eigentlich auch das Büchlein für Töchterchen... aber schön zu sehen, dass er Shinichi so würdigt und nichts drinnen liest. Zeigt doch seinen Anstand in seinem Charakter. (:
Eins wundert mich aber, warum lässt sich Kaito so leicht täuschen wegen Shinichis Krankheit. Ich hätte jetzt die ein oder andere gründlichere Recherche vermutet...
Aber nun gut.
Er muss sich ja wieder seiner Aufgabe widmen...
Sein Publikum bereit stellen.
Das Publikum, dem er am meisten Respekt zollt... und irgendwann wahrscheinlich auch Mitleid.

Das Gespräch zwischen Ran und Shinichi war ja aber auch mal wieder... brisant. Dass sie so aus Sorge um ihn sich zu so etwas verleiten lässt... wow. Hätt ich ihr auch hier nicht zugetraut... aber auch ihr muss wohl Mitleid gezollt werden... Ihr geht es ja auch nicht viel besser... und sie hat nur Angst.... dazu noch die Hormone...

Auf jeden Fall bin ich gespannt wie es weitergehen wird! Sehr sogar!
Die Überschrift ist übrigens klasse ;) Etwas irreführend aber deswegen ja auch toll!

Bis demnächst.

Liebe Grüße ♥
Shi

Von:  Nightstalcer
2009-04-10T19:29:18+00:00 10.04.2009 21:29
Ahh, deswegen kommt Kaito KID also bei den Charakteren vor xD
Aber so ganz in Charakter finde ich ihn nicht.
Ich meine, dass er dort einbricht ist gut vorstellbar, aber das andere...
Passt nicht so ganz zu ihm.
Und Ran reagiert ziemlich komisch.
Armer Shinichi. Das Rätsel hätte ihn abgelenkt.

Von:  Leylis
2009-04-08T21:12:02+00:00 08.04.2009 23:12
Guten Abend! ^^
Hatte dieses Mal 'ne etwas längere Leitung und daraufhin hab ich mich erst mal über die Überschrift gewundert, mich dann während des Kapitels von KID überraschen lassen und jetzt erst ist mir aufgegangen, dass das Ganze etwas miteinander zu tun haben könnte...
Tja, dadurch machte das Lesen aber noch mehr Spaß. Kaito KID ist nämlich für mich neben Heiji der zweite Grund zum Jubeln, wenn sie im Manga vorkommen. ^^
Und nun taucht er auch bei dir auf! *freu*
Ich finde übrigens, dass du ihn super getroffen hast, was den Charakter angeht. Irgendwie listig und anständig zugleich... (kommt eben immer auf die Situation an)
Bin mal gespannt, ob Rans schlechtes Gewissen siegt und Shinichi letzten Endes doch der Herausforderung nachkommen darf... oder ob er zufällig am Ort des Geschehens ist... oder ob KID sich noch etwas anderes einfallen lässt...
Aber es dürfte ja sicher sein, dass er noch von sich hören lassen wird.
*sich ganz doll freu*

Bis nächste Woche! (Hoffe, Sayuri & Ran vertragen sich bald mal wieder...)

LG

Leylis

PS: Frohe Ostern!
Von:  Haineko
2009-04-08T19:02:54+00:00 08.04.2009 21:02
Nyuu~ ich hab mir schon gedacht, dass Kaito auftaucht, als ich die Überschrift gelesen habe... obwohl... eigentlich ist ja KID aufgetaucht... XD
Aber da wird der Gute wohl wirklich sehr Enttäuscht sein, wenn er merkt, dass Shinichi, trotz seinem Nachhelfen nicht zum 'spielen' kommen wird... wobei ich mich frage, was er vorhat, wenn er sich sein Publikum schon so genau aussucht... muss ja irgendwas größeres sein...
Gott muss ihm wohl nicht gnaden, denn schließlich hat Shinichi keinen wirklichen Grund sauer auf ihn zu sein... wenn man mal vom Einbruch absieht... immerhin hat Kaito nicht ein Wort gelesen, von dem was da steht... abgesehen von den Daten... wobei ich mich wundere, dass er so... hm... auffällig eingebrochen ist... mit seinen Fähigkeiten dürfte es ja wohl auch kein Problem sein das Haus auch auf eine etwas... sanftere Art zu betreten...
Zu Rans Verhalten... nun es ist durchaus nachvollziehber... sowohl, dass sie ihm die Briefe vorenthalten hat, als auch, dass sie ihn dadurch, dass sie ihn an seine hohen Moralvorstellungen erinnert, davon abhält, die Briefe jemals zu öffnen... es mag zwar zugegebener Maßen nicht ganz fair ihm gegenüber zu sein... aber sie macht sich nun mal Sorgen um ihn und möchte, dass er so lange wie möglich am Leben bleibt... und da wäre es wirklihc nicht gut, wenn er vergessen würde etwas zu essen, oder ausreichend zu schlafen... und immerhin hat sie ja auch ein schlechtes Gewissen... das zeugt doch davon, dass sie weiß, wie ungerecht sie ist... obwohl ich mich frage, wie sie auf eine Glückwunschkarte von KID zur Geburt ihrer Tochter reagieren würde...
Nun wissen sie also, dass sie eine Tochter bekommen werden... Shinichi scheint mit der ganzen Situation immer besser umgehen zu können... was ja nur gut ist... und vielleicht könnte er seine Langeweile ja wirklich sinnvoll damit bekämpfen, indem er sich einen Namen für sie überlegt... auch wenn es ja vorhersehbar war, dass er sich fast zu tode langweilt, sobald er seine Stelle gekündigt hat... was ja schon schwer genug für ihn war... zum Glück hat Megure am Ende ja noch die Kurve gekratzt und konnte ihm helfen... was ja wohl notwendig war...
Bin schon gespannt, was Sayuri im nächsten Kappi zum lesen bekommt...
LG Hainekoの
Von:  Kimikou
2009-04-08T19:02:21+00:00 08.04.2009 21:02
wiederma nen geiles Kapi^^
bin froh das es net so trauig wie das letzte ist^^
der gute alte KID muhaha
typisch Kerl xD

*hüstel*

ehm joa
also mir fällt nichts mehr ein^^"
bin gespannt wie sich des ganze weiter entwickelt^^
und wie immer freu ich mich an dieser Stelle auf das nächste Kapi

LG
Ran-chan
Von: abgemeldet
2009-04-08T17:28:13+00:00 08.04.2009 19:28
hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii...^^
wie gehts...xD naja..mir gehts gut, da du
mal wieder ein supertolles chap hochgeladen hast....*g*
aber echt ma, jedes deiner hcaps war toll..., ich hoffe
es geht bald weiter....das KID jetzt auch nochmal vorkommt
finde ich übrigens toll, ich hoffe er findet heraus, dass
shinichi bald stirbt.....xD
mach weiter so....schneeeeeeeeeeeell...
vlg
Von:  Kikili
2009-04-08T15:33:12+00:00 08.04.2009 17:33
Kaito Kid kommt auch noch vor... wie lustig...
Ich glaube nicht dass Kid es zu lassen wird ohne Shinichi zu "spielen". Wann wird er wohl erfahren was mit Shinichi ist? Tja das werd ich wohl wie immer erst später erfahren.
Aber mach weiter so!
Von:  Cygni
2009-04-08T10:08:46+00:00 08.04.2009 12:08
ohhh tolll ich LIIEEBBE KID!!!
die nächsten kapitel sind wohl so ne art extrabonus für alle kaito fans*fähnchen-schwing*

ich glaub das kid ihn persönlich konfrontirt wenn er jetzt wieder nicht antwortet^^
tolles kapi, freu mich auf nächste woche und frohe ostern^^

lg stellax3
Von:  Diracdet
2009-04-08T04:34:26+00:00 08.04.2009 06:34
Hallo Leira,

nun wars das also endgültig mit dem... offiziellen Part. Wir können ja ahnen, es war nicht das Ende, außer Ran fängt jetzt an, die Rätsel zu lösen... ;p
Shinichi is out, und keine große Abschiedsfeier für einen der besten Mitarbeiter der Polizei? Ein warmer Händedruck und das wars? Schade, auch wenn er selbst wohl nicht mehr wollte. Wie verkrakelt wohl die Schrift war.

Und wirklich gut war er danach auch nicht auf Ran zu sprechen, als er ankam. Ist das jetzt nicht eigentlich wieder eine Maske? Knn ihr das so... gefallen (ein vielleicht unpassendes Wort), dass er ihr nur gut zuspielt, auch wenn er sich eigentlich furchtbar langweilt? Das mögen Frauen bei ihren Mänern häufig zwar, aber doch... ist es eigentlich nicht Rans Stil.

Und da ist ja schon der weiße Zauberer. Und findet zielsicher Rans Unterwäsche... *ggg*
OK, ich geb zu, da hätte ich sie auch nicht vermutet, wozu gibt’s Kleiderschränke und Regale? In dem Schubfach hätte ich jetzt Bücher erwartet, Rätselhefte oder eben die Briefe.
Ich stelle mir gerade Rans Privatbibliothek als kleines enges Kämmerlein vor, dessen Wände wie die der großen Bibliothek ausgefüllt sind. Irgendwie... Platzangstfördernd. Oder soll es doch ein großer Raum sein?
Tja, da musste er für ein neues Versteck nicht viel überlegen, genau die Umkehrung zu Rans Variante... ganz dumm ist er nicht.
Überhaupt, mir gefällt die Darstellung von Kid, obwohl... mir noch irgendetwas an ihm fehlt. Frag mich nicht was, kann auch an der eher ungewohnten Situation oder an den Gedankenblasen, die man von ihm eher selten hat liegen. Aber irgendwie war er noch nicht ganz der Kaito Kid.
Ach ja, du hast sehr oft KID geschrieben, manchmal dann aber doch wieder Kid, guck da vielleicht nochmal ganz kurz drüber, fiel mir auch nur beim Lesen auf, weil KID vom Rechtschreibprogramm akzeptiert wurde, Kid aber nicht.^^

Ui... ist das neue Kapitel im Tagebuch nach diesem Tag entstanden? Wenn ja, kann er ja nun seine Tochter als solche anreden! ^______________^
Hab schon auf die Ultraschallbilder gewartet. Das macht die Sache gleich noch persönlicher. Und die Streits zwischen ran und Sayuri schlimmer... -.-'

Tja, für den Moment hat Shinichi aufgegeben, aber das war es noch nicht, da wird Kid sich schon noch was einfallen lassen, schätze ich. Sehr zu Ungunsten von Ran.

Also bis zum nächsten Mal.
LG, Diracdet
Von:  waffelcrepe
2009-04-07T21:37:36+00:00 07.04.2009 23:37
Kaito, du SPANNER!!!
In der Unterwäsche einer fremden Frau rumzuwühlen... XD
Zu geil, ich kann mir lebhaft vorstellen wie Ran ihn mit einem Karatetritt zu Boden befördert, wenn sie das rauskriegt.

Ansonsten, wie üblich ein klasse Kapitel.
Bin schon jetzt auf die Sache mit Kid gespannt...


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