Ihr zwei passt zusammen
Lost Angel
Kapitel 10 – Ihr zwei passt zusammen
Jemil’s PoV
Ich wollte ihn gar nicht alleine lassen. Doch ich hatte etwas gehört. Jemand war
ins Zimmer gekommen. Hatte es sich auf meinem Bett bequem gemacht.
„Was willst du, Mila?“, fragte ich knautschig. Wie gerne hätte ich noch mit
Jesko jetzt in der Badewanne gelegen. Es hatte ihm doch gefallen. Zumindest ein
bisschen. Hat meine Nähe genossen. Obwohl er mich doch etwas verwirrt angesehen
hatte. Ganz verstand ich mich eigentlich auch nicht. Er war der Erste, dem ich
wirklich in meine Nähe ließ. Von dem ich mich überhaupt anfassen ließ. Und
dennoch wollte ich nicht, dass mich jemand berührte. Vielleicht dadurch spürte,
was in mir vorging. Doch eigentlich hatte er das so schon mitbekommen. Er wusste
wohl ansatzweise, was ich fühlte. Und verstand es trotzdem nicht.
„Du bist eben einfach weg. Wieso denn?“ Mila sah mich mit großen Augen an. Wie
mich dieser Blick nervte. Ich sank neben ihr aufs Bett. Atmete einmal tief
durch. „Ich hatte einfach keine Bock auf meinen Vater und so!“ Ich blickte sie
kühl an. Nie hatte ich es gewagt gegenüber ihr irgendein Gefühl in meinem Blick
widerspiegeln zu lassen. Tat das sonst ja nie irgendeinem anderen. Es gab im
Moment nur eine Person, der ich versuchte zu offenbaren, wie ich fühlte.
Gerade als ich noch etwas sagen wollte, wurde zaghaft die Badezimmertür
geöffnet. Milas Augen weiteten sich, als sie sah, wer da heraus spitze. „Der
Wolf“, murmelte sie. Wie hatte sie ihn nur so schnell erkannt? Sie hatte ihn
doch draußen nicht einmal richtig angesehen.
Mila wendete sich zu mir. „Du hältst so ein ... Tier hier bei dir?“ Wieso redete
sie denn plötzlich so herablassend? Sonst bemitleidet sie sie doch immer. Hat
sich das auf einmal geändert
Ich nickte. Wendete meinen Blick aber gleich auf Jesko, der mir direkt in die
Augen sah. „Entschuldigt, Meister“, flüsterte er. Verharrte immer noch an der
Tür. Wagte es nicht auch nur einen Schritt zu tun.
Abrupt viel Mila mir um den Hals. „Du bist ja doch so nett!“ Ich wusste gar
nicht wie mir geschah. Versuchte sie wieder von mir weg zuschieben. „Lass mich
los!“, fauchte ich, als es nichts half. „Aber, Jemil, sonst tust du doch immer
so, als ob du sie hasst und jetzt ...“ Wieder schlang sie die Arme um mich.
Hilfe suchend blickte ich zu Jesko. Es schien, als würden sich gerade seine
Augen mit Tränen füllen. „Heul nicht!“, rief ich. Schlagartig ließ mich das
Mädchen wieder los. Blickte sich zu dem jungen Werwolf um, dem schon vereinzelte
Tränen über die Wangen liefen. Verwirrt wurde er von Mila angesehen. Doch sie
stand sofort auf. Legte ihm die Arme um die Schultern.
„Hör doch auf, Wölfchen“, flüsterte sie. Wiegte ihn leicht hin und her. Er
schluchzte. Was war nur los mit ihm? Was hatte ihn denn jetzt so traurig
gemacht? Vielleicht Mila? Weil sie mich in den Arm genommen hatte? Aber was
sollte ihn denn das interessieren? Ich liebte ihn doch nicht. Er war doch für
mich nur für den Sex gut. Sonst nichts.
„Na, geht es wieder, Wölfchen?“ Es hatte Minuten gedauert, bis er aufgehört
hatte zu schluchzen. Und er nickte sogar langsam. Sah Mila aber mit großen Augen
an. „Magst du meinen Meister?“, fragte er. Klang fast schon, wie eine kleines
Kind. Irgendetwas flüsterte sie ihm ins Ohr. Doch das verstand ich nicht. Dabei
hätte ich es mich so interessiert. Nur ihre Antwort. Ob sie mich mochte. Fragen
wollte ich jetzt aber auch nicht. Ich war nicht der Typ, der neugierig war.
Eigentlich zumindest. Denn es interessierte mich rasend. Trieben mich gerade in
den Wahnsinn und trotzdem ließ ich mir nichts anmerken, als sich Mila mit Jesko
im Schlepptau wieder neben mich setzte.
„Ich finde das so niedlich von dir, dass du dich um ihn kümmerst!“ Sie sah
liebevoll zu dem Werwolf, der nur auf den Boden starrte. Wohl nicht ganz wusste,
was er sagen sollte und ob er überhaupt durfte.
Für einen winzigen Augenblick lächelte ich. Aber es war doch etwas zu lang. „Du
kannst es ja doch!“, freute sich plötzlich Mila. Ich blickte sie verwirrt an.
„Du kannst lächeln!“ Ich nickte nur langsam. Konnte aber keine Sekunde meinen
Augen von Jesko abwenden. Wie schüchtern er doch war. Das wirkte verdammt süß.
Ich musste schlucken. Sonst hätte ich mich wohl auf ihn gestürzt. Das wollte ich
nicht unbedingt machen, wenn Mila da war. Und gerade die blickte verwirrt zwischen
uns hin und her. „Kann es sein, dass ihr ein Pärchen seid?“, fragte sie da auf
einmal. Ich schreckte aus meiner leichten Trance. „Nein!“, rief ich sofort.
Doch da vernahm ich schon wieder das Schniefen von Jesko. Mila wendete sich zu
ihm. „Was ist denn, Wölfchen?“ Mitfühlend legte sie ihm den Arm um. Drückte ihn
leicht an sich. Und wieder heulte er und ich verstand nicht wieso.
Mila blickte mich an. „Ich glaube dein Wölfchen sieht das alles ganz anderes!“
Ich wendete den Blick ab. Zum einen, weil ich das nicht hören wollte, und zum
anderen, weil ich ihn einfach nicht weinen sehen konnte.
„Ach komm schon, Jemil, du magst ihn doch sicherlich auch!“ Bei ihren Worten gab
ich ein Knurren von mir. Mögen vielleicht, aber nicht so wie sie dachte. „Soll
er doch“, flüsterte Jesko. Kaum hörbar. Ich drehte den Kopf wieder zu den beiden.
Der durchdringende Blick des jungen Werwolf jagte mir fast schon Angst ein. Er
hatte so etwas Erniedrigendes. Herablassendes. Und doch mit soviel Trauer
getränkt.
Ich ertrug es wieder nicht. Sah weg.
„Jemil?“ Mila legte mir einen Arm um die Schultern. Überdeutlich seufzte sie.
Doch darauf konnte ich nicht lange achten. Ich spürte zwei Hände auf meinen Knien.
Als ich hinunter sah, saß Jesko vor mir. Legte gerade seinen Kopf auf meine
Schoss. Ich zuckte zusammen. Wollte ihm eigentlich übers Haar streicheln, doch
da spürte ich Milas Blick.
„Was ist denn?“, knurrte ich. „Du magst ihn doch, sonst ... na ja, sonst würdest
du das nicht wollen!“, erwiderte Mila. Langsam wanderte mein Blick wieder zu
Jesko hinunter. Er kuschelte sich an mich. Sie hatte wohl doch Recht. Irgendwas
war da schon, wenn er sich so an mich schmiegte. Ich mochte es. Irgendwie war es
sogar schön, dass er gerade da war.
„Ich lass euch mal alleine!“
Die junge Vampirin stand plötzlich auf. Eigentlich wollte ich gar nicht das sie
ging. „Warte!“, rief ich. Sie wendete sich noch einmal zu mir herum. „Was ist
denn? Ich will euch nicht stören!“ Ich schluckte. „Erzähl niemanden davon. Wissen
sowieso schon zu viele!“ Sie zog bei meinen Worten eine Augenbraue hoch. „Wer
weiß es denn noch?“ „Devin“, antwortete ich knapp. Mehr waren es eigentlich
auch noch nicht. Soweit ich zumindest wusste. „Na ja, ich halt zumindest die
Klappe.“ Sie wollte jetzt wohl endgültig gehen. Blieb aber trotzdem noch einmal
an der Tür stehen. „Tu ihm nicht weh!“, meinte sie eindringlich, bevor sie die
Tür hinter sich schloss.
„Sie ist nett.“ Ich blickte zu Jesko hinunter, der das gesagt hatte. „Ist sie“,
erwiderte ich nur knapp. Zog ihn zu mir hoch. Er sah mich für einen Moment
leicht verwirrt an. Schien so, als ob er etwas sagen wollte. Doch ich legte ihn
einen Finger auf die Lippen. „Sag nichts“, trug ich ihm auf. Kam seinem Gesicht
ganz nahe. Nur noch Millimeter lagen dazwischen. Doch er wich zurück. „Du magst
mich doch gar nicht.“ Er klang weinerlich. Und irgendwie eingeschüchtert.
„Nein ... aber ... na ja ... ich kann einfach nicht sofort jemanden lieben“,
versuchte ich mich zu rechtfertigen. Doch er hörte mir gar nicht zu. Kroch aufs
Bett und rollte sich dort zusammen. „Du willst nur mit mir ficken“, flüsterte er.
Ich seufzte. Am Anfang war das schon so. Nur jetzt? Ich wusste es doch selbst
nicht richtig. Ein Gefühlschaos herrschte in mir. Auf der einen Seite wollte ich
mich niemanden nähern. Und auf der anderen wurde ich irgendwie von ihm angezogen.
Nicht nur von seinem Körper. Auch sein ganzes Verhalten. Er wirkte manchmal
einfach so niedlich. Wenn er schlief. Nur so auf dem Bett lag. Oder wenn er
irgendetwas nicht verstand. Dann war er immer so putzig. Sah einen dann immer
mit so süßen, großen Augen an.
Zaghaft legte ich mich zu ihm. Aber er rutschte nur von mir weg. Wollte nicht in
meiner Nähe sein. Und dann war er plötzlich weg. Ich hörte ihn nur noch auf
jaulen. Ein Kichern konnte ich mir jetzt einfach nicht mehr verkneifen. „Das war
wohl zu weit“, meinte ich. Kroch auf die andere Seite. Er blickte mich wieder
mit diesen schönen, braunen Augen an.
„Du machst dich doch nur über mich lustig.“ Wieder dieses Weinerliche in seiner
Stimmen. Das wollte ich eigentlich gar nicht hören.
Unsicher nahm ich seine Hand. Führte sie zu meinem Mund. Berührte sie leicht mit
den Lippen. Nahm seinen Geschmack in mir auf. Zog seinen Geruch durch meine Nase
in mich auf. Verfiel fast in eine Art Trance. Ich keuchte ganz leicht.
Abrupt zog ich ihn hoch. Schlang die Arme um ihn. Nur um mich kurz darauf – samt
ihm – aufs Bett zurückfallen zu lassen. Rekelte mich unter ihm. „Was machst du
denn?“ Er rappelte sich wieder auf. Blickte mich verwirrt an. „Ich will doch
nur, dass du es spürst!“, flüsterte ich.
Eigentlich wollte ich es mir nicht eingestehen. Doch irgendetwas in mir sagte
mir, dass ich dieses Gefühl doch gegen ihn hegte. Auch wenn es sich erst in mir
hoch kämpfen muss. Ich wollte es doch eigentlich gar nicht fühlen. Gefühle zeigte
ich sonst nie gegenüber irgendjemanden und gerade dieser kleine Werwolf würde es
wohl schaffen, dass ich mich jemanden öffnete.
Er betete plötzlich die Arme neben mich auf dem Bett. Beugte sich zu mir herunter.
Jetzt lag ich unter ihm. So wollte ich es nie enden lassen. Nie sollte jemand
über mir sein. Er betete seine Lippen auf meinen Hals. Ich kraulte ihn hinter
dem rechten Ohr. Vernahm ein Seufzen von ihm, als er den Kopf auf meine Brust
legte. Sich selbst neben mich legte.
„Du bist gemein zu mir“, flüsterte Jesko. Kuschelte sich aber dennoch ganz eng
an mich. Fuhr plötzlich mit den Fingern unter mein Shirt. Ich schloss für einen
Moment die Augen um seine Berührungen auf mich wirken zu lassen. „Hmm“, gab ich
von mir. Nahm seine andere Hand und führte sie nach unten. Doch er riss sich los.
„Das will ich nicht“, knurrte er. Ich hob wieder ein Lid. Schloss es aber auch
gleich wieder. Spürte die aufkommende Müdigkeit in mir.
„Darf ich schlafen?“, fragte ich. Dabei müsste ich das nicht. Sollte es eigentlich
auch nicht. Und dennoch hatte ich es getan. Wusste nicht einmal wieso. Da fühlte
ich aber erneut seine Finger. Nur dieses Mal an meinem Hals. Er zog mich zu sich.
„Das musst du mich doch nicht fragen. Du darfst schlafen, wann du willst!“ Er klang
so liebevoll und fürsorglich. Kam noch ein Stück näher zu mir. Dabei lagen wir
schon fast dicht an dicht. Viel lag nicht mehr zwischen uns. Ich spürte doch
schon jeden Zentimeter seines Körpers. Jeden Atemzug. Jeden Herzschlag. Und
empfand jedes bisschen Wärme von ihm. Wie schön angenehm das war. Fühlte sich
aber auch interessant an. So nah war ich noch nie bei jemanden. Zumindest so
weit ich mich eben erinnern konnte. Vielleicht hatte mich einmal meine Mutter so
im Arm gehabt. Bevor mich mein Vater zu sich geholt hatte.
Ich erinnerte mich nicht an meine Mam. Wusste nur, dass sie geweint hatte, als
ich weg musste. Und mir noch lange hinterher gesehen hatte. Es war, als würde
ich jetzt wieder ihr Schluchzen in den Ohren hören. Aber es war nur Einbildung.
Denn niemand weinte. Nicht einmal Jesko. Der war eingeschlafen. Dabei wollte ich
das doch. Ich wollte schlafen und jetzt schlief er. Nicht ich. Doch im Moment
konnte ich nicht mehr. Er war wieder so unglaublich süß.
Ich schmiegte meinen Kopf an seine Brust. Versuchte schlussendlich auch etwas zu
schlafen. Obwohl es doch für mich zu früh war. Aber es gelang mir dennoch
einzuschlafen. Neben ihm. In seinen Armen.