##. Auf dieser Bühne gibt es nur uns.
Es ist Sommer.
Der Tag neigt sich langsam dem Ende zu, es ist spät und die Sonne verschwindet gemächlich hinter den Hügeln.
Doch wir denken noch lange nicht an schlafen. Der Himmer ist blassrosa und leuchtet, wie die Lichter, die in allen möglichen Farben auf den großen Platz umherzischen. Wer würde denn freiwillig von hier weggehen wollen? Hier, wo man den größten Spaß seines Lebens hat. Die Luft riecht süßlich und ein bisschen rauchig. Überall werden Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und Schokofrüchte angeboten. Der Duft ist herrlich. Hand in Hand laufen wir an den Ständen vorbei, wobei wir die Blicke...die skeptischen Blicke der anderen im Nacken spüren. Wir sind anders- und doch ganz normal. Was ist schon falsch daran, wenn ein Junge mit einem Jungen geht? Wenn man einen Menschen liebt, kommt es doch nicht auf sein Geschlecht an, oder? Ich spürte wie ihre Blicke über unsere dunklen Haare schweifen, die pechschwarz geschminkten Augen mustern und schließlich an unseren gepiercten Lippen hängen bleiben. Die Menschen sind so einfach gestrickt. Die immer wiederkehrende Ankettung von Ereignissen, die sie "Leben" nennen, macht sie alle stumpf. Wir beachten sie nicht und laufen weiter, im Gleichschritt. Wir passieren einige Stände, halten gelegentlich an um Zuckerwatte zu kaufen, die wir uns dann in die Haare schmieren und somit die Frisuren versauen. Das Zeug ist der pure Zucker, doch das macht unseren Körpern nichts aus. Wir können noch so viel essen- wir würden sogar eher ab- als zunehmen. So sind wir Emos halt. Groß und schlacksig, schwarze Röhre, Vans und Piercings. Mittelscheitel. Nach ein paar Minuten ergreifst du meine Hand wieder, drückst sie ganz fest und verursachst eine Gänsehaut, die meinen Rücken runterkriecht. Leute halten an und gaffen rüber, du gaffst zurück und rollst mit den Augen. Ich beneide dich, weil du das so gelassen nimmst. Mir gehen diese Blicke einfach nur auf den Sack. Kennen die denn alle das Wort "Toleranz" nicht? Ich guck doch auch nicht die ganze Zeit, weil die Weiber ihre Haare platinblond färben und in Plateuschuhen rumlaufen. Lass sie doch aussehen, wie sie aussehen wollen. Solange ich das nicht tragen muss, kanns mir doch egal sein. Warum denken eigentlich nicht alle Leute so wie wir? Toleranz und Respekt- das sind hier echt Fremdwörter. Was solls. Du bleibst stehen, ich remple dich gedankenverloren an, wobei mir wieder einmal auffällt, dass du viel größer bist als ich. Meine helle Haut färbt sich blassrosa, ich stammle wirres Zeug von wegen ich hätte nicht aufgepasst und sonstewas. Doch du lächelst nur breit und drückst mir einen Finger auf die Lippen, wobei du mit der anderen Hand meine Wange streichelst. Dann beugst du dich vor- Gott verdammt nochmal, einfach so!!!- und presst deine Lippen auf meine. Ich merke, wie ein erregender Zitterkrampf durch meinen Körper fährt- deine Lippen sind so weich und warm, dein Kuss so leidenschaftlich, dass ich beinahe vergesse wo wir sind. Ich öffne den Mund ein Stück, damit sich deine Zunge einen Weg hineinbahnen kann. Deine Hände gleiten unter mein Tshirt. Als wir uns, nach Jahren wie es mir scheint, endlich voneinander lösen verbindet noch immer ein dünner Speichelfaden unsere Lippen. Meine Hände haben sich in einen schraubstockartigen Griff an deinen Oberarmen festgeklammert. Ich mag dich am liebsten gar nicht mehr loslassen. Es war unser erster Kuss, den wir nicht irgendwo isoliert, sondern in der Öffentlichkeit hatten. Diesmal schien auch ich alle Blicke um uns herum vergessen zu haben. Oder besser gesagt, sie waren mir egal. Du lächelst mild, beugst dich erneut vor und flüsterst mir etwas ins Ohr, wobei deine Lippen leicht mein Ohrläppchen streifen. "Ich liebe dich." Erneut bahnt sich ein wohliger Schauer den Weg über meinen Rücken. Das Kribbeln ist angenehm und beunruhigend zugleich. Ich weiß nicht wie lange wir nun schon so dastehen und uns in die Augen blicken.
Auf dieser Bühne gibt es nur uns.
Plötzlich werden unsere Augen von einen verdammt nochmal hellen grellpinken Licht geblendet. Wir wenden uns zu der Lichtquelle hin und schirmen unsere Gesichter mit den Armen ab. Der Himmel scheint zu tanzen. Ein Funkenschauer ergießt sich über den Horizont und zieht alle Blicke auf sich, sodass ich mich freuen kann, dass ausnahmsweise mal nicht wir der Mittelpunkt allen Treibens sind.
Menschen haben zu viele Emotionen um sie alle zum Ausdruck zu bringen. Darum zünden sie Feuerwerke.
Diesen Satz hat meine Mum vor ihrem Tod oft gesagt. Man könnte fast meinen, es war ihr Lieblingssatz. Sie hat Feuerwerke über alles geliebt, so wie wir beide.
Ich rücke näher an dich heran, lege einen Arm um deine Hüfte und genieße deine Körperwärme. während du deinen Arm um meine Schultern legst. Das Feuerwerk scheint kein Ende nehmen zu wollen. Funken und Flammen in jeder Farbe tänzeln über den jetzt tiefschwarzen Nachthimmel und verwandeln den Rummelplatz in ein Regenbogenparadies. Mein Nacken wird starr, aber ich wende den Blick nicht ab, aus Angst etwas zu verpassen. Schließlich ersterben die Licher und Beifall brauste auf. Ich klatsche in meine, jetzt vor Kälte klammen Hände, und werfe einen kurzen Blick in deine Richtung. Du grinst fröhlig und streichst dir eine schwarze Haaresträhne aus dem Gesicht. Dann ergreifst du meine Hand und ziehst mich hinter dich her. "Lass uns von hier verschwinden."
Ich erröte leicht und gehe mit leicht gesenkten blick hinter dir her. Ich bin so froh, dass ich dich hab, weißt du das eigentlich? Weißt du eigentlich, was du für eine Macht über mich hast? Dein klarer Blick, deine schwarzen Haare, der Geruch deines Körpers... das alles macht mich wahnsinnig! Ich würde für dich sterben, weißt du das?
Ich will dir überall hin folgen, dich nie wieder loslassen, ich will, dass du mich liebst. Mit Körper und Seele. Selbst wenn ich mein Leben dafür zur Hölle machen müsste.
In euren Augen sind das wahrscheinlich einfach nur schöne Worte. Aber ich weiß es besser.
Ich will nichts anderes mehr auf der Welt.
Nur noch dich.
Und während mir diese Gedanken durch den Kopf gehen, laufe ich mit dir den Weg des Schicksals entlang.