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Tagebücher

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Rote Träne

Mesdames, Messieurs,
 

an dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für all eure Kommentare bedanken!

Ihr seid die Besten! :)

Und ich freu mich echt immer wieder, über jeden neuen Kommie, der hier erscheint. Euer Feedback ist mir echt viel wert!
 

Nun also beginnt der KID-Fall... ich hoffe, ich habs mit sowenig Ungereimtheiten hingebracht wie möglich ;D
 

Ich wünsche viel Spaß,

Liebe Grüße,

Eure Leira :D

______________________________________________________________
 

Kapitel 16: Rote Träne
 

Vergangenheit
 

Neujahr war gekommen und gegangen.
 

Shinichi schaute aus dem Fenster, seufzte leise; mit dem heutigen Tag war das neue Jahr schon ganze zwei Tage alt. Ihm war das relativ egal.

Morgen war Neumond, das war alles, was für ihn zählte.
 

Er zog seine Kreise in seinem Büro, den Zettel mit KIDs letzter Nachricht in der Hand, versicherte sich immer wieder, dass er ihn richtig gedeutet hatte.
 

Wenn Tausend über Tausend Diamanten auf schwarzem Tuche ausgebreitet liegen,

Leuchten und funkeln und glitzern auf dunklem Samt, wie man sie nur find’,

Wenn zur Nichtzeit Selene sich in ihr schwarzes Kleid hüllt, wenn Schatten über diese Erde fliegen,

Dann werde ich sein, wo Dunkelheit und Einsamkeit unsere einzigen Begleiter sind,

An der Pforte zu Hades Reich, wo Cerberus über uns wacht…

Und der weinenden Lady ihre rote Träne trocken,

damit ihr trauerndes Antlitz sei froher gemacht.
 

Er legte seine Stirn in Falten, griff intuitiv nach der Tasse Kaffee auf seinem Schreibtisch, als er daran vorbeiging und nahm einen Schluck, verzog ein wenig angewidert das Gesicht. Das Gesöff war schon fast kalt.

Aber egal.

Lieber kaltes Koffein als gar keins. Und so trank er noch ein Schlückchen.
 

Das Rätsel war ganz klar in drei Teile geteilt.

Der erste Teil, die ersten drei Zeilen, beschrieben den Tag und die Zeit.
 

Wenn Tausend über Tausend Diamanten auf schwarzem Tuche ausgebreitet liegen,

Leuchten und funkeln und glitzern auf dunklem Samt, wie man sie nur find’,

Wenn zur Nichtzeit Selene sich in ihr schwarzes Kleid hüllt, wenn Schatten über diese Erde fliegen…
 

Tausend über Tausend Diamanten auf schwarzem Tuche.

Das waren die Sterne am Firmament, ohne Zweifel. Solche Analogien waren typisch für KID.
 

Leuchten und funkeln und glitzern auf dunklem Samt, wie man sie nur find’, wenn zur Nichtzeit Selene sich in ihr schwarzes Kleid hüllt, wenn Schatten über diese Erde fliegen…
 

Selene war die griechische Göttin des Mondes. Zog sie sich ihr schwarzes Kleid an, dann verschwand sie… also war eine Neumondnacht gemeint.

Und die Nichtzeit konnte nur Mitternacht sein.

0 Uhr. Eine Stunde, die keine war, eine Zahl, die nichts beschrieb.

Oder - die Zahl, die das Nichts beschrieb.
 

Die nächsten zwei Zeilen beschrieben den Ort.
 

Dann werde ich sein, wo Dunkelheit und Einsamkeit unsere einzigen Begleiter sind,

An der Pforte zu Hades Reich, wo Cerberus über uns wacht…
 

Das konnte nur ein Friedhof oder ein Mausoleum sein.

Dunkelheit und Einsamkeit als einzige Begleiter… das waren zweifellos die Diener in den dunklen Gemächer einer noblen letzten Ruhestätte. Cerberus, der Höllenhund, Hades, der Gott der Toten… es handelte sich bestimmt um ein Grabmal.

Und welche Ruhestätte genau, beschrieb die letzte Zeile, und damit auch den begehrten Gegenstand:
 

Und der weinenden Lady ihre rote Träne trocken, damit ihr trauerndes Antlitz sei froher gemacht.
 

Die rote Träne der trauernden Lady.

Es gab eigentlich nur ein Werk, das auf diese Beschreibung passte.

Das weinende Fräulein, wie ihr Name wörtlich übersetzt hieß, oder, wie man sie auch nannte, la Mademoiselle criante, da das traurige Mädchen von französischer Meisterhand gemacht worden war.

La mademoiselle criante war eine alabasterweiße Marmorstatue im Mausoleum der Villa der Familie Kawasaki, das wusste er; die Figur war eine Berühmtheit, genauso wie ihr Besitzer.

Kazuyoshi Kawasaki, der Patriarch der Großfamilie und der Besitzer der gleichnamigen Computerfirma, dem Imperium Kawasaki & Son, hatte diese Statue für seine Sammlung gekauft. Der Familiensitz war schon Jahrhunderte alt, und das Mausoleum war von seinem Urururgroßvater angelegt worden. Seit es existierte, fand ein jedes Mitglieder der Familie dort seine letzte Ruhe.
 

Nun war es so… diese Statue war um die zweieinhalb Meter groß; eine riesige Statue, ein Zeugnis höchster Bildhauerkunst.

Dabei war die Besonderheit, dass La Mademoiselle criante, geschaffen vom französischen Bildhauer Jean-Jacques Gaultier, kein weinendes Fräulein darstellte, wie der Titel verhieß - sondern einen trauernden Engel. Die Figur saß auf einer Art Grabstein, den Kopf gramerfüllt gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, die Füße nebeneinander gestellt. Das Kleid hing dem Engel in lockeren Falten um ihren Körper, imitierte auf fabelhafte Weise echten Stoff.

Die großen, gefiederten, unglaublich detailliert ausgearbeiteten Flügel hielt sie vom Rücken ausgestreckt streng nach oben.

Sie hatte lange, lockige Haare, ein überirdisch schönes Antlitz; und aus einem ihrer marmornen Augen rann eine einzige Träne.
 

Und diese Träne war rot… funkelnd…
 

Ein blutroter Diamant.

The Red Teardrop.
 

Die rote Träne.
 

Morgen zur Neumondnacht.

Bald war es soweit.
 

Dann klingelte das Telefon in der Halle, was ihn aus seinen Gedanken riss, und er hörte, wie Ran abhob. Wenig später erschien sie mit dem schnurlosen Gerät in seinem Zimmer, schaute ihn milde erstaunt an.

„Für dich. Meguré.“
 

Shinichi hielt nur die Nachricht hoch, die Ran sofort erkannte.

„Er macht also doch ne große Party draus.“, grinste er.

„Das dachte ich mir. Hätte mich eher gewundert, wenn nicht.“
 

Er nahm ihr den Hörer ab.

„Kommissar, was gibt’s?“
 


 

Stunden später befand er sich im Einsatzfahrzeug des Tokioter Police Departments am potentiellen Tatort.

Der Minibus war ohnehin schon vollgestopft mit allerlei technischem Gerümpel, so dass Shinichi, Sato, Takagi, Meguré, Nakamori und ein paar seiner Leute in dem Gefährt standen wie die Sardinen in der Dose. Ran hockte auf dem einzigen Stuhl in dem Kabuff und wachte über ihren Ehemann, der ihr einen ganz leicht genervten Blick zuwarf, ehe er sich über den Campingklapptisch in der Mitte des Räumchens beugte und sich überzeugte, wohlweislich nicht laut, weil er sonst nur dumme Fragen zu beantworten gehabt hätte, dass es sich bei dem Schreiben, das heute Morgen an die Polizei gegangen war, um den gleichen Brief handelte, den er bekommen hatte.
 

Dem war in der Tat so.

Es war haargenau das gleiche Rätsel.

Und so erklärte er ihnen, mit ein paar kleinen Umwegen, um nicht durchscheinen zu lassen, dass er dessen Lösung schon seit zwei Wochen kannte, seine Bedeutung. Die Polizisten staunten; alle bis auf Nakamori, der ihn einigermaßen angesäuert anblickte und sich eines Kommentars enthielt.
 

Fakt war, sie waren alle angespannt; nur er nicht.

Shinichi freute sich.

Als sie sich schließlich auflösten, für den heutigen Tag ihre Sitzung beendeten, wandte sich Meguré an Shinichi, zog ihn kurz beiseite.
 

„Ich freu mich. Ehrlich. Dass wir doch noch einen… gemeinsamen Fall haben.“

Er räusperte sich, schaute verlegen weg.

Shinichi lächelte.

„Ich mich auch, Herr Kommissar. Bis morgen.“

Damit tätschelte er kurz Megurés Schulter und ging zu Ran, die bereits wartete.
 


 


 

Am Abend vor der Nacht der Nächte saßen Shinichi und Ran in stummer Eintracht aneinandergeschmiegt auf dem Sofa, schauten still in die prasselnden Flammen des Feuers im Kamin.
 

Nach einer Weile bewegte sich Ran ein wenig; zog die Beine noch ein Stückchen mehr an, kuschelte sich fast wie ein Kätzchen an ihn.

Er legte ihren Arm ein wenig mehr um ihre Schulter, zog ihren Kopf an seine Brust, legte seine andere Hand an ihre Taille.

Rans ruhiger Atem war unglaublich beruhigend. Ein zufriedener Seufzer entfloh seiner Kehle. Sie schaute kurz auf, bemerkte das ruhige Lächeln auf seinem Gesicht, den warmen Glanz des Feuers in seinen Augen.

Seine Brust hob sich langsam und gleichmäßig, und in ebenso regelmäßigen Takt hörte sie das Pochen seines Herzens.
 

Fast vergessen schienen diese dunklen Tage vor nicht allzu langer Zeit.

Es ging wohl tatsächlich wieder bergauf, ein wenig, und man merkte ihm das auch an.

Er genoss es.

Genoss seine Zeit, sein Leben… genoss diesen allerletzten Fall. Es schien alles so anders, diesmal.

Kein brutaler Mörder, der ihm den Schlaf raubte.

Keine Verzweiflung in seinen Augen, kein Verlust seiner Objektivität, seines Verstands...

Keine Appetitlosigkeit, keine Geistesabwesenheit, kein Drama, wenn er wieder jemanden nicht hatte retten können.
 

Nur ein ganz leichter Nervenkitzel… ein kleiner Ansporn, ein großes Vergnügen.

Sie würde KID einen Dankesbrief verfassen müssen.

Das hier würde er werden… der wahrhaft letzte Auftritt… und er würde in einem triumphalen Sieg für den Detektiv enden, dessen war sich Ran sicher.

Sie kannte ja den Detektiv.
 

„Dir geht’s gut, ja?“, murmelte sie leise fragend.
 

Er blinzelte kurz, gab ihr einen Kuss auf die Haare.

„Ja.“

„Sicher?“

„Ganz sicher.“

Er fing an, ihren Bauch zu streicheln.

„Sag mal, sollte sie sich nicht bald mal bewegen?“

Ran lächelte, in ihre Augen trat ein Funkeln.

„Ja, bald. Sehr bald schon, eigentlich.“

„Schön.“

Er gähnte träge.
 

„Du freust dich auf morgen, hab ich Recht?“

Ein Grinsen huschte ihr über die Lippen, als sie mit den Fingern an einem seiner Hemdknöpfe zu spielen begann.

„Hmmm…“, machte er, setzte sich ein wenig auf, schaute sie an.

„Ich werd’ ihn kriegen, morgen.“

Ran hob den Kopf ein wenig.

„Nichts anderes erwarte ich von dir, Detektiv. Aber was tust du, wenn du ihn hast?“

„Ihm dieses dämliche Monokel abnehmen. Ich brings dir dann als Souvenir mit.“

Er grinste. Ran schlug ihm spielerisch gegen die Brust.

Shinichi seufzte leise, aber das leichte Lächeln war nicht von seinen Lippen gewichen. Er schaute in ihr Gesicht, strich ihr sanft eine Strähne ihres schokoladenbraunen Haars aus der Stirn. Ihre Augen leuchteten im Schein des Feuers wie zwei Saphire, in ihnen schien ein ganz eigenes Feuer zu brennen.

Langsam ließ sie ihre Augen über sein Gesicht schweifen.

Es war… unübersehbar. Seit… seit jenem sehr schwarzen Tag ging es ihm wirklich deutlich besser. Sie fragte sich, ob es wirklich dieses enorme Tief gebraucht hatte, um ihn wieder derart aufzubauen, aber sie beschwerte sich nicht.

Sie wussten jetzt, was sie tun durften und was nicht; und was auf dieser Verbotsliste ganz oben stand, war… daran zu denken, was bald passieren würde. Nicht zu versuchen, ihn auf irgendeine Weise zu schonen, um ihn zu bewahren, so lange wie möglich zu konservieren… man musste ihm erlauben zu leben, wenn man wollte, dass er es tat.
 

Sie lachte ihn an und er lachte zurück.
 

Insofern hatte dieser Tag wirklich etwas Gutes gehabt.

Es war so viel schöner jetzt… mit ihm jeden Tag zu genießen, raus zu gehen… einfach nicht daran zu denken, was noch kam. Es würde früh genug kommen, das wussten sie beide, der Gedanke ging nicht verloren… aber er verlor die Wichtigkeit, die er vorher hatte.

Er musste spüren, dass man ihn brauchte. Ihn hier haben wollte.

Jetzt.

Sie alle hatten eins vergessen.

Shinichi lebte.

Also sollten sie ihn auch so behandeln.
 

„Nein, ganz ehrlich… ich weiß es noch nicht… das muss ich auf mich zukommen lassen.“, knüpfte er dann wieder an ihre Frage an.

Er schaute kurz nachdenklich in die Flammen, als ihre Stimme wieder an ihr Ohr drang.

„Was meinst du… welche Kostümierung wird er morgen haben?“, fragte sie, verdrehte ihre Augen grübelnd.

Er tippte ihr auf die Nase, zog die Augenbrauen zusammen.

„Ich hoffe, er gibt sich nicht wieder für dich aus.“
 

Dann stemmte er sich langsam hoch, brachte sie davon, von ihm runter zu rutschen.

Gähnend strich er sich durch die Haare, blinzelte sie dann müde an.

„Komm, gehen wir ins Bett. Der Tag morgen wird lange genug…“

Sie gab ihm einen Kuss auf die Schläfe, dann ließ sie sich von ihm aufhelfen.

„Da kannst du allerdings Recht haben…“

Sie gähnte ebenfalls, wobei ihr ein Laut entfuhr, der ihm ein Lächeln entlockte.

„Na, komm schon, Mama. Es wird Zeit fürs Bettchen, meine Liebe.“

Sie lehnte sich an ihn, ließ sich von ihm ins Schlafzimmer führen. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie müde sie auf dem Sofa vor dem Feuer geworden war. Sie spürte, wie er sie ins Bett sinken ließ, sie zudeckte und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte, hörte, wie er neben ihr unter die Decken glitt, drehte sich dann langsam zu ihm, griff nach seinem Pyjamahemd, merkte zufrieden, wie er einen Arm um sie legte und sie an sich zog, und schlief ein.

Shinichi neben ihr tat es gleich.
 

Und während im Wohnzimmer langsam das Feuer niederbrannte, schliefen die Bewohner der Villa Kudô, in gespannter Erwartung des folgenden Tages…
 


 

Der mit einer Überraschung anbrach-
 

- denn als Ran am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war das Bett neben ihr leer.
 

Sie setzte sich verwirrt auf, schaute um sich, zog an Shinichis Bettdecke, so als müsse sie sich vergewissern, dass sich auch wirklich kein Shinichi darunter versteckte, als auch schon die Schlafzimmertür aufging und ein Tablett hereinkam. Langsam schob sich die Tür dann ganz auf und auch der Träger des Tabletts wurde sichtbar, grinste sie unverschämt an.

„Frühstück!“, verkündete er.

„Mach mal ein wenig Platz auf dem Bett.“
 

Ran schaute ihn an, schob dann die Decken beiseite, damit das Tablett stabil stehen konnte, sog genüsslich den Duft kross gebackener Brötchen und frisch aufgebrühtem Kaffee ein.

Ein Lächeln glitt ihr übers Gesicht.

„So ein Luxus.“, murmelte sie erfreut, als sich Shinichi ihr gegenüber vorsichtig aufs Bett sinken ließ, um nichts zu verschütten. Dann goss er ihr langsam und sehr konzentriert eine Tasse Kaffee ein, während sie sich ein Brötchen griff und es zu halbieren begann.

„Sag mal, mein lieber Ehemann… womit verdiene ich das und seit wann bist du eigentlich schon auf? Du warst ja sogar schon beim Bäcker…“, bemerkte sie neckend und schaute ihn fragend an. Sie griff nach der Butter.

Er goss sich nun seinen Kaffee ein, verzog nachdenklich das Gesicht.

„Wann bin ich aufgestanden… weiß nicht… sechs? Halb sieben?

Ran, die sich gerade dick Maracujagelee auf ihr gebuttertes Brötchen schmieren wollte, hielt inne.

„Seit sechs Uhr? Sag mal, spinnst du? Und warum hast du mich nicht geweckt?“

Während sie ihn noch anschaute, verteilte sie das goldgelbe Gelee auf ihrem Brötchen.

„Ich konnte nicht mehr schlafen, also lass mich doch.“, maulte er leise, nahm einen Schluck Kaffee.

„Und warum hätte ich dich wecken sollen? Du brauchst deinen Schlaf.“

Er grinste frech.

„Außerdem siehst du wirklich süß aus, wenn du schläfst.“

Ein leichter Rotschimmer schlich sich auf seine Wangen. Ran seufzte, dann lächelte sie, hielt ihm ihr Brötchen hin.

Er biss ab, kaute genüsslich.

„Außerdem lass mich dich doch einfach mal ein wenig verwöhnen… du hast dir für mich ja die letzten Wochen auch ein Bein ausgerissen, jetzt lass mich doch meine schwangere Frau ein wenig umsorgen.“

Shinichi lächelte schüchtern, halbierte dann sich selbst ein Brötchen.

„Das Zeug schmeckt toll, was ist das? Ich hab einfach mal alles aufs Tablett gestellt, was ich im Kühlschrank gefunden hab, aber das ist neu, oder?“, meinte er dann.

„Maracujagelee.“

Ran grinste, legte ihren Kopf schief.

„Auch bekannt als Passionsfrucht…“

Shinichi verschluckte sich leicht, schaute in ihr Gesicht. Ihr Lächeln wurde noch einen Tick strahlender, dann griff sie nach seiner Krawatte, zog ihn zu sich.

„R-Ran…?“

Weiter kam er nicht, versuchte nur, nichts umzuwerfen, als ihn seine Frau über das Frühstückstablett hinweg küsste, leidenschaftlich, ihre Arme um ihn schlang, soweit es ging, sich ihm entgegenstreckte.

Als sie sich voneinander lösten, waren sie beide ein wenig atemlos. Sie hielt immer noch seinen Kopf fest, ihre Stirn gegen seine gelehnt, fühlte seinen Atem auf seinem Gesicht.
 

„Ich liebe dich so sehr…“, flüsterte sie leise, schaute in seine Augen.

„So sehr… ich denke, das kannst du dir nicht vorstellen.“

Er schluckte, hob vorsichtig eine Hand, strich ihr über die Schläfe, die Wange, das Kinn, berührte mit seinem Daumen ihre Lippen, gab ihr einen zarten Kuss.

„Doch, kann ich…“, murmelte er leise.

Wie auf ein gemeinsames Zeichen hin ließen sie einander wieder los, wandten sich wieder ihrem Frühstück zu.
 

Es waren die kleinen Dinge, die das Leben schön machten, dachte Ran bei sich.

Und eine kleine, aber spitze Nadel piekste sie, als sie daran dachte, wie schnell sich dieser Zustand ändern würde.

Aber noch war es nicht soweit… und solange sollten sie diese Gedanken nicht beschäftigen. Sie tauchte ihr Messer in das Glas mit dem Maracujagelee und begann, ihre zweite Brötchenhälfte damit zu bestreichen, sah ihm zu, wie er seinen Kaffee trank.
 

Gegen drei Uhr dann trafen sie am ‚Tatort’ ein; der Villa Kawasaki. Kogorô begleitete sie, als Shinichi und Ran an den Wachpolizisten vorbei durch das große Eingangstor das Herrenhaus betraten.

Der Anblick war von außen schon wahrhaft Ehrfurcht gebietend gewesen… aber was sie im Inneren an Prunk und Pomp sahen, übertraf die mächtige, barocke Fassade mit ihren Balustraden, Säulen, Friesen und Giebeln bei weitem.

Die ganze Eingangshalle war aus weiß-rosa Marmor, auf Hochglanz poliert, spiegelte das Licht von drei Kronleuchtern an der Decke, die gut vier Meter über ihren Köpfen schwebten.

Shinichi schluckte, aber ließ sich nicht ablenken, sondern behielt alle Anwesenden im Auge, griff nach Rans Hand. Sie drückte seine Finger, schaute in sein Gesicht; seine Augen blitzten vor Aufregung, um seine Lippen lag ein gespannter, aber nicht verkniffener Zug.

Er war bereit.
 

Dann wurden sie von Meguré entdeckt, der ihnen sogleich zusammen mit Nakamori und einem ihnen unbekannten, älteren Herrn, sowie einer jungen Frau in ihrem Alter entgegeneilte.

„Kudô!“, rief er erfreut aus. Man sah ihm an, wie sehr es ihn immer noch freute, seinen alten Kollegen doch noch einmal bei einem Fall dabei haben zu dürfen.

Möglichst unauffällig beugte er sich vor.

„Wie geht’s dir?“

„Gut.“, murmelte Shinichi leise.

Dann warf er einen Blick in die Runde.

„Hat er sich schon irgendwie gemeldet?“

Meguré schüttelte den Kopf.

„Nein, KID hält sich noch bedeckt bis jetzt. Aber ich stell dich jetzt am besten erstmal vor.“

Er drehte sich um, begann mit gewichtiger Stimme zu sprechen.

„Also; hier hätten wir Herrn Kazuyoshi Kawasaki junior, der Hausherr und Besitzer der Firma Kazuyoshi & Son; er hat das Anwesen und die Firma von seinem Vater, Kazuyoshi Kawasaki senior, übernommen.

Das junge Fräulein hier ist seine Tochter, Sachiko Kawasaki; ihr gehört die Statue.“

„Ein Geschenk meines Vaters.“, fügte die junge Frau bestimmt hinzu.

Sie war schlank, ungefähr so groß wie Ran, hatte langes, glattes, pechschwarzes Haar und große, rehbraune Augen, umkränzt von langen Wimpern. Ihre Haut war elfenbeinweiß, und ihre Lippen voll, rot und sinnlich. Ran griff unwillkürlich Shinichis Hand ein wenig fester, woraufhin er ihr einen leicht überraschten und fragenden Blick zuwarf.

Der Hausherr selber war eine beeindruckende Erscheinung; ein Mann in den Fünfzigern, breitschultrig und hochgewachsen, verbreitete er mit seinen scharfen, braunen Augen und kantigem Gesicht einen kräftigen Hauch von Autorität und Machtbewusstsein. Er trug sein immer noch makellos schwarzes Haar kurz geschnitten, sein seine Oberlippe und seine Kinn- und Backenpartie zierte ein ebenso dunkler und voller Bart.
 

Meguré schaute von einem zum anderen.

„Es leben noch im Haus die Bediensteten und der Freund der Tochter…“

Er warf einen Blick auf Fräulein Kawasaki, die ihrerseits Shinichi mit großem Interesse musterte, und warf ihr einen unwilligen Blick zu.

„Das hier sind dann Shinichi Kudô, seines Zeichens Privatdetektiv und alter Bekannter von Kaito KID, wenn man so sagen darf…“, fuhr der Kommissar fort, behielt die junge Frau im Auge, „seine Frau, Ran Kudô, deren Vater, Kogorô Môri, Kommissar Nakamori und da…“, er lächelte erfreut, als er sie ankommen sah, „die Inspektoren Takagi und Sato.“
 

Ran warf Sachiko einen unfreundlichen Blick zu.

Shinichi zog die Augenbrauen zusammen, enthielt sich eines Kommentars, wandte sich stattdessen an den Hausherrn.

„Soweit wir aus seiner Nachricht entnehmen dürfen, wird KID sich erst gegen Mitternacht zeigen; darf ich Sie vielleicht bitten, uns dann mal das Objekt seiner Begierde zu zeigen? Und dann können wir auch gleich darüber sprechen, inwieweit Sie vorhaben, den Stein schützen zu lassen… oder schon gesichert haben?“

Kawasaki nickte, Nakamori murrte lautlos vor sich hin, da er es nicht leiden konnte, wenn jemand anders als er die Führung übernahm, wenn es um seinen persönlichen Feind ging, diesen kleinen Taschendieb, diesen…

Weiter kam er in seinen Überlegungen nicht, denn er musste darauf achten, wohin er ging, als sie die Treppe hinunter stiegen.
 

„Sagen Sie…“, begann Sachiko im Plauderton, wandte sich an Ran, „warum begleiten Sie eigentlich Ihren Mann? Noch dazu in diesem Zustand?“, sie ließ ihren Blick über Rans gerundete Formen gleiten, lächelte zuckersüß. Ran erwiderte das Lächeln, allerdings ein paar Nuancen säuerlicher.

„Irgendjemand muss ja aufpassen, damit ihm nichts passiert. Sie wissen doch, wie Männer sind.“, antwortete sie dann. Shinichi warf ihr einen scheelen Blick zu, enthielt sich aber eines Kommentars.

„Und dieser Zustand…“, Ran fuhr fort, und sie betonte das Wort „Zustand“ besonders, „ist bestimmt kein Hindernis, wenn Sie das glauben, aber ich danke sehr für Ihre Besorgnis.“

Shinichi beugte sich ein wenig nach vorn.

„Ran!“, flüsterte er warnend.

„Is doch wahr.“, knurrte sie.

Die junge Frau schien von alldem nichts mitzubekommen, sondern spazierte einigermaßen fröhlich vor ihnen her, schloss zu ihrem Vater auf, der die Gruppe anführte, zuerst die Treppe runter, dann durch einen Gang, dessen marmorner Boden von einem roten Teppich bedeckt war. Shinichi schaute ihr hinterher.
 


 

Dann endete der Gang vor einer großen, schweren Holztür, die davor noch mit einer Gittertür gesichert war.

Herr Kawasaki holte einen Schlüsselbund aus seinem Jackett, hielt ihn in die Höhe.

„Das sind die meine Schlüssel; es gibt nur zwei Sets, die für diese Türen existieren, und ich trage meines immer bei mir. Die anderen Schlüssel hat meine Tochter, und bei ihr verhält es sich genauso. Sie sehen, die Tür ist äußerst solide…“

„… aber wird einen Dieb wie KID kaum abhalten. Wenn er rein will, kommt er rein.“

Shinichi unterbrach ihn, schaute sich das Schloss an, bückte sich ein wenig dafür, um mit dem Schloss auf Augenhöhe zu sein.

„Er dürfte wohl lachen, wenn er das sieht. Und außerdem…“, er schaute auf.

„Woher will man wissen, dass er Sie nicht überfällt… und sich als Sie selber ausgibt? Das wäre nicht das erste Mal, wie Sie vielleicht wissen… Damit würden auch die Schlüssel in seinen Besitz wandern, und es wäre noch leichter für ihn.“

„Deshalb werden auch Kräfte der Polizei oben an der Treppe postiert. Heute wird keiner allein diesen Raum betreten!“, ereiferte sich Nakamori, warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

„Aha.“, murmelte Shinichi leise, nickte kurz, warf einen letzten Blick auf das Schlüsselloch.

Als er sich wieder aufrichtete, geriet er leicht ins Schwanken, hielt sich kurz am Arm des Hausherrn fest, der ihn finster anblickte, und trat zurück.

„Entschuldigung.“, murmelt er schuldbewusst, wartete, bis Kawasaki aufsperrte.

Ran trat neben ihn, schaute ihn besorgt an.

„Geht’s dir…“

„Es ist nichts, Ran.“, flüsterte Shinichi, wandte kurz den Kopf, um sicherzugehen, dass ihn keiner hörte.

„Keine Sorge. Ich hab das bewusst getan. Ich wollte nur sicherstellen, dass das da nicht schon Kid ist… und dieses Prüfen, ob er eine Gummimaske aufhat ist doch etwas… peinlich. Aber da der Mann so muskulöse Oberarme hat, müsste KID das aufpolstern, er ist wesentlich schlanker… wenn es also KID wäre, wäre der Oberarm weich wie ein Kissen. Ist er aber nicht. Dieser Bizeps ist hart wie ein Brett.“

Er grinste.

„So können wir wenigstens vom Hausherrn ausgehen, dass er ist, was er vorgibt zu sein.“

Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen.
 

Ran schaute ihn an. Dann verdrehte sie die Augen, gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Du bist echt unmöglich…!“

Damit betrat sie das Mausoleum, in das gerade Nakamori als letzter der Truppe mit einigermaßen miesepetrigem Gesicht verschwunden war; Shinichi rieb sich den Kopf, folgte ihr lächelnd.

Er trat durch die Tür – und sah sie.
 

La mademoiselle criante.
 

Sie war nicht zu übersehen.

In der Mitte des ovalen Raumes, an deren Wänden eine Galerie entlang lief, gestützt durch einen Säulengang, stand sie; bewachte und beweinte gleichermaßen die hier Ruhenden.

Die Särge und Urnen befanden sich, wie Shinichi nach einem Blick feststellte, weiteren Grabkammern oder in Nischen in den Wänden, denen jeweils ein kleines Sims vorgelagert war, auf denen Blumen und Kerzen standen, an der Wand daneben hing jeweils ein kleines Messingschild mit den Daten des oder der Verstorbenen.
 

Der Anblick war wie ein Schlag in die Magengrube für ihn.

Kurz, nur ganz kurz, drehte sich alles.

Er schluckte, versuchte nicht bleich zu werden, als er an all die Toten dachte.

An Friedhöfe, Särge, an… den Tod selbst.

Er schauderte.

Ran spürte es, wandte sich um, sah seinen starren Blick. Leise trat sie vor ihn, griff seine Hände, zwang ihn, sie anzusehen.

„Schhh…“, murmelte sie leise, gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen.

„Schhhhh…“

Er spürte ihren Atem auf seinem Gesicht, ihre warmen Hände in seinen Fingern, sah in ihre blauen Augen… und beruhigte sich langsam wieder. Er räusperte sich leise, nickte kaum merklich.

„Geht schon.“, wisperte er leise.

Ran schaute um sich; keiner, außer ihr Vater hatte seinen Zustand bemerkt; alle anderen starrten auf die Träne des weinenden Fräuleins.
 

Kogorô näherte sich langsam.

„Alles in Ordnung…?“

Shinichi nickte nur.

„Es ist geschmacklos von KID, dich hierher zu bestellen.“, raunte Ran verärgert, schaute sich missvergnügt um.

„Er weiß es ja nicht, Ran. Man kann ihm da keinen Vorwurf machen.“

Shinichi straffte die Schultern.

„Na kommt schon... Lasst uns den Klunker mal ansehen.“

Damit trat er näher an die Marmorstatue heran; Ran und Kogorô folgten ihm.
 

Der Stein war tatsächlich fast überirdisch schön.

Er leuchtete in einem satten, aber doch sehr fragilen, transparentem Rot, warf schimmernde, rötliche Lichtreflexe auf die schneeweiße Haut des Engels.

Ran seufzte versonnen, als sie ihn betrachtete; Shinichi warf ihr einen amüsierten Blick zu.

Dann riss er sich von ihr und dem Stein los und wandte sich an Herrn Kawasaki.

„Und, wie gedenken Sie ihren Schatz nun diebstahlsicher zu machen?“
 


 

Stunden später, um halb zwölf Uhr abends, um genau zu sein, stand er in der Eingangshalle, vor der Treppe runter ins Mausoleum und fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, auf den Vorschlag von Nakamori einzugehen und nicht darauf zu bestehen, unten rund um die Statue Polizisten zu stationieren.

Wie es sich herausstellte, hatte man unter anderem ihm die vertrauensvolle Aufgabe übertragen, als einzige Wache oben an der Treppe zu bleiben; ihm vertraute man, neben Sato, Takagi und Meguré, die die Schichten vor ihm übernommen hatten.

Er hatte die Schicht gekriegt, in der der Diebstahl passieren sollte.

Fakt war; der Hausherr hatte sich über KID schlau gemacht; er wusste, dass er sich gern mal als Polizist ausgab. Und es schien ihm, wie auch Nakamori, viel zu riskant, den Kerl aus Versehen mit anderen Polizisten, die er mit Schlafgas oder sonstigen Spielereien außer Gefecht setzen konnte, da unten einzusperren, mit dem Schatz vor der Nase.

Ran war zusammen mit ihrem Vater im Einsatzwagen. Er wollte nicht, dass sie hier herumlief, sie sollte sich lieber schonen. Ran war jetzt schon im fünften Monat; und dieser Umstand forderte eben doch, dass sie ein wenig auf sich achtete. Außerdem brauchte sie Schlaf, und wenn sie müde wurde, konnte sie wenigstens ein Nickerchen machen im Beifahrersitz des Autos.

Ihm war so einfach wohler. Er wollte, dass sie es warm und gemütlich hatte und sich nicht die Beine in den Bauch stehen musste, so wie er.

Unruhig änderte er seine Position, lehnte sich langsam gegen die Mauer. Ihm war egal, ob der Hausherr damit ein Problem haben könnte oder nicht.
 

Der Abend war ereignislos gewesen... Kein weißer Gleiter am Himmel und auch sonst nichts Auffälliges.

Shinichi war ja der Meinung, dass KID schon längst da war. Und sicher ausschließen konnte er eigentlich nur den Hausherrn...

Bei den anderen konnte er es nicht sagen. Es wäre umsonst, sich als Dienstbote auszugeben... denn die kamen nie in die Nähe des Mausoleums.

Sinnvoll war nur eine Verkleidung als höher gestellter Polizist, als er selbst (aber er war ja nicht KID; das wusste er sicher, wie er sich grinsend bestätigte) oder als... als Hausherr, dessen Tochter... oder deren Freund.

Er war den ganzen Abend noch nicht auf den Plan getreten.

Wo steckte der Kerl?
 

So hing er also seinen Gedanken nach, hin und wieder einem der patrouillierenden Polizisten grüßend, der an ihm vorbei ging, während er am einzigen Zugang zum Mausoleum stationiert war, ausgestattet mit einem Transmitter, der ihn mit dem Einsatzfahrzeug verband.
 

Und langweilte sich.
 

„Shinichi?“

Leise piepste Ran an sein Ohr.

„Hm?“

„Alles okay?“

Sie klang besorgt.

„Ja, Mama.“, murmelte er ironisch.

Er merkte, wie sein Magen grummelte.
 

Hunger.
 

Er verzog unwillig das Gesicht.

„Ist was?“

„Nein.“, murmelte er, leicht angesäuert.

„Aber wie hoch sind die Chancen, dass du mir was zu Essen machst, wenn wir heimkommen? Ich bin am Verhungern.“

Ran lächelte.

„Wenn du ihn kriegst, kannst du haben, was du willst.“

Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Hört sich gut an.“
 

Dann sah er sie kommen; Sachiko und einen jungen Mann, offensichtlich ihr Freund, Händchen haltend. Shinichi sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an; es handelte sich bei ihm um einen schlaksigen, dunkelhaarigen Mann in seinem Alter, der irgendwie einen etwas heruntergekommenen Eindruck machte. Der Typ Mensch, der sich selber als Opportunist ausgab, vermutlich Sänger oder eine andere Art Musiker, der gegen alles kommerzielle rebellierte und sich doch von seiner schwerreichen Freundin aushalten ließ.

Der Typ Mensch, den andere als gescheiterte Existenz belächelten.

Shinichi zog die Augenbrauen zusammen, tippte einmal gegen das Mikro, um zu zeigen, dass er abgelenkt war und nicht weiter reden konnte.

Ran verstand und schwieg, hörte aber weiter mit, genauso wie der Rest im Wagen.
 

Sachiko blieb stehen, als sie ihn an der Treppe lehnen sah, zog ihre Finger aus seiner Hand, schaute ihren Freund mit einem etwas spöttischen Lächeln an.

„Hau ab. Ich will jetzt allein sein.“

Er wollte sich nicht abwimmeln lassen.

„Aber… Sachiko…“

Auf seinem Gesicht lag ein missvergnügter Anblick.

„Kein Aber. Verschwinde jetzt. Du langweilst mich, Daisuke.“

Sie starrte Shinichi mit einem verführerischen Lächeln an. Shinichi dachte an Rans Reaktion, würde sie dieses Fräulein jetzt sehen.

Sachikos Freund hingegen sträubte sich immer noch. Ärger breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Warum kann ich denn nicht mitkommen, wenn du nachsehen gehst, ob er noch da ist? Du wolltest mir doch den Stein auch zeigen, warum geht das jetzt nicht, bloß weil der Schnüffler da steht?“

Shinichi zog die Augenbrauen zusammen. Es war nicht der Schnüffler, der ihn störte; sondern die Tatsache, dass Sachiko ihren Freund auf einmal nicht mehr mitnehmen wollte. Gleichzeitig war verdächtig, dass er unbedingt mitkommen wollte. Sie schaute ihn lächelnd an; dann wandte sie sich ihrem Freund wieder zu.

„Na, meinetwegen, dann kommst du eben mit.“

Ihre Stimme klang definitiv genervt.
 

Sie gingen auf ihn zu, als ihr ihnen den Weg vertrat.

„Ah… Herr Detektiv, sie werden mich doch vorbei lassen?“, säuselte sie unschuldig.

Ihm stieß das Herr Detektiv kurz sauer auf, was sie nicht zu bemerken schien.

Shinichi schaute sie an, kniff die Augen zusammen. Die junge Frau schaute ihn weiterhin offen an, wollte gerade etwas sagen, als sie abgelenkt wurden, weil der Hausherr höchstpersönlich kam.

„Ich will sehen, ob er noch da ist.“

Shinichi seufzte, nickte dann.

Es war nicht sein Stein, wenn der Hausherr ihn sehen wollte, bitte, dann durfte er ihn auch sehen. Eine Diskussion, ob seine Tochter auch wirklich seine Tochter war, war wohl genauso fruchtlos, wie die gleiche Diskussion, was ihren Freund betraf.

Er konnte es ihnen nicht verbieten. Nur wachsam sein.

Er sah sich kurz um, ob noch jemand da war, ein Polizist, den er hätte mitnehmen können; aber keiner war zu sehen. Er war allein mit zwei suspekten Personen auf den Weg zum Red Teardrop.

Nun.
 

Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.

Nichtdestototz folgte er ihnen.
 


 

Nakamori tobte im Einsatzwagen, machte seinem Ruf als Choleriker alle Ehre.

„Es war ausgemacht, dass keiner mehr da rein geht, bis nach Mitternacht! Warum geht er jetzt mit ihnen da runter? Wenn einer von ihnen Kaito KID ist, dann kann er ihn doch mir nichts, dir nichts, ausschalten und den Stein klauen! Das wäre doch ein Klacks für KID!“
 

Ran schaute zum Haus hinüber.

Sie mochte Nakamori nicht; aber er hatte Recht.

Ihr war das auch nicht geheuer; aber sie schwieg.
 

„MEGURE!!! WAS SOLL DAS?! Pfeifen Sie ihn zurück!!!“

Meguré schaute ihn an, seufzte ärgerlich.

„Kollege Nakamori. Der Mann arbeitet nicht mehr für mich... ich kann ihn bitten, aber keinesfalls pfeifen...!“
 

„Das interessiert mich nicht! TUN SIE WAS!“

Der Mann schäumte vor Wut, knurrte Meguré an, der zwar versuchte, ruhig zu bleiben, dessen doch aufgeregten Gemütszustand seine etwas rötlichere Gesichtsfarbe verriet. Nun mischte sich auch Kogorô ein.

„Jetzt hören Sie doch...! Er weiß schon, was er tut...“
 

Nakamori hingegen wütete hinter ihr immer weiter, seine Gesichtsfarbe wurde ebenfalls gefährlich rot, in seiner Schläfe sah man deutlich eine Ader pochen; dann drehten sich alle um, als sie die Tür zufallen hörten.

Ran war weg.

Kogorô, Meguré und Nakamori setzten ihr nach.
 

Sie machte sich Sorgen.

Irgendetwas sagte ihr, dass etwas nicht stimmte.

Hinter sich hörte sie ihren Vater, Nakamori und Meguré ihr hinterher hetzen.
 

Sie rannten den Kiesweg hinauf zum Haus, läuteten Sturm.

Keiner öffnete. Erst nach einer Ewigkeit machte ein Polizist die Tür auf; er wurde nahezu überrannt, als die Gruppe durch die Eingangshalle zum Treppenaufgang stürmte, die Stufen hinunterjagte.
 

Rans Herz schlug schnell, sie merkte, sie sie Seitenstechen bekam, musste langsamer laufen. So kam es, dass sie als Letzte ins Mausoleum trat, dessen Tür offen stand.
 

Kogorô drehte sich zu ihr um.

„Er ist weg.“
 

Ran blinzelte, starrte ihren Vater an. Ihr Magen schlug einen Salto.
 

Shinichi?
 

Mori seufzte, schaute sie betrübt an.

„Der Stein. Der Stein ist weg. Das wird... wird hart sein für ihn...wir haben uns alle übertölpeln lassen...“

„Schlafgas…“, seufzte Meguré.

„Eigentlich hätten wir das wissen müssen. Da wollten wir verhindern, dass wir ihn zusammen mit KID in Form eines Polizisten runterschicken, und dann passiert das? Wie konnte das denn bitte geschehen?!“

Er klang sauer.
 

Ran schluckte, schaute erst jetzt hinauf zum Gesicht des Engels- sie hatte nach jemand anderem gesucht. Unwirsch drängelte sie sich durch die Polizistenschar, suchte mit ihren Augen den Raum ab, und fand ihn, rannte näher.
 

„Shinichi!“
 

Er lag am Fuß des Engels.

Sie nahm seinen Kopf in beide Hände, rief seinen Namen, tätschelte seine Wange.

Es dauerte mehrere Minuten, aber schließlich kam er langsam wieder zu sich, blinzelte müde.

„Huh...?“

„Komm zu dir! Shinichi!“
 

Sie wich ein wenig zurück, als er sich langsam auf richtete, blickte um sich, dann rauf in das Gesicht des Weinenden Mädchens… und wie er sich dachte, weinte sie nicht mehr.

Die Träne war fort.
 

Der Red Teardrop gestohlen.
 

„NEIN!“, brüllte er wütend, doch keiner außer Ran hörte ihm. Das Mausoleum hallte wieder von den Stimmen der Polizisten, die sich schnell hier drin versammelt hatten.

Shinichi schaute sich hektisch um, schien langsam eins und eins zusammenzuzählen.

„Damit entkommt er mir nicht.“, zischte er verstimmt.

Er stand auf, schwankend, weil das Schlafgas immer noch nachwirkte.

Dann wandte er sich an Ran.

„Wie war die Situation, als ihr uns fandet?“

„Shinichi, setz dich hin, du fällst sonst noch-...“

„Ran!“

„Ihr wart alle bewusstlos, der Stein fehlte.“, antworte sie erschrocken.

Sie schaute ihn an, merkte, wie sehr er betroffen war.

„Wenn Kaito einer von den dreien war… ist er denn dann nicht eigentlich schon längst fort…?“

„Nicht unbedingt…“, murmelte er leise.

„Er könnte sich auch noch versteckt halten, aber wohl nicht hier... er kriegt die Tür nämlich von innen nicht auf, sie hat hier drinnen interessanterweise kein Schloss. Es wird nur von außen abgesperrt, es wäre etwas hirnrissig, hier zu bleiben. Er säße in der Falle, wenn die Tür zufällt oder geschlossen wird. Er muss sich eigentlich jetzt rausschleichen. Wenn er das nicht schon getan hat, bis vorhin war die Tür offen, wenn ich mich nicht irre.“
 

Er ließ seinen Blick durch die Halle schweifen.
 

„Hat man schon eine Leibesvisitation durchgeführt? Vielleicht ist der Stein bei uns...?“

Meguré, der herbeigekommen war, nickte.

„Man ist gerade dabei, Herrn Kawasaki zu filzen, die anderen zwei haben es schon hinter sich. Du wirst das auch noch machen müssen... nur für den Fall der Fälle.“

Shinichi seufzte.

„Ja, schon klar.“

„Nun, durch die Leibesvisitation hat man auch herausgefunden, dass es sich bei ihnen allen um die handelt, die sie vorgeben zu sein. Und logischerweise hatte keiner den Stein. KID hat sich demnach…“

„Als einer von ihnen verkleidet, und hat sich wieder umgezogen, als er den Stein hatte… dann hat er die Person, für die er sich ausgegeben hat, wieder hergebracht, und die Person war Sachiko, nicht wahr?“

„Ja. Aber wenn du vorher wusstest...?“

„Ich ahnte nur. Ich wusste es nicht. Aber ich schätze, er hatte sie in einem der Räume dort versteckt. In den kleinen Grabkammern, die hier rings herum anschließen. Wie makaber.“

Er seufzte leise.
 

„Wie makaber, in der Tat.“
 

_____________________________________________________________
 

Edit: Weil mittlerweile ein paar Fragen diesbezüglich eingetrudelt sind-

KID ist näher, als es den Anschein hat ;D

Und natürlich, natürlich bekommt der Magier mit den Silberschwingen noch seinen glamourösen KID-Auftritt ^^

Das lass ich mir doch nicht durch die Lappen gehen ;D



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Haineko
2009-06-02T15:17:54+00:00 02.06.2009 17:17
Halten wir KID Unwissenheit zu gute... immerhin hat er keine Ahnung was mit seinem Lieblingsgegner los ist...
Na wir werden ja sehen ob Shinichi in der Lage ist den Dieb doch noch um seine Beute zu erleichtern... und welche Rolle Ran dabei spielen wird, denn ich bin mir sicher, dass Shinichi ihren Beistand bitter nötig hat, wenn er sich weiter in die Gruft hineinwagt... was er ohne Zweifel tun wird...
Um ehrlich zu sein hab ich erst an Pandora gedacht als ich die Warnung gelesen habe... und wer weiß? Vielleicht kommt da noch was ans Licht, immerhn wird KID schon seine Gründe gehabt haben, wieso er extra auf Shinichi gewartet hat...
LG Hainekoの
Von: abgemeldet
2009-05-25T13:53:16+00:00 25.05.2009 15:53
Hayy xD

Uiuiui es geht also mit KID weiter *-*
Das konnte ja nur was werden ;)

Aber mal zu dem Brief an sich.
Also, die Tatsache, dass du mal wieder solch schöne Vergleiche und Metaphern benutzt gefällt mir natürlich sehr. (:
Zum einen, weil es sehr typisch KID ist, solche Verschlüsselungen zu machen und zum anderen, weil ich sie selber jedes Mal einfach nur genial finde xD“
Also Respekt, sich dass so auszudenken... nicht schlecht, nicht schlecht.
Sicher, es gibt schwierigere, aber hey, fantastisch ist dieses trotzdem alle Mal. Und ich schätze auf den letzten Teil sind nicht viele gekommen ;) (Mich wohl mit eingeschlossen xP)

Und es geht um Kunst *gg* Wieso war das klar?! ;)

Und der Fall tut wirklich fast allen gut. Man solls kaum glauben... ^^’
Aber wirklich schön zu sehen, wie es den Darstellern ein kleines bisschen besser zu gehen scheint. Wie sie den schwarzen Schleier für den Moment gegen einen grauen austauschen.
Und ich muss zugeben es macht wirklich Spaß mal etwas Wärmeres zu lesen, nach den letzten paar malen ^^’ Besonders dieses Gefühl von Liebe auch zwischen ran und Shinichi, die für den Moment einfach nur daran denken diesen zu genießen.

Und Shinichi kann doch romantisch sein! xD Zum trotz aller Vorwürfe, er kann es auch mal so zwischendurch an nicht Feiertagen sein ;P
Gefällt mir, dass du ihn ein bisschen zum Gentleman gemacht hast jetzt noch ^___~
Denn wie auch ran so schön gedacht hat, dass es eben die kleinen Dinge sind, die das Leben schön machen.
Wirklich die Romantik holst du dieses Mal deutlich hervor. (:

:D:D:D Zickenkrieg xD Hach ja... immer wieder schön mit anzusehen oder zu lesen, wenn man selber nicht betroffen ist. *kicher* Und Shinichi, der sich wohltuend raushält aus der Sache.
Fantastique! ^________^

Der Hausherr ist er also nicht. Eine wirklich schöne Methode das so auszuprobierem. Schockierend toll. Falls sie nicht doch einfach nur eine Ausrede war... Shinichi ist ja eben doch ein recht guter Blender...

Nun er war also doch das Fräulein... Welch ironie... und kein Wunder, dass sich Shinichi so aufregt... oÔ
Hätt ich an seiner Stelle wohl auch... ><
Aber warum hat er sich so einfach blenden lassen... oÔ
Da stimmt doch noch was nicht...

Auf jeden Fall ist es mal wieder ein gelungenes Kapitel und ich freue mich sehr, auf das nächtse und noch mehr aufs übernächste mit dem großen Spektakel *-*

Liebe Grüße,
Shi

PS: Man glaubts ja kaum, endlich hänge ich kein Kapitel mehr hinterher xD *LAOLA_WELLE* xD
Von:  Diracdet
2009-05-22T15:19:13+00:00 22.05.2009 17:19
Hallo Leira,

ich muss mich wohl gleich vorweg entschuldigen, wenn dieses Kommi trotz Verspätung auch noch nicht allzu lang wird. >///<
Es ist nun mal ein Fall und dann kann ich nicht mehr machen, als mich freudig in meine persönlichen Gedanken zu stürzen. Nimm es bitte als Bestätigung, wie sehr es mir gefallen hat, wieder etwas mehr Krimi in der Tragödie zu haben. ;///]

Ich dachte es mir, ich meine, dass es Sachiko in dem Moment ist. Ihr Freund, den man offenbar selten sieht, kann durchaus den Edelstein noch nie zu Gesicht bekommen haben und aus Angst, Kid würde ihn stehlen, die Gelegenheit nutzen, ihn sich anzusehen. Ist kein Argument, dass er es nicht ist, aber zumindest die Aussage, dass er sich nicht merkwürdig verhält.
Bei ihr ist das anders, auch wenn man genauso das Argument anbringen kann, dass sie dem Stein sher nachhängt und ihn aus Furcht noch einmal erblicken wollte. Aber zwei Argumente sprechen dagegen. Dass sie genau die zeit wählte, in der Kid kommt und b), dass sie Shinichi zu betören versuch. Im Falle eines verheirateten Mannes, der Vater werden wird sowieso schon ein sehr gewagtes Verhalten, aber beides, Zeitpunkt wie Verhalten kommen eindeutig dem Dieb zugute, nicht ihr.
Daher hab ich vermutet, sie wärs. :]

Aber das Versteck... du machst es Shinichi aber auch nicht leicht, mal abzuschalten, oder? Er wird es diesmal aber hinnehmen und nicht in tiefste Depressionen verfallen, wegen einem solchen Symbol.

Das mit den Armmuskeln ist durchaus ein sehr gutes Argument, aber ich trau dem Braten nicht, dass es sich damit schon belässt. Hart wie ein Brett werden die ja auch nicht einfach so, schon gar nicht in einem Bürojob, außer man geht parallel täglich ins Fitnessstudio... wieso muss ich gerade an American Psycho denken? XD

Tja, und dann hab ich doch noch einen kleinen Kommentar – das Ende, nachdem alle ins Mausoleum stürzen, das fand ich etwas verwirrend... durcheinander. Ich bin nicht wirklich mehr mitgekommen, wer was zu wem sagte und über wen. Sorry, das kann jetzt meine etwas verbohrte Denkart sein, aber erklärst du es mir ggf. nochmal? ^/////^°

Dennoch, wie schon gesagt, bei einem KID-Fall, da bin ich wohl ein wenig wie Shinichi ganz vernarrt nach dm Fall und hab kaum für was anderes Augen.
In dem Sinne freue ich mich auf übernächste Woche, vorher aber gibt’s endlich wieder TB!
*TB mag*

Bis dann,
lG, Diracdet
Von: abgemeldet
2009-05-21T21:05:17+00:00 21.05.2009 23:05
Ui spannend! Wie geht es weiter? *aufgeregt sei*
Ah, und ich schließe mich kreativlos den anderen Kommentaren an. *nick*
*wieder mal auf ganzer Strecke versagt hat* Nix gutes Kommi. *snüffel*

Ich hoffe, du freust dich trotzdem. :)
Von:  KaitoDC
2009-05-20T19:15:09+00:00 20.05.2009 21:15
wow!! ein wirklich gelungenes kapitel!!! aber... das mit Kid... kann doch jetzt nicht vorbei sein, oder? ich mein... ermuss doch irgendwann wieder auftauchen, oder etwa nicht? das wär nämlich ziemlich schade, wenn nicht.
hoffe, dass es bald weiter geht ;)
lg
KaitoDC
Von:  Cygni
2009-05-20T06:24:40+00:00 20.05.2009 08:24
ohh wo ist der große auftritt?
ich bin ein kid freak du kannst mir das doch nivht antun!?

ich hab mich gread im radio gehört, cool ne??
ja ich war im radio!!

lg stellax3
Von:  Kikili
2009-05-19T19:57:12+00:00 19.05.2009 21:57
Kaito Kid kam und ging ohne eine Wort... aber Shinichi kann dass doch nicht so auf sich sitzen lassen, oder? Ich bin ja jetzt mal gespannt, was er jetzt unternhemen wird...
Wieder alles super beschrieben. Es macht einfach Spaß deine Geschichte zu lesen!!! Tja leider gehts ja erst übernächste Woche mit der Vergangenheit weiter.
Von:  Kimikou
2009-05-19T19:53:39+00:00 19.05.2009 21:53
Wow interesanntes Kapi^^

war wieder Klasse zu lesen.
Jaja der gute Kid... wirklich makaber...
*hust*
nya.. aber auch Ran war wieder einsame Klasse, echt toll beschrieben alles.
ich konnte mir den Engel wirklich Bildlisch vorstellen...

damit freue ich mich auf nächste Woche ^^

Lg
Ran-chan


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