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Amnesia

Wer ist man noch, wenn man sich selbst vergisst?
von

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Kapitel 13: Geständnis

Was soll ich sagen?

Hasst es oder liebt es – ich weiß nicht, wie ich es finde.

Auf jeden Fall ist heut der langersehnte Tag – oder die langersehnte Nacht.

Wie auch immer.
 

Lest selbst...
 

Viel Vergnügen,

eure Leira

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Kapitel Dreizehn: Geständnisse
 

Shinichi lag wach, wälzte sich auf dem Sofa von einer Seite auf die andere. Schmerz pochte in seiner Seite, und er schwitzte; er fieberte wohl ein wenig, was kaum verwunderlich war, bedachte man, was er heute erlebt hatte und wie anstrengend der Tag nicht nur für seinen Kopf, sondern auch für seinen Körper gewesen war.

Aber das war es nicht, was ihn nicht schlafen ließ.

Auch nicht das Adrenalin, das nach den Ereignissen dieses Tages immer noch durch seine Adern zu strömen schien; eigentlich sollte er ja vor Erschöpfung im Stehen schlafen können. Vorhin hätte er das auch noch gekonnt… jetzt war daran allerdings nicht mehr zu denken.

Tatsächlich brachte er jetzt nicht einmal im Liegen ein Auge zu, geschweige denn zwei.
 

Es waren die Bilder.

Sie ließen ihn nicht los.
 

Er wusste, es war eine Erinnerung, ein Teil seines alten Lebens, seines verschütteten Ichs, die der Anblick von Shiho heraufbeschworen hatte; Shiho, die binnen Minuten wieder zu Ai geschrumpft war, unter Höllenqualen, offensichtlich.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken; unwillkürlich presste er seine Kiefer aufeinander, so fest, dass seine Zähne knirschten. Als er es bemerkte, versuchte er, sich wieder zu entspannen – ein Unternehmen, das beim Versuch blieb.

Die Bilder verfolgten ihn, blieben ihm hartnäckig vor Augen; er spürte die Hitze, fühlte das Gras unter seinen Fingern, hörte dieses Lachen.

Erlebte in Gedanken diese Schmerzen erneut, fühlte den Schock danach; als er sich bewusst werden hatte müssen, was mit ihm passiert war.

Er wusste, es war die Erinnerung an seine eigene Verjüngung.

Die Erinnerung an Conan Edogawas Geburtsstunde.
 

Und der Gedanke erschreckte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte.
 

Allerdings machte langsam alles Sinn, das war das einzig Gute daran… die Geschichte des Professors war die Wahrheit, die Leute, die ihn heute im Krankenhaus umbringen hatten wollen, waren die gleichen, die ihn schon vor gut einer Woche umbringen hatten wollen - es waren dieselben, die ihm dieses ganze Leben eingebrockt hatten.

Langsam setzte er sich auf, hielt sich den Kopf, stöhnte leise auf, als ihm kurz schwindelte. Dann stand er auf, mühselig und wackelig, schleppte sich in die Küche, suchte nach einem Lappen oder Tuch, das er nass machen konnte, um es sich auf die Stirn zu legen, um seinen Kopfschmerz zu lindern und kam sich vor wie ein Einbrecher dabei; allerdings wollte er auch keinen wecken, er wollte nicht noch mehr Umstände machen, als er es ohnehin schon tat. Nach einer Weile des Herumtastens in der Dunkelheit, da er kein Licht machen wollte, um durch den Lichtschein keinen zu wecken, fand er schließlich ein Geschirrtuch, schaute es prüfend an. Ein wenig schlechtes Gewissen machte sich in ihm breit, als er es unter den kalten Wasserstrahl des Wasserhahns hielt, wobei er sich mit einer Hand an der Kante des Tresens festklammerte.

Die ganze Zeit hatte er nicht gemerkt, wie elend es ihm ging – aber jetzt, ohne Medikamente und ohne Ablenkung wie eine Flucht oder ähnlichem, spürte er jede Faser in seinem Körper, jeden Nerv, so zumindest schien es ihm.

Und sie taten alle weh.

Mühsam unterdrückte er ein leises Stöhnen, drehte dann langsam den Wasserhahn wieder ab, schaute sich unsicher um. Er fühlte sich fremd hier, konnte kaum glauben, dass er hier den Großteil der letzten beiden Jahre verbracht haben sollte. Eigentlich hätte er sich hier wie zu Hause fühlen müssen, stattdessen fühlte er sich wie ein Eindringling.
 

Tatsächlich fühlte er sich wohl ohnehin nirgends zuhause, momentan.
 

Langsam wrang er das Tuch aus, Handgriffe, die ihm unerwartet anstrengend vorkamen, faltete es dann wieder zusammen, setzte sich damit an die Fensterbank. Der Rollladen war nicht heruntergelassen und so lehnte er sich an den Fensterrahmen, sachte, ließ seinen Kopf gegen die Scheibe sinken, presste sich den nassen, kalten Lappen gegen die Stirn.

Er hatte das Gefühl, sein Kopf müsse platzen. Unsicher schlang er seinen anderen Arm um seinen Bauch, seufzte, bemerkte, wie dabei die Scheibe kurz beschlug.
 

Draußen hing die Nacht schwer wie ein bleiernes Tuch über Tokio.
 

Ran wachte auf, weil sie Durst bekam; und Hunger. Schläfrig griff sie nach ihrem Handy, warf einen Blick auf die Uhr auf dem Display; es war weit nach elf Uhr nachts.

Eigentlich wollte sie so spät nichts essen, aber das Gefühl war bohrend… was nicht verwunderlich war, sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, und da auch nicht viel. Die Sorge um Shinichi hatte sie keinen Bissen zu sich nehmen lassen können.

Widerstrebend stand sie auf.

Zumindest eine Tasse Tee könnte sie sich ja machen, und vielleicht einen Apfel essen, dachte sie. Auf jeden Fall mal etwas trinken, vielleicht reichte das ja auch bis morgen.

Träge schwang sie ihre Beine aus dem Bett, schlüpfte mit ihren nackten Füßen in ihre flauschigen Pantoffeln und schlurfte den Gang entlang in die Küche.
 

Als sie die Silhouette im Fenster sah, die sich durch das Licht der Straßenlaterne von außen erhellt deutlich abzeichnete, erstarrte sie, merkte, wie sich in ihr jeder Nerv, jede Faser anspannte. Lautlos ging sie in Kampfposition, um sich, wenn nötig, zu verteidigen.

Dann klatschte sie mit einer Hand gegen den Lichtschalter; wenn das ein Einbrecher war, war sie mit Licht klar im Vorteil.
 

Shinichi fiel fast vom Fensterbrett vor Schreck. Er war so tief in seinen Gedanken gewesen, dass er sie nicht hatte kommen hören – nun stand sie da, ein Mädchen in seinem Alter im geblümten Nachthemd, starrte ihn an wie eine Erscheinung. Ihr Atem ging schnell, das konnte er sehen – er schätzte, ihr Puls raste gerade mindestens so wie seiner.

Er stöhnte leise auf, hielt sich den Bauch, der durch die ruckartige Bewegung wieder zu schmerzen begonnen hatte, bückte sich dann nach dem Tuch, das ihm aus der Hand gefallen war, ohne den Blick von ihr zu wenden.
 

Ran fuhr sich über die Augen, konnte kaum glauben, was sie sah. Langsam zog sie die Tür hinter sich zu, damit der Lichtschein aus der Küche ihren Vater nicht weckte. Dann trat sie näher, behutsam, konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Sie hatte bemerkt, dass ihm seine Seite wehtat, wohl von der Schussverletzung, und sie bemerkte auch das nasse Geschirrtuch, zog daraus ihre Schlüsse. Auch die Schramme an seiner Wange und sein auffallend blasser Teint entgingen ihr nicht.
 

„Entschuldige. Bitte.“

Seine Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Sie merkte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief und sie konnte nicht sagen, ob er wohlig war, oder eiskalt. Sie fühlte doch, wie ihr Herz einen Sprung machte und schneller zu klopfen begann, beim Klang seiner Stimme, der ihr so vertraut war. Und doch vergaß sie keine Sekunde die Situation, in der sie sich befanden.

„Ich… ich wollte dich nicht erschrecken, es tut mir Leid. Ich konnte nicht schlafen und ich hab das Gefühl mein Kopf platzt, deshalb hab ich nach einem…“

Ran schüttelte den Kopf, trat dann näher, merkte, wie sich ihr Kopf abzuschalten begann, ein seltsames Gefühl.

Sie zögerte keine Sekunde, ging mit seltsam starrem Blick auf ihn zu. Er schaute sie verwirrt an – dann spürte er ihre Arme, die sich um seinen Oberkörper legten, ihre Silhouette, die sich sanft gegen ihn lehnte, ihren heißen Atem an seinem Hals.

Und die Tränen, die ihr über die Wangen liefen.

Shinichi blinzelte, merkte, wie sein Hals seltsam trocken wurde. Dann hob er die Arme, legte sie um sie, etwas unbeholfen.

Seine Gedanken rasten.
 

Das ist sie also…?

Das… das muss sie sein…
 

Ran.
 

Sie schluchzte, vergrub ihre Finger in seinem Pyjamaoberteil, wusste doch, wie unangebracht das war, was sie hier gerade tat, von ihm verlangte. Aber sie war einfach gerade nicht Herrin über sich; zu groß war die Erleichterung, ihn endlich zu sehen, und zu groß auch der Schmerz bei dem Gedanken, was mit ihm passiert war.
 

Shinichi strich ihr über den Rücken, hoffte, dass sie bald zu weinen aufhörte. Er ahnte, wer sie war, ahnte auch, was in ihr vorging; allerdings fühlte er sich mit der Situation leicht überfordert, und er wusste nicht, ob das deshalb der Fall war, weil er sich nicht an sie erinnerte, oder deshalb, weil er mit weinenden Mädchen generell nicht umgehen konnte… oder weil er ahnte, aber nicht wusste, dass da mehr war zwischen ihnen…

Etwas, das aber im Moment nicht existierte.

Oder doch?
 

Er wurde unruhig, langsam.

Ihm wurde heiß, das merkte er, und auch, wie seine Fingerspitzen zu kribbeln anfingen, sein Magen sich so verdammt aufreizend langsam zusammenzog… spürte er nur allzu deutlich.
 

Als er fühlte, wie sich ihr Griff lockerte, ließ er los. Sie brachte ein wenig Distanz zwischen sich und ihn, schaute ihn an, ihr Teint war blass, ihre Augen ein wenig sorgenvoll, ihre Arme hatte sie um ihren Oberkörper geschlungen. Ihre Wangen waren deutlich gerötet, ihr Blick scheu abgewandt, offenbar schämte sie sich für ihren Ausbruch gerade eben.

„Entschuldige.“, murmelte sie, ihre Stimme klang heiser. Unwillig griff sie sich an den Hals.

Shinichi seufzte, knetete unruhig das Geschirrtuch mit seinen Händen.

Es war klar, was sie dachte, wie er wohl auf sie wirken musste, sonst hätte sie nicht so reagiert. Sie sah niedergeschmettert aus, das war nur natürlich… schließlich erkannte er sie nicht mehr, das musste sie treffen. Und weil… er ihr Freund war, seit vielen Jahren, und wenn sie wusste, was er für sie wohl alles auf sich genommen hatte, dann war… ihre bleiche Gesichtsfarbe nur allzu erklärbar.
 

Das war allerdings nicht, was ihn beschäftigte, auch wenn es ihm für Sekundenbruchteile durch den Kopf ging.
 

Was ihn beschäftigte… war nicht, was sie dachte... sondern sie selbst.

Ihre Person.

Er wusste, was ihn so bannte, dass er zu keinen klaren Gedanken mehr fähig war, und wehrte sich dagegen, allerdings mit mäßigem Erfolg. Sein Hirn schien wie leergefegt und er kannte den Grund, wenn er auch nicht wusste, woher er ihn kannte… er wusste nicht, warum er sich so sicher war, über das, was er empfand. Er wusste nur, er war sich sicher.

Es war dieses Gefühl.
 

Shinichi schluckte, sein Mund war trocken, die Zunge klebte ihm am Gaumen.
 

Liebe…
 

Er hatte sich verliebt. Innerhalb von Sekundenbruchteilen - oder liebte er sie schon seit Jahren, und er wusste es gar nicht mehr? Hatte der Professor nicht eine Andeutung machen wollen, und hatte nicht er selbst ihn daran gehindert, es auszusprechen? Hatte er sich nicht selbst im Krankenhaus gefragt, ob… es Liebe war, zu ihr, dieses unheimlich starke Gefühl, das ihn das alles hatte machen lassen, das ihn so hatte entscheiden und handeln lassen?

Fakt war jetzt- jetzt auf jeden Fall, liebte er sie.
 

Sie…
 

Shinichi versuchte, sich zu sammeln. Ihm wurde heiß.
 

Gütiger Himmel…
 

Langsam hob er die Hand, presste sich den Handballen gegen die Stirn, kniff die Augen zusammen und atmete tief durch.
 

Nur nicht durchdrehen, Idiot. Du kennst sie gar nicht.

Nicht mehr.

Und wenn, ihr seid, nach allem, was du weißt, nur Sandkastenfreunde, sehr gute zwar, aber nur Freunde, da kann nichts sein, eigentlich, sie war nicht deine feste Freundin, zumindest noch nicht… und solange du nicht genau weißt, was da war… sollte da auch nichts sein, also reiß dich zusammen… du BRAUCHST Freunde, ruinier das jetzt nicht…!

Das sind nur deine Hormone, die da jetzt ein wenig Achterbahn fahren… du wirst dich doch zusammennehmen können, verdammt…
 

„Shinichi?“
 

Sie machte nur den Mund auf, sprach seinen Namen... und er hörte ihre Stimme, die seine Nackenhärchen dazu brachte, sich aufzustellen.

Er schaute sie zögernd wieder an, wandte den Blick dann wieder ab, ließ kraftlos die Hand sinken, atmete tief ein und aus.

Er musste sich unter Kontrolle kriegen. Unbedingt.
 

Du könntest eure Freundschaft kaputtmachen, wenn du jetzt anfängst, dich wie ein verliebter Gockel aufzuführen… sie ist eine gute Freundin, merk‘s dir… merk‘s dir!
 

„Shinichi?“
 

Ihre Stimme klang auf einmal lauter und er schreckte zurück, stolperte nach hinten, prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Aufmerksam schaute sie ihn an.
 

In ihr schien etwas in Scherben zu zerbrechen, als sie ihm in die Augen sah.

Leer.

Sie waren leer…
 

Er erkannte sie nicht.
 

Shinichi…
 

Ihr Magen krampfte sich zusammen, sie merkte, wie sie erneut gegen die Tränen ankämpfen musste. Es war genauso gekommen, wie sie es befürchtet hatte… die ganze Zeit hatte sie an nichts anderes denken können als an ihre eigene Amnesie, hatte doch gewusst, dass es das nicht gab… dass es eine partielle Erinnerung an bestimmte Menschen nicht gab, bei dieser Art von Gedächtnisverlust.
 

Und hatte doch gehofft, so sehr gehofft, dass er sich wieder erinnerte…
 

An sie…

Für sie…
 

Schnell…
 

Für sich selbst und damit er diesen Zustand nicht so lange ertragen musste.

Weil sie ja selber nur zu genau ahnte, was er durchmachte.

Sie wusste es ja, sie kannte das Gefühl vollständiger Leere und Orientierungslosigkeit.
 

Das ist…

Das ist meine Schuld, Shinichi…
 

Er sah nicht danach aus, als ob sich sein Zustand gebessert hätte… oder ändern würde. Sie hatte umsonst gehofft.

Dennoch konnte sie sich die Frage nicht verkneifen, merkte, wie sie sich an dem letzten Hoffnungsschimmer klammerte wie eine Ertrinkende an einen Strohhalm.
 

„Ist was? Hast du… hast du vielleicht…? Weißt du…?“
 

Shinichi schluckte, schaute sie an, wusste nicht, ob er antworten sollte oder lieber nicht.
 

Weiß ich was… was sollte denn sein? Was soll ich wissen, sag‘s mir…
 

Er entschied sich, zu schweigen, schon allein, weil er fürchtete, keinen anständigen Satz hervorzubringen, und schüttelte nur den Kopf, wandte den Blick ab. Ran schaute ihm in die Augen, stand immer noch so nahe vor ihm, dass sie seinen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte.
 

Shinichi, wo bist du…?

Irgendwo… irgendwo musst du doch noch sein…
 

Rans Hände wurden kalt; langsam, stockend atmete sie aus. Er erinnerte sich nicht. Offensichtlich… erinnerte er sich nicht. Shinichi war weg. Und dennoch stand sie da, starrte in sein Gesicht, suchte mit ihren Augen seinen Blickkontakt, den er ihr immer noch verwehrte, suchte… nach ihm.
 

WO BIST DU?!
 

Verdammt, das ist so unfair! Zuerst… zuerst bist du weg… ist… dein Körper weg… aber dein Geist, deine Seele noch da, mit Conan… jetzt ist dein Körper wieder da, aber deine Seele, dein Geist… du… bist weg… wieder weg…
 

Warum passiert so was nur…?
 

Sie merkte, wie ihr Herz zu rasen anfing, sich ihre Kehle zuschnürte, wusste nicht, was sie tun sollte, sagen sollte. Ihn so zu sehen ging ihr über den Verstand, von ihm nicht beachtet zu werden, nicht einmal mehr angeschaut zu werden, tat ihr unsäglich weh. Diese Situation trieb sie an den Rand des Wahnsinns, aber sie hielt es aus.

Sie wusste ja, wie er sich fühlte.

Verwirrt. Unsicher.

Und so unglaublich leer.
 

Sie seufzte. Ihre Enttäuschung sah er ihr an.

„Es… es tut mir Leid. Ich…“

„Ist schon gut, Shinichi.“, murmelte sie dann leise.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Möchtest du eine Kopfschmerztablette und ein Glas Wasser? Oder Tee? Oder Kakao…“

Während sie sprach, hatte sie einen der Hängeschränke geöffnet und eine Dose sowie eine kleine Schachtel herausgeholt.

„Ich fürchte, die helfen nichts. Also die Kopfschmerztabletten, meine ich.“, murmelte Shinichi. Ran wandte sich um.

„Schaden können sie auch nicht.“, meinte sie, reichte ihm die Schachtel und gleich darauf ein Glas Wasser, schob ihn dann vor sich her zum Tisch, drückte ihn resolut auf die Sitzfläche eines Stuhls, nahm ihm das nasse Geschirrtuch ab. Gedankenverloren begann sie, Milch für heiße Schokolade aufzusetzen, beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er die zwei Tabletten aus der Packung pulte und mit einem Schluck Wasser runterspülte. Seine Bewegungen waren gezwungen langsam, sie konnte sehen, wie seine Finger zitterten. Und erst jetzt fragte sie sich, was er eigentlich hier machte.

Sollte er nicht eigentlich im Krankenhaus sein?

Langsam wandte sie sich um, lehnte sich gegen den Tresen, und stellte ihm genau diese Frage.

„Shinichi, versteh mich nicht falsch, aber… warum bist du hier? Solltest du nicht im Krankenhaus sein?“

Ihre Stimme war leise, kaum mehr als ein Wispern. Er hob den Kopf, schaute sie an.

„Du weißt es noch gar nicht? Ich dachte, fast alle wissen schon, was heut da drin gelaufen ist.“

Unwillig schüttelte sie den Kopf, wandte sich dann schnell um, als ihr klar wurde, warum sie noch nichts wusste – weil sie es vorgezogen hatte, heute Nachmittag einen Koller zu haben, anstatt sich zu erkundigen, wie es ihm ging, nämlich - und beschäftigte sich mit der Milch.

Sie hörte ihn Luft holen.

„Schön, also. Krankenhaus.“

Er sortierte sich kurz.

„Eigentlich ja, ich sollte noch im Krankenhaus sein. Allerdings haben die Leute, die mich in diese nicht eben beneidenswerte Lage hier gebracht haben, mich dort gefunden, und…“

Ran merkte, wie ihre Knie weich wurden, drehte sich nun doch um.

„Wie- die haben dich da gefunden…?“

Sie merkte noch, als sie den Satz aussprach, wie sinnlos die Frage war. Beschämt wandte sie sich ab, fischte zwei Tassen aus dem Regal und schaufelte Kakaopulver in sie hinein.

Shinichi jedoch schien ihr ihre überflüssige Frage nicht übel zu nehmen; er schilderte ihr mit ruhiger Stimme den Verlauf des heutigen Tages - aber während er sprach, sah er sie nicht einmal an. Er redete leise und kontinuierlich mit der Tischplatte. Ran entging das nicht.

Nachdem sie die warme Milch auf die Tassen verteilt hatte, setzte sie sich neben ihn, schaute ihn an, versuchte ihn so, dazu zu bringen, sie anzusehen. Die Nummer mit Conan schien ihn sehr mitgenommen zu haben. Ran verwunderte das nicht.

Er presste seinen Lippen aufeinander, starrte in seine Kakaotasse.

Sie trank einen Schluck, sah ihm dabei zu, wie er das gleiche tat, blickte in seine Augen, sah sie wieder… diese Leere.

Sie sah sie nicht nur… sie konnte sie fühlen.
 

Als er geendet hatte, sagte lange keiner ein Wort.
 

Nach einer halben Ewigkeit, wie es schien, brach er schließlich doch die Stille, blickte sie aber immer noch nicht an.
 

„Du musst hier nicht mit mir sitzen. Du bist sicher müde, ich halt dich nur wach…“

Leise drang seine Stimme an ihr Ohr. Ran schluckte, hörte seine Worte in ihrem Kopf nachhallen. Dann wandte sie den Kopf, sah ihn an, merkte langsam erst so wirklich, wie sehr sie ihn vermisst hatte.

Und nun war er hier, zum Greifen nah. Lief nicht weg, verschwand nicht einfach.

Sie hatte ihn umarmt und er war immer noch da.
 

„Ich sitze gern hier mit dir.“, meinte sie dann leise. Sie wisperte, wie er.

„Ich… ich will mit dir reden, Shinichi…“

Ihre Stimme klang zögernd, vorsichtig. Er schluckte, sah sie nicht an, als er schließlich antwortete.

„Ich habe… alles gesagt, um ehrlich zu sein. Ich wüsste nicht, über was ich jetzt noch reden sollte. Du weißt, was… passiert ist. Ran.“

Shinichi sprach leise, augenscheinlich versuchte er, sachlich zu sein, aber sie hörte das Zögern in seinen Worten. Ran fuhr unwillkürlich zusammen, als sie ihren Namen hörte.

„Über den Rest weiß ich doch nichts… über mein Leben.“

„Dann stell Fragen.“, insistierte sie, nippte an ihrer heißen Schokolade.

„Ich bin deine Freundin, Shinichi. Und ich hab nicht das Gefühl, dass du schon alles gesagt hast, was du zu sagen hättest. Oder alles weißt, was du gern wissen würdest.“

Sie schluckte, biss sich auf die Lippen, fest.

Er blinzelte, hob den Kopf und schaute sie nun an; langsam fokussierte sich sein Blick. Ran merkte, wie es in ihrer Magengegend zu kribbeln anfing. Seine Augen sahen sie jetzt an. Zum ersten Mal, seit so langer Zeit, sah Shinichi Kudô sie wieder an… aber ER war nicht da.

Er merkte, wie ihm etwas heiß wurde, biss sich nervös auf die Lippen. Bis jetzt hatte er sich gut im Griff gehabt, nach seinem kleinen Gefühlschaos, nachdem sie ihn umarmt hatte. Jetzt hatte er allerdings das Gefühl, dass es genug für heute war.

Er wollte ihr ja nicht wehtun, aber er war verwirrt… und er wollte keinen Fehler machen.

Nicht, wo er so überhaupt keine Chance hatte, die Situation und ihre Folgen einzuschätzen.

„Das seh ich nicht so. Und ich will nicht darüber reden, jetzt.“

Seine Stimme hatte erstaunlich harsch geklungen. Ran blinzelte, merkte, wie in ihr die Unruhe wuchs.

Eigentlich hätte sie seine Antwort verletzen müssen… aber das tat sie nicht. Sie machte sie neugierig… stutzig vielleicht, ja. Sie wollte wissen, warum er vor ihr davonlief.
 

„Wie kommst du klar damit?“
 

Langsam, schwerfällig lösten sich die Worte von ihren Lippen, und doch war ein gewisser Unterton nicht zu leugnen gewesen. Sturheit. Shinichi schluckte, schloss kurz die Augen. Ein Ausdruck von Unwillen huschte kurz über sein Gesicht. Ran registrierte es, aber ignorierte es.

„Ich komm schon klar.“

Sie schaute ihn fest an.

„Du lügst.“

Er hob seinen Kopf, fixierte mit seinen blauen Augen ihr Gesicht.

„Na, hör mal…“

„Du warst schon immer ein schlechter Lügner, Shinichi…“

„Tatsächlich…? Nachdem was man mir so erzählt hat, und nach allem, was ich jetzt über mich weiß, muss ich aber doch irgendwie zumindest ein guter Schauspieler gewesen sein… und lügen die uns nichts vor, auf der Bühne…?“

Ran blinzelte, lächelte dann sanft. Seinen Scharfsinn und seine Schlagfertigkeit schien er nicht verloren zu haben.
 

„Nein, nein.“, sie schüttelte den Kopf. „Da kannst du Recht haben. Aber gelogen hat Conan, und er hatte ein exzellentes Kostüm. Du hast… uns alle wirklich gut getäuscht.“

Sie merkte, wie es in ihrem Bauch wühlte, wie die Scham auf ihren Wangen brannte. Was sie ihm alles erzählt hatte, im Glauben, er wäre…

Aber das war ja jetzt auch egal… er erinnerte sich ja ohnehin… an nichts.

Ran schluckte.

„Sagen wir es so… du hattest immer überzeugende Argumente und stichhaltige Beweise, aber richtig… glaubhaft lügen in deinen Worten, in deinen Gesten und deiner Mimik… ich denke, das hast du nicht so wirklich hingekriegt. Und hätten ein paar sich nicht von Conan so blenden lassen, wärst du damit nicht durchgekommen.“

Sie schluckte.

„Aber wer dachte schon…“

Shinichi kniff die Lippen zusammen.

„Keiner. Das ist auch… kaum zu glauben.“

„Hm.“
 

Er schluckte, setzte sich dann auf, die Arme auf der Tischplatte ausgetreckt. Er fühlte sich elend, wusste nicht, ob er sein altes Ich jetzt gut fand oder nicht. Auf jeden Fall wollte er nicht anfangen, an ihre Gefühle, ihr Mitleid zu appellieren. Am besten gewannen sie etwas Abstand.

Ran hingegen ließ nicht locker. Sie war ja nicht nur hier, um mit ihm zu plaudern, eigentlich, auch wenn ihr das Gespräch hier nicht leicht fiel.

„Aber… wir schweifen vom Thema ab. Also, du… kennst die Wahrheit über dich und Conan. Wie kommst du damit klar…?“

Er zuckte zurück, merkte, wie ihm noch heißer wurde.

Am besten war er jetzt erst einmal allein, bis er sich darüber klar geworden war, was er von sich hielt.

Langsam wandte er sich ihr zu, holte Luft, atmete langsam wieder aus. Ran sah ihn erwartungsvoll an, bewegte sich unruhig, verknotete ihre Finger.

„Du willst wirklich wissen, wie ich damit klar komme? Sollte dich nicht eher interessieren, wie du damit klarkommst?“
 

Ran erbleichte. Der Satz hatte gesessen.

Er biss sich kurz auf die Unterlippe, Schuldbewusstsein zeichnete sich in seinem Gesicht ab.

„Entschuldige, ich hab eigentlich keinen Grund, so unhöflich zu sein, dir gegenüber. Es ist nur… ich weiß es nicht. Ich hab mir bis heute einzureden versucht, dass die einfach alle nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.“

Ein schiefes Lächeln huschte über Shinichis Lippen.

„Ich war ziemlich gut darin. Auch wenn diese Sache mit Conan so gut wie alle Fragen löste, ich wollt es einfach nicht glauben. Wie du schon sagtest… wer denkt schon, dass es so was gibt, ein Schrumpfgift? Wie wahrscheinlich ist das? Und wie wahrscheinlich ist es, dass man so was überlebt… Und was für ein Mensch muss man sein, um alle anderen, die einem wohl etwas bedeuten, so anzulügen… Ich wollt es einfach nicht glauben, dass ich so ein Mensch bin. Und jetzt sitz ich hier und weiß, es ist die Wahrheit.“

Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, merkte, wie sein Verstand auszusetzen drohte, als er sie wieder sah, die Bilder von Ai, gemischt mit den Gefühlen, die ihn bei seiner Erinnerung an jenen Abend überrannten.

Langsam ließ er seine Hände auf die Tischplatte sinken, presste seine Handflächen so fest gegen das Holz, dass seine Fingerspitzen weiß wurden.

„Ich meine… die Erinnerung, die ich, wenn ich es mir aussuchen könnte, wohl unter die Top 5 der Erinnerungen stecken würde, auf die ich freiwillig verzichten würde, wenn ich könnte, kam zurück. Ich denke, darauf hat sie gepokert, das Spiel hat sie gewonnen. Shiho.“

Ran starrte ihn an, merkte, wie ihr Puls hochging.
 

„Du erinnerst dich also ?“

„An diesen Abend, ja. Seit..."

Er hielt inne, überlegte kurz.

"Seit etwa eineinhalb Stunden. Dank... einer sehr plastischen Veranschaulichung von... Ai."

Seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen, seine Stirn gerunzelt, kurz. Ran fühlte, wie ihr bei der Vorstellung ein kalter Schauer über den Rücken rann, fragte allerdings nicht nach.

Shinichi seinerseits schüttelte sacht den Kopf, wie um die Vorstellung aus seinem Kopf zu vertreiben, seufzte dann. Anscheinend war es ihm nicht gelungen, das Bild loszuwerden.

"Allerdings nur von dem Zeitpunkt, als ich im Gras liege, bewegungsunfähig, und mir Gin, der Typ mit den langen Haaren, das Gift einflößt. Dann noch die Minuten danach, das Aufwachen. Danach ist alles wieder weg. Aber die wohl schrecklichsten Minuten meines Lebens hab ich wieder, wie schön.“

Seine Stimme troff vor Sarkasmus.

Ran starrte ihn an, ihre Gedanken rasten. Kalkulierend musterte sie ihn, sah diese Zerrissenheit in seinen Zügen - er kannte nur dieses eine kleine Detail über sein Lieben - der Rest der Karte war immer noch blank.

Aber dieses kleine Detail raubte ihm wohl fast den Verstand, momentan.
 

Dann leerte er seinen Kakao auf einen Zug aus, stellte die Tasse ab; danach war sein Gesicht wieder etwas entspannter.

„Aber das ändert doch nichts daran, dass ich mich benommen habe wie ein Schuft.“

Er schluckte.

„Wir waren gemeinsam da, nicht wahr? Auf dem Vergnügungspark. Das sagte der Professor. Er hat mir von dir erzählt. Das heißt, nachdem er mir berichtet hatte, was mit mir passiert ist, da… wollte ich doch wissen, was mich dazu getrieben hat. Ich dachte einfach nicht, dass ich zum Kriminellen geboren bin.“

Ein bitteres Lächeln flog über seine Lippen.

„Da sagte er mir, ich hätte es für dich getan, weil wir… sehr gut befreundet wären, und hat mir die Geschichte erzählt, wie ich an diese Männer geraten bin, und wie diese Woche in der Organisation lief, für mich.“
 

„Und was denkst du?“

Ihre Stimme klang leise, ein sanftes Zittern schwang in ihr mit. Er hörte es, schaute sie an, merkte, wie seine Finger kalt wurden, nahm sie vom Tisch.

„Was willst du hören… Ran? Ob ich es noch einmal tun würde, jetzt, da ich die Konsequenzen kenne? Dass ich es bereue? Oder nicht?“
 

Ran begann, auf ihrer Unterlippe zu kauen, sank in ihrem Stuhl zurück, ihre Augen fixierten einen Krümel auf der Tischplatte. Sie hob eine Hand, begann ihn, mit ihrem Zeigefinger platt zu drücken.

Dann schüttelte sie sacht den Kopf, merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.

„Ich weiß nicht, was ich hören will. Ich sollte es besser wissen, ich verlang viel zu viel von dir. Auf solche Fragen kann man nicht antworten, wenn man sein Gedächtnis verloren hat. Auf solche Fragen kann oft nicht mal antworten, wenn man all seine Erinnerungen hat.“

Er hob den Kopf, sah, wie sie mit den Tränen kämpfte. Dann schluckte sie hart, schüttelte fast etwas stur den Kopf.
 

„Bis heute Nachmittag wollte ich dich nicht sehen.“

Unendlich schwer fielen ihr diese Worte. Warum sie ihm das sagte, verstand sie selber nicht.
 

„Du wolltest nicht…?“

Sein Herz klopfte erstaunlich schmerzhaft gegen seinen Brustkorb, sein Hals war wie ausgetrocknet.

„Wegen der Sache mit Conan? Ich… könnte verstehen, wenn du mich hasst, ich meine… ich hab dich da wohl lange sehr dreist angelogen, und… wusstest du`s eigentlich?“

Ran kämpfte mit sich, schniefte leise.

„Nein. Ich weiß es erst seit heute… dass du Conan warst. Und nein, nicht deswegen wollte ich dich nicht sehen. Nicht, dass ich darüber nicht angesäuert wäre.“

Sie lächelte bitter.

„Aber nein. Ich… wollte dich nicht sehen, weil ich den Gedanken nicht aushalte, dass du das für mich getan hast. Ich will nicht, dass jemand wegen mir leidet, erst Recht nicht so, erst Recht nicht… du. Ich hatte Angst davor, zu sehen, was ich angestellt hab. Du bist verletzt, du… hast dein Gedächtnis verloren… weil du das für mich getan hast. Ich dachte, es wäre besser für dich, du triffst mich nicht mehr…“

Ihre Stimme zitterte immer mehr.

„Warum, verdammt, hast du das nur getan, du Idiot, du…“

Sie merkte, wie ihr die Hitze immer mehr in den Kopf stieg. Merkte, wie ihr die Kontrolle über sich immer mehr entglitt. Sie hatte ihn zum Reden bringen wollen, damit es ihm besser ging, stattdessen saß sie hier, verhielt sich unvernünftig und selten egoistisch, indem sie ihn mit ihren Gedanken belastete.

Shinichi wandte sich abrupt ab, atmete stockend aus. Seine Gedanken rasten. Anscheinend gab es da doch mehr Ungeklärtes zwischen ihnen.
 

Liebt sie mich?

Wenn man sie so reden hört…

Aber ist das der Zeitpunkt, um darüber zu reden? Ich… ich weiß doch gar nichts mehr…
 

„Du hättest sterben können…“

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er räusperte sich, bemühte sich, sich seine Aufgewühltheit nicht anmerken zu lassen.

„Ich schätze, das war mir wohl klar. Nach allem was ich jetzt weiß, wusste ich wohl, mit wem ich mich angelegt habe...“

Er versuchte, so sachlich wie möglich zu klingen und dabei seiner Stimme einen lockeren Tonfall zu verleihen.

„Ich meine, ich… kann dir auch nicht genau sagen, warum ich das getan habe, wie du sagst- wahrscheinlich könnte ich es nicht einmal, wenn sich mein Leben nicht von mir verabschiedet hätte auf unbestimmte Zeit. Aber ich denke, wir dürfen davon ausgehen, dass ich das getan habe, weil es mir, nach Abwägung der Pros und Kontras, als das Richtige erschienen ist. Sollte so eine Abwägung nicht stattgefunden haben, und ich das impulsiv entschieden habe, entzieht sich die Sache sowieso jeder logischen Erklärung.“

Shinichi versuchte ein Lächeln.

„Auf jeden Fall ist das nichts, das dich beschäftigen sollte, das liegt jenseits deines Einflussfaktors. Oder denkst du, du bist Schuld…?“

Ran hob den Kopf, starrte ihn an, brach in Tränen aus. Erschüttert sah er sie an.
 

„Du denkst wirklich, du bist Schuld.“, murmelte er dann leise.
 

Unentschlossen schüttelte er den Kopf, vergrub seine Hände in seinen Haaren, schaute dann wieder auf.

„Ich weiß nicht, warum ich gehandelt habe, wie ich es eben getan hab. Ich kann es nur raten.“

Er seufzte.

„Ich schätze, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man so etwas nicht für jeden tut, also denke ich, lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, ich hab es wohl getan, weil du mir außerordentlich viel wert bist. Deshalb hab ich dir wohl auch Conan verschwiegen und dich angelogen. Damit du nicht in die Sache reingezogen wirst.“

Shinichi schluckte, versuchte es zumindest. Sie schaute ihn an, wischte sich widerwillig die Tränen aus den Augen, schämte sich, vor ihm das Flennen angefangen zu haben.

„Dafür kannst du aber nichts.“

Ran sah zur Seite, krampfte ihre Hände um ihre Tasse.

Er stand langsam auf, lächelte schief.

„Mehr kann ich dir nicht sagen. Und du solltest dich nicht weiter quälen damit, ich… lebe ja noch. Irgendwie.“

Sie erhob sich ebenfalls, langsam, nahm die Tassen vom Tisch und stellte sie ins Spülbecken, stumm. Sie bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er seine Schläfen massierte, drehte sich um.

"Nein. Das... das ist es nicht. Nicht nur..."
 

Shinichi hielt inne, ließ seine Hände sinken, blickte sie fragend an.
 

„Der Grund, warum es mich so mitnimmt, was mit dir passiert ist, und dass es wegen mir passiert ist, ist der, dass…“, setzte sie an, ihren Kopf gesenkt, ihre Stimme kaum lauter als ein Wispern.

Shinichi starrte sie an, fing dann an, seinen Kopf zu schütteln. Sie starrte ihn an, hatte das Gefühl, ihr Magen gefröre zu Eis.

„Was…?“, flüsterte sie, aber er legte ihr nur die Hand auf den Mund, in seinen Augen stand deutlich Erschrecken zu lesen. Angst.

„Nicht… Ran. Du… du musst das nicht sagen. Wahrscheinlich ist es sogar besser, du… sagst es nicht. Ich meine, du weißt doch gar nicht…“

Sie wich zurück.

„Was du empfindest oder empfunden hast… oder empfinden wirst, wenn du dich wieder erinnerst, Shinichi, hat nichts damit zu tun, was ich fühle. Außerdem weißt du es schon.“

Ihre Stimme verlor sich.

„Auch wenn du es da auch schon nicht hören wolltest. Ich hab es dir gesagt, an dem Tag, als sie dich erwischt haben. Ich…“
 

Er starrte sie betroffen an, merkte, wie ihm langsam die Luft zum Atmen wegblieb, als sich sein Brustkorb zusammenzuschnüren schien. Immer mehr Tränen rannen ihr stumm übers Gesicht, perlten über ihre Wangen, über ihre bebenden Lippen. Ihre Augen waren bereits jetzt etwas verquollen, was ihm sagte, dass das das wohl nicht das erste Mal heute war, das sie in Tränen ausbrach.

„Wir hatten ein ziemlich… aufgebrachtes Gespräch, weil ich… nun, ich wollte wissen, was das jetzt eigentlich ist, zwischen uns.“

Sie seufzte, starrte auf den Boden, immer noch. Eine Träne rollte ihr übers Kinn.

„Ich hab… gemerkt, dass sich etwas verändert hat, weißt du. Wir… kennen uns seit dem Sandkasten, sind beste Freunde, solange ich denken kann. Aber irgendwann… kam etwas dazu… dieses Gefühl.“

Er schloss die Augen, atmete langsam aus. Unwillkürlich schob er den Stuhl unter den Tisch. Es wurde Zeit, dass sie etwas Abstand zwischen sich brachten, er wollte gehen, weg hier, zumindest eine Mauer zwischen ihn und sie bringen...

„Ran, ich weiß wirklich nicht, ob es eine gute Idee ist, wenn wir jetzt…“, murmelte er.

„Ich hab dir gesagt, dass ich dich liebe.“

Sein Herz schien kurz auszusetzen. Er starrte sie an; sie hatte den Kopf gehoben, sah ihn scheu an, ihre Wangen, ihr ganzes Gesicht glühte.

„Die letzte Frage, die ich dir gestellt habe, Shinichi… die letzte Frage, die ich dir gestellt habe, bevor das alles hier passiert ist, war die, ob du mich auch liebst.“
 

Er starrte sie an, sein Mund leicht geöffnet, in seinen Augen namenloses Erstaunen. Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen, als er zu einer Antwort oder auch einer Frage ansetzen wollte.

„Du hast mir zuerst nicht geantwortet. Ddann hast du mir gesagt, du… würdest nicht, aber ich hab dir nicht… geglaubt. Du warst damals… Conan, es könnte auch gewesen sein, dass du’s mir deshalb nicht…“
 

Shinichi schluckte, trat einen Schritt zurück.

„Und was ist, wenn ich dich wirklich… nicht geliebt hab? Was ist, wenn das hier...“, er strich sich fahrig über die Stirn, „wieder vergeht, wenn ich mich wieder erinnere…?“

„Also ist da was…?“, wisperte sie leise, Hoffnung schwang in ihrer Stimme. Ihr Atem strich über sein Gesicht, kurz schloss er die Augen, seufzte.

„Ich weiß nicht, was ich glauben kann… ich kenn dich doch auch gar nicht, ich kenn mich selber nicht…“
 

Ran seufzte.

„Shinichi, als man dir sagte, du hättest eingewilligt, dein Leben gegen meins zu tauschen, hast du dir da keine Gedanken darüber gemacht, was dein Grund dafür gewesen ist?“

Er schluckte, nickte langsam. Er wusste ja, er hatte sich genau diese Frage gestellt. Immer und immer wieder, seit er es wusste.

„Du wolltest mich beschützen, warum sonst hättest du das alles auf dich genommen… die hätten dich fast umgebracht, wegen mir hast du alles verraten, an das du glaubst…“

Sie begann zu zittern.

„Wegen mir bist du überhaupt erst in dieser Situation, das weißt du doch! Du hast alles aufgegeben, was du warst, für mich! Du hast dich erpressen lassen, foltern und quälen lassen, du hast… dein Leben weggeworfen, für mich, weil man dir gedroht hat, mich umzubringen, wenn du nicht tätest, was man dir sagte. Warum sonst hättest du das tun sollen…“

Sie schluchzte leise, als sie an Akais Bericht dachte... das Ergebnis dieser schrecklichen Woche stand nun vor ihr, und es brachte sie fast um den Verstand.
 

Er schüttelte hilflos den Kopf.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll, um ehrlich zu sein. Weil ich nicht weiß, was ich denken soll. Ich… weiß zu wenig, um angemessen handeln zu können, und ich hab… irre Angst, das Falsche zu tun.“

Das klang nach einer einigermaßen logischen Erklärung in seinen Augen. Nur, dass sie sich nicht damit zufrieden gab, wie er feststellte, als er ihr einen prüfenden Blick zuwarf. Ran zog überrascht die Augenbrauen hoch.

„Das Falsche tun? Inwiefern?“, hakte sie zögernd nach.

„Bitte…“

Er schluckte, merkte, wie ihm auf einmal wirklich schrecklich heiß wurde.

„Du weißt es doch. Wir sollten alles lassen, wie es jetzt ist, und…“

Shinichi warf ihr einen bittenden Blick zu, wandte sich dann wieder ab. Er wollte das nicht tun. Er wollte ihr das nicht sagen. Nicht schon jetzt, nicht, wo seine Gedanken doch noch so unausgegoren waren, nicht mitten in der Nacht, nicht nach diesem Tag, nicht als Kurzschlussreaktion, das war nicht richtig…

Es könnte ihre Freundschaft, die es wohl gab, irgendwo… kaputtmachen.
 

Ran legte den Kopf schief, verschränkte die Arme vor der Brust. Dieses Gespräch erinnerte sie an dieses eine Telefonat… es kam ihr vor wie ein Déjà-vu.

Und vielleicht hatte er Recht, und sie hätten es dabei bewenden lassen sollen.

Allerdings… sträubte sich irgendetwas in ihr dagegen.

„Denkst du nicht, es ist schon… zu spät…?“

Sie schluckte kurz, versuchte den bitteren Geschmack aus ihrem Mund zu verbannen, ließ ihre Arme sinken und verschränkte sie hinter ihrem Rücken. Er warf ihr einen bitteren Blick zu.

„Bitte versteh… mich doch. Ich würde lügen, würde ich sagen, du ließest mich kalt. Aber ich kann mich doch selbst nicht einschätzen. Ich weiß nicht, wie ich mich normal verhalte, und solche Dinge pflegen auch kompliziert zu sein, wenn man momentan nicht neben sich steht.“

Ran atmete langsam aus, warf ihm einen bedrückten Blick zu.

„Du denkst, es ist nicht echt…“

Shinichi seufzte resigniert.

„Warst du schon immer so penetrant?“

„Manche sagen ja, andere nein. Also?“

Sie schaute ihn abwartend an, versuchte ein zaghaftes Lächeln.

Er biss sich auf die Lippen, wandte den Kopf ab.
 

Ran beobachtete ihn. Er war sichtlich rot im Gesicht, es schien ihn wirklich… zu beschäftigen und er war… schüchtern.

Es war offensichtlich, dass er sich nicht traute, mir ihr darüber zu reden.
 

„Mein Leben ist gerade ordentlich aus den Fugen geraten, Ran. Ich… weiß nicht, was echt ist und was nicht, ich kann nur Vermutungen anstellen, und ich will… ich will nichts kaputt machen. Vor allem… in meiner Situation. Ich weiß zu wenig über dich und mich und… ich kann doch so keine Entscheidung über mein Handeln treffen. Angeblich kennen wir uns doch schon so lange, ich will nicht… das Falsche tun…“

Seine Stimme versagte. Er schüttelte den Kopf, versuchte, neu anzusetzen, um es ihr verständlich zu machen.
 

„Hör zu, Ran, ich… ich hatte mich wirklich auf das Treffen mit dir gefreut, weißt du.“, murmelte er dann leise, wagte nicht, sie anzusehen.

„Man hat mir gesagt, du würdest mich schon so lang kennen, wir wären… gut befreundet und… würden uns verstehen. Ich konnte kaum erwarten, dich zu treffen, ich dachte, nun… es würde sich vielleicht einiges klären. Und als… als ich dich sah… gerade eben…“

Ran blinzelte, ließ ihn nicht aus den Augen. Langsam sah er auf.

„… wusste ich, dass das alles stimmte…!“

Ran schaute ihn an, sah die Verzweiflung in seinen Augen.

„Sie haben mir gesagt, du wärst so liebenswürdig; so nett und ehrlich und herzlich… sie haben mir gesagt, du wärst meine beste Freundin und als ich dich sah…“
 

Er biss sich auf die Lippen, schüttelte den Kopf, strich sich fahrig über die Augen.

„...hegte ich keinen Zweifel, dass sie auch da… Recht hatten. Du bist… liebenswürdig, nett, ehrlich und herzlich… allein dass du so unbedingt herausfinden willst, wie du mir helfen kannst, und dass, obwohl ich unmissverständlich unhöflich und harsch war, zeigt das… mehr als deutlich. Du hast mich umarmt, obwohl dir klar ist, was mit mir ist. Du machst mir Kakao und gibst mir Kopfschmerztabletten, du siehst mich keine zwei Minuten und fängst an, dich um mich zu kümmern, mir zu helfen. Mit dir will bestimmt jeder gern befreundet sein, mit so jemand wie dir als Freundin… kann das Leben nur gut sein, irgendwie, auch wenn die Situation noch so schrecklich ist, wenn sie noch so… aussichtslos scheint.“

Shinichi lächelte hilflos, seufzte, drehte sich um, schloss die Tür und lehnte seine Stirn dagegen, stand nun mit dem Rücken zu ihr.
 

„Ich will das nicht kaputtmachen. Ich kann momentan Freunde echt brauchen, weißt du.“

Langsam schloss er die Augen.

„Wenn wir das anfangen, und es klappt nicht, oder es bewahrheitet sich nicht, wenn ich wieder ich bin, Ran, dann war’s das, zwischen uns. Dann sind zwanzig Jahre Freundschaft ruiniert…“

„Denkst du nicht, es kann dir helfen, wenn…“

„Ran…!“

Seine Stimme klang ehrlich gequält.

„Lass mich doch in Frieden, bitte, wenn du meine Freundin bist.“

Er atmete heftig, warf ihr einen kurzen Blick zu, wandte sich dann wieder ab; nun war er es, der intensiv auf den Boden vor seinen Füßen starrte.

„Ist es nicht… gerade dein Gefühl, dem du noch trauen kannst, wenn alles andere dich verlassen hat?“

Ihre Stimme klang sanft. Er hob den Kopf, wischte sich über die Augen.

„Ich sagte es doch schon, Ran. Was, wenn ich nicht mehr so fühle, wenn ich weiß, wer ich bin?“
 

Shinichi strich sich müde übers Gesicht.
 

Ran schaute ihn an, merkte, wie sie zu frösteln begann.

„Unsere Gefühle ändern sich nicht amnesiebedingt.“

Er schüttelte den Kopf, schaute sie aus Halbmondaugen an.

„Woher willst du das wissen? Ich hab mein Gedächtnis verloren, nicht du. Ich glaube kaum, dass…“

Er bemühte sich sichtlich um einen lässigen Ton, aber sie hörte deutlich, wie zerschmettert er eigentlich war.

Wie kaputt.

Shinichi öffnete die Tür, wollte die Küche verlassen; sein Teint war blass geworden. Ehe er jedoch einen Schritt nach draußen machen konnte, stand sie vor ihm, versperrte ihm den Weg.
 

„Das stimmt nicht. Ich hab mein Gedächtnis auch schon verloren. Ein paar Tage lang. Vor etwa einem Jahr.“
 

Sie schluckte hart. Das was sie jetzt sagte, kostete sie viel Mut und noch mehr Überwindung.

„Ich… wusste auch nicht mehr, wer du warst. Aber ich fühlte noch das Gleiche, als man mir ein Bild von dir zeigte. Diese Art von Verbundenheit, die man nicht kappen kann. Etwas Vertrautes. Man kann es nicht greifen, nicht festmachen, woran man es erkennt, man kann es nicht beschreiben, aber… es ist da. Es war da, und es blieb, als ich mich wieder erinnerte, weil es auch schon vorher da gewesen war.“

Er wandte den Kopf ab, schwieg, kaute auf seiner Unterlippe.

„Ich will dich doch auch zu gar nichts zwingen, ich will dir nur… klarmachen, was das ist, was uns verbindet. Weil es vorher auch schon da war. Weil ich will, dass du dich wieder erinnerst, weil….“

Er schüttelte den Kopf und sie brach ab. Als er sprach, schaute er sie nicht an, hielt seine Augen fest auf den Boden geheftet.

„Ich weiß aber nicht, was vorher war, Ran. Auch wenn ich dieses Gefühl kenne, das du beschreibst. Aber sei ehrlich… wärst du an meiner Stelle, und würde ich dir das alles darlegen wie du gerade mir, wie würdest du dich fühlen?“

Langsam hob er die Hand, grub seine Finger in sein dichtes, dunkelbraunes Haar. Ran schaute ihn betroffen an.

„Überrannt…“, flüsterte sie zaghaft.

Shinichi lächelte bitter, schaute sie kurz an, fixierte dann mit seinen Augen einen Punkt auf den Boden.
 

Ran schaute ihn starr an, konnte nicht die Augen von ihm wenden.

„Du hast ja Recht. Ich dachte nur… ich dachte…“

Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, merkte, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handballen bohrten, bemerkte den Schmerz, aber löste nicht ihren Griff.

Er atmete schwer, man sah ihm an, wie ihn dieses Gespräch mitnahm.
 

„Sag mir was ich tun soll, bitte…“

Er schloss die Augen, fuhr sich über die Arme, fahrig. Ran schluckte, sah den Kampf, den er mit sich selbst ausfocht. Sie ahnte, wie er sich fühlte.

Hin- und hergerissen, wie sie selbst, damals.

„Sag, was du fühlst. Du bist schon größere Risiken eingegangen, als dieses.“

Ran schluckte, berührte seinen Arm.

„Vielleicht hilft es dir.“

Shinichi öffnete die Augen, sah sie an.

„Vielleicht ist nicht gerade viel…“

„Eine Garantie gibt es nie.“

Sie stand nah vor ihm, sah ihm in die Augen. Ihre Finger lagen immer noch auf seinem Unterarm.

„Sag es einfach…“

Shinichi sah sie an, merkte, wie es ihn ihm wühlte. Sah ihre Augen, blau und leuchtend, ihre Lippen, ihr Gesicht, das ihm auf so fremde Weise so vertraut schien. Er hörte ihre Stimme gern, hörte gern, wenn sie seinen Namen aussprach, an den er sich gerade erst wieder gewöhnte.

Er wusste, er liebte sie. Im Prinzip war ihm klar, dass er einen Kampf gegen eine Macht führte, den er nicht gewinnen konnte, und er fragte sich, warum er es in seinem früheren Leben versucht hatte- wie er es geschafft hatte, bis hierher.

Shinichi ahnte, dass es ihn teilweise zerrissen haben musste, so nah vor ihr zu stehen, und zu wissen, dass das, was er sich wünschte, nämlich ihr nah zu sein, als Conan einfach nicht in Erfüllung gehen konnte. Warum er sein Leben eingetauscht hatte, gegen ihrs, verstand er mittlerweile nur allzu gut – wenn er vor diesem Desaster so gefühlt hatte wie jetzt, in diesem Moment, dann stellte sich die Frage nach dem Warum nicht mehr.

Und er war so nah dran… ihr und sich diesen Wunsch zu erfüllen, endlich nicht mehr getrennt zu sein… und doch unerreichbar weit davon entfernt.

Er war nicht er selbst, und das war es, was ihn fast um den Verstand brachte.
 

Shinichi schluckte, starrte sie an. Ran stand vor ihm, ließ ihre Hand langsam sinken, biss sich auf die Lippen, sagte aber nichts. Müde strich er sich über die Augen, versuchte, Herr über sich zu werden und schaffte es doch nicht. In seinem Kopf regierte eine andere Macht, befand sich eine andere Welt, als die, die er bis jetzt kennengelernt hatte, in seinem neuen, zweiten Leben als Shinichi Kudô.

Er wünschte sich, den Duft ihrer Haare zu riechen, noch einmal zu fühlen, wie sie ihn festhielt. Alles in ihm sehnte sich danach, sie endlich in die Arme zu nehmen, ihren Körper an seinem zu spüren, ihre Anwesenheit zu fühlen, ihre Nähe, Wärme – das alles tat so gut, beruhigte so ungemein.

Ein Gefühl, das er seit seinem Aufwachen im Krankenhaus nicht mehr gespürt hatte. Er wollte es wieder haben. Endlich Ruhe finden, ein wenig.

Und er wollte sie glücklich machen.

Er wollte sie lachen sehen.
 

Und es war nur einen Wimpernschlag entfernt. Nur ein paar Worte.

Und doch hatte er Angst.

Angst, vor dem Fall, sollte das alles nur eine Seifenblase sein, in der er lebte, und die platzte, wenn sein Leben ihn wieder einholte.
 

Ran stand vor ihm, ruhig, hielt ganz still.
 

„Ich…“, fing er an, hielt inne.

Ran spürte, wie sich in ihrem Nacken die Haare aufstellten, wie ein Schauer über ihren Rücken rieselte. Er schüttelte den Kopf, dann gab er den Kampf auf.
 

„Verzeih mir, wenn… wenn das hier nur von kurzer Dauer sein sollte…“, begann er leise.
 

Sie hielt den Atem an, merkte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Er schaute sie an. Dann griff er nach ihrer Hand, presste sie auf seinen Brustkorb, ließ sie dann los.

„Spürst du das?“, fragte er sie leise, und dennoch klang seine Stimme aufgebracht.

Ran starrte ihn an, sah in seine Augen, merkte, wie ihr Mund trocken wurde.
 

Shinichi…
 

Sein Herz schlug schnell, sie spürte es deutlich. Schneller als… normal.

„Spürst du’s?!“

Nun klang er etwas lauter. Ran nickte nur, stumm.

„Du warst kaum zwei Sekunden da, und das hat gereicht. Du hast mich kaum umarmt, es war nichts weiter, aber ich… Ich kann nicht mehr klar denken, ich… ich… ich kenn dich gar nicht, aber dieser Augenblick hat gerecht, um alles auf den Kopf zu stellen, ich…“
 

Ran starrte ihn an, merkte, wie auch ihr Herzschlag sich beschleunigte. Shinichi schaute sie an.

„Ist das echt…? Wird das bleiben, Ran, kannst du mir versprechen, dass…“
 

Sie schloss die Augen.

„Bitte, sag mir, dass es bleibt, weil ich es mir so sehr wünsche, Ran, ich will…“
 

Ran lehnte seine Stirn gegen seine, langsam, ganz sacht.
 

Sag's endlich… bitte…
 

„Ich hab mich in… dich… ver… verliebt…“

Seine Stimme stürzte ab, war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Ran öffnete die Augen, bemerkte, dass er sie nicht mehr ansah. Er hatte den Kopf abgewandt, sein Blick verlor sich.

„Und ich weiß, ich bin ein verdammter Idiot, deswegen. Und ich brech‘ dir das Herz, wenn ich wieder weiß wer ich bin und sich herausstellt, dass dieses Gefühl nicht echt war…“, wisperte er tonlos.

„Aber jetzt, in diesem Moment, ich…“

Das Blut war ihm ins Gesicht gestiegen, genauso wie ihr wohl auch. Sie merkte, dass ihre Wangen förmlich brannten, ihr Puls raste. Langsam nahm sie die Hand von seiner Brust, sah, wie er langsam ausatmete, kurz die Augen schloss. Dann hob sie beide Hände, berührte seine Wangen, drehte seinen Kopf zu sich, zwang ihn, sie anzusehen.

Was dann geschah, folgte keiner Logik mehr.
 

Ran schluckte, merkte den Ausdruck von Verwirrung in seinen Augen, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, ihr Gesicht dem seinen immer näher kam, bis sich ihre Lippen berührten.

Sie küsste ihn.

Zart, sehr vorsichtig, und nur kurz.
 

Sie merkte, wie er zurückwich, konnte sein Erstaunen fast spüren, ließ seinen Kopf los und schlang ihre Arme um seinen Hals, drückte sich an ihn, fester, enger als vorher. Spürte seine Atem ihren Nacken streifen, krallte ihre Finger in sein Hemd, spürte, wie er sie an sich drückte, und kam nicht umhin festzustellen, dass sie es genoss… und unheimlich erleichtert war.
 

Endlich, endlich…
 

„Es wird bleiben. Ich… ich versprechs…“
 

Und sie hoffte, inständig, dass sie ihr Versprechen würde halten können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Black_Taipan
2012-06-07T18:51:28+00:00 07.06.2012 20:51
Ich fühle mich wie ein Glückspilz. Da habe ich Mexx seit Monaten nicht besucht und realisiere dann nach den Prüfungen, dass einige Kapitel zu Amnesia hochgeladen wurden. So viel Lesespass auf einmal, jupieh. :)

Auch ich gehre zu den Leuten, die das Kapitel lieben. Es war so süss, so sanft. Zwar Romantik, aber nicht übertrieben und Shinichi hat es geschafft, sich mal irgendwo wohl fühlen zu können.
Lediglich Rans Sturheit hat mich überrascht. Nachdem ihre ersten beharrlichen Versuche - so muss sie wohl denken - ein Desaster ausgelöst haben, hätte ich mir vorgestellt, dass sie dieses Mal etwas vorsichtiger ist. Zudem sieht sie ja auch, dass Shinichi ziemlich erschöpft ist. Andererseits verstehe ich sie auch. Sie will ihm helfen, ihm etwas geben, worauf er aufbauen kann und ihn nicht verlieren.
Auch das Kapitel zu Ais Beweis fand ich im übrigen sehr klasse. Es war zwar keine leichte Kost , aber es gefiel mir sehr gut.
Ich freue mich auf die nächsten Kapitel. :)
Liebs Grüessli
taipan
Von:  R3I
2012-05-20T15:15:18+00:00 20.05.2012 17:15
Sehr schönes Kapitel. Und auch sehr real geschrieben, ohne viel Klischees zu bedienen!
Freu mich schon aufs nächste!
lg R3I
Von:  kokuchou
2012-05-16T22:16:58+00:00 17.05.2012 00:16
hui
das war ein tolles kapitel
eine... aussprache der besonderen art ^^
ich hoffe shinichi hat sein gedächtnis bald wieder :D

ich freu mich auf das nächste kapitel ^^
GlG ruha
Von: abgemeldet
2012-05-15T19:46:36+00:00 15.05.2012 21:46
Ich finde das Kapitel sehr schön.
Auch wenn ich zwischendurch fand, dass Ran entgegen ihrer früheren Erkenntnis doch wieder ziemlich hartnäckig war ^^"
Man muss ihr zugestehen, dass sie damit erfolgreich war...
Egal~
Wie es jetzt zwischen den beiden weitergeht, ist die interessante Frage!
Denn gewisse Unsicherheiten sind augenscheinlich noch vorhanden und Kommissar Megure hat ja auch schon seine Pläne.

Liebe Grüße,
Puffie-chan
Von:  Kati
2012-05-15T18:06:14+00:00 15.05.2012 20:06
Yesss, endlich haben sie sich gesehen :D Bin froh das du das nicht so Klischeehaft gemacht hast wie "sie sehen sich und plötzlich weiß er alles wieder!". Das wär voll schlimm gewesen :P
Am Anfang des Gesprächs hab ich Ran verflucht, weil sie ihn ja fast dazu gezwungen hat das er ihr sagt was er fühlt. Aber zum Schluss wars mir ganz recht XD
Tolles Kapitel, echt glaubwürdig dargestellt!
Schreib schnell weiter! ;)
lG <3
Von:  funnymarie
2012-05-15T14:54:16+00:00 15.05.2012 16:54
ein super tolles kapitel^^
ich liebe es
ich bin gespannt, wie es weiter geht
lg funnymarie
Von: abgemeldet
2012-05-15T11:55:44+00:00 15.05.2012 13:55
HIGHSCORE!
Ich bin hin und weg *_*
Nicht nur, dass ich es endlich schaffe, am gleichen Tag das Kapitel zu lesen wie es auch herausgekommen ist, nein, dazu kommt noch, dass es das Kapitel ist, auf das ich so lange warte.
Oh Gott, das war einfach nur großartig. Genau richtig. Ideal. Mit genau der richtigen Mischung von Dramatik und Romantik... hach, endlich mal 'n bisschen Romantik <3
Mein einziges Manko ist, dass ich, obwohl es zu den längsten Kapiteln gehört, es zu kurz fand. Woran das wohl liegt ^-^'
Hach, also ich liebe das Kapitel einfach. Die Stimmung in der Nacht macht die ganze Begebenheit dermaßen surreal, dass ich das Gefühl habe, es soll nur für diesen Moment sein und die Tragik deiner Wortwahl ist schlicht einmalig.
Meisterhaft. Soviel Lob kann ich gar nicht aussprechen, wie du verdienst.
Und ich kann kaum erwarten, das nächste Kapitel zu lesen. Ich mag nicht mal spekulieren, was nun folgt. Ich lasse mich einfach überraschen.
Herzliche Grüße
M.B.
Von:  Yuki_Salvatore
2012-05-15T11:44:44+00:00 15.05.2012 13:44
O_O Also ich hätte mit vielem gerechnet...aber damit nun wirklich nicht XD aber ich muss sagen mich erfreut der Ausgang des Gesprächs sehr ;D
Überhaupt das ganze zwischen den beiden war einfach toll *_* Du hast das echt glaubhaft rüber gebracht ^^ und ich gehöre wohl zu den Leuten die, dieses Kapitel lieben xD
Ich hoffe die beiden schaffen das...er hat nun einen starken Halt..und vllt hilft ihm die Nähe von Ran, damit er sich wenigstens nicht mehr so unendlich verloren fühlt.

Super Kapi <3
Lg Yuki


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