Eine Unterkunft gefällig?
Lost Angel
Kapitel 21 – Eine Unterkunft gefällig?
Jesko’s PoV
“Bitte. Nur für eine Nacht!” Ich hätte sie wohl auch auf Knien angefleht, wenn
die junge Frau mir nicht schon die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte. Ich
marschierte fluchend wieder weg. Das könnte noch eine lange Nacht werden. Seit
über einer Stunde streifte ich jetzt schon durch die Straßen. So klein war das
Dorf gar nicht. Man hatte nur von unserer Position nicht so viel gesehen.
Jemil tapste mir entgegen. Eigentlich schwankte er mehr. Beunruhigt lief ich zu
ihm „Geht es dir nicht gut?“ Ich hob leicht sein Kinn an. Seine Augen waren
leicht glasig. „Es geht schon“, erwiderte er nur knapp. Ich wollte ihm schon gar
nicht glauben. Doch da sank er schon in meine Arme. Versuchte sich mühsam wieder
etwas aufzurappeln.
„Mir ist so heiß“, nuschelte er. Jetzt konnte ich mir wohl oder übel vorstellen,
was mit ihm los war. Ich blickte mich um. Wir würden hier wohl so bald nichts
finden, wo wir schlafen durften. Also musste ich etwas anders finden. Jemil stand
doch jetzt schon nur noch senkrecht, weil ich ihn festhielt.
„Hey, ihr beiden!“ Ich wirbelte herum. Zog den Vampir dabei mit. Ein blondes
Mädchen stand vor mir. Sie sah kaum älter als 16 aus. Lächelte ganz leicht.
Ich zog Jemil noch ein Stück weiter zu mir. „Hi“, erwiderte ich schließlich
knapp. „Ihr sucht einen Schlafplatz? Richtig?“, fragte das junge Ding. Ich nickte
langsam. „Dann hättet ihr euch wohl nach dem nettesten Haus umsehen müssen.“ Ihr
Grinsen war schon einmal richtig nett.
„Und was willst du jetzt?“, fragte ich. Jemil hatte zu keuchen begonnen. Sank
langsam in meinen Armen zusammen. „Na ja, ich denke mal deinem Freund geht es
nicht gut. Deswegen wollte ich euch bei uns aufnehmen.“ Das Grinsen des Mädchens
wurde breiter, aber das beachtete ich schon gar nicht. Ich nahm Jemil hoch.
Drückte ihn leicht an mich. Er zitterte. Und sein Atem raste. Wie es aussah hatte
wohl Devin recht gehabt. Er wurde wirklich schnell krank.
„Das wäre nett“, nuschelte ich. Drückte den jungen Vampir etwas mehr an mich.
Sein Atem begann zu stocken. Er krallte die Finger in mein Shirt. „Jesko“,
flüsterte er. Seine Stimme zitterte.
„Wollt ihr jetzt?“ Ich blickte auf. Dieses Mädel stand jetzt nur ein winziges
Stück von mir weg. Blickte mich mit ihren großen, blauen Augen an. Wartete wohl
auf eine Antwort. „Gerne.“ Ich versuchte zu Lächeln. Doch es verging mir, als
Jemil wieder überdeutlich keuchte.
„Er ist wohl krank.“ Die Blonde legte den Kopf leicht schief. Etwas verschreckt
drückte ich den Vampir ein Stück weiter an mich.
„Ähm, wie heißt du überhaupt?“, wollte ich schließlich wissen, als sie mich und
Jemil schon zu sich nach Hause mitnehmen wollte. „Nina“, gab sie lächelnd zu
Antwort. Sie warf wieder einen Blick auf den Vampir in meinen Armen. Scheinbar
bemerkte sie gar nicht, was wir waren. „Ich bin Jesko und er heißt Jemil“, meinte
ich noch.
„Er ist dir wohl ganz schön wichtig. Dein … Liebling?“, fragte sie noch. Ich
zuckte zusammen. Sah man mir das an? Oder war das reiner Zufall. „Äh … ja.“ Etwas
verlegen sah ich zur Seite. Wurde wohl etwas Rot um die Nase herum.
„Ist ja süß.“ Jetzt wurde ich wohl erst recht rot. Das sie sich über diese
Tatsache so freute.
Binnen weniger Minuten waren wir dann auch vor einer riesigen Villa angekommen.
Mir stieg jetzt schon die Galle hoch. Erst vor vielleicht gut einem Tag waren wir
aus so einem Haus geflohen und gerade dem Moment kamen wir wieder in genau so
eins. Gut, dass wir gar nicht lange bleiben wollten.
„Ein Zimmer mit Doppelbett wäre wohl gut“, meinte Nina, als sie uns durch den
fast schon gigantische Eingangshalle geführt hatte, die mit einer Treppe in das
Obergeschoss endete. Links und rechts gingen noch zwei Flure weiter. „Wäre nett.“
Ich blickte mich um. Es sah nicht gerade so aus, als ob noch jemand anderes hier
wohnen würde.
„Meine Eltern sind nicht zu Hause und die Bediensteten schlafen schon“, meinte
sie, als sie wohl meine verwirrten Blicke bemerkt hatte. Leicht nickte ich nur.
„Na komm mit, dein Süßer braucht ein warmes Bett.“ Sie lotste mich die Treppe
nach oben. Dort den endlosen Gang entlang. In eines der hinteren Zimmer wies sie
mich schließlich.
„Ihr könnt gerne so lange bleiben wie ihr wollt. Ich bin hier ohnehin oft
alleine.“
Nach einem knappen ‚Danke’ und ‚Gute Nacht’ von meiner Seite verzog sie sich dann
auch. Wollte wohl auch ins Bett. Ich ließ Jemil genau auf ein solches sinken. Es
war wirklich ungelogen einfach nur riesig. Hier könnte man sich wohl so richtig
austoben. Aber er sah nicht gerade danach aus, als ob er das könnte.
Vorsichtig berührte ich seine Stirn. Zuckte aber gleich zurück. Sie glühte. Sanft
zog ich ihn aus. Legte die Decke behutsam über ihn. Es würde wohl reichen, wenn
er schlafen konnte. Ich sollte wohl lieber wach bleiben. Devin hatte so
ausgesehen, als ob er wieder zurückkommen würde. Obwohl es auch so wirkte, als ob
er Jemils Entscheidung akzeptierte.. Ich hatte sogar in meiner Wolfsform alles
mitbekommen. Nur nicht ganz so klar. Diese Mordlust hatte mehr und mehr die
Oberhand übernommen. Wenn ich mich wohl nicht wieder zurückverwandelt hätte, dann
wäre Jemil wohl gar nicht mehr am Leben.
Ich kniete mich aufs Bett. Verharrte dort minutenlang. Ich hätte ihn wohl
getötet. Ganz unter Kontrolle hatte ich mich nicht mehr. Mein Körper hatte mir
nicht mehr richtig gehorcht. Obwohl ich es mit Mühe und Not halten konnte und
auch noch fast Herr über mich selbst war. Ich hatte mich doch auch selbst
verwandelt. Ohne die Hilfe des Vollmondes. Weiß Gott wie.
Leicht schüttelte ich den Kopf. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn ich
ihm etwas angetan hätte. Das wäre dann das Schlimmste für mich gewesen.
Ich massierte mir die Schläfe. Ein Stechen durchfuhr meinen Kopf. Vielleicht
sollte ich doch auch etwas schlafen. Leicht streckte ich mich und zog mir dann
doch auch Shirt und Hose aus. Ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Kroch dann
auch einfach zu Jemil unter die Decke. Er wollte ohnehin etwas kuscheln, also
könnte ich das doch auch machen.
Ich schmiegte mich an ihn. Fuhr mit den Fingern über seine Brust. Er war
eigentlich richtig schmächtig im Gegensatz zu mir. Seltsam, dass Vampire
überhaupt so dünn blieben.
Ich summte genüsslich, als er einen Arm um mich legte. War er denn vielleicht
auch noch wach?
„Jesko?“, flüsterte er. Ich setzte mich wieder auf. „Geht es dir gut?“, wollte
ich wissen. Legte den Kopf leicht schief. „Alles OK“, erwiderte er noch. Legte
ein verschwitztes Lächeln auf. Das wirkte etwas gestellt. So gut ging es ihm wohl
nicht.
„Das glaube ich dir aber nicht“, gab ich meine Zweifel Preis. Beugte mich dabei
über ihn. Sein hitziger Atem schlug mir ins Gesicht. „Mir ist nur etwas heiß“,
meinte er. Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. „Etwas“, fragte ich mit
zusammengebissenen Zähnen und fügte noch hinzu, „das ist wohl etwas mehr!“
„Mach doch aus einer Mücke keinen Elefanten. Ich bin ein Vampir. Das übersteh ich
schon.“ – Er setzte für einen Moment aus – „Wo sind wir überhaupt?“ Krampfhaft
versuchte er sich aufzusetzen. Doch ich drückte ihn mühelos zurück.
„So ein Mädel hat uns bei sich aufgenommen“, erwiderte ich. Doch ich erkannte
schon an seinem verschreckten Gesichtsausdruck, dass ihm daran etwas nicht
passte. „Nein, sie weiß nicht, dass wir Werwolf und Vampir sind“, meinte ich
noch.
Er atmete erleichtert auf. Presste aber schon im nächsten Moment die Augen
zusammen. „Tut dir etwas weh?“, fragte ich. Kam noch etwas näher zu ihm. Er
schüttelte nur den Kopf. „Es geht schon.“ Nein, ich glaubte ihm überhaupt nicht.
Es ging ihm nicht gut.
„Was ist denn los?“, wollte ich wissen. Nahm ihn behutsam in den Arm. Er
schlotterte. „Ich bin wohl nur etwas krank geworden“, gab er nur zur Antwort.
„Etwas ist gut“, meinte ich, „du hast Fieber.“
Ich ließ ihn wieder in die Kissen sinken. Deckte ihn wieder zu und nahm ihn auch
gleich wieder in den Arm. Ich wollte ihm nur etwas von meiner Wärme abgeben. Die
konnte er jetzt am Besten brauchen.
„Du wolltest doch Sex“, flüsterte er da aber auf einmal. Ich spürte ganz deutlich
seine Finger unter dem Stoff meiner Shorts. „Das muss jetzt nicht sein.“ Ich
drückte seine Hände weg. Zwar hätte ich das schon einmal wieder gern – seine
zärtlichen Berührungen und dieses wunderbare Gefühl waren einfach nur zu schön –
aber er war krank. Also konnte ich es mir gut und gerne verkneifen ihn auch noch
damit zu quälen.
„Ich würde es jetzt sogar tun“, murmelte er, als er seinen Kopf an meine Brust
drückte. Ich seufzte: „Kann ich mir schon vorstellen.“ Wie er das überhaupt
konnte, nachdem was Pio mit ihm angestellt hatte? Ich wäre wohl nach so etwas
nicht mehr in der Lage dazu, das zu genießen. Mich überhaupt noch von jemanden so
anfassen zu lassen.
„Du bist viel vorsichtiger dabei.“ Ich schreckte aus meinen Gedanken. „Und es
fühlt sich so gut an.“ Ich blickte ihn etwas verwirrt an. Meinte er das ernst?
„Mit dir zu schlafen ist wie, wenn man von einem Engel sanft in den Arm genommen
wird.“ Was für eine süße Beschreibung. Dann wusste ich zumindest schon einmal,
wie es war, wenn er einen in die Arme schloss.
„Hast du wohl Recht, mein süßer Engel“, flüsterte ich, „aber es wäre besser für
dich, wenn du etwas schlafen würdest. Dann kannst du dich zumindest etwas
erholen.“
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als er sich etwas enger an mich
kuschelte. „Dabei will ich gar nicht“, seufzte er, „es ist gerade viel zu schön.“
Er rutschte schon fast auf mich. Seine Augen waren sogar in der Dunkelheit noch
viel zu gut zu erkennen. Und zeigten mehr als nur Lust.
„Ich will dich“, murmelte er. Glitt ganz auf mich. Seine Fingerspitzen wanderten
über meine Brust. Ließen meine Brustwarzen versteifen. Ich hielt ihn an der
Taille fest und drückte ihn von mir weg. Rollte mich aber nur so, dass ich über
ihm war.
„Wir wäre viel zu laut“, entschied ich einfach. Doch da reckte er sich schon hoch
um mich zu küssen. „Ist doch egal“, meinte er, als er sich wieder von mir löste.
War es denn wirklich so egal, dass dieses Haus voller Fremden hörte, dass wir
miteinander schliefen? Es war mir doch schon etwas unangenehm, als wir es in
seinem Zimmer getan hatten. Selbst da hätten es schon ungewollte Personen hören
können. Hatten es wohl sogar.
Hier war es für mich sogar doppelt schlimm. Ich kannte wirklich niemanden.
Er legte eine Hand auf meinen Nacken. Zog mich zu sich hinunter. „Ich will dich
spüren“, zischte er. „Du bist krank!“ Ich würde ihn seinem Zustand nichts mit ihm
anstellen. Und gerade nicht so etwas.
„Du wirst dich als Wölfchen schon nicht anstecken …“ Ich schnitt ihm einfach das
Wort ab. „Darum geht es doch gar nicht“, fauchte ich, „mir geht es um dein Wohl!“
Er fuhr zusammen. Blickte mich mit verschreckten Augen an. „Du … machst dir um …
mich Sorgen?“, flüsterte er ungläubig. „Natürlich! Um wen denn sonst?“ Sein
Blick wendete sich von mir ab. Sein Kopf sank zu Seite. Ich konnte es in der
Dunkelheit nicht sehen, aber hören tat ich es. Er schluchzte. Weinte er demnach
auch?
„Was ist denn?“ Hatte ich so hart geklungen. Doch da vermischte sich schon dieser
traurige Laut mit einem Lachen. „Du machst dir wirklich um mich Sorgen.“ Verwirrt
sah ich ihn an. War das jetzt noch so ungewöhnlich?
„Hast du etwas dagegen?“ Ich zog die Augenbrauen zusammen, als er sich wieder zu
mir wendete. „Nein, … nur … es ist seltsam“, erwiderte er. Wischte sich mit den
Handrücken über die Augen.
Ich sank wieder neben ihm aufs Bett. Legte noch einen Arm um ihn. Zog ihn zu mir.
„Schlaf etwas, bald wird es hell und morgen Nacht sollten wir wieder von hier weg
sein.“
Ich schloss die Augen. Wollte endlich auch schlafen. Nicht nur ihm würde wohl die
Ruhe gut tun.
„Denkst du wirklich, sie verfolgen uns?“ Leicht hob ich wieder ein Lid. Legte den
zweiten Arm um Jemil. „Hoffen mir es mal nicht“, flüsterte ich. Er bettete seine
warmen Lippen auf meine Brust. Führte sie langsam immer weiter nach unten. Ich
zog ihn wieder hoch.
„Nicht in deinem Zustand!“, zischte ich. Dieser verfluchte Idiot. Was sollte das
überhaupt? Wieso stellte er so einen Mist an? Ich hatte ihm doch schon – so gut
wie es ging – verständlich gemacht, dass ich es nicht wollte. Nicht solange es
ihm nicht wirklich gut ging.
„Dann nicht“, flüsterte er. Schmiegte sich wieder ganz eng an mich. Eigentlich
wollte ich noch etwas sagen. Doch er war längst eingeschlafen. Endlich. Ein
Lächeln bildete sich noch auf meinen Lippen, bevor ich auch in süße – vielleicht
auch nicht – Träume versank.